MEDIENSPIEGEL 12.11.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo, DS, Kino)
- Sauberkeitswahn: die Gitterfrage
- Drogenpolitik: Porträt
- 90 Jahre Generalstreik
- Progr-Plädoyer
- Quartierentwicklung Lorraine
- Stop Murder Music: Erreur de casting au Metropop
- Anti-Atom
- Randstand Luzern: Grossandrang
------------------------
REITSCHULE
------------------------
Nov 08: Beteiligt Euch an der
Vorplatz-Präsenz!!!
PROGRAMM:
Mi 12.11.08
19.00 Uhr - SousLePont - Lettland
Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - Aufzeichnungen aus
einem Irrenhaus von label beiruth. Mit Ruth Schwegler und Paed
Conca.
Do 13.11.08
20.30 Uhr - Tojo - Aufzeichnungen aus
einem Irrenhaus von label beiruth. Mit Ruth Schwegler und Paed
Conca.
20.30 Uhr - Kino - UNCUT -
Warme Filme am Donnerstag: LOVE MY LIFE - Koji Kawano, Japan 2006
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter
- elektronische Leckerbissen zu lesbisch-schwulem Chillen mit DJ FRATZ,
Janine, Sharone & DJ ELfERich
Fr 14.11.08
20.30 Uhr - Tojo - Aufzeichnungen aus
einem Irrenhaus von label beiruth. Mit Ruth Schwegler und Paed
Conca.
20.30 Uhr - Frauenraum - Deseo de
Tango
21.00 Uhr - Kino - Dogma und mehr: OPEN
HEARTS - Susanne Bier, Dänemark 2002
22.00 Uhr - Dachstock - Kano (UK)
Support: Greis (chlyklass/CH), DJ's Kermit & Blade >
Hiphop & Grime
Sa 15.11.08
20.30 Uhr - Tojo - Aufzeichnungen aus
einem Irrenhaus von label beiruth. Mit Ruth Schwegler und Paed
Conca.
21.00 Uhr - Kino - Dogma und mehr: OPEN
HEARTS - Susanne Bier, Dänemark 2002
22.00 Uhr - Dachstock - DJ Vadim
(Ninja Tune/UK) & Paco Mendoza (Raggabund/Caramelo Criminal/ARG)
feat. Caramelo Criminal & Elijah (CH) >
Reggae/Hiphop/Latin
Infos: www.reitschule.ch
---
kulturagenda.be
13.11.08
Aus einem Irrenhaus
"Die Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus" von Label Beiruth und "Sogar
Theater" basieren auf einem freiwilligen Aufenthalt in der Psychiatrie.
Tojo Theater der Reitschule, Bern. Mi., 12.11., bis Sa., 15.11., 20.30
Uhr
--
Kano im Dachstock
Grime ist "Schmutz, der sich in Schichten über Dinge ausbreitet",
lehrt
uns das Dictionary. Rapper Kano (UK), am Do, 13.11., im Fri-Son in
Fribourg zu Gast, ist einer der bekanntesten Vertreter des Musikgenres,
das Hip-Hop, Elektro und agressive Rhymes vermengt. Ob seine
messerscharfen Raps eine schmierige Spur in den Ohren hinterlassen?
Sicher ist, Kano-Fan Greis wärmt die Bühne für ihn auf.
Dachstock der Reitschule, Bern. Fr., 14.11., 22 Uhr
--
Kino Reitschule: "Open Hearts"
Nach einem Unfall ist Joachim querschnittgelähmt und schottet sich
zunehmend ab. Darunter hat insbesondere seine Partnerin Cecilie zu
leiden. Marie, die Unfallverursacherin, hat ein schlechtes Gewissen und
ersucht ihren Mann Niels - er ist der zuständige Krankenpfleger -
sich
um die junge Frau zu kümmern. Doch aus dem anfänglichen
Trostversuch
entwickelt sich Leidenschaft. In ihrer Heimat war der Film von 2002 der
dänischen Regisseurin Susanne Bier ein Kassenschlager. Auftakt des
3-teiligen Zyklus "Susanne Bier - Dogma und mehr".
Kino der Reitschule, Bern. Fr., 14.11., und Sa., 15.11., 21 Uhr
------------------------------------
SAUBERKEITSWAHN
------------------------------------
20min.ch 11.11.08
Posse um Gitter gegen Alki-Szene
Damit Alkis und Randständige nicht mehr auf das Mäuerchen bei
der
Berner Neuengass-Unterführung sitzen können, hat die Stadt
einen Zaun
aufgestellt.
Seit Anfang Juni bringt das zwei Meter hohe Gitter den GPB-DA-Stadtrat
Luzius Theiler auf die Palme: "Mit einer Intervention beim
Bauinspektorat und einem Vorstoss im Parlament haben wir darauf
aufmerksam gemacht, dass der Zaun widerrechtlich errichtet wurde."
Grund: Für das Gitter gebe es bisher keine Baubewilligung. "Sollte
die
Stadt den illegalen Zaun nicht entfernen, behalten wir uns rechtliche
Schritte vor", droht Theiler. Aber inzwischen hat die Stadt ihre
Hausaufgaben doch noch gemacht. Beim Regierungsstatthalteramt liegt ein
Baugesuch auf, das demnächst publiziert wird.
mar
---
grünepost.ch 11.11.08
Weg mit dem illegalen Gitterzaun bei der Neuengass-Unterführung!
Darf sich die Stadt systematisch über ihre eigenen Vorschriften
hinwegsetzten?
Anfangs Juni dieses Jahres wurde der Eingang zur
Neuengass-Unterführung
mit einem engmaschigen Drahtgitter von gut 2 m Höhe umzäunt.
