MEDIENSPIEGEL 6.7.08
Heute im Medienspiegel:
- Fichen-Affäre 2008
- Öffentlicher Raum
- Homophobie
- Brot & Äktschen im Hardturm-Stadion ZH
- G8 Japan
----------------------------------
FICHEN-AFFÄRE 2008
----------------------------------
Fichen-Affäre: Politikern platzt der Kragen
Direktes Einsichtsrecht und verschärfte Aufsicht für den
Staatsschutz werden im Bundesparlament mehrheitsfähig
Von David Sieber
Politiker von links bis rechts haben genug. Der Fall der fichierten
Basler Grossräte mit Migrationshintergrund weckt bei ihnen ungute
Erinnerungen an längst vergangen geglaubte Zeiten. Noch ist nicht
klar,
ob sich eine neue Fichen-Affäre anbahnt. Doch SP, Grüne und
SVP wollen
nicht warten, bis die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel)
Licht in die
Dunkelkammer gebracht hat. Sie verlangen ein direktes Einsichtsrecht
für Fichierte und eine verstärkte parlamentarische Kontrolle.
Konkret schlägt SP-Fraktionschefin Ursula Wyss die Schaffung einer
zweiten GPDel vor, die von einem externen Geheimdienst-Beauftragten
unterstützt wird. Grund: Das Milizparlament ist aus
Kapazitätsgründen
derzeit nicht in der Lage, genau hinzuschauen, was der Dienst für
Analyse und Prävention (DAP) im Namen der Bekämpfung von
Terror,
Spionage und Profiliferation so alles an Daten sammelt.
Willkommene Gelegenheit, die Spione an die Kette zu legen, bildet die
Debatte zum Bundesgesetz über die Massnahmen zur Wahrung der
Inneren
Sicherheit (BWIS), die der Nationalrat im Herbst führen wird. Die
Rechtskommission hat die noch vom damaligen Justizminister Christoph
Blocher stammende Vorlage, die dem Nachrichtendienst unter anderem
Lauschangriffe ermöglicht, zur Rückweisung an den Bundesrat
empfohlen.
Dies mit dem Auftrag, die parlamentarische Aufsicht wirksamer zu
gestalten und die Verfassungsmässigkeit bezüglich der
Grundrechte zu
überprüfen.
Die Linke wird zusammen mit der SVP die Vorgaben an den Bundesrat noch
verschärfen, während FDP und CVP erst einmal die
GPDel-Untersuchung
abwarten wollen. Der Unterschied zwischen den beiden politischen Polen:
Die Linke will den Staatsschutz schon aus ideologischen Gründen
auf ein
Minimum reduzieren, während die Rechte "das Spannungsfeld zwischen
Terrorbekämpfung und persönlicher Freiheit" möglichst
klein halten
will, wie der Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm erklärt
Für Nationalrat Daniel Vischer (Grüne) darf "Schnüffeln
nur im Rahmen
eines Verfahrens erlaubt sein". Er übernimmt damit eine Forderung
des
St. Galler Kantonsgerichtspräsidenten Niklaus Oberholzer, der Ende
der
Achtziger jener parlamentarischen Untersuchungskommission als Experte
zur Seite stand, die die Fichen-Affäre ins Rollen brachte.
Oberholzer
plädiert für ein "zielorientiertes Schnüffeln". Die
Polizei solle alle
nachrichtendienstlichen Mittel nützen können, aber nie
ausserhalb eines
rechtsstaatlichen Verfahrens. Und nach Abschluss eines Verfahrens
"müssen die Betroffenen ein Akteneinsichtsrecht erhalten, bevor
alle
Daten vernichtet werden", verlangt der Gerichtspräsident. Dem
stimmt
Stamm "im Grundsatz" zu, doch seien in der Praxis noch einige Fragen zu
lösen.
Derweil hat die Anzahl Gesuche um Akteneinsicht stark zugenommen, wie
Datenschützer Hanspeter Thür erklärt. Denn laut Gesetz
kann nur er
feststellen, ob ein Gesuchssteller in der Datenbank ISIS mit ihren
offiziell nicht bestätigten 110 000 Eintragungen registriert ist.
Davon
betreffen gemäss EJPD-Sprecherin Brigitte Hauser-Süess
weniger als 5
Prozent Schweizer Bürger. Eine Registrierung bedeute aber nicht,
dass
diese Personen "grundsätzlich als Staatsfeinde betrachtet werden".
Für Catherine Weber vom Verein Grundrechte.ch ein schwacher Trost.
"Ohne Einsichts- und Korrekturmöglichekit ist der Willkür
Tür und Tor
geöffnet." Das sehen Parlamentarier mit ausländischen Wurzeln
auch so.
Nicht nur in Basel, auch in Solothurn, Luzern, Zürich und im
Aaragau
wurden Vostösse eingereicht.
------------------------------------
ÖFFENTLICHER RAUM
------------------------------------
Sonntagszeitung 6.7.08
Zone um Zone
Der Ausnahmezustand wird zum Normalfall: Die Gesellschaft spaltet sich
in Zonen auf
von Michael Lütscher
Seit letztem Dienstag ist es in Chur spätnachts verboten, in der
Öffentlichkeit Alkohol zu trinken. In den Kantonen Aargau, Bern
und
Zürich haben Gemeinden nächtliche Ausgehverbote für
Jugendliche
verfügt. Die Verbote stehen im krassen Gegensatz zu den
Euro-Fanmeilen
der letzten Wochen mit ihren Geboten, bis spät zu feiern und zu
trinken.
Und doch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Fanzonen und den
Sperrzonen: Sie sind Zonen, abgegrenzte Orte mit Sonderregeln.
Schaut man sich um, stellt man fest: Die Ausnahmesituation der Zone
prägt zunehmend den Alltag im öffentlichen Raum. Sonderregeln
überall:
die Raucherzone im Nichtraucheruniversum, die Ruhezone im
lärmerfüllten
Zug, die Fussgängerzone inmitten des notorischen Verkehrsstaus,
die
Naturschutzzone in der belebten Freizeitwelt, die VIP-Zone im
unwirtlichen Stadion.
Grund für die Errichtung von Zonen ist, wie Emanuel Müller,
Professor
an der Hochschule Luzern und Leiter eines Projekts zur Nutzung des
öffentlichen Raums, sagt, "die Zunahme von Nutzungsformen des
öffentlichen Raums, ja eine Übernutzung". Und die führt,
so Müller, "zu
mehr Nutzungskonflikten".
Diese lassen sich entschärfen, indem man Zonen errichtet. So kann
man verschiedene Regeln gleichzeitig für gültig erklären.
