MEDIENSPIEGEL 16.11.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Wahlk(RH)ampf: Podium zu Drogen + Reitschule
- Medien: Ende von "Der Bund"?
- Anti-Atom: Mühleberg-Panne
- Schengen: Big Brother Hotel & Datenbank-Praxis
- Biometrie & Verschwörungsfantasien
- Antisemismus: Fall Basel
- Finanzkrise: Demo in ZH
- Sanspapiers & Gesundheit
- Guantanamo: Kein Asyl
- Euro 08: 420 Anzeigen, 56 Mio Sicherheitskosten

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REITSCHULE
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Nov 08: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Di 18.11.08  
20.30 Uhr - Tojo   - Walterli - Das Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli

Mi 19.11.08
19.00 Uhr - SousLePont - Berner Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - Walterli - Das Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli

Do 20.11.08
20.30 Uhr - Tojo - Walterli - Das Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli
20.30 Uhr - Kino - Dogma und mehr: AFTER THE WEDDING - Susanne Bier, Dänemark 2006
22.00 Uhr - I Fluss - FIASKO TOUR: Egogrill, Misathrop, Audio88, Cocon & DJ Phonatic

Fr 21.11.08
19.00 Uhr - Frauenraum - Ausstellung von Sophie Roth, Vernissage
20.30 Uhr - Tojo - Walterli - Das Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli
21.00 Uhr - Kino - Dogma und mehr: AFTER THE WEDDING - Susanne Bier, Dänemark 2006
22.00 Uhr - Dachstock - Gogo Ghouls Plattentaufe! Special Guests: Lombego Surfers (CH), Support: DJ Black Sally > Rock/Surf/Rockabilly

Sa 22.11.08
13.00 Uhr - Frauenraum - Ausstellung von Sophie Roth
20.30 Uhr - Tojo - Walterli - Das Theater. Timmermahn/Marco Morelli/Ursula Stäubli
21.00 Uhr - Kino - Dogma und mehr: AFTER THE WEDDING - Susanne Bier, Dänemark 2006
22.00 Uhr - SousLePont - Soli Abend "Music against Racism": Zirka (BE), Outlaw (BE), Ska-Punk, Punk and more
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside presents: Audio (Tech Freak Rec/UK), Support: Axiom (Renegade Hardware/CH), VCA (Biotic Rec/CH), Lewin (drumnbass.ch) > Drum'n'Bass

So 23.11.08
13.00 Uhr - Frauenraum - Ausstellung von Sophie Roth

Infos: www.reitschule.ch


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WAHLK(rh)AMPF
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gymkirchenfeld.ch 3.11.08

Podiumsdiskussion
"Die Reithalle, die Drogenpolitik und die Hanf-Initiative"

18. November 2008, 18.00 Uhr
Aula Gymnasium Kirchenfeld, Bern

Moderation: Toni Koller (DRS)
Politiker: Edith Olibet (SP), Lea Bill (JA), Stephan Hügli (die Mitte), Erich Hess (SVP)

(3.11.2008)

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Flyer Nov 08

Die Reithalle und ihr Vorplatz mit Dealern und Drogenabhängigen.
Die Drogenpolitik und die Hanf-Initiative vom 30. November.

Dienstag, 18.11.2008, 18.00, Aula des Gymnasiums Kirchenfeld

Anschliessend Fragerunde und Apéro

Moderation: Toni Koller (DRS)

Diskutierende: Erich Hess (JSVP), Stephan Hügli (Die Mitte), Edith  Olibet (SP), Lea Bill (Junge Alternative)

Sponsoren: Die Schülerräte der drei Abteilungen Gymerverein Kirchenfeld

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MEDIEN
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Sonntag 16.11.08

Lässt Tamedia den "Bund" fallen?

Vieles deutet darauf hin, dass die Berner Traditionszeitung vor dem Aus steht

Der Zürcher Grosskonzern Tamedia sendet undeutliche Signale in Bezug auf den Medienplatz Bern aus. Klar scheint bloss: Die Tageszeitung "Der Bund" hat kaum eine Überlebenschance.

Von Kurt-Emil Merki

Bis vor kurzem hatte Tamedia-CEO Martin Kall einigermassen präzise Vorstellungen darüber, wie es auf dem Platz Bern weitergehen sollte. Zwei eigenständige Zeitungen - "Berner Zeitung" und "Der Bund" - betrachtete der knallharte Rechner als kommerziellen Unsinn. Vor knapp einem Jahr dachte der norddeutsche Medienmanager im "Sonntag" laut über die Zukunft in Züri-West nach. Die Essenz seiner Überlegungen war eigentlich eine Drohung: Das Berner Modell - zwei Tageszeitungen aus dem gleichen Haus - sollte nur fortgesetzt werden, "wenn die publizistische und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stimmen".

Es ist nicht davon auszugehen, dass der "Bund" dieses Jahr schwarze Zahlen schreibt. Das hat bei Tamedia zu einer radikalen Neubeurteilung der Lage geführt. Die von Kall ausgeheckte Idee, dem "Bund" einen "Tages-Anzeiger"-Mantel überzustülpen und als Label weiter im Markt zu belassen, ist nach Informationen, die dem "Sonntag" bekannt sind, vom Tisch. Jetzt wird an der Zürcher Werdstrasse an einem Ein-Zeitungs-Modell für Bern gebastelt.

Verlierer scheint der 160-jährige "Bund" zu sein. Noch ist offen, was dies für das Personal bedeutet. Wird der "Bund" eingestellt und die "Berner Zeitung" im heutigen Stil weitergeführt? Oder wird die "Berner Zeitung" ausgebaut und die Redaktion mit einigen "Bund"-Journalisten verstärkt? Wenn Tamedia die "Bund"-Leser nicht an die "NZZ" verlieren will, bleibt eigentlich nur die zweite Lösung.

Klar ist, dass die Arbeitsverträge aller Neueingestellten bis 31. Dezember 2008 befristet sind. Unklar jedoch, wann das Personal über die Berner Pläne von Tamedia informiert wird. Ursprünglich hatte man die vereinigten Redaktionen von "BZ" und "Bund" spätestens zu Beginn der anbrechenden Woche zusammenrufen wollen; dieser Termin zögert sich aber hinaus. Es müssen Szenarien entwickelt werden, wie man dem zu erwartenden Protest von Politikern, Wirtschaftsleuten, Gewerkschaftern und gewöhnlichen Lesern begegnen will.

