MEDIENSPIEGEL 15.12.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Drogenpolitik: Thun & Bern
- BernCity will Protectas für Innenstadt
- Sicherheitsdienste-Aufsicht
- Stop The Game
- Kontrolle Schnüffelstaat in Basel & Terrorismusdebatte
- Holocaust-Leugner verlinkt
- Neonazi-Treffen in Kradolf TG
- Neonazi-Messerattacke auf Polizeichef von Passau (BRD)
- Griechenland (& Türkei)
- Demo gegen Versammlungsgesetz in Freiburg i.B.

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REITSCHULE
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Dez 08: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Mi 17.12.08  
19.00 Uhr - SousLePont   - Weltweite Weihnachts-Spezialitäten
20.00 Uhr - Infoladen - (anti-atom.ch) Schrott-Reaktor AKW Mühleberg - Der Stand der Dinge: Infoveranstaltung mit Jürg Joss von Fokus Anti-Atom (vormals "Aktion Mühleberg stilllegen" AMüs)

Do 18.12.08
20.30 Uhr - Kino - Nueve reinas, Fabian Bielinsky, Argentinien 2001
Fr 19.12.08
20.30 Uhr - Tojo - TITTANIC V Lesung: Tania Kummer, Frances Belser, Sandra Küenzi. Musik Aeberli/Zahnd
21.00 Uhr - Kino - Nueve reinas, Fabian Bielinsky, Argentinien 2001
22.00 Uhr - SousLePont - Pornolé und Electric Hellessence

Sa 20.12.08
19.30 Uhr - Kino - Leningrad Cowboys Go America, Aki Kaurismäki, SF/S 1989
21.30 Uhr - Kino - Leningrad Cowboys Meet Moses, Aki Kaurismäki, SF/D/F 1994
23.00 Uhr - Frauenraum - Eisschmelze Vol. 2 mit SCANDAL! (ZH), DJ`s Anne Air, Eli Verveine und Nat und DJ ELfERich (BE). Visuals: Die Taucherin (LU)
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: Ed Rush (Virus Rec/UK), Deejaymf (cryo.ch), VCA (Biotic Rec/CH), Silent Extent (Close to Death Rec/CH), Kenobi (drumandbass.ch)

So 21.12.08
19.00 Uhr - Tojo - Öffentliche Probe: Missing Pieces von Nachtregentrommler. Regie: Christian Valerius.

Infos: www.reitschule.ch

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DROGENPOLITIK
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Berner Rundschau 15.12.08

Berner Nein für Thun kein Problem

Drogenanlaufstelle Alpenstadt-Szene geriet nicht ausser Kontrolle - keine Probleme auch in Bern

Toni Rütti/Samuel Thomi

In Bern sind Thuner Drogensüchtige seit dem 1. November nicht mehr willkommen. Wie geht Thun mit der neuen Ausgangslage um? Was geschah seither in Bern?

Seit gut einem Monat werden Suchtkranke aus Thun und dem Berner Oberland an der Drogenanlaufstelle in der Stadt Bern an der Hodlerstrasse abgewiesen (wir berichteten). Die von der Thuner Bevölkerung im Vorfeld oft geäusserte Befürchtung, die Alpenstadt werde danach von Drögelern überlaufen, scheint nicht einzutreffen. Sollte es dennoch so weit kommen, würden repressive Massnahmen "unvermeidbar", versichert Gemeinderat Andreas Lüscher (SVP). Als Vorsteher der Direktion Soziales verfolgten er und sein Fachpersonal die Entwicklungen an der "Drogenfront" genau, "um notfalls Gegensteuer zu geben".

Problem verschwindet nicht

Vorerst gehe es aber darum, die Folgen der neuen Ausgangslage mit einem Massnahmenpaket aufzufangen. Ziel müsse sein, dass keine neuen Probleme im Umfeld der Szene entstünden. Welchen Erfolg zeigten die schadenmindernden Massnahmen in den letzten Wochen? Lüscher möchte lieber nicht von Erfolg oder Misserfolg sprechen: "Trotz unseren Bemühungen und den weiteren Angeboten für eine abstinenz- und ausstiegsorientierte Betreuung und Begleitung, wird unsere Arbeit nicht vom gänzlichen Verschwinden der Drogenproblematik in Thun gekrönt", sagt er. Die Ergebnisse liessen sich daher kaum quantifizieren. Trotzdem: Statt einer Kontakt- und Anlaufstelle wurde in Thun das bestehende Angebot ausgebaut.