Die SBB führen seit einigen Jahren in ihren Intercity-Zügen
Ruheabteile
- als Reaktion auf die Beschwerden von Reisenden, die sich durch
Telefongespräche und das Tastaturgeklapper anderer Passagiere
gestört
fühlten.
Fast gleichzeitig schufen die SBB auch Businessabteile - die Zone
für die Telefonierer und die Tastenklapperer.
Mountainbiker stören Wanderer, Skateboarder Anwohner und
Passanten.
Eigene Wege, Zonen ohne und für Skateboarder heissen die
Lösungen.
Jedem seine Zone - so lautet die Problemlösung der
individualisierten,
dauermobilen Gesellschaft.
Der öffentliche Raum wird zum Geschäft
"Alle drängen in den öffentlichen Raum", stellt Christian
Schmid, Soziologiedozent am Departement Architektur der ETH Zü-
rich fest. "Der öffentliche Raum wurde zurückerobert. Und er
ist
kommerziell attraktiv geworden." Schmid nennt als augenfälligstes
Beispiel dieser Entwicklung die Strassencafés. Vor dreissig
Jahren
existierten davon beispielsweise in der Stadt Zürich nur ganz
wenige.
Heute gibt es fast kein Lokal mehr, das nicht ein paar Stühle und
Tische auf dem Trottoir stehen hätte. Die Stadt erlaubt es,
kassiert
Mieten - und kontrolliert pingelig die zentimetergenau festgelegten
Nutzungszonen auf den Bürgersteigen.
Allgemeine Verbote und Gebote sind durch partielle ersetzt worden.
Früher hiess es generell "Rasen betreten verboten", heute wird der
Rasen zur Fan- oder zur VIP-Zone - Betreten erlaubt für
Auserwählte.
Hier soll gejohlt werden, dort nicht. Während der Euro sollten die
offiziellen Fanzonen das Bild euphorisierter Städte medienwirksam
vermitteln. In Zürich wurde dagegen jeweils nach den Spielen die
Langstrasse, die traditionelle Jubelmeile des ganzen
Millionen-Zürich,
gesperrt, und die üblichen Hup-Korsos mussten sich einen anderen
Weg
suchen.
"Wer den Raum kontrollieren will, muss Zonen schaffen", sagt
ETH-Soziologe Schmid. Wie im Fussball, wo die Zonendeckung längst
Allgemeinplatz ist.
Zonenordnungen regeln das Bauen und das Gewerbe, teilen die Städte
in
Zonen. "Der öffentliche Raum war früher besser
zugänglich", sagt
Philipp Sarasin, Geschichtsprofessor an der Universität
Zürich. Er
erwähnt als Beispiel die Prostitution, die in den Städten
einst
präsenter war und heute auf bestimmte Gebiete beschränkt ist.
Heroinsüchtige, die einst frei herumlungerten, haben in den
grösseren
Städten heute ihre Fixerstübli; in Olten saufen Alkoholiker
im
Alkstübli. Da befolgt die Schweiz das Rezept
"Sonderwirtschaftszone",
in den 1970er-Jahren erfunden von Chinas Reformkommunisten Deng
Xiaoping, um den Kapitalismus auszuprobieren: Der Präventionsstaat
gibt
schwer Süchtigen Gratisheroin und Bier zum Selbstkostenpreis ab -
damit
sie die öffentliche Ordnung nicht stören.
In der Stadt Bern hat das Stimmvolk kürzlich eine bettelfreie Zone
im
Bahnhof bewilligt, und die SP Schweiz will solche neuerdings
überall,
wo das Betteln stört.
Im Zusammenhang mit der Einführung solcher Benimmverbote sprach
der
Psychoanalytiker Mario Erdheim kürzlich vom "schrecklichen
Ausdruck der
Nulltoleranz". Die Zone ist die sprichwörtliche repressive
Toleranz:
ein Reservat, wie für die Indianer.
Ein bisschen Bewegungsraum bleibt noch, zwischen kinderfreien
Restaurants und Familienbeizen, Event- und Badezonen, Velowegen und
Hundeversäuberungszonen. Noch ist die Freiheit zu wählen
zwischen der
einen und der anderen Zone oder dem Bereich, wo die allgemeine
Bewegungs- und Benimmfreiheit gilt, weit gehend vorhanden.
Aber: Jede Zone muss überwacht oder zumindest bewacht werden.
Sonst ist
sie keine Zone. Von Polizisten, privaten Sicherheitsleuten,
Videokameras.
Und so breitet sich eine grosse Zone unaufhaltsam aus, sozusagen eine
Überzone: die Kontrollzone. Einst wurden neuralgische Zonen
überwacht.
Schalterhallen von Banken, Botschaften, Industrieanlagen, private
Villen, Eingänge zu Verwaltungsgebäuden und Firmensitzen. Wer
sich in
diese Bereiche begab, wusste: "Da werde ich registriert."
Doch inzwischen ist die Überwachungszone allumfassend. Die vor
langem
wegrationalisierten Kondukteure in Trams und Regionalzügen werden
durch
Videokameras ersetzt. Die Behörden können durch das
Nachverfolgen von
Mobiltelefonen und Internetpfaden die Bewegung quasi der ganzen
Bevölkerung nachvollziehen. Leute spionieren Nachbarn aus und
stellen
die Erkenntnisse in Text und Bild ins Internet.
"Heute kann man alles überwachen, auch im privaten Bereich", sagt
der
Eidgenössische Datenschützer Hanspeter Thür, "Wir haben
Regeln und
Gesetze, welche die Privatsphäre schützen, aber angesichts
der
technischen Mittel sind diese immer weniger wirksam."
Der Ausnahmezustand ist normal geworden. Das Leben ist eine Zone.
-----------------------
HOMOPHOBIE
-----------------------
tagesanzeiger.ch (SDA) 5.7.08
Homosexuellen-Parade in Budapest von Rechtsextremisten gestört
Rechtsextremisten haben eine Homosexuellen-Parade in der ungarischen
Hauptstadt Budapest angegriffen. Sie bewarfen die rund 1500
Umzugsteilnehmer mit Steinen und Eiern.
Bei Zusammenstössen mit der Polizei, die den Umzug zu
schützen
versuchte, warfen die Extremisten und Neonazis auch Brandsätze.
Fünf
Personen, darunter zwei Polizisten, wurden verletzt. Ein
Polizei-Kleinbus brannte aus. Mehr als 40 Gegendemonstranten wurden
nach Angaben einer Polizeisprecherin festgenommen.
Der Politiker Gabor Horn, Präsidiumsmitglied des liberalen Bundes
Freier Demokraten (SZDSZ), wurde beim Verlassen des Schauplatzes nach
eigenen Angaben von Neonazis bespuckt, geohrfeigt und mit Bier
übergossen.
