Reitschule Bern
Mediengruppe
Postfach 5053
3001 Bern
www.reitschule.ch


Bern, 11. Mai 2012

Medienmitteilung

Abschiedsparty und Willkommensfest für und auf dem Vorplatz der Reitschule

Sehr geehrte Medienschaffende

"Es darf keinen Rückfall in den Feudalismus geben". Dieses auf die Arbeitswelt bezogene Zitat* trifft eigentlich recht gut die Stimmung bei den Betroffenen der repressiven Massnahmen gegen das Berner Nachtleben.

Schon im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit versuchten in verschiedenen Städten die Obrigkeiten "ihren" Untertanen und Untertaninnen Vorschriften über Leben und Freizeitgestaltung zu machen. Und schon damals gab es sichtbaren und unsichtbaren Widerstand dagegen. Dies ist heute nicht anders.

"Herzlich Willkommen" steht seit Donnerstag auf der Eisenbahnbrücke vor der Reitschule geschrieben. Herzlich Willkommen auf dem Vorplatz. Sei herzlich willkommen, um deinen kreativen Beitrag zum Widerstand gegen die repressive Nachtlebenpolitik zu leisten."

Heute Freitag 00.30 Uhr wurde der alte Vorplatz mit einem Feuerwerk verabschiedet und der neue Vorplatz mit Freibier und einem üppigen Willkommensfest gebührend gefeiert.

Die Reitschule Bern wird in den nächsten Tagen in ihren Strukturen über die weiteren juristischen und politischen Schritte beraten.

Unten finden Sie den Text des am Anlass verteilten Flugblatts.

Mit freundlichen Grüssen

Mediengruppe
Reitschule Bern


*Aus einer diesjährigen 1. Mai-Rede in Zürich


FLUGBLATT

Nehmt ihr uns den Vorplatz, nehmen wir uns die Stadt

Ab dem 11. Mai 2012 gelten für die Reitschule verschärfte Betriebsauflagen (Zitat aus der Verfügung von Regierungsstatthalter Lerch: "Gäste, die Getränke nach 00.30 Uhr im Freien (inkl. Innenhof) konsumieren, sind wegzuweisen."). Damit wird schon wieder versucht, aus der Reitschule einen angepassten und pflegeleichten - normalen - Kultur- und Gastrobetrieb zu machen. Etwas, das die Reitschule nie war und niemals sein will!

Was bei der Reitschule immer wieder versucht wird, ist in der restlichen Stadt schon lange gang und gäbe. Es geht um Aufwertungspolitik, und die betrifft uns alle. Wenn wir uns im öffentlichen Raum aufhalten, werden wir von der Polizei oder von Securitys kontrolliert, schikaniert oder weggeschickt. Im öffentlichen Raum sollen mehr und mehr nur noch profitorientierte Veranstaltungen stattfinden. Damit wird er faktisch privatisiert - wie etwa auf der Grossen Schanze für die City Beach und das Orange Cinema.

Kultur und Freizeitangebote finden fast nur noch in Clubs statt, und auch das nur, solange sich niemand beschwert. Wer nicht genügend Geld für den Eintritt und die Drinks hat, muss draussen bleiben.
Gleichzeitig finden wir auch immer weniger Wohnungen, denn von Neubauwohnungen und Altbausanierungen profitieren meist nur Gutverdienende.

In der neoliberalen Gesellschaft befinden sich Städte in einem ständigen Konkurrenzkampf, um Unternehmen und damit Arbeitsplätze und Steuerzahler_innen anzuziehen. Dabei werden die Interessen der Bewohner_innen untergeordnet und unangepasste oder nicht so einfach zu vermarktende (Frei-)Räume zu Hindernissen, die verschwinden oder angepasst werden müssen.

Kurz, die Stadt soll für reiche Steuerzahler_innen attraktiv, schick und sauber sein. Mittels Überwachung, Polizei und privaten Sicherheitskräften werden dafür all jene vertrieben, die nicht in dieses Stadtbild passen.

Unser Lebensraum soll jedoch nicht von Politik, Behörden und Polizei verplant, reglementiert und überwacht werden, um im Standortwettbewerb gut abzuschneiden. Im Gegenteil: Wie unsere Stadt gestaltet ist, bestimmen wir selber!

Unsere Stadt - unser Raum - unsere Reitschule