MEDIENSPIEGEL 15.8.08

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule: Skatepark subito
- Wagenplatz Alternative
- Grosse Schanze: Befindlichkeits-Umfrage
- Braune Bernburger
- SP-"Sicherheits"-Papier

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REITSCHULE
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PROGRAMM:

Fr 15.08.08   
20.00 Uhr     Vorplatz     
Wazomba - Ska-Reggae-Swing-Trash-Klezmer-Polka-Balkanjazz

Sa 16.08.08     
21.00 Uhr     Grosse Halle     Balder-Fly-Preview 4: "Wild wild West"
22.00 Uhr     Grosse Halle     Zeno Tornado & The Boney Google Brothers  - Country/ Bluegrass

Vorplatz-Belebungs-Bar:
Di-Sa ab 16 Uhr
Vorplatz-Belebungs-Infos: http://www.vorplatz.ch

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20min.ch 14.8.08

Nause kämpft für Berner Skatepark

Der Kampf um den Skatepark vor der Reitschule geht in die nächste Runde: Nun wollen die CVP und die Grüne Freie Liste das Projekt mit einer Motion vorantreiben.

Stadtrat Reto Nause (CVP) fordert, dass die Stadt endlich ihre bereits zugesicherten 28 000 Franken freigibt und so die Baubewilligung ermöglicht. "Die Schlange beisst sich zurzeit selbst in den Schwanz. Die Stadt will einen Nachweis, dass Sponsoren da sind. Diese sprechen aber ihre Gelder erst dann, wenn sie konkrete Pläne sehen. Dazu brauchen die Initianten aber eine Anschubfinanzierung der Stadt", so Nause.

Seit drei Jahren versucht der Verein Sk8 auf dem Vorplatz der Reitschule einen Skatepark zu realisieren. Das 250 000 Franken teure Vorhaben soll den Platz aufwerten und Sportlern eine Herausforderung bieten.

nch

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Skatepark Reitschule:
http://www.sk8.be
http://www.myspace.com/sk8be

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WAGENPLATZ ALTERNATIVE
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punkt.ch 15.8.08

Stadtnomaden: Kanton gefährdet Verhandlungen

Der Kanton als Grundeigentümer hat Anzeige gegen die sogenannten Stadtnomaden auf dem Viererfeld eingereicht (".ch" berichtete). Die Bauwagen verletzten Baurecht, man könne den illegalen Zustand nicht tolerieren, hiess es dort. Warum, ist für Stadtpräsident Alexander Tschäppät schleierhaft. An einem runden Tisch sollte eine Lösung für alle drei Berner Wagenbewohnergruppen gefunden werden. Alle Beteiligten hatten vereinbart, bis dahin keine weiteren Schritte zu unternehmen. "Ich hoffe, dass das Vorgehen des Kantons die Bemühungen des runden Tisches nicht allzu sehr strapaziert", sagte Tschäppät. (czd)

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GROSSE SCHANZE
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Bund 15.8.08

Schanze wird Nachts gemieden

Bei der gestrigen Umfrage auf der Grossen Schanze bemängelten viele Passanten die Sicherheit in der Nacht

Gestern haben Polizeiaspiranten in der Länggasse eine Bevölkerungsumfrage zum subjektiven Sicherheitsgefühl durchgeführt. Die Resultate fliessen auch in das Projekt "Quartierpräsenz" der Polizeidirektion der Stadt Bern ein.

Die Polizeiaspiranten Mosimann, Kalbermatten und Pulfer haben gestern auf der Grossen Schanze beim Personalrestaurant der SBB die Passanten nach ihrem subjektiven Sicherheitsgefühl befragt. Beim Lebensbrunnen von Max Fueter, gleich neben dem Kinderspielplatz, begannen die drei Polizisten in Ausbildung ihre Umfrage. Diese ist Teil einer grösseren Umfrage, welche im ganzen Länggassquartier stattfand.

