MEDIENSPIEGEL 6.7.08

Heute im Medienspiegel:
- Fichen-Affäre 2008
- Öffentlicher Raum
- Homophobie
- Brot & Äktschen im Hardturm-Stadion ZH
- G8 Japan

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FICHEN-AFFÄRE 2008
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Fichen-Affäre: Politikern platzt der Kragen

Direktes Einsichtsrecht und verschärfte Aufsicht für den Staatsschutz werden im Bundesparlament mehrheitsfähig

Von David Sieber

Politiker von links bis rechts haben genug. Der Fall der fichierten Basler Grossräte mit Migrationshintergrund weckt bei ihnen ungute Erinnerungen an längst vergangen geglaubte Zeiten. Noch ist nicht klar, ob sich eine neue Fichen-Affäre anbahnt. Doch SP, Grüne und SVP wollen nicht warten, bis die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) Licht in die Dunkelkammer gebracht hat. Sie verlangen ein direktes Einsichtsrecht für Fichierte und eine verstärkte parlamentarische Kontrolle.

Konkret schlägt SP-Fraktionschefin Ursula Wyss die Schaffung einer zweiten GPDel vor, die von einem externen Geheimdienst-Beauftragten unterstützt wird. Grund: Das Milizparlament  ist aus Kapazitätsgründen derzeit nicht in der Lage, genau hinzuschauen, was der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) im Namen der Bekämpfung von Terror, Spionage und Profiliferation so alles an Daten sammelt.

Willkommene Gelegenheit, die Spione an die Kette zu legen, bildet die Debatte zum Bundesgesetz über die Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS), die der Nationalrat im Herbst führen wird. Die Rechtskommission hat die noch vom damaligen Justizminister Christoph Blocher stammende Vorlage, die dem Nachrichtendienst unter anderem Lauschangriffe ermöglicht, zur Rückweisung an den Bundesrat empfohlen. Dies mit dem Auftrag, die parlamentarische Aufsicht wirksamer zu gestalten und die Verfassungsmässigkeit bezüglich der Grundrechte zu überprüfen.

Die Linke wird zusammen mit der SVP die Vorgaben an den Bundesrat noch verschärfen, während FDP und CVP erst einmal die  GPDel-Untersuchung abwarten wollen. Der Unterschied zwischen den beiden politischen Polen: Die Linke will den Staatsschutz schon aus ideologischen Gründen auf ein Minimum reduzieren, während die Rechte "das Spannungsfeld zwischen Terrorbekämpfung und persönlicher Freiheit" möglichst klein halten will, wie der Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm erklärt

Für Nationalrat Daniel Vischer (Grüne) darf "Schnüffeln nur im Rahmen eines Verfahrens erlaubt sein". Er übernimmt damit eine Forderung des St. Galler Kantonsgerichtspräsidenten Niklaus Oberholzer, der Ende der Achtziger jener parlamentarischen Untersuchungskommission als Experte zur Seite stand, die die Fichen-Affäre ins Rollen brachte. Oberholzer plädiert für ein "zielorientiertes Schnüffeln". Die Polizei solle alle nachrichtendienstlichen Mittel nützen können, aber nie ausserhalb eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Und nach Abschluss eines Verfahrens "müssen die Betroffenen ein Akteneinsichtsrecht erhalten, bevor alle Daten vernichtet werden", verlangt der Gerichtspräsident. Dem stimmt Stamm "im Grundsatz" zu, doch seien in der Praxis noch einige Fragen zu lösen.

Derweil hat die Anzahl Gesuche um Akteneinsicht stark zugenommen, wie Datenschützer Hanspeter Thür erklärt. Denn laut Gesetz kann nur er feststellen, ob ein Gesuchssteller in der Datenbank ISIS mit ihren offiziell nicht bestätigten 110 000 Eintragungen registriert ist. Davon betreffen gemäss EJPD-Sprecherin Brigitte Hauser-Süess weniger als 5 Prozent Schweizer Bürger. Eine Registrierung bedeute aber nicht, dass diese Personen "grundsätzlich als Staatsfeinde betrachtet werden".

Für Catherine Weber vom Verein Grundrechte.ch ein schwacher Trost. "Ohne Einsichts- und Korrekturmöglichekit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet." Das sehen Parlamentarier mit ausländischen Wurzeln auch so. Nicht nur in Basel, auch in Solothurn, Luzern, Zürich und im Aaragau wurden Vostösse eingereicht.

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ÖFFENTLICHER RAUM
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Sonntagszeitung 6.7.08

Zone um Zone

Der Ausnahmezustand wird zum Normalfall: Die Gesellschaft spaltet sich in Zonen auf

von Michael Lütscher

Seit letztem Dienstag ist es in Chur spätnachts verboten, in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken. In den Kantonen Aargau, Bern und Zürich haben Gemeinden nächtliche Ausgehverbote für Jugendliche verfügt. Die Verbote stehen im krassen Gegensatz zu den Euro-Fanmeilen der letzten Wochen mit ihren Geboten, bis spät zu feiern und zu trinken.

Und doch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Fanzonen und den Sperrzonen: Sie sind Zonen, abgegrenzte Orte mit Sonderregeln.

Schaut man sich um, stellt man fest: Die Ausnahmesituation der Zone prägt zunehmend den Alltag im öffentlichen Raum. Sonderregeln überall: die Raucherzone im Nichtraucheruniversum, die Ruhezone im lärmerfüllten Zug, die Fussgängerzone inmitten des notorischen Verkehrsstaus, die Naturschutzzone in der belebten Freizeitwelt, die VIP-Zone im unwirtlichen Stadion.

Grund für die Errichtung von Zonen ist, wie Emanuel Müller, Professor an der Hochschule Luzern und Leiter eines Projekts zur Nutzung des öffentlichen Raums, sagt, "die Zunahme von Nutzungsformen des öffentlichen Raums, ja eine Übernutzung". Und die führt, so Müller, "zu mehr Nutzungskonflikten".

Diese lassen sich entschärfen, indem man Zonen errichtet. So kann man verschiedene Regeln gleichzeitig für gültig erklären.

Die SBB führen seit einigen Jahren in ihren Intercity-Zügen Ruheabteile - als Reaktion auf die Beschwerden von Reisenden, die sich durch Telefongespräche und das Tastaturgeklapper anderer Passagiere gestört fühlten.