Die Gay-Pride-Parade findet in Budapest seit zwölf Jahren statt.
Im
Vorjahr war es erstmals zu gröberen Übergriffen durch
Rechtsextremisten
gekommen. Diesmal hatten sich mehrere hundert Gegendemonstranten
entlang der Paradestrecke versammelt.
Rechtsextreme Internet-Foren hatten zur Gewalt gegen die
"widernatürlichen Perversen" aufgefordert. In der Woche vor der
Parade
waren Molotow-Cocktails gegen zwei Homosexuellen-Lokale geworfen
worden. Ein Angestellter war leicht verletzt worden.
Einen friedlichen Verlauf hingegen nahm der Umzug von Homosexuellen in
Madrid. Zehntausende Homosexuelle feierten den Christopher Street Day
in der spanischen Hauptstadt.
Die Teilnehmer protestierten gegen eine Verfassungsklage, mit der die
konservative Opposition des Landes die Homo-Ehe abschaffen will. Diese
war vor drei Jahren von der sozialistischen Regierung eingeführt
worden.
---
Fauch Thun Rundmail 6.7.08
Massive Angriffe gegen gegen CSD in Ungarn
In Ungarn ist es zu massiven Ausschreitungen gegen den CSD
gekommen.
Die Gegendemonstranten lieferten sich heftige Auseinandersetzungen
mit
der Polizei. Mindestens acht Menschen seien verletzt worden,
darunter
zwei Beamte, sagten Rettungsdienste und die Polizei. Wenige Tage
vor
dem CSD Budapest hatten Unbekannte zwei Anschläge auf eine
schwule
Sauna verübt, während Rechtsradikale im Internet zum Protest
aufriefen.
Gegenproteste mehrerer ultrarechter Gruppen
Nach Bulgarien und Tschechien (
http://de.indymedia.org/2008/06/220983.shtml)
ist es nun auch bei der
Schwulenparade in der ungarischen Hauptstadt Budapest zu Gewalt
gekommen. Im Juni gab es Irritationen, als die Polizei den CSD
erstmals seit dem Ende des Kommunismus verboten hatte, angeblich
wegen
des hohen Verkehrsaufkommens (
http://de.indymedia.org/2008/06/219753.shtml).
Nach Protesten aus dem
In- und Ausland zog sie das Verbot am nächsten Tag allerdings
zurück.
Im Internet hatten Rechtsradikale zu Protesten während der
Parade
aufgerufen. Die rechtsextremen Aktivisten György Budaházy
und László
Toroczkai forderten von "ungarischen Patrioten" Härte: "Wir werden
es
nicht tolerieren, dass ausländische Perverse jeglicher Hautfarbe
ihre
ausländische und kranke Welt nach Ungarn bringen", schreiben sie.
Die
Gruppe Rendszerváltó Fórum ("Forum für eine
Systemveränderung") hatte
neben anderen Gruppen und Privatpersonen die Erlaubnis erhalten,
am
Samstag gegen den CSD zu protestieren.
Anschläge auf schwule Einrichtungen
Polizeisprecherin Éva Tafferner erklärte im Vorfeld, die
Beamten
würden alles tun, um die Demonstranten von den CSD-Teilnehmern
fern zu
halten. Am Mittwochmorgen war zum zweiten Mal innerhalb einer
Woche
ein Brandanschlag auf die schwule Sauna "Magnum" in Budapest
verübt
worden. Unbekannte warfen insgesamt vier Molotow-Cocktails. Ein Gast
erlitt dabei eine leichte Rauchvergiftung. Der Anschlag war zuvor
telefonisch angekündigt worden. Am vergangenen Freitag war
ein
Molotow-Cocktail gegen die "Action-Bar" geworfen worden.
Gábor
Kuszing, CSD-Organisator "Wir glauben nicht daran, dass die
Behörden
schwul-lesbische Einrichtungen schützen können, wie sie es
versprochen
haben" Ungarn gehört zu Ländern des ehemaligen Ostblocks, die
sind
beim Thema Homo-Rechte als eher liberal gelten. So verabschiedete
der
EU-Staat als drittes postkommunistisches Land nach Tschechien und
Slowenien die Einführung von Eingetragenen Partnerschaften. Das
Gesetz
soll am 1. Januar 2009 in Kraft treten. Auch dagegen richteten
sich
die Demonstrationen von heute.
Eier, Steine, Flaschen und Molotowcocktails
Die 1500 Teilnehmer des "Marschs der Würde" wurden mit Eiern,
Flaschen
und Steinen beworfen, Beamte, die den Umzug der Schwulen und
Lesben
schützen sollten wurden auch mit Brandsätzen angegriffen. Die
Polizei
setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Randalierer zu
zerstreuen, von denen viele rechten ultranationalistischen
Gruppen
angehörten. 45 Personen wurden festgenommen. Zwei Polizisten
erlitten
bei den Krawallen, neben 6 anderen Menschen Verletzungen, wie
Polizeisprecherin Éva Tafferner mitteilte. Ein Polizeiwagen
wurde in
Brand gesetzt und brannte aus. Die Rechtsextremen griffen zudem
einen
Streifenwagen an, in dem die europäische Abgeordnete Katalin
Levai
saß. Sie warfen einen Stein durch die Fensterscheibe. Die
Menschenrechtlerin wurde nicht verletzt. "Es ist beschämend, dass
es
auch noch fast 20 Jahre nach der Wende eine solche Intoleranz
gibt",
sagte die sozialistische Abgeordnete.
Ungarische Garde feiert "Tag des heterosexuellen Stolzes"
Am Donnerstag waren im Internet Anleitungen zu lesen, wie man
ausgeblasene Eier mit Farbe füllt und als Wurfgeschosse gebraucht.
Die
rechte Oppositionspartei Fidesz, die nach Meinungsumfragen
derzeit
jede Wahl gewinnen würde, aber auch Teile des Klerus und viele
rechte
Meinungsbildner distanzieren sich oft nicht von den radikalen
Gruppen.
Die paramilitärische Ungarische Garde marschierte erst
kürzlich
ungehindert durch Dörfer mit hohem Roma-Anteil. Zuletzt hatte
die
Garde auch schwulenfeindliche Kundgebungen abgehalten. Anfang
Juni
beging die Gruppe sogar einen "Tag des heterosexuellen Stolzes".
Der
Politiker Gabor Horn, Präsidiumsmitglied des liberalen Bundes
Freier
Demokraten (SZDSZ), wurde beim Verlassen des Schauplatzes nach
eigenen
Angaben von Neonazis bespuckt, geohrfeigt und mit Bier übergossen.
