MEDIENSPIEGEL 10.7.08

Heute im Medienspiegel:
- Reitschul-Programm
- Anti-WEF-Demo 19.1.08
- Sempacher Nazis: Fotoalbum auf indymedia
- SP-"Sicherheits"-Papier
- Drohnen: zuerst Rehe, dann DemonstrantInnen...
- Privat-Polizei in Niederbipp
- Hardturm-Squat ZH
- G8 Japan: Gipfelsoli im Interview
- 10 Jahre Anti-Global in der Schweiz
- Chiapas-Karawane
- Anti-Atom: Alle gegen Mühleberg
- Via Felsenau: Streit an der Aare

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REITSCHULE
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Do 10.07.08  
20.00 Uhr Frauenraum     
BarOmeter: lesbisch-schwules Chillen mit DJ FRATZ, Janine, Sharone & DJ ElfERich

20.00 Uhr Vorplatz     
DJ Electric (BE) - Indie-Rock, Blues, Funk & more

Fr 11.07.08  
20.00 Uhr  Vorplatz     
Kommando Trash (CH) - Minimal-NewWave-DeutschPop

Vorplatz-Belebungs-Bar: Di-Sa ab 16 Uhr
Vorplatz-Belebungs-Kultur-Imbiss: Do-Sa ab 18 Uhr
Vorplatz-Belebungs-Infos: http://www.reitschule.ch/reitschule/vorplatz oder neu http://www.vorplatz.ch

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ANTI-WEF-DEMO 19.1.08
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Bund 11.7.08

Polizeieinsatz "gerechtfertigt"

Stadt Bern Die Menschenrechtsgruppe "augenauf Bern" und der Verein "grundrechte.ch" erachten die Antwort des Regierungsrates auf eine Interpellation bezüglich des Polizeieinsatzes an der Anti-WEF-Demonstration vom 19. Januar als "äusserst unbefriedigend". Für den Regierungsrat war der Polizeieinsatz "insgesamt erfolgreich". Er sei "verhältnismässig und zielgerichtet" gewesen.

"Offensichtlich ist der Regierungsrat in keiner Weise an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem fraglichen Polizeieinsatz interessiert", schreiben nun die Menschenrechtsorganisationen. Es scheine der Regierung einzig darum zu gehen, "den Einsatz mit allen Mitteln zu rechtfertigen". Nach der von verschiedenen Seiten geäusserten massiven Kritik noch immer von einem erfolgreichen Einsatz zu sprechen, erscheine gerade gegenüber den grundlos festgenommenen Personen als äusserst anmassend. "Dazu passt auch, dass der Regierungsrat den Umstand herunterspielt, dass sich zahlreiche Personen bei ihrer Kontrolle ohne ersichtlichen Grund vollständig entkleiden mussten."

Auch die Berner Regierungsstatthalterin Regula Mader, welche im Auftrag der Polizei selber als Beobachterin im Einsatz stand, stellte organisatorische Mängel fest. Die Polizei verbesserte in der Folge die Behandlung vorübergehend Festgenommener. (pas)

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Medienmitteilung von grundrechte.ch und augenauf Bern vom 9. Juli 2008

Unbefriedigende Antwort des Regierungsrates zum Polizeieinsatz anlässlich der Anti-WEFDemonstration Untersuchung durch die Oberaufsichtskommission wichtiger denn je

Die Menschenrechtsgruppe augenauf Bern und der Verein grundrechte.ch erachten die Antwort des Regierungsrates auf die Interpellation von Corrado Pardini bezüglich des Polizeieinsatzes an der Anti-WEFDemonstration als äusserst unbefriedigend.

Mit einer inakzeptablen Beharrlichkeit weicht der Regierungsrat in seiner Antwort den detaillierten Fragen der Interpellation aus oder verbirgt sich hinter allgemeinen Formulierungen, so dass wesentliche Punkte unbeantwortet bleiben. Zudem übernimmt der Regierungsrat weitgehend die Argumentation der Kantonspolizei. So werden beispielsweise die willkürlichen Festnahmen damit begründet, dass die betroffenen Personen "Gegenstände mitführten, die auf die Teilnahme an der unbewilligten Kundgebung schliessen liessen". Abgesehen davon, dass ein Flyer als Festnahmegrund an sich schon mehr als fragwürdig erscheint, sind augenauf Bern zahlreiche Fälle bekannt, in denen die festgenommenen Personen weder derartige Gegenstände mit sich führten, noch vorhatten, an der Kundgebung teilzunehmen.

Offensichtlich ist der Regierungsrat in keiner Weise an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem fraglichen Polizeieinsatz interessiert. Es scheint einzig darum zu gehen, den Einsatz mit allen Mitteln zu rechtfertigen. Nach der von verschiedenen Seiten geäusserten massiven Kritik noch immer von einem "erfolgreichen Einsatz" zu sprechen, erscheint gerade gegenüber den grundlos festgenommenen Personen als äusserst anmassend.
Dazu passt auch, dass der Regierungsrat den Umstand herunterspielt, dass sich zahlreiche Personen bei ihrer Kontrolle ohne ersichtlichen Grund vollständig entkleiden mussten. So schreibt der Regierungsrat, dass es sich dabei höchstens um "notwendige Einzelfälle" gehandelt habe, "wenn die Massnahme überhaupt angewandt wurde." Es sind jedoch zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Personen diese erniedrigende Massnahme über sich ergehen lassen mussten, ohne dass sie sich "aggressiv verhalten" oder "gefährliche Gegenstände" mit sich geführt haben.

augenauf Bern und grundrechte.ch haben sich intensiv mit den Polizeieinsätzen vom 19. und 26. Januar befasst und diesbezüglich bei der Budget und Aufsichtskommission (BAK) des Stadtrates sowie bei der Oberaufsichtskommission (OAK) des Grossen Rates im Februar einen Antrag auf Untersuchung eingereicht. Die BAK äusserte sich mit ihrem Schreiben vom 8. März 2008 kritisch zum Polizeieinsatz. Nach einer Befragung von Manuel Willi, Chef Regionalpolizei Bern, und Stefan Hügli als verantwortliches Gemeinderatsmitglied, stellt die BAK in dem Schreiben fest, dass ihre Empfehlungen vom Juni 2005 "kaum befolgt wurden" und hält ausdrücklich fest, dass diese Empfehlungen "nach wie vor Gültigkeit haben und vom Gemeinderat unbedingt, namentlich gegenüber der Kantonspolizei, durchzusetzen sind".
Die OAK ihrerseits bestätigte zwar am 26. Februar den Eingang des Antrages auf Untersuchung und stellte eine Antwort "zu gegebener Zeit" in Aussicht. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch weder bei augenauf Bern noch bei grundrechte.ch ein entsprechendes Schreiben eingetroffen.
Gerade angesichts der unbefriedigenden Antwort des Regierungsrates erachten es augenauf Bern und grundrechte.ch nun als eminent wichtig, dass die OAK die fraglichen Einsätze eingehend untersucht und sich ernsthaft mit den zahlreichen Kritikpunkten auseinander setzt.

Es hat sich in zahlreichen Fällen gezeigt, wie schwierig es ist, auf dem juristischen Weg gegen Fehlverhalten der Polizei vorzugehen. In den allermeisten Fällen werden entsprechende Verfahren eingestellt oder enden in einem Freispruch der angeschuldigten PolizistInnen. Umso wichtiger wäre es daher, dass die verantwortlichen politischen Instanzen ihre Aufsichtsfunktion wahrnehmen und sich kritisch und ernsthaft mit dem Verhalten der Polizei auseinandersetzen.

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SEMPACHER NAZIS
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241 Nazi-Fotos
http://ch.indymedia.org/de/2008/07/61968.shtml

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blick 9.7.08

Sempach-Nazis am Internet-Pranger

Von Karin Baltisberger und Jan Fischer

Enttarnt: Im Web wurden 241 Bilder von Neonazis veröffentlicht. Die Fotos entstanden an der Sempacher Schlachtfeier.

