MEDIENSPIEGEL 18.8.08
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule: Balder Fly auf Telebärn
- Skaterpark Vorplatz
- Zaffaraya: Bundesrats-Thema
- Ghüder-Pinto jagt Abfallsünder
- Anti-Atom
- Braune Bernburger
- Randstand Burgdorf: Innenstadt-Reglement
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REITSCHULE
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PROGRAMM:
Mi 20.08.08
20.00 Uhr Vorplatz The all time favourites Lounge: Ladies Voices
Do 21.08.08
20.00 Uhr Vorplatz DJane
Lonny (Allerwelts-Pop)
Fr 22.08.08
20.00 Uhr Vorplatz Mani Porno (Breitsch-Punk-Rock)
Sa 23.08.08
20.00 Uhr Vorplatz Uristier (100% Toiletcore)
21.00 Uhr Grosse Halle Balder-Fly-Preview 5: "Ein Phantasma"
22.00 Uhr Grosse Halle Tomazobi (Psychedelic Trubadurs)
23.00 Uhr Dachstock Liquid Session: Makoto & Deeizm MC
(human elements/good looking) supported by: DJ's
Submerge, Lockee, MC Matt. style: drum'n'bass
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Telebärn 17.8.08
Ungewöhnliches Theater in der Reitschule
Das Stück "Balder Fly" überrascht mit fünf
ungewöhnlichen Teilen.
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Ungewoehnliches-Theater-in-der-Reitschule/story/25316930
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SKATERPARK
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Bund 16.8.08
Nause kämpft für Skaterpark
Stadt Bern Der Platz unter dem Eisenbahnviadukt vor der Reitschule ist
wenig einladend. "Nichtsdestotrotz wollen wir genau diesen dunklen Ort
zu einem Platz der Bewegung und Begegnung machen", sagte Pablo
Cherpillod, Präsident des Vereins "sk8.be",
vor drei Jahren. Sein Ziel:
Unter der Eisenbahnbrücke sollte ein Skaterpark für Skater,
Inliner,
Rollschuh- und BMX-Fahrer gebaut werden. Doch dem grossem Engagement
zum Trotz konnte Cherpillod bislang nur rund die Hälfte der
benötigten
250000 Franken sichern; sein Projekt wurde totgesagt.
Nun erhält der Asphalt-Surfer unerwartet Schützenhilfe von
CVP-Stadtrat
Reto Nause. Er fordert mittels Motion, dass die Stadt ihre bereits
zugesicherten 28000 Franken freigibt und so die Baubewilligung für
den
Skaterpark ermöglicht. Denn Nause ist überzeugt: "Ohne
Anschubfinanzierung, welche ein bewilligtes Projekt zum Ziel hat,
werden kaum fixe Zusagen privater Geldgeber beigebracht werden
können."
Nause glaubt an den Plan des 35-jährigen Cherpillod: "Der Vorplatz
der
Reitschule ist eine Problemzone der Stadt", sagt er. Ein Skaterpark
könnte den Platz zu einem "neuen Brennpunkt zwischen Kultur und
Sport"
aufwerten und die ungeliebte Drogenszene verdrängen. (pas)
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ZAFFARAYA
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punkt.ch 18.8.08
Zaffaraya
Bundesrat verlangt eine Lösung
Von Peter Camenzind
1996 lehnte das Stadtberner Stimmvolk Zonen für alternative
Wohformen ab. Nun macht Bundesrat Leuenberger aber Druck.
Gute zwei Jahrzehnte ist es her, dass die Stadt unter massivem Druck
der Strasse einen Platz für die Bewohner des Hüttendorfs
Zaffaraya
suchte - und fand. Beim Autobahnzubringer Neufeld, auf Boden, der dem
Kanton gehörte. Ganz anders als bei anderen Platzbesetzern in der
Stadt
Bern, wird das Zaffaraya in Ruhe gelassen. Für die Politik war
eine
Zone für alternative Wohnformen kein Thema. Umso mehr als ein
erster
Anlauf, solche Zonen zu schaffen, vor dem Volk scheiterte.
Umso eigentümlicher erscheinen nun die Aktivitäten der
Behörden, die an
einem runden Tisch eine Lösung für all die Leute suchen,
welche in
Bauwagen oder in selbstgebauten Hütten wohnen.
Leuenbergers Brief
Deutlich wird die Hektik vor dem Hintergrund, dass sich Bundesrat
Moritz Leuenberger in die Debatte eingeschaltet hat. Seit dem ersten
Januar ist der Bund Eigentümer der Nationalstrassen und somit
verantwortlich für die Zaffaraya- Parzelle nahe der A1.
Keine Garantien
"Bundesrat Leuenberger hat der städtischen Sozialdirektion im
Januar
einen Brief geschrieben", sagt Daniel Bach, Pressesprecher des
Departements Leuenberger (UVEK). Leuenberger sei zwar bereit, das
Zaffaraya noch zu tolerieren, weil sich in den zwanzig Jahren eine Art
Gewohnheitsrecht etabliert habe. Er könne aber keine Garantien
für die
Zukunft abgeben. Darum erwarte er von der Stadt, dass sie für die
Hüttensiedlung eine entsprechende Zone schaffe oder einen anderen
Standort suche. Genau dies ist denn auch der Auftrag an den runden
Tisch.
Mader muss suchen
Statthalterin Regula Mader muss Lösungen für alle Besetzer
suchen, die
teils seit Jahren von einem Platz zum nächsten ziehen. Zum Stand
der
Bemühungen sagt sie: "Wir haben Stillschweigen vereinbart."
Resultate
soll sie im Oktober vorlegen, sagt Stadtpräsident Alexander
Tschäppät.
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GHÜDER-PINTO
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grünepost.ch 14.8.08
PINTO als Ghüderpolizei
Interpellation zur angekündigten Bussenrazzia gegen sog.
Abfallsünder:
PINTO als Ghüderpolizei?
Ab dieser Woche will die Stadt "Schwerpunktaktionen im Bereich der
Repression" gegen sog. Abfallsünder durchführen. Neben
wirklichem
Fehlverhalten sollen nach Berlusconi-italienischem Vorbild auch
Lappalien wie das wie das achtlose Wegwerfen eines Zigarettenstummels
oder das um kurze Zeit zu frühe Herausstellen eines Kehrichtsackes
gebüsst werden.
Ebenfalls soll gegen sog. "wilde" Plakate, oft von kulturellen,
politischen oder anderen gemeinnützigen Organisationen
aufgehängt,
vorgegangen werden. Mit der Bussenverfügung ist eine Registrierung
der
Personalien verbunden. Gemäss Medienmitteilung der Direktion
für
Sicherheit, Umwelt und Energie sollen neben Gewerbepolizei und
Kantonspolizei auch die Einsatzgruppe PINTO für die Bussenrazzia
eingesetzt werden.