Die
Gay-Pride-Parade findet in Budapest seit zwölf Jahren statt.
Im
Vorjahr war es erstmals zu stärkeren Übergriffen durch
Rechtsextremisten gekommen. Diesmal hatten sich mehrere hundert
Gegendemonstranten entlang der Paradestrecke versammelt. Das
Konzert
einer Jazz-Sängerin, das den Umzug hätte beenden sollen,
wurde wegen
der Ausschreitungen kurzfristig abgesagt
-----------------------------------------------------------------------
BROT & ÄKTSCHEN IM HARDTURM-STADION
http://www.raumpflege.org
------------------------------------------------------------------------
nzz.ch 6.7.08
Polizei duldet Besetzung des Hardturmstadions
Kein weiteres Einschreiten - Ultimatum gilt bis Sonntagabend
Die Polizei duldet die Besetzung des Hardturmstadions durch mehrere
hundert Aktivisten bis am Sonntagabend. Die Aktivisten hatten das
Gelände des ehemaligen Fussballstadions am Freitagabend besetzt.
(ap) Die Polizei hat das besetzte Zürcher Hardturmstadion auch am
Sonntag vorerst nicht geräumt. Die Besetzer, eine Gruppe von
Gegnern
der Kommerzialisierung des Fussballs, soll bis am Sonntagabend geduldet
werden, wie die Stadtpolizei am Sonntag auf Anfrage sagte. Beim Einsatz
am Freitag waren drei Polizisten leicht verletzt worden. -
Lärmklagen während der Nacht
Bis am Sonntagmittag hatte sich die Lage im Stadion nicht
verändert,
wie ein Polizeisprecher auf Anfrage sagte. Die Besetzer blieben
friedlich. Wie schon in der Nacht auf Samstag gab aber auch in der
Nacht auf Sonntag Lärmklagen von Anwohnern. Andere
Zwischenfälle im
Zusammenhang mit der Besetzung waren der Polizei nicht bekannt.
Mehrere hundert Aktivistinnen und Aktivisten hatten am Freitagabend das
leerstehende Hardturmstadion besetzt. Die Polizei setzte zu Beginn
Gummigeschosse und Tränengas ein, tolerierte aber in der Folge die
Aktion. Nach einer erneuten Lagebeurteilung und Gesprächen mit den
Stadionbesetzern entschied die Stadtpolizei am Samstag, "im Rahmen der
Verhältnismässigkeit" die illegale Aktion auf Zusehen hin bis
am
Sonntagabend um 18 Uhr zu dulden.
Noch keinen Strafantrag der Eigentümer
Die Polizei forderte dafür aber von den Aktivisten ein friedliches
und
für die Anwohner erträgliches Verhalten. Die Eigentümer
des Stadions
haben bis jetzt keinen Strafantrag gestellt. Bei dem Polizeieinsatz am
Freitag waren drei Polizisten leicht verletzt worden.
Die Besetzer bezeichnen sich als Gruppe "Brot und Aktion" und sprachen
von einer Gegenveranstaltung zur Euro 08. Sie wollen laut eigenen
Angaben bis am Sonntagabend im Hardturm bleiben. Vorgesehen waren
Konzerte und Theater, aber auch ein "Ben-Hur-Wagenrennen" mit von
Menschen gezogenen Gefährten. Die Aktion bezeichneten die Besetzer
als
Statement gegen die Kommerzialisierung des Fussballs und des
öffentlichen Raums.
Protest der Comedia
Am Samstag protestierte zudem die Mediengewerkschaft Comedia gegen die
vorübergehende Festnahme eines Fotografen während des
Polizeieinsatzes.
Der Fotojournalist Klaus Rozsa sei am Freitagabend von der Stadtpolizei
Zürich willkürlich festgenommen und nach mehr als einer
Stunde unter
Beschimpfungen und Bedrohungen wieder freigelassen worden. Gründe
für
die Festnahme seien nicht genannt worden, auch habe keine Einvernahme
stattgefunden. Comedia sieht einen Verstoss gegen die Pressefreiheit.
Die Stadtpolizei Zürich erklärte, zwei Personen seien wegen
Hinderung
einer Amtshandlung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte
vorübergehend
festgenommen worden.
SVP gegen rechtsfreie Räume
Die SVP forderte eine sofortige Beendigung der Besetzung durch die
Polizei. Jeder Private, der auf seinem Gartensitzplatz bei einer
kleinen Gartenparty nach 22 Uhr Musik laufen lasse, werde durch die
Polizei aufgefordert, diese abzustellen. Wenn er dies nicht tue, werde
er verzeigt. Offensichtlich werde in Zürich mit zweierlei Ellen
gemessen. Rechtsfreie Zonen dürften nicht toleriert werden. Wenn
die
Polizei solche Anlässe dulde, nehme sie Nachahmungen bewusst in
Kauf,
heisst es in einer Mitteilung der SVP der Stadt Zürich.
---
tagesanzeiger.ch 6.7.08
Im besetzten Hardturm bliebs ruhig
Die Polizei hat das besetzte Zürcher Hardturm-Stadion vorerst
nicht
geräumt. Sie wird die linksautonomen Besetzer bis heute abend
dulden.
Bis heute mittag hat sich die Lage im besetzten Stadion nicht
verändert, wie ein Polizeisprecher auf Anfrage sagt. Die Besetzer
blieben friedlich. Wie schon in der Nacht auf gestern gab aber auch in
der Nacht auf heute Lärmklagen von Anwohnern. Andere
Zwischenfälle im
Zusammenhang mit der Besetzung sind der Polizei nicht bekannt.
Die Besetzer bezeichnen sich als Gruppe "Brot und Aktion" und sprechen
von einer Gegenveranstaltung zur Fussballeuropameisterschaft. Sie
wollen laut eigenen Angaben bis am heute abend im Hardturm bleiben.
Vorgesehen sind Konzerte und Theater, aber auch ein
"Ben-Hur-Wagenrennen" mit von Menschen gezogenen Gefährten. Die
Aktion
bezeichneten die Besetzer als Statement gegen die Kommerzialisierung
des Fussballs und des öffentlichen Raums.
(cha/sda)
---
tagesanzeiger.ch 5.7.08
Zürcher Polizei lässt Besetzer gewähren
Die Zürcher Stadtpolizei will das besetzte Hardturm-Stadion nicht
räumen. Im Gegenzug erwartet die Polizei von den Linksautonomen,
dass
diese nach Mitternacht nicht lärmen.