Die sich abzeichnende Einstellung der Berner Traditionszeitung verrät die markante Handschrift von Tamedia-Verwaltungsratspräsident Pietro Supino, der sich wesentlich ungenierter ins Geschäft einmischt als der schöngeistigere Vorgänger Hans-Heinrich Coninx. Supino hat die Pläne seines CEO emotionslos durchkreuzt. Ihn kümmern auch die Existenz-Garantien nicht, die Charles von Graffenried und Albert Stäheli einst in Bezug auf den "Bund" abgegeben haben. Von Graffenried und Stäheli hatten vor dem Verkauf der Espace Media Groupe an Tamedia auf dem Medienplatz Bern das Sagen.

Und so äussert sich Tamedia zu den "Sonntag"-Recherchen: "Eine Projektgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern aller Redaktionen und Verlage ist seit Juni an der Arbeit. Die Projektgruppe analysiert publizistische Konzepte sowie Kosten- und Erlösstrukturen. Eine offene und konstruktive Diskussion kann nur in einem vertraulichen Rahmen entstehen. Wir informieren deshalb nicht laufend öffentlich über die Inhalte des Projektes. Wir werden aber in den nächsten Monaten über einen Zwischenstand informieren."

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ANTI-ATOM
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20min.ch 15.11.08

KKW-Reaktor schaltet sich ab

Panne im KKW: Im Kernkraftwerk Mühleberg ist eine automatische Reaktorabschaltung ausgelöst worden.

Dies geschah bei einer planmässigen Prüfung. Es wurden keine erhöhten Radioaktivitätswerte gemessen.
Die Anlage befinde sich in einem sicheren Zustand, teilte die Betreiberin BKW FMB Energie AG mit. Im Laufe des Tages könne der Reaktor voraussichtlich wieder hochgefahren werden.

Während des Wochenendes führt die BKW in Zusammenarbeit mit der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) in Mühleberg routinemässige Tests an der Anlage durch, wie BKW-Sprecher Sebastian Vogler auf Anfrage sagte. Die Abschaltung sei ausgelöst worden, als sich zwischen zwei Tests der Rückgang zum Normalzustand verzögerte.

Der nächste Test wurde ausgelöst, bevor der Normalzustand hergestellt war. Die Gründe für die Verzögerung seien noch unklar, so Vogler. Bereits am Freitag musste im AKW Beznau im Kanton Aargau eine der beiden Hochdruckturbinen für Reparaturen an einer lecken Entwässerungsleitung während drei Stunden abgeschaltet werden.

Quelle: SDA/ATS

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SCHENGEN
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Sonntagszeitung 16.11.08

Um 05.30 Uhr weiss die Polizei Bescheid

Angaben von Hotelgästen landen diskret in der Schengener Fahndungsdatenbank SIS

Zürich Schweizer Hotelgäste werden in Zukunft automatisch und diskret mithilfe der Schengener Fahndungsdatenbank SIS kontrolliert. Bereits läuft bei der Zürcher Kantonspolizei ein Pilotprojekt. Von den 350 Hotels und Zeltplätzen des Kantons beteiligen sich über 50 am Projekt.

Über eine Schnittstelle in der Betriebssoftware übermitteln die Hoteliers die Angaben ihrer Kunden an die Polizei. Dazu gehören neben Name und Nationalität auch die Zimmernummer und Informationen zu Ausweispapieren und Fahrzeugen. Kleinere Hotels schicken die Angaben über eine Internetmaske zur Polizei.

Über Nacht werden die Daten mit der Schweizer Fahndungsdatenbank Ripol und dem Schengener Informationssystem SIS abgeglichen. Im SIS sind elf Millionen gesuchte Personen, Ausweise und Fahrzeuge verzeichnet.

Spätestens um 5.30 Uhr in der Früh sind die Daten aufbereitet: Auf den Bildschirmen der Polizei scheinen die Gesuchten auf. Allein im Kanton Zürich werden so in Zukunft jährlich 1,6 Millionen Hotelgäste überprüft.

Stimmen die Angaben nicht, kommt der Falsche dran

"Wir haben eine gute Trefferquote", sagte Fahndungschef Bernhard Ries diese Woche am Schweizer Polizei-Informatik-Kongress. Bei den Hotels pocht Ries auf Präzision bei der Dateneingabe: "Sonst kann es sein, dass wir den Falschen aus dem Bett holen." Bereits haben andere Kantone Interesse angemeldet. Ein ähnliches System läuft schon in Basel. Martin Stoll

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20min.ch 14.11.08

"Ein Delikt wird begangen — Schengen hin oder her"

von Lukas Mäder

Täglich 130 000 Abfragen und bis zu 30 Treffer: Die Schengen-Datenbank SIS ist für die Schweiz ein Erfolg. Doch Verbrechen verhindern kann das System nur begrenzt.

20 international gesuchte Straftäter sind der Schweizer Polizei in drei Monaten ins Netz gegangen. Den Erfolg verdanken die Behörden dem Schengen-Informationssystem (SIS), einer Datenbank, in der gesuchte Personen, Fahrzeuge und Gegenstände registriert sind (20 Minuten berichtete). Der Leiter des Schweizer Koordinationsbüros für das SIS, Benedikt Scherer, erklärt im Interview mit 20 Minuten Online, warum die Erfolgsquote wieder sinken könnte.

Das Schengen-Informationssystem (SIS) ist seit dem 14. August in Betrieb. Wie ist Ihre bisherige Bilanz?

Benedikt Scherer: Die Bilanz ist sehr positiv. Das SIS ist ein effizientes, stabiles System. Und wir haben eine hohe Trefferbilanz, auch im internationalen Vergleich.

Warum?

Scherer: Weil wir relativ zur Grösse unseres Landes viele Abfragen machen. Wir haben eine technisch gute und effiziente Lösung gewählt. Jede Suche im nationalen System Ripol wird automatisch auch im SIS durchgeführt. Eine Polizeistreife kann also beispielsweise über Funk die Einsatzzentrale beauftragen, eine Person im SIS zu überprüfen. So haben wir über 130 000 Anfragen pro Tag. Daraus resultieren schweizweit 25 bis 30 Treffer täglich.

Sind die Treffer vor allem gestohlene Autos, oder finden Sie auch Kriminelle?