- PINTO wurde als Organ der aufsuchenden Gassenarbeit ohne
Verfügungsbefugnisse konzipiert. KritikerInnen haben allerdings
von
Anfang an vorausgesagt, dass PINTO zum Werkzeug der Polizei wird. Wird
PINTO jetzt als Ghüder-Polizei eingesetzt?
- Die angekündigte Bussenaktion stützt sich auf den
kantonalen
Ordnungsbussenkatalog. Zu dessen Anwendung braucht es jedoch in jedem
konkreten Falle eine genügende rechtliche Grundlage. Für die
angekündigten Bussenerhebungen für Bagatellvergehen finden
sich weder
im kantonalen Abfallgesetz noch im städtischen Abfallreglement
genügende rechtliche Grundlagen. Nach Urteil eines Berner
Einzelrichters ist z.B. das "wilde" Plakatieren auf Bauwänden
legal.
Auf welchen rechtlichen Grundlagen will die Stadt Bussen für die
erwähnten Bagatelltatbestände erheben?
- Auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht die Registrierung der
"Abfallsünder" und was passiert mit diesem Register?
- Wie verhält sich im Zeitpunkt der Beantwortung dieses Vorstosses
das
Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen der repressiven Massnahmen?
14. August 2008
Luzius Theiler GPB-DA
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ANTI-ATOM
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nzz.ch 18.8.08
"Jede Windturbine ist ein Anti-AKW-Plakat"
Die Atomenergie-Gegner formieren sich für den Referendumskampf
Mit 1900 Einsprachen gegen eine unbefristete Betriebsbewilligung des
AKW Mühleberg haben sich die Atomenergie-Gegner wieder bemerkbar
gemacht. Zurzeit sind die heterogen zusammengesetzten Aktivisten gut
vernetzt, eine eigentliche Bewegung ist aber nicht in Sicht.
nn. Im Juni hat der Stromkonzern Atel ein Rahmenbewilligungsgesuch
für
ein neues Atomkraftwerk bei Gösgen im solothurnischen Niederamt
eingereicht und damit die Auseinandersetzung um die energiepolitische
Zukunft der Schweiz lanciert. Düpiert hat die Atel mit ihrem
überraschenden Vorgehen in erster Linie ihre Konkurrenten BKW und
Axpo,
welche die alternden AKW in Mühleberg und Beznau ersetzen und bis
Ende
Jahr ebenfalls entsprechende Rahmenbewilligungsgesuche beim Bundesamt
für Energie einreichen wollen.
Heterogene Anti-Atom-Allianz
Während innerhalb der Atomlobby nun also vorerst die Standortfrage
in
den Vordergrund zu rücken scheint, bereiten sich die AKW-Gegner
auf das
Referendum gegen einen AKW-Bau vor, das voraussichtlich in etwa vier
Jahren stattfinden wird. Bereits im August vergangenen Jahres haben
sich 28 atomkritische Organisationen zur Allianz Stopp Atom
zusammengeschlossen. Die Federführung der Allianz liegt bei
Greenpeace,
die auch die Ressourcen für die Geschäftsleitung zur
Verfügung stellt.
Die Mitgliederliste der Allianz ist ein Abbild der Heterogenität
der
Atomenergie-Gegnerschaft. So sind einerseits regionale und thematische
Splittergruppen dabei - wie etwa der Schweizer Ableger der Organisation
Incomindios, die sich dem Schutz der indigenen Bevölkerung
Amerikas
verschrieben hat und sich um die Wahrung der Menschenrechte beim
Uranabbau sorgt. Mit von der Partie sind andererseits finanz- und
kampagnenstarke Nichtregierungsorganisationen wie eben Greenpeace oder
der WWF, die SP und die Grünen samt ihren Jungparteien sowie
spezifische atomkritische Organisationen wie die Basler Gruppierung
"Nie wieder Atomkraftwerke" (NWA), die Schweizerische Energie-Stiftung
(SES) oder "Sortir du Nucléaire" aus der Romandie. Die von
SES-Geschäftsleiter Jürg Buri präsidierte Allianz ist
ein lockeres
Bündnis, das die Aktivitäten der verschiedenen Mitglieder
koordiniert;
in ihren Kampagnen bleiben die einzelnen Gruppierungen unabhängig.
Den Auftakt des neu entfachten Kampfs gegen die Atomkraft machte Mitte
Juni eine Einsprachenflut gegen das Gesuch um eine unbefristete
Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg. Die kleine
Organisation
"Fokus Anti-Atom", die 2003 aus der "Aktion Mühleberg stilllegen"
hervorgegangen war und im Wesentlichen von zwei Aktivisten betreut
wird, baut laut Sprecher Jürg Joss auf ein Netz von rund 300
Sympathisanten. "Fokus" sammelte Informationen zum Gefahrenpotenzial
von Mühleberg und koordinierte die Reaktion der AKW-Gegnerschaft,
so
dass innert eines Monats beim Bundesamt für Energie 1900 meist
vorgefertigte Einsprachen eingingen - 98 Prozent davon von
Privatpersonen. Dass die Atomgegner gut vernetzt sind, zeigte sich auch
am spontanen Protest-Picknick, das rund 50 vorwiegend junge Aktivisten
am 1. August auf dem Gelände abhielten, auf dem die BKW das neue
Mühleberg-Werk planen.
Verjüngungsversuche
Wer sich in der Szene der Atomgegner umhört, stellt rasch fest,
dass
das Thema Kernenergie die Emotionen hochgehen lässt. Die
Anti-AKW-Bewegung der 1970er Jahre, die in der Besetzung des
Geländes
in Kaiseraugst gipfelte und eine ganze Generation links-grüner
Aktivisten politisierte, ist in den Köpfen der heutigen AKW-Gegner
nach
wie vor präsent. Und in verschiedenen Organisationen geben die
Kaiseraugst-Veteranen den Ton noch immer an. Entsprechend ist die
AKW-Gegnerschaft um die eigene Verjüngung bemüht. So hat
beispielsweise
SP-Nationalrat Rudolf Rechsteiners überalterte Organisation "Nie
wieder
Atomkraftwerke" (NWA) unlängst eine Gruppe junger Berner
Aktivisten
unter ihre Fittiche genommen. Die Berner NWA-Gruppe will sich mit
medienwirksamen Aktionen bemerkbar machen und am 11. September eine
Demonstration mit 900 Velos auf dem Bundesplatz in Bern organisieren.
