Schaffhauser Polizist bleibt bisher ungestraft - trotz versuchter Tötung

Am 1. Juni 2003 protestierten über Hunderttausend Menschen rund um den Genfersee gegen das Gipfeltreffen der G8 in Evian, Tausende blockierten die G8-Geladenen bei ihrer Anreise. Eine Gruppe von AktivistInnen spannte dafür ein Seil über die Autobahnbrücke bei Aubonne (VD), auf beiden Seiten hingen je eine Person. Als die Polizei die Blockade auflösen wollte, schnitt ein Schaffhauser Polizist das Seil durch, so dass ein daran hängender Mann zwanzig Meter in die Tiefe stürzte und nur mit Glück überlebte.

Am kommenden Montag, 28. Juni, wird in Nyon der Prozess gegen die AktivistInnen der Autobahnblockade eröffnet, weil sie den Verkehr behindert haben - das Verfahren gegen den Schaffhauser Polizisten hingegen, verantwortlich für schwerste Verletzungen eines Aktivisten, kommt nicht vom Fleck. Wir protestieren gegen die Einseitigkeit der Justiz, gegen die Kriminalisierung von AktivistInnen und gegen die Immunität der Polizei.

Das Treffen der acht mächtigsten Industrienationen, der G8, welches vor einem Jahr in Evian stattfand, löste eine Welle des Protests in der ganzen Region aus. Gegen die am Treffen ausgehandelte neoliberale Politik, die sich im Alltag mit Arbeitsplatzabbau, Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich und weltweit mit rasant steigender Armut äussert, fanden riesige Demonstrationen und zahlreiche Protestaktionen statt.

Verschiedene Gruppe von AktivistInnen blockierten die Autobahn zwischen Genf und Lausanne, um die Ankunft der Delegationen am Gipfel zu verzögern. Von der Autobahnbrücke von Aubonne seilten sich zwei Personen an einem Kletterseil - quer über die Autobahn gespannt - auf beiden Seiten ab. Mit Transparenten wiesen andere AktivistInnen darauf hin, dass zwei Menschen am gespannten Seil hingen. Mit dem durch die daran hängenden Menschen gespannten Seil wollten die Beteiligten verhindern, dass die Blockadeaktion schnell aufgelöst würde. Die Polizei, die bald einmal vor Ort war, kommunizierte, entgegen einer Weisung für derartige (vorhersehbare) Ereignisse, nicht mit den AktivistInnen. Stattdessen gefährdete die Polizei das Leben aller Beteiligten, indem sie schnellstmöglich den Weg freizumachen versuchte.

Vorerst hoben Polizisten das Seil, an dem zwei Menschen hingen, an, um die wartenden Autos durchfahren zu lassen. Dies, obwohl dadurch das Seil hätte reissen können. Der zweite Schritt war jedoch noch gravierender und führte zum Ende der Aktion. Ein Schaffhauser Verkehrspolizist, der seit längerem vor Ort anwesend war und wissen musste, dass Menschen am Seil hingen, zog sein Messer und schnitt das Seil entzwei, ohne die Warnrufe der umstehenden Leute zu beachten. Martin Shaw, der am einen Ende des Seils hing, stürzte zwanzig Meter in die Tiefe in ein Flussbett. Nur durch ein Wunder hat er den Sturz schwer verletzt überlebt. Gesine Wenzel, welche am anderen Ende des Seils hing, konnte in letzter Sekunde von ihren FreundInnen gerettet werden, weil diese das durchgeschnittene Seil auf der Brücke festhalten konnten. Sie blieb körperlich unversehrt, leidet seither jedoch unter schweren psychischen Problemen.

Die beiden müssen sich nun nächste Woche in Nyon vor Gericht verantworten. Sie sind wegen «gefährlichen Eingreifens in den Strassenverkehr» und «Gefährdung des Lebens Dritter» angeklagt. Das Verfahren gegen den Schaffhauser Polizisten, der beinahe zwei Menschen tötete, kommt nicht vom Fleck; die Polizei internen Untersuchungen versanden und der Polizist tut nach wie vor unbehelligt seinen Dienst in Schaffhausen.
Wir fordern die Aufhebung der polizeilichen Immunität und die Aufnahme eines Strafverfahrens gegen den verantwortlichen Schaffhauser Polizisten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und schwerer Körperverletzung.
Wir protestieren gegen die Kriminalisierung, politische Einschüchterung und rechtliche Verfolgung von Leuten, die sich gegen die menschenverachtende neoliberale Politik wehren und ihre Grundrechte einfordern.

Alternative Liste Schaffhausen, Anti-WTO-Koordination Bern, Arti-Fri-Ciel Fribourg, Demokratische Juristen und Juristinnen Schweiz

 

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