Zweck des
hässlichen Gitters ist es, die früher zum öffentlichen
Raum gehörigen
Sitzgelegenheiten entlang der Aussenseite des Baus abzusperren und
damit z. B. den Leuten auf der Gasse die letzte bescheidene
Möglichkeit
zum Ausruhen wegzunehmen. Diese kleinliche Massnahme ist auch durch das
neue Bahnhofreglement, welches sich auf ein Verbot von "Sitzen und
Liegen auf Boden und Treppen" beschränkt, nicht abgedeckt.
Mit einer Intervention beim Bauinspektorat und einem Postulat im
Stadtrat hat die GPB-DA darauf Aufmerksam gemacht, dass die für
Zäune
über 1.20 m nötige Baubewilligung fehlt und der Zaun deshalb
widerrechtlich errichtet wurde.
Mitte August bestätigte Bauinspektor Charles Roggo in einem Mail,
dass
es sich beim Gitterzaun um eine bewilligungspflichtige bauliche
Massnahme handelt, für die bisher kein Baugesuch eingereicht
wurde. Er
berief sich jedoch auf die (juristisch umstrittene) Möglichkeit,
das
Gitter während dreier Monaten ohne Bewilligung als ‚Fahrnisbau'
stehen
zu lassen. Roggo sicherte jedoch zu: "Ich habe die
Liegenschaftsverwaltung als Auftraggeber des Gitterzauns aufgefordert,
diesen bis spätestens Ende September 2008 abzuräumen oder
alternativ
innerhalb derselben Frist ein Baugesuch einzureichen. Das
Bauinspektorat wird weitere Massnahmen einleiten, falls die Frist
unbenutzt verläuft."
Eine telefonische Nachfrage beim Bauinspektorat im Oktober ergab, dass
das Baugesuch noch "in Vorbereitung" sei. Bis heute wurde es nicht
publiziert und käme, sollte es doch noch eingereicht werden, viel
zu
spät.
Die Grüne Partei Bern - Demokratische Alternative GPB-DA ist
befremdet,
wie die Stadt unter dem Vorwand der Herstellung von "Sicherheit und
Ordnung" ihre eigene Rechtsordnung systematisch missachtet und so ein
miserables Vorbild abgibt.
Sollte die Stadt Bern den illegalen Zaun nicht entfernen, behält
sich die GPB-DA rechtliche Schritte vor.
------------------------------
DROGENPOLITIK
------------------------------
BZ 12.11.08
Ein Leben mit Drogen
"Die Gasse wäre schnell wieder da"
Martin Kaiser
Evelyn G. hat vor 14 Jahren die Gasse gegen die kontrollierte
Heroinabgabe getauscht. Nur deshalb habe sie überlebt. Ein Nein
zur
Revision des Betäubungsmittelgesetzes wäre deshalb
verheerend, sagt G.
- nicht nur für sie.
Das Leben hätte der heute 50-jährigen Bernerin Evelyn G. eine
ganz
andere Geschichte schreiben können. Doch statt das Studium in
Germanistik, Linguistik und Musikwissenschaften abzuschliessen und mit
diesem Rucksack ihren Weg zu gehen, wurde der damals 26-Jährigen
gerade
die Zeit an der Uni zum Verhängnis. Die Eigenverantwortung, die
Selbstständigkeit, die von ihr verlangt wurden, hätten sie
schlicht
überfordert, erinnert sie sich. "Ich war tief unzufrieden, weil
ich
mich nicht motivieren konnte, weil ich ohne Druck von aussen nicht
fähig war, etwas zu leisten."Genau zu jener Zeit habe ein Kollege
sie
zum x-ten Mal gefragt, ob sie Heroin probieren möchte. Bis dahin
standhaft, gab sie nach. "Ich war betrunken und probierte es. Und es
war genau das Gefühl, das ich schon lange gesucht hatte." Auf
Drogen
fühlte sie sich sicher, geborgen, aufgehoben. Ganz anders als im
nüchternen Leben. Wobei sie wirklich nüchtern schon seit
Jahren nicht
mehr war. Vor dem Heroin hatte der Alkohol ihr Leben mitbestimmt. Vom
nüchternen Leben habe sie als Teenager Abschied genommen, sagt sie.
200 Franken am Tag
G. wurde schnell abhängig. Als kurz darauf ihre Mutter erkrankte
und
starb, blieb sie definitiv hängen. Am 2.Februar 1992, am Tag, als
der
Platzspitz geräumt wurde, fing G. in Zürich eine neue Arbeit
an.
Tagsüber leitete sie einen Buchladen. Abends und nachts
dröhnte sie
sich zu.Hatte Sie das Heroin bisher gesnieft, begann sie, sich den
Stoff jetzt in die Venen zu drücken. Immer mehr. Mit der Zeit so
viel,
dass sie am Arbeitsort Geld veruntreute, entlassen wurde und auf der
Gasse landete. Ihre Sucht habe sie damals 200 Franken gekostet. Jeden
Tag.
Zufall und Glück
Der Zufall holte sie von Zürich und von der Gasse weg. "Es war um
meinen Geburtstag herum. Meine Schwester suchte mich, warum auch immer,
und fand mich, wie auch immer." Zurück in Bern, machte sie weitere
Entzugsversuche. Hatte sogar einen Therapieplatz. Alles vergeblich.
"Ich war noch nicht so weit."Das Heroin zog sie zurück auf die
Gasse.
Nach Solothurn. Sie dealte. Prostituierte sich. Zwei Jahre lang. Dann
wurde sie verhaftet. Mit Glück und Ausreden entkam sie einer
Gefängnisstrafe. Zwei Monate bedingt auf zwei Jahre. "Ich hatte
Panik
vor dem Knast." Damals war der kalte Entzug Programm. "Sie wollten uns
den Teufel austreiben."
Koda war die Wende
Am Tag der Gerichtsverhandlung rief sie bei Koda an, dem Berner
Programm zur kontrollierten Drogenabgabe. Sommer 1994. Sie wurde
aufgenommen. Wog 45 Kilo. Litt unter chronischer Gelbsucht. Heute noch.