Die Fahrräder sollen illustrieren, dass sich die Schadenhaftung
der
AKW-Betreiber auf 1,8 Milliarden Franken beschränke, was der
gesamten
Haftpflichtsumme von 900 Velos gleichkomme, sagt Sprecherin Aline
Trede, die im Frühjahr zur Vizepräsidentin der Grünen
Partei gewählt
wurde.
Protest in demokratischen Bahnen
Dass der heutige Widerstand gegen AKW das Potenzial für eine neue
Bewegung hat, wird aber selbst von altgedienten AKW-Gegnern bezweifelt
- obwohl die Antiglobalisierungsbewegung abgeflaut ist und sich das
Bedürfnis nach Widerstand auch an der Atomfrage entladen
könnte. So hat
sich das Verfahren geändert. Anders als in den 1970er Jahren
unterstehen heute Rahmenbewilligungsgesuche dem Referendum, womit die
Debatte von vornherein in direktdemokratische Bahnen gelenkt werden
soll.
Unterschiede zu früher sieht Rudolf Rechsteiner von der
Organisation
NWA ferner in den politischen Fronten. Die Strombranche sei heute
weniger kartellisiert als früher, und in der Solar- und
Windenergie
tätige Unternehmer würden zu innovativen
Aushängeschildern der
AKW-Gegnerschaft. So werde sich die Antiatom-Allianz argumentativ nicht
nur auf die Risiken der Atomkraft, sondern auch auf deren fragliche
Wirtschaftlichkeit konzentrieren - sowie auf die Energieeffizienz und
auf das Potenzial erneuerbarer Energien. "Die Abstimmung in vier Jahren
wird sich auf die Alternative Atom oder Solar und Wind zuspitzen", sagt
Rechsteiner. "Jede Windturbine ist für uns daher ein
Anti-AKW-Plakat."
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BRAUNE BERNBURGER
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Bund 16.8.08
Chance für die Burgergemeinde
Noch kaum je hat eine historische Dissertation so viel Staub
aufgewirbelt wie das Werk Katrin Rieders über die Berner
Burgergemeinde
im 19. und 20. Jahrhundert. Die Enthüllungen über die
frontistische
Vergangenheit namhafter Nachkriegsexponenten der Burgergemeinde nagen
am Selbstbild einer Institution, die aufgrund ihres sozialen und
kulturellen Engagements nicht mehr wegzudenken ist. Rieder thematisiert
in ihrem Buch aber auch die Nachkriegsgeschichte und durchleuchtet die
Rolle, die Berns grösste Grundeigentümerin in der
Stadtentwicklung
gespielt hat und immer noch spielt.
Die Leistungen der Burgergemeinde auf diesem Gebiet sind unbestritten
und vielfach beschrieben. Es ist der Burgergemeinde zu verdanken, dass
die Stadt Bern heute über eine intakte Altstadt verfügt, die
seit 25
Jahren das Label "Unesco-Weltkulturerbe" trägt. Sie kaufte in den
1950er-Jahren die sogenannten Ischi-Häuser an der
Gerechtigkeitsgasse
und entzog sie so der Spekulation und einem drohenden Abriss. Damit
legte sie zugleich den Grundstein für den umfassenden Schutz der
Berner
Altstadt, wie er Jahre später in der Bauordnung etabliert worden
ist.
Rieder thematisiert erstmals aber auch weniger erfreuliche Kapitel der
burgerlichen Bodenpolitik - so zum Beispiel die Rolle der
Burgergemeinde bei der Neuordnung des Villette-Quartiers in den 70er-
und 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dabei wird der Rollenkonflikt
einer Institution offenbar, die sich als Bewahrerin bernischer
Tradition und Kulturdenkmäler und als renditeorientierte
Privateigentümerin versteht.
Im Kanton Bern gibt es über 200 Burgergemeinden und burgerliche
Korporationen. Die Burgergemeinde Bern ist mit 17000 Mitgliedern und
einem geschätzten Vermögen von zwei Milliarden Franken
zweifellos die
grösste und mächtigste. Ihr Reichtum basiert auf dem
Ausscheidungsvertrag von 1852 zwischen Einwohner- und Burgergemeinde.
Damals erhielt die Burgergemeinde zwei Drittel des aufzuteilenden
Gesamtvermögens, darunter Felder an der Peripherie der Gemeinde,
die im
Zuge der Stadterweiterung einen beträchtlichen Wertezuwachs
erfuhren.
Die Dualität von Einwohner- und Burgergemeinde ist in der Berner
Kantonsverfassung verankert. Anstrengungen zur Abschaffung der
Burgergemeinden und zur Konfiszierung ihres Vermögens wurden
zuletzt
anlässlich der Verfassungsrevision von 1993 unternommen. Die
Bestrebungen scheiterten, aber die Burgergemeinden wurden verpflichtet,
sich "nach Massgabe ihrer Mittel" fürs Allgemeinwohl einzusetzen.
Die Berner Burgergemeinde hatte diesen gesetzlichen Auftrag nicht
nötig: Sie hat sich bereits vor hundert Jahren vom "Burgernutzen"
verabschiedet und setzt seither einen grossen Teil ihres Vermögens
für
öffentliche Zwecke ein. Mit dem Bau des Casinos und des Bernischen
Historischen Museums stürzte sie sich gar in grosse Unkosten. Das
selbst geschaffene Leitbild als soziale Institution und "Hüterin
bernischer Kultur und Tradition" ist im Laufe der Jahrzehnte jedoch
kanonisiert worden. Die negativen Aspekte der eigenen Geschichte und
der Zielkonflikt einer Institution im Dienste der Allgemeinheit, die
zugleich ihre Interessen als Grundeigentümerin optimiert, wurden
konsequent ausgeblendet. Nur so ist erklärbar, dass sich nun die
Burgergemeinde zu einem späten Zeitpunkt und erst auf
äusseren Druck
hin mit den dunklen Seiten ihrer Geschichte konfrontiert sieht.
Die Burgergemeinde Bern ist eine öffentlich-rechtliche
Körperschaft wie
die politische Gemeinde. Ihre Geschichte und ihr Tun und Lassen
müssen
daher auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Die Existenz
der
Burgergemeinde ist nicht in Stein gemeisselt. Sie darf und soll in
einem demokratischen Gemeinwesen von jeder Generation wieder neu
debattiert werden. In diesem Sinn ist die von Katrin Rieder
ausgelöste
Debatte eine Chance für die Berner Burgergemeinde, ihre eigene
Geschichte und ihr Wirken in einem differenzierteren Licht
darzustellen, als dies bis anhin der Fall gewesen ist. "Die
Diskussionen über die Abschaffung der Burgergemeinden sind vom
Tisch",
sagte der einstige Regierungsrat Mario Annoni (fdp) nach der Abstimmung
über die Revision der Kantonsverfassung 1993. "Es ist nun an den
Burgergemeinden selbst, dafür zu sorgen, dass dies so bleibt."