Scherer: Bis heute verzeichneten wir knapp 2000 Treffer, davon fallen etwas mehr als ein Viertel auf Sachen. Rund 95 Prozent davon sind Identitätspapiere wie gestohlene oder verlorene Pässe. Im SIS sind aber nicht alle möglichen gestohlenen Gegenstände registriert, sondern neben Identitätspapieren nur noch Waffen, Autos und registriertes Geld, das beispielsweise bei Entführungen zum Einsatz kommt. Rund 1200 Treffer verzeichnen wir bis heute auf Personen, was eine äusserst hohe Quote ist.

Macht die Schweizer Polizei nicht einfach die Arbeit für die anderen Polizeikorps in Schengen?

Scherer: Nein. Das ist so eine falsche Aussage. Nach drei Monaten ist es noch zu früh für eine abschliessende Analyse. Aufgrund unserer Lage im Herzen Europas haben wir viel Transitverkehr. Zudem sind unsere Grenzen theoretisch noch geschlossen, weshalb wir an der Grenze heute noch mehr Kontrollen haben. Zudem tätigt die Schweizer Polizei viele Abfragen während ihrer täglichen Arbeit. Die vielen Abfragen generieren auch viele Treffer.

Und was passiert, wenn in einem Monat die Grenzkontrollen wegfallen?

Scherer: Wir haben dann nur noch Aussengrenzen zu Liechtenstein und an den internationalen Flughäfen. An den anderen Landesgrenzen fallen die systematischen Personenkontrollen weg. Dafür müssen wir im Unterschied zu heute am Flughafen alle Nicht-Schengen-Bürger systematisch kontrollieren, wodurch wir mehr Kontrollen haben. Eine gute, längerfristige Analyse erlauben wir uns deshalb erst nach einem Jahr.

Erleichtert das SIS die alltägliche Arbeit der Polizisten auch?

Scherer: Ja. Es ist möglich, beim Einsatz an der Front direkt europaweit abzufragen. Der Vorteil zu früher ist die Schnelligkeit. Zudem gibt es bei einem Treffer im SIS nur noch eine nationale Ansprechstelle, wir vom Sirene-Büro. Und wir haben schnelle und eingespielte Kontakte sowie einheitliche Prozesse zu den anderen nationalen Koordinationsstellen. Das erleichtert die Arbeit.

Im Vorfeld der Schengen-Abstimmung wurde mit einem Modell-Fall geworben, dass ein Auto wenige Stunden nach dem Diebstahl in Norddeutschland im Tessin bei einer Kontrolle entdeckt wird. Geschah ein so schneller Fahndungserfolg bereits?

Scherer: Wir hatten einen Fall, wo dank des SIS eine schnelle Verhaftung gelang. Nur wenige Stunden nach einem Tötungsdelikt in der Schweiz konnten die zwei Tatverdächtigen in Frankreich verhaftet werden. Details zum Fall kann ich aber nicht nennen. Technisch stimmt es natürlich, dass die Daten wenige Minuten nach der Eingabe bis nach Sizilien hinunter verfügbar sind.

Sie erhoffen sich vom SIS eine abschreckende Wirkung. Gibt es Anzeichen dafür?

Scherer: Eine abschreckende Wirkung ist meine Hoffnung. Aber man muss realistisch sein, beispielsweise bei der Personenfahndung. Ein Delikt wird begangen, Schengen hin oder oder. Wir haben auch früher am internationalen Fahndungsverbund teilgenommen. Mit Schengen geht es nun einfach schneller und koordinierter. Aber bei Einreisesperren oder gesuchten Sachen erhoffe ich mir eine Abschreckung.

Was sind Ihre Aufgaben beim Sirene-Büro?

Scherer: Im Trefferfall sind wir die Koordinationsstelle zwischen den Polizeien, dem Bundesamt für Justiz und den ausländischen SIS-Stellen. Alle sechs Monate machen wir ein Treffen mit den kantonalen Verantwortlichen und anderen Stellen wie dem Bundesamt für Migration, um uns über das SIS auszutauschen. Ausserdem besuche ich für die Schweiz die monatlichen europaweiten Treffen in Brüssel, wo die nationalen Koordinationsstellen zusammenkommen. Dabei diskutieren wir Probleme, Erfahrungen und Weiterentwicklungen des SIS.

Konnte die Schweiz dabei auch schon Vorschläge einbringen?

Scherer: Beispielsweise bei den Identitätspapieren haben wir einen Vorschlag eingebracht, der nun diskutiert wird. Wenn ein Schweizer im Ausland seinen Pass als gestohlen meldet, erfassen die dortigen Behörden meist Name und Vorname der Person. In der Schweiz registrieren wir jedoch nur die Passnummer, nie den Namen. Denn wenn die Person im Ausland kontrolliert wird, muss sie belegen, dass ihre Identitätspapiere echt sind. Als Lösung könnten wir in der Schweiz beispielsweise die Passnummer im SIS nacherfassen. Aber die Umsetzung des Vorschlags braucht Zeit.

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VERSCHWÖRUNG & CO.
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Tagesanzeiger 15.11.08

Verschwörungstheoretiker bekämpfen biometrische Pässe

Hinter dem Referendum gegen biometrische Pässe stecken Verschwörungstheoretiker und eine Anti-Genozid-Partei.

Bern. - Anfang Oktober hat ein anonymes Komitee das Referendum gegen die Einführung biometrischer Schweizer Pässe eingereicht. Recherchen des TA zeigen: Am fleissigsten hat die Anti-Genozid-Partei Unterschriften gesammelt. Diese im St. Galler Rheintal ansässige Bewegung wird von einer Sekte mitgetragen, die den im neuen Pass eingebauten Speicherchip für ein Machwerk des Teufels und Zeichen für einen anstehenden Genozid an der Christenheit hält.

Mit Verschwörungstheorien wird auch auf dem Internetportal des Referendumskomitees geworben. Gezeigt wird ein Video, worin die Anschläge auf das World Trade Center als Inszenierung durch eine "globale Elite" dargestellt werden. Auf der gleichen Website werden die Namen von 15 Parlamentariern aufgeführt, die das Referendum unterstützen. Nach Sichtung des Videos gehen die meisten Politiker auf Distanz zum Referendumskomitee; sie möchten den Pass nun mit einem eigenen Abstimmungskomitee bekämpfen.