Beispielsweise wurde der Spritzentausch durch längere Öffnungszeiten erleichtert und Aufenthaltsmöglichkeiten eingerichtet. Auch das Angebot an geschützten Arbeitsplätzen wurde ausgebaut. Länger offen hat neu die Notschlafstelle. Auch wenn dort neu ein hygienischer Konsumationsraum für Drogen eingerichtete wurde: "Drogendealen bleibt strikt verboten."

Optimiert wurde auch das Angebot für teilbetreutes Wohnen in der Villa Schlossberg. Dies habe den Vorteil, dass der Drogenkonsum nicht unkontrolliert in öffentlichen Toilettenanlagen oder Hauseingängen geschieht: "Dies ermöglicht uns eine Kontrolle und erlaubt uns, nötigenfalls rasch eingreifen zu können", so Lüscher.

Positive Reaktionen auch in Bern

Welche erste Bilanz zieht die Stadt Bern vom Zulassungsstopp für Drogenabhängige aus Thun? "Die Befürchtung, dass es zu langen Wartezeiten wegen der Kontrollen beim Einlass kommen werde, trat nicht ein", kommentiert Regula Müller auf Anfrage. Bis jetzt habe man auch "keine zusätzlichen Szenenbildungen" beobachten können, kommentiert die Leiterin Koordinationsstelle Sucht der Stadt Bern.

Was die Entwicklung der Besucherzahlen an der Hodlerstrasse betrifft, kann sie noch nichts sagen. Ein Vergleich sei nicht zuletzt wegen der kalten Jahreszeit noch nicht möglich.

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Update

Die Öffnungszeiten der Berner Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse werden nicht verlängert - so will es Berns Stadtrat. Unverständnis über den klaren Entscheid meldete besonders die Reitschule an, deren Vorplatz - ist die Anlaufstelle zu - von Drögelern stark frequentiert wird. Ob Bern eine zweite Drogenanlaufstelle erhält, entscheidet der Kanton Ende Januar. Davon erhofften sich die Stadt und Gewerbler eine Entlastung der Innenstadt durch eine bessere Verteilung. (sat)

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INNENSTADT
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Bund 15.12.08

Protectas für die Innenstadt?

Das Innenstadtgewerbe will private Sicherheitsleute engagieren

Pascal Schwendener

Gewerbler greifen zur Selbsthilfe: Der versuchsweise Einsatz von Protectas in der Aarbergergasse war erfolgreich. Nun soll der Sicherheitsdienst die ganze City überwachen.

Die Stadt unternehme zu wenig, um die City vor Vandalismus, Dreck und Drogenszenen zu schützen, monieren Gewerbetreibende und Anwohner seit Jahren. Entnervt griffen sie dann im Oktober vergangenen Jahres zur Selbsthilfe, organisierten sich in der Interessengemeinschaft Aarbergergasse (IGA) und engagierten eine Patrouille des Sicherheitsdienstes Protectas, die während eines Monats für Ruhe und Sicherheit in der Strasse sorgte. Kostenpunkt: 6000 Franken. "Die Investition hat sich gelohnt", bilanziert IGA-Präsident und Moléson-Wirt Bernhard Hüsser. Es sei in dieser Zeit kaum noch zu Szenebildung oder Sachbeschädigungen gekommen, das subjektive Sicherheitsgefühl sei merklich gestiegen.

Rund 250 000 Franken pro Jahr

Der Protectas-Einsatz in der Aarbergergasse hatte allerdings auch eine Kehrseite, gesteht Hüsser ein: "Die Problematik hat sich einfach in die umliegenden Gassen verlagert." Aus dieser Einsicht sei die Idee geboren, die Protectas-Patrouillen auf das ganze Innenstadtgebiet auszuweiten. Die Federführung für dieses Projekt hat die Innenstadtorganisation Berncity übernommen. "Wir haben in den letzten Wochen überschlagen, wie eine flächendeckende Überwachung zu bewerkstelligen wäre", sagt Geschäftsführer Martin Bühler. Rechne man mit zwei Patrouillen zwischen Bahnhof und Nydeggbrücke, so würde der Einsatz zwischen 250000 und 500000 Franken pro Jahr kosten. "Die Gewerbler allein können so eine Summe nicht aufbringen", sagt Bühler. Man hoffe darum auf die Beteiligung von Gönnern, Sponsoren - und der Stadt.