Fast gleichzeitig schufen die SBB auch Businessabteile - die Zone für die Telefonierer und die Tastenklapperer.

Mountainbiker stören Wanderer, Skateboarder Anwohner und Passanten. Eigene Wege, Zonen ohne und für Skateboarder heissen die Lösungen. Jedem seine Zone - so lautet die Problemlösung der individualisierten, dauermobilen Gesellschaft.

Der öffentliche Raum wird zum Geschäft

"Alle drängen in den öffentlichen Raum", stellt Christian Schmid, Soziologiedozent am Departement Architektur der ETH Zü-
rich fest. "Der öffentliche Raum wurde zurückerobert. Und er ist kommerziell attraktiv geworden." Schmid nennt als augenfälligstes Beispiel dieser Entwicklung die Strassencafés. Vor dreissig Jahren existierten davon beispielsweise in der Stadt Zürich nur ganz wenige. Heute gibt es fast kein Lokal mehr, das nicht ein paar Stühle und Tische auf dem Trottoir stehen hätte. Die Stadt erlaubt es, kassiert Mieten - und kontrolliert pingelig die zentimetergenau festgelegten Nutzungszonen auf den Bürgersteigen.

Allgemeine Verbote und Gebote sind durch partielle ersetzt worden. Früher hiess es generell "Rasen betreten verboten", heute wird der Rasen zur Fan- oder zur VIP-Zone - Betreten erlaubt für Auserwählte.

Hier soll gejohlt werden, dort nicht. Während der Euro sollten die offiziellen Fanzonen das Bild euphorisierter Städte medienwirksam vermitteln. In Zürich wurde dagegen jeweils nach den Spielen die Langstrasse, die traditionelle Jubelmeile des ganzen Millionen-Zürich, gesperrt, und die üblichen Hup-Korsos mussten sich einen anderen Weg suchen.

"Wer den Raum kontrollieren will, muss Zonen schaffen", sagt ETH-Soziologe Schmid. Wie im Fussball, wo die Zonendeckung längst Allgemeinplatz ist.

Zonenordnungen regeln das Bauen und das Gewerbe, teilen die Städte in Zonen. "Der öffentliche Raum war früher besser zugänglich", sagt Philipp Sarasin, Geschichtsprofessor an der Universität Zürich. Er erwähnt als Beispiel die Prostitution, die in den Städten einst präsenter war und heute auf bestimmte Gebiete beschränkt ist.

Heroinsüchtige, die einst frei herumlungerten, haben in den grösseren Städten heute ihre Fixerstübli; in Olten saufen Alkoholiker im Alkstübli. Da befolgt die Schweiz das Rezept "Sonderwirtschaftszone", in den 1970er-Jahren erfunden von Chinas Reformkommunisten Deng Xiaoping, um den Kapitalismus auszuprobieren: Der Präventionsstaat gibt schwer Süchtigen Gratisheroin und Bier zum Selbstkostenpreis ab - damit sie die öffentliche Ordnung nicht stören.

In der Stadt Bern hat das Stimmvolk kürzlich eine bettelfreie Zone im Bahnhof bewilligt, und die SP Schweiz will solche neuerdings überall, wo das Betteln stört.

Im Zusammenhang mit der Einführung solcher Benimmverbote sprach der Psychoanalytiker Mario Erdheim kürzlich vom "schrecklichen Ausdruck der Nulltoleranz". Die Zone ist die sprichwörtliche repressive Toleranz: ein Reservat, wie für die Indianer.

Ein bisschen Bewegungsraum bleibt noch, zwischen kinderfreien Restaurants und Familienbeizen, Event- und Badezonen, Velowegen und Hundeversäuberungszonen. Noch ist die Freiheit zu wählen zwischen der einen und der anderen Zone oder dem Bereich, wo die allgemeine Bewegungs- und Benimmfreiheit gilt, weit gehend vorhanden.

Aber: Jede Zone muss überwacht oder zumindest bewacht werden. Sonst ist sie keine Zone. Von Polizisten, privaten Sicherheitsleuten, Videokameras.

Und so breitet sich eine grosse Zone unaufhaltsam aus, sozusagen eine Überzone: die Kontrollzone. Einst wurden neuralgische Zonen überwacht. Schalterhallen von Banken, Botschaften, Industrieanlagen, private Villen, Eingänge zu Verwaltungsgebäuden und Firmensitzen. Wer sich in diese Bereiche begab, wusste: "Da werde ich registriert."

Doch inzwischen ist die Überwachungszone allumfassend. Die vor langem wegrationalisierten Kondukteure in Trams und Regionalzügen werden durch Videokameras ersetzt. Die Behörden können durch das Nachverfolgen von Mobiltelefonen und Internetpfaden die Bewegung quasi der ganzen Bevölkerung nachvollziehen. Leute spionieren Nachbarn aus und stellen die Erkenntnisse in Text und Bild ins Internet.

"Heute kann man alles überwachen, auch im privaten Bereich", sagt der Eidgenössische Datenschützer Hanspeter Thür, "Wir haben Regeln und Gesetze, welche die Privatsphäre schützen, aber angesichts der technischen Mittel sind diese immer weniger wirksam."

Der Ausnahmezustand ist normal geworden. Das Leben ist eine Zone.

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HOMOPHOBIE
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tagesanzeiger.ch (SDA) 5.7.08

Homosexuellen-Parade in Budapest von Rechtsextremisten gestört

Rechtsextremisten haben eine Homosexuellen-Parade in der ungarischen Hauptstadt Budapest angegriffen. Sie bewarfen die rund 1500 Umzugsteilnehmer mit Steinen und Eiern.

Bei Zusammenstössen mit der Polizei, die den Umzug zu schützen versuchte, warfen die Extremisten und Neonazis auch Brandsätze. Fünf Personen, darunter zwei Polizisten, wurden verletzt. Ein Polizei-Kleinbus brannte aus. Mehr als 40 Gegendemonstranten wurden nach Angaben einer Polizeisprecherin festgenommen.

Der Politiker Gabor Horn, Präsidiumsmitglied des liberalen Bundes Freier Demokraten (SZDSZ), wurde beim Verlassen des Schauplatzes nach eigenen Angaben von Neonazis bespuckt, geohrfeigt und mit Bier übergossen.