Bernhard Ott
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BZ 16.8.08
Burger reagieren auf Kritik
Jetzt reden die Burger
Machtbewusste Replik: Energisch widerspricht Präsident Franz von
Graffenried der jüngsten Kritik an den Bernburgern.
"In Freude brechen wir nicht aus", beschreibt Burgerratspräsident
Franz
von Graffenried im "Zeitpunkt"-Gespräch seine Stimmungslage in der
Debatte um die Burgergemeinde Bern. Ausgelöst hat sie die
Historikerin
Katrin Rieder, die am Mittwoch ihr angriffiges Buch "Netzwerke des
Konservatismus" präsentierte. Darin kratzt sie das Bild der
grosszügigen Burgergemeinde Bern an und deckt auf, dass namhafte
Burger
bei den nazifreundlichen Schweizer Frontisten aktiv waren.
Zweck von Rieders Buch sei es, "die Burgergemeinden angreifbar zu
machen", sagt von Graffenried. Dennoch stellt er sich Rieders
Darstellung und weist sie in vielen Punkten zurück. Es stimme ihn
nachdenklich, dass die frontistische Betätigung von Burgern
später in
der Burgergemeinde kein Thema gewesen sei, räumt von Graffenried
ein.
Nun arbeite man die 1930er-Jahre auf. Selbst wenn dabei "dunkle
Flecken" auftauchen sollten, schliesst von Graffenried aber eine
Entschuldigung der Burgergemeinde aus. Anders als der oberste Burger
schweigen die Spitzen der Berner Politik zur Debatte. Als ob sie im
Wahlkampf der mächtigen Burgergemeinde nicht zu nahe treten
wollten.svbSeite 39+40
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BZ 16.8.08
Berner Burger im Gegenwind
Die Historikerin Katrin Rieder erschüttert mit einem
700-Seiten-Wälzer
das schöne Bild von der freigebigen Burgergemeinde Bern. Sie
verschweige die Wurzeln ihrer Finanzmacht - und überdies auch
Nazifreunde in ihren Reihen.
Vorbei die Zeiten, als der Burgergemeinde Bern der dubiose Ruf
nachhing, eine verschwiegene Geheimgesellschaft zu sein. Nicht zuletzt
die Burger selber haben mit einer Charmeoffensive dazu beigetragen,
dass Bern die Burgergemeinde gern hinnimmt. Sie tut ja Gutes. Sie hat
den Bärenpark mit einem Startbeitrag angeschoben, sie hilft, den
Botanischen Garten zu retten. Was wäre Bern ohne Burgergemeinde.
Korrigiertes Burgerimage
Das schöne Bild der Wohltäterin wird nun arg angekratzt. Von
der Berner
Historikerin Katrin Rieder, 39, die an der Vernissage im Berner Progr -
an der auch Burgerratspräsident Franz von Graffenried zugegen war
- ihr
brisantes Buch "Netzwerke des Konservatismus" vorstellte.
Der alarmrote Wälzer - es ist Rieders Dissertation - beschreibt
den
Frieden zwischen der Stadt- und Burgergemeinde Bern als
Stillhalteabkommen, das Image der Wohltäterin demontiert er als
Beschönigung. Die Burgergemeinde wird als "Bollwerk" analysiert,
in dem
bis heute ein reaktionäres Machtbewusstsein von Patriziern
überlebe -
und ein auf Kosten der Öffentlichkeit erworbener Reichtum
verwaltet
werde. Das Werk gipfelt in der Enthüllung, dass Burger, die
später hohe
Burgerämter innehatten, in den 1930er-Jahren führende Rollen
bei den
nazifreundlichen Schweizer Frontisten spielten (siehe unten). Starker
Tobak.
Rieders Buch ist die erste umfassende Untersuchung über Berns
Burgergemeinde im 19. und 20. Jahrhundert. "Weil die Burger die Wurzeln
ihrer Macht und ihres Reichtums ausblenden und ihre Geschichte nicht
selber untersuchen, tue ich das jetzt halt als Aussenstehende. Ich
wollte verstehen, wie das funktionieren kann", sagt Katrin Rieder im
Gespräch. Sie verstösst mit ihrem Buch gegen den eher
nostalgischen,
burgerfreundlichen Konsens in der Berner Geschichtsschreibung. So ist
es nicht weiter erstaunlich, dass die Burger Rieders Buch die
finanzielle Unterstützung versagten - und dass Rieder keinen Job
in den
burgerlich geprägten historischen Berner Institutionen innehat.
Sie
arbeitet bei der Kulturstiftung Pro Helvetia in Zürich.
Insel aus versunkener Zeit
Glühende Alt-Patrizier könnten Rieders Buch als
antiburgerliches
Pamphlet abtun. Es leistet mehr. Zweifellos: Rieder stellt die
Existenzfrage: Braucht es die Burgergemeinde überhaupt? Die
Autorin
antwortet zwar zwischen den Zeilen mit Nein, sie durchleuchtet aber den
Gegenstand ihrer Kritik gleichzeitig seriös und minuziös. Sie
erklärt
den Bernern, was die Institution Burgergemeinde, eine der grössten
Schweizer Waldbesitzerinnen und Berner Baulandbesitzerinnen,
überhaupt
ist. Sie fragt, wie sie ihr Image be- und ihre Gewinne erwirtschaftet.
Nach dem Untergang Alt-Berns 1798 existieren im Kanton Bern
nebeneinander die neu formierten Einwohnergemeinden und die Heimat-
oder Burgergemeinden, in denen alte Besitzstände bewahrt werden.
In der
Burgergemeinde der Stadt Bern sammelten sich die gestürzten
patrizischen Machthaber des alten Stadtstaates und machten sie in
Rieders Analyse zu einem Refugium, in dem sie sich ihre verbleibende
Macht, ihr Standesbewusstsein und ihren Besitz zu erhalten versuchten.
Wie auf einer Insel aus alten Zeiten. Und das mitten in Bern, seit 1848
Hauptstadt eines fortschrittlich demokratischen Staates.
Ungerechter Landdeal?
