MEDIENSPIEGEL 16.11.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Wahlk(RH)ampf: Podium zu Drogen + Reitschule
- Medien: Ende von "Der Bund"?
- Anti-Atom: Mühleberg-Panne
- Schengen: Big Brother Hotel & Datenbank-Praxis
- Biometrie & Verschwörungsfantasien
- Antisemismus: Fall Basel
- Finanzkrise: Demo in ZH
- Sanspapiers & Gesundheit
- Guantanamo: Kein Asyl
- Euro 08: 420 Anzeigen, 56 Mio Sicherheitskosten
------------------------
REITSCHULE
------------------------
Nov 08: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!
PROGRAMM:
Di 18.11.08
20.30 Uhr - Tojo - Walterli
- Das Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli
Mi 19.11.08
19.00 Uhr - SousLePont - Berner
Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - Walterli - Das
Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli
Do 20.11.08
20.30 Uhr - Tojo - Walterli - Das
Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli
20.30 Uhr - Kino - Dogma und mehr: AFTER
THE WEDDING - Susanne Bier, Dänemark 2006
22.00 Uhr - I Fluss - FIASKO TOUR:
Egogrill, Misathrop, Audio88, Cocon & DJ Phonatic
Fr 21.11.08
19.00 Uhr - Frauenraum - Ausstellung
von Sophie Roth, Vernissage
20.30 Uhr - Tojo - Walterli - Das
Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli
21.00 Uhr - Kino - Dogma und mehr: AFTER
THE WEDDING - Susanne Bier, Dänemark 2006
22.00 Uhr - Dachstock - Gogo Ghouls
Plattentaufe! Special Guests: Lombego Surfers (CH), Support: DJ
Black Sally > Rock/Surf/Rockabilly
Sa 22.11.08
13.00 Uhr - Frauenraum - Ausstellung
von Sophie Roth
20.30 Uhr - Tojo - Walterli - Das
Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli
21.00 Uhr - Kino - Dogma und mehr: AFTER
THE WEDDING - Susanne Bier, Dänemark 2006
22.00 Uhr - SousLePont - Soli Abend
"Music against Racism": Zirka (BE), Outlaw (BE), Ska-Punk, Punk
and more
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock
Darkside
presents: Audio (Tech Freak Rec/UK), Support: Axiom (Renegade
Hardware/CH), VCA (Biotic Rec/CH), Lewin (drumnbass.ch) > Drum'n'Bass
So 23.11.08
13.00 Uhr - Frauenraum - Ausstellung
von Sophie Roth
Infos: www.reitschule.ch
------------------------------
WAHLK(rh)AMPF
------------------------------
gymkirchenfeld.ch 3.11.08
Podiumsdiskussion
"Die Reithalle, die Drogenpolitik und die Hanf-Initiative"
18. November 2008, 18.00 Uhr
Aula Gymnasium Kirchenfeld, Bern
Moderation: Toni Koller (DRS)
Politiker: Edith Olibet (SP), Lea Bill (JA), Stephan Hügli (die
Mitte), Erich Hess (SVP)
(3.11.2008)
---
Flyer Nov 08
Die Reithalle und ihr Vorplatz mit Dealern und Drogenabhängigen.
Die Drogenpolitik und die Hanf-Initiative vom 30. November.
Dienstag, 18.11.2008, 18.00, Aula des Gymnasiums Kirchenfeld
Anschliessend Fragerunde und Apéro
Moderation: Toni Koller (DRS)
Diskutierende: Erich Hess (JSVP), Stephan Hügli (Die Mitte),
Edith Olibet (SP), Lea Bill (Junge Alternative)
Sponsoren: Die Schülerräte der drei Abteilungen Gymerverein
Kirchenfeld
----------------
MEDIEN
----------------
Sonntag 16.11.08
Lässt Tamedia den "Bund" fallen?
Vieles deutet darauf hin, dass die Berner Traditionszeitung vor dem Aus
steht
Der Zürcher Grosskonzern Tamedia sendet undeutliche Signale in
Bezug
auf den Medienplatz Bern aus. Klar scheint bloss: Die Tageszeitung "Der
Bund" hat kaum eine Überlebenschance.
Von Kurt-Emil Merki
Bis vor kurzem hatte Tamedia-CEO Martin Kall einigermassen präzise
Vorstellungen darüber, wie es auf dem Platz Bern weitergehen
sollte.
Zwei eigenständige Zeitungen - "Berner Zeitung" und "Der Bund" -
betrachtete der knallharte Rechner als kommerziellen Unsinn. Vor knapp
einem Jahr dachte der norddeutsche Medienmanager im "Sonntag" laut
über
die Zukunft in Züri-West nach. Die Essenz seiner Überlegungen
war
eigentlich eine Drohung: Das Berner Modell - zwei Tageszeitungen aus
dem gleichen Haus - sollte nur fortgesetzt werden, "wenn die
publizistische und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stimmen".
Es ist nicht davon auszugehen, dass der "Bund" dieses Jahr schwarze
Zahlen schreibt. Das hat bei Tamedia zu einer radikalen Neubeurteilung
der Lage geführt. Die von Kall ausgeheckte Idee, dem "Bund" einen
"Tages-Anzeiger"-Mantel überzustülpen und als Label weiter im
Markt zu
belassen, ist nach Informationen, die dem "Sonntag" bekannt sind, vom
Tisch. Jetzt wird an der Zürcher Werdstrasse an einem
Ein-Zeitungs-Modell für Bern gebastelt.
Verlierer scheint der 160-jährige "Bund" zu sein. Noch ist offen,
was
dies für das Personal bedeutet. Wird der "Bund" eingestellt und
die
"Berner Zeitung" im heutigen Stil weitergeführt? Oder wird die
"Berner
Zeitung" ausgebaut und die Redaktion mit einigen "Bund"-Journalisten
verstärkt? Wenn Tamedia die "Bund"-Leser nicht an die "NZZ"
verlieren
will, bleibt eigentlich nur die zweite Lösung.
Klar ist, dass die Arbeitsverträge aller Neueingestellten bis 31.
Dezember 2008 befristet sind. Unklar jedoch, wann das Personal
über die
Berner Pläne von Tamedia informiert wird. Ursprünglich hatte
man die
vereinigten Redaktionen von "BZ" und "Bund" spätestens zu Beginn
der
anbrechenden Woche zusammenrufen wollen; dieser Termin zögert sich
aber
hinaus. Es müssen Szenarien entwickelt werden, wie man dem zu
erwartenden Protest von Politikern, Wirtschaftsleuten, Gewerkschaftern
und gewöhnlichen Lesern begegnen will.