Neue Auflagen für Reisen in die USA

Die Einführung biometrischer Pässe ist eine Folge von Forderungen aus den USA nach dem 11. September 2001. Aus ähnlichen Sicherheitsüberlegungen müssen Touristen und Geschäftsreisende ab dem 12. Januar für Reisen in die USA mindestens drei Tage vor Abflug ein neues Internetformular ausfüllen. Andernfalls dürfen sie ihr Flugzeug nicht besteigen. (cav/is)

Berichte Seite 3

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Wenn die Anti-Genozid-Partei Politik macht

Das Referendum gegen den biometrischen Pass ist massgeblich durch Verschwörungstheoretiker zustande gekommen. Arrivierte Politiker wollen den Kampf nun auf eigene Faust weiterführen.

Von Gieri Cavelty, Bern

Das Video trägt den Titel "Das ultimative Ziel der globalen Elite". Die anonymen Filmemacher identifizieren mitunter die Familie Rockefeller als Urheberin des Anschlages auf das World Trade Center. Angebliches Motiv: Indem die globalen Eliten Angst verbreiten, schaffen sie sich eine Legitimation, um jedermann einen RFID-Chip zu verpassen - jenen Radio Frequency Identification Chip also, mit dem der geplante biometrische Schweizer Pass bestückt sein soll. Durch diesen funkbetriebenen Speicherchip, sagt eine Stimme im Off, würde die Menschheit in einem "überwachten Kontrollnetz gefangen sein, dem Individuum alle Rechte entzogen".

15 Parlamentarier mit von der Partie

Der Verschwörungsclip findet sich auf dem Internetportal des Referendumskomitees gegen den biometrischen Pass. Auf der gleichen Website firmieren die Schriftzüge derjenigen Organisationen, die das Referendum aktiv unterstützt haben oder es zumindest begrüssen - darunter die Grüne Partei, die Jungfreisinnigen, die Schweizer Demokraten oder die rechtsnationalistische Gruppierung Patriots.ch.

Weiter aufgeführt werden die Namen von 15 Bundesparlamentariern von EDU, Grünen, SP und SVP. Diese haben allesamt ihr Einverständnis für die Veröffentlichung gegeben. Offensichtlich hat aber kaum einer genauer hingeschaut, mit wem er es zu tun hatte. "Ich war in den letzten Wochen zu sehr mit der Bankenkrise beschäftigt", sagt beispielsweise die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer. "Ausserdem habe ich, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dass das Referendum zustande kommt."

Das Parlament hat in der Sommersession mit knapper Mehrheit die Einführung eines biometrischen Passes, der biometrischen Identitätskarte sowie die Schaffung einer zentralen Datenbank beschlossen. Dagegen hat eine spontan gebildete Gruppierung das Referendum ergriffen und via Internet nach Mitstreitern gesucht. Dank dem Sukkurs von 50 Organisationen hat das Referendumskomitee rund 63 000 Unterschriften gegen den Pass mit Speicherchip gesammelt. Herr und Frau Schweizer können über dessen Einführung Mitte Mai an der Urne befinden.

Referendumsführer aufgespürt

Bislang hat das Referendumskomitee anonym agiert. Bekannt war neben dem Portal Freiheitskampagne.ch lediglich ein Postfach im St. Gallischen Wil: Dorthin haben die Unterschriftensammler die ausgefüllten Bogen jeweils gesandt.

Der TA hat jetzt die Person ausfindig gemacht, die das Referendum initiiert und anschliessend mit der Hilfe dreier Mitstreiter koordiniert hat. Es handelt sich um einen, wie er betont, freiwillig stellenlosen Betriebswirtschafter aus dem Grossraum St. Gallen, Mittdreissiger und parteilos. Mit dem Journalisten spricht er nur unter der Zusicherung der Anonymität. Er begründet diese Geheimniskrämerei primär mit familiären Gründen: "Mein Vater würde es gesundheitlich nicht ertragen, wenn er von meinem Engagement erführe. Ausserdem geht es mir nicht um die persönliche Profilierung, sondern um die Sache. Von mir aus kann jeder, der will, einen biometrischen Pass haben. Der Zwang dazu aber muss verhindert werden."

Für den Ostschweizer birgt die RFID-Technik Gefahren, derer sich der Normalbürger gar nicht bewusst sei. Die Rockefeller-Verschwörung also? "Es gibt Leute, die solche Ansichten leichthin als Verschwörungstheorie abtun", sagt der Kopf des Referendumskomitees. "Ich möchte mir kein solches Urteil anmassen." Sollte sich das Video indes negativ auf den Ausgang der Abstimmung auswirken, habe er kein Problem damit, es vom Netz zu nehmen.

Auf diesen Schritt möchte die Mehrzahl der auf der Website aufgeführten Politiker indes gar nicht erst warten. Lena Schneller, Präsidentin der Jungfreisinnigen, hat dem Komitee gestern nach Sichtung des Verschwörungsvideos mitgeteilt, das Logo ihrer Partei sei von der Website zu entfernen. Ihren Namen getilgt haben möchten neben Leutenegger-Oberholzer auch die übrigen Nationalratsmitglieder der SP, Margret Kiener Nellen etwa oder Jean-François Steiert. Die Parlamentarier von SP und Grünen wollen sich nun im Hinblick auf die Abstimmung in einem eigenen Nein-Komitee zusammentun. Juso-Chef Cédric Wermuth, dessen Name auf Freiheitskampagne.ch nicht auftaucht, hat gestern die Einladung zur Gründungssitzung verschickt.

Nicht auf Distanz zum Referendumskomitee gehen möchte SVP-Nationalrat Lukas Reimann: "Man kann das Komitee doch nicht an einem einzigen Videos aufhängen." Und die Nationalräte Geri Müller (Grüne) sowie Oskar Freysinger (SVP) finden das Video eigentlich nur aus taktischen Gründen deplatziert. "Es gibt genügend andere Argumente, um gegen die Einführung biometrischer Pässe zu sein", erklärt Freysinger. "Da müssen wir gar nicht erst mit dem 11. September kommen." Grundsätzlich stehen Freysinger und Müller unorthodoxen Erklärungen für den Anschlag auf das World Trade Center nämlich offen gegenüber.