Letzteres dürfte schwierig zu erreichen sein. Der künftige Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) bekundet zwar "Verständnis für das Anliegen", bleibt aber dem Einsatz privater Sicherheitsdienste gegenüber skeptisch. Zum einen, weil die städtischen Finanzen ein solches Engagement kaum erlauben würden, zum anderen, "weil die Sicherheit eine staatliche Kernaufgabe ist, die man nicht privatisieren sollte".

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Grenchner Tagblatt 15.12.08

Bald "dealerfreie Innenstadt"?

"BernCity" Berner Innenstadtvereinigung will mit Protectas für Ruhe und Ordnung sorgen

Geht es nach dem Willen der Innenstadtvereinigung "BernCity", soll der private Sicherheitsanbieter Protectas schon bald in der ganzen Altstadt für eine "dealerfreie Innenstadt" sorgen. Gesucht werden jetzt Sponsoren - auch die Stadt soll zur Kasse gebeten werden.

Samuel Thomi

Im September beauftragte die Interessengemeinschaft Aarbergergasse einen Monat lang die private Sicherheitsfirma Protectas, um in der Gasse für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Gut ein Dutzend Gewerbler und Wirte teilten sich die Kosten für diesen Testlauf. Ein Grossteil des Auftrages bestand darin, die Drogenabhängigen und den Drogendeal aus der Gasse zu vertreiben (wir berichteten).

Halbe Million für die Vertreibung?

Die Auswertung habe nun gezeigt, dass die "City-Patrol"-Patrouillen der Protectas "ihre Wirkung nicht verfehlt haben", kommentiert Martin Bühler. Der Geschäftsführer der Innenstadtvereinigung "BernCity" bestätigt auf Anfrage, nun ein ähnliches Angebot für die ganze Altstadt auf die Beine stellen zu wollen. Damit würden die Dealer und Drogenabhängigen "nicht einfach aus der Aarberger- in die Neuengasse vertrieben, was das Problem ja auch nicht wirklich löse". Das Ganze trägt derzeit noch den Arbeitstitel "Dealerfreie Innenstadt" und soll zwischen einer Viertel- und einer halben Million Franken pro Jahr kosten. Noch sei das Projekt "allerdings nicht wirklich spruchreif"; die Details seien noch nicht alle definitiv geregelt. Man sei dennoch bereits auf Sponsorensuche und auch erste Gespräche mit Gewerblern und Wirten hätten stattgefunden.

Protectas-Pressesprecher Roman Lehmann sagt, der Hauptgedanke von "City-Patrol" sei, dass sich mehrere Geschäfte die Kosten für die Sicherheitsleistungen der Einer- oder Zweierpatrouillen teilten: "Ein Nebeneffekt" könne sein, dass Drogenabhängige oder Dealer dadurch die Gegend stärker meiden; "den genauen Auftrag muss man jedoch jeweils individuell definieren."

Bühler rechnet damit, "dass sich auch die Stadt an den Kosten beteiligen wird", würden teilweise doch auch Polizeiaufgaben übernommen. Entsprechend enttäuscht zeigt sich Bühler über das Nein des Stadtrates (auch von Bürgerlichen) zu verlängerten Öffnungszeiten für die Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse.

"Kapo gewährleistet Sicherheit"

Keine Kenntnis vom Projekt "Dealerfreie Innenstadt" haben auf Anfrage der städtische Sicherheitsdirektor Stephan Hügli (Die Mitte) und Manuel Willi, Chef Region Bern der Kantonspolizei (Kapo). Hügli teilt mit, ein allfälliger Einsatz von Protectas in der Aarbergergasse sei noch nicht mit der Stadt koordiniert: "Die Sicherheit im öffentlichen Raum ist durch die Kantonspolizei gewährleistet", so Stephan Hügli. Als "ergänzende Massnahme durchaus möglich" sei das Projekt allerdings; wenn es mit Behörden und Kapo abgesprochen werde.

Manuel Willi betont, dass es "staatspolitisch wichtig ist, dass das Gewaltmonopol bei der Polizei bleibt". Entsprechend sei es "wichtig, dass solche Aufträge nur an Firmen vergeben werden, die ihre Pflichten und Rechte kennen". Ob ein solcher Einsatz in Bern nötig sei, müsse die Politik entscheiden.