Zuerst hat es im Zürcher Hardturm-Stadion nach Konfrontation
ausgesehen: Mehrere hundert linksautonome Aktivisten hatten gestern
abend die Tore des seit bald einem Jahr geschlossenen Stadions
aufgebrochen und das Gelände in Besitz genommen. Als die
Polizisten
beim Stadion eintrafen, wurden sie mit Flaschen beworfen. Die Polizei
antwortete mit Gummischrot und Reizstoff und verhaftete einen Mann
sowie eine Frau. Erst nach Rücksprache mit dem Stadionbetreiber
zogen
sich die Sicherheitskräfte zurück.
Heute Nachmittag teilt die Stadtpolizei nun mit, dass sie die
Linksautonomen gewähren lässt. Die illegale Aktion sei nach
einer neuen
Lagebeurteilung und Gesprächen mit den Stadionbesitzern bis morgen
um
18 Uhr geduldet - zumal die Besitzer keinen Anzeige eingereicht
hätten.
Die Polizei erwartet im Gegenzug von den Aktivisten "ein friedliches
und für die Anwohnerschaft erträgliches Verhalten". Dabei
geht es der
Polizei vor allem um die Musik im Stadion: Diese sollte nach
Mitternacht leiser gestellt und nach 2 Uhr ganz abgestellt werden.
Wie die Polizei weiter mitteilt, wurden beim gestrigen Einsatz drei
Polizisten leicht verletzt.
Die ganze Nacht gefeiert
Im Stadion herrscht derweil friedliches Treiben: Die einigen hundert
Bewohner des vorübergehend aufgebauten Alternativ-Dörfleins
im Zürcher
Hardturm-Stadion haben laut einem Sprecher eine "sehr entspannte Nacht"
hinter sich. Die letzten Musikboxen habe man um 8 Uhr in der Früh
abgestellt, sagte er auf Anfrage der SDA.
Jetzt seien einige am Aufräumen, andere holten den versäumten
Schlaf
nach. Einige Bewohner der Umgebung - vor allem Gegner des geplanten
Stadionbaus - hätten hereingeschaut und durchaus positiv reagiert.
An Nachmittag haben die "AktivistInnen der Subkultur", wie sie sich
nennen, die Medien zu einem Rundgang empfangen, ihr Dörflein
gezeigt
und ihre Anliegen erläutert.
"Brotäktschen"-Spiele bis morgen
In einem Communiqué hatten die "AktivistInnen der Subkultur"
ihre
Aktion schon gestern angekündigt. Demnach wollen sie bis morgen
"Brotäktschen"-Spiele veranstalten - nach eigenen Angaben eine
Gegenveranstaltung zur Euro 2008.
Die Spiele sollen ein klares Statement gegen die Kommerzialisierung des
Fussballs und immer mehr öffentlicher Räume sein, heisst es
in der
Mitteilung. Sie stünden in der Tradition von Aktionen wie "Reclaim
The
Streets", "Shantytown" oder "Danslieue".
"Shantytown" und "Danslieue" waren kleine Siedlungen aus Zelten und
Buden, die Personen aus der linken Szene im Jahr 2005 respektive 2006
in der Stadt Zürich aufgebaut hatten. Beide Male liess die Polizei
sie
gewähren, beide Male räumten die Aktivisten die besetzten
Plätze nach
wenigen Tagen von alleine wieder frei.
(cha/sda)
---
20min.ch 5.7.08
Brot & Äktschen statt Trix und Flix
von Nuria Furrer
Pfadilager-Stimmung herrschte am frühen Nachmittag im abgewrackten
Zürcher Hardturmstadion. Die Linksaktivisten, die am Freitagabend
das
Stadion in Beschlag nahmen, wollen sich an den Auszugstermin
Sonntagabend halten, wie sie in einer Medienkonferenz mitteilten.
Auf 13 Uhr sind die Medien zu einem Augenschein geladen. Bei
eingeschränker Pressefreiheit allerdings: "No Fotos" prangt gross
auf
einem Schild beim Stadioneingang. Immerhin: Unter Aufsicht dürfen
Fotografen und Kameraleute schliesslich doch Aufnahmen machen.
Den Medien stellen sich zwei mit Zipfelmützen verhüllte
Aktivisten -
wohl eine Persiflage auf die Euro Maskottchen Trix und Flix - und der
"PR-Manager", der sich mit angeklebtem Schnauz und grosser Sonnenbrille
unkenntlich gemacht hat - ein Hauch Konspirations-Romantik muss sein:
"Die Vorschriften an der Euro 08 glichen beinahe denen eines
faschistischen Regimes. Die "Brotäktschen" ist eine Gegenaktion.
Wir
wollen zeigen, dass man einen kultureller Anlass auch ohne
übertriebene
Sicherheitsvorkehrungen, Eintrittspreise und Kleidervorschriften
durchführen kann", erklärt der vermummte Aktivist an der
heutigen
Pressekonferenz. Es sei auch ein Protest gegen die allgemeine Tendenz
der Stadt, alternative Kultur immer weniger zu unterstützen. Die
"Brotäktschen" dauert noch bis am Sonntag, was danach passiert ist
unklar. "Wir hoffen aber, dass die Aktion etwas bewirkt." Über
weitere
Aktionen möchten die Besetzer keine Auskunft geben.
Die Aktivisten bitten die Medienschaffenden keine Fotos zu machen, auf
denen Leute erkannt werden könnten. Gegen die Vorwürfe einer
Journalistin, das gleiche den Vorschriften der Uefa, wehren sich die
Aktivisten: "Es ist immer noch eine illegale Aktion und wir müssen
mit
einer Strafverfolgung rechnen. Zudem sind wir eine sehr grosse
Organisationsgruppe und möchten verhindern, dass sich jemand in
den
Vordergrund stellt."
Polizei wird kritisiert
Die Aktivisten kritisierten das harte vorgehen der Polizei: "Es ist ein
Wunder, dass niemand schwer verletzt worden ist. Das Gummigeschoss
wurde aus nur zwei Meter Entfernung abgefeuert." Eine Vermittlerin
wurde verhaftet und nach zwei Stunden wieder freigelassen. Der
verhaftete Fotograf Klaus Rózsa wurde nach anderthalb Stunden
wieder
freigelassen, er erwägt eine Strafanzeige gegen die Polizei. Erst
nach
Verhandlungen mit dem Sicherheitsdienst der Stadtpolizei Zürich
beruhigte sich die Situation.
Am Wochenende finden diverse Veranstaltungen im Hardturm-Stadion statt.
Heute gibt es ein Wagenrennen, diverse Konzerte, ein
Jöggeli-Turnier
mit einem selbstgebauten, überdimensionalen Kasten, indem Menschen
anstatt Figuren an den Stangen stehen, Soundsystems, eine Bastelecke
für Kinder und vieles mehr.