"Viel länger hätte ich es nicht mehr gemacht. Für mich
war das die
Wende."Evelyn G. kam von der Gasse weg. Nahm nach und nach weniger
Drogen. Irgendwann nur noch die zwei täglichen Spritzen bei Koda.
Reines, weisses Heroin. Bis heute. G. arbeitet als Köchin in einer
Genossenschaftsbeiz in Bern. Lebt alleine. Die Beiz ist ihr soziales
Leben. Ihr Leben ist heute geregelt. Stabil. Aushaltbar. Ohne
Abstürze.
Aber immer noch nicht ganz ohne Drogen.
Wäre es nicht erstrebenswert, vom Heroin wegzukommen?
Natürlich. Das Aufhören alleine ist für mich aber kein
Lebensinhalt.
Warum nicht?
Dazu müsste ich zu viel ändern. Meinen Alltag. Meine
Gewohnheiten.
Und das geht nicht?
Ich müsste einen direkten Ersatz finden für das Gefühl,
welches mir das Heroin gibt. Das gibt es derzeit aber nicht.
Die Probleme sind noch da
Heute, 14 Jahre, nachdem sie die Gasse gegen die kontrollierte
Herionabgabe getauscht hat; jetzt, wo sie ihr Leben wieder im Griff
hat;?jetzt, wo sie Tritt gefasst hat in der Gesellschaft und nicht mehr
am Rand steht - jetzt wird ihr noch einmal der Spiegel vorgehalten.
Beim Gedanken daran, dass Herr und Frau Schweizer am 30. November die
Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes und damit die
gesetzliche
Verankerung der kontrollierten Heroinabgabe ablehnen könnten,
kommt in
Evelyn G. die Angst hoch.
Warum ist die kontrollierte Heroinabgabe aus Ihrer Sicht nötig?
Ich sage nicht, dass Koda das alleine Seligmachende ist. Für mich
ist
das eher eine letzte Station. Früher folgte auf eine lange
Drogenabhängigkeit begleitet von unzähligen gescheiterten
Entzugsversuchen und Therapien zwangsläufig früher oder
später der Tod.
Und heute?
Heute muss nicht jeder diesen Weg bis zu Ende gehen. Die Drogenabgabe
setzt dort ein, wo alles andere versagt hat, wo auch wir selber versagt
haben. Wenn man jetzt sagt, das brauche es nicht, nur weil man nicht
mehr täglich die Bilder vom Letten sieht, dann finde ich das
hirnrissig. Das Problem ist damit nicht verschwunden.
Was passierte Ihrer Meinung nach?
Es würde sich wieder eine offene und sichtbare Szene bilden. Das
ginge sehr schnell.
Und was hiesse es für Sie: Gingen Sie zurück auf die Gasse?
Das kann ich zumindest nicht ausschliessen. Ich hätte extreme
Existenzangst. Die Aussicht, dass das Koda geschlossen werden
könnte,
zöge mir den Boden unter den Füssen weg. Für mich
wäre dann alles in
Frage gestellt. Und das ist mit 50 schlimmer als vielleicht mit 20.
Der ganze Film noch einmal
Evelyn G. wirkte bisher ruhig beim Gespräch. Überlegt.
Sicher. Jetzt
zeigt sie Gefühle. Zieht heftiger an der Zigarette. Kaut ihre
Lippen.
Die richtigen Worte zu finden fällt ihr schwerer. Sie wirkt
beunruhigt.
Geldstress. Beschaffungsstress. Prostitution. Es ist fast so. als ob
der ganze schlechte Film bei G. noch einmal innerlich ablaufen
würde.
Die Gegner der Betäubungsmittelgesetzrevision sagen, mit der
kontrollierten Heroinabgabe erschwere man den Süchtigen den
Ausstieg.
Das ist Unsinn. Es gibt klare Auflagen, um in die kontrollierten
Heroinabgabe zu kommen. Wer kurz auf Drogen ist, hat keine Chance. Man
muss zudem mehrere Entzüge gemacht haben, also
schwerstsüchtig sein.
Das sei menschenverachtend, sagen die Gegner auch.
Ich bin heute 50. Mir geht es das erste Mal im Leben wirklich gut. Das
ist doch nicht menschenverachtend. Die Frage ist vielmehr, ob nicht
das, was danach käme, menschenverachtend wäre.
Aber hat man, wenn man ohne Beschaffungs- und Finanzierungsstress
Heroin bekommt, überhaupt noch das Ziel, von der Droge wegzukommen?
Das kann man nicht verallgemeinern. Die Jungen reden immer wieder vom
Ausstieg. Und sie sollten das auch machen, unter tatkräftiger
Unterstützung des Teams. Bei Leuten in meinem Alter aber spielt
die
Perspektive vom Leben an sich mit hinein. Natürlich wäre es
mein
grösster Wunsch, aufzuhören. Für mich sind aber viele
Züge halt einfach
schon abgefahren.
Ein Leben lang Drogen?
Kinder, sagt Evelyn G., hätte sie Kinder gehabt, dann wäre
sie heute
vielleicht drogenfrei. Aber eben, das sei einer dieser Züge, die
abgefahren sind. Was sie hingegen von den Drogen wegtreiben
könnte,
wäre eine stabiles und auch intimes soziales Umfeld. Sie denke
viel
über ihre Zukunft nach. Möchte von der Quartierbeiz weg, in
der sie
seit 12 Jahren arbeitet. Etwas anderes machen. "Sonst komme ich hier
nie weg."
An was denkt sie? "Es gibt verschiedene Projekte", sagt Evelyn G.
Nichts spruchreifes aber. Doch. Etwas eigenes möchte sie machen.
"Einen
Buchladen aufmachen zum Beispiel."