Bauten beeinflussen Gefühle

Auf Anfrage erachtet Willi das Projekt "Dealerfreie Innenstadt" denn auch nicht als Kritik an der Polizeiarbeit: "Wir erreichen das Maximum mit unseren Ressourcen." Für Willi ist das Thema vielmehr eine politische Frage; "inwiefern die Stadt Bern Privaten Aufträge erteilen will". Bei all dem dürfe man aber nicht vergessen, dass mehrere (auch internationale) Studien belegten, dass die Bundeshauptstadt objektiv gesehen sicher sei. "Das subjektive Sicherheitsgefühl hängt dabei aber nicht nur mit der Polizeiarbeit zusammen", so Willi, sondern etwa auch mit baulichen Massnahmen.

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Protectas "ist völlig unnötig"

Kein Verständnis für das "BernCity"-Projekt gibt es erwartungsgemäss von Seiten der rot-grünen Parteien: "Ich finde das Projekt völlig unnötig und auch problematisch", so Beatrice Stucki. "Die Gewalthoheit liegt bei der Polizei, daher ist es gefährlich, wenn private Organisationen im städtischen Alltag für Sicherheit sorgen", kommentiert die Stadtberner Co-Präsidentin der SP.

Natalie Imboden, Präsidentin des Grünen Bündnisses, hält fest: "Die öffentliche Sicherheit ist eine öffentliche Aufgabe." Entsprechend sei es "der falsche Weg", diese mit privaten Securitys sicherzustellen. Weiter sei es keine Lösung, Randständige "herumzujagen". Wolle sich "BernCity" engagieren, solle sie beim Kanton für eine zweite Berner Drogenanlaufstelle lobbyieren. (sat)

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City- und Area Patrol - Protectas SA
http://www.securitas.com/ch/de-CH/Dienstleistungen/City-PATROL/

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SICHERHEITSDIENSTE
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Aargauer Zeitung 15.12.08

Keine Bespitzelungen

Private Sicherheitsdienste Aufsicht liegt bei der Kantonspolizei

Zwar gab es im Kanton Aargau seit Januar 2007 bis Oktober dieses Jahres insgesamt 10 Anzeigen gegen private Sicherheitsunternehmen. Bespitzelungen von politischen Bewegungen oder andere Verstösse gegen den Datenschutz gehörten indessen nie zu den Gründen, die zu einer Anzeige führten.

Eine Mitarbeiterin des privaten Sicherheitsdienstes Securitas hatte im Kanton Waadt während rund eines Jahres eine Gruppe der globalisierungskritischen Bewegung Attac bespitzelt. Aufmerksam geworden durch diesen Bespitzelungsfall, der im Sommer bekannt geworden war, wollte SP-Grossrat Max Chopard-Acklin von der Regierung Auskunft darüber, ob Ähnliches auch im Kanton Aargau möglich sein könnte. In der Antwort auf Chopards Interpella- tion erklärt der Regierungsrat, es gebe keine Hinweise darauf, dass im Kanton Aargau politisch aktive Bewegungen von privaten Sicherheitsfirmen "ausgehorcht oder infiltriert werden oder wurden". "Auch der beauftragten Person für Öffentlichkeit und Datenschutz liegen keine diesbezüglichen Hinweise vor."

Periodische Kontrollen

Konkret wollte Max Chopard-Acklin auch wissen, wie sichergestellt werden könne, dass im Aargau private Sicherheitsdienste nicht "selbst definierte Staatsschutzaufgaben" im Auftrage Dritter ausführen. "Durch die Aufsichtstätigkeit der Kantonspolizei und die Möglichkeit, gesetzeswidrig handelnden Sicherheitsdiensten die Bewilligung zu entziehen, können fehlbare Sicherheitsdienste sanktioniert werden", hält der Regierungsrat fest. Hinzu komme eine allfällige strafrechtliche Verfolgung. Die Kantonspolizei nimmt periodisch spezifische Kontrollen vor. Grundsätzlich fallen private Sicherheitsdienste unter den Geltungsbereich des Gesetzes über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (Idag). Ausser sie handeln im Auftrag von Privaten.

