Wie fair ist das seco?

Als Hauptsponsor der 'Fair Trade Fair’ propagiert das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) neuerdings den 'fairen Handel’. Gleichzeitig wird sich die vom seco geleitetete Verhandlungsdelegation bei der WTO- Ministerkonferenz in Cancun für ein Investitionschutzabkommen einsetzen, das den multinationalen Unternehmen verbesserte Ausbeutungsbedingungen in aller Welt verspricht und das Nord-Süd Gefälle noch verschärfen wird. Unter diesen Umständen betrachtet, ist die Unterstützung der 'Fair Trade Fair’ durch das seco ein reiner PR-Gag zur Verbesserung des Image. Auf die Beihilfe zur Imagepflege des seco sollten die Organisationen, welche sich für gerechte Handelsbeziehungen einsetzen, besser verzichten.

Das seco: schon mal davon gehört?

Das Staatssekretariat für Wirtschaft ist ein Kind von Pascal Couchepin. Als damaliger Chef des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) 'reorganisierte’ Couchepin 1999 mit dem Argument der Effizienzsteigerung das Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) und das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA) zum seco. Als 'Kompetenzzentrum des Bundes für alle Kernfragen der Wirtschaftspolitik’ handelt das seco als verlängerter Arm des Wirtschaftsverbandes economiesuisse. Die Geschäftsleitung besteht ausschliesslich aus Herren mittleren bis älteren Alters, grösstenteils aus der Botschaftergilde stammend, welche in ihrer Vergangenheit z.T. auch hochrangige Posten in der Privatwirtschaft inne hatten.

Ein Reich des Ominösen...

Im Rahmen der WTO, der wichtigsten supranationalen Organisation in Sachen Welthandel, vertritt das seco angeblich die 'Interessen der Schweiz’. Ausgehandelt werden 'unsere Interessen’, d.h. diejenigen der Schweizer Exporteure und Investoren, hinter verschlossenen Türen nach Konsultation der Wirtschaftskreise. Vom Inhalt des Verhandlungsmandats dringt kaum je etwas zum Parlament durch, und wenn, dann derart spät, dass die ParlamentarierInnen keinen Einfluss mehr darauf nehmen können. So kriegt auch die Öffentlichkeit nichts davon mit, wie unsere zukünftigen Lebensumstände vom 'Big Business’ ausgehandelt werden. Klar ist nur, dass das seco in Cancun als verlängerter Arm der Wirtschaftsverbände agiert und versuchen wird, den Schweizer Multis auf dem Weltmarkt Vorteile zu verschaffen. In diesem Zusammenhang ist auch das von der Schweiz geforderte Investitionsschutzabkommen zu sehen. Nach dem Scheitern des multilateralen Abkommens über Investitionen (MAI) im Rahmen der OECD soll nun gegen den Willen einer Mehrheit von Entwicklungsländern ein neues Regelwerk erstellt werden, das die Rechte und den Schutz der Investoren ausbaut. Ein Blick auf das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zeigt, wie solche Investitionsschutzabkommen den Unternehmen die Möglichkeit bieten, demokratische Prinzipien sowie Umwelt- und Sozialregelungen durch Klagen gegen den Staat ausser Kraft zu setzen. Ein neues Investitionsschutzabkommen würde weiter verhindern, dass Länder ihre Investitionen ihrem Entwicklungsstand entsprechend regeln könnten.