Die sich abzeichnende Einstellung der Berner Traditionszeitung
verrät
die markante Handschrift von Tamedia-Verwaltungsratspräsident
Pietro
Supino, der sich wesentlich ungenierter ins Geschäft einmischt als
der
schöngeistigere Vorgänger Hans-Heinrich Coninx. Supino hat
die Pläne
seines CEO emotionslos durchkreuzt. Ihn kümmern auch die
Existenz-Garantien nicht, die Charles von Graffenried und Albert
Stäheli einst in Bezug auf den "Bund" abgegeben haben. Von
Graffenried
und Stäheli hatten vor dem Verkauf der Espace Media Groupe an
Tamedia
auf dem Medienplatz Bern das Sagen.
Und so äussert sich Tamedia zu den "Sonntag"-Recherchen: "Eine
Projektgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern aller Redaktionen und
Verlage ist seit Juni an der Arbeit. Die Projektgruppe analysiert
publizistische Konzepte sowie Kosten- und Erlösstrukturen. Eine
offene
und konstruktive Diskussion kann nur in einem vertraulichen Rahmen
entstehen. Wir informieren deshalb nicht laufend öffentlich
über die
Inhalte des Projektes. Wir werden aber in den nächsten Monaten
über
einen Zwischenstand informieren."
----------------------
ANTI-ATOM
----------------------
20min.ch 15.11.08
KKW-Reaktor schaltet sich ab
Panne im KKW: Im Kernkraftwerk Mühleberg ist eine automatische
Reaktorabschaltung ausgelöst worden.
Dies geschah bei einer planmässigen Prüfung. Es wurden keine
erhöhten Radioaktivitätswerte gemessen.
Die Anlage befinde sich in einem sicheren Zustand, teilte die
Betreiberin BKW FMB Energie AG mit. Im Laufe des Tages könne der
Reaktor voraussichtlich wieder hochgefahren werden.
Während des Wochenendes führt die BKW in Zusammenarbeit mit
der
zuständigen Aufsichtsbehörde, der Hauptabteilung für die
Sicherheit der
Kernanlagen (HSK) in Mühleberg routinemässige Tests an der
Anlage
durch, wie BKW-Sprecher Sebastian Vogler auf Anfrage sagte. Die
Abschaltung sei ausgelöst worden, als sich zwischen zwei Tests der
Rückgang zum Normalzustand verzögerte.
Der nächste Test wurde ausgelöst, bevor der Normalzustand
hergestellt
war. Die Gründe für die Verzögerung seien noch unklar,
so Vogler.
Bereits am Freitag musste im AKW Beznau im Kanton Aargau eine der
beiden Hochdruckturbinen für Reparaturen an einer lecken
Entwässerungsleitung während drei Stunden abgeschaltet werden.
Quelle: SDA/ATS
--------------------
SCHENGEN
--------------------
Sonntagszeitung 16.11.08
Um 05.30 Uhr weiss die Polizei Bescheid
Angaben von Hotelgästen landen diskret in der Schengener
Fahndungsdatenbank SIS
Zürich Schweizer Hotelgäste werden in Zukunft automatisch und
diskret
mithilfe der Schengener Fahndungsdatenbank SIS kontrolliert. Bereits
läuft bei der Zürcher Kantonspolizei ein Pilotprojekt. Von
den 350
Hotels und Zeltplätzen des Kantons beteiligen sich über 50 am
Projekt.
Über eine Schnittstelle in der Betriebssoftware übermitteln
die
Hoteliers die Angaben ihrer Kunden an die Polizei. Dazu gehören
neben
Name und Nationalität auch die Zimmernummer und Informationen zu
Ausweispapieren und Fahrzeugen. Kleinere Hotels schicken die Angaben
über eine Internetmaske zur Polizei.
Über Nacht werden die Daten mit der Schweizer Fahndungsdatenbank
Ripol
und dem Schengener Informationssystem SIS abgeglichen. Im SIS sind elf
Millionen gesuchte Personen, Ausweise und Fahrzeuge verzeichnet.
Spätestens um 5.30 Uhr in der Früh sind die Daten
aufbereitet: Auf den
Bildschirmen der Polizei scheinen die Gesuchten auf. Allein im Kanton
Zürich werden so in Zukunft jährlich 1,6 Millionen
Hotelgäste überprüft.
Stimmen die Angaben nicht, kommt der Falsche dran
"Wir haben eine gute Trefferquote", sagte Fahndungschef Bernhard Ries
diese Woche am Schweizer Polizei-Informatik-Kongress. Bei den Hotels
pocht Ries auf Präzision bei der Dateneingabe: "Sonst kann es
sein,
dass wir den Falschen aus dem Bett holen." Bereits haben andere Kantone
Interesse angemeldet. Ein ähnliches System läuft schon in
Basel. Martin
Stoll
---
20min.ch 14.11.08
"Ein Delikt wird begangen — Schengen hin oder her"
von Lukas Mäder
Täglich 130 000 Abfragen und bis zu 30 Treffer: Die
Schengen-Datenbank
SIS ist für die Schweiz ein Erfolg. Doch Verbrechen verhindern
kann das
System nur begrenzt.
20 international gesuchte Straftäter sind der Schweizer Polizei in
drei
Monaten ins Netz gegangen. Den Erfolg verdanken die Behörden dem
Schengen-Informationssystem (SIS), einer Datenbank, in der gesuchte
Personen, Fahrzeuge und Gegenstände registriert sind (20 Minuten
berichtete). Der Leiter des Schweizer Koordinationsbüros für
das SIS,
Benedikt Scherer, erklärt im Interview mit 20 Minuten Online,
warum die
Erfolgsquote wieder sinken könnte.
Das Schengen-Informationssystem (SIS) ist seit dem 14. August in
Betrieb. Wie ist Ihre bisherige Bilanz?
Benedikt Scherer: Die Bilanz ist sehr positiv. Das SIS ist ein
effizientes, stabiles System. Und wir haben eine hohe Trefferbilanz,
auch im internationalen Vergleich.
Warum?
Scherer: Weil wir relativ zur Grösse unseres Landes viele Abfragen
machen. Wir haben eine technisch gute und effiziente Lösung
gewählt.
Jede Suche im nationalen System Ripol wird automatisch auch im SIS
durchgeführt. Eine Polizeistreife kann also beispielsweise
über Funk
die Einsatzzentrale beauftragen, eine Person im SIS zu
überprüfen. So
haben wir über 130 000 Anfragen pro Tag. Daraus resultieren
schweizweit
25 bis 30 Treffer täglich.
Sind die Treffer vor allem gestohlene Autos, oder finden Sie auch
Kriminelle?