Der Speicherchip als Teufelszeug

Aufhorchen lässt auch die Auskunft des Ostschweizer Referendumsführers darüber, welche Organisation am meisten Unterschriften gesammelt hat: die im St. Galler Rheintal domizilierte Anti-Genozid-Partei. Diese wird mitgetragen durch eine Sekte namens Organische Christus-Generation - und deren Kerndogma ist die Furcht vor dem RFID-Chip: Sie betrachtet diesen als ein Produkt Satans, mithin als Zeichen für einen geplanten Genozid an der Christenheit.

Die Ehefrau des Sektenführers amtet offiziell als Pressesprecherin der Anti-Genozid-Partei. Gleichwohl gibt sie den Medien keine Auskunft. Grund: "Hinter den Journalisten stehen mächtige Kräfte, die uns bekämpfen wollen."

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ANTISEMITISMUS
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Basler Zeitung 15.11.08

Plakate wurden sichergestellt

Täterschaft weiter unbekannt

Markus Prazeller

Nach der Plakataktion gegen ein jüdisches Lebensmittelgeschäft an der Leimenstrasse hat die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen unbekannt eingeleitet. Die Täter haben die Gefühle der Betroffenen verletzt - und die Antirassismusstrafnorm.

Das Timing für ihren Anschlag hätte kaum perfider sein können. Einen Tag nach dem 70. Jahrestag der Reichspogromnacht - dem Beginn des organisierten Massenmordes an sechs Millionen Juden - klebten Unbekannte eine antisemitische Botschaft an die Schaufenster eines Geschäftes für Koscherprodukte an der Leimenstrasse (BaZ von gestern). Aufschrift der beiden Blätter im A3-Format: "Schweizer wehrt euch - kauft nicht bei Juden".

Guy Rueff, Präsident der Israelitischen Gemeinde Basel, bezeichnet den Angriff auf das Lebensmittelgeschäft gegenüber der BaZ als "bedauernswert". Vor allem Mitgliedern seiner Gemeinde, welche die Judenverfolgung noch am eigenen Leibe miterleben mussten, sei die Plakataktion sehr nahegegangen. Trotzdem warnt Rueff davor, dem Vorfall zu viel Gewicht zu geben. "Das ist ein Einzelfall. Wir beobachten keine Zunahme solcher Aktionen."

Der Geschäftsinhaber des betroffenen Geschäftes hat bereits am Montag Strafanzeige eingereicht und die beiden Plakate der Staatsanwaltschaft übergeben. Er selbst wollte sich gestern nicht äussern. Seine Frau sagte gegenüber der BaZ, dass sie "ziemlich überrascht" über den Vorfall gewesen sei. Mit der Strafanzeige bei der Polizei sei der Fall für sie und ihren Mann aber erledigt.

Noch keine Hinweise. Gefordert ist nun die Staatsanwaltschaft. Da im vorliegenden Fall ein Verstoss gegen die Antirassismusstrafnorm zur Disposition steht, ist sie verpflichtet, ein Verfahren einzuleiten. Laut Staatsanwaltschaftssprecher Markus Melzl ist dies bereits geschehen. Konkrete Hinweise zu den Tätern seien bisher aber keine eingegangen. Rueff hält es für möglich, dass bereits "bekannte Figuren" für die Aktion verantwortlich seien.

Sollten diese ermittelt werden, stehen die Chancen für eine Verurteilung gut, sagt Peter Albrecht, Strafrechtsprofessor an der Universität Basel. Im aktuellen Fall komme Absatz 1 der Antirassismusstrafnorm zur Anwendung. Dort heisst es: "Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wird mit Freiheitsstrafe von bis drei Jahren oder Geldstrafe bestraft." Albrecht: "Das dürfte den Wortlaut des Plakats wohl erfassen."

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FINANZKRISE
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20min.ch 15.11.08

Demo gegen Abzockerei

In der Stadt Zürich haben heute Nachmittag rund 3500 Menschen an der nationalen Kundgebung gegen die Abzockerei teilgenommen.

Hunderte von Gewerschafterinnen und Gewerkschafter haben am Samstagnachmittag auf dem Zürcher Paradeplatz an der Protestkundgebung "AHV statt Abzockerei" teilgenommen. SGB- Präsident Paul Rechsteiner forderte eine "soziale Wende".

Die Kundgebung sei ein starkes Signal für ein Ja zur AHV- Initiative am 30. November, sagte der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) und SP-Nationalrat. Auf dem Paradeplatz flatterten dutzende Unia- und einige SP-, SEV- und Attac-Fahnen.

Die Stadtpolizei schätzte die Zahl der Teilnehmenden auf 900, die Organisatoren auf 3500. Nach Angaben der Polizei verlief die Veranstaltung ruhig.

Das "neoliberale Abzockersystem" sei "wirtschaftlich gescheitert, moralisch bankrott und eine Gefahr für die Demokratie", sagte Rechsteiner als Hauptredner. Er forderte eine "soziale Wende".

Der SGB-Chef kritisierte das 68-Milliarden-Rettungspaket für die Grossbank UBS scharf. Die gigantische Summe für eine einzige Bank sei per Notrecht beschlossen worden, ohne dass ein Referendum dagegen ergriffen werden könne. Und die gleichen Leute sagten nun, die Schweiz könne sich ein paar hundert Millionen für die AHV nicht leisten.

Den Bankrott der Finanzspekulation sei das Ergebnis von 30 Jahren Neoliberalismus. Dieser stelle die sozialen Errungenschaften in Frage und führe zur Verachtung der Arbeit der gewöhnlichen Leute.

In der aktuellen Krise sieht Rechsteiner auch die Chance für eine soziale Wende. Dafür brauche es aber nicht bloss Retouchen am System, sondern eine fundamentale Neuorientierung.

Weltweit nötig sei eine Wirtschaftspolitik und funktionierende Institutionen, die auf die realen Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet seien. Sie müssten Antworten auf die zentralen Herausforderungen Hunger, soziale Ungleichheit, Bildungsgefälle, Umweltzerstörung und Klimaerwärmung geben.

Franz Hohler: "Bye-bye-Investment"

Nicht nur Politiker, Gewerkschafter und Vertreter von sozialen Bewegungen kamen an der Kundgebung zu Wort, sondern auch Kulturschaffende. So wandte sich auch der Berner Hiphopper Greis ans Publikum.

Der Schriftsteller und Kabarettist Franz Hohler half auf seine Weise beim Verständnis von komplexen Finanzaktionen, indem er englische Begriffe kreierte. Für die Schweizerische Nationalbank sei der Auffangfonds für Schrottpapiere auf den Cayman-Inseln beispielsweise ein "Bye-bye-Investment".