Im Güterausscheidungsvertrag zwischen Einwohner- und
Burgergemeinde
Bern erhält die Stadt 1854 die Gebäude, die Kosten
verursachen. Die
Burgergemeinde aber behält unüberbautes Land, das 40 Jahre
später, beim
Wachstum der Stadt, zu lukrativem Bauland wird, das bis heute
Baurechtszinsen abwirft. Der historische Deal, der schon damals von
liberalen Politikern als ungerecht kritisiert wurde, ist der Grundstein
des heutigen Burgerreichtums. In der Volksabstimmung kam er auch
deshalb durch, weil damals nur Männer ab einem bestimmten
Einkommen
stimmberechtigt waren. Und weil auch in der Einwohnergemeinde Bern
Burger wichtige Posten besetzten. Das ist für Rieder ein bis heute
wirksames Muster: Die Burger üben mit ihrer Finanzkraft in der
Stadt
indirekt Macht aus.
Rieders Fazit: "Die Burger sicherten ihre alte Macht und ihr
Überleben
mit moderner ökonomischer Gewinnpolitik." Diese burgerliche
Wendigkeit
belegt Rieder auch später: In der Debatte um das Berner
Villettequartier in den 1980er-Jahren etwa habe die Burgergemeinde, der
in der Altstadt jeder Stein heilig sei, ihr Ideal verraten, indem sie
denkmalgeschützte Villen dem Abriss preisgab, um auf dem Boden
eine
Rendite zu erwirtschaften.
Grosszügigkeit als Taktik
Anders als heute war die Existenz der Burgergemeinde im 19.Jahrhundert
umstritten. In der Abstimmung über die Kantonsverfassung von 1885
entging die Burgergemeinde nur knapp ihrem Ende. In der Folge
strukturierte sie sich neu, öffnete sich für Neumitglieder
und
verpflichtete sich auf eine soziale, gemeinnützige Linie.
"Bestandessicherung durch Grosszügigkeit", kommentiert Rieder das
Image, mit dem die Burger bis heute die Wogen glätten.
Diese Grosszügigkeit ist doch gut für die Stadt. "Sie ist
aber auch ein
kalkuliertes Konzept zur Verschleierung eines Machtanspruchs", findet
Rieder. Überschätzt sie diese Macht? "Die Burgergemeinde
bleibt in Bern
ein Machtfaktor, das zeigt ihre ungebrochene Anziehungskraft. Sie
verspricht sozialen Status. Neben Bundesbern ist das Burgerbern das
andere Berner Netzwerk für den sozialen Aufstieg."
Stefan von BergenKatrin Rieder: Netzwerke des Konservatismus - Berner
Burgergemeinde und Patriziat im 19. und 20.Jahrhundert, Chronos-Verlag,
736 Seiten, Fr. 78.-.
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BZ 16.8.08
Frontisten-Vorwurf
Burgergemeinde wird aktiv
Mit einem "Quellenforschungsbericht" will die Burgergemeinde ihre
Nähe zu den Frontisten in den 30er-Jahren untersuchen.
Bevor die Burgergemeinde Bern in Katrin Rieders brisantes Buch blicken
konnte, reagiert sie darauf und arbeitet ihre Vergangenheit auf. "Wir
haben einen Quellenforschungsbericht in Auftrag gegeben", sagt
Burgerratspräsident Franz von Graffenried auf Anfrage. Weil sich
kein
externer Forscher für die Aufgabe finden liess, sei nun ein
Historiker
der Burgerbibliothek für die Aufgabe freigestellt. Er soll Quellen
und
Fakten der Burgergemeinde - nicht aber einzelner Burgerfamilien -
zusammentragen, die zur brisanten Enthüllung in Rieders Buch
Auskunft
geben, dass Exponenten der Burger, die später zum Teil hohe
Burgerämter
innehatten, in den 1930er-Jahren bei den nazifreundlichen Schweizer
Frontisten mitwirkten.
Er sei "erstaunt und überrascht", dass Burger - auch aus seiner
direkten Verwandtschaft - aktive Frontisten waren, sagt von
Graffenried. Man habe in der Burgergemeinde davon nicht gewusst - oder
nicht wissen wollen. Die Quellenstudie soll klären, ob sich auch
die
Burgergemeinde als Ganzes - etwa als sie eine Frontisten-Feier des
Hitler-Geburtstags im Berner Casino tolerierte - rechtsradikal
verstrickt war. Allzu hohe Erwartungen dämpft von Graffenried: Das
knappe und zerstreute Quellenmaterial lasse vielleicht wenig
Schlüsse
zu. "In burgerlichen Dokumenten der Zeit, die ich kenne, kommt der
Weltkrieg nicht vor." Würde sich die Burgergemeinde für
erhärtete
Fehler entschuldigen? "Nein, ich kann mich nur für etwas
entschuldigen,
was ich persönlich zu verantworten habe."svbSiehe auch Seite 39 +
40:
Interview mit Burgerratspräsident Franz von Graffenried,
Hintergrundseiten "Zeitpunkt".
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BZ 16.8.08
Debatte um Burgergemeinde Bern
So sehen es die ehrwürdigen Burger
Jetzt spricht der Burgerratspräsident Franz von Graffenried und
verteidigt seine traditionsbewusste Institution gegen das angriffige
Buch, in dem die Historikerin Katrin Rieder die Burgergemeinde Bern in
Frage stellt.
Im kritischen Buch der Historikerin Katrin Rieder wird die
ehrwürdige
Burgergemeinde Bern als konservative Sonderwelt beschrieben. Herr von
Graffenried, weihen Sie uns ein: Wie unterscheidet sich ein Bernburger
von einem normalen Berner?
Franz von Graffenried: Es sind die gleichen Leute. Die
Zugehörigkeit
ist eine andere. Die Burgergemeinde ist eine Personalgemeinde, die
weltweit Burger verbindet. Berner sind Leute, die - auch zufällig
oder
nur kurzfristig - ihren Wohnsitz in Bern haben. Ein Burger aber ist mit
der Heimatgemeinde Bern verbunden. Und die Heimat, die bleibt, wo auch
immer man lebt.
Burger sind besondere, auch noblere Berner?
Besondere vielleicht, noblere sicher nicht. Die Burgergemeinde hat
heute 17500 Angehörige, da kann nur ein kleiner Teil den
früher
regierenden Patrizierfamilien angehören.
Wie viel sind das?
Keine fünf Prozent.
Aber die geben in der Burgergemeinde den Ton an, wie Buchautorin Rieder
schreibt? Zum Beispiel von Graffenrieds, wie Sie einer sind?
Im Grossen Burgerrat sind von 42 Mitgliedern gerade sechs frühere
Patrizier. Mein verehrter Vorgänger Kurt Hauri war keiner. Wir
haben
durchaus eine Durchmischung. Wir sind froh um Neuzuzüger, die eine
Verbundenheit zu Bern haben. Damit ist aber gerade nicht gemeint, was
man uns nachsagt: Dass man in die Burgermeinde eintrete, um ein Amt zu
bekommen. Es kann einer nach dem Eintritt nicht erwarten, dass sein
Geschäft dann besser läuft und er Aufträge erhalte.