--
Die Vorlage
Vier Säulen zementieren
Am 30.November gelangt die Revision des Betäubungsmittelgesetzes
(BetmG) zur Abstimmung. Die Vorlage geht auf eine parlamentarische
Initiative der nationalrätlichen Gesundheitskommission zurück
und will
das Vier-Säulen-Prinzip (Prävention, Therapie,
Schadenminderung,
Repression) als Grundlage der Schweizer Drogenpolitik gesetzlich
verankern. Damit fände nicht zuletzt auch die vom Volk in einer
Referendumsabstimmung 1999 beschlossene und bis Ende 2009 befristete
heroingestützte Behandlung Einzug ins BetmG. Gegen das Gesetz hat
ein
Komitee aus dem Umkreis von EDU und mit Hilfe der SVP das Referendum
ergriffen. Alle anderen Parteien und über 30 Organisationen
empfehlen
ein Ja.
-------------------------------
GENERALSTREIK
-------------------------------
20min.ch 10.11.08
http://www.20min.ch/news/schweiz/story/26553802
(mit Fotos)
Bewaffnete Soldaten gegen Streikende
von Lukas Mäder
Die Schweiz am Rande eines Bürgerkriegs: Vor 90 Jahren begann der
Generalstreik, der vier Tage dauerte und in Grenchen drei Tote
forderte. Zwar kapitulierten die Streikenden schliesslich
bedingungslos, doch der Streik brachte längerfristig den
Arbeitsfrieden
in der Schweiz.
Dramatische Szenen spielten sich auf dem Münsterplatz mitten in
Zürich
am Sonntagnachmittag, 10. November 1918 ab: Trotz Versammlungsverbot
fanden sich rund 7000 Personen zu einer Streikkundgebung ein.
Bewaffnete Truppen der Armee waren ebenfalls anwesend, erstmals seit
ihrer Anwesenheit in Zürich ausgerüstet mit den grauen
Stahlhelmen. Als
die Demonstranten den Platz nicht räumen wollten und begannen, die
Soldaten zu belästigen, räumte die Armee den Platz —
gewaltsam und mit
Schüssen in die Luft und gegen den Boden. Eine halbe Stunde und
660
verschossene Patronen später waren die Streikenden vertrieben.
Bilanz:
Abgelenkte Kugeln verletzen vier Demonstranten, ein Schuss aus einer
nicht-militärischen Pistole verletzt einen Soldat tödlich.
Streikfreudige Stimmung in der Schweiz
Die Stimmung war aufgeheizt in den ersten Novembertagen 1918, noch
bevor der landesweite Generalstreik begann. Die Kriegsjahre hatten die
Kluft zwischen Unternehmern, die von Kriegsgewinnen profitierten, und
der Arbeiterschaft, die unter zunehmender Armut litten,
vergrössert.
Die gute Konjunktur und der Aktivdienst machten Arbeitskräfte
begehrt.
Dadurch stiegen auch die Erfolgsaussichten von Streiks, die ab 1917
stark zunahmen.
Der zweitägige Streik der Zürcher Bankangestellten Ende
Oktober 1918
galt einigen Bürgerlichen als Generalprobe für die
Revolution. Der
Bundesrat beschloss eine bewaffnete Intervention, am 7. November
marschierten eidgenössische Truppen in Zürich ein.
Empörung war die
Reaktion der organisierten Arbeiterschaft. Das Oltner Aktionskomitee
(OAK) unter Führung des Sozialdemkraten Robert Grimm rief deshalb
einen
eintägigen Proteststreik am Samstag, 9. November aus. Das
genügte den
Zürchern nicht: Sie führten den Streik weiter mit der
Forderung, dass
die Truppen aus der Stadt abgezogen werden. Bereits am Sonntag kam es
zu den erwähnten Auseinandersetzungen auf dem Münsterplatz.
Soziale Forderungen
Das Oltner Aktionskomitee kam unter Druck: Entweder schliesst es sich
den Zürchern an, oder es verliert seinen schweizweiten
Führungsanspruch
über die Arbeiterschaft. Der Entscheid fiel zugunsten eines
landesweiten Generalstreiks aus, der auf den 12. November ausgerufen
wurde — unbefristet. Zu den Forderungen des Streikkomitees
gehörten
unter anderem: Neuwahl des Nationalrats im Proporzwahlrecht, die
48-Stunden-Woche, eine Alters- und Invalidenversicherung sowie eine
Vermögenssteuer zum Abbau der Staatsverschuldung.
Der Landesstreik mit rund 250 000 Streikenden verlief weitgehend ruhig.
Nicht zuletzt, weil die Gewerkschaften Massnahmen wie Alkoholverbote
durchsetzten. In Basel sorgten die Kantonsregierung und die
Streikführung sogar zusammen für einen geordneten Ablauf des
Streiks.
Zu Ausschreitungen kam es an einigen Orten, an denen die Armee
aufmarschierte. In Grenchen erschoss eine Patrouille drei Streikende,
weil diese die Soldaten mit "Es leben die Bolschewiki" und erhobenen
Fäusten anpöbelten. Der Major des betreffenden
Füsilierbattallions
sagte später aus: "Ich bin überzeugt, dass ich recht getan
habe. Einen
Schuss in die Luft abzugeben hielt ich nicht für zweckmässig,
einmal
weil dadurch Unschuldige, z.B. Leute in den Fenstern gefährdet
werden,
und sodann weil das Schiessen in die Luft den Eindruck gemacht
hätte,
dass wir Angst haben."
Bedinungsloses Ende des Streiks
Nach dem ersten Überraschungseffekt, den der Generalstreik hatte,
gewann der harte Flügel im Bürgerlichen Lager schnell wieder
an Boden.
Auch weil der Bund mit Hilfe von Armee oder Studenten wichtige Dienste
notdürftig aufrecht erhalten konnte. Der Bundesrat forderte
deshalb das
bedingungslose Ende des Streiks. Das OAK fürchtete, dass die Armee
den
Streik niederschlage, und fügte sich schliesslich am Morgen des
14.