Mitorganisator Hans Ueli Scheidegger von der Gewerkschaft Unia zeigte sich besonders erfreut über die grosse Zahl von jungen Gewerkschafter aus der ganzen Schweiz, die zu der Kundgebung nach Zürich gekommen seien. Offenbar wachse das politische Interesse der Jugendlichen wieder.

Quelle: AP

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SANS PAPIERS
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NZZ am Sonntag 16.11.08

Patienten ohne Papiere

Willi Wottreng

Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz können sich medizinisch behandeln lassen und in einzelne Spitäler eintreten, ohne dass sie von der Fremdenpolizei belästigt werden. Auch wenn sie illegal im Land leben: Im Krankenzimmer bleiben sie geschützt.

Yolanda, wie wir sie nennen, kam vor vier Jahren in die Schweiz und lebte hier als Sans-Papier. Doch erkrankte sie an einer Erkältung oder an einer Grippe, die nicht besserte. Zu einem Arzt wollte Yolanda nicht gehen aus Angst, sie würde bei der Fremdenpolizei verzeigt werden. Es wäre das Ende ihrer Existenz in der Schweiz gewesen.

Obwohl Yolanda in ihrer Heimat Peru zwölf Jahre lang Primar- und Sekundarschule besucht hatte, konnte sie dort ihre Familie nicht mehr ernähren. Ihr Mann war von ihr weggegangen, ohne Adieu und Tschüss. So reiste sie als Touristin zum Besuch einer Cousine her, bezog mit einer Frau in gleicher Lage eine Wohnung, die auf den Namen eines Freundes gemietet war, und begann als Putzfrau zu arbeiten. "Ich habe drei Kinder und wusste nicht, wie ich in Peru weiterkommen sollte", erzählt die 33-Jährige. Die Kinder liess sie bei der Mutter. Von der Schweiz aus konnte Yolanda monatlich rund 400 Dollar nach Hause schicken. Gemäss dem Ausländergesetz darf sich eine Person mit fremdem Pass nur dann dauerhaft auf Schweizer Boden aufhalten, wenn sie eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt. Die Bundesverfassung verlangt dagegen vom Bund und von den Kantonen, sich dafür einzusetzen, dass "jede Person die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält". "Jede Person", nicht nur solche mit Schweizer Staatsbürgerschaft oder einer Aufenthaltsbewilligung. Wie passt das unter einen Hut? Auf gegen 100 000 bezifferte eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Migration die Zahl Menschen ohne Papiere in der Schweiz im Jahr 2005. Hilfsorganisationen schätzen die Zahlen höher ein. Mit den derzeit deutlich steigenden Zahlen von Asylgesuchen dürfte die Zahl derer, die letztlich ohne Aufenthaltserlaubnis bleiben, weiter zunehmen.

"Die Kälte in der Schweiz war ich nicht gewohnt", erzählt Yolanda, anfänglich noch stockend und leise, später wird sie munterer. Es war ihr häufig schlecht, sie hatte Fieber, und die vermeintliche Grippe bekämpfte sie mit Vitamin C. Dabei arbeitete sie weiter. Doch nichts wurde besser.

Auf dringenden Rat einer Freundin begab sich Yolanda schliesslich in die Permanence im Hauptbahnhof Zürich, um möglichst informell zu einer Konsultation zu kommen und die richtigen Medikamente zu erhalten. Es kam anders. Die Ärztinnen in der Permanence untersuchten sie, machten ein Röntgenbild und erklärten dann, sie müsse ins Spital. Was Yolanda erst ablehnte. "Ich wollte nicht, ich hatte Angst." Nicht nur Angst vor Ausweisung. Auch weil sie so etwas nie bezahlen könnte, hatte sie doch keine Krankenversicherung abgeschlossen. Doch die Ärztinnen in der Permanence beharrten. Sie erklärten, ihr Leben sei in Gefahr. In ihrem Bericht steht: "Ambulante Behandlung aktuell nicht möglich." Und sie behaupteten, Yolanda würde nicht angezeigt werden.

Bis die Polizei kommt

Tritt eine Person ins Spital ein, sind die Ärzte zwar an ihre Schweigepflicht gebunden. Die Behandlung will dennoch bezahlt sein. Im Kanton Zürich melden Spitäler den Fall deshalb ans Kantonale Sozialamt, das die Kosten übernimmt, wenn der Patient oder die Patientin im Kanton wohnt. "Da wir keine Möglichkeit haben, den Wohnort einer Person zu eruieren, melden wir sie dem Migrationsamt", heisst es dort. Und die Sprecherin des Migrationsamtes teilt mit: "Wir schicken die Polizei zu einer Befragung." Besitzt die Person keine gültigen Aufenthaltspapiere, dreht sich die administrative Mühle weiter. Ergebnis wird die Ausschaffung sein, wo diese möglich ist.

Gleichentags trat Yolanda ins Triemlispital ein. Und wurde in ein Einzelzimmer gewiesen. Die Diagnose war schlimmer als alle Befürchtungen. Offene Lungentuberkulose. "Ich habe das Röntgenbild gesehen, ihr linker Lungenflügel war von oben bis unten weiss", sagt ihr heutiger Hausarzt. Mit jedem Hustenstoss konnte sie andere Menschen anstecken. Eine medizinische Behandlung war damit nicht nur im Geist des Hippokrates erfordert. Sondern auch zum Schutz anderer Menschen. Kosten hin oder her. Die Kostenfrage ist bei erkrankten Sans- Papiers allerdings das kleinere Problem. Krankenkassen sind verpflichtet, alle Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in der Schweiz haben, aufzunehmen und für die Grundversorgung zu versichern. Das zuständige Bundesamt - damals das Amt für Sozialversicherungen - hatte die Versicherer vor einigen Jahren in einem Kreisschreiben in harschem Ton ermahnt: "Es liegt nicht im Ermessen der Versicherer, zu entscheiden, wer sich bei ihnen versichern kann und wer nicht." Sans-Papiers hätten "dieselben Rechte wie die anderen Versicherten". Das ist heute weiterhin die Position des Bundesamtes für Gesundheit.