Jetzt tönen Sie aber sehr bescheiden. Wer Burger wird, tut es
auch,
weil er sich einen Nutzen verspricht: Beziehungen, eine schöne
Wohnung
vielleicht.
Ich habe mich erkundigt. Im Multengut, wo wir bauen, sind sechzig
Wohnungen vermietet, fünf davon an Burger. Es zahlen auch alle den
gleichen Zins. Unsere Spitzenbeamten, die Abteilungsleiter: über
die
Hälfte nicht Burger.
Aber ein gutes Beziehungsnetz verschafft die Burgergemeinde schon, oder?
Das ist natürlich so. Wir haben relativ viele Angehörige aus
der
Baubranche, Architekten, Planer. Das darf sein. Allerdings: Für
die
Pflege von Beziehungen geht man besser zu einem Serviceclub wie den
Rotarieren oder dem Lyons Club. Die treffen sich viel öfter als
dies in
den Zünften und Gesellschaften überhaupt möglich ist.
Laut Rieders Buch dominiert in der Burgergemeinde bis heute ein adliges
Selbstbewusstsein. Stimmt das?
In der Präambel unserer Satzung steht: "Der Tradition
verpflichtet,
aber aufgeschlossen für den Wandel der Zeit". Es gab innerhalb der
Burgergemeinde schon früh unterschiedliche Gruppen. Einerseits
bewahrende, rückschauende. Aber dann auch vorausschauende, die
Reformen
forderten. Die Burgergemeinde war nie monolithisch und undemokratisch.
Durch die Ausscheidungsverträge von 1854 zwischen Einwohner- und
Burgergemeinde stehen wir auf einer demokratischen Basis. Die
Verträge
können aus unserer Sicht nicht als ungerecht bezeichnet werden.
Die Burger behielten 1854 viel Land, das später als Bauland
Millionen
abwarf. Die Einwohnergemeinde aber erhielt zu unterhaltende
Gebäude.
Schon damals wurde der Vertrag laut Rieders Buch kritisiert. Kann man
einen solchen Vertrag gerecht nennen?
Der Vertrag ist das Resultat eines langen Prozesses mit Verhandlungen
und demokratischer Abstimmungen.
Stimmberechtigt waren damals bloss Männer mit einem gewissen
Einkommen.
Es stimmt, dass der Vertrag umstritten war. Aber: Das damalige
Stimmrecht haben nicht die Burger erfunden. So war die damalige Zeit.
Die Burgergemeinde hat damals nicht getrickst.
Wussten die Beteiligten damals schon, was das Brachland ringsum die
Stadt wert sein würde? Berns grosses Wachstum setzte ja erst um
1890
ein.
Wir spassen manchmal, dass die Einwohnergemeinde die "Grasblätze"
ausserhalb der Stadt, wie sie genannt wurden, vielleicht
unterschätzt
hat.
Die schlauen Burger aber nicht?
Das weiss ich nicht. Beide Seiten haben es wohl nicht erkannt. Wissen
wir heute, was in 50 Jahren ist? Heute zu behaupten, die Burgermeinde
habe sich damals gezielt das bessere Stück unter den Nagel
gerissen,
ist doch sehr aus der Perspektive heutiger Grossüberbauungen
gedacht.
Dass wir 1854 dieses Land behielten, ist ein Glücksfall für
uns,
zugegeben.
Dieser "Glücksfall" begründet den heutigen Reichtum der
Burgergemeinde. Wie viel Zinsen wirft das Burgerland ab?
30 Millionen Franken im Jahr. Dazu kommen noch Wertschriften auf der
DC-Bank. Am wichtigsten aber ist das Land.
Stimmt es, dass die Burgergemeinde Berns grösste Landbesitzerin
ist? Ein Drittel des Baulandes soll ihr gehören.
Nein, nicht des Baulandes. Höchstens unter Einbezug des Waldes. Es
sind
im Ganzen in Bern 260 Hektaren Bauland. Dazu gehört auch
wertvolles
Land, so etwa die Hälfte des Entwicklungsschwerpunkts Wankdorf.
Aber dass die Burgergemeinde Bern die grösste Waldbesitzerin der
Schweiz ist, das stimmt?
Nein. Eine der grössten.
Wirft auch das Waldgeschäft Gewinn ab? Holz ist als Rohstoff
derzeit gefragt.
Wir sind froh, dass wir nicht mehr rote Zahlen schreiben. Aber von
einem bedeutenden Gewinn kann keine Rede sein.
Wenn wir schon bei den Zahlen sind: Die Burgergemeinde wurde schon als
Milliardenunternehmen bezeichnet.
Ja, das Vermögen der Burgergemeinde ist etwa eine Milliarde
Franken wert.
In Rieders Buch geht es nicht nur um gewinnträchtigen Besitz,
sondern
auch um ein dunkleres Kapitel: Die Aktivitäten von Burgern bei den
nazifreundlichen Schweizer Frontisten. Schockieren Sie diese
Enthüllungen?
Die Namen, von denen ich schon hörte, haben mich erstaunt und
überrascht. Ich nahm es mit Unverständnis zur Kenntnis.
Besonders bei Ihren direkten Verwandten, die Frontisten waren?
Ich hörte zum allerersten Mal von deren Verstrickungen. Ich war
damals
ein Kind, ich wurde 1941 geboren. Ich habe mit zwei Grosssöhnen
dieser
Verwandten gesprochen. Sie fielen aus allen Wolken, sie wussten nichts.
Dass der spätere Burgerratspräsident Georges Thormann Berner
Gauleiter
der "Nationalen Front" war, das hätte man doch wissen müssen?
Man wusste etwas, aber nichts Genaues. Es stimmt mich nachdenklich,
dass diese Aktivitäten bei Thormanns späterer
Ämterlaufbahn in der
Burgergemeinde nicht thematisiert wurden. Das ändert aber nichts
daran,
dass Georges Thormann ein herausragender Präsident war.
Wollte man nichts wissen?
Oder man wollte es nicht in die Öffentlichkeit tragen. Ich
möchte auch
die Rückfrage an Sie stellen? Warum hat die Presse das nicht
aufgebracht? Das "Berner Tagblatt" hat Georges Thormann 1968 bei seiner
Wahl ins Burgerratspräsidium in den höchsten Tönen
gelobt. Offenbar war
die Aufarbeitung der 1930er-Jahre generell kein Thema, nicht nur bei
der Burgergemeinde.
