Deine Rechte gegenüber der Polizei: Kanton Waadt (Lausanne)

In der Schweiz unterscheiden sich die Rechtssysteme von Kanton zu Kanton. Folgende Infos beziehen sich speziell auf den Kanton Waadt.

Egal, ob es sich um „Einzelfälle“, Repression gegen bestimmte Gruppen oder Infiltrierung von sozialen Bewegungen handelt, es ist wichtig, dass wir über das, was wir sehen oder erleben, Zeugnis ablegen. Polizeiübergriffe sind niemals Privatangelegenheiten!
Wir lassen uns nicht in „gute“ und „böse“ DemonstrantInnen, in Drogenabhängige und Nicht- Drogenabhängige, in Studierende und HausbesetzerInnen, in SchweizerInnen und Menschen ohne Schweizer Pass, in Junge und Alte, in Stellenlose und ArbeiterInnen aufspalten. Jede Polizeiagression meint und bedroht die Freiheit aller! Stellen wir der Repression unsere Solidarität entgegen!

Grenze / Einreise

Falls euch die Einreise an der Grenze mit dem Vorwand Einreisesperre verweigert wird, verlangt eine schriftliche Verfügung, nehmt Kontakt mit dem Anti-Rep auf (siehe Nummern am Ende des Textes), die Leute werden euch an eineN AnwältIn verweisen, damit ihr gegen die Einreisesperre Beschwerde führen könnt.

Verhalten bei Demos und Aktionen

Praktische Hinweise: Agenden, Telefonbüchlein (das Adressenverzeichnis der Natels falls möglich löschen) Waffen, Drogen zu Hause lassen. Mitnehmen: etwas zum Schreiben, genügend Bargeld, Kleingeld, eine Telefonkarte, ID oder eine Kopie von eurem Pass (für Nicht-SchweizerInnen), Wasser, persönliche Medikamente (für den Fall von Verhaftungen).

Während der Demo: DemonstrantInnen nicht mit Namen rufen (Zivis!), sich in kleinen Gruppen bewegen, dies erlaubt euch, gut aufgehoben zu sein und bei allfälligen Problemen reagieren zu können, untereinander Treffpunkte abmachen.

Bei Tränengaseinsätzen: versuchen, ruhig zu bleiben, auf keinen Fall rennen, versuchen durch
ein Halstuch zu atmen, Augen mit viel Wasser ausspülen.
Bei Gummischrot -Einsätzen: auf die Augen aufpassen, Schutzbrillen (Suva geprüft) anziehen.
Bei Verhaftungen: Namen den anderen Demonstrierenden zurufen, damit Schritte zu eurer Freilassung unternommen werden können. Ruft den Anti-Rep an.

Verhaftung

Versucht, Ruhe zu bewahren. Wir tun unser Möglichstes, euch so schnell wie möglich rauszubekommen. Im Fall einer Verhaftung habt ihr das Recht, die Aussage zu verweigern. Macht davon Gebrauch! Ihr müsst nur euren Namen, Vornamen, Meldeadresse und Nationalität angeben. Leute, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben, müssen zusätzlich eine Gastadresse, und die finanziellen Mittel, über die sie für den Aufenthalt verfügen, angeben.

Nach der Ankunft auf dem Polizeiposten habt ihr (unter Vorbehalt einer entgegenstehenden richterlichen Verfügung) das Recht, mit einem/einer AnwältIn (z.B. vom Anti-Rep) oder einer/einem Familienangehörigen Kontakt aufzunehmen. In der Praxis wird dieses Recht oft verweigert, beharrt darauf!

Minderjährige haben das Recht, dass die Person, die die elterliche Sorge innehat, beim Verhör anwesend ist, beharrt darauf. Falls ihr verletzt seid, habt ihr das Recht auf ärztliche Untersuchung. Verlangt den Namen der/s ÄrztIn und eine Kopie des Attest.

Während dem Polizeiverhör habt ihr nicht das Recht, von einem/einer Anwältin assistiert zu werden, aber ihr habt das Recht, auf eineN ÜbersetzerIn. Verlangt, dass euch die Fragen in einer Sprache gestellt werden, die ihr beherrscht.

Falls die Polizei persönliche Gegenstände sicherstellt oder beschlagnahmt, verlangt die Versiegelung [mise sous scellé], und eine Inventarliste mit Quittung [un reçu oder une quittance] .

Verhör

Ihr habt das Recht, die Aussage zu verweigern. Die Ausübung dieses Rechts führt zu keiner zusätzlichen strafrechtlichen Sanktion. Ihr müsst nur das sagen, was auf der ID steht: Name, Vorname, Geburtsdatum, Nationalität und die Adresse, wo ihr gemeldet seid. Denkt daran, dass ein grosser Teil der Verurteilungen nur auf den Geständnissen der Verdächtigen beruht! Falls ihr Angst habt, euch selber zu belasten, verweigert die Aussage. Auch wenn ihr andere belastet, entkräftet dies die gegen euch gerichteten Anschuldigungen nicht. Lasst euch von den polizeilichen Einschüchterungen nicht beeinflussen. Ihr habt immer das Recht, die Aussage zu verweigern!