Kantonale Bewilligungspflicht

Gemäss Polizeigesetz unterstehen Sicherheitsdienste einer kantonalen Bewilligungspflicht und alle im Aargau bekannten Sicherheitsdienste verfügen über ein solche Bewilligung, die jeweils auf maximal vier Jahre erteilt wird. Dazu werden von der Kantonspolizei der Leumund und die Handlungsfähigkeit der geschäftsführenden Person unter die Lupe genommen. (zi)

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STOP THE GAME
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Bund 15.12.08

Mit Schnee gegen das System

In Bern wurde protestiert: Gegen das Finanz-"Game" und den "Mord" in Athen

Ursprünglich stand das Wort Schnee für gefrorene Niederschläge, mittlerweile wird es auch als Synonym für die Modedroge Kokain verwendet. Für manch jungen Demonstranten ist Schnee aber einfach ein praktisches Wurfgeschoss gegen Polizisten. Ein Wurfgeschoss, das er zum Einsatz bringen kann, ohne eine hohe Hemmschwelle überwinden zu müssen.

Unbewilligte Nachdemonstration

Gut eine Stunde nach Kundgebungsbeginn ist es an diesem Samstagnachmittag im winterlichen Bern so weit: Bei der US-Botschaft fliegen die ersten weissen Wurfgeschosse - und eine Handvoll bengalischer Fackeln - in Richtung Polizei. Diese ist mit einem Grossaufgebot präsent und riegelt die Strasse ab, um zu verhindern, dass die 300 Protestierenden direkt vor die Botschaft gelangen können. Der Soundwagen leitet bald darauf mit einem Drehmanöver den Rückzug ein, zum Ausgangspunkt der Demonstration, dem Bundesplatz.

Rückblick: Hier fanden sich die vorwiegend jugendlichen Demonstrierenden unter dem Titel "Stop the Game" um 15 Uhr ein. Radikallinke Gruppierungen hatten die Finanzkrise zum Anlass genommen, zu einer Kundgebung aufzurufen. Der Kapitalismus befriedige lediglich die Bedürfnisse weniger, war die Kernaussage der verschiedenen Redner, unter ihnen auch PdA-Stadtrat Rolf Zbinden.

Und hier beim Bundesplatz versammeln sich die Protestierenden auch wieder nach dem Ausflug zur US-Botschaft. "Die Demo ist damit offiziell beendet", tönts aus dem Soundwagen. Ein Drittel der Manifestierenden hält dies nicht davon ab, sich unbewilligterweise neu zu formieren - das Ziel: die diplomatische Vertretung Athens beim Weltpostverein. Denn: "Griechenland, das war Mord - Widerstand an jedem Ort." So lautet der Schlachtruf, der auf den Tod eines 15-Jährigen durch Polizeischüsse in Athen anspielt. Auf dem Weg zur Botschaft wird Baustellenmaterial umgeworfen und ein Tram vollgesprayt.

Mit Eis gegen Zivilpolizisten

Seit der ersten "Schlacht" vor der US-Botschaft greifen einige Demonstranten immer wieder zum weissen Wurfgeschoss: Vor allem ein anscheinend weithin bekannter Zivilpolizist wird immer wieder mit Schnee eingedeckt - und auch mit Eis. Verletzt wird niemand. (phi)

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punkt.ch 15.12.08

Mit nackten Hintern gegen den Kapitalismus

Bei einer Demo flogen Flaschen und Petarden gegen die Polizei - es kam zu Sachbeschädigungen

Bei einer Demonstration von Kapitalismusgegnern kam es am Samstag zu Auseinadersetzungen mit der Polizei. Einige der rund 200 Demonstranten warfen Flaschen, Petarden und Schneebälle gegen Polizisten. "Ich will zeigen, dass die Leute mit dem Getue der UBS nicht einverstanden sind", sagte Alice Galizia aus Bern. Auf dem Bundesplatz verteilten die Demonstranten Flyer und Aufkleber.

Grossaufgebot der Polizei

Danach zogen die meist jungen und teilweise maskierten Demoteilnehmer vor die Botschaft der USA. Dort flogen Flaschen, Schneebälle und brennende Petarden gegen die Ordnungshüter. Einige Militante präsentierten gar ihr nacktes Hinterteil. Die Polizei markierte massiv Präsenz, hielt sich aber zurück. Das starke Aufgebot habe Ausschreitungen verhindert, hiess es in einer Mitteilung der Polizei.