Die Gay-Pride-Parade findet in Budapest seit zwölf Jahren statt. Im Vorjahr war es erstmals zu gröberen Übergriffen durch Rechtsextremisten gekommen. Diesmal hatten sich mehrere hundert Gegendemonstranten entlang der Paradestrecke versammelt.

Rechtsextreme Internet-Foren hatten zur Gewalt gegen die "widernatürlichen Perversen" aufgefordert. In der Woche vor der Parade waren Molotow-Cocktails gegen zwei Homosexuellen-Lokale geworfen worden. Ein Angestellter war leicht verletzt worden.

Einen friedlichen Verlauf hingegen nahm der Umzug von Homosexuellen in Madrid. Zehntausende Homosexuelle feierten den Christopher Street Day in der spanischen Hauptstadt.

Die Teilnehmer protestierten gegen eine Verfassungsklage, mit der die konservative Opposition des Landes die Homo-Ehe abschaffen will. Diese war vor drei Jahren von der sozialistischen Regierung eingeführt worden.

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Fauch Thun Rundmail 6.7.08

Massive Angriffe gegen gegen CSD in Ungarn

In Ungarn ist es zu massiven Ausschreitungen gegen den CSD gekommen.  Die Gegendemonstranten lieferten sich heftige Auseinandersetzungen mit  der Polizei. Mindestens acht Menschen seien verletzt worden, darunter  zwei Beamte, sagten Rettungsdienste und die Polizei. Wenige Tage vor  dem CSD Budapest hatten Unbekannte zwei Anschläge auf eine schwule  Sauna verübt, während Rechtsradikale im Internet zum Protest aufriefen.

Gegenproteste mehrerer ultrarechter Gruppen

Nach Bulgarien und Tschechien (  http://de.indymedia.org/2008/06/220983.shtml) ist es nun auch bei der  Schwulenparade in der ungarischen Hauptstadt Budapest zu Gewalt  gekommen. Im Juni gab es Irritationen, als die Polizei den CSD  erstmals seit dem Ende des Kommunismus verboten hatte, angeblich wegen  des hohen Verkehrsaufkommens (  http://de.indymedia.org/2008/06/219753.shtml). Nach Protesten aus dem  In- und Ausland zog sie das Verbot am nächsten Tag allerdings zurück.  Im Internet hatten Rechtsradikale zu Protesten während der Parade  aufgerufen. Die rechtsextremen Aktivisten György Budaházy und László Toroczkai forderten von "ungarischen Patrioten" Härte: "Wir werden es  nicht tolerieren, dass ausländische Perverse jeglicher Hautfarbe ihre  ausländische und kranke Welt nach Ungarn bringen", schreiben sie. Die  Gruppe Rendszerváltó Fórum ("Forum für eine Systemveränderung") hatte  neben anderen Gruppen und Privatpersonen die Erlaubnis erhalten, am  Samstag gegen den CSD zu protestieren.

Anschläge auf schwule Einrichtungen

Polizeisprecherin Éva Tafferner erklärte im Vorfeld, die Beamten  würden alles tun, um die Demonstranten von den CSD-Teilnehmern fern zu  halten. Am Mittwochmorgen war zum zweiten Mal innerhalb einer Woche  ein Brandanschlag auf die schwule Sauna "Magnum" in Budapest verübt worden. Unbekannte warfen insgesamt vier Molotow-Cocktails. Ein Gast erlitt dabei eine leichte Rauchvergiftung. Der Anschlag war zuvor  telefonisch angekündigt worden. Am vergangenen Freitag war ein  Molotow-Cocktail gegen die "Action-Bar" geworfen worden. Gábor  Kuszing, CSD-Organisator "Wir glauben nicht daran, dass die Behörden  schwul-lesbische Einrichtungen schützen können, wie sie es versprochen  haben" Ungarn gehört zu Ländern des ehemaligen Ostblocks, die sind  beim Thema Homo-Rechte als eher liberal gelten. So verabschiedete der  EU-Staat als drittes postkommunistisches Land nach Tschechien und  Slowenien die Einführung von Eingetragenen Partnerschaften. Das Gesetz  soll am 1. Januar 2009 in Kraft treten. Auch dagegen richteten sich  die Demonstrationen von heute.

Eier, Steine, Flaschen und Molotowcocktails

Die 1500 Teilnehmer des "Marschs der Würde" wurden mit Eiern, Flaschen  und Steinen beworfen, Beamte, die den Umzug der Schwulen und Lesben  schützen sollten wurden auch mit Brandsätzen angegriffen. Die Polizei  setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Randalierer zu  zerstreuen, von denen viele rechten ultranationalistischen Gruppen  angehörten. 45 Personen wurden festgenommen. Zwei Polizisten erlitten  bei den Krawallen, neben 6 anderen Menschen Verletzungen, wie  Polizeisprecherin Éva Tafferner mitteilte. Ein Polizeiwagen wurde in  Brand gesetzt und brannte aus. Die Rechtsextremen griffen zudem einen  Streifenwagen an, in dem die europäische Abgeordnete Katalin Levai  saß. Sie warfen einen Stein durch die Fensterscheibe. Die  Menschenrechtlerin wurde nicht verletzt. "Es ist beschämend, dass es  auch noch fast 20 Jahre nach der Wende eine solche Intoleranz gibt",  sagte die sozialistische Abgeordnete.


Ungarische Garde feiert "Tag des heterosexuellen Stolzes"

Am Donnerstag waren im Internet Anleitungen zu lesen, wie man  ausgeblasene Eier mit Farbe füllt und als Wurfgeschosse gebraucht. Die  rechte Oppositionspartei Fidesz, die nach Meinungsumfragen derzeit  jede Wahl gewinnen würde, aber auch Teile des Klerus und viele rechte  Meinungsbildner distanzieren sich oft nicht von den radikalen Gruppen.  Die paramilitärische Ungarische Garde marschierte erst kürzlich  ungehindert durch Dörfer mit hohem Roma-Anteil. Zuletzt hatte die  Garde auch schwulenfeindliche Kundgebungen abgehalten. Anfang Juni  beging die Gruppe sogar einen "Tag des heterosexuellen Stolzes". Der  Politiker Gabor Horn, Präsidiumsmitglied des liberalen Bundes Freier  Demokraten (SZDSZ), wurde beim Verlassen des Schauplatzes nach eigenen  Angaben von Neonazis bespuckt, geohrfeigt und mit Bier übergossen. Die  Gay-Pride-Parade findet in Budapest seit zwölf Jahren statt. Im  Vorjahr war es erstmals zu stärkeren Übergriffen durch  Rechtsextremisten gekommen. Diesmal hatten sich mehrere hundert  Gegendemonstranten entlang der Paradestrecke versammelt. Das Konzert  einer Jazz-Sängerin, das den Umzug hätte beenden sollen, wurde wegen  der Ausschreitungen kurzfristig abgesagt


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BROT & ÄKTSCHEN IM HARDTURM-STADION
http://www.raumpflege.org
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nzz.ch 6.7.08

Polizei duldet Besetzung des Hardturmstadions

Kein weiteres Einschreiten - Ultimatum gilt bis Sonntagabend

Die Polizei duldet die Besetzung des Hardturmstadions durch mehrere hundert Aktivisten bis am Sonntagabend. Die Aktivisten hatten das Gelände des ehemaligen Fussballstadions am Freitagabend besetzt.