Novembers. Am nächsten Tag nahmen die Streikenden fast
überall ihre
Arbeit wieder auf.
Direkte Folgen hatte der Landesstreik in erster Linie für viele
Streikende, gegen die ein Prozess eröffnet wurde oder die
Sanktionen
des Arbeitgebers gewärtigen mussten. Aber der Streik hatte auch
arbeitspolitische Folgen. Bereits 1919 wurde die Arbeitszeit auf 48
Stunden wöchentlich verkürzt. Branchenverbände und der
Bund zogen neu
die Gewerkschaften stärker in Entscheidungsfindungsprozesse ein.
Eine
Folge des Landesstreiks ist auch der Arbeitsfrieden, der in den
1930er-Jahren zustande kam. Bereits 1919 wollte der Bund eine
gesamtschweizerische Friedenspflicht bei Gesamtarbeitsverträgen
(GAV)
einführen, scheiterte aber noch. Diese Pflicht sah vor, dass
Konflikte
zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern durch Verhandlungen zu
lösen
sind, Kampfmassnahmen wie Streiks sind verboten. Der Arbeitgeberverband
und die Gewerkschaften unterzeichneten 1937 das sogenannte
Friedensabkommen für die Metallindustrie, das laut Historischem
Lexikon
der Schweiz fälschlicherweise als Bundesbrief der Wirtschaft in
der
Schweizer Mythologie verankert ist. Denn ein vollständiger GAV mit
Regeln zu Löhnen oder Arbeitszeit wurde erst 1974 eingeführt.
Quellen:
Historisches Lexikon der Schweiz
Willi Gautschi, Der Landesstreik 1918, 1968
Generalstreik 1918 in Grenchen. Dokumentation von Alfred Fasnacht
(Museums-Gesellschaft Grenchen)
--------------
PROGR
--------------
Bund 11.11.08
Plädoyer für den Progr
Stephan "Stuwi" Aebersold
Im Oktober 2004 startete in Bern die Zwischennutzung des ehemaligen
Progymnasiums mit dem "Progr" als Zentrum für Kulturproduktion.
Von
Anfang an war für alle klar, dass dies ein Ende haben würde,
weil die
Stadt eine "finanziell lukrative Lösung" für den Standort
anstrebte.
Niemand ahnte aber damals, dass sich das mutige Experiment zu einem
durchschlagenden Erfolg entwickeln würde.
Bisher haben dort weit über 200 Kunstschaffende mit einem riesigen
Output gearbeitet: Es entstanden mehr als 500 Kunstobjekte, 85 Filme,
30 Tonträger und 10 Tanzprojekte; die Zahl der Performances,
Workshops,
Vorträge und Lesungen bewegt sich um die 200.
Die Produktivität stieg mit der Zeit: Über 300 Konzerte, 200
Ausstellungen, mehr als 120 Tanz- und Theaterveranstaltungen zogen
bisher mehr als 200000 Besucher an. Auch international hinterlässt
der
Progr Spuren: 25 Theaterprojekte, 145 Performances und über
2500(!)
Konzerte mit Ursprung im Progr wurden weltweit abgehalten.
Der Progr mit der stadtbekannten Café-Bar "Turnhalle" ist zu
einem
zentralen Anziehungs- und Treffpunkt der Stadt Bern geworden und
ermöglicht dem Besucher einen direkten und unkomplizierten Zugang
zu
lebendigem, aktuellem Kunstschaffen. Bern verfügt damit über
eine
schweizweit einmalige Form der Kulturproduktion. Der Progr ist ein
Aushängeschild für die Marke Bern und wirkt belebend für
die Oberstadt,
deren Gastronomie und Läden auch davon profitieren.
Er schafft Synergieeffekte und ermöglicht
Gemeinschaftsproduktionen,
vor allem aufgrund der aussergewöhnlichen Arbeitsbedingungen. Im
Weiteren sorgt er für Stabilität und Kontinuität im
bernischen
Kulturschaffen. Er ermöglicht das Arbeiten in Gemeinschaften, das
viel
schlankere Infrastrukturen im Vergleich zu 80 einzelnen Ateliers
erfordert.
Ich als Musiker stehe in einem wertvollen Austausch mit anderen
Kunstschaffenden und -richtungen; andere wiederum konnten von unserem
Bandraum und seiner Infrastruktur profitieren. Meine Kreativität,
mein
Wissen hat durch dieses Biotop zugenommen, mein Netzwerk ist gewachsen.
Im Sommer 2009 soll dies ein Ende haben. Ein Gesundheitszentrum soll in
den Mauern des Hauses entstehen, sofern Stadtrat und die
Stimmberechtigten der Stadt dies wollen. Das Gebäude würde im
Baurecht
für eine Dauer von 80 Jahren aus der Hand gegeben; danach kann die
Stadt es zurückkaufen.
Für die Übernahme des Gebäudes bezahlt der Investor nur
2,4 Millionen
Franken und als jährlichen Baurechtszins nur 320000 Franken. Zum
Vergleich: Die heutige Mieterschaft des Progr entrichtet 600000 Franken
Jahreszins. Lukrativ? Nein, und ein Gesundheitszentrum mitten in Bern
wird auch kein Aushängeschild sein. Die Oberstadt würde am
Abend wieder
unbelebter sein, Speichergasse und umliegende Gassen wohl auch wieder
unsicherer.
Es fragt sich, ob das geplante Vorhaben der richtige Weg ist. Soll
tatsächlich zerstört werden, was sich als Institution und
Treffpunkt
etabliert hat? 1864 wurde nach erbitterten Debatten im Stadtrat mit
einer knappen Mehrheit der Abbruch des Christoffelturms beschlossen,
eine Entscheidung, die heute zu Recht bedauert wird. Auch in diesem
Fall wird die Entscheidung nicht rückgängig gemacht werden
können. Noch
ist es aber nicht zu spät, um mit Mut und Begeisterung für
den Progr am
heutigen Standort einzustehen. Der Progr als Zentrum für
Kulturproduktion, als Stätte der Begegnung mitten in der Stadt ist
eine
wertvolle, günstige und vernünftige Investition; dies kann
und sollte
sich Bern weiterhin leisten; eine solche Chance kommt kein zweites Mal.
Und schliesslich - der Progr lebt! Was lebt und gedeiht, sollte
gepflegt, weitergeführt und nicht zerstört werden.
Was lebt und gedeiht, soll gepflegt, weitergeführt und nicht
zerstört werden.
Der Autor
Stephan "Stuwi" Aebersold, geboren 1963, ist gelernter Hochbauzeichner,
bildete sich in Organisationsentwicklung
undCoachingweiterundistGitarrist der Berner Band "RayWilko", die
imProgr ihr Übungslokal hat.
-----------------------------------------------
QUARTIERENTWICKLUNG
------------------------------------------------
grünepost.ch 5.11.08
Bezahlbare Wohnungen und ein Quartiertreff im Herzen der Lorraine
Postulat für bezahlbare umweltgerechte Wohn- und
Arbeitsplätze und für einen Lorraine- Quartiertreff am
Centralweg 9
Die Gesamtplanung Lorraine beinhaltet u.a. die gezielte
Quartierentwicklung zur Schaffung von neuem Wohnraum. Zudem fehlt seit
langem ein Quartiertreff in der Lorraine.
Das Gebäude am Centralweg 9/9a in der Lorraine gehört der
Stadt bzw.
dem Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik. Es befindet sich in einem
sehr
schlechten baulichen Zustand. Es soll daher zur Neuüberbauung in
Baurecht abgetreten werden. Zurzeit wird das Gebäude noch von der
Autogarage Alcadis AG genutzt, deren Mietverhältnis vorläufig
bis
30.04.2009 erstreckt wurde.
Die zur Verfügung stehende Parzellenfläche eignet sich
für ca. 20
grössere Wohnungen, Atelier- und Gewerberäume und einen
Quartiertreff
im Erdgeschoss. Die offenbar vorgesehene unterirdische Einstellhalle
ist demgegenüber infolge der erstklassigen Erschliessung durch den
ÖV
unnötig und würde nur Kosten und Mehrverkehr verursachen.
Der Gemeinderat wird ersucht, z.H. der Betriebskommission des Boden und
Wohnbaufons folgende Vorgaben für die Überbauung festzulegen:
* Der sozialen Struktur des Quartiers angepasste, auch für
BewohnerInnen mit tiefem bis mittlerem Einkommen bezahlbare,
behindertengerechte Wohnungen und Arbeitsräume
* Mindestens Minergie-Standart oder ähnliche Verbrauchswerte
* Verzicht auf eine Einstellhalle
* Integration eines Quartiertreffs unter direktem Einbezug der vbg und
der Quartiervereine in die Planung
5. 11. 2008
---------------------------------------
STOP MURDER MUSIC
---------------------------------------
20 Minuten 11.11.08
Erreur de casting au Metropop
Municipal de la police, Marc Vuilleumier est soulagé que
l'artiste
controversé Capleton n'ait pas prononcé de propos
homophobes à son
concert au Metropop Festival samedi soir.
"Il a respecté un engagement écrit et signé
à ce sujet à notre demande.
Mais sur le fond, la présence de ce chanteur à Lausanne
est en effet
discutable."
Etait-ce une erreur de casting? "Si les organisateurs connaissaient la
réputation sulfureuse de ce Jamaïquain avant sa venue,
alors oui. J'ose
espérer qu'ils ont compris la leçon", souligne Marc
Vuilleumier, qui ne
peut imaginer que ce concert n'ait été maintenu que pour
des raisons
financières.
(fnd)
----------------------
ANTI-ATOM
---------------------
Bund 11.11.08
Renaissance der Proteste
In Deutschland stoppen massive Proteste den Atommülltransport nach
Gorleben
Erich Aschwanden, Berlin
Die Diskussion über verlängerte Laufzeiten für
Kernkraftwerke und die
ungelöste Endlagerfrage verleihen der Anti-Atom-Bewegung neuen
Aufschwung.
Schon gestern Morgen hätten elf Castor-Container mit hoch
radioaktivem
Abfall im Zwischenlager Gorleben in Niedersachsen ankommen sollen;
gestern Abend stand der Atommüll noch immer auf dem
Verladebahnhof, wo
er für die letzten 20 Kilometer von der Bahn auf Camions verladen
worden war. Selbst das massive Polizeiaufgebot konnte die Blockaden auf
den beiden möglichen Routen zum Endlager nicht verhindern. Der
Kampf
gegen den Transport aus der französischen
Wiederaufbereitungsanlage La
Hague wurde zur eindrücklichen Machtdemonstration für die
Anti-Atomkraft-Bewegung, die in den letzten Jahren Mühe gehabt
hatte,
den Widerstand zu organisieren.
Alle Fässer zurückholen?
Bei den Atomkraftgegnern war die Freude über die geglückten
Störmanöver
gross. "Die Kette der Atommüllskandale und das Gerede von
Laufzeitverlängerungen für die AKWs hat viele Menschen
wachgerüttelt.
Statt des Comebacks der Atomenergie erleben wir in diesen Tagen die
Renaissance der Anti-Atom-Bewegung", erklärte Jochen Stay von der
Kampagne "X-tausendmal quer".
Vor allem die Vorgänge in der Schachtanlage Asse, wo seit 1965
radioaktive Abfälle gelagert werden, erregen die Gemüter. Aus
dem
ehemaligen Salzbergwerk tritt mit Cäsium-137 belastete Lauge aus.