Umfrage auf der Grossen Schanze

Ohne den Resultaten der Umfrage vorgreifen zu wollen, lässt sich sagen, dass die Menschen das grösste Problem bei der Grossen Schanze vor allem Nachts wahrnehmen. Viele Passanten fühlen sich dann nicht sicher. Philipp Scheidegger, ein junger Mann, der in der Länggasse wohnt, erzählt: "Mir ist in der Nacht schon einmal ein Drogendealer hinterhergegangen. Das machte mir Angst, weil man nie weiss, ob man vielleicht tätlich angegriffen wird." Seither meide er die Grosse Schanze nach 24 Uhr, wenn er alleine sei. In einer Gruppe von Leuten fühle er sich aber relativ sicher. Er vermutet, dass die Grosse Schanze in der Nacht ein Drogenumschlagplatz sei, und wünscht sich mehr Präsenz von Sicherheits-Leuten oder der Polizei.

Peter Rüfenacht, ein auswärtiger Marketing Spezialist, der sich tagsüber auf der Grossen Schanze aufhält, ist froh um die uniformierten Personen: "Damit die verschiedenen Personengruppen auf der Schanze nebeneinander bestehen können, braucht es einen Schiedsrichter." Nebst sichtbarem Sicherheits-Personal schlägt er noch ein einfacheres Mittel vor: "Es ist wichtig, dass die unterschiedlichen Leute weiter hierherkommen, dann wird keine Gruppe dominant."

Ruth Meyer Schweizer, eine ältere Frau, ist es auf der Grossen Schanze unheimlich, wenn es dunkel ist. Ihr Mittel gegen die Unsicherheit ist auch die Umgehung der Schanze. Natürlich sei das eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, aber sie trage es mit Fassung. Solche Orte habe man in jeder Stadt.

Weniger Umsatz im Restaurant

Cornelia Mez, Geschäftsführerin des SBB-Personalrestaurants auf der Grossen Schanze, vermutet, dass sie wegen der herumlungernden Menschen auf der Grossen Schanze einen geringeren Umsatz macht. "Die Leute meiden unser Restaurant, aus Angst vor alkoholisierten Menschengruppen." Auch die Sicherheit des Personals macht ihr Sorgen. Das Restaurant schliesst jeweils um 21 Uhr. Für die Frauen sei es um diese Zeit vor allem im Winter unangenehm. Deshalb besteht für das Personal eine Sicherheitshotline direkt zu Securitrans.

Pilotprojekt Länggasse

Die Resultate der Umfrage werden in ein neues Sicherheitskonzept der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE) der Stadt Bern einfliessen. Gestartet werden soll mit dem Pilotprojekt "Quartierpräsenz" (siehe Kasten) in der Länggasse. Bis im September werde dazu das Konzept ausgearbeitet, erklärt Martin Albrecht, Generalsekretär der SUE.

Die beteiligten Polizisten zeigen sich zufrieden mit ihrer Arbeit: "Es ist schön, mit den Leuten direkt sprechen und ein Thema vertiefen zu können", sagt Kalbermatten.

Joel Weibel

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"Quartierpräsenz"

Im Januar dieses Jahres hat Stephan Hügli, Direktor für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE) der Stadt Bern, die Sicherheits-Agenda 2008 präsentiert. Darin stellte er erstmals das Konzept der "Quartierpräsenz" vor. Zentrale Forderung darin ist ein Ausbildungsprogramm für Freiwillige, welche "einen direkten Draht" zur Polizei erhalten sollten, um der "zunehmenden Anonymität" in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Dies unter anderem durch Sicherheitsrundgänge im Quartier. Der Gemeinderat zeigte sich damals von der Sicherheits-Agenda Hüglis überrascht. Denn Hügli hatte den Gemeinderat im Vorfeld nicht informiert. Stadtpräsident Alexander Tschäppät sprach sich gegen den geplanten Einsatz von Freiwilligen zur Steigerung der Sicherheit aus: "Von einer solchen Bürgerwehr halte ich gar nichts." ("Bund" vom 5. Januar 2008). Nachträglich hat Hügli den Gemeinderat über seine Sicherheitsagenda im Januar noch informiert, es gab aber keine Abstimmung darüber. Martin Albrecht, Generalsekretär der SUE, hält fest: "Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurde der Gedanke der Nachbarschaftshilfe nicht konkretisiert. Je nach Verlauf des Pilotprojekts in der Länggasse könnte diese aber wieder zum Thema werden." (jw)

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BZ 15.8.08


Polizeischüler machten Umfrage

Alle haben Angst auf der Schanze

Aspiranten der Kantonspolizei befragten gestern Nachmittag auf der Grossen Schanze die Bevölkerung nach ihrem Sicherheitsempfinden. Fazit: Aus Angst geht keiner der Befragten nachts dorthin.
 