(ap) Die Polizei hat das besetzte Zürcher Hardturmstadion auch am Sonntag vorerst nicht geräumt. Die Besetzer, eine Gruppe von Gegnern der Kommerzialisierung des Fussballs, soll bis am Sonntagabend geduldet werden, wie die Stadtpolizei am Sonntag auf Anfrage sagte. Beim Einsatz am Freitag waren drei Polizisten leicht verletzt worden. -

Lärmklagen während der Nacht

Bis am Sonntagmittag hatte sich die Lage im Stadion nicht verändert, wie ein Polizeisprecher auf Anfrage sagte. Die Besetzer blieben friedlich. Wie schon in der Nacht auf Samstag gab aber auch in der Nacht auf Sonntag Lärmklagen von Anwohnern. Andere Zwischenfälle im Zusammenhang mit der Besetzung waren der Polizei nicht bekannt.

Mehrere hundert Aktivistinnen und Aktivisten hatten am Freitagabend das leerstehende Hardturmstadion besetzt. Die Polizei setzte zu Beginn Gummigeschosse und Tränengas ein, tolerierte aber in der Folge die Aktion. Nach einer erneuten Lagebeurteilung und Gesprächen mit den Stadionbesetzern entschied die Stadtpolizei am Samstag, "im Rahmen der Verhältnismässigkeit" die illegale Aktion auf Zusehen hin bis am Sonntagabend um 18 Uhr zu dulden.

Noch keinen Strafantrag der Eigentümer

Die Polizei forderte dafür aber von den Aktivisten ein friedliches und für die Anwohner erträgliches Verhalten. Die Eigentümer des Stadions haben bis jetzt keinen Strafantrag gestellt. Bei dem Polizeieinsatz am Freitag waren drei Polizisten leicht verletzt worden.

Die Besetzer bezeichnen sich als Gruppe "Brot und Aktion" und sprachen von einer Gegenveranstaltung zur Euro 08. Sie wollen laut eigenen Angaben bis am Sonntagabend im Hardturm bleiben. Vorgesehen waren Konzerte und Theater, aber auch ein "Ben-Hur-Wagenrennen" mit von Menschen gezogenen Gefährten. Die Aktion bezeichneten die Besetzer als Statement gegen die Kommerzialisierung des Fussballs und des öffentlichen Raums.
Protest der Comedia

Am Samstag protestierte zudem die Mediengewerkschaft Comedia gegen die vorübergehende Festnahme eines Fotografen während des Polizeieinsatzes. Der Fotojournalist Klaus Rozsa sei am Freitagabend von der Stadtpolizei Zürich willkürlich festgenommen und nach mehr als einer Stunde unter Beschimpfungen und Bedrohungen wieder freigelassen worden. Gründe für die Festnahme seien nicht genannt worden, auch habe keine Einvernahme stattgefunden. Comedia sieht einen Verstoss gegen die Pressefreiheit. Die Stadtpolizei Zürich erklärte, zwei Personen seien wegen Hinderung einer Amtshandlung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte vorübergehend festgenommen worden.

SVP gegen rechtsfreie Räume

Die SVP forderte eine sofortige Beendigung der Besetzung durch die Polizei. Jeder Private, der auf seinem Gartensitzplatz bei einer kleinen Gartenparty nach 22 Uhr Musik laufen lasse, werde durch die Polizei aufgefordert, diese abzustellen. Wenn er dies nicht tue, werde er verzeigt. Offensichtlich werde in Zürich mit zweierlei Ellen gemessen. Rechtsfreie Zonen dürften nicht toleriert werden. Wenn die Polizei solche Anlässe dulde, nehme sie Nachahmungen bewusst in Kauf, heisst es in einer Mitteilung der SVP der Stadt Zürich.

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tagesanzeiger.ch 6.7.08

Im besetzten Hardturm bliebs ruhig

Die Polizei hat das besetzte Zürcher Hardturm-Stadion vorerst nicht geräumt. Sie wird die linksautonomen Besetzer bis heute abend dulden.

Bis heute mittag hat sich die Lage im besetzten Stadion nicht verändert, wie ein Polizeisprecher auf Anfrage sagt. Die Besetzer blieben friedlich. Wie schon in der Nacht auf gestern gab aber auch in der Nacht auf heute Lärmklagen von Anwohnern. Andere Zwischenfälle im Zusammenhang mit der Besetzung sind der Polizei nicht bekannt.

Die Besetzer bezeichnen sich als Gruppe "Brot und Aktion" und sprechen von einer Gegenveranstaltung zur Fussballeuropameisterschaft. Sie wollen laut eigenen Angaben bis am heute abend im Hardturm bleiben. Vorgesehen sind Konzerte und Theater, aber auch ein "Ben-Hur-Wagenrennen" mit von Menschen gezogenen Gefährten. Die Aktion bezeichneten die Besetzer als Statement gegen die Kommerzialisierung des Fussballs und des öffentlichen Raums.

(cha/sda)

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tagesanzeiger.ch 5.7.08

Zürcher Polizei lässt Besetzer gewähren

Die Zürcher Stadtpolizei will das besetzte Hardturm-Stadion nicht räumen. Im Gegenzug erwartet die Polizei von den Linksautonomen, dass diese nach Mitternacht nicht lärmen.