Quelle: SDA/ATS
---
20min.ch 5.7.08
"Hoffentli wirsch vom Tram verschlirgget!"
Fotograf Klaus Rózsa ist schon seit 30 Jahren im Geschäft.
Was er
gestern als Pressemitglied während der Besetzung des Zürcher
Hardturmstadions seitens der Polizei erleben musste, wird ihm Zeit
seines Lebens in Erinnerung bleiben, wie er gegenüber 20 Minuten
Online
berichtet.
Herr Rózsa, wie geht es Ihnen?
Klaus Rózsa: Besser, danke. Ich hatte aber eine relativ
schlaflose Nacht hinter mir.
Können Sie uns die Ereignisse von gestern Abend während der
Besetzung des Zürcher Hardturmsstadions schildern?
Rózsa: Ich fuhr mit meiner Frau zufällig am Hardturmstadion
vorbei. Ich
hatte meine Profikamera nicht dabei, lediglich eine Digitalkamera.
Plötzlich hörten wir Sirenen. Ich begann kaum zu
fotografieren, als
mich schon Beamte zu Boden rissen.
Was passierte dann?
Rózsa: Ich hatte nicht einmal Gelegenheit, meinen Presseausweis
vorzuweisen. Aber das interessierte die Beamten zu diesem Zeitpunkt
nicht. Ich gab die Digitalkamera meiner Frau, die weiter fotografierte.
Was geschah weiter?
Rózsa: Als der Einsatzleiter auf Platz war, atmete ich auf. Doch
als
ich ihm anbot, meinen Presseausweis zu zeigen, entgegnete er: "Ihre
Ausweise interessieren mich nicht." Dann wurde auch meine Frau zu Boden
gerissen. Danach wurde ich ohne Haftbefehl auf die Polizeiwache
gebracht.
Was passierte dort?
Rózsa: Ich wurde in eine Zelle gesperrt. Dort wurde mir
beschieden, ich
müsse mich jetzt ausziehen, was ich verweigerte. Danach wurde ich
abgetastet. Eineinhalb Stunden später wurde ich entlassen. Ohne
Einvernahme, ohne Protokoll und ohne Aufnahme der Personalien.
Wie denken Sie über diesen Einsatz?
Rózsa: Ich bin 54 und seit 30 Jahren im Geschäft. So etwas
Aggressives
habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Als ich die Wache
verlassen durfte, rief mir einer der Beamten nach: "Hoffentli wirsch
vom Tram verschlirgget!" (Hoffentlich wirst du von einem Tram
überfahren). Und das ausgerechnet an dem Abend, als ein
83-Jähriger
tödlich von einem Tram angefahren wird (Artikel).
Werden Sie Strafanzeige gegen die Polizei erheben, wie Ihre Bildagentur
schreibt?
Rózsa: Ich war Präsident der Schweizerischen
Mediengewerkschaft Comedia
und bin Mitglied des Stiftungsrats des Presserates. Ich kenne die
Presserechte ausgezeichnet. Selbstverständlich werde ich eine
Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch, Körperverletzung und
Freiheitsberaubung anstrengen. Ich werde am Montag mit meinem Anwalt
sprechen.
Herr Rózsa, vielen Dank für das Gespräch
(Interview: Aurel Stevens)
---
20min.ch 5.7.08
Die Besetzung des Hardturmstadions
von Nuria Furrer
Schon lange wurde die Aktion geplant, am Freitag war es soweit: Rund
200 Leute besetzten das stillgelegte Hardturmstadion. Am Wochenende
sollen hier diverse kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Ein
Stimmungsbericht.
Die Besetzer aus der linken Szene treffen sich am Freitag um 18 Uhr an
der Tramstation Hardturm und marschieren Richtung Hardturmstadion. Alle
sind ganz still, die Nervosität steigt. Klappt die Aktion? "Wir
sind
optimistisch", sagt eine der Veranstalterinnen, "sonst würden wir
diesen Aufwand nicht betreiben".
Beim Stadion angelangt öffnen ein paar vermummte Aktivisten im
Eiltempo
das Tor zum Stadion. Gut organisiert verteilen sich die Besetzer: jeder
weiss, was er zu tun hat. Sofort wird Baumaterial - welches im Vorfeld
in einer getürkten Baustelle vor dem Stadion deponiert wurde -
hinein
getragen und der Bau der "Brotäktschen" beginnt.
Das ganze Wochenende soll hier ein grosses Fest stattfinden, mit
künstlerischen und kulinarischen Darbietungen, ausgelassenen
Spielen,
Konzerten und Partys - eine Gegenveranstaltung zur Euro 08.
Gummischrot und Verhaftungen
Nach nur sieben Minuten kommt Unruhe auf. Man hört Sirenen und
schon
kurz darauf die ersten Gummigeschosse. Vier Polizisten versuchen ins
Stadion zu gelangen, werden aber von rund acht Aktivisten davon
abgehalten, welche den Eingang verbarrikadieren. Ohne Vorwarnung
schiessen die Polizisten aus nächster Nähe mit Gummischrot
auf die
Besetzter, die laut "bleibt friedlich!" rufen.
Viele werden durch das Gummischrot leicht verletzt. Vermittlungen
zwischen den Aktivisten und der Polizei scheitern. Eine Vermittlerin
wird sofort festgenommen. Kurz darauf wird ein Fotograf, der Versucht
die Polizisten vom Schiessen abzuhalten, auf den Boden gedrückt
und
ebenfalls verhaftet (Interview). Auch seine Frau wird gewaltsam auf den
Boden geworfen.
Nach ein paar Minuten beruhigt sich die Stimmung, der Eingang ist
blockiert und die Polizei zieht sich vorerst zurück, um auf
Unterstützung zu warten. Ein Polizist wird laut Aussage von
Polizeisprecher René Ruf durch eine Flasche leicht verletzt.
Während sich immer mehr Polizisten vor dem Stadion aufstellen,
geht drinnen der Bau weiter.
Plötzlich sieht man an einem anderen Eingang eine grosse
Rauchwolke
aufsteigen, viele Aktivisten rennen auf die Spielwiese, übergeben
sich
und spülen sich die Augen aus: Die Polizei versuchte mit
Reizstoffgas
vermutlich den Transport von Baumaterial zu verhindern.
Bis Sonntag geduldet
Um acht Uhr zieht sich die Polizei zurück. "Wir tolerieren die
Besetzung vorerst und beobachten die Situation. Bis Sonntag muss das
Stadion geräumt sein", so Ruf.