Fast jede Woche werden Passanten auf der Grossen Schanze überfallen und beraubt. Meistens während der Nacht.

Im Rahmen ihrer Ausbildung führten gestern auf der Grossen Schanze angehende Polizistinnen und Polizisten mit Passanten Gespräche über die Sicherheit. "Nein, nachts komme ich auf keinen Fall hierher, weil das zu gefährlich ist", sagt Roxana Pob aus Köniz. Alles, was die Studentin schildert, tragen die Aspiranten auf dem Fragebogen ein. Die junge Frau kann auch Lösungsvorschläge anbringen. "Ich verlange nachts mehr Polizei-Patrouillen, damit ich wieder ohne Angst in den Ausgang kann", erklärt sie.

Mehr Polizeipräsenz

Auch ein junger Vater, der mit seinem Töchterchen eine Schaukel sucht, nimmt Stellung: "Ich fühle mich überall in Bern sicher, doch abends komme ich nicht hierher, und die Nähe der Reithalle meide ich ebenfalls." Auch er fordert mehr Polizeipräsenz.

Eine junge, rothaarige Frau geht ebenfalls nur am Tag auf die Grosse Schanze: "Abends ist es mir hier zu gewalttätig." Dann kritisiert sie auch die angehenden Gesetzeshüter: "Die Polizei packt bei Auseinandersetzungen die schwarzen Männer zu hart an."

Konflikten ausweichen

Mit dem Eingreifen der Polizei haben zwei NMS-Schülerinnen jedoch keine Probleme. Im Gegenteil: "Weil abends viele Spinner unterwegs sind, wünsche ich mehr Polizisten, die mich schützen", sagt Danja Zehnder aus Gümligen. Auch ihre Schulkollegin Simona Fabbio aus Wabern fordert mehr Polizisten. Sie zeigt auf den Brunnen auf der Parkterrasse: "Kürzlich hat hier ein verladener Typ nackt gebadet, das war ekelhaft. "Abends gehen wir nur in Gruppen in die Stadt", erzählt sie. Für die Beiden ist klar: "Bei Auseinandersetzungen machen wir einen Bogen um Streithähne."

Eine ältere Bewohnerin aus der Länggasse mit einem Buch unter dem Arm geht nachts ebenfalls nie über die Parkterrasse. "Viel zu gefährlich, da steht jede Woche von einem Überfall in der Zeitung", sagt sie.

Für Pilotprojekt

Die Aspiranten führten die Umfrage auch bei der Migros Zähringer, der Uni Tobler, am Anfang und Ende der Länggassstrasse, beim Burgerheim und in der Felsenau durch. "Die Befragung im Länggass-Quartier und in der Felsenau ist von grosser Relevanz, soll sie doch im Rahmen des Pilotprojekts ‹Quartierpräsenz› der Direktion SUE zu Massnahmen führen", sagt Polizei-Mediensprecher Franz Märki. Die Hinweise auf die Anliegen der Bevölkerung bilden die Grundlage dieser Massnahmen, welche das Sicherheitsgefühl und damit die Lebensqualität der Quartierbewohner spürbar heben sollen.

"Bewährt sich die Realisierung der ‹Quartierpräsenz› in der Länggasse und der Felsenau, ist eine enge Zusammenarbeit mit allen Stadtquartieren vorgesehen", stellt Franz Märki in Aussicht.