Zuerst hat es im Zürcher Hardturm-Stadion nach Konfrontation ausgesehen: Mehrere hundert linksautonome Aktivisten hatten gestern abend die Tore des seit bald einem Jahr geschlossenen Stadions aufgebrochen und das Gelände in Besitz genommen. Als die Polizisten beim Stadion eintrafen, wurden sie mit Flaschen beworfen. Die Polizei antwortete mit Gummischrot und Reizstoff und verhaftete einen Mann sowie eine Frau. Erst nach Rücksprache mit dem Stadionbetreiber zogen sich die Sicherheitskräfte zurück.

Heute Nachmittag teilt die Stadtpolizei nun mit, dass sie die Linksautonomen gewähren lässt. Die illegale Aktion sei nach einer neuen Lagebeurteilung und Gesprächen mit den Stadionbesitzern bis morgen um 18 Uhr geduldet - zumal die Besitzer keinen Anzeige eingereicht hätten. Die Polizei erwartet im Gegenzug von den Aktivisten "ein friedliches und für die Anwohnerschaft erträgliches Verhalten". Dabei geht es der Polizei vor allem um die Musik im Stadion: Diese sollte nach Mitternacht leiser gestellt und nach 2 Uhr ganz abgestellt werden.

Wie die Polizei weiter mitteilt, wurden beim gestrigen Einsatz drei Polizisten leicht verletzt.

Die ganze Nacht gefeiert

Im Stadion herrscht derweil friedliches Treiben: Die einigen hundert Bewohner des vorübergehend aufgebauten Alternativ-Dörfleins im Zürcher Hardturm-Stadion haben laut einem Sprecher eine "sehr entspannte Nacht" hinter sich. Die letzten Musikboxen habe man um 8 Uhr in der Früh abgestellt, sagte er auf Anfrage der SDA.

Jetzt seien einige am Aufräumen, andere holten den versäumten Schlaf nach. Einige Bewohner der Umgebung - vor allem Gegner des geplanten Stadionbaus - hätten hereingeschaut und durchaus positiv reagiert.

An Nachmittag haben die "AktivistInnen der Subkultur", wie sie sich nennen, die Medien zu einem Rundgang empfangen, ihr Dörflein gezeigt und ihre Anliegen erläutert.
"Brotäktschen"-Spiele bis morgen

In einem Communiqué hatten die "AktivistInnen der Subkultur" ihre Aktion schon gestern angekündigt. Demnach wollen sie bis morgen "Brotäktschen"-Spiele veranstalten - nach eigenen Angaben eine Gegenveranstaltung zur Euro 2008.

Die Spiele sollen ein klares Statement gegen die Kommerzialisierung des Fussballs und immer mehr öffentlicher Räume sein, heisst es in der Mitteilung. Sie stünden in der Tradition von Aktionen wie "Reclaim The Streets", "Shantytown" oder "Danslieue".

"Shantytown" und "Danslieue" waren kleine Siedlungen aus Zelten und Buden, die Personen aus der linken Szene im Jahr 2005 respektive 2006 in der Stadt Zürich aufgebaut hatten. Beide Male liess die Polizei sie gewähren, beide Male räumten die Aktivisten die besetzten Plätze nach wenigen Tagen von alleine wieder frei.

(cha/sda)

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20min.ch 5.7.08

Brot & Äktschen statt Trix und Flix

von Nuria Furrer

Pfadilager-Stimmung herrschte am frühen Nachmittag im abgewrackten Zürcher Hardturmstadion. Die Linksaktivisten, die am Freitagabend das Stadion in Beschlag nahmen, wollen sich an den Auszugstermin Sonntagabend halten, wie sie in einer Medienkonferenz mitteilten.

Auf 13 Uhr sind die Medien zu einem Augenschein geladen. Bei eingeschränker Pressefreiheit allerdings: "No Fotos" prangt gross auf einem Schild beim Stadioneingang. Immerhin: Unter Aufsicht dürfen Fotografen und Kameraleute schliesslich doch Aufnahmen machen.

Den Medien stellen sich zwei mit Zipfelmützen verhüllte Aktivisten - wohl eine Persiflage auf die Euro Maskottchen Trix und Flix - und der "PR-Manager", der sich mit angeklebtem Schnauz und grosser Sonnenbrille unkenntlich gemacht hat - ein Hauch Konspirations-Romantik muss sein:

"Die Vorschriften an der Euro 08 glichen beinahe denen eines faschistischen Regimes. Die "Brotäktschen" ist eine Gegenaktion. Wir wollen zeigen, dass man einen kultureller Anlass auch ohne übertriebene Sicherheitsvorkehrungen, Eintrittspreise und Kleidervorschriften durchführen kann", erklärt der vermummte Aktivist an der heutigen Pressekonferenz. Es sei auch ein Protest gegen die allgemeine Tendenz der Stadt, alternative Kultur immer weniger zu unterstützen. Die "Brotäktschen" dauert noch bis am Sonntag, was danach passiert ist unklar. "Wir hoffen aber, dass die Aktion etwas bewirkt." Über weitere Aktionen möchten die Besetzer keine Auskunft geben.

Die Aktivisten bitten die Medienschaffenden keine Fotos zu machen, auf denen Leute erkannt werden könnten. Gegen die Vorwürfe einer Journalistin, das gleiche den Vorschriften der Uefa, wehren sich die Aktivisten: "Es ist immer noch eine illegale Aktion und wir müssen mit einer Strafverfolgung rechnen. Zudem sind wir eine sehr grosse Organisationsgruppe und möchten verhindern, dass sich jemand in den Vordergrund stellt."

Polizei wird kritisiert

Die Aktivisten kritisierten das harte vorgehen der Polizei: "Es ist ein Wunder, dass niemand schwer verletzt worden ist. Das Gummigeschoss wurde aus nur zwei Meter Entfernung abgefeuert." Eine Vermittlerin wurde verhaftet und nach zwei Stunden wieder freigelassen. Der verhaftete Fotograf Klaus Rózsa wurde nach anderthalb Stunden wieder freigelassen, er erwägt eine Strafanzeige gegen die Polizei. Erst nach Verhandlungen mit dem Sicherheitsdienst der Stadtpolizei Zürich beruhigte sich die Situation.
Am Wochenende finden diverse Veranstaltungen im Hardturm-Stadion statt. Heute gibt es ein Wagenrennen, diverse Konzerte, ein Jöggeli-Turnier mit einem selbstgebauten, überdimensionalen Kasten, indem Menschen anstatt Figuren an den Stangen stehen, Soundsystems, eine Bastelecke für Kinder und vieles mehr.