Nachdemo im Kirchenfeld

Nach der Rückkehr auf den Bundesplatz und dem Ende der bewilligten Demo, marschierten rund 80 Personen vor die griechische Botschaft an der Weltpoststrasse, wie der Sprecher der Polizei, Thomas Jauch, erklärte. Die Demoteilnehmer hätten Bauabschrankungen demoliert und ein Tram versprayt. Die unbewilligte Nachdemonstration löste sich gemäss der Polizei gegen 18 Uhr auf. Mehrere Personen seien kontrolliert worden. (geb/czd)

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Solothurner Zeitung 15.12.08

Bern Demonstranten warfen Petarden

Bei zwei Demonstrationen in der Stadt Bern kam es am Samstag zu Provokationen der Demonstranten gegenüber der Polizei. Eine Demonstration war bewilligt und startete um 15 Uhr unter dem Namen "Stop the Game - Finanzkrise" und "Mumia-Abu-Jamal". Rund 200 Demonstranten zogen vor die US-amerikanische Botschaft. Dort warfen sie Flaschen, Petarden und Schneebälle gegen die Polizei. Kurz darauf wurde die Kundgebung aufgelöst. Am Abend kam es zu einer unbewilligten Demonstration, an der sich rund 80 Leute beteiligten. Diese zogen vor die griechische Botschaft und brachten auf dem Weg dorthin an diversen Örtlichkeiten Aufkleber an und versprayten ein Tram. Gegen 18 Uhr löste sich die Demonstration auf. (pkb)
sks

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stopthegame.ch 14.12.08

Medienmitteilung und Reden zum nachlesen

Am Samstag, 13.12.2008 fand in Bern eine Demonstration von "STOP THE GAME!" statt, an der sich rund 300 Personen beteiligten und von Rappern musikalisch begleitet wurde. Das Bündnis versteht sich als Plattform zur Entwicklung von selbstbestimmten und solidarischen Gesellschafts- und Wirtschaftsformen jenseits des Kapitalismus. Mit der Demonstration sollte zum aktiven Mitdenken und -wirken eingeladen werden. Ein Teil der diversen Bündnis-Beteiligten hat sich an der Demonstration in Form von Reden (vgl. Comments zu diesem Posting) zur Wirtschaftskrise geäussert. In den nächsten Wochen organisiert "STOP THE GAME!" mehrere Veranstaltungen (weitere Infos folgen bald auf dieser Hompage) zu Kritiken am Kapitalismus und zu einer Vielfalt an Alternativen. Wohlstand für alle kann nach Meinung des Bündnisses nicht einer unsichtbaren Hand überlassen werden, sondern muss von der Gesellschaft bewusst und aktiv angestrebt und basisdemokratisch geplant und umgesetzt werden. Die ersten Schritte dahin sieht "STOP THE GAME!" in der Bildung von Genossenschaften und Kollektiven. Gelebte Solidarität solle an die Stelle von egoistischem Konkurrenz-Hick-Hack treten.

Medienmitteilung und Redebeiträge:
http://stopthegame.ch/?p=66

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Stellungnahme zu Medienberichten anlässlich der Demonstration vom 13.12.2008

Die Mediengruppe des Bündnisses "STOP THE GAME!" appelliert nicht nur aber vor allem an die Adresse der Medienschaffenden, in Zukunft entweder sich selbst vor Ort ein Bild der Geschehnisse zu machen und dann darüber frei zu schreiben oder sonst bei der Verwendung von Mitteilungen von Agenturen und Behörden, diese genauer zu lesen und korrekter wiederzugeben. Konkret wird die Verwertung der Agenturmeldung der SDA und der Mitteilung der Kantonspolizei durch diverse, an der Demonstration nicht anwesende Medien als realitätsverzerrend und rufschädigend kritisiert. Die Begriffe "Randale" (Blick online), "Krawall" (Tages-Anzeiger online) und "gewalttätige" (SF-Tagesschau online) treffen auf das tatsächlich Vorgefallene in keiner Weise zu. Selbst "Aufruhr" (Tages-Anzeiger online in einer Bildlegende) ist zumindest übertrieben. Dass es zu "Provokationen" (Mitteilung Kantonspolizei Bern) und "Scharmützel" (diverse Berichte) kam, wird im Grundsatz nicht bestritten. Was hingegen auch an der Polizeimeldung kritisiert wird, ist, dass mit der Formulierung "Provokationen der Demonstrierenden" suggeriert wird, dass die Demonstrierenden als Gesamtheit die Ordnungshüter provoziert hätten. Diese Formulierung schliesst ungerechtfertigterweise auch diejenige grosse Mehrheit der anwesenden Demonstrierenden mit ein, die sich an den genannten Provokationen nicht beteiligt haben. Formulierungen, welche die Realität korrekt wiedergeben würden, wären z.B. "Provokationen von einigen Demonstrierenden" oder "…von wenigen Demonstrierenden" oder "…einer handvoll Demonstrierender" oder ähnliche.