Laut
dem deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel ist Asse "die
problematischste kerntechnische Anlage, die wir in Europa finden".
Inzwischen gibt es in seinem Ministerium Überlegungen, alle
eingelagerten Fässer zurückzuholen. Die Schwierigkeiten in
Asse haben
der Öffentlichkeit bewusst gemacht, dass die Endlagerfrage in
Deutschland noch keineswegs gelöst ist.
Die Schweiz als Vorbild
Theoretisch gibt es zwar einen Standort für ein "Nukleares
Entsorgungszentrum". Bereits 1977 hat nämlich das Bundesland
Niedersachsen den Salzstock bei Gorleben als Endlager bestimmt. Die
hoch radioaktiven Abfälle sollen also dort gelagert werden, wohin
sie
gestern mit dem Castor-Transport hätten gebracht werden sollen.
Heftige
Proteste der Bevölkerung haben dazu geführt, dass die
geologischen
Erkundungen im Jahr 2000 gestoppt wurden. Die Tatsache, dass Gorleben
und Asse nur rund 100 Kilometer voneinander entfernt liegen und
ähnliche geologische Eigenschaften aufweisen, haben die Zweifel an
diesem in erster Linie aus politischen Überlegungen gewählten
Standort
weiter wachsen lassen.
Umweltminister Gabriel würde den Auswahlprozess noch einmal
eröffnen
und in ganz Deutschland nach der geeigneten geologischen Formation
suchen. Als Vorbild gilt dem SPD-Politiker die Schweiz: "Dort wird
gemäss internationalen Kriterien der beste Standort gesucht. Dort
werden nicht wie bei uns die Kriterien entlang einem Standort
definiert." Sein Staatssekretär Michael Müller doppelte
gestern im
ARD-"Morgenmagazin" nach: "Wir wollen ein offenes Verfahren. Es gibt ja
beispielsweise auch durch das Verfahren in der Schweiz Kriterien, wie
man es anders machen könnte als in Deutschland."
CDU wehrt sich
Gegen ein solches Vorgehen haben sich die Bundesländer
Baden-Württemberg und Bayern, wo die CDU und CSU an der Macht
sind,
bisher erfolgreich zur Wehr gesetzt. Auch hier kommt wieder der Faktor
Schweiz ins Spiel. Sollte sich nämlich das Gebiet von Benken im
Zürcher
Weinland als geeignet herausstellen, dürfte der Druck auf das
Gebiet
nördlich des Rheins weiter zunehmen.
Nicht nur in der Endlagerfrage gehen die Positionen der Partner in der
grossen Koalition diametral auseinander. Die Sozialdemokraten halten am
Ausstiegsbeschluss fest, der vorsieht, dass der letzte Meiler im Jahr
2021 vom Netz geht. Die CDU/CSU ist angesichts steigender Strompreise
in den letzten Monaten auf einen klar kernenergiefreundlichen Kurs
eingeschwenkt. Sollte sie nach der Bundestagswahl 2009 zusammen mit der
FDP eine Regierung bilden, würden die AKW-Laufzeiten
höchstwahrscheinlich verlängert. Der Widerstand gegen die
Castor-Transporte hat aber eindrücklich gezeigt, dass das Thema
Atomkraft erneut enorm zu mobilisieren vermag.
---
Bund 11.11.08
Das Milliardengrab in Zwentendorf
1978 entschied sich Österreich gegen Atomenergie
Rudolf Gruber, Wien
Anderswo in der EU wird heftig über den Ausstieg aus der
Atomenergie
debattiert. Österreich tat diesen Schritt schon vor 30 Jahren: Im
November 1978 verhinderte ein Referendum die Inbetriebnahme des bereits
fertiggestellten und einzigen Kraftwerks Zwentendorf.
Zugleich war die Abstimmung der Anfang einer breiten
Bürgerbewegung.
Nach dem Referendum wurde das sogenannte Atomsperrgesetz beschlossen,
das in Österreich seit 30 Jahren die Erzeugung von Nuklearenergie
verbietet. Die Baukosten für Zwentendorf betrugen nach heutigem
Wert
über eine Milliarde Euro.
Vielfältige Auswirkungen
Der 5. November 1978 hatte nicht nur energiepolitische Folgen. Zugleich
war "Zwentendorf", wie dieses Referendum seither nur noch verkürzt
genannt wird, die Geburtsstunde der österreichischen Grünen -
und ein
Durchbruch der direkten Demokratie: Erstmals hatten Bürger in
einer so
bedeutenden Frage wie der energiepolitischen Zukunft gegen die
parlamentarische Mehrheit entschieden. Letztlich war Zwentendorf der
Anfang vom Niedergang der sozialdemokratischen Alleinregierung unter
dem legendären Bundeskanzler Bruno Kreisky. Vier Jahre später
verlor er
die absolute Mehrheit.
Die Anti-Atom-Bewegung war in den Sechzigerjahren von Vorarlberg
ausgegangen - die dort führende Lokalzeitung hatte einen
regelrechten
Aufstand gegen die Pläne für ein grenznahes Schweizer
Atomkraftwerk in
Rüthi (SG) angezettelt. Als 1971 das Projekt Zwentendorf
beschlossen
wurde, erfasste die Protestwelle ganz Österreich. Nach der von der
EU-Kommission im vergangenen Juli veröffentlichten Umfrage lehnt
nach
wie vor eine überwältigende Mehrheit der Österreicher
(86 Prozent)
Atomstrom ab.
Solarenergie in Zwentendorf
Allerdings, ganz "atomfrei" ist selbst Österreich nicht geblieben:
Über
Importe fliesst auch Atomstrom ins österreichische Netz, Experten
schätzen den Anteil am heimischen Bedarf auf zehn Prozent. Auch
ist
Österreich bisher nicht aus der Europäischen Atomgemeinschaft
(Euratom)
ausgestiegen. Wien subventioniert die Euratom jährlich mit rund 40
Millionen Euro.