Jürg Spori

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BRAUNE BERNBURGER
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Bund 15.8.08

Später Streit um den Abriss der Villette

Stadt Bern Haben Stadt und Burgergemeinde den Abriss schützenswerter Gebäude in der Villette vor 15 Jahren in Sonderverhandlungen vorgespurt? Diese Darstellung in einem Buch der Historikerin Katrin Rieder ruft Widerspruch hervor. Alt-Stadtpräsident Werner Bircher (fdp) ist mit der Schilderung seiner Rolle nicht einverstanden. Er persönlich habe nie an Sonderverhandlungen teilgenommen. Es gehe auch nicht an, die Diskussion um die Planung Villette mit seiner Aufnahme in die Burgergemeinde in Zusammenhang zu bringen. Die Darstellung sei "ehrenrührig", er behalte sich alle Schritte dagegen vor, sagt Bircher. "Der Abriss der schützenswerten Häuser ist ein Verlust, aber damit muss man leben", erklärt der kantonale Denkmalpfleger Jürg Schweizer. Der Bauentscheid sei rechtmässig und vom Verwaltungsgericht bestätigt worden. (bob)

Seite 21

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Die Antwort der Stadtpräsidenten

Der eine schweigt, der andere ist empört: Alexander Tschäppät (sp) und sein Vorvorgänger Werner Bircher (fdp) zum Burgerbuch
"Tout Berne" ist betroffen über die Enthüllungen Katrin Rieders zur frontistischen Vergangenheit von Nachkriegs-Exponenten der Burgergemeinde. Die Darstellung der Vorgänge um den Umbau der Villette löst heftige Reaktionen aus.

Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) will zurzeit keine Fragen über das Zusammenspiel von Stadt und Burgergemeinde beantworten, wie sie sich nach den Enthüllungen der Historikerin Katrin Rieder aufdrängen (siehe "Bund" von gestern Donnerstag). Rieder zeigt in ihrer Dissertation auf, dass viele Angehörige der Burgergemeinde in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts Führungsfunktionen bei frontistischen Organisationen innehatten. Einige von ihnen absolvierten nach dem Krieg eine burgerliche Karriere, ohne dass ihre Vergangenheit je thematisiert worden wäre. Rieder liefert aber auch brisante Einblicke in das Zusammenwirken von Stadt und Burgergemeinde bei Quartierplanungen nach dem Krieg. So hätten Vertreter der Behörden und der Burgergemeinde in Sonderverhandlungen die wichtigsten Schritte beim Abriss von Teilen des Villette-Quartiers vorgespurt.

Tschäppät geht in einer kurzen schriftlichen Verlautbarung weder auf die Vergangenheit noch auf die Villette ein. Er habe aber "mit Befriedigung" davon Kenntnis genommen, dass die Burgergemeinde eine Abklärung "der vorgelegten Inhalte" an die Hand nehmen wolle. Der Gemeinderat werde sich "mit der Sache" befassen, falls sich herausstellen sollte, "dass die Erkenntnisse aus der Dissertation für die Stadt von Bedeutung sind".

Eine "ehrenrührige" Darstellung?

Alt-Stadtpräsident Werner Bircher (fdp) zeigt sich "überrascht" über die frontistische Vergangenheit des einstigen Burgerratspräsidenten Georges Thormann (im Amt 1968 bis 1984). Rieders Darstellung der Diskussion rund um die Planung Villette in den 80er-Jahren treffe aber nicht zu. Einzelheiten daraus seien womöglich korrekt, aber als Ganzes sei die Darstellung ehrenrührig. "Ich behalte mir alle Schritte vor." Katrin Rieder habe nie mit ihm gesprochen. Er sei damals nicht Planungsdirektor gewesen und habe persönlich nie an einer Sonderverhandlung mit der Burgergemeinde teilgenommen. Das Volk habe die Planung Villette in zwei Abstimmungen genehmigt. Gestützt darauf habe das Bauinspektorat die Bewilligung für den Bau des Versicherungsgebäudes erteilt. Auf diese Weise habe ein möglicher Wegzug der Berner Versicherung aus der Stadt verhindert werden können, sagt Bircher.

Bernhard Ott

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Kein Tabu gescheut

In Bern gehöre es nicht zum guten Ton, wenn man zum Thema Burgergemeinde unziemliche Fragen stelle, sagte Geschichtsprofessor Hans-Ulrich Jost am Mittwoch an der Vernissage von Katrin Rieders Buch "Netzwerke des Konservatismus. Berner Burgergemeinde und Patriziat im 19. und 20. Jahrhundert". Wer dennoch neugierig sei, der finde in dieser Arbeit "einen Strauss von Antworten, die kein Tabu scheuen".

