MEDIENGRUPPE REITSCHULE BERN

Interessengemeinschaft Kulturraum
Reitschule (IKuR)
Neubrückstr. 8, 3012 Bern
Postfach 5053, 3001 Bern
http://www.reitschule.ch
An:
- Musikbüro Rote Fabrik: musik@rotefabrik.ch
- Sekretariat/Vorstand Rote Fabrik: info@rotefabrik.ch
- verschiedene Rote Fabrik-Gruppen
- die Öffentlichkeit
Bern, 12.5.2008
Offener
Brief gegen das Sizzla-Konzert in der Roten Fabrik
Liebes Musikbüro, liebe Leute von der Roten Fabrik
Mit Unverständnis und Beunruhigung haben wir davon Kenntnis
genommen, dass das Musikbüro der Roten Fabrik am 24. Mai 2008 den
bekannten Reggae-Musiker, religiösen Fanatiker und
"Battyman-Killer" Sizzla veranstalten will. Nach den Auftritten von
Bounty Killer in Fribourg und Zürich im April und der
Gründung von "Stop Murder Music Bern" in der Reitschule sind
"Battyman-Killer" und "Battyman-Tunes" bekanntlich wieder in das
Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.
Als
Reggae-/Dancehall-VeranstalterInnen und -PartygängerInnen, als
Betroffene und FreundInnen von Betroffenen distanzieren wir uns
entschieden von Homohass-Gewalt-Propaganda und fordern euch auf, das
Sizzla-Konzert abzusagen.
Es geht dabei nicht nur um Sizzla an sich, sondern auch darum, in der
Schweizer Reggae-/Dancehall-Szene (und darüber hinaus) ein Zeichen
zu setzen. Ein Zeichen gegen schwulen-/lesbenfeindliches Gehabe und
gegen Homohass-Gewalt-Propaganda.
Was nützt es, wenn Bounty Killer sich zwar verpflichtet, keine
"Battyman-Tunes" zu spielen und dies auch tut, aber die ihn
supportenden Soundsystems in Zürich nach unseren Informationen
etwa eine halbe Stunde lang eine "Battyman-Tunes"-Orgie abziehen? Was
nützt es, wenn Sizzla wegen kommerziellen Sachzwängen den
"Reggae-Compassionate-Act" zähneknirschend unterschreibt, aber
dies - so zumindest die hartnäckigen Gerüchte - in Jamaica
abstreitet? Was nützt der "Reggae Compassionate Act", wenn kaum
jemand dessen Einhaltung kontrolliert oder Verstösse sanktioniert
und der "Act" zum bequemen Feigenblatt für MusikerInnen und
VeranstalterInnen verkommt? Was nützt es, wenn die
"Battyman-Killer"-Crew (Sizzla, Bounty Killer, etc.) in der Schweiz
vertraglich gezwungen zwar mehr oder weniger auf "Battyman-Tunes"
verzichtet, aber viele Soundsystems hierzulande beinahe jedes
Wochenende schon fast krankhaft auf "krassen Rasta" machen und es
lieben, genau solche Songs aufzulegen? Und ihre Stars an Konzerten wie
in der Roten Fabrik anhimmeln und es schon fast bedauern, dass keine
"Battyman-Tunes" gespielt werden?
Die Reggae-/Dancehall-Szene hat - solange sie nicht gewillt ist, sich
deutlicher und glaubwürdiger von Homohass-Gewalt-Propaganda zu
distanzieren - kein Sizzla-Konzert verdient. Und Sizzla hat - solange
er nicht gewillt ist, sich deutlicher und glaubwürdiger von
Homohass-Gewalt zu distanzieren - kein Konzert in der Schweiz verdient.
Kultur bedeutet gemäss Eurem Leitbild "alles, was dem Individuum
erlaubt, sich gegenüber der Welt, der Gesellschaft (...)
zurechtzufinden; alles, was dazu führt, dass der Mensch seine Lage
besser begreift, um sie unter Umständen verändern zu
können."
Anstatt also Sizzla und andere "Battyman-Killer" zu veranstalten,
finden wir es deshalb angemessener und sinnvoller die hohen Budgets
für solche Konzerte in Aufklärungsarbeit in der
Reggae-/Dancehall-Szene zu investieren. Zum Beispiel mit
Veranstaltungsreihen, an denen von Homohass-Gewalt betroffene
Männer und Frauen aus Jamaica von der dortigen Situation berichten
können, samt anschliessender Party mit einem
"Battyman-Tunes"-freien Reggae-Soundsystem. Dies verbunden mit einem
kleinen Erholungsurlaub in der Schweiz, bei denen der kulturelle
Austausch in Form der Besichtigung der hierzulande erkämpften
schwullesbischen Errungenschaften gepflegt wird.
Auch das NGO "Jamaican Forum of Lesbian, All Sexuals and Gays" (J-FLAG)
wäre sicher froh um solidarische finanzielle Unterstützung
von eurem Zürichsee-Ufer.
Ein weiterer Teil dieser Veranstaltungsgelder könnte auch in die
englische Übersetzung der wichtigsten Ralf König-Comics
gesteckt und den bekanntesten "Battyman-Killern" gratis zwecks
Weiterbildung zur Verfügung gestellt werden.
"Das kann zu Auseinandersetzungen führen, doch muss der Respekt
vor einer Pluralität von Lebensäusserungen die
verschiedensten kulturellen und gesellschaftlichen Auffassungen
nebeneinander gelten lassen." (Leitbild Rote Fabrik)
Homohass-Gewalt-Propaganda ist wie
Faschismus keine Meinung oder
"Lebensäusserung", sondern ein Verbrechen. Und genauso wie
Antisemitismus ist Homophobie der "Sozialismus der dummen Kerls".
Ginge es bei dieser Auseinandersetzung um Nazirockbands, die einen
"Nazirock Compassionate Act" unterschrieben haben, in dem sie sich
verpflichten, während CH-Konzerten auf ausländer-, juden-,
schwulen-, linken- und andere menschenfeindliche Texte zu verzichten,
käme es trotzdem niemandem - auch nicht in der Roten Fabrik - in
den Sinn, diese zu veranstalten. Selbst dann nicht, wenn die Bands nur
noch publikumswirksame punkrockige und gewaltfrei-harmlose Lieder
über Bergblümchen, blonde Mädchen mit blauen Augen oder
Wandern im Marschtempo singen würden.
"Wir stehen für den Dialog von Kulturen, Toleranz und
Verantwortung" schreibt das Musikbüro. Letzteres - die
(Mit-)Verantwortung für die Geschehnisse hinter den Rote
Fabrik-Mauern, im Musikbüro sowie in der Reggae-/Dancehall-Szene -
tragen auch die anderen Rote Fabrik-Gruppen. Sie sollten diese nun
endlich wahrnehmen und entsprechend handeln.
Gerne erhalten wir vom Musikbüro und den anderen Rote
Fabrik-Gruppen Stellungsnahmen und die Mitteilung der Konzertabsage.
Mit lieben Grüssen aus Züri West
Reitschule Bern
P.S.: Mehrere Arbeitsgruppen der Reitschule haben das Manifest von
"Stop Murder Music Bern" unterschrieben. Wir möchten Euch deshalb
einladen, dies ebenso zu tun. Ihr findet es unter
http://www.stopmurdermusic.ch