Links zu den beanstandeten Artikeln:
http://www.blick.ch/news/sda?newsid=20081213brd041
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/AntiKapitalisten-machen-in-Bern-Krawall/story/26767286
http://tagesschau.sf.tv/nachrichten/archiv/2008/12/13/schweiz/scharmuetzel_bei_demo_in_bern
http://www.police.be.ch/site/index/pom_kapo_news/pom_kapo_aktuell_medienmitteilungen/pom_kapo_aktuell_mm-detail.html?newsid=28952&cat=mm

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SCHNÜFFELSTAAT
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Basler Zeitung 15.12.08

Fichen: Lob für Basel

In anderen Kantonen ist Kontrolle des Staatsschutzes kein Thema

Philipp Loser

Basels Wille, den kantonalen Ableger des Inlandgeheimdiensts besser zu kontrollieren, wird von allen Seiten gelobt. In anderen Kantonen ist eine verstärkte Aufsicht kein Thema, auf Bundesebene schon.

Der Baselbieter Ständerat Claude Janiak (SP) braucht deutliche Worte: "Anscheinend braucht es einen Knall wie in Basel mit der Anti-WEF-Demo und den fichierten Grossräten, damit etwas geschieht." Janiak ist Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation, welche die Oberaufsicht über sämtliche Geheimdienste hat. Er begrüsst die vergangene Woche erneut bekräftigte Absicht der Basler Regierung, den kantonalen Ableger des Inlandgeheimdienstes besser zu überwachen und verbindliche Kriterien über die Weitergabe von Daten aufzustellen. In den meisten anderen Kantonen werde das Thema noch stiefmütterlich behandelt, sagt der Ständerat.

Kein Anlass

Im Baselbiet beispielsweise, wo Polizeikommandant Daniel Blumer jedes Gesuch um Datenweitergabe an den Geheimdienst eigenhändig prüft, wird keine stärkere Kontrolle diskutiert. "Es gibt auch keinen Anlass dazu. Wir hatten noch nie Beanstandungen", sagt Dieter Leutwyler, Sprecher der Sicherheitsdirektion.

Im Justizdepartement der Stadt werden dagegen die nächsten Schritte unternommen. Bis Ende Jahr wird die erste Version der Verordung über den Vollzug des Bundesgesetz zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS) fertiggestellt und zur Vernehmlassung ans Bundesamt für Justiz geschickt. Diesem Vorgehen zollen Politiker, Juristen und Betroffene Lob. "Basel sendet ein starkes Signal nach Bern", sagt FDP-Nationalrat Peter Malama.

In Bern selber wird das Thema unabhängig davon wieder aktuell. "Es bewegt sich einiges", sagt SP-Ständerätin Anita Fetz. Zwar wurden zwei Vorstösse von Fetz und Malama kürzlich abgelehnt, gleichzeitig drückte der Bundesrat aber seinen Willen aus, bei der Revision des BWIS die offenen Fragen zu klären. Fetz erklärt sich diese Bereitschaft mit den Erfahrungen aus Basel und auch damit, dass das Justizdepartement mit Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) eine neue Vorsteherin habe. > Seite 21

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Basler Impulse gegen Schnüfflerei

Neue Verordnung geht Ende Jahr nach Bern

Philipp Loser

Die Basler Regierung will den Inlandgeheimdienst künftig besser überwachen und erhält dafür Lob von allen Seiten. Ständerätin Anita Fetz (SP) hofft auf einen Domino-Effekt.

Die Betroffene, der Datenschützer, der Jurist, die Politikerin. Die Ankündigung der Basler Regierung, den Inlandgeheimdienst bei Aktivitäten auf Kantonsgebiet künftig besser zu kontrollieren, erhält Applaus von allen Seiten. "Das tönt gut", sagt SP-Grossrätin Tanja Soland, die fichiert wurde; "Initiativen wie jene der Basler Regierung arbeiten unserem Ziel entgegen", so Bruno Baeriswyl, Präsident von "privatim", der Vereinigung der schweizerischen Datenschutzbeauftragten; "es geht in eine positive Richtung", meint Staatsrechtsprofessor Markus Schefer, und SP-Ständerätin Anita Fetz sagt schlicht: "Endlich!"