So zur Frage, wie es möglich ist, dass eine geschlossene Klasse, die im Prinzip politisch entmachtet worden war, dennoch ihre privilegierte gesellschaftliche Stellung über zwei Jahrhunderte verteidigen und weiter ausbauen konnte. "In der differenzierten Beantwortung dieser Frage liegt eine der grossen Leistungen von Katrin Rieders Untersuchung", würdigte Jost die über 700 Seiten dicke Studie. Rieder analysiere mit modernen wissenschaftlichen Methoden die Prozeduren und Strategien, mit denen die Burger nicht nur ihre soziale Stellung, sondern auch "einen nicht unwesentlichen politischen Einfluss aufrechtzuerhalten vermochten".

Rieder gehe mit den Burgern oft sehr streng ins Gericht, und es sei zu fürchten, dass ihr dafür keine Blumen überreicht werden, sagte Jost. Kritische historische Studien seien jedoch der beste Garant dafür, dass die Gegenwart besser verstanden werde und für die Zukunft neue Perspektiven erarbeitet würden. (car)

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BZ 15.8.08

Gemeinderat schweigt

Das Buch "Netzwerke des Konservatismus" von Katrin Rieder über die Geschichte der Berner Burgergemeinde (wir berichteten gestern darüber) wird von André Holenstein, Professor am Historischen Institut der Uni Bern, kritisiert. Er bemängelt methodisch fragwürdige Thesen. Die Autorin suggeriert zudem in ihrer Arbeit, die Burgergemeinde gehöre abgeschafft. Wenn es die Burgergemeinde nicht mehr gäbe, wären Museen in Bern nicht mehr zu unterhalten, sagt Historiker Holenstein. Und Tierpark-Direktor Bernd Schildger meint: "Ohne Burgergemeinde gäbe es keinen Tierpark." Auch Peter Jezler, Direktor des Historischen Museums, macht sich für die Burgergemeinde stark. Einzig die Stadtberner Regierung schweigt und beantwortet keine Fragen. sru

Seite 29

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Reaktionen zum Buch

"Ohne Bernburger gäbe es keinen Tierpark"

Als Einzige weigert sich die Stadtberner Regierung, Fragen im Zusammenhang mit der Burgergemeinde zu beantworten.

"Die Bernburger machen insofern eine schlechte Falle, weil sie 1968 Georges Thormann zum Burgerratspräsidenten gewählt haben." Das sagt André Holenstein, Professor für Ältere Schweizer Geschichte am Historischen Institut der Universität Bern. Thormann wirkte während der Nazizeit in der Nationalen Front als "Gauleiter Kanton Bern". André Holenstein, der selber nicht Bernburger ist, findet im Buch "Netzwerke des Konservatismus" der Historikerin Katrin Rieder über die Geschichte der Bernburger (wir berichteten gestern darüber) sowohl "wertvolle Erkenntnisse", aber auch methodisch fragwürdige Thesen. Er bemängelt etwa, dass die Autorin den Pauschalverdacht äussert, es habe eine Affinität zwischen dem konservativen Denken der Bernburger und dem Mitmachen in der Frontenbewegung bestanden.

"Die Autorin bringt Beispiele, aber das ist kein Beweis." Bevor nicht eine umfassende Untersuchung der Sozialstruktur rechtskonservativer Gesellschaften gemacht werde, könne man kein tragfähiges Urteil fällen. "Man müsste untersuchen, ob überproportional viele Burger in der frontistischen Bewegung mitgemacht haben. Diese Arbeit aber hat die Autorin nicht geleistet", sagt Holenstein.

"Entscheidende Mäzenin"

Wenn die Burgergemeinde abgeschafft würde (was die Autorin in ihrer Dissertation zu suggerieren scheint), wäre die Museenlandschaft in der Stadt Bern laut Historiker André Holenstein nicht mehr die gleiche. "Das Naturhistorische und das Historische Museum wären in dieser Form nicht mehr zu unterhalten." Unzählige andere kulturelle Veranstaltungen würden von der Burgergemeinde jährlich mit mehreren 100000 Franken getragen. "Die Burgergemeinde ist eine entscheidende Mäzenin", sagt Holenstein.