Die Burgergemeinde arbeitet nun ihre Vergangenheit auf. Fürchten
Sie nach Katrin Rieders Buch um Ihr Image?
In Freude brechen wir nicht aus. Wenn man uns als verknöcherte
Spinner
im Goldrahmen darstellen will, stört uns das. Stören
würde uns auch
eine Zuspitzung, die Burgergemeinde habe als Institution eine
Nazivergangenheit. Deshalb beschlossen wir, den Fakten nachzugehen. Wir
haben in den letzten Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit
vorwärts
gemacht. Wir gaben früher nie ein Interview wie jetzt dieses hier.
Wir
sind keine abgeschlossene Gesellschaft mehr. Sofern unsere
Untersuchungen dunkle Flecken zeigen sollte, wird man hoffentlich
sagen: Das kann es in jeder Organisation geben, aber dass das jetzt
aufgearbeitet wird, ist gut.
Wenn dunkle Flecken auftauchen sollten, was tun Sie dann? Sich
entschuldigen?
Das kommt nicht in Frage. Ich kann mich nur für Dinge
entschuldigen,
die ich selber verantworte. Ich habe mich im Täufer-Jahr
Vorwürfen zur
Verfolgung der Täufer im Alten Bern gestellt. Ich habe eine Rede
gehalten, in der ich mein Unverständnis ausdrückte
darüber, wie sich
die damalige Herrschaft aufführte. Entschuldigt habe ich mich
nicht. Wo
fängt das Entschuldigen an, wo hört es auf?
Wie gehen Sie bei der Aufarbeitung der 1930er-Jahre vor?
Wir versuchten erst einen externen Historiker, weder aus Bern noch aus
der Burgergemeinde, für diese Aufgabe zu finden. Das erwies sich
aber
als schwierig, weil die Quellenlage unklar und disparat ist. Deshalb
ist jetzt ein Historiker der Burgerbibliothek freigestellt, um einen
Quellenforschungsbericht zu erstellen.
Nun untersucht ein Burger die Burgergeschichte?
Ja. Aber er trägt nun überhaupt mal zusammen, was an Material
aus
dieser Zeit vorhanden ist. Dann würden wir wieder einen externen
Experten fragen.
Warum beauftragen Sie nicht gleich Katrin Rieder? Sie ist eingearbeitet
in die Materie
Lassen Sie mich klar Position beziehen: Nach unserem Wissensstand hat
sich Frau Rieder klar positioniert mit dem Feindbild der
Burgergemeinden, die abzuschaffen seien. Das hat sie mir auch unter
vier Augen bestätigt. Angesichts dessen geben wir ihr keinen
solchen
Auftrag. In ihrem Buch spüren wir die Grundeinstellung, Dinge
zusammenzutragen, die die Burgergemeinde angreifbar machen.
Was für Resultate erwarten Sie sich von der Untersuchung?
Es ist denkbar, dass in offiziellen Dokumenten wenig auftaucht. In den
Verwaltungsberichten habe ich beim Durchblättern den Eindruck
erhalten,
dass der Krieg gar nicht stattgefunden habe. Verständlich, die
Burgergemeinde betreibt ja nicht Weltpolitik. Das Resultat unserer
Untersuchung könnte mager sein. Aber wir machen es jetzt, schon
nur zum
Schutz gewisser Leute.
Warum muss man frühere Frontisten schützen?
Wenn ein junger verblendeter Student von 1932 bis 1935 bei den
Frontisten mitmachte und dann klug genug war auszusteigen, ist das doch
für die Nachkommen wunderbar. Etwas anderes ist es, wenn einer
länger
dabei blieb. Die Frage ist, ob nur einzelne Burger Frontisten waren,
oder ob sich die ganze Burgergemeinde als Institution etwas zuschulden
kommen liess. Wir werden aber nur die Akten der Burgergemeinde und
nicht Familienarchive untersuchen.
Müssten Sie nicht auch die Nachkriegszeit studieren, in der, wie
bei Thormanns Wahl, die Frontistenära ausgeblendet wurde?
Auch diese Zeit werden wir anschauen und fragen, ob es damals eine
Diskussion gab.
Nach der Affäre um Roland Nef wird gefordert, Kandidaten für
Spitzenpositionen müssten durchleuchtet werden. Wurden Sie selber
durchleuchtet?
Alle Kandidaten für unsere Chefbeamtenposten haben professionelle
externe Assessments durchlaufen. Bei politischen Mandaten ist das
anders. Oder haben Sie schon einmal davon gehört dass ein
Bundesrat
Schmid oder ein Stadtpräsident Tschäppät durchleuchtet
worden wären?
Sicher nicht.
Kommen wir zur Existenzfrage, die in Rieders Buch zwischen den Zeilen
gestellt wird: Wofür braucht es die Burgergemeinde?
Vorerst: Im Kanton Bern gibt es 250 Burgergemeinden, nicht nur die von
Bern. Es gibt eine Verankerung. Aber in der halben Schweiz gibt es
keine Burgergemeinden. Man kann sich also einen Staat vorstellen ohne
Burgergemeinden.
Warum braucht es sie also?
Ich sage immer: Es gibt sie halt! Unsere Vorfahren habe die
Vertragsbasis erstritten. Aber es braucht sie nicht zwingend.
Was wäre, wenn es die Burgergemeinde Bern nicht gäbe? Ein
Vorstoss der PDA im Berner Stadtrat fordert ihre Abschaffung.
Würde man das Burgervermögen der Stadt übertragen und es
für soziale
Zwecke verwenden, dann wäre dieses Geld ziemlich bald weg. Wir
würden
dann mit dem grossen Schlüssel das Naturhistorische Museum
schliessen.
Das Casino könnte man vielleicht in eine Turnhalle umbauen. Im
Ernst:
Wir haben schon lange gesagt, was wir dann tun würden.
Was denn?
Unsere Sozialausgaben würden der Einwohnergemeinde
überbürdet, das sind
viele Millionen im Jahr. Mit dem freien Vermögen würden wir
eine
Stiftung wie die Basler Merianstiftung schaffen. Die würde das
Naturhistorische Museum dann wieder eröffnen.
Wie sähe die Einwohnergemeinde Bern aus wenn sie 1854 allen Besitz
erhalten hätte?
Ich behaupte: Das Kapital, das die Burgergemeinde bewahrt hat und an
dem sie die Stadt heute teilhaben lässt, wäre verbraucht
worden. Nach
einer anderen, kurzfristigeren Gewichtung. Berns kulturelles, soziales
und wissenschaftliches Leben wäre heute ärmer.
Katrin Rieder suggeriert, die Burgergemeinde dirigiere die Stadt nach
ihren Bedürfnissen.