Antwortet auf keinen Fall auf Fragen, die eure politische Meinung, eure FreundInnen, die Orte, an denen ihr verkehrt, kurz alles was euer Privatleben angeht, betreffen.
Auf solche Fragen könnt ihr zum Beispiel antworten: „Ich mache keine Aussage“ [„Je ne fais pas de déclaration“], oder: „Auf solche Fragen antworte ich nicht“[„Je refuse de répondre à ce type de questions“]. Wenn die Frage wiederholt wird, antwortet: „Diese Frage habe ich schon beantwortet“ [J’ai déjà répondu à cette question“].

Die Polizei kann drohen, euch so lange auf dem Posten zu behalten, bis ihr aussagt/ ein Geständnis ablegt. Das ist Unsinn: sie können euch nur maximal 24 Stunden behalten. Nachher müsst ihr entweder laufen gelassen oder aber eineR UntersuchungsrichterIn vorgeführt werden. Manchmal ist es besser, ein bisschen länger auf dem Posten zu bleiben als unüberlegt irgendetwas auszusagen, das dann gegen euch und andere verwendet werden kann.

Es kommt vor, dass sich die Polizei die Rollen während des Verhörs aufteilt. Fällt nicht auf das Spiel vom „guten“ und „bösen“ Polizisten rein: Misstraut beiden und macht von eurem Recht zu schweigen Gebrauch.

Verlangt ein Glas Wasser.

Leibesvisitationen, Blutentnahmen, Urinproben und DNA Tests müssen von einer/m RichterIn verordnet werden (verlangt, die Verfügung zu sehen). Die Leibesvisitationen dürfen nur durch eine Person des gleichen Geschlechts gemacht werden. Nur medizinisches Personal darf Körperöffnungen durchsuchen.

Photos und Fingerabdrücke dürfen nur gemacht werden, wenn einE RichterIn ein Verfahren gegen euch eröffnet hat. Fragt deshalb nach dem genauen Grund der Festnahme [la raison de l’arrestation].

Ihr seid nicht verpflichtet, eure Aussagen zu unterschreiben. Macht von diesem Recht Gebrauch. Lest das Protokoll in jedem Fall sehr aufmerksam durch, verlangt Korrekturen. Ihr habt das Recht, Ergänzungen, Präzisierungen und Proteste hinzuzufügen, die die Polizei nicht integrieren wollte. Falls ihr euch trotzdem dazu entschliessen solltet, unterschreibt unmittelbar am Textende. Unterschreibt auf keinen Fall etwas, das nicht in eurer Sprache geschrieben ist.

Es kommt vor, dass die Polizei will, dass ihr die Busse sofort bezahlt, zum Beispiel indem sie euch zu zwingen versucht, das Geld sofort beim Bankomat abzuheben. Diese Praxis ist illegal. Ihr müsst absolut nichts bezahlen, bevor ihr nicht eine diesbezügliche Entscheidung bekommen habt.

Gedankenprotokoll / ZeugInnenaussage

Falls ihr ZeugInnen von Verhaftungen, Polizeiübergriffen etc. werdet: schreibt eure ZeugInnenaussage so schnell wie möglich auf (oder nehmt sie auf Kassette auf). Darin unbedingt Datum, Zeit, Ort, Umstände, Zahl der beteiligten PolizistInnen (falls möglich welche Einheit/ Nummern oder Namen), Namen der ZeugInnen erwähnen. Ruft den Anti-Rep an für vorgedruckte Gedankenprotokolle. Bei Verletzungen ist es unbedingt notwendig, ein medizinisches Attest erstellen zu lassen. Lasst uns euer Gedankenprotokoll zukommen, auch wenn ihr keine Strafanzeige erstatten wollt. Übergriffe öffentlich zu machen, ist der erste Schritt gegen die Repression!

Ruft das Anti-Rep-Telefon im Fall von Verhaftungen oder wenn ihr ZeugInnen von Polizeiübergriffen werdet, an! Nach der Freilassung auch das Anti-Rep-Telefon benachrichtigen, damit wir wissen, dass ihr freigelassen wurdet.

Anti-Rep Lausanne:

Französisch und Italienisch: 021 / 646 63 10
Deutsch: 021 / 646 63 84
Englisch: 021 / 646 63 86 /
email: gar@no-log.org


Andere Anti-Rep-Nummern:

Basel: 0041 (0)79 608 91 86
vor allem für Probleme bei der Grenze Basel-D. Kann aber auch bei Problemen an andern Deutschschweizergrenzen kontaktiert werden.

Freiburg/Lörrach: 0049 (0)761 409 72 51
Kümmert sich vor allem um jene Fälle, die auf deutscher Seite an der Grenze festgehalten werden.

Bern: 079 603 57 81
Für die Leute von der Karawane und im Falle von Aktionen und Demos in Bern.

Genf: antirepg8@no-log.org

 

 

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