Diese positive Resonanz ist Ausdruck eines Unbehagens dem Staatsschutz gegenüber, das nicht zuletzt durch die "Basler Fichenaffäre" und die missglückte Polizeiaktion nach der Anti-WEF-Demonstration im Januar noch grösser wurde.

Unbehagen

Der Basler Geschichtsprofessor Georg Kreis hat vor rund 15 Jahren die Arbeitsgruppe geleitet, in der die Fichenaffäre der 80er-Jahre historisch aufgearbeitet wurde. Er sagt: "Man muss gerade heute sehr genau auf den Staatsschutz aufpassen. Ich spüre tendenziell einen Rückfall in alte Zeiten. Undifferenzierte Terrorprävention seit den Anschlägen von 2001 sind ein Einfallstor für unangemessenes Verhalten." Kreis liegt damit auf einer Linie mit Rechtsprofessor Schefer, der bei der Präsentation des Datenschutzgutachtens vor einer Woche gesagt hatte, es gebe "ein Problem mit dem Staatsschutz".

Dieses Problem konzentriert sich auf die mangelnde Überwachung der Staatsschützer, die direkt in den Kantonen Daten für den "Dienst für Prävention und Analyse (DAP)" sammeln. Mit einer Verordnung zum Vollzug des Bundesgesetzes zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS) will das Basler Justizdepartement die Aufsicht über die Fachgruppe 9 (den kantonalen Ableger des Staatsschutzes) konkretisieren und Kriterien aufstellen, nach denen über die Weitergabe von Daten entschieden werden soll. Eine erste Version der Verordnung wird laut Auskunft des Departements bis Ende Jahr vorliegen und soll danach in die Vernehmlassung ans Bundesamt für Justiz in Bern geschickt werden. In die Verordnung werden grosse Erwartungen gesteckt. FDP-Nationalrat Peter Malama erhofft sich ein "starkes Signal" nach Bern und SP-Ständerätin Fetz einen Domino-Effekt in den übrigen Kantonen.

Unterstützt werden die Basler Bemühungen von der Arbeitsgruppe "Innere Sicherheit" innerhalb der "privatim", der Vereinigung aller Datenschutzbeauftragter. Heute sei die Situation so, dass die Datenschutzbeauftragten zwar die rechtliche Möglichkeit hätten, Kontrollen durchzuführen, ihnen aber die konkrete Vorgehensweise und Methoden dazu noch fehlten, sagt "privatim"-Präsident Baeriswyl. Im ersten Quartal des nächsten Jahres will die Arbeitsgruppe erste Resultate präsentieren. Für Baeriswyl ist das Engagement der Basler Regierung wichtig: Es müsse nicht nur die Rechtslage abschliessend geklärt werden, es brauche zusätzlich auch politische Unterstützung: "Sollen die Staatsschützer in den Kantonen richtig überwacht werden, ist das nicht zuletzt auch eine Frage der Ressourcen."

Bundesrat reagiert

Während die "privatim" und die Basler Regierung das Staatsschutzthema auf kantonaler Ebene vorantreiben, bewegt sich auch bei den Bundesbehörden einiges. Zwar hat der Bundesrat Vorstösse von Fetz und Malama abgelehnt, sagt aber gleichzeitig, dass das Problem erkannt sei: "Eine Bereinigung wird im Rahmen der Teilrevision des BWIS angegangen", heisst es in der Antwort auf den Vorstoss von Malama.

Bei der Revision sollen Themen wie das mangelhafte Einsichtsrecht und die künftige Gestaltung des Kontrollsystems behandelt werden. Heute hat die Geschäftsprüfungsdelegation die Oberaufsicht über die Geheimdienste - theoretisch auch über die kantonalen Behörden, die im Auftrag des DAP Daten bearbeiten. "Es ist aber undenkbar, dass sechs Milizparlamentarier die Oberaufsicht in allen Kantonen wahrnehmen könnten. Wir müssen uns auf Stichproben beschränken", sagt Claude Janiak, Präsident der Delegation und Baselbieter Ständerat (SP). Auch unter diesem Gesichtspunkt sei es zu begrüssen, dass Basel-Stadt nