Fair Trade: Dem Neoliberalismus bloss ein menschlicheres Antlitz geben?

Konzerne simulieren fairen Handel

Seattle, Genua, Davos, Cancún: Die globalisierungskritische Bewegung hat das «Naturgesetz» Neoliberalismus aus den Angeln gehoben. Viele multinationale Konzerne verfolgen die gewinngefährdende Diskussion um das sich verschärfende Nord-Süd-Gefälle mit Besorgnis. Eine neue Imagestrategie muss her, und siehe da: Sie wollen nun plötzlich auch ein wenig gerechter werden und wenigstens eines ihrer vielen Produkte fair labeln. Denn ein Imageschaden kostet vielleicht mehr.

Fair Trade beruht auf dem Grundsatz, die Selbstbestimmung der ProduzentInnen im Süden zu unterstützen. Es werden ausschliesslich Kooperativen zertifiziert. Mit diesen Kooperativen werden langfristige Abnahmebeziehungen eingegangen und ein Mindestpreis wird garantiert. Die FLO als Dachorganisation des fairen Handels und mit ihr die Schweizer Max-Havelaar-Stiftung verfolgen in letzter Zeit eine mainstreaming-Politik, welche eine Verbreiterung des Angebotes von fair gehandelten Produkten verfolgt. Um das zu erreichen, stützen sich die Labelling-Organisationen auf grosse Unternehmen. Nicht nur Schweizer Grossverteiler mit prekären Sozialstandards vertreiben heute faire Produkte, auch Fast-Food- und Coffeehouse-Ketten können sich neu mit dem fairen Label schmücken.

Das Beispiel Starbucks

«Bei uns gibt es nur fairen Kaffee», behauptet Starbucks frech in seiner Werbung. Tatsächlich hat die Coffeehouse-Kette aufgrund von Boykott-Kampagnen in den USA und öffentlichen Drucks in Europa einen fair gelabelten «Cup of the Day» eingeführt. In der Schweiz beträgt der Anteil dieses fairen Kaffees jedoch weniger als ein Prozent am Gesamtumsatz. Daraus macht die potente Werbeabteilung des Konzerns dann flugs 100 Prozent! Starbucks kauft seinen Kaffee unter anderem in Chiapas, Mexiko, ein. Dabei arbeiten sie mit der Naturschutzorganisation «Conservation International» zusammen, welche die Vertreibung von rebellischen Gemeinden unterstützt. Diese sollen das Naturschutzgebiet «Montes Azules» verlassen, nicht zuletzt, da sie der Ausbeutung des biologischen Reichtums im Wege stehen. Der «faire» Konzern Starbucks arbeitet also Seite an Seite mit einer von der Wirtschaft gesponserten Organisation, welche fundamentale Verletzungen von Menschenrechten propagiert. Von Fairness keine Spur.

Statt einer Distanzierung von den Machenschaften dieses Konzerns verfolgt die Max-Havelaar-Stiftung hier eine Politik, die bloss auf Umsatzsteigerung beruht. Das Regelwerk des fairen Handels, das für gerechtere Handelsbeziehungen stand, wird damit untergraben. Zu dieser rein umsatzorientierten Lobby-Politik gehört auch die Teilnahme an Treffen der ‘Global Leaders’ wie dem WEF. Die Geschäftsführerin der Max-Havelaar-Stiftung, Paola Ghillani, organisierte im Januar 03 das Open Forum mit, eine simulierte Opposition zum WEF. Nach unserer Beobachtung positionierte sich hier die Max-Havelaar-Stiftung nicht gegen die Liberalisierungs-Rowdies wie Couchepin. An dieser unternehmerfreundlichen Veranstaltung war tatsächlich der Vertreter des konservativen Schweizerischen Bauernverbandes die kritischste Stimme.

Fairer Handel ist in einem unfairen Markt ein Unding. So binden grosse Käufer oft einen Vertrag für fairen Kaffee an einen weiteren Abnahmevertrag unter Weltmarktpreisniveau. Der Weltmarktpreis ist halb so hoch wie der faire Preis. Mit der aktuellen Politik der Geschäftsleitung der Max Havelaar-Stiftung droht Fair Trade zu einem moralischen Mäntelchen für Konzerne zu werden. Im schönfärberischen Diskurs der selbsternannten ‘Global Leaders’ gehört nach ‘Women Empowerment’, ‘Sustainability’ und ‘Building Trust’ wohl auch bald ‘Fair Trade’ zu den Standardfloskeln.

Radikale Alternativen statt Kaffeekränzchen mit den Mächtigen

Die Strategie der Max Havelaar-Stiftung, in freundlichem «Dialog» die Konzerne überzeugen zu wollen, dass ihre Gewinnmaximierung ein wenig unmoralisch sei, führt zu nichts. Die radikalen Kräfte der globalisierungskritischen Bewegung versuchen Wege aufzuzeigen, wie die Machtverhältnisse aufgebrochen werden können und eine gerechtere Welt möglich ist. Seit den Aktivitäten gegen den 2. WTO-Kongress in Genf im Mai 1998 wuchs im Norden eine Bewegung, die sich stark auf Basisbewegungen im Trikont bezieht, beispielsweise auf die Zapatistas und deren indigene Autonomie in Südmexiko.

In dieser Nord-Süd-Diskussion spielen die Wirtschaftsbeziehungen eine zentrale Rolle: Mit den Freihandelsabkommen wie der NAFTA oder der an der WTO-Konferenz in Cancún geplanten «Liberalisierung» der Investitionen und der Landwirtschaft wird den ärmeren Bevölkerungsschichen im Süden eine würdige Existenzgrundlage genommen. Alternativen tun Not: Alternativen zu Konzernen wie Nestlé, Alternativen zu WEF und WTO. Doch diese Alternativen entstehen nicht aus dem vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Aktionärs-Interessen der Multis, sondern aus einer Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen im Süden, in welcher sich Netzwerke des gerechten Austausches bilden. Beispiele dafür gibt es viele, in denen ohne das Werbebudget eines Konzerns oder staatliches Sponsoring lokale Alternativen gelebt werden. Wir hoffen, dass die Max Havelaar-Stiftung in Zukunft wieder vermehrt auf diese Alternativen zur neoliberalen Weltordnung setzt.

Fair Handeln: Den Widerstand und die
Alternativen zum Neoliberalismus stärken!


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