Scherer: Bis heute verzeichneten wir knapp 2000 Treffer, davon fallen
etwas mehr als ein Viertel auf Sachen. Rund 95 Prozent davon sind
Identitätspapiere wie gestohlene oder verlorene Pässe. Im SIS
sind aber
nicht alle möglichen gestohlenen Gegenstände registriert,
sondern neben
Identitätspapieren nur noch Waffen, Autos und registriertes Geld,
das
beispielsweise bei Entführungen zum Einsatz kommt. Rund 1200
Treffer
verzeichnen wir bis heute auf Personen, was eine äusserst hohe
Quote
ist.
Macht die Schweizer Polizei nicht einfach die Arbeit für die
anderen Polizeikorps in Schengen?
Scherer: Nein. Das ist so eine falsche Aussage. Nach drei Monaten ist
es noch zu früh für eine abschliessende Analyse. Aufgrund
unserer Lage
im Herzen Europas haben wir viel Transitverkehr. Zudem sind unsere
Grenzen theoretisch noch geschlossen, weshalb wir an der Grenze heute
noch mehr Kontrollen haben. Zudem tätigt die Schweizer Polizei
viele
Abfragen während ihrer täglichen Arbeit. Die vielen Abfragen
generieren
auch viele Treffer.
Und was passiert, wenn in einem Monat die Grenzkontrollen wegfallen?
Scherer: Wir haben dann nur noch Aussengrenzen zu Liechtenstein und an
den internationalen Flughäfen. An den anderen Landesgrenzen fallen
die
systematischen Personenkontrollen weg. Dafür müssen wir im
Unterschied
zu heute am Flughafen alle Nicht-Schengen-Bürger systematisch
kontrollieren, wodurch wir mehr Kontrollen haben. Eine gute,
längerfristige Analyse erlauben wir uns deshalb erst nach einem
Jahr.
Erleichtert das SIS die alltägliche Arbeit der Polizisten auch?
Scherer: Ja. Es ist möglich, beim Einsatz an der Front direkt
europaweit abzufragen. Der Vorteil zu früher ist die
Schnelligkeit.
Zudem gibt es bei einem Treffer im SIS nur noch eine nationale
Ansprechstelle, wir vom Sirene-Büro. Und wir haben schnelle und
eingespielte Kontakte sowie einheitliche Prozesse zu den anderen
nationalen Koordinationsstellen. Das erleichtert die Arbeit.
Im Vorfeld der Schengen-Abstimmung wurde mit einem Modell-Fall
geworben, dass ein Auto wenige Stunden nach dem Diebstahl in
Norddeutschland im Tessin bei einer Kontrolle entdeckt wird. Geschah
ein so schneller Fahndungserfolg bereits?
Scherer: Wir hatten einen Fall, wo dank des SIS eine schnelle
Verhaftung gelang. Nur wenige Stunden nach einem Tötungsdelikt in
der
Schweiz konnten die zwei Tatverdächtigen in Frankreich verhaftet
werden. Details zum Fall kann ich aber nicht nennen. Technisch stimmt
es natürlich, dass die Daten wenige Minuten nach der Eingabe bis
nach
Sizilien hinunter verfügbar sind.
Sie erhoffen sich vom SIS eine abschreckende Wirkung. Gibt es Anzeichen
dafür?
Scherer: Eine abschreckende Wirkung ist meine Hoffnung. Aber man muss
realistisch sein, beispielsweise bei der Personenfahndung. Ein Delikt
wird begangen, Schengen hin oder oder. Wir haben auch früher am
internationalen Fahndungsverbund teilgenommen. Mit Schengen geht es nun
einfach schneller und koordinierter. Aber bei Einreisesperren oder
gesuchten Sachen erhoffe ich mir eine Abschreckung.
Was sind Ihre Aufgaben beim Sirene-Büro?
Scherer: Im Trefferfall sind wir die Koordinationsstelle zwischen den
Polizeien, dem Bundesamt für Justiz und den ausländischen
SIS-Stellen.
Alle sechs Monate machen wir ein Treffen mit den kantonalen
Verantwortlichen und anderen Stellen wie dem Bundesamt für
Migration,
um uns über das SIS auszutauschen. Ausserdem besuche ich für
die
Schweiz die monatlichen europaweiten Treffen in Brüssel, wo die
nationalen Koordinationsstellen zusammenkommen. Dabei diskutieren wir
Probleme, Erfahrungen und Weiterentwicklungen des SIS.
Konnte die Schweiz dabei auch schon Vorschläge einbringen?
Scherer: Beispielsweise bei den Identitätspapieren haben wir einen
Vorschlag eingebracht, der nun diskutiert wird. Wenn ein Schweizer im
Ausland seinen Pass als gestohlen meldet, erfassen die dortigen
Behörden meist Name und Vorname der Person. In der Schweiz
registrieren
wir jedoch nur die Passnummer, nie den Namen. Denn wenn die Person im
Ausland kontrolliert wird, muss sie belegen, dass ihre
Identitätspapiere echt sind. Als Lösung könnten wir in
der Schweiz
beispielsweise die Passnummer im SIS nacherfassen. Aber die Umsetzung
des Vorschlags braucht Zeit.
-----------------------------------------
VERSCHWÖRUNG & CO.
-----------------------------------------
Tagesanzeiger 15.11.08
Verschwörungstheoretiker bekämpfen biometrische Pässe
Hinter dem Referendum gegen biometrische Pässe stecken
Verschwörungstheoretiker und eine Anti-Genozid-Partei.
Bern. - Anfang Oktober hat ein anonymes Komitee das Referendum gegen
die Einführung biometrischer Schweizer Pässe eingereicht.
Recherchen
des TA zeigen: Am fleissigsten hat die Anti-Genozid-Partei
Unterschriften gesammelt. Diese im St. Galler Rheintal ansässige
Bewegung wird von einer Sekte mitgetragen, die den im neuen Pass
eingebauten Speicherchip für ein Machwerk des Teufels und Zeichen
für
einen anstehenden Genozid an der Christenheit hält.
Mit Verschwörungstheorien wird auch auf dem Internetportal des
Referendumskomitees geworben. Gezeigt wird ein Video, worin die
Anschläge auf das World Trade Center als Inszenierung durch eine
"globale Elite" dargestellt werden. Auf der gleichen Website werden die
Namen von 15 Parlamentariern aufgeführt, die das Referendum
unterstützen. Nach Sichtung des Videos gehen die meisten Politiker
auf
Distanz zum Referendumskomitee; sie möchten den Pass nun mit einem
eigenen Abstimmungskomitee bekämpfen.