Quelle: SDA/ATS

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20min.ch 5.7.08

"Hoffentli wirsch vom Tram verschlirgget!"

Fotograf Klaus Rózsa ist schon seit 30 Jahren im Geschäft. Was er gestern als Pressemitglied während der Besetzung des Zürcher Hardturmstadions seitens der Polizei erleben musste, wird ihm Zeit seines Lebens in Erinnerung bleiben, wie er gegenüber 20 Minuten Online berichtet.

Herr Rózsa, wie geht es Ihnen?

Klaus Rózsa: Besser, danke. Ich hatte aber eine relativ schlaflose Nacht hinter mir.

Können Sie uns die Ereignisse von gestern Abend während der Besetzung des Zürcher Hardturmsstadions schildern?

Rózsa: Ich fuhr mit meiner Frau zufällig am Hardturmstadion vorbei. Ich hatte meine Profikamera nicht dabei, lediglich eine Digitalkamera. Plötzlich hörten wir Sirenen. Ich begann kaum zu fotografieren, als mich schon Beamte zu Boden rissen.

Was passierte dann?

Rózsa: Ich hatte nicht einmal Gelegenheit, meinen Presseausweis vorzuweisen. Aber das interessierte die Beamten zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich gab die Digitalkamera meiner Frau, die weiter fotografierte.

Was geschah weiter?

Rózsa: Als der Einsatzleiter auf Platz war, atmete ich auf. Doch als ich ihm anbot, meinen Presseausweis zu zeigen, entgegnete er: "Ihre Ausweise interessieren mich nicht." Dann wurde auch meine Frau zu Boden gerissen. Danach wurde ich ohne Haftbefehl auf die Polizeiwache gebracht.

Was passierte dort?

Rózsa: Ich wurde in eine Zelle gesperrt. Dort wurde mir beschieden, ich müsse mich jetzt ausziehen, was ich verweigerte. Danach wurde ich abgetastet. Eineinhalb Stunden später wurde ich entlassen. Ohne Einvernahme, ohne Protokoll und ohne Aufnahme der Personalien.

Wie denken Sie über diesen Einsatz?

Rózsa: Ich bin 54 und seit 30 Jahren im Geschäft. So etwas Aggressives habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Als ich die Wache verlassen durfte, rief mir einer der Beamten nach: "Hoffentli wirsch vom Tram verschlirgget!" (Hoffentlich wirst du von einem Tram überfahren). Und das ausgerechnet an dem Abend, als ein 83-Jähriger tödlich von einem Tram angefahren wird (Artikel).

Werden Sie Strafanzeige gegen die Polizei erheben, wie Ihre Bildagentur schreibt?

Rózsa: Ich war Präsident der Schweizerischen Mediengewerkschaft Comedia und bin Mitglied des Stiftungsrats des Presserates. Ich kenne die Presserechte ausgezeichnet. Selbstverständlich werde ich eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch, Körperverletzung und Freiheitsberaubung anstrengen. Ich werde am Montag mit meinem Anwalt sprechen.

Herr Rózsa, vielen Dank für das Gespräch

(Interview: Aurel Stevens)

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20min.ch 5.7.08

Die Besetzung des Hardturmstadions

von Nuria Furrer

Schon lange wurde die Aktion geplant, am Freitag war es soweit: Rund 200 Leute besetzten das stillgelegte Hardturmstadion. Am Wochenende sollen hier diverse kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Ein Stimmungsbericht.

Die Besetzer aus der linken Szene treffen sich am Freitag um 18 Uhr an der Tramstation Hardturm und marschieren Richtung Hardturmstadion. Alle sind ganz still, die Nervosität steigt. Klappt die Aktion? "Wir sind optimistisch", sagt eine der Veranstalterinnen, "sonst würden wir diesen Aufwand nicht betreiben".

Beim Stadion angelangt öffnen ein paar vermummte Aktivisten im Eiltempo das Tor zum Stadion. Gut organisiert verteilen sich die Besetzer: jeder weiss, was er zu tun hat. Sofort wird Baumaterial - welches im Vorfeld in einer getürkten Baustelle vor dem Stadion deponiert wurde - hinein getragen und der Bau der "Brotäktschen" beginnt.

Das ganze Wochenende soll hier ein grosses Fest stattfinden, mit künstlerischen und kulinarischen Darbietungen, ausgelassenen Spielen, Konzerten und Partys - eine Gegenveranstaltung zur Euro 08.

Gummischrot und Verhaftungen

Nach nur sieben Minuten kommt Unruhe auf. Man hört Sirenen und schon kurz darauf die ersten Gummigeschosse. Vier Polizisten versuchen ins Stadion zu gelangen, werden aber von rund acht Aktivisten davon abgehalten, welche den Eingang verbarrikadieren. Ohne Vorwarnung schiessen die Polizisten aus nächster Nähe mit Gummischrot auf die Besetzter, die laut "bleibt friedlich!" rufen.

Viele werden durch das Gummischrot leicht verletzt. Vermittlungen zwischen den Aktivisten und der Polizei scheitern. Eine Vermittlerin wird sofort festgenommen. Kurz darauf wird ein Fotograf, der Versucht die Polizisten vom Schiessen abzuhalten, auf den Boden gedrückt und ebenfalls verhaftet (Interview). Auch seine Frau wird gewaltsam auf den Boden geworfen.

Nach ein paar Minuten beruhigt sich die Stimmung, der Eingang ist blockiert und die Polizei zieht sich vorerst zurück, um auf Unterstützung zu warten. Ein Polizist wird laut Aussage von Polizeisprecher René Ruf durch eine Flasche leicht verletzt.
Während sich immer mehr Polizisten vor dem Stadion aufstellen, geht drinnen der Bau weiter.

Plötzlich sieht man an einem anderen Eingang eine grosse Rauchwolke aufsteigen, viele Aktivisten rennen auf die Spielwiese, übergeben sich und spülen sich die Augen aus: Die Polizei versuchte mit Reizstoffgas vermutlich den Transport von Baumaterial zu verhindern.

Bis Sonntag geduldet

Um acht Uhr zieht sich die Polizei zurück. "Wir tolerieren die Besetzung vorerst und beobachten die Situation. Bis Sonntag muss das Stadion geräumt sein", so Ruf.