"Froh, dass es sie gibt"

Das sieht auch Peter Jezler, Direktor des Historischen Museums, so: "Ohne die Burgergemeinde wäre es um die Kultur in der Stadt Bern sehr schlecht bestellt", sagt er. Die Burgergemeinde verwalte ihr Vermögen "auf grandiose Art", und das werfe zum Nutzen der Kultur und der Gesellschaft Zinsen ab. Wenn es um wissenschaftliche Inhalte bei Ausstellungen gehe, erfahre er die Burgergemeinde als sehr liberal. Sie habe noch nie Druck ausgeübt.

"Ohne Burgergemeinde gäbe es keinen Tierpark", sagt Bernd Schildger, Tierpark-Direktor. "In den Dreissigerjahren gab es viele Anläufe, einen solchen Park zu bauen, alle sind gescheitert." Erst als die Burgergemeinde einen Grossteil ihres Areals im Dählhölzli zur Verfügung gestellt hatte, konnte ein Tierpark gebaut werden. Von der Abschaffung der Burgergemeinde hält Schildger nichts. "Wir können alle froh sein, dass es sie gibt."

Gemeinderäte schweigen

Welche Beziehungen pflegt denn die Stadt Bern zur Burgergemeinde? Und welchen Stellenwert räumt die Regierung der Burgergemeinde ein? Was hält die Regierung von einer Abschaffung der Burgergemeinde? Diese Fragen wurden gestern auf mehrmalige Anfrage nicht beantwortet. Stadtpräsident Alexander Tschäppät liess schriftlich ausrichten: "Der Stadtpräsident hat - wie die übrige Bevölkerung - heute zum ersten Mal aus den Medien von der Dissertation von Frau Rieder erfahren. Der genaue Inhalt ist dem Stadtpräsidenten noch nicht bekannt. Sollte sich bei der weiteren Prüfung herausstellen, dass die Erkenntnisse aus der Dissertation für die Stadt von Bedeutung sind, wird sich der Gemeinderat mit der Sache befassen."

Selbst auf Fragen, die sich nicht auf die Dissertation beziehen, wollte Stadtpräsident Tschäppät nicht eingehen.

Gemeinderätin Barbara Hayoz, die als Finanzdirektorin eng mit der Burgergemeinde zusammenarbeitet, blieb ebenfalls stumm und liess ausrichten, sie beantworte nur finanztechnische Fragen. Man solle es beim Stadtpräsidenten versuchen.

Urs Wüthrich

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SP-"SICHERHEITS"-PAPIER
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Bund 15.8.08

SP-Streit um Sicherheit

KONTROVERSE Das Positionspapier der SP Schweiz zur Sicherheit im öffentlichen Raum stösst parteiintern auf heftigen Widerstand: Die Parteilinke sieht darin Stimmungsmache à la SVP und lehnt die Forderung nach mehr Repression ab. Die Berner Nationalrätin Evi Allemann, die das Papier mitgeprägt hat, kontert: "Wir müssen den Vorwurf wegbringen, die SP verschliesse vor gewissen Problemen die Augen." (paf)

Seite 7

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Bund 15.8.08

"Wir grasen nicht bei der SVP"

Das neue SP-Sicherheitspapier löst in der Partei einen heftigen Streit aus - Evi Allemann verteidigt den Ruf nach mehr Repression

Rechtsbürgerliches Vokabular, Stimmungsmache à la SVP: Das ortet die Parteilinke im neuen SP-Sicherheitspapier. Entstanden ist das Papier unter der Leitung der Berner Nationalrätin Evi Allemann, die ihren Kritikern sagt: "Wir müssen den Vorwurf wegbringen, die SP verschliesse vor gewissen Problemen die Augen."

"BUND": Parteiintern wird Ihnen vorgeworfen, im SP-Sicherheitspapier ein "rechtsbürgerliches Vokabular" und eine "Sprache der Ausgrenzung" zu benutzen. Wie lebt eine 30-jährige Sozialdemokratin mit diesem Vorwurf?

Evi Allemann: Wer solche Vorwürfe erhebt, diskutiert unsachlich und reduziert das Papier auf ein paar Stichwörter. Es ist ein Zeichen von argumentativer Armut, wenn man nur davon redet, welche Begriffe man verwenden darf und welche nicht. Wir müssen die Fakten klar benennen. Nur so kann die SP auch inhaltlich klare Antworten geben. Unsere Antworten sind ursozialdemokratisch: Das Positionspapier postuliert, dass es letztlich eine Frage der Gerechtigkeit und der Lebensqualität ist, dass der Staat Sicherheit für alle garantiert.