Keine Spur. Stadt und Burgergemeinde sind in vielem aufeinander
angewiesen. Manchmal muss jemand vorausgehen und mit einem gewissen
Betrag etwas in Gang setzen. Wie wir das beim Bärenpark taten.
Bestimmen Sie unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit, was gehen
soll in dieser Stadt?
Das wird uns bei der Debatte um den Botanischen Garten nachgesagt, ich
weiss. Was stimmt: Wir sind nicht einfach ein Geldgeber. Wenn wir schon
etwas machen, wollen wir etwas beleben. Beim Klee-Zentrum haben wir an
den Bau nichts bezahlt und zahlen nichts an den Betrieb, aber wir haben
20 Millionen in eine Stiftung gegeben, die Wechselausstellungen und
Ankäufe unterstützt. So können wir etwas bewirken. Aber
wir wollen
nicht Einfluss nehmen, wo es uns nicht gebührt.
Apropos Kooperation mit der Stadt: Hätten Sie lieber eine
Stadtpräsidentin Hayoz als einen Stadtpräsidenten
Tschäppät?
Dazu hat die Burgergemeinde nichts zu sagen. Von der Linie her liegt
uns eine FDP näher. Aber wir haben mit Herrn Tschäppät
sehr gute
Quartalsgespräche. Da ist dann keine Presse dabei, und wir
sprechen
offen und sachlich. Wir können also durchaus auch mit einer
rot-grünen
Regierung gut zusammenarbeiten. Interview:Stefan von Bergen
Der Autor: Stefan von Bergen (stefan. vonbergen@bernerzeitung.ch) ist
"Zeitpunkt"-Leiter.
--
BZ 16.8.08
Katrin Rieders Burger-Buch
Das sind die heissen Punkte der Debatte
Ein Buch wirft Wellen. Der kritische Wälzer "Netzwerke des
Konservatismus", den die Historikerin Katrin Rieder (39) am Mittwoch
präsentierte (wir berichteten), kratzt das positive Bild der
ehrwürdigen und freigebigen Burgergemeinde Bern an. Das unbequeme
Buch
kommt der Stadtberner Classe politique eher ungelegen. Es ist Wahljahr,
und eine Sympathie für das Buch, das die Existenz der
Burgergemeinde
zur Debatte stellt, könnte Stimmen kosten.
Die Konkurrenten ums Stadtpräsidium, Barbara Hayoz (FDP) und
Alexander
Tschäppät (SP), äussern sich vorsichtig oder gar nicht.
Beide können es
sich nicht leisten, die spendable Burgergemeinde zu vergraulen, die
gerade den Botanischen Garten zu retten hilft und die mit einer halben
Million Franken das Projekt "Bärenpark" anstiess. Aber auch zu
grosse
Nähe zu den Burgern könnte im Wahlkampf falsch verstanden
werden. Die
Vorsicht der Politiker ist ein Beleg dafür, dass die
Burgergemeinde in
Bern ein Machtfaktor ist. Sie prägt die öffentliche
Diskussion - und
damit auch den Wahlkampf - mit.
Die Burger selbst treten in der Debatte um das Buch selbstbewusst auf.
Ihr Präsident, der einer Patrizierfamilie entstammende
Fürsprecher
Franz von Graffenried (67), repliziert hier auf die heissen Punkte des
Buchs:
Adliges Selbstbewusstsein. Katrin Rieder beschreibt die Burgergemeinde
als "Bollwerk" eines adligen und reaktionären Denkens, das sich
mit der
demokratischen Gegenwart schwertue und bis heute spürbar sei.
Ungerechte Besitzverteilung. Rieder analysiert den
Güterausscheidungsvertrag zwischen Einwohner- und Burgergemeinde
von
1854 als historische Ungerechtigkeit, die dank
einkommensabhängigem
Stimmrecht und burgerlichen Vertretern in den Stadtbehörden
durchgesetzt wurde. Die Stadt erhielt damals die Gebäude. Die
Burger
behielten stadtnahes Land, das heute lukratives Bauland ist.
Unaufgearbeitete Frontistenvergangenheit. Rieder enthüllt, dass
ein
Netzwerk von Burgern in den 1930er-Jahren aktive Rollen bei den
nazifreundlichen Schweizer Frontisten spielte. Nach dem Krieg
wählte
die Burgergemeinde Präsidenten wie Albrecht von Graffenried und
Georges
Thormann, ohne nach deren Vergangenheit zu fragen.
Abschaffung der Burgergemeinde. Rieder listet die Versuche im
19.Jahrhundert und zuletzt in den 1990er-Jahren auf, die
Burgergemeinden und damit ihre historischen Besitzrechte abzuschaffen.
Möglich wäre das im Rahmen einer Revision der
Kantonsverfassung. In der
vom Volk genehmigten aktuellen Berner Verfassung ist der Dualismus von
Einwohner- und Burgergemeinden verankert.
Grosszügigkeit als Deckmantel.
Nachdem die Burgergemeinde bei der Verfassungsdebatte 1885 der
Abschaffung entgangen war, gab sie sich ein neues Leitbild,
öffnete
sich für Neumitglieder und unterstützte künftig
grosszügig die Stadt.
Für Rieder ist diese Grosszügigkeit ein Kalkül zur
Verschleierung der
Macht und zur Sicherung der Existenz.
Indirekte Machtausübung. In der Debatte um die
Quartierüberbauung
Villette in den 1980er-Jahren, wo die Burger von den Stadtbehörden
den
Gewinn bringenden Abriss denkmalgeschützter Villen absegnen
liessen,
erkennt Rieder die burgerliche Taktik der indirekten
Machtausübung: Die
Stadt tut, was die Burgerschaft will. svbDas Buch: Katrin Rieder:
"Netzwerke des Konservatismus - Berner Burgergemeinde und Patriziat im
19. und 20.Jahrhundert", Chronos, 736 S. Fr. 78.-.
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RANDSTAND BURGDORF
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BZ 16.8.08
Regeln für die Innenstadt
Gestern hat die Burgdorfer EVP-Fraktion ein Postulat eingereicht, das
den Gemeinderat auffordert, ein Reglement für die Innenstadt zu
erarbeiten. Anlass zu diesem Vorstoss gaben unter anderem die
Randständigen und Bettler, die vermehrt im Bahnhofquartier
anzutreffen
sind. Es gehe nicht darum, diese Menschen auszugrenzen, betont die EVP.
Sondern darum, das Unbehagen in Teilen der Bevölkerung ernst zu
nehmen,
die Attraktivität der noch gut funktionierenden Einkaufszone zu
erhalten und den Randständigen betreute Räumlichkeiten
anzubieten.heb