Nummer 22 hat einen kahl rasierten Schädel und trägt eine schwarze Sonnenbrille. Auf der Mütze der Nummer 209 steckt ein Button mit der Aufschrift "88", dem Rechtsextremencode für "Heil Hitler". Auf der Internetplattform "Indymedia" prangen sie: 241 Neonazis - einzeln fotografiert, ohne Namen, dafür mit einer Nummer versehen.

Ihre Gesichter sind gut zu erkennen und leicht zu identifizieren. Diese Männer und Frauen sollen Rechtsextreme sein und an der Sempacher Schlachtfeier vor einer Woche teilgenommen haben. Schreibt das "Autonome Medienkollektiv" aus dem deutschen Freiburg. "Die Pnos beklagte sich nach dem diesjährigen Aufmarsch in Sempach: Die umfangreiche Medienberichterstattung über Sempach hätte etliche Pnos-Anhänger davon abgeschreckt, an der Schlachtfeier teilzunehmen", heisst es im Forum. Die Leute hätten Angst gehabt, auf Fotos erkannt und anschliessend vom Arbeitgeber oder antifaschis-tischen Gruppen denunziert zu werden.

Dafür sorgen die Autonomen gleich selber: "Wir kriegen euch alle!", heisst es auf ihrer Homepage. Tatsächlich melden sich Internet-Nutzer und versehen die Fotos mit Namen. "Bei Nummer 88 handelt es sich um X., eine bekannte Holocaust-Leugnerin."

An der Gedenkfeier Ende Juni marschierten über 200 Rechtsextreme auf. Zur Teilnahme aufgerufen hatte die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos).

Seit 2003 kommen jedes Jahr mehr Neonazis an die Feier. Im Internet wird stets zu Massenaufmärschen aufgerufen. Noch unklar ist, ob die Neonazis die Feier als Ersatz oder Zusatz zur Rütli-Bundesfeier am 1. August sehen, an der sie unerwünscht sind. Auch die Polizei muss jedes Jahr mit einem Aufgebot bereitstehen. Dieses Mal duldete man die Neonazis, weil sie sich ruhig verhielten und keine Nazi-Fahnen mitführten.

Auch die Enttarner der Rechtsextremen lässt die Polizei vorläufig in Ruhe. Bis jetzt sind keine Strafanzeigen gegen sie eingegangen.

Dafür hat die Pnos reagiert. Sie veröffentlichte nun ihrerseits zwei Fotos im Internet. Darauf zu sehen: Die beiden "Denunzianten" und "deutschen Antifa-Aktivisten", die ihre Kameraden in Sempach unterwandert und abgelichtet haben. Behauptet die Partei zumindest.

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20min.ch 9.7.08

Bilder von Rechtsextremen im Internet veröffentlicht

Die Linksaktivisten von "Indymedia" haben rund 250 Besucher der Sempacher Schlachtfeier im Internet abgebildet. Weil der Anlass auf öffentlichem Grund stattgefunden hat, ist dies laut Datenschützer rechtlich kein Problem.

Seit einigen Tagen prangt auf der Website von "Indymedia" ein heikles Fotoalbum: Wie der "Blick" am Mittwoch berichtete, sind 241 Besucher der Sempacher Schlachtfeier von Anfang Juli mit Porträt- und Gruppenfotos abgebildet. Laut "Indymedia" sollen sie alle zur rechtsextremen Szene gehören.

Die Fotos sind nicht verändert worden, die Personen also gut zu erkennen. Die Benutzer der Website ergänzen die Galerie nun allmählich mit Namen, Funktionen und Wohnadressen.

Die Partei national orientierter Schweizer (PNOS), die zur Teilnahme an der Schlachtfeier aufgerufen hatte, reagierte umgehend mit einer Gegenaktion und veröffentlichte auf ihrer Internetsite zwei "Denunzianten". Diese seien an der Feier mit dem Fotoapparat unterwegs gewesen. Von der PNOS war am Mittwoch niemand erreichbar.

"Feier auf öffentlichem Grund"

Für Daniel Menna, Sprecher des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, sind solche Aktionen zwar heikel, aber kein rechtliches Problem. Es habe zwar jeder Mensch das Recht am eigenen Bild. "Bei Anlässen oder Kundgebungen auf öffentlichem Grund muss man aber immer damit rechnen, fotografiert oder namentlich genannt zu werden."

Wer sich an der Publikation störe, könne auf zivilrechtlichem Weg die Entfernung des Bildes veranlassen. Das Gericht müsste dann entscheiden, ob an der abgebildeten Person ein öffentliches Interesse bestehe oder nicht.

Heikel findet Menna den Rechtsextremen-Pranger aber, weil sich politische Einstellungen ändern könne. "Viele dieser Leute sind in zehn Jahren vielleicht anderer Meinung." Die Bilder des Aufmarschs seien dann aber immer noch im Internet zu finden.


Quelle: SDA/ATS

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zisch.ch 9.7.08

241 mutmassliche Neonazis am Online-Pranger

Mitglieder des "Autonomen Medienkollektivs" aus dem deutschen Freiburg haben an der Gedenkfeier der Schlacht von Sempach teilgenommen, dort gemäss eigenen Angaben Neonazis fotografiert - und alle erkenntlich aufs Internet gestellt.

Gemäss der Nachrichtenagentur sda hat die Gedenkfeier zur Schlacht von Sempach Ende Juni "mehrere hundert Personen, darunter 200 Rechtsextreme", angezogen. Die Gruppe der Neonazis habe sich im Hintergrund gehalten und nach dem Ende der offiziellen Feier Kränze niedergelegt (siehe Artikelverweis).

"Deeskalierende Strategie"

Zwischenfälle habe es gemäss Daniel Bussmann, Pikettoffizier der Luzerner Kantonspolizei, keine gegeben. Die Polizei habe eine deeskalierende Strategie verfolgt und vor der Feier mit den Rechtsextremen das Gespräch gesucht.

Bereits im Vorfeld der diesjährigen Feier hatte das "Bündnis Sempach gegen rechtsextreme Aufmärsche" von den Einwohnern des Städtchens gefordert, dem Aufmarsch der Rechtsextremen mit "aktiver Stille" entgegenzutreten. Die Bürger hätten demonstrativ schweigen, sich abwenden und Türen, Fenster und Rollläden schliessen sollen, wenn die Neonazis vorbeiziehen (siehe Artikelverweis). Das "Autonome Medienkollektiv" aus dem deutschen Freiburg ist nun einen Schritt weitergegangen.

241 Fotos mit Nummern versehen

In einem am 30. Juni auf "20 Minuten online" veröffentlichten Interview hatte sich Renato Bachmann, Mediensprecher der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) beklagt: "Die umfangreiche Medienberichterstattung über Sempach schreckte etliche PNOS-Anhänger davon ab, an der Schlachtfeier teilzunehmen." Die Leute hätten Angst, auf Fotos erkannt und anschliessend vom Arbeitgeber oder antifaschistischen Gruppen denunziert zu werden.

Unter dem Motto "Don't hate the media, become the media" (auf deutsch etwa: "Hasse die Medien nicht, werde selber zu einem Medium") sind nun vom "Autonomen Medienkollektiv" im Internet auf indymedia.org 241 Portätfotos von mutmasslichen Neonazis veröffentlicht worden, die am Marsch in Sempach beteiligt gewesen sein sollen. Jedes Foto wurde mit einer Nummer versehen.

... und auch mit Namen

Inzwischen hat es von Usern 27 inhaltliche Ergänzungen gegeben. Zu mehreren Fotos sind Namen, Funktion und in einem Fall sogar die komplette Adresse mit Telefonnummer hingeschrieben worden. In mehreren Einträgen wird auch Kritik an der Methode geäussert, bei der es eindeutige Parallen zu den während des Dritten Reichs verwendeten Praxen ersichtlich seien.

Dem "Blick" vom (heutigen) Mittwoch zufolge sind bis Redaktionsschluss bei der Polizei keine Strafanzeigen gegen die Enttarner eingegangen. Für Daniel Menna, Sprecher des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, sind solche Aktionen zwar heikel, aber kein rechtliches Problem. Es habe zwar jeder Mensch das Recht am eigenen Bild. "Bei Anlässen oder Kundgebungen auf öffentlichem Grund muss man aber immer damit rechnen, fotografiert oder namentlich genannt zu werden", sagt er gegenüber der Nachrichtenagentur sda (siehe Artikelverweis).