Neue Auflagen für Reisen in die USA
Die Einführung biometrischer Pässe ist eine Folge von
Forderungen aus
den USA nach dem 11. September 2001. Aus ähnlichen
Sicherheitsüberlegungen müssen Touristen und
Geschäftsreisende ab dem
12. Januar für Reisen in die USA mindestens drei Tage vor Abflug
ein
neues Internetformular ausfüllen. Andernfalls dürfen sie ihr
Flugzeug
nicht besteigen. (cav/is)
Berichte Seite 3
--
Wenn die Anti-Genozid-Partei Politik macht
Das Referendum gegen den biometrischen Pass ist massgeblich durch
Verschwörungstheoretiker zustande gekommen. Arrivierte Politiker
wollen
den Kampf nun auf eigene Faust weiterführen.
Von Gieri Cavelty, Bern
Das Video trägt den Titel "Das ultimative Ziel der globalen
Elite". Die
anonymen Filmemacher identifizieren mitunter die Familie Rockefeller
als Urheberin des Anschlages auf das World Trade Center. Angebliches
Motiv: Indem die globalen Eliten Angst verbreiten, schaffen sie sich
eine Legitimation, um jedermann einen RFID-Chip zu verpassen - jenen
Radio Frequency Identification Chip also, mit dem der geplante
biometrische Schweizer Pass bestückt sein soll. Durch diesen
funkbetriebenen Speicherchip, sagt eine Stimme im Off, würde die
Menschheit in einem "überwachten Kontrollnetz gefangen sein, dem
Individuum alle Rechte entzogen".
15 Parlamentarier mit von der Partie
Der Verschwörungsclip findet sich auf dem Internetportal des
Referendumskomitees gegen den biometrischen Pass. Auf der gleichen
Website firmieren die Schriftzüge derjenigen Organisationen, die
das
Referendum aktiv unterstützt haben oder es zumindest
begrüssen -
darunter die Grüne Partei, die Jungfreisinnigen, die Schweizer
Demokraten oder die rechtsnationalistische Gruppierung Patriots.ch.
Weiter aufgeführt werden die Namen von 15 Bundesparlamentariern
von
EDU, Grünen, SP und SVP. Diese haben allesamt ihr
Einverständnis für
die Veröffentlichung gegeben. Offensichtlich hat aber kaum einer
genauer hingeschaut, mit wem er es zu tun hatte. "Ich war in den
letzten Wochen zu sehr mit der Bankenkrise beschäftigt", sagt
beispielsweise die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne
Leutenegger-Oberholzer. "Ausserdem habe ich, ehrlich gesagt, nicht
damit gerechnet, dass das Referendum zustande kommt."
Das Parlament hat in der Sommersession mit knapper Mehrheit die
Einführung eines biometrischen Passes, der biometrischen
Identitätskarte sowie die Schaffung einer zentralen Datenbank
beschlossen. Dagegen hat eine spontan gebildete Gruppierung das
Referendum ergriffen und via Internet nach Mitstreitern gesucht. Dank
dem Sukkurs von 50 Organisationen hat das Referendumskomitee rund 63
000 Unterschriften gegen den Pass mit Speicherchip gesammelt. Herr und
Frau Schweizer können über dessen Einführung Mitte Mai
an der Urne
befinden.
Referendumsführer aufgespürt
Bislang hat das Referendumskomitee anonym agiert. Bekannt war neben dem
Portal Freiheitskampagne.ch lediglich ein Postfach im St. Gallischen
Wil: Dorthin haben die Unterschriftensammler die ausgefüllten
Bogen
jeweils gesandt.
Der TA hat jetzt die Person ausfindig gemacht, die das Referendum
initiiert und anschliessend mit der Hilfe dreier Mitstreiter
koordiniert hat. Es handelt sich um einen, wie er betont, freiwillig
stellenlosen Betriebswirtschafter aus dem Grossraum St. Gallen,
Mittdreissiger und parteilos. Mit dem Journalisten spricht er nur unter
der Zusicherung der Anonymität. Er begründet diese
Geheimniskrämerei
primär mit familiären Gründen: "Mein Vater würde es
gesundheitlich
nicht ertragen, wenn er von meinem Engagement erführe. Ausserdem
geht
es mir nicht um die persönliche Profilierung, sondern um die
Sache. Von
mir aus kann jeder, der will, einen biometrischen Pass haben. Der Zwang
dazu aber muss verhindert werden."
Für den Ostschweizer birgt die RFID-Technik Gefahren, derer sich
der
Normalbürger gar nicht bewusst sei. Die
Rockefeller-Verschwörung also?
"Es gibt Leute, die solche Ansichten leichthin als
Verschwörungstheorie
abtun", sagt der Kopf des Referendumskomitees. "Ich möchte mir
kein
solches Urteil anmassen." Sollte sich das Video indes negativ auf den
Ausgang der Abstimmung auswirken, habe er kein Problem damit, es vom
Netz zu nehmen.
Auf diesen Schritt möchte die Mehrzahl der auf der Website
aufgeführten
Politiker indes gar nicht erst warten. Lena Schneller, Präsidentin
der
Jungfreisinnigen, hat dem Komitee gestern nach Sichtung des
Verschwörungsvideos mitgeteilt, das Logo ihrer Partei sei von der
Website zu entfernen. Ihren Namen getilgt haben möchten neben
Leutenegger-Oberholzer auch die übrigen Nationalratsmitglieder der
SP,
Margret Kiener Nellen etwa oder Jean-François Steiert. Die
Parlamentarier von SP und Grünen wollen sich nun im Hinblick auf
die
Abstimmung in einem eigenen Nein-Komitee zusammentun. Juso-Chef
Cédric
Wermuth, dessen Name auf Freiheitskampagne.ch nicht auftaucht, hat
gestern die Einladung zur Gründungssitzung verschickt.
Nicht auf Distanz zum Referendumskomitee gehen möchte
SVP-Nationalrat
Lukas Reimann: "Man kann das Komitee doch nicht an einem einzigen
Videos aufhängen." Und die Nationalräte Geri Müller
(Grüne) sowie Oskar
Freysinger (SVP) finden das Video eigentlich nur aus taktischen
Gründen
deplatziert. "Es gibt genügend andere Argumente, um gegen die
Einführung biometrischer Pässe zu sein", erklärt
Freysinger. "Da müssen
wir gar nicht erst mit dem 11. September kommen." Grundsätzlich
stehen
Freysinger und Müller unorthodoxen Erklärungen für den
Anschlag auf das
World Trade Center nämlich offen gegenüber.
Der Speicherchip als Teufelszeug
Aufhorchen lässt auch die Auskunft des Ostschweizer
Referendumsführers
darüber, welche Organisation am meisten Unterschriften gesammelt
hat:
die im St. Galler Rheintal domizilierte Anti-Genozid-Partei. Diese wird
mitgetragen durch eine Sekte namens Organische Christus-Generation -
und deren Kerndogma ist die Furcht vor dem RFID-Chip: Sie betrachtet
diesen als ein Produkt Satans, mithin als Zeichen für einen
geplanten
Genozid an der Christenheit.