Für Yolanda wurde die Anlaufstelle für Sans-Papiers (SPAZ) tätig. Sie schloss die Krankenversicherung ab und bezahlte fürs Erste auch die Prämien. "Am Tag nach meiner Einweisung kam ein Arzt und sagte, ich müsse keine Angst haben, das Spital werde mich nicht der Fremdenpolizei denunzieren." Für die Spitalverwaltung war die Kostenfrage offensichtlich geregelt, und eine Meldung ans Kantonale Sozialamt brauchte nicht zu erfolgen. Dass Yolanda für die Versicherung allerdings Prämien zu entrichten hatte, die sich mit Franchisen und Selbstbehalt auf über 4000 Franken im Jahr belaufen, sollte sie später doch noch in Schwierigkeiten bringen, als sie wegen ihrer Krankheit Kunden verlor, die sie für Putzarbeiten angestellt hatten, und keinen Verdienst mehr hatte.

Informelle Lösungen

Die Tuberkulose Yolandas gab Anstoss, die ganze Situation schnell neu zu regeln. Anfang 2006 war die Organisation Médecins sans Frontières in Zürich aktiv geworden. Die Organisation war zum Schluss gekommen, dass auch in der Schweiz für Sans-Papiers gesundheitliche Hilfe wie für Menschen in Armutsgegenden der Dritten Welt notwendig sei und dass eine Anlaufstelle geschaffen werden müsse, die den Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung erleichtere. Nach dem Muster eines Pilotprojektes in Freiburg wurde die Anlaufstelle "Meditrina" gegründet in Zusammenarbeit mit einem lokalen Netz von Ärzten. An der Anwandstrasse 7 eröffnete die Beratungsstelle ihre Pforten.

Und so kam es zu einer Pionier-Lösung. Meditrina gelang es, Absprachen mit dem Spital zu treffen. Sans-Papiers werden aufgenommen und behandelt, ohne dass sie fremdenpolizeilich gemeldet werden. Ja selbst ohne dass sie die obligatorische Krankenversicherung abgeschlossen haben; bis zu einer bestimmten Höhe ist Barzahlung möglich. Ihre Wohnadresse bleibt dem behandelnden Personal verborgen.

Yolanda war nach einem Monat aus dem Spital entlassen worden. Von der Lungenliga wurde sie weiter beraten. Sie erkrankte erneut, an einer Bronchitis. Schliesslich musste ihr linker Lungenflügel herausgenommen werden

Derzeit sind Bestrebungen in Gang, die Vereinbarung zwischen dem Triemlispital und dem Hilfsnetz Meditrina auf die übrigen Spitäler im Kanton auszudehnen und alle wichtigen medizinischen Leistungen abzudecken.

Tuberkulosen und HIV

Frage an den beratenden Arzt der Beratungsstelle, David Winizki: "Menschen ohne Papiere machen sich nach dem Willen des Gesetzgebers strafbar; Sie aber helfen ihnen zu medizinischen Behandlungen und zu Spitalaufenthalten. Umgehen Sie damit nicht den Willen des Gesetzgebers?" Winizkis Antwort ist kategorisch: "Das Recht auf medizinische Versorgung ist ein Menschenrecht. Darüber hinaus ist die Behandlung von Menschen mit ansteckenden Krankheiten - neben der Tuberkulose etwa HIV - ein Erfordernis zur Verhinderung von Epidemien."

Das Stadtspital Triemli bestätigt auf Anfrage, dass "mündliche Absprachen" mit Meditrina bestehen. Und fügt hinzu: "Wir sind sowohl moralisch als auch gesetzlich verpflichtet, auch Menschen ohne Wohnsitz in der Schweiz medizinisch zu behandeln." Im Übrigen habe man Stillschweigen vereinbart. Stadtrat Robert Neukomm, dem die städtischen Spitäler unterstehen, will sich nicht äussern.

Winizki ist mittlerweile auch Hausarzt von Yolanda. Und er erklärt, nicht nur habe Lebensgefahr für sie bestanden. "Es war eine der schwersten offenen Tuberkulosen, die ich als Arzt je gesehen habe; es war wirklich gefährlich auch für die Umgebung."

Yolanda will vorläufig in der Schweiz bleiben: "Meine Kinder gehen noch zur Schule." Sie hat weniger Angst als früher, dass die Polizei plötzlich an ihrer Wohnungstür anklopft. "Nur wenn im Tram oder im Zug eine Kontrolle kommt, schlägt das Herz höher." Doch jetzt beendet sie das gemeinsame Gespräch. Sie hat einen Termin mit einer spanischsprechenden Dame aus einem reichen Zürcher Vorort. Vielleicht wird sie einen Putzauftrag erhalten.

be

David Winizki

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Wie machen es andere grosse Spitäler?

wot

Auf eine Umfrage antworten Inselspital Bern, Universitätsspital Basel und Chuv in Lausanne folgendermassen:

Alle drei erwähnten Spitälerbehandeln Sans-Papiers,wenn es sich um einen Notfall handelt.

Besitzt ein Patient oder eine Patientin keine Versicherung, sindBarzahlungs lösungen denkbar.Wobei in nicht dringlichen Fällen Patienten abgewiesen werden können - das erwähnt Bern. Basel stellt bei Geldproblemen den Kontakt zur "Beratungsstelle für Sans-Papiers" her, Bern und Lausanne nennen die Möglichkeit kantonaler Unterstützung.

In Bern und Lausanne werden Personen im Zusammenhang mit der Suche nach Finanzierungslösungenunter Um ständen kantonalen Stellen gemeldet.Basel lässt verlauten: "Wir melden die Sans-Papiers grundsätzlich keiner Behörde."(wot.)

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GUANTANAMO
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BZ 15.11.08

Guantánamo-Häftling

Kein Asyl für "Herrn Li"

Drei Guantánamo-Häftlinge haben in der Schweiz Asylgesuche gestellt. Laut Amnesty International wurden diese abgelehnt.

Das Bundesamt für Migration bestätigte, dass bei den Asylgesuchen von drei Guantánamo-Häftlingen ein Entscheid gefällt worden sei. Gemäss Amnesty International (AI) fiel er negativ aus, die drei Personen werden in der Schweiz kein Asyl erhalten. Einer dieser Asylsuchenden erlangte Bekanntheit als "Herr Li", weil er von SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli in einer Kolumne in dieser Zeitung so bezeichnet wurde.