Aber es fällt auf: Nachdem die SP der SVP jahrelang Angstmacherei und Pauschalisierung vorgeworfen hat, ist jetzt in Ihrem Sicherheitspapier ebenfalls von "herumhängenden Jugendlichen" und von "Ausländerkriminalität" die Rede.

Es ist eine Tatsache, dass heute Jugendliche ihre Freizeit mangels Alternativen auf der Strasse oder im Bahnhof verbringen und dabei manchmal mehr trinken, als erwünscht ist. Dadurch fühlen sich andere Menschen gestört. Wer dies feststellt, betreibt noch keine SVP-Politik. Im Gegensatz zur SVP fordern wir Freiräume für Jugendliche und nicht eine Nulltoleranzpolitik. Wir haben es zu lange der SVP überlassen, zu definieren, was Sicherheit ist und wer diese garantieren soll. Wir wollen nicht, dass private Sicherheitsdienste eine immer wichtigere Rolle spielen. Der Staat soll die Sicherheit garantieren. Eine gut ausgebildete Polizei gehört zum Service public und soll im öffentlichen Raum Präsenz markieren, ohne dominant zu sein. Wir müssen das Unsicherheitsgefühl, das es in Teilen der Bevölkerung gibt, ernst nehmen.

Man wirft Ihnen vor, das Unsicherheitsgefühl zu schüren, indem Sie Begriffe wie "Ausländerkriminalität" verwenden.

Es ist eine simple Feststellung, dass die Ausländer in der Kriminalstatistik überproportional vertreten sind. Daraus ziehen wir aber keine populistischen Schlüsse. Denn der relativ hohe Anteil ist keine Frage der Nationalität, sondern hat primär soziale Ursachen. Deshalb kämpft die SP dafür, dass für die Integration die nötigen Mittel fliessen. Die SVP wehrt sich dagegen.

Fühlen Sie sich unsicher, wenn Sie abends durch Bern spazieren?

Nein. Das Gefühl der Unsicherheit hängt von vielen Faktoren ab, etwa von Bildung, Perspektiven und sozialer Sicherheit. Deshalb fühlen sich viele sozial schwächere Menschen unsicher. Sie leben zudem häufig in Gebieten, die schlecht gestaltet sind, zum Beispiel dunkle Unterführungen kennen. Privilegierte Menschen dagegen leben in der Regel in schönen Gegenden, die keine Ängste wecken.

Gerade SP-Wähler sind laut Studien im Schnitt sehr wohlgebettet, leben in hübschen Quartieren und sehen sich gerne als weltoffen, solidarisch und liberal. Brüskieren Sie mit Ihrer Forderung nach mehr Repression nicht das Selbstverständnis dieser Leute?

Wir wollen einen geschickten Mix aus Repression und Prävention. Zudem darf Sicherheit nicht zum Privileg der Reichen werden. SP-Wähler haben dieses Bewusstsein in der Sozialpolitik, aber und auch in Sicherheitsfragen.

Die Frage bleibt, was die Neupositionierung im Sicherheitsbereich der Partei bringen soll. Wem die Sicherheit ein vordringliches Anliegen ist, wählt schon lange SVP.

Wir wollen nicht bei der SVP grasen, wir skizzieren sozialdemokratische Vorstellungen, was öffentliche Sicherheit sein soll. In einer internen Umfrage haben 70 Prozent verlangt, dass sich die SP stärker um Sicherheitsfragen kümmern soll. Viele sagen, dass wir bei den letzten Nationalratswahlen mitunter wegen dieses Mankos so stark verloren haben.

Konkret wollen Sie etwa Bettelei verbieten, wenn diese ein "stark störendes Ausmass" annimmt. Die bernische SP-Präsidentin Irène Marti findet, Bettelei gehöre nicht in ein SP-Sicherheitspapier. Sie will dort lieber über"gewaltfördernde Faktoren" wie "patriarchale Strukturen" diskutieren.