Die Ehefrau des Sektenführers amtet offiziell als Pressesprecherin
der
Anti-Genozid-Partei. Gleichwohl gibt sie den Medien keine Auskunft.
Grund: "Hinter den Journalisten stehen mächtige Kräfte, die
uns
bekämpfen wollen."
-------------------------------
ANTISEMITISMUS
-------------------------------
Basler Zeitung 15.11.08
Plakate wurden sichergestellt
Täterschaft weiter unbekannt
Markus Prazeller
Nach der Plakataktion gegen ein jüdisches
Lebensmittelgeschäft an der
Leimenstrasse hat die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen
unbekannt eingeleitet. Die Täter haben die Gefühle der
Betroffenen
verletzt - und die Antirassismusstrafnorm.
Das Timing für ihren Anschlag hätte kaum perfider sein
können. Einen
Tag nach dem 70. Jahrestag der Reichspogromnacht - dem Beginn des
organisierten Massenmordes an sechs Millionen Juden - klebten
Unbekannte eine antisemitische Botschaft an die Schaufenster eines
Geschäftes für Koscherprodukte an der Leimenstrasse (BaZ von
gestern).
Aufschrift der beiden Blätter im A3-Format: "Schweizer wehrt euch
-
kauft nicht bei Juden".
Guy Rueff, Präsident der Israelitischen Gemeinde Basel, bezeichnet
den
Angriff auf das Lebensmittelgeschäft gegenüber der BaZ als
"bedauernswert". Vor allem Mitgliedern seiner Gemeinde, welche die
Judenverfolgung noch am eigenen Leibe miterleben mussten, sei die
Plakataktion sehr nahegegangen. Trotzdem warnt Rueff davor, dem Vorfall
zu viel Gewicht zu geben. "Das ist ein Einzelfall. Wir beobachten keine
Zunahme solcher Aktionen."
Der Geschäftsinhaber des betroffenen Geschäftes hat bereits
am Montag
Strafanzeige eingereicht und die beiden Plakate der Staatsanwaltschaft
übergeben. Er selbst wollte sich gestern nicht äussern. Seine
Frau
sagte gegenüber der BaZ, dass sie "ziemlich überrascht"
über den
Vorfall gewesen sei. Mit der Strafanzeige bei der Polizei sei der Fall
für sie und ihren Mann aber erledigt.
Noch keine Hinweise. Gefordert ist nun die Staatsanwaltschaft. Da im
vorliegenden Fall ein Verstoss gegen die Antirassismusstrafnorm zur
Disposition steht, ist sie verpflichtet, ein Verfahren einzuleiten.
Laut Staatsanwaltschaftssprecher Markus Melzl ist dies bereits
geschehen. Konkrete Hinweise zu den Tätern seien bisher aber keine
eingegangen. Rueff hält es für möglich, dass bereits
"bekannte Figuren"
für die Aktion verantwortlich seien.
Sollten diese ermittelt werden, stehen die Chancen für eine
Verurteilung gut, sagt Peter Albrecht, Strafrechtsprofessor an der
Universität Basel. Im aktuellen Fall komme Absatz 1 der
Antirassismusstrafnorm zur Anwendung. Dort heisst es: "Wer
öffentlich
gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse,
Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wird mit
Freiheitsstrafe von bis drei Jahren oder Geldstrafe bestraft."
Albrecht: "Das dürfte den Wortlaut des Plakats wohl erfassen."
--------------------------
FINANZKRISE
--------------------------
20min.ch 15.11.08
Demo gegen Abzockerei
In der Stadt Zürich haben heute Nachmittag rund 3500 Menschen an
der nationalen Kundgebung gegen die Abzockerei teilgenommen.
Hunderte von Gewerschafterinnen und Gewerkschafter haben am
Samstagnachmittag auf dem Zürcher Paradeplatz an der
Protestkundgebung
"AHV statt Abzockerei" teilgenommen. SGB- Präsident Paul
Rechsteiner
forderte eine "soziale Wende".
Die Kundgebung sei ein starkes Signal für ein Ja zur AHV-
Initiative am
30. November, sagte der Präsident des Schweizerischen
Gewerkschaftsbundes (SGB) und SP-Nationalrat. Auf dem Paradeplatz
flatterten dutzende Unia- und einige SP-, SEV- und Attac-Fahnen.
Die Stadtpolizei schätzte die Zahl der Teilnehmenden auf 900, die
Organisatoren auf 3500. Nach Angaben der Polizei verlief die
Veranstaltung ruhig.
Das "neoliberale Abzockersystem" sei "wirtschaftlich gescheitert,
moralisch bankrott und eine Gefahr für die Demokratie", sagte
Rechsteiner als Hauptredner. Er forderte eine "soziale Wende".
Der SGB-Chef kritisierte das 68-Milliarden-Rettungspaket für die
Grossbank UBS scharf. Die gigantische Summe für eine einzige Bank
sei
per Notrecht beschlossen worden, ohne dass ein Referendum dagegen
ergriffen werden könne. Und die gleichen Leute sagten nun, die
Schweiz
könne sich ein paar hundert Millionen für die AHV nicht
leisten.
Den Bankrott der Finanzspekulation sei das Ergebnis von 30 Jahren
Neoliberalismus. Dieser stelle die sozialen Errungenschaften in Frage
und führe zur Verachtung der Arbeit der gewöhnlichen Leute.
In der aktuellen Krise sieht Rechsteiner auch die Chance für eine
soziale Wende. Dafür brauche es aber nicht bloss Retouchen am
System,
sondern eine fundamentale Neuorientierung.
Weltweit nötig sei eine Wirtschaftspolitik und funktionierende
Institutionen, die auf die realen Bedürfnisse der Menschen
ausgerichtet
seien. Sie müssten Antworten auf die zentralen Herausforderungen
Hunger, soziale Ungleichheit, Bildungsgefälle,
Umweltzerstörung und
Klimaerwärmung geben.
Franz Hohler: "Bye-bye-Investment"
Nicht nur Politiker, Gewerkschafter und Vertreter von sozialen
Bewegungen kamen an der Kundgebung zu Wort, sondern auch
Kulturschaffende. So wandte sich auch der Berner Hiphopper Greis ans
Publikum.
Der Schriftsteller und Kabarettist Franz Hohler half auf seine Weise
beim Verständnis von komplexen Finanzaktionen, indem er englische
Begriffe kreierte. Für die Schweizerische Nationalbank sei der
Auffangfonds für Schrottpapiere auf den Cayman-Inseln
beispielsweise
ein "Bye-bye-Investment".