Mittlerweile ist Zwentendorf eine Art Museum: Ein Besuch in dem
stillgelegten Kraftwerk ist zugleich eine Zeitreise in die Anfänge
des
Computerzeitalters. Jetzt will der niederösterreichische
Energieversorger die Ruine Zwentendorf endlich aus dem
Dornröschenschlaf wecken: Die Anlage soll für die Gewinnung
von
Solarenergie umgebaut werden.
--------------------------------------
RANDSTAND LUZERN
--------------------------------------
Neue Luzerner Zeitung 12.11.08
Gassechuchi
Grossandrang im Fixerraum
Im neuen Fixerraum in der Gassechuchi herrscht Hochbetrieb. Nach knapp
drei Wochen ziehen die Betreiber eine positive Bilanz. Braucht es bald
mehr Personal?
Von Silvia Weigel
Die Luft ist grau, verraucht. In einer Ecke hockt halb zusammengesunken
ein Pärchen und kocht Kokain auf einem Löffel.
Heroinsüchtige beugen
sich über dampfende Alufolien, andere ziehen an Crackpfeifen. Im
Nebenraum zieht sich eine Frau eine Spritze auf. Eine Betreuerin mit
Plastikhandschuhen überwacht sie und die anderen. Im Vorraum
warten
schon die Nächsten.
Zwischen 90 und 100 Süchtige rauchen oder spritzen sich ihre
harten
Drogen täglich in den beiden neu eingerichteten Räumen
über der
Gassechuchi am Geissensteinring. Zehn bis zwölf Personen lassen
sich
beraten. Walter Bösch leitet die Kontakt- und Anlaufstelle (K+A)
und
ist vom grossen Andrang selbst überrascht.
"Hierher kommen sie sowieso"
Seit zweieinhalb Wochen läuft die Pilotphase, und "es läuft
besser, als
wir es uns vorgestellt haben, viel besser als im alten Fixerraum im
Geissmättli", sagt Bösch. Höchstens dreissig
Süchtige seien es dort pro
Tag gewesen. Meistens kamen weniger als zehn, während sich die
Szene im
Krienser Salesiapark traf. "Der Weg ins Geissmättli war zu weit.
Hierher kommen sie sowieso", sagt Gassechuchi-Leiterin Yolanda Mathys.
Neue Süchtige oder Dealer habe die K+A nicht angezogen.
300 Konsumationen am Tag
Ob das Pilotprojekt dauerhaft weiter- geführt wird, entscheidet
die
kantonale Drogenkonferenz Anfang Februar. Dabei spielt die
Nutzungsfrequenz ebenso eine Rolle wie die gesundheitliche Entwicklung
der Abhängigen und die Situation in und um die Gassechuchi. 300
bis 350
Konsumationen gibt es pro Tag. Die für die Fortführung des
Betriebs
notwendige Zahl von 50 wird damit um mehr als das Sechsfache
übertroffen.
Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Ein Mitarbeiter
überwacht
den Einlass und führt Buch über die Besucher: Geschlecht,
Wohnort und
Häufigkeit ihres Drogenkonsums werden notiert.
"In der Pilotphase führen wir Statistik", erklärt Bösch.
Die Statistik
besagt auch, dass Süchtige aus der ganzen Zentralschweiz
hierherkommen.
Trotzdem gebe es keinen Konflikt mit dem regulären Betrieb der
Gassechuchi. "Die mit dem Drogenkonsum einhergehende Nervosität
und
Hektik konnte wie erhofft in geregelte Bahnen gelenkt werden", heisst
es in einer Pressemitteilung der Stadt. Minderjährige und
Drogenneulinge dürfen die K+A nicht betreten, und Unbekannte
werden
zuerst befragt. Durchmogeln kann sich niemand, denn von aussen lassen
sich die Türen nur mit Schlüssel öffnen.
Mitarbeiter reichen nicht aus
Ganz so harmonisch läuft es aber nicht immer. "Wir haben schon
Leute,
die aggressiv sind und auch mal die Faust ausfahren", sagt Bösch.
Deshalb sei es so wichtig, dass die K+A personell gut besetzt sei.
Derzeit sind von den sechs Mitarbeitern immer zwei bis
drei anwesend alle sind medizinisch geschult. "Aber bei dem
derzeitigen
grossen Andrang reicht das nicht mehr", sagt Bösch. Ob der
Personalbestand erhöht werden kann, ist zurzeit noch offen.
Finanziert wird das Projekt K+A vom Zweckverband für
institutionelle
Sozialhilfe und Gesundheitsförderung, also von den Gemeinden und
dem
Kanton. Veranschlagt sind laut Edwin Berchtold, stellvertretender
Geschäftsführer des Vereins für kirchliche Gassenarbeit,
vorerst 450
000 Franken jährlich. "Aber wenn der Personalschlüssel
erhöht wird,
kann das auch deutlich teurer werden", sagt Berchtold.
--
Reaktionen
Anwohner sehen es "neutral bis positiv"
Befürchtungen, der neue Fixerraum könne Drogendealer in die
Gegend der
Gassechuchi locken, kann die Polizei nicht bestätigen; für
eine
offizielle Stellungnahme sei es aber noch zu früh. Laut Hugo
Stadelmann, Präsident der Quartiergemeinschaft Sternmatt, gibt es
keine
Probleme im Quartier: "Im Gegenteil: Die Konsumenten gehen da hin, um
ihr Kokain zu rauchen oder sich etwas zu spritzen so passiert das
wenigstens nicht auf der Strasse." Beschwerden von Anwohnern habe es
bisher nicht gegeben. Die so genannte Echogruppe, in der Nachbarschaft,
Quartiervereine, Betreiber und Polizei organisiert sind, äussert
sich
laut Pressemitteilung der Stadt "neutral bis positiv" zum Projektstart.
sy