Der Kampf gegen die organisierte Bettelei muss auch für die SP ein Thema sein. Die SP darf nicht akzeptieren, dass kriminelle Banden das Leid von Menschen ausnutzen und diese auf die Strasse schicken. Zudem wollen wir keine Bettelei in Bahnhöfen, denn hier geben wir anderen Nutzungen den Vorrang. Ein generelles Bettelverbot lehnen wir weiterhin ab.

Sie sind für punktuelle Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Manche SP-Wähler sehen sich als Grundrechts- und Datenschutzfreunde und sind jetzt schockiert.

Wir akzeptieren Videoüberwachung nur unter sehr restriktiven Bedingungen an gewissen neuralgischen Orten. Abgesehen davon staune ich schon, wie da mit ungleichen Ellen gemessen wird: Abseits des öffentlichen Raums - ob im Einkaufszentrum oder im Parkhaus - werden wir täglich von Kameras überwacht, und darüber regt sich in der SP fast niemand auf. Zudem haben auch jene SP-Nationalräte, die uns jetzt kritisieren, erst kürzlich der Videoüberwachung in Zügen zugestimmt.

Um Ihr Sicherheitspapier ist innerhalb der SP ein heftiger Streit entbrannt. Bekannte Exponenten wie Andrea Hämmerle und Susanne Leutenegger üben öffentlich Kritik. Ist diese Auseinandersetzung gut für die SP?

Ja. Es ist höchste Zeit, dass wir diese Fragen diskutieren. Wir müssen den Vorwurf wegbringen, die SP verschliesse vor gewissen Problemen die Augen.

Aber Sie riskieren, dass vom Sicherheitspapier nach dem Parteitag vom Oktober möglicherweise nicht viel übrig bleibt - ausser dem Eindruck, dass die SP in dieser Frage zu einer klaren Position unfähig ist.

Das hoffe ich natürlich nicht. So oder so zeigt aber die Auseinandersetzung, dass ein grosser Teil der SP Sicherheitsfragen realistisch und pragmatisch anpackt. Das allein ist ein Gewinn für die Partei. So merkt die Wählerschaft, dass viele Sozialdemokraten keine Sozialromantiker sind.

Interview: Patrick Feuz

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Bund 15.8.08

Parteilinke ist schockiert

Kritik am Repressionskurs

Ende Juni hat die Geschäftsleitung der SP Schweiz ein Positionspapier zur öffentlichen Sicherheit verabschiedet. Darin bekennt sich die Partei neben der Prävention klarer als bisher zur Repression. Sie verlangt mehr Polizeipräsenz an kritischen Punkten und 1500 zusätzliche Polizisten in der Schweiz. Sie fordert eine Jugendpolizei, Massnahmen gegen Hooligans, Vandalismus und Dreck im öffentlichen Raum, ein Verbot der organisierten Bettelei und die rasche Ausschaffung von Kriminaltouristen auch bei kleinen Delikten. Über das Papier entscheidet Ende Oktober der Parteitag.

Eine Gruppe von SP-Nationalräten - mit dabei der Berner André Daguet - und die Jungsozialisten üben scharfe Kritik. Heute Freitag entscheiden sie, allenfalls ein eigenes Sicherheitspapier zu formulieren. Falls wegen knapper Zeit darauf verzichtet wird, wollen die Kritiker am Parteitag mehrere Änderungen im Positionspapier der Geschäftsleitung erreichen. Wie Juso-Präsident Cédric Wermuth auf Anfrage erklärte, will die Gruppe die punktuelle Videoüberwachung, die Ausschaffung krimineller Ausländer, jede Form von Bettelverbot, die Hooligan-Datenbank und das Rayonverbot ersatzlos aus dem Papier streichen. Weiter wollen die Opponenten im Papier festgehalten haben, dass sich die objektive Sicherheitslage in der Schweiz nicht verschlechtert habe, das subjektive Unsicherheitsempfinden politisch aber durchaus relevant sei. Weiter sei klar darzulegen, dass die SP in keiner Weise politische Stimmungsmache in diesem Bereich mitmache und die Frage der sozialen Gerechtigkeit viel dringender bleibe. Zudem soll das Papier zeigen, wer die staatlichen Kontrollorgane kontrolliert inklusive Art und Weise der Polizeieinsätze.

Patrick Feuz