Mitorganisator Hans Ueli Scheidegger von der Gewerkschaft Unia zeigte
sich besonders erfreut über die grosse Zahl von jungen
Gewerkschafter
aus der ganzen Schweiz, die zu der Kundgebung nach Zürich gekommen
seien. Offenbar wachse das politische Interesse der Jugendlichen wieder.
Quelle: AP
--------------------------
SANS PAPIERS
--------------------------
NZZ am Sonntag 16.11.08
Patienten ohne Papiere
Willi Wottreng
Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz können sich
medizinisch behandeln lassen und in einzelne Spitäler eintreten,
ohne
dass sie von der Fremdenpolizei belästigt werden. Auch wenn sie
illegal
im Land leben: Im Krankenzimmer bleiben sie geschützt.
Yolanda, wie wir sie nennen, kam vor vier Jahren in die Schweiz und
lebte hier als Sans-Papier. Doch erkrankte sie an einer Erkältung
oder
an einer Grippe, die nicht besserte. Zu einem Arzt wollte Yolanda nicht
gehen aus Angst, sie würde bei der Fremdenpolizei verzeigt werden.
Es
wäre das Ende ihrer Existenz in der Schweiz gewesen.
Obwohl Yolanda in ihrer Heimat Peru zwölf Jahre lang Primar- und
Sekundarschule besucht hatte, konnte sie dort ihre Familie nicht mehr
ernähren. Ihr Mann war von ihr weggegangen, ohne Adieu und
Tschüss. So
reiste sie als Touristin zum Besuch einer Cousine her, bezog mit einer
Frau in gleicher Lage eine Wohnung, die auf den Namen eines Freundes
gemietet war, und begann als Putzfrau zu arbeiten. "Ich habe drei
Kinder und wusste nicht, wie ich in Peru weiterkommen sollte",
erzählt
die 33-Jährige. Die Kinder liess sie bei der Mutter. Von der
Schweiz
aus konnte Yolanda monatlich rund 400 Dollar nach Hause schicken.
Gemäss dem Ausländergesetz darf sich eine Person mit fremdem
Pass nur
dann dauerhaft auf Schweizer Boden aufhalten, wenn sie eine
Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt. Die
Bundesverfassung verlangt dagegen vom Bund und von den Kantonen, sich
dafür einzusetzen, dass "jede Person die für ihre Gesundheit
notwendige
Pflege erhält". "Jede Person", nicht nur solche mit Schweizer
Staatsbürgerschaft oder einer Aufenthaltsbewilligung. Wie passt
das
unter einen Hut? Auf gegen 100 000 bezifferte eine Studie im Auftrag
des Bundesamtes für Migration die Zahl Menschen ohne Papiere in
der
Schweiz im Jahr 2005. Hilfsorganisationen schätzen die Zahlen
höher
ein. Mit den derzeit deutlich steigenden Zahlen von Asylgesuchen
dürfte
die Zahl derer, die letztlich ohne Aufenthaltserlaubnis bleiben, weiter
zunehmen.
"Die Kälte in der Schweiz war ich nicht gewohnt", erzählt
Yolanda,
anfänglich noch stockend und leise, später wird sie munterer.
Es war
ihr häufig schlecht, sie hatte Fieber, und die vermeintliche
Grippe
bekämpfte sie mit Vitamin C. Dabei arbeitete sie weiter. Doch
nichts
wurde besser.
Auf dringenden Rat einer Freundin begab sich Yolanda schliesslich in
die Permanence im Hauptbahnhof Zürich, um möglichst informell
zu einer
Konsultation zu kommen und die richtigen Medikamente zu erhalten. Es
kam anders. Die Ärztinnen in der Permanence untersuchten sie,
machten
ein Röntgenbild und erklärten dann, sie müsse ins
Spital. Was Yolanda
erst ablehnte. "Ich wollte nicht, ich hatte Angst." Nicht nur Angst vor
Ausweisung. Auch weil sie so etwas nie bezahlen könnte, hatte sie
doch
keine Krankenversicherung abgeschlossen. Doch die Ärztinnen in der
Permanence beharrten. Sie erklärten, ihr Leben sei in Gefahr. In
ihrem
Bericht steht: "Ambulante Behandlung aktuell nicht möglich." Und
sie
behaupteten, Yolanda würde nicht angezeigt werden.
Bis die Polizei kommt
Tritt eine Person ins Spital ein, sind die Ärzte zwar an ihre
Schweigepflicht gebunden. Die Behandlung will dennoch bezahlt sein. Im
Kanton Zürich melden Spitäler den Fall deshalb ans Kantonale
Sozialamt,
das die Kosten übernimmt, wenn der Patient oder die Patientin im
Kanton
wohnt. "Da wir keine Möglichkeit haben, den Wohnort einer Person
zu
eruieren, melden wir sie dem Migrationsamt", heisst es dort. Und die
Sprecherin des Migrationsamtes teilt mit: "Wir schicken die Polizei zu
einer Befragung." Besitzt die Person keine gültigen
Aufenthaltspapiere,
dreht sich die administrative Mühle weiter. Ergebnis wird die
Ausschaffung sein, wo diese möglich ist.
Gleichentags trat Yolanda ins Triemlispital ein. Und wurde in ein
Einzelzimmer gewiesen. Die Diagnose war schlimmer als alle
Befürchtungen. Offene Lungentuberkulose. "Ich habe das
Röntgenbild
gesehen, ihr linker Lungenflügel war von oben bis unten weiss",
sagt
ihr heutiger Hausarzt. Mit jedem Hustenstoss konnte sie andere Menschen
anstecken. Eine medizinische Behandlung war damit nicht nur im Geist
des Hippokrates erfordert. Sondern auch zum Schutz anderer Menschen.
Kosten hin oder her. Die Kostenfrage ist bei erkrankten Sans- Papiers
allerdings das kleinere Problem. Krankenkassen sind verpflichtet, alle
Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in der Schweiz haben, aufzunehmen
und für die Grundversorgung zu versichern. Das zuständige
Bundesamt -
damals das Amt für Sozialversicherungen - hatte die Versicherer
vor
einigen Jahren in einem Kreisschreiben in harschem Ton ermahnt: "Es
liegt nicht im Ermessen der Versicherer, zu entscheiden, wer sich bei
ihnen versichern kann und wer nicht." Sans-Papiers hätten
"dieselben
Rechte wie die anderen Versicherten". Das ist heute weiterhin die
Position des Bundesamtes für Gesundheit.