Immer mehr Leute strömen ins Stadion, bis 23 Uhr sind es rund 500 Personen. Mobile WC-Häuschen, Heuballen und anderes Baumaterial werden auf die Wiese transportiert, wo die Aktivisten immer noch mit dem Bau von Bars, Zelten und Varietés beschäftigt sind.

Schon bald wird das erste Bier ausgeschenkt und das erste Mameh serviert. Leute spielen Federball, Kinder amüsieren sich mit grossen Traktorreifen und eine Band sorgt für eine ausgelassene Stimmung. Der Beginn eines öffentlichen, kulturellen Anlasses - ohne Carlsberg und Uefa.

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G8 JAPAN
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Indymedia 6.7.08
http://ch.indymedia.org/de/2008/07/61363.shtml

Hokkaido: NoG8 bricht aus ::

AutorIn : 黒色         

Tausende demonstrierten heute in Hokkaido (Sapporo) anlässlich des Gipfels der G8-Herrschaft. Der anarchistische Block hat es diesmal tatsächlich geschafft, die Polizeilinien zu durchbrechen und somit - zumindest teilweise - eine unkontrollierte Demonstration zu ermöglichen, welche die Inhalte einer neuen Welt vermittelte.
Bereits gestern (4.Juli) gab es in Sapporo, der Hauptstadt von Hokkaido, Aktivitäten gegen den Gipfel der G8, der offiziell vom 7. bis 9. Juli in Toya-ko - einem Luxustourismus-Ort, abgeschottet von jeglicher Realität - stattfinden soll.

Für heute, den 5.Juli, war in Sapporo zur Großdemonstration von Gewerkschaften, NGO's kommunistischen und anarchistischen Organisationen aufgerufen, an der schließlich mehrere Tausend Menschen teilgenommen haben. Allein damit war bereits jenes Zeichen gesetzt, was die japanische Regierung verhindern wollten: ein breites Aufkommen von AktivistInnen in Hokkaido. Das Image von einem Gipfel, welches angeblich Zwecks humanitär ökologischer Fragen sich treffe - was die Regierung seit Monaten über bürgerliche Medien und Plakaten versucht in der Öffentlichkeit zu inszenieren - kam kräftig ins wanken. Die Demonstration heute Sapporo thematisierte die tatsächlichen Machenschaften des neoliberalen Kapitalismus, zeigte Perspektiven auf, dass es noch ein Dasein geben kann, für das es sich zu kämpfen lohnt.

Die Demonstration begann sogleich - wie in auch in Tokyo - damit, dass die Polizei rund um die jeweiligen Blocks sich in Reihe und Knüppel aufstellte, somit wieder die Situation eines wandernde Polizeikessels entstehen lassen wollte. Die offensichtliche Aufgabe der Repressionsorgane war, die Demonstration zu etwas nebensächlichem zu erniedrigen, indem diesem nur ein Streifen auf einer vierspurigen Straße genehmigt wurde. Doch im anarchistische Block begann alsbald der glückliche Versuch dieses Konzept aufliegen zu lassen.

Wenn dieser Artikel nun betitelt wurde mit "NoG8 bricht aus", dann darf sich mensch jetzt nicht eine übertriebene Situation des Aufstands, wie etwa vor kurzem in Osaka vorstellen. Was jedoch ereignete, war auf eine gewisse Weise mehr als übertrieben:
Die AktivistInnen drückten mit Körpergewicht einerseits die Polizei nach Außen, während andere durch Lücken zwischen den Polizeiketten nach Außen drangen. Die Polizei war offensichtlich von einer spontanen Masse überrascht, die sich nicht an die Anordnung "innerhalb einer Stunde und nur in 4' er Reihen zu demonstrieren" gehalten hat. Bald war der gesamte innere Verkehr der Stadt lahm gelegt und die Demo hatte sich die Straße genommen. Was sich daraufhin abspielte war typisch für die Repressionsorgane in Japan:

[Anmerkung: es ist hier nicht angebracht über das sich selbst inszenierende "Legal Team" ausführlicher zum Sprechen zu kommen, die in jener Situation mehr eine Polizeihilfe war als Rechtshilfe der Demo. Diese Diskussion muss sich noch anderswo austragen, wie es dazu kommen kann, dass Leute vom "Legal Team", sowie manche OrganisatorInnen von den NGO`s, gemeinsam mit der Polizei gegen die Demonstration gearbeitet haben. Teilweise haben diese sogar aggressiver als die Polizei versucht, die Demo wieder in "geordnete Bahnen" zu lenken. Als "Rechtshilfe" Repressionsarbeit zu übernehmen ist inakzeptabel!]

Die Polizei, die eindeutig verwirrt und überfordert war, setzte die sogenannten "Truppen zur Aufstandsbekäpfung" ein, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. Nur damit es nochmal klar ist, die faktische Lage bestand ausschließlich darin, dass sich die Leute die ganze Strasse zum demonstrieren genommen haben. Dies muss die Polizei in ihrer Autorität dermaßen gekrängt haben, sodass es zu neurotischen Mitteln greifen musste. Es kam nun immer mehr zu Gewaltakten gegen AktivistInnen, die wieder zurück in die eine Spur gedrängt wurden, obwohl ohnehin der gesamte Verkehr eingestellt war. Doch den zackigen DemonstrantInnen gelang an einer anderen Stelle erneut die Polizeilinien zu durchbrechen.

Die Neurose der Polizei nahm seinen Lauf in der Reaktion auf eine Übertretung der "Lautsprecherwagen-Verordnung". Dort ist nämlich festgehalten, dass sich nur zwei Personen auf dem Lautsprecherwagen befinden dürfen. Als sich der DJ's abwechseln wollte, war einer zu viel auf dem Wagen zu sehen, was dann die Festnahme beider DJ's gerechtfertig haben soll. Dies war der Vorwand; tatsächlich sollte mit der Festnahme der beiden Dj's die Atmospähre gebrochen werden. Als dann die Polizei dabei war auch den Fahrer des Lautsprecherwagens festzunehmen, geschah das Gegenteil von dem, was sich die Polizei erhofft hatte. Die Stimmung kochte. DemonstrantInnen sammelten sich rund um den Wagen, der seinerseites von der Polizei umzingelt war und versuchten die Festnahmen zu verhindern - was leider nicht gelang. Nach einer längeren Auseinandersetzung wurde schließlich der unbeholfene Fahrer abgeführt. Die gesamte Strasse war nun endgültig zur Demonstration zwischen Hütern und ÜberwinderInnen der G8 geworden. Der Block ließ sich bis zum Abschluss der Demonstration die Strasse nicht mehr nehmen.