Immer mehr Leute strömen ins Stadion, bis 23 Uhr sind es rund 500
Personen. Mobile WC-Häuschen, Heuballen und anderes Baumaterial
werden
auf die Wiese transportiert, wo die Aktivisten immer noch mit dem Bau
von Bars, Zelten und Varietés beschäftigt sind.
Schon bald wird das erste Bier ausgeschenkt und das erste Mameh
serviert. Leute spielen Federball, Kinder amüsieren sich mit
grossen
Traktorreifen und eine Band sorgt für eine ausgelassene Stimmung.
Der
Beginn eines öffentlichen, kulturellen Anlasses - ohne Carlsberg
und
Uefa.
---------------
G8 JAPAN
---------------
Indymedia 6.7.08
http://ch.indymedia.org/de/2008/07/61363.shtml
Hokkaido: NoG8 bricht aus ::
AutorIn : 黒色
Tausende demonstrierten heute in Hokkaido (Sapporo) anlässlich des
Gipfels der G8-Herrschaft. Der anarchistische Block hat es diesmal
tatsächlich geschafft, die Polizeilinien zu durchbrechen und somit
-
zumindest teilweise - eine unkontrollierte Demonstration zu
ermöglichen, welche die Inhalte einer neuen Welt vermittelte.
Bereits gestern (4.Juli) gab es in Sapporo, der Hauptstadt von
Hokkaido, Aktivitäten gegen den Gipfel der G8, der offiziell vom
7. bis
9. Juli in Toya-ko - einem Luxustourismus-Ort, abgeschottet von
jeglicher Realität - stattfinden soll.
Für heute, den 5.Juli, war in Sapporo zur Großdemonstration
von
Gewerkschaften, NGO's kommunistischen und anarchistischen
Organisationen aufgerufen, an der schließlich mehrere Tausend
Menschen
teilgenommen haben. Allein damit war bereits jenes Zeichen gesetzt, was
die japanische Regierung verhindern wollten: ein breites Aufkommen von
AktivistInnen in Hokkaido. Das Image von einem Gipfel, welches
angeblich Zwecks humanitär ökologischer Fragen sich treffe -
was die
Regierung seit Monaten über bürgerliche Medien und Plakaten
versucht in
der Öffentlichkeit zu inszenieren - kam kräftig ins wanken.
Die
Demonstration heute Sapporo thematisierte die tatsächlichen
Machenschaften des neoliberalen Kapitalismus, zeigte Perspektiven auf,
dass es noch ein Dasein geben kann, für das es sich zu
kämpfen lohnt.
Die Demonstration begann sogleich - wie in auch in Tokyo - damit, dass
die Polizei rund um die jeweiligen Blocks sich in Reihe und
Knüppel
aufstellte, somit wieder die Situation eines wandernde Polizeikessels
entstehen lassen wollte. Die offensichtliche Aufgabe der
Repressionsorgane war, die Demonstration zu etwas nebensächlichem
zu
erniedrigen, indem diesem nur ein Streifen auf einer vierspurigen
Straße genehmigt wurde. Doch im anarchistische Block begann
alsbald der
glückliche Versuch dieses Konzept aufliegen zu lassen.
Wenn dieser Artikel nun betitelt wurde mit "NoG8 bricht aus", dann darf
sich mensch jetzt nicht eine übertriebene Situation des Aufstands,
wie
etwa vor kurzem in Osaka vorstellen. Was jedoch ereignete, war auf eine
gewisse Weise mehr als übertrieben:
Die AktivistInnen drückten mit Körpergewicht einerseits die
Polizei
nach Außen, während andere durch Lücken zwischen den
Polizeiketten nach
Außen drangen. Die Polizei war offensichtlich von einer spontanen
Masse
überrascht, die sich nicht an die Anordnung "innerhalb einer
Stunde und
nur in 4' er Reihen zu demonstrieren" gehalten hat. Bald war der
gesamte innere Verkehr der Stadt lahm gelegt und die Demo hatte sich
die Straße genommen. Was sich daraufhin abspielte war typisch
für die
Repressionsorgane in Japan:
[Anmerkung: es ist hier nicht angebracht über das sich selbst
inszenierende "Legal Team" ausführlicher zum Sprechen zu kommen,
die in
jener Situation mehr eine Polizeihilfe war als Rechtshilfe der Demo.
Diese Diskussion muss sich noch anderswo austragen, wie es dazu kommen
kann, dass Leute vom "Legal Team", sowie manche OrganisatorInnen von
den NGO`s, gemeinsam mit der Polizei gegen die Demonstration gearbeitet
haben. Teilweise haben diese sogar aggressiver als die Polizei
versucht, die Demo wieder in "geordnete Bahnen" zu lenken. Als
"Rechtshilfe" Repressionsarbeit zu übernehmen ist inakzeptabel!]
Die Polizei, die eindeutig verwirrt und überfordert war, setzte
die
sogenannten "Truppen zur Aufstandsbekäpfung" ein, um die Lage
wieder
unter Kontrolle zu bringen. Nur damit es nochmal klar ist, die
faktische Lage bestand ausschließlich darin, dass sich die Leute
die
ganze Strasse zum demonstrieren genommen haben. Dies muss die Polizei
in ihrer Autorität dermaßen gekrängt haben, sodass es
zu neurotischen
Mitteln greifen musste. Es kam nun immer mehr zu Gewaltakten gegen
AktivistInnen, die wieder zurück in die eine Spur gedrängt
wurden,
obwohl ohnehin der gesamte Verkehr eingestellt war. Doch den zackigen
DemonstrantInnen gelang an einer anderen Stelle erneut die
Polizeilinien zu durchbrechen.
Die Neurose der Polizei nahm seinen Lauf in der Reaktion auf eine
Übertretung der "Lautsprecherwagen-Verordnung". Dort ist
nämlich
festgehalten, dass sich nur zwei Personen auf dem Lautsprecherwagen
befinden dürfen. Als sich der DJ's abwechseln wollte, war einer zu
viel
auf dem Wagen zu sehen, was dann die Festnahme beider DJ's
gerechtfertig haben soll. Dies war der Vorwand; tatsächlich sollte
mit
der Festnahme der beiden Dj's die Atmospähre gebrochen werden. Als
dann
die Polizei dabei war auch den Fahrer des Lautsprecherwagens
festzunehmen, geschah das Gegenteil von dem, was sich die Polizei
erhofft hatte. Die Stimmung kochte. DemonstrantInnen sammelten sich
rund um den Wagen, der seinerseites von der Polizei umzingelt war und
versuchten die Festnahmen zu verhindern - was leider nicht gelang. Nach
einer längeren Auseinandersetzung wurde schließlich der
unbeholfene
Fahrer abgeführt. Die gesamte Strasse war nun endgültig zur
Demonstration zwischen Hütern und ÜberwinderInnen der G8
geworden. Der
Block ließ sich bis zum Abschluss der Demonstration die Strasse
nicht
mehr nehmen.
Nach der Demo, um ca. 18°° Uhr, sammelten sich erneut
AktivistInnen,
diesmal vor dem Polizeirevier Sapporo Chuosho und forderten die
sofortige Freilassung der Gefangenen. [Nach Gesetz kann eine Person bis
zu 23 Tage im Revier festgehalten werden.] Mittlerweile kam in
erfahrung, dass es eine weitere Festnahme gegeben hat: ein Journalist,
der während der Gewaltakte der Polizei, der Aufforderung, das
fotografieren einzustellen, nicht Folge geleistet haben soll, wurde
ebenfalls festgenommen. Keine Berichterstattung erwünscht.
Währendessen tauchte - wie der Zufall so will - auf der Strasse
neben
dem Oodori-Park, wo sich gerade einige DemonstrantInnen zum Rasten
gelegt hatten, ein Propaganda-Wagen von Faschisten auf, namentlich der
rechtsextremen "Uyoku", die auch mit Verbindungen zur Yakusa bekannt
ist. Über Lautsprecher gaben sich zum Rechten, dass das
Stattfinden des
G8-Gipfel in Japan ein Zeichen dafür sei, wie groß die
japanische
Nation ist, auf die man(n) Stolz sein soll usw. Dies empfand der
antifaschistische Charakter als Provokation, woraufhin Fahnen und
Transparente vom Wagen entfernt wurden. Nachdem dann auch einige
Flaschen flogen, entfernten sich die Faschisten ziemlich schnell.
Fazit: Der Tag in Sappro, welche für viele Organisation als der
wichtigste im Proteste gegen die G8 in Hokkaido eingeschätzt
wurde,
verlief für manche als "zu wenig", für andere als "immerhin
das", für
die Repressionsorgane als "zuviel" Protest. Tatsächlich wurde die
unerträgliche Norm, bezeichnend für die gesellschaftliche
Sackgasse, in
der sich die gesamte Welt befindet, für einen Moment durchbrochen
-
aufgezeigt das es jene Menschen gibt, die zumindest sehen können,
was
es für den Menschen noch zu erreichen gäbe.
Auf nach Toya-ko.
2 Inhaltliche Ergänzungen
06.07.2008 16:28
Bilder gibts auf at.indy: https://at.indymedia.org/node/10720#comment-9739
einiges mehr an Bildern, u.a. die brutale Festnahme des Lauti-Fahrers,
hier:
http://www.flickr.com/photos/powless/sets/72157605985394658/
AutorIn: --
---
!
06.07.2008 16:29
Verhaftungen in Hokkaido - Soli angesagt
Nach den Verhaftungen in Hokkaido waeren nun Soliaktionen angesagt!...
Ein weiterer Artikel zu den Festnahmen von http://at.indymedia.org/node/10721
Auf der gestrigen Demonstation (05.07.2008) in Sapporo wurden drei
Aktivisten und ein Journalist von Reuters inhaftiert. Die Umstände
der
Festnahme des ersten Aktivisten, der als Teil der Clownarmy auf der
Demonstration teilnahm sind unklar. Nahezu niemand hat irgendetwas von
seiner Festnahme mitgekriegt.
Die Festnahmen der anderen drei fanden gegen Ende der Demonstration
statt. Festgenommen wurden der Fahrer des Soundmobils und der DJ, der
auf dem Wagen aufgelegt hatte. Begründet wurde das Einschreiten
der
Polizei damit, dass der Fahrer des Demowagens nicht den Anweisungen der
Polizisten gefolgt wäre. Die Festnahme war von großer
Brutalität
seitens der beteiligten Polizisten gekennzeichnet, die zuerst die
Fensterscheibe des Wagens einschlugen und ihn anschließend aus
dem
Wagen zerrten. Das Medieninteresse an der Festnahme war sehr groß
und
in dem Tumult aus Polizisten und JournalistInnen wurde auch der
Reuters-Journalist festgenommen. Ihm wird Vorgeworfen, dass er einen
Polizisten getreten hätte. Zu den Vorwürfen gegen die anderen
beiden
Aktivisten (den DJ und den Clown) ist bisher nichts bekannt.
Die Inhaftierten hatten gestern Abend noch keinen Kontakt mit den
Anwälte, da Inhaftierte in Japan nicht selbst Anwälte
kontaktieren
dürfen, sondern erst die Polizei umd die Anforderung eineR
PflichtverteidigerIn bitten müssen. Ob die Anwälte heute im
Laufe des
Vormittages zu ihren Mandanten durften ist derzeit nicht bekannt. Die
Aktivisten sitzen derzeit in einer Polizeistation in Sapporo in Haft.
Nach spätestens 72 Stunden nach der Festnahme erfolgt eine
gerichtliche
Entscheidung über eine weitere Verlängerung der Haft um 10
Tage. In
Japan ist eine maximale Haftdauer von 23 Tagen möglich. Die
Gefangen
würden die ganze Zeit über auf der Polizeistation in Haft
sitzen und es
gängige Praxis, dass Gefangene zu endlos langen Verhören bis
spät in
die Nacht gezerrt werden.
Im Anschluss an die Demonstration fand eine kleine Solidemo vor der
Polizeistation in der die Aktivisten sitzen statt. Weitere Aktionen
sind in Planung. Solidaritätskundgebungen andernorts (z.B. vor
Botschaften) sind sehr erwünscht.
Video von der Solidemo: http://tv.g8medianetwork.org/?q=en/node/287
Video von der Festnahme des Fahrers (Reuters): http://www.reuters.com/news/video?videoId=85900&videoChannel=1
andere Videos zu den Protesten gegen den G8 Gipfel in Hokkaido: http://tv.g8medianetwork.org/?q=en/
Vor einigen Tagen wurden außerdem 20 KoreanerInnen am Flughafen
Chiotse
(größter Flughafen Hokkaidos) gestoppt. Ihnen wurde die
Einreise
verweigert. Einer der Aktivisten wurde im Zuge der Einreiseverweigerung
festgenommen. Er versuchte das Geschehen zu dokumentieren, als die
PolizistInnen ihn daran hindern wollten, weigerte er sich ihnen die
Kamera auszuhändigen. Derzeit befinden sich die AktivistInnen
immer
noch am Flughafen Chiotse im Sitzstreik. Der festgenommene Aktivist
befindet sich ebenfalls nach wie vor in Haft.
AutorIn: ^^