Jedenfalls reagiert hat inzwischen die PNOS, die ihrerseits auf ihrer Homepage zwei Fotos der mutmasslichen "Denunzianten" online stellte.

Dave Schläpfer/Zisch

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espace.ch (SDA) 9.7.08

Datenschutz

Diskussion um Bildrechte im Internet

Die Linksaktivisten von "Indymedia" haben rund 250 Besucher der Sempacher Schlachtfeier im Internet abgebildet. Weil der Anlass auf öffentlichem Grund stattgefunden hat, ist dies laut Datenschützer rechtlich kein Problem.

Laut "Indymedia" sollen alle porträtierten Besucher der Sempacher Schlachtfeier zur rechtsextremen Szene gehören.

Die Fotos sind nicht verändert worden, die Personen also gut zu erkennen. Die Benutzer der Website ergänzen die Galerie nun allmählich mit Namen, Funktionen und Wohnadressen.

Die Partei national orientierter Schweizer (PNOS), die zur Teilnahme an der Schlachtfeier aufgerufen hatte, reagierte umgehend mit einer Gegenaktion und veröffentlichte auf ihrer Internetsite zwei "Denunzianten". Diese seien an der Feier mit dem Fotoapparat unterwegs gewesen. Von der PNOS war niemand erreichbar.

Für Daniel Menna, Sprecher des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, sind solche Aktionen zwar heikel, aber kein rechtliches Problem. Es habe zwar jeder Mensch das Recht am eigenen Bild. "Bei Anlässen oder Kundgebungen auf öffentlichem Grund muss man aber immer damit rechnen, fotografiert oder namentlich genannt zu werden.".

Wer sich an der Publikation störe, könne auf zivilrechtlichem Weg die Entfernung des Bildes veranlassen. Das Gericht müsste dann entscheiden, ob an der abgebildeten Person ein öffentliches Interesse bestehe oder nicht.

Heikel findet Menna den Rechtsextremen-Pranger aber, weil sich politische Einstellungen ändern könne. "Viele dieser Leute sind in zehn Jahren vielleicht anderer Meinung." Die Bilder des Aufmarschs seien dann aber immer noch im Internet zu finden.

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Schweiz aktuell 9.7.08
http://www.sf.tv/sf1/schweizaktuell/index.php?docid=20080709

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SP-"SICHERHEITS"-PAPIER
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WoZ 10.7.08

- Der Entwurf war noch anders:  Das Sicherheitspapier der SP zeugt von einem überhasteten Perspektivenwechsel
- Sicherheit für alle:  SP-Nationalrätin Evi Allemann antwortet auf die Kritik der WOZ

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DROHNEN
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Microdrones GmbH
http://www.microdrones.com/

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punkt.ch 10.7.08

Spionage-Technik soll Rehe vor Tod schützen

Jedes Jahr werden in der Schweiz Tausende Rehkitze von Mähmaschinen getötet. Damit soll jetzt Schluss sein: Der Schweizer Tierschutz (STS) testet Mikrodrohnen, um die jungen Rehe zu schützen. Ein erster Feldversuch mit der modernen Spionage-Technik ist schon für diesen August geplant. Die Jäger sind begeistert. seite 5

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Tierschutz

Drohnen sollen Rehkitzen das Leben retten

Von David Schaffner

Mit Spionage-Technik will der Schweizer Tierschutz Tausende Rehkitze vor Mähmaschinen schützen.

Am 20. August führt der Schweizer Tierschutz (STS) in der Umgebung von Winterthur einen Versuch durch, der Hoffnung für Tausende von Rehkitzen bringt: Mitarbeiter des STS starten an einem Waldrand eine ferngesteuerte Mikrodrohne, die mit einer Infrarot- Kamera millimetergenau das hohe Gras absucht. Tiere, die sich im Gras verstecken, will der STS so einfacher entdecken können.

STS will eine Drohne

"Wir glauben, dass wir dank dieser Technik unzählige Rehe vor dem Mähtod retten können", sagt Peter Schlup von der Fachstelle Wildtiere des STS. Ist der Versuch erfolgreich, will der Tierschutz zusammen mit dem Jägerverband "Revierjagd Schweiz" eine oder mehrere Drohnen des Herstellers Microdrones anschaffen. Zum breiten Einsatz kämen die Geräte frühestens 2009. Dieses Jahr sind die Kitze bereits zu gross. Beim Versuch am 20. August will Schlup daher auch nicht nach Rehen suchen, sondern nach Hasen. Diese sind etwa gleich gross wie Rehkitze.
Kommen die Drohnen dereinst zum Einsatz, werden sie vor allem von Jägern bedient. "Für den Einsatz der Suchgeräte sind aktive Jäger am besten geeignet", erklärt Tierschützer Schlup. "Sie wissen genau, wo sich die Tiere aufhalten und haben Erfahrung mit Jungtieren. " Und - so muss man wohl hinzufügen: Die Jäger haben ein grosses Interesse daran, die ausgewachsenen Tiere später zu schiessen.

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Mähtod

Bei Unfällen mit Mähmaschinen kommen in der Schweiz jedes Jahr mindestens 2000 Rehkitze um. Der STS geht allerdings  davon aus, dass die Dunkelziffer um ein Mehrfaches höher ist.

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PRIVAT-POLIZEI
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BZ 10.7.08

Security statt Polizei

In Niederbipp sorgt neuerdings ein privater Securityservice für Sicherheit. Die Gemeinde zieht nach dem ersten Monat eine positive Bilanz. Finanzielle Einsparungen bringt der private Sicherheitsdienst zwar nicht. Die Sachbeschädigungen waren weniger hoch als die Kosten für den Sicherheitsdienst. "Doch kann man die Zufriedenheit im Dorf ja nicht in Franken ausdrücken", meint Gemeinderat Beat Kellerhals. Das Sicherheitsproblem hatte sich in Niederbipp zugespitzt, als die Nachbargemeinde Oensingen einen Securityservice engagierte. Ab diesem Zeitpunkt sind laut Kellerhals die Vorfälle in Niederbipp sprunghaft angestiegen. rfm/rbl

Seite 17

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Sicher ist sicher - Security im Einsatz

Wegen Unruhestiftern setzt Niederbipp seit einem Monat einen Security-Service ein. Die Zahlen sprechen für die neue Schutztruppe.

Niederbipp war zu einem Zentrum für Unruhestifter geworden. Sachbeschädigung, Beleidigungen, Ruhestörung. "Es war nicht mehr zum aushalten", so Gemeinderat Beat Kellerhals.

Einige Anwohner standen kurz davor, ihr Haus in Niederbipp zu verkaufen und fortzuziehen. "Jeden Monat gab es ein paar Tausend Franken Sachbeschädigung", so Kellerhals. Das Problem wurde in den letzten Jahren immer gravierender. Genau zu der Zeit, als die Nachbargemeinde Oensingen einen Security-Service engagierte.

Polizei reicht nicht mehr

Security Service? Liegt die öffentliche Sicherheit denn nicht mehr in der Verantwortung der Polizei? "Diese Aufgaben konnte die Polizei nicht mehr erfüllen", kritisiert Gemeinderat René Suter. Nach all den Einsparungen seien zu wenig Patrouillen im Einsatz, als dass sie in angemessener Zeit vor Ort sein könnten. "De facto ist es so, dass der Kanton die Verantwortung an die Gemeinden abgibt", so Kellerhals.

Niederbipp sah sich gezwungen nach Oensingen selbst einen Security-Service zu engagieren. "Dies ist nur eine kurzfristige Massname", stellt Kellerhals klar. Daneben seien Projekte geplant, die mehr auf Dialog und Prävention setzen würden. Der Erfolg gab der "kurzfristigen Massname" jedoch recht.

In unregelmässigen Abständen patrouillieren die Mitarbeiter des Security-Service durch Niederbipp. Sie verteilen Verwarnungen und zeigen Präsenz. "Seit wir die Security einsetzen, ist nichts Weltbewegendes mehr geschehen", so Beat Kellerhals.