Nach der Demo, um ca. 18°° Uhr, sammelten sich erneut AktivistInnen, diesmal vor dem Polizeirevier Sapporo Chuosho und forderten die sofortige Freilassung der Gefangenen. [Nach Gesetz kann eine Person bis zu 23 Tage im Revier festgehalten werden.] Mittlerweile kam in erfahrung, dass es eine weitere Festnahme gegeben hat: ein Journalist, der während der Gewaltakte der Polizei, der Aufforderung, das fotografieren einzustellen, nicht Folge geleistet haben soll, wurde ebenfalls festgenommen. Keine Berichterstattung erwünscht.

Währendessen tauchte - wie der Zufall so will - auf der Strasse neben dem Oodori-Park, wo sich gerade einige DemonstrantInnen zum Rasten gelegt hatten, ein Propaganda-Wagen von Faschisten auf, namentlich der rechtsextremen "Uyoku", die auch mit Verbindungen zur Yakusa bekannt ist. Über Lautsprecher gaben sich zum Rechten, dass das Stattfinden des G8-Gipfel in Japan ein Zeichen dafür sei, wie groß die japanische Nation ist, auf die man(n) Stolz sein soll usw. Dies empfand der antifaschistische Charakter als Provokation, woraufhin Fahnen und Transparente vom Wagen entfernt wurden. Nachdem dann auch einige Flaschen flogen, entfernten sich die Faschisten ziemlich schnell.

Fazit: Der Tag in Sappro, welche für viele Organisation als der wichtigste im Proteste gegen die G8 in Hokkaido eingeschätzt wurde, verlief für manche als "zu wenig", für andere als "immerhin das", für die Repressionsorgane als "zuviel" Protest. Tatsächlich wurde die unerträgliche Norm, bezeichnend für die gesellschaftliche Sackgasse, in der sich die gesamte Welt befindet, für einen Moment durchbrochen - aufgezeigt das es jene Menschen gibt, die zumindest sehen können, was es für den Menschen noch zu erreichen gäbe.


Auf nach Toya-ko.     

2 Inhaltliche Ergänzungen

06.07.2008 16:28

Bilder gibts auf at.indy:  https://at.indymedia.org/node/10720#comment-9739

einiges mehr an Bildern, u.a. die brutale Festnahme des Lauti-Fahrers, hier:
http://www.flickr.com/photos/powless/sets/72157605985394658/

AutorIn: --

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!
06.07.2008 16:29  

Verhaftungen in Hokkaido - Soli angesagt

Nach den Verhaftungen in Hokkaido waeren nun Soliaktionen angesagt!...

Ein weiterer Artikel zu den Festnahmen von  http://at.indymedia.org/node/10721

Auf der gestrigen Demonstation (05.07.2008) in Sapporo wurden drei Aktivisten und ein Journalist von Reuters inhaftiert. Die Umstände der Festnahme des ersten Aktivisten, der als Teil der Clownarmy auf der Demonstration teilnahm sind unklar. Nahezu niemand hat irgendetwas von seiner Festnahme mitgekriegt.

Die Festnahmen der anderen drei fanden gegen Ende der Demonstration statt. Festgenommen wurden der Fahrer des Soundmobils und der DJ, der auf dem Wagen aufgelegt hatte. Begründet wurde das Einschreiten der Polizei damit, dass der Fahrer des Demowagens nicht den Anweisungen der Polizisten gefolgt wäre. Die Festnahme war von großer Brutalität seitens der beteiligten Polizisten gekennzeichnet, die zuerst die Fensterscheibe des Wagens einschlugen und ihn anschließend aus dem Wagen zerrten. Das Medieninteresse an der Festnahme war sehr groß und in dem Tumult aus Polizisten und JournalistInnen wurde auch der Reuters-Journalist festgenommen. Ihm wird Vorgeworfen, dass er einen Polizisten getreten hätte. Zu den Vorwürfen gegen die anderen beiden Aktivisten (den DJ und den Clown) ist bisher nichts bekannt.

Die Inhaftierten hatten gestern Abend noch keinen Kontakt mit den Anwälte, da Inhaftierte in Japan nicht selbst Anwälte kontaktieren dürfen, sondern erst die Polizei umd die Anforderung eineR PflichtverteidigerIn bitten müssen. Ob die Anwälte heute im Laufe des Vormittages zu ihren Mandanten durften ist derzeit nicht bekannt. Die Aktivisten sitzen derzeit in einer Polizeistation in Sapporo in Haft. Nach spätestens 72 Stunden nach der Festnahme erfolgt eine gerichtliche Entscheidung über eine weitere Verlängerung der Haft um 10 Tage. In Japan ist eine maximale Haftdauer von 23 Tagen möglich. Die Gefangen würden die ganze Zeit über auf der Polizeistation in Haft sitzen und es gängige Praxis, dass Gefangene zu endlos langen Verhören bis spät in die Nacht gezerrt werden.

Im Anschluss an die Demonstration fand eine kleine Solidemo vor der Polizeistation in der die Aktivisten sitzen statt. Weitere Aktionen sind in Planung. Solidaritätskundgebungen andernorts (z.B. vor Botschaften) sind sehr erwünscht.

Video von der Solidemo:  http://tv.g8medianetwork.org/?q=en/node/287
Video von der Festnahme des Fahrers (Reuters):  http://www.reuters.com/news/video?videoId=85900&videoChannel=1

andere Videos zu den Protesten gegen den G8 Gipfel in Hokkaido:  http://tv.g8medianetwork.org/?q=en/

Vor einigen Tagen wurden außerdem 20 KoreanerInnen am Flughafen Chiotse (größter Flughafen Hokkaidos) gestoppt. Ihnen wurde die Einreise verweigert. Einer der Aktivisten wurde im Zuge der Einreiseverweigerung festgenommen. Er versuchte das Geschehen zu dokumentieren, als die PolizistInnen ihn daran hindern wollten, weigerte er sich ihnen die Kamera auszuhändigen. Derzeit befinden sich die AktivistInnen immer noch am Flughafen Chiotse im Sitzstreik. Der festgenommene Aktivist befindet sich ebenfalls nach wie vor in Haft.

AutorIn: ^^