...im Geist des Neoliberalismus

Mit seiner Marktlogik folgt das seco dem neoliberalen Dogma der Profitmaximierung: Je globalisierter (d.h. in den globalen 'Wettbewerb’ verstrickt), desto grösser das Wachstum eines Landes. Globalisierung habe eine positive Wirkung, sowohl bei den Industrie-, wie auch bei den 'Entwicklungsländern’, predigt Aymo Brunetti (Leiter des Bereichs Wirtschaftspolitische Grundlagen). Sein Kollege Oskar Knapp (Leiter des Bereichs Entwicklung & Transition) bezeichnet die globalisierten Entwicklungsländer als Gewinner und die nicht globalisierten als Verlierer. Das Allerheilmittel gegen Armut lautet: 'making globalisation inclusive’. Demnach sollten alle Länder wetteifern auf dem globalen Markt der Güter, Ideen und Dienstleistungen. Der Welthandel, sei er denn ungehindert und frei (von staatlichen Regulierungen), schaffe Wohlstand für alle, so der neoliberale Grundtenor. Doch in Tat und Wahrheit sind die Spiesse in diesem Wetteifern um Marktanteile und Profit höchst ungleich verteilt. Kapitalpotente transnationale Konzerne drängen die Länder des Südens dazu, ihre Schutzzölle abzubauen, um neue Absatzmärkte zu erschliessen. Dies bedeutet die Zerstörung der einheimischen Produktion in vielen armen Ländern und zieht eine oft verheerende Abhängigkeit von Produkten und Preisen aus agrarexportierenden Ländern nach sich. Auch staatliche Unternehmen und Dienstleistungen werden privatisiert, was mit einem Verlust von Grundrechten einher geht. Reissen sich Private das Gesundheits- und Bildungswesen, sowie die Wasser- und Energieversorgung unter den Nagel, funktionieren diese elementaren Bereiche nach der unersättlichen Profitlogik. Als Folge davon können sich mittellose Menschen Wasser, Strom, medizinische Behandlungen und Bildung nicht mehr leisten und verelenden im Würgegriff der 'unsichtbaren Hand des Marktes’.

Fair-play à la seco

Als Reaktion auf die Proteste gegen die Politik des Neoliberalismus übt sich das seco neuerdings auch in demonstrativ wohlwollenden Gesten, die eine Selbstschutzfunktion haben. Man inszeniert sich weltverbesserisch, jongliert mit wohlklingenden Phrasen wie Nachhaltigkeit und 'Fair Trade’, die man mit den Prinzipien Wachstum und Liberalisierung stets in rhetorischen Einklang zu bringen versucht. Der Markt soll so vor den Menschen gerechtfertigt, der 'unsichtbaren Hand’ ein karitatives Herz implantiert werden. Ein Beispiel? Des Hauses seco neuste rhetorische Kreation: 'Fair-Holder Value’. Will sagen, Firmen engagierten sich vermehrt freiwillig für 'fairen Handel’, weil dessen wirtschaftliche, sozialen, ökologischen Vorteile angeblich überwiegen. Mit Floskeln wie 'fairer Handel bietet auch kommerzielle Chancen’ profiliert sich das seco als Hauptsponsorin des 'Fair Trade Fair’ Symposiums von heute in Bern. Doch mit moralischen Appellen an die 'Global Players’ wird das auf Unfairness basierende kapitalistische Wirtschaftssystem nicht plötzlich handzahm. Profitstreben und Gerechtigkeit stehen in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander. 'Fairer Handel’ in einem profit- und wachstumorientierten Umfeld kann nicht gerecht sein, da die in Kooperativen organisierten ProduzentInnen klar von den globalen Unternehmen und deren Preisbestimmungen abhängig sind. Die Labels 'Fairplay’ und 'Fair Trade’ werden von den politischen und wirtschaftlichen Akteuren der Handelsliberalisierung in erster Linie zur Imagepflege vereinnahmt. Sie kaschieren die tatsächlichen Macht- und Ausbeutungsbeziehungen der globalen Konzerne, denen ein Imageverlust viel teurer zu stehen käme als ein geringer allfälliger Profitabstrich bei einem ein bisschen weniger unfair gehandelten Produkt, das mit dem Label ‘Fair Trade’ versehen ist.

Um gegen diese verlogenen Rhetorik der inszenierten Wohltätigkeit des seco und aller anderen Dividenden-Empfäger der 'unsichtbaren Hand’ ein Zeichen zu setzen, besetzen wir heute das Gebäude des seco an der Effingerstrasse 1 in Bern und geben der Schweizer Vertretung an der WTO-Ministerkonferenz in Cancun unsere Botschaft mit auf den Weg: Gegen ein globales Ausbeutungs-Parlament von Managern und Investoren! Gegen die Privatisierung der Gewinne und die Vergesellschaftung der Verluste! Derail the WTO!

Anti-WTO Koordination Bern, 1. Septmember 2003

 

 

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