Für Yolanda wurde die Anlaufstelle für Sans-Papiers (SPAZ)
tätig. Sie
schloss die Krankenversicherung ab und bezahlte fürs Erste auch
die
Prämien. "Am Tag nach meiner Einweisung kam ein Arzt und sagte,
ich
müsse keine Angst haben, das Spital werde mich nicht der
Fremdenpolizei
denunzieren." Für die Spitalverwaltung war die Kostenfrage
offensichtlich geregelt, und eine Meldung ans Kantonale Sozialamt
brauchte nicht zu erfolgen. Dass Yolanda für die Versicherung
allerdings Prämien zu entrichten hatte, die sich mit Franchisen
und
Selbstbehalt auf über 4000 Franken im Jahr belaufen, sollte sie
später
doch noch in Schwierigkeiten bringen, als sie wegen ihrer Krankheit
Kunden verlor, die sie für Putzarbeiten angestellt hatten, und
keinen
Verdienst mehr hatte.
Informelle Lösungen
Die Tuberkulose Yolandas gab Anstoss, die ganze Situation schnell neu
zu regeln. Anfang 2006 war die Organisation Médecins sans
Frontières in
Zürich aktiv geworden. Die Organisation war zum Schluss gekommen,
dass
auch in der Schweiz für Sans-Papiers gesundheitliche Hilfe wie
für
Menschen in Armutsgegenden der Dritten Welt notwendig sei und dass eine
Anlaufstelle geschaffen werden müsse, die den Zugang zur
öffentlichen
Gesundheitsversorgung erleichtere. Nach dem Muster eines Pilotprojektes
in Freiburg wurde die Anlaufstelle "Meditrina" gegründet in
Zusammenarbeit mit einem lokalen Netz von Ärzten. An der
Anwandstrasse
7 eröffnete die Beratungsstelle ihre Pforten.
Und so kam es zu einer Pionier-Lösung. Meditrina gelang es,
Absprachen
mit dem Spital zu treffen. Sans-Papiers werden aufgenommen und
behandelt, ohne dass sie fremdenpolizeilich gemeldet werden. Ja selbst
ohne dass sie die obligatorische Krankenversicherung abgeschlossen
haben; bis zu einer bestimmten Höhe ist Barzahlung möglich.
Ihre
Wohnadresse bleibt dem behandelnden Personal verborgen.
Yolanda war nach einem Monat aus dem Spital entlassen worden. Von der
Lungenliga wurde sie weiter beraten. Sie erkrankte erneut, an einer
Bronchitis. Schliesslich musste ihr linker Lungenflügel
herausgenommen
werden
Derzeit sind Bestrebungen in Gang, die Vereinbarung zwischen dem
Triemlispital und dem Hilfsnetz Meditrina auf die übrigen
Spitäler im
Kanton auszudehnen und alle wichtigen medizinischen Leistungen
abzudecken.
Tuberkulosen und HIV
Frage an den beratenden Arzt der Beratungsstelle, David Winizki:
"Menschen ohne Papiere machen sich nach dem Willen des Gesetzgebers
strafbar; Sie aber helfen ihnen zu medizinischen Behandlungen und zu
Spitalaufenthalten. Umgehen Sie damit nicht den Willen des
Gesetzgebers?" Winizkis Antwort ist kategorisch: "Das Recht auf
medizinische Versorgung ist ein Menschenrecht. Darüber hinaus ist
die
Behandlung von Menschen mit ansteckenden Krankheiten - neben der
Tuberkulose etwa HIV - ein Erfordernis zur Verhinderung von Epidemien."
Das Stadtspital Triemli bestätigt auf Anfrage, dass
"mündliche
Absprachen" mit Meditrina bestehen. Und fügt hinzu: "Wir sind
sowohl
moralisch als auch gesetzlich verpflichtet, auch Menschen ohne Wohnsitz
in der Schweiz medizinisch zu behandeln." Im Übrigen habe man
Stillschweigen vereinbart. Stadtrat Robert Neukomm, dem die
städtischen
Spitäler unterstehen, will sich nicht äussern.
Winizki ist mittlerweile auch Hausarzt von Yolanda. Und er
erklärt,
nicht nur habe Lebensgefahr für sie bestanden. "Es war eine der
schwersten offenen Tuberkulosen, die ich als Arzt je gesehen habe; es
war wirklich gefährlich auch für die Umgebung."
Yolanda will vorläufig in der Schweiz bleiben: "Meine Kinder gehen
noch
zur Schule." Sie hat weniger Angst als früher, dass die Polizei
plötzlich an ihrer Wohnungstür anklopft. "Nur wenn im Tram
oder im Zug
eine Kontrolle kommt, schlägt das Herz höher." Doch jetzt
beendet sie
das gemeinsame Gespräch. Sie hat einen Termin mit einer
spanischsprechenden Dame aus einem reichen Zürcher Vorort.
Vielleicht
wird sie einen Putzauftrag erhalten.
be
David Winizki
--
Wie machen es andere grosse Spitäler?
wot
Auf eine Umfrage antworten Inselspital Bern, Universitätsspital
Basel und Chuv in Lausanne folgendermassen:
Alle drei erwähnten Spitälerbehandeln Sans-Papiers,wenn es
sich um einen Notfall handelt.
Besitzt ein Patient oder eine Patientin keine Versicherung,
sindBarzahlungs lösungen denkbar.Wobei in nicht dringlichen
Fällen
Patienten abgewiesen werden können - das erwähnt Bern. Basel
stellt bei
Geldproblemen den Kontakt zur "Beratungsstelle für Sans-Papiers"
her,
Bern und Lausanne nennen die Möglichkeit kantonaler
Unterstützung.
In Bern und Lausanne werden Personen im Zusammenhang mit der Suche nach
Finanzierungslösungenunter Um ständen kantonalen Stellen
gemeldet.Basel
lässt verlauten: "Wir melden die Sans-Papiers grundsätzlich
keiner
Behörde."(wot.)
---------------------------
GUANTANAMO
---------------------------
BZ 15.11.08
Guantánamo-Häftling
Kein Asyl für "Herrn Li"
Drei Guantánamo-Häftlinge haben in der Schweiz Asylgesuche
gestellt. Laut Amnesty International wurden diese abgelehnt.
Das Bundesamt für Migration bestätigte, dass bei den
Asylgesuchen von
drei Guantánamo-Häftlingen ein Entscheid gefällt
worden sei. Gemäss
Amnesty International (AI) fiel er negativ aus, die drei Personen
werden in der Schweiz kein Asyl erhalten. Einer dieser Asylsuchenden
erlangte Bekanntheit als "Herr Li", weil er von SVP-Nationalrat
Christoph Mörgeli in einer Kolumne in dieser Zeitung so bezeichnet
wurde.