"Seit wir regelmässig patrouillieren, haben die Gruppierungen mehr Respekt", sagt Dominique Pochelon von der VIP-Security. "Bei Problemen sind wir in 20 Minuten vor Ort."

Ist dies ein Armutszeugnis für die Polizei, wenn man jetzt zu privaten Sicherheitsdiensten greifen muss? "Dies hat nichts mit einem Armutszeugnis zu tun", so Pochelon. "Die Bevölkerung toleriert heute nichts mehr. Als ich noch jung war, konnten wir irgendwo Fussball spielen, ohne dass jemand reklamierte." Also hat Niederbipp am Ende ein Problem der Nulltoleranz? "Überhaupt nicht", widerspricht Pochelon. Er erzählt von herumliegenden Bierflaschen, Geschrei um ein Uhr morgens und verantwortungslosem Umgang mit Schusswaffen.

Positive Bilanz

So zieht Niederbipp nach dem ersten Monat mit einer Schutztruppe positive Bilanz. "Nach diesem Probelauf wird das Projekt auf jeden Fall verlängert", so Kellerhals. Einsparungen bringt der Security-Service der Gemeinde nicht, im Gegenteil. "Budgetiert sind hierfür 37000 Franken", so René Suter. Da kamen die Sachbeschädigungen billiger. "Doch kann man die Zufriedenheit in einem Dorf ja nicht in Franken ausdrücken", sagt Kellerhals.René Frauchiger


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HARDTURM-SQUAT ZH
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Woz 10.7.08

"Brotäktschen" im Zürcher Hardturmstadion

Willkommenim Taka-Tuka-Land

Von Noëmi Landolt

Eine autonome Zone als coolster Ausgehtipp, ein Anschiss gegen links und der Fussballplatz als grosse Spielwiese - am Wochenende wurde angepfiffen.

Die besten Abenteuer fangen an mit einem Loch im Zaun. Ein Loch im Zaun ums Zürcher Hardturmstadion zum Beispiel. Da hindurch kriechen die einen am vergangenen Freitag abend, Bretter und anderes Baumaterial geschultert. Die anderen spazieren durch den in kürzester Zeit geknackten Haupteingang. Unglaublich, so schnell geht das, sagen die Leute und sind leise überrascht, dass auch ein Fussballrasen wachsen kann. Kniehoch steht das Gras, die Abendsonne scheint ins Stadion. Und schnell gehts auch, bis die ersten Sirenen zu hören sind und drei oder vier Polizisten aus ihren Autos springen. Mimik und Gestik in perfekter Actionheldenmanier. Das gespannte Hemd über geblähter Brust, breitschultrig und -beinig, das Gewehr schwingend, brüllend, ballernd. Gummischrot. Aus nächster Nähe, ein Wunder, dass niemand ernsthaft verletzt wird. Die Vermittlerin aus der Besetzer Innengruppe wird kurzerhand verhaftet. Der Pressefotograf auch.

Derweil wird drinnen Material her umgetragen. Hin und her, zum Barrikadenbau und dann doch wieder nicht. Mittlerweile ist Verstärkung angerückt, und es wird auch beim Zaunloch geschossen. Es tue gut, anzupacken, um "die Actiongorillas zu vergessen, das Adrenalin im Körper zu verteilen", wie eine Besetzerin sagt. Dann ruft jemand: "Sie sind weg! D Bulle sind weg!", einer steckt den Stecker in die Steckdose, der DJ legt euphorisierende Technomusik auf, alle schleppen irgendetwas herum, das Gras ist hoch, die Sonne scheint, und einen Moment lang spürt man diese "Alles ist möglich"-Gänsehaut. Dieses "Wir bauen uns unsere eigene kleine Stadt, unsere kleine selbstbestimmte Welt, ohne Ausbeutung und Kommerz, willkommen im Taka-Tuka-Land"-Gefühl. Einer stolpert durchs Gras, bietet hier und dort seine Hilfe an. Die freundliche, aber bestimmte Antwort: "Nein, danke! Wir haben alles im Griff." Er setzt sich ins Gras und kaut an einem Strohhalm. Das Hardturmstadion ist besetzt!

Hütten im Palast

Jemand sagt: "Das ist einfach der Wahnsinn! Ich meine, das ist ein verfluchtes Fussballstadion. Der Wahnsinn!" Und das stimmt, schliesslich ist ein Stadion so etwas wie die heilige Kuh des Standortmarketings. Fussballsta dien und Shoppingtempel. Fussball und Shoppen. Oder eben Brot und Spiele. Worauf sich ja auch "Brotäktschen", der Name der Hardturmbesetzung, bezieht. "Der Name ist von der Redewendung ‹Brot und Spiele› abgeleitet, welche im alten Rom den Versuch einer Regierung bezeichnete, das Volk mit Grossanlässen von gesellschaftlichen und politischen Problemen abzulenken. Ähnlich wie heute die Euro 08. In Zürich scheint dies gelungen - "Brotäktschen" will das Gegenteil!" steht auf dem im Stadion verteilten Infoflyer.

"Brotäktschen" ist mehr als eine blosse Gegenveranstaltung zur Euro 08 der Drohnen, der Hundertschaften von PolizistInnen und Militärs und der für Fanzonen gesperrten Strassen. "Brotäktschen" steht in der Tradition der Sauvagen der neunziger Jahre und von Reclaim the Streets, gefolgt von den Besetzungsaktionen "Shantytown" im Jahr 2005, einer für ein Wochen ende am Sihlufer bei der Börse errichteten Barackensiedlung, sowie "Danslieue", dem dreizehnten Kreis, ein Jahr später beim Bürkliplatz. "Shantytown" war eine Reaktion auf die Räumung mehrerer alternativer Treffpunkte und besetzter Häuser, "Danslieue" thematisierte den Wegweisungsartikel und die Revision des Asyl- und Ausländergesetzes. "Wir haben uns gedacht, wir könnten wieder einmal etwas in dieser Art machen. Der aktuelle Bezug zur Euro kam erst nachher dazu", sagt einer aus dem Organisationskollektiv.
Bei all diesen Aktionen geht es im Kern um dasselbe. Um Ausgrenzung, die völlige Regulierung und Überwachung des öffentlichen Lebens.

Angstmacherei, Sauberkeits- und Sicherheitswahn. Gegen die Aufwertung von Quartieren durch Luxuswohnungen und den Austausch der Bevölkerung. Für die Rückeroberung von Freiräumen. Doch manche wollen nicht einmal versuchen zu begreifen, um was es geht. Zum Beispiel die Reporterin der Tagesschau, die den BesetzerInnen vorwirft, sie verhielten sich wie die Uefa, mit ihren Vorgaben, wann und was fotografiert beziehungsweise gefilmt werden dürfe. Ob sie sich schon einmal überlegt hat, was es bedeutet, nach einer illegalen Aktion im Fernsehen erkannt zu werden? Es geht auch nicht darum, dass, wie die NZZ spitzfindig schreibt, Leute Bierdosen der zu Carlsberg gehörenden Feldschlösschengruppe ins Stadion mitnehmen. Sondern dass man trinken, tragen und tun kann, was man möchte.

Es ist schön, mit anzusehen, wie sich das Stadion verändert. Wie eine "Hütte" nach der anderen aufgebaut wird, dort, wo bald ein Palast stehen soll, wie die Spielwiese wächst und die Werbebanner nach und nach unter anderen Schriftzügen verschwinden: "Wir klauen für Zürich", "Autonome Zonen schaffen", "Nehmen wir uns Mehrwert", "Es liegt an uns zu spielen". Am Eingang liegt ein aus geklauten Eurofahnen genähter Fussabtreter. Immer wieder fliegt ein Tarzan über die Köpfe der Leute, am Seil, das vom einen Stadiondach zum anderen gespannt wurde. Eine elektrisierende Stimmung liegt in der Luft. Sie wird die ganzen drei Tage anhalten. In der Dämmerung werden Feuer und Lichterketten angezündet. Die Sonne geht unter, der Abend ertrinkt in Euphorie und Alkohol.

Selbstbestimmte Spiele

"Wir wollen zeigen, dass man spielen und trotzdem auf problematische Themen aufmerksam machen kann", sagt einer aus dem organisierenden Kollektiv. Bei "Brotäktschen" werden jedoch nicht explizit politische Themen angesprochen, wie das zum Beispiel bei "Brotäktschen" vor zwei Jahren der Fall war. Damals gab es ein Zelt mit vielen Informationen zum neuen Zürcher Polizeigesetz und zum Wegweisungsartikel. Abends, quasi zur Hauptsendezeit, wurden die Konzerte für den Film "Voices in Transit" über afrikanische Flüchtlinge in Zürich unterbrochen. Am "Danslieue" sei die Freude fast erdrückt worden von all den traurigen Themen, sagen die einen. Das sei der Grund, warum man bei "Brotäktschen" wieder, wie schon bei "Shantytown", das Fest in den Vordergrund stellen wolle. Andere bedauern diese Entwicklung. Im Hardturm haben an diesem Wochenende nur die Bleiberechtskampagne und die Revolutionäre Jugend Zürich ihre Infostände aufgestellt. "Für viele wird der Anlass einfach nur der coolste Ausgehtipp dieses Wochenendes sein. Dabei wäre das eine gute Plattform, um konkrete politische Inhalte zu vermitteln", sagt eine Standbetreiberin. "An einem solchen Anlass erreicht man mittlerweile mehr Leute als an einer konventionellen Demo." Demonstrationen haben an Kraft verloren. Die gewaltigen Polizeiaufgebote lassen sie als Bedrohungen erscheinen. Wichtig ist die Anzahl Verletzter, vor allem der Sachschaden, die Einnahmeausfälle von GewerblerInnen. Die Kosten, die Kosten, die Kosten. "Kein Wunder, gehen viele Leute nicht mehr an Demos, und kein Wunder, gehen die Inhalte verloren", sagt die Standbetreiberin. Doch allein die Besetzung an sich ist schon ein politischer Akt. Die Tatsache, dass sich hier eine Handvoll Leute ihre eigene grosse Spielwiese erobert haben, ein grosses Fest feiern, in Traktorrädern die Tribüne runterrollen, ein Rennen mit feuerspeienden Titanengefährten veranstalten und anderen Schabernack treiben. Selbstbestimmte Spiele und selbstgebackenes Brot als politische Aktion.

"Schiiss Politik"

Nach wenigen Stunden traumlosen Schlafs auf der Nordtribüne fällt der Blick beim Erwachen sofort auf den Schriftzug "Brotäktschen", der über der Tribüne des Gästesektors hängt. Und aus "Brot" und "Action" wird auf einmal "Protection", Schutz. Schutz vor der völligen Vereinnahmung des öffentlichen Raums durch das Kapital, Schutz vor Konsumzwang, Schutz vor der Erstickung allen Lebens. Sich nicht vorschreiben lassen, was Lebensqualität heisst. Lebensqualität bedeutet eben auch, selbst bestimmen zu können, wo man sich aufhält, wie und zu welcher Zeit man gewisse Räume nutzen will.

Protection. Eine weitere, vielleicht ursprünglich nicht beabsichtigte Parodie auf den Sicherheitswahn in und um die Stadien? Eine Parodie auf die SP mit ihrem neuen Sicherheitspapier? Die Partei erhält am Samstagabend jedenfalls eine Grussbotschaft. Von Reverend Beat-Man. Aus Bern mit seiner Klampfe angereist, freut er sich, hier zu sein, grüsst die ZivilpolizistInnen, die bestimmt auch irgendwo rumstiefeln, und poltert gegen die SVP, aber nicht nur: "Auch die linke Politik ist scheisse im Moment. Die ganze Schweizer Poli tik ist scheisse. Schiiss Politik!", ruft er heiser ins Mikrofon. Die Leute freuen sich, weiter hinten wummert das Techno zelt. Sie sind in Massen an das grosse Fest gekommen. 5000 sollen es gewesen sein. Ein Fest für alle, egal wie dick das Portemonnaie ist. Ein Fest für alle, ausser für "Nazis, Cops und Yuppies", wie am Eingang unmissverständlich geschrieben steht. Vor allem Letztere sind trotzdem gekommen. Doch auch das schönste Fest geht irgendwann zu Ende. Zurück bleibt ein Stadion ohne Werbeschriftzüge, ein bisschen Sperrmüll, und die in den Rasen gebrannten Worte: "Bis bald". "Brotäktschen" war erst der Anpfiff.


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G8 JAPAN: GIPFELSOLI
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Radio Dreyeckland Freiburg 10.7.08

Gipfelsoli.org beobachten Polizeirepression während des G8-Gipfels

Die Initiative "Gipfelsoli" beschäftigt sich mit den Protesten gegen unsolidarische Globalisierung und mit globalisierter Solidarität ...
http://www.freie-radios.net/mp3/20080710-gipfelsolio-23223.mp3

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9.7.2008 Hokkaido [2]

- Final statement by international activists
- Hokkaido - das war der Gipfel
- The detainees in Sapporo
- International call for solidarity actions against G8 repressions
- G8-Gipfel endet, Zwischenstation der altermondialistischen Bewegung
- Civil Society's Choice at the G8 Summit: The Road of Genoa or the Road of Gleneagles?
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/5361.html

9.7.2008 Hokkaido

- Gericht verlängert Haft für Festgenommene von Großdemonstration
- Protest statement aginst J5 police suppression
- NGOs protest Japan's entry controls on members prior to G-8 summit
- Hunderte Menschen in Mali bei G-8-Gegenveranstaltung
- Erster Gipfeltag - Kulturen des Aktivismus, Einschüchterung und Angst
- Hundreds Stopped 4 Kilometers away from G8 Summit
- G8: Japan at the forefront of global governance
- A lockdown on Hokkaido as police outnumber summit protesters
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/5354.html

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10 JAHRE ANTI-GLOBAL
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WoZ 10.7.08

Antiglobalisierung

Wach auf, Norden!

Von Bettina Dyttrich

Vor zehn Jahren fanden aus Anlass des WTO-Treffens in Genf die ersten wirklich globalisierten Proteste statt. Die Geschichte einer vergessenen Premiere.

Die Schweiz im Frühling 1998: Die Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft mit dem Schweizerischen Bankverein steht kurz bevor. In Zürich öffnet das Kino Riffraff, das erste Kino, das die Bar ganz in den Mittelpunkt stellt. Die grosse, alte linke Buchhandlung Pinkus dagegen muss zumachen. Die Liberalisierung im Gastgewerbe lässt aus ehemaligen Punks KleinunternehmerInnen werden.

Die neoliberale Euphorie steckt auch viele an, die von ihr ganz und gar nicht profitieren werden. Die Arbeitslosigkeit ist für Schweizer Gewohnheiten hoch. Die Übrigen layouten und designen bis zum Zusammenbruch. Das Büro wird zum Fluchtort, denn die Freizeit ist noch anstrengender. Das Internet fasziniert, schafft neue Jobs und frisst viel Zeit. Politisches ist out, unterbrochen von heftigen Ausbrüchen, zum Beispiel am 1. Mai 1996. Die meisten sozialen Bewegungen haben das Jahrzehnt nicht überlebt; nur ein paar Autonome kämpfen ausdauernd gegen die Ausschaffung des chilenischen Flüchtlings Patricio Ortiz.

"Welt im kalten Rausch", diagnostiziert WOZ-Redaktor Lothar Baier im Winter 1997/98. Eine "Atmosphäre der Irrealität und Unwahrheit" breite sich aus. "Alle Mittel scheinen recht, wenn es darum geht, die Geister des Öffentlichen, Gesellschaftlichen und Kollektiven restlos auszutreiben (...) - und seien es auch die Mittel, deren sich die totalitären Systeme bedienten." Den Soundtrack zur Zeit liefern zum Beispiel Radiohead aus England - wo der neoliberale Umbau am weitesten fortgeschritten ist - mit der Platte "OK Computer" (1997). Der Sänger verkörpert eine Figur, die zwischen euphorischem Grössenwahn und totaler Erschöpfung hin- und hertaumelt. "No alarms and no surprises please." Auch die Goldenen Zitronen aus Hamburg bringen den Zeitgeist auf den Punkt: "Alles ist, wie es ist, weil es so ist!"

Wütende Bauern, wilde Tänze

Doch dann bricht im Mai 1998 in Genf das Chaos aus. Tausende besetzen die Plaine de Plainpalais mitten in der Stadt und stellen ein Zeltlager auf, tanzen stundenlang auf dem Bahnhofplatz, blockieren in der ganzen Stadt den Verkehr, kippen blutige Schlachtabfälle vor den Sitz der Waffenfirma Lockheed, verkleben Bankomaten, verbreiten kritische Infos über H&M und die Herkunft importierter Lebensmittel. Anlass des Aufruhrs ist das Ministertreffen der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation WTO.

Die Medien berichten vor allem über die Sachbeschädigungen. Der umgekippte Mercedes mit Diplomatennummernschild gibt tatsächlich ein schönes Bild ab. Aber es lenkt eher ab vom Ausserordentlichen, das gerade passiert: Der Aufruhr ist global. Im indischen Hyderabad gehen Anfang Mai Hunderttausende auf die Strasse, wenig später protestieren in Manila 10000 philippinische FischerInnen, und in Brasilien beteiligen sich Zehntausende an einem Sternmarsch in die Hauptstadt. Die britischen AutogegnerInnen von Reclaim the Streets rufen zur weltweiten Strassenparty am 16. Mai auf, dem Tag der grossen Demonstration in Genf, und Menschen in mehr als dreissig Städten rund um die Welt machen mit. Im Süden sind die Forderungen sehr konkret: Die indischen AktivistInnen fordern den Austritt ihres Landes aus der WTO, denn immer mehr Bauern, verschuldet und dem Weltmarkt ausgeliefert, bringen sich um. Auch die DemonstrantInnen auf den Philippinen lehnen die WTO ab und verlangen eine Politik der Selbstversorgung statt Lebensmittelexporte.

"Es war definitiv das erste grosse Ereignis der Bewegung", sagt der Genfer Aktivist Olivier de Marcellus. "Die erste wirklich globale Sache, mit etwa siebzig Aktionen auf der ganzen Welt. Nicht nur riesige Demos: Ich erinnere mich, dass fünfzehn Leute in den Bergen Kaliforniens die Abholzung einer grossen Waldfläche blockierten und das mit der WTO in Verbindung brachten - ein absurdes Unternehmen für sich allein, aber als Teil des globalen Aktionstages ergab es Sinn." Doch den meisten Medien entgeht völlig, wie global das Ganze ist. De Marcellus: "Unsere Medienstrategie funktionierte überhaupt nicht. Dafür war der Aktionstag ein durchschlagender Erfolg für die Vernetzung: In Städten wie Seattle, Prag, Montreal oder Sydney wurde der Grundstein für die späteren Grossproteste gelegt. Damals im Mai 1998 lernten sich die Leute kennen."

Chiapas sei Dank

Quasi im Geheimen hat etwas begonnen, das erst eineinhalb Jahre später in Seattle von der Welt wirklich wahrgenommen werden wird. Aber natürlich kommt das nicht aus dem Nichts. Die postmoderne Entpolitisierung, die die Städte des Nordens in den neunziger Jahren erfasst hat, können sich die Bewegungen im globalen Süden gar nicht leisten. Am 1. Januar 1994 hat in Chiapas, Südmexiko, eine bunte Truppe in Skimützen einen Aufstand angefangen. Ihre Sprache unterscheidet sich deutlich von der holzigen Rhetorik vieler früherer linker Befreiungsbewegungen. Und auch die Mittel: Schnell machen die ZapatistInnen klar, dass sie nicht auf militärische Auseinandersetzungen aus sind, sondern auf eine basisdemokratische Organisierung - auch wenn sie sich, wenn nötig, durchaus verteidigen. Der zapatistische Aufstand hilft vielen Bewegungslinken im Norden über die schlimmste Durststrecke hinweg.

"Chiapas war wichtig, dieser neue Internationalismus", sagt der langjährige Berner Reitschulaktivist David Böhner. "Anfang der neunziger Jahre, als es die Solidaritätsbewegungen der Achtziger nicht mehr gab. Die Reitschule war zu dieser Zeit recht isoliert, wir hatten wenig Kontakt nach aussen."
Die Aktivitäten im Zusammenhang mit Chiapas werden zur Basis für die neue Bewegung im Norden. Im Sommer 1997 findet in Spanien ein von den ZapatistInnen inspiriertes "intergalaktisches Treffen" statt. "Dort begannen sich die Gruppen europaweit zu koordinie ren", sagt Olivier de Marcellus. "Wir hörten zum Beispiel zum ersten Mal von Re­claim the Streets. Vorher war alles so national." Yvonne Zimmermann aus Bern erzählt, wie ein spanischer Aktivist die SchweizerInnen aufforderte, sich gegen die Welthandelsorganisation (WTO) zu engagieren, die ihren Sitz in Genf hat. "Und es war völlig klar und einleuchtend: Genau, das müssen wir tun."

Reformieren? Abschaffen!

Der nächste Schritt ist die globale Vernetzung von Organisationen. Im Februar 1998 reisen über 300 AktivistInnen nach Genf - indische Staudammgegnerinnen, brasilianische Landbesetzer, Textilarbeiterinnen aus Bangladesch, Maorifrauen, kanadische Pöstler, englische Hausbesetzer. Sie debattieren, demonstrieren und gründen Peoples Global Action (PGA). Ihr oberstes Prinzip: "PGA ist ein Koordinationsinstrument, keine Organisation." Das PGA-Grundsatzpapier ruft zu direkter Aktion auf und lehnt Lobbyarbeit ab. Olivier de Marcellus war dabei: "Es war unglaublich ... Eine gegenseitige Befruchtung, die Kontakte vervielfachten sich, neue Ideen und Aktionsformen wurden diskutiert. Ein Reclaim-the-Streets-Aktivist hatte die Theorie, dass das Internet als globales Hirn funktionieren könnte, mithilfe dessen die Bewegung global aktiv werden könne. Und so funktionierte es wirklich."

Viele, auch viele Linke, kritisieren die Forderung nach der Abschaffung der WTO. Es brauche doch ein Instrument, um den Welthandel zu regeln, lieber ein schlechtes als gar keines, argumentieren sie. Ja, wir brauchen ein Instrument, aber zuerst muss das bestehende weg, sagt hingegen die PGA. Und hat in diesem Moment vollkommen Recht: Eine neue Bewegung beginnt man nicht mit einem Reformvorschlag. Fünf Jahre und viele Proteste später steht es im deutschen Theoriebuch "radikal global": "Entscheidend ist, dass die Forderung ‹Abschaffen› weniger leicht integrierbar ist als die Forderung ‹Reformieren›. Sie besitzt jenen utopischen Überschuss und jenes Irritationspotenzial, das nötig ist, um Alternativen überhaupt erst wieder denkbar zu machen."

In der Schweiz beschränkt sich die Bewegung zu dieser Zeit grösstenteils auf autonome Kreise. Doch diese sind äusserst aktiv. Die Anti-WTO-Gruppen in den verschiedenen Städten, die für die Vorbereitung von Genf entstanden sind, bleiben in Kontakt. Anna Cadonau (Name geändert), damals bei der Anti-WTO-Gruppe Zürich: "Zum ersten Mal seit Längerem wurden Wirtschaftsthemen intensiv diskutiert. Ich merkte, dass man nicht Ökonomie studiert haben muss, um sich damit zu beschäftigen. Und dass es noch andere Kritiken gibt als die klassisch marxistische. Feministische Ökonomiekritik war sehr wichtig, Texte von Mascha Madörin und anderen. Wir haben uns das Thema angeeignet."

Sandra Ryf von der Anti-WTO-Gruppe Bern erlebte es ähnlich: "Inhaltlich hat sich etwas geöffnet. Der internationalistische Blick war vielen ein Bedürfnis, die lokal nicht mehr so recht wussten, um was sie sich eigentlich drehen. Es war klar: Die WTO betrifft uns, weil viele Konzerne hier ihren Sitz haben. Und in Genf lernten wir Leute kennen aus der halben Welt, die sich dagegen wehren."

Indien weckt Europa

Sehr umtriebig in diesen Jahren sind die indischen BäuerInnen. Die meis ten gehören zur KRRS, der gut organisierten BäuerInnenbewegung des Bundes staates Karnataka. Von Genf nach Hause zurückgekehrt, starten sie eine grosse Kampagne gegen den Agromulti Monsanto und zünden Felder mit Gentech-Baumwolle an. Dann kommen sie wieder nach Europa - diesmal für längere Zeit. Im Mai und Juni 1999 reisen 450 indische und ein paar Dutzend lateinamerikanische AktivistInnen als "Interkontinentale Karawane für Solidarität und Widerstand" durch Eu ropa. Sie besuchen die britische Niederlassung des US-Agromultis Cargill, um auszurichten, dass Indien keine Gentechnik brauche. In Südfrankreich zerstören sie zusammen mit dem Bauern aktivisten José Bové ein Gentech-Gewächshaus. Und sie kommen auch nach Bern. An einem Sternmarsch auf den Bundesplatz werden schweizerische und globale Themen verknüpft: Sozial abbau, Mutterschaftsversicherung, Landwirtschaft, Schuldenstreichung, Bekleidungsindustrie ... Die InderInnen wohnen in diesen Tagen bei Schweizer BiobäuerInnen.

Sandra Ryf erinnert sich: "Es entstand eine sehr breite Vernetzung. Zu Bauern, aber auch zu Hilfswerken und vielen anderen Gruppen. Hier lernten wir die Leute kennen, mit denen wir später in der Anti-Wef-Mobilisierung zusammenarbeiteten. Anfangs waren die anderen Beteiligten noch misstrauisch gegenüber diesen Autonomen aus der Reitschule. Aber durch die gemeinsame praktische Arbeit entstand eine Vertrauensbasis. Sie merkten, dass es uns wirklich um etwas geht."

Noch stehen der Massenbewegung im Süden relativ kleine Gruppen im Norden gegenüber. "Die Bevölkerung von Europa befindet sich noch im Tiefschlaf", meint Professor M. D. Nanjundaswamy, der Präsident der KRRS, vor der Interkontinentalen Karawane. "Wir werden sie aufwecken."
Wenig später gelingt das auch.

Buko (Hrsg.): "Radikal global. Bausteine für eine internationalistische Linke". Assoziation A. Berlin 2003 (vergriffen).

In der nächsten WOZ: Zehn Jahre später: Was ist gewonnen? Was verloren? Wie geht es weiter?

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CHIAPAS
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Indymedia 10.7.08

Eine europäische Karawane in Chiapas ::

AutorIn : ((i))  |  übersetzt von : blub         
    
Europa Zapatista Während Europa den Kopf im Fussball verloren hat, tobt ein schmutziger Krieg in Mexico, er zeigt sich als alltäglicher niedrigschwelliger Konflikt gegen die Bewegungen der mexikanischen Otra Campaña, die die Pfade der Autonomie und Solidarität bilden.
Um das Schweigen zu brechen, ruft Europa Zapatista mit einem Appel von CAPISE zu einer Karawane durch Europa vom 27. Juli bis zum 12. August auf.
Mehr dazu: http://ch.indymedia.org/de/2008/07/62019.shtml

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ANTI-ATOM
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Bund 10.7.08

AKW Mühleberg im Gegenwind

Stadt Bern Der Gemeinderat der Stadt Bern lehnt eine unbefristete Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Mühleberg ab. Er hat gegen ein entsprechendes Gesuch der Kraftwerkbetreiberin BKW Einsprache erhoben. Gemeinderätin Regula Rytz (gb) begründet dies unter anderem mit dem in der Gemeindeordnung festgeschriebenen Atomausstieg. Zudem zweifelt sie an der Sicherheit des 36-jährigen Werks. BKW-Sprecher Antonio Sommavilla ist "erstaunt" über die Argumentation der Stadt Bern. Die Kontrollorgane des Bundes hätten dem Kernkraftwerk stets eine gute Sicherheit attestiert. Nebst der Stadt Bern haben bisher Tausende von Privatpersonen Einsprache erhoben. (bob)

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Stadt Bern hegt Zweifel an Reaktorsicherheit

Der Stadtberner Gemeinderat erhebt Einsprache gegen die unbefristete Betriebsbewilligung des Atomkraftwerks Mühleberg

Die BKW habe keinen Nachweis für die Reaktorsicherheit des Atomkraftwerks erbringen können, begründet der Gemeinderat die Einsprache. Die BKW betont, der Bund habe dem 36-jährigen Werk eine gute Sicherheit attestiert.

Für die Berner Stadtregierung widerspricht die unbefristete Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Mühleberg unter anderem der Gemeindeordnung. Diese sehe den Ersatz der "umweltbelastenden und umweltgefährdenden Atomenergie" durch erneuerbare Energieträger vor, heisst es in einer Mitteilung der Stadtregierung.

Laut Gemeinderätin Regula Rytz (gb) ist die Stadt selber zurzeit daran, diesen Vorsatz umzusetzen. So bereite der stadteigene Betrieb Energie Wasser Bern (EWB) mit dem Bau des Gaskombikraftwerks auf dem Areal der neuen Kehrichtverwertungsanlage (KVA) den Ausstieg der Stadt Bern aus den Beteiligungen am französischen Kernkraftwerk Fessenheim vor. Gegen eine unbefristete Verlängerung der Betriebsbewilligung für das Kernkraftwerk Mühleberg sprächen aber auch Sicherheitsfragen, sagt Rytz.

"Unmittelbare Gefahr" für Bern

Beim 36-jährigen Kraftwerk handle es sich um das zweitälteste Atomkraftwerk der Schweiz. "Mühleberg war wegen Störfällen stets in den Schlagzeilen", sagt Rytz. So seien die 1990 entdeckten Risse im Kernmantel bis heute nicht behoben. Die Ursache derselben habe "trotz jahrelanger und intensiver Untersuchung" nie geklärt werden können. Zudem hätten "konstruktive Mängel" und "technische Schäden" die Verlängerung der Betriebsbewilligung verhindert. Laut Rytz habe die BKW bis heute keine befriedigenden Nachweise bezüglich Sicherheit bei Erdbeben oder Flugzeugabstürzen erbringen können. Ein Leck oder ein Unglück würde die Bevölkerung der Stadt "unmittelbar gefährden", sagt Rytz.

BKW: Werk ist "in gutem Zustand"

Bei der BKW ist man "erstaunt" über die Argumente der Stadt Bern. So habe die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen in der Schweiz (HSK) dem Kernkraftwerk Mühleberg eine gute Sicherheit attestiert, wie Mediensprecher Antonio Sommavilla erklärt. Auch Gebäude, Systeme und Komponenten seien "in gutem Zustand". Die Anzahl der Störfälle, die eine Abschaltung des Reaktors notwendig machten, sei gering. Die Entwicklung der Risse im Kernmantel wird laut Sommavilla genau überprüft. Zudem habe die BKW spezielle bauliche Massnahmen ergriffen. So sei zum Beispiel eine sogenannte "Klammervorrichtung" eingebaut worden, um den Kernmantel zusätzlich abzusichern. Für Sommavilla stehen bei der Aufhebung der Befristung der Betriebsbewilligung aber nicht Sicherheitsfragen im Vordergrund. "Die BKW will gleich lange Spiesse wie die anderen Kraftwerksbetreiber." Es gehe um die Beseitigung einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. In den USA hätten ähnliche Anlagen wie Mühleberg eine Bewilligung für eine Laufzeit von 60 Jahren erhalten, sagt Sommavilla.

Tausende von Mustereinsprachen

Das Gesuch der BKW ist noch bis zum 14. Juli öffentlich aufgelegt. Einspracheberechtigt sind über 170Gemeinden, die in einem bestimmten Umkreis ums Atomkraftwerk Mühleberg liegen, sowie deren Bewohner. Beim Bundesamt für Energie (BFE) kann man zurzeit noch nicht sagen, wie viele Einsprachen eingetroffen sind. BFE-Sprecher Matthieu Buchs spricht von "vielen" Rechtsbegehren, die täglich eintreffen.

Verschiedene Organisationen und Parteien haben eine Mustereinsprache entworfen und an ihre Mitglieder versandt. Allein die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) hat die Vorlage an 2000 Mitglieder und Sympathisanten in den betroffenen Gemeinden verschickt, wie Jürg Buri von der SES sagt. Die SP hat die Einsprache über 50 Sektionen in der Region zum Weiterversand an die Mitglieder zukommen lassen. Zudem haben, mit Ausnahme des Bieler Stadtpräsidenten Hans Stöckli, sämtliche Berner SP-Vertreter in National- und Ständerat Einsprache erhoben. Die Grünen Kanton Bern schliesslich haben 600 Mustereinsprachen verschickt. Das Echo sei "gewaltig". Laut Grossrat Blaise Kropf hat es "noch nie so viele Rückmeldungen" auf eine politische Kampagne gegeben.

Das BFE wird voraussichtlich im ersten Quartal 2009 über das hängige Gesuch und die Einsprachen entscheiden.

Bernhard Ott

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BZ 10.7.08

Stadt Bern macht Einsprache

Die Gegner der unbefristeten Bewilligung für das AKW Mühleberg haben prominenten Zulauf: Die Stadt Bern spricht ein.

Der Widerstand gegen die BKW, die für ihr Atomkraftwerk Mühleberg eine unbefristete Bewilligung will, wächst weiter. Der Gemeinderat der Stadt Bern hat gegen das entsprechende Gesuch Einsprache erhoben, wie er gestern mitteilte. Er beruft sich dabei auf die Gemeindeordnung, welche die Stadt zum Atomausstieg verpflichtet: Sie schreibt vor, die Stadt "strebt an, umweltbelastende oder umweltgefährdende Energieträger, wie die Atomenergie, durch einheimische und regenerierbare Energie zu ersetzen".

Überraschend kommt die Einsprache nicht. SP und Grüne, welche die Mehrheit der städtischen Exekutive stellen, bekämpfen die Verlängerung der AKW-Bewilligung offensiv.

"Technische Schäden"

Die Stadt ist laut der Mitteilung einspracheberechtigt, weil sie auf Grund ihrer unmittelbaren Nähe zum AKW in besonderem Masse von einer Betriebsverlängerung betroffen wäre. Ein Unglück würde die Bevölkerung Berns unmittelbar gefährden.

Der Gemeinderat weist zudem darauf hin, dass die Anlage wegen "gravierender betrieblicher Vorkommnisse, konstruktiver Mängel und technischer Schäden" nie eine unbefristete Betriebsbewilligung erhalten habe. Auch die Sicherheit im Falle eines Flugzeugabsturzes oder Erdbebens erachtet der Gemeinderat als ungenügend.

Weitere Einsprachen

Gegen das Gesuch der BKW um eine Aufhebung der Befristung seien zahlreiche weitere Einsprachen eingegangen, sagte Matthieu Buchs vom Bundesamt für Energie. Die Auflagefrist endet am kommenden Montag.

Mühleberg ist das einzige Schweizer AKW mit einer befristeten Betriebsbewilligung. Diese gilt lediglich bis 2012. Einem ersten Gesuch der BKW um die Aufhebung der Befristung hatte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) 2006 eine Abfuhr erteilt. Die BKW gelangte an das Bundesverwaltungsgericht und erhielt Recht. Diesen Entscheid focht dann aber das Uvek beim Bundesgericht an - und unterlag. Seither steht fest, dass das Uvek ohne aufwändiges Betriebsbewilligungsverfahren prüfen muss, ob das AKW Mühleberg eine unbefristete Betriebsbewilligung erhalten soll. sda/fab

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VIA FELSENAU
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Bund 10.7.08

Streit um Kulturlokal in Felsenau

Baugenossenschaft Via Felsenau plant Wiedereröffnung des Kulturbetriebs - Anwohner laufen Sturm dagegen

Die "Via Felsenau" soll wiederbelebt werden: Ab September sollen im Kulturlokal Partys, Konzerte und Ausstellungen stattfinden - zum Ärger einiger Anwohner.

Anwohner des Spinnereiwegs in der Felsenau haben in den letzten Wochen Unterschriften gegen die geplante Wiedereröffnung des Kulturlokals gesammelt. Die Wohnbaugenossenschaft Via Felsenau will das eigene Ausgehlokal wiedereröffnen und hat mit dem privaten Veranstalter Armada Concepts GmbH, Bern, einen 3-Jahres-Vertrag unterzeichnet.

Die Wiederinbetriebnahme ist für September vorgesehen. Die Genossenschaft habe mit dem neuen Betreiber ein vielseitiges Kulturprogramm vereinbart, sagt Verwalter Stephan Arnold. Geplant sind maximal 14 Anlässe pro Jahr mit elektronischer und alternativer Musik, Live-Konzerten, Kleinkunst und Ausstellungen. Die Genossenschaft Via Felsenau verfügt laut Arnold über eine Bewilligung für maximal 24 Publikumsanlässe pro Jahr. "Zur Beruhigung des Quartiers" und aus "Rücksicht auf die Nachbarschaft" verzichte die Genossenschaft aber auf die Durchführung des Maximalprogramms, betont Arnold. Zudem biete der Betreiber ein neues Sicherheitskonzept an, um die nächtlichen Immissionen einzudämmen. Sicherheitsleute würden künftig innerhalb und ausserhalb des Hauses für Ordnung sorgen. Das grösste Problem entsteht jeweils bei Schluss der Veranstaltungen, wenn alle gleichzeitig den Heimweg antreten. Als Parkierfläche für Autofahrende steht der Spinnereiweg zur Verfügung.

Teure Mieten noch teurer

Arnold unterstreicht die grosse Bedeutung der kulturellen Veranstaltungen für die Genossenschaft, erwirtschafte sie doch mit dem Kulturlokal einen erheblichen Anteil der Mieteinnahmen. Ein Zimmer in der Wohngemeinschaft Via Felsenau kostet zwischen 500 und 1000 Franken. Ohne die zusätzlichen Einnahmen aus dem Kulturbereich müssten die ohnehin teuren Mieten angehoben werden. "Unsere Mieterschaft unterstützt deshalb die Wiederbelebung des Kulturbetriebs", sagt Arnold. In den beiden Genossenschaftssiedlungen wohnen über 50 Menschen. Laut Arnold haben die Verantwortlichen der Siedlungen bei der Auswahl des Kulturveranstalters hohen Wert auf Qualität und Vereinbarkeit mit dem Wohnumfeld gelegt. Nach dem ersten Jahr will die Genossenschaft eine Zwischenbilanz ziehen.

Neue Betreiber, alte Probleme?

"Zehn Jahre sind genug! Schluss mit den Technopartys im Felsenauquartier", lautet der Titel der Unterschriftensammlung. "Lärm, Dreck und Verkehrsprobleme für das Quartier - die Gewinne für die Via Felsenau: Diese Rechnung geht nicht länger auf", moniert der Initiant der Petition, Andreas Stauffer. Die früheren Organisatoren hätten es selbst nach zehn Jahren nicht geschafft, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Nach einem "halben Jahr wohltuender Pause" wolle der neue Partybetreiber die alten Probleme mit gleichlautendem Konzept fortsetzen. Die Anwohnerschaft brauche diese "aggressiven Leute nicht", die in Gärten urinierten und ihre Abfälle liegen liessen. Am gestrigen späten Nachmittag deponierten die Opponenten die Unterschriftenbögen bei der Gewerbepolizei der Stadt Bern. Vor dem gestrigen Treffen mit der Behörde wollten die Anwohnervertreter nicht öffentlich Stellung nehmen.

Der neue Betreiber, Peter Baka, will im August über sein Konzept informieren. In der Zwischenzeit soll das Lokal baulich erneuert werden. Die "Via Felsenau" hatte sich unter dem früheren Veranstalter Simon Ragaz in 14 Jahren zum bedeutenden Lokal für elektronische Musik gemausert. Ende 2007 war Schluss.

Daniel Vonlanthen