Der 29-jährige "Herr Li" wuchs als Angehöriger der muslimischen Minderheit der Uiguren im Westen Chinas auf. Gemäss Angaben von Amnesty International ist er in China wegen "politischer Verbrechen" zur Verhaftung ausgeschrieben, da er in den 90er-Jahren an einer politischen Demonstration teilgenommen habe. Er kann deshalb nicht nach China zurück.

Nähe zu Terrorismus?

"Li" floh nach Afghanistan und später nach Pakistan, wo er verhaftet und im Mai 2002 ins Gefangenenlager Guantánamo gebracht wurde. Man warf ihm vor, Mitglied der islamischen Bewegung von Ostturkestan gewesen zu sein, einer Gruppierung, die von Al-Qaida unterstützt werde. Weil es aber nie zu einer Anklage gekommen ist, sollte "Herr Li" schon seit längerer Zeit freigelassen werden. Bisher hat sich aber kein Drittstaat bereit erklärt, ihn aufzunehmen, es bleibt ihm und 16 weiteren Uiguren deshalb nichts anderes übrig, als in Haft zu bleiben.

Gemäss AI schrieb das Bundesamt für Migration in ihrem ablehnenden Entscheid, die Nähe von "Herrn Li" zu einer terroristischen Organisation sei nicht auszuschliessen. Es gebe deshalb ein öffentliches Interesse, das gegen seine Aufnahme spreche. Kolumnist Christoph Mörgeli bezeichnete "Herrn Li" als "Terrortouristen". In seiner Kolumne fragte er: "Sollen Extremisten, Terroristen und Kriminelle Asylgesuche stellen dürfen und sich damit der Justiz in ihren Heimatländern entziehen?" AI-Sprecher Daniel Graf sieht das anders: "Selbst die USA bringen ‹Herrn Li› nicht mit Terrorismus in Verbindung."

Derzeit wird erwogen, Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesamtes für Migration einzulegen. Denn auch wenn der neue amerikanische Präsident Barack Obama Guantánamo schliessen will, bleibt die Zukunft von "Herrn Li" ungewiss. Ein US-Richter hat zwar entschieden, die freigelassenen Uiguren dürften in die USA einreisen, doch gegen diesen Entscheid wurde Rekurs eingelegt, der noch hängig ist.

50 Häftlinge

Insgesamt wollen die USA 50 Guantánamo-Häftlinge freilassen. In ihre Heimatländer können diese Personen nicht zurückkehren, weil ihnen dort wie "Herrn Li" erneut Haft droht. Die anderen zwei Guantánamo-Häftlinge, die in der Schweiz um Asyl ersucht hatten, stammen gemäss AI aus Libyen und Algerien.

Brigitte Walser

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EURO 08
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Sonntag 16.11.08

Euro 08: Polizei hat 420 Personen verzeigt

Der noch unveröffentlichte Schlussbericht des Teilprojekts Sicherheit zeigt: Es gab wenig Gewaltübergriffe an der Fussball-EM

Vor und während der Europameisterschaft hat die Polizei 420 Personen verzeigt. Experten ziehen im Sicherheitsbericht eine positive Bilanz.
von claudia marinka

Am 20. November wird Bundesrat Samuel Schmid seine Schlussbilanz der Euro 08 präsentieren. Der Evaluationsbericht des nationalen Sicherheitskonzeptes liegt dem "Sonntag" schon vor.

Unmittelbar vor und während der Euro 08 hat das Bundesamt für Polizei rund 6700 ausländische "Gewalttäter Sport" temporär in die Hooligan-Datenbank Hoogan aufgenommen. Diese Daten kamen zu den rund 380 bereits registrierten inländischen Delinquenten hinzu. Laut der Projektorganisation wurden die Daten der ausländischen Hooligans am 30. Juni wieder gelöscht.

Während der grössten Sportveranstaltung, die die Schweiz je durchgeführt hat, wurden gegen 46 Personen Rayonverbote ausgesprochen, davon 27 in Zürich. Die Polizei hat während der Euro 08 rund 1000 freiheitsentziehende Massnahmen getroffen; darunter fallen Festnahmen und Verhaftungen. Insgesamt 420 Personen hat die Polizei verzeigt. Die Probleme lagen laut Sicherheitsbericht demnach im Promillebereich: Pro 4800 Besucher gab es eine freiheitsentziehende Massnahme. Darin eingeschlossen sind die gewaltsamen Übergriffe zwischen Fans und auf die Polizei. 4762 Personen wurden in den Sanitätshilfestellen behandelt - 595 Personen mussten ins Spital eingeliefert werden.

Der Schlussbericht entkräftet, dass Terroranschläge auf die Schweiz geplant waren, wie es im Vorfeld zur Euro immer wieder geheissen hatte. Öffentlich ein Thema waren die angeblichen Anschlagspläne in islamistischen Internetforen. Schweizer Nachrichtendienste stellten jedoch fest, dass die Euro 08 "wenig" thematisiert wurde.

Derweil musste die Sicherheit der Regierungsmitglieder gewährleistet werden. Die Schweiz hatte die prominenten Magistraten, welche die Schweiz besuchten, ausreichend zu schützen: Für 165 Personen führte das Bundesamt für Polizei Gefährdungsbeurteilungen durch, für 53 Personen ordnete sie Personenschutzmassnahmen an.

Auch in der Luft gab es ein Dispositiv: Die Sicherheitskräfte leisteten über 300 Flugstunden. In den Flugbeschränkungsgebieten kam es zu sechs Luftraumverletzungen. Für die drei Austragungsorte Basel, Zürich und Bern wurden 27 Einsätze mit Drohnen geflogen. Und am Boden konnte das Grenzwachtkorps im Zeitraum vom 7. Juni bis zum 29. Juni 149 illegale Einreisen verhindern und musste 702 Rückweisungen an der Grenze vollziehen.

Fazit der Verantwortlichen, wie es im Sicherheitsbericht steht: "Es gab keinen Ernstfall, und es kam zu keinen gravierenden Ereignissen." Insgesamt sahen 507 446 Zuschauer die Spiele in Schweizer Stadien. Jedes der 31 Spiele wurde von mindestens 155 Millionen Fernsehzuschauern live verfolgt. 4,8 Millionen Zuschauer strömten in die Fanzonen der Austragungsorte Basel, Bern, Genf und Zürich. Kostenpunkt der Sicherheit: 56 Millionen Franken.