Der 29-jährige "Herr Li" wuchs als Angehöriger der
muslimischen
Minderheit der Uiguren im Westen Chinas auf. Gemäss Angaben von
Amnesty
International ist er in China wegen "politischer Verbrechen" zur
Verhaftung ausgeschrieben, da er in den 90er-Jahren an einer
politischen Demonstration teilgenommen habe. Er kann deshalb nicht nach
China zurück.
Nähe zu Terrorismus?
"Li" floh nach Afghanistan und später nach Pakistan, wo er
verhaftet
und im Mai 2002 ins Gefangenenlager Guantánamo gebracht wurde.
Man warf
ihm vor, Mitglied der islamischen Bewegung von Ostturkestan gewesen zu
sein, einer Gruppierung, die von Al-Qaida unterstützt werde. Weil
es
aber nie zu einer Anklage gekommen ist, sollte "Herr Li" schon seit
längerer Zeit freigelassen werden. Bisher hat sich aber kein
Drittstaat
bereit erklärt, ihn aufzunehmen, es bleibt ihm und 16 weiteren
Uiguren
deshalb nichts anderes übrig, als in Haft zu bleiben.
Gemäss AI schrieb das Bundesamt für Migration in ihrem
ablehnenden
Entscheid, die Nähe von "Herrn Li" zu einer terroristischen
Organisation sei nicht auszuschliessen. Es gebe deshalb ein
öffentliches Interesse, das gegen seine Aufnahme spreche.
Kolumnist
Christoph Mörgeli bezeichnete "Herrn Li" als "Terrortouristen". In
seiner Kolumne fragte er: "Sollen Extremisten, Terroristen und
Kriminelle Asylgesuche stellen dürfen und sich damit der Justiz in
ihren Heimatländern entziehen?" AI-Sprecher Daniel Graf sieht das
anders: "Selbst die USA bringen ‹Herrn Li› nicht mit Terrorismus in
Verbindung."
Derzeit wird erwogen, Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesamtes
für Migration einzulegen. Denn auch wenn der neue amerikanische
Präsident Barack Obama Guantánamo schliessen will, bleibt
die Zukunft
von "Herrn Li" ungewiss. Ein US-Richter hat zwar entschieden, die
freigelassenen Uiguren dürften in die USA einreisen, doch gegen
diesen
Entscheid wurde Rekurs eingelegt, der noch hängig ist.
50 Häftlinge
Insgesamt wollen die USA 50 Guantánamo-Häftlinge
freilassen. In ihre
Heimatländer können diese Personen nicht zurückkehren,
weil ihnen dort
wie "Herrn Li" erneut Haft droht. Die anderen zwei
Guantánamo-Häftlinge, die in der Schweiz um Asyl ersucht
hatten,
stammen gemäss AI aus Libyen und Algerien.
Brigitte Walser
-----------------
EURO 08
-----------------
Sonntag 16.11.08
Euro 08: Polizei hat 420 Personen verzeigt
Der noch unveröffentlichte Schlussbericht des Teilprojekts
Sicherheit zeigt: Es gab wenig Gewaltübergriffe an der Fussball-EM
Vor und während der Europameisterschaft hat die Polizei 420
Personen
verzeigt. Experten ziehen im Sicherheitsbericht eine positive Bilanz.
von claudia marinka
Am 20. November wird Bundesrat Samuel Schmid seine Schlussbilanz der
Euro 08 präsentieren. Der Evaluationsbericht des nationalen
Sicherheitskonzeptes liegt dem "Sonntag" schon vor.
Unmittelbar vor und während der Euro 08 hat das Bundesamt für
Polizei
rund 6700 ausländische "Gewalttäter Sport" temporär in
die
Hooligan-Datenbank Hoogan aufgenommen. Diese Daten kamen zu den rund
380 bereits registrierten inländischen Delinquenten hinzu. Laut
der
Projektorganisation wurden die Daten der ausländischen Hooligans
am 30.
Juni wieder gelöscht.
Während der grössten Sportveranstaltung, die die Schweiz je
durchgeführt hat, wurden gegen 46 Personen Rayonverbote
ausgesprochen,
davon 27 in Zürich. Die Polizei hat während der Euro 08 rund
1000
freiheitsentziehende Massnahmen getroffen; darunter fallen Festnahmen
und Verhaftungen. Insgesamt 420 Personen hat die Polizei verzeigt. Die
Probleme lagen laut Sicherheitsbericht demnach im Promillebereich: Pro
4800 Besucher gab es eine freiheitsentziehende Massnahme. Darin
eingeschlossen sind die gewaltsamen Übergriffe zwischen Fans und
auf
die Polizei. 4762 Personen wurden in den Sanitätshilfestellen
behandelt
- 595 Personen mussten ins Spital eingeliefert werden.
Der Schlussbericht entkräftet, dass Terroranschläge auf die
Schweiz
geplant waren, wie es im Vorfeld zur Euro immer wieder geheissen hatte.
Öffentlich ein Thema waren die angeblichen Anschlagspläne in
islamistischen Internetforen. Schweizer Nachrichtendienste stellten
jedoch fest, dass die Euro 08 "wenig" thematisiert wurde.
Derweil musste die Sicherheit der Regierungsmitglieder
gewährleistet
werden. Die Schweiz hatte die prominenten Magistraten, welche die
Schweiz besuchten, ausreichend zu schützen: Für 165 Personen
führte das
Bundesamt für Polizei Gefährdungsbeurteilungen durch,
für 53 Personen
ordnete sie Personenschutzmassnahmen an.
Auch in der Luft gab es ein Dispositiv: Die Sicherheitskräfte
leisteten
über 300 Flugstunden. In den Flugbeschränkungsgebieten kam es
zu sechs
Luftraumverletzungen. Für die drei Austragungsorte Basel,
Zürich und
Bern wurden 27 Einsätze mit Drohnen geflogen. Und am Boden konnte
das
Grenzwachtkorps im Zeitraum vom 7. Juni bis zum 29. Juni 149 illegale
Einreisen verhindern und musste 702 Rückweisungen an der Grenze
vollziehen.
Fazit der Verantwortlichen, wie es im Sicherheitsbericht steht: "Es gab
keinen Ernstfall, und es kam zu keinen gravierenden Ereignissen."
Insgesamt sahen 507 446 Zuschauer die Spiele in Schweizer Stadien.
Jedes der 31 Spiele wurde von mindestens 155 Millionen
Fernsehzuschauern live verfolgt. 4,8 Millionen Zuschauer strömten
in
die Fanzonen der Austragungsorte Basel, Bern, Genf und Zürich.
Kostenpunkt der Sicherheit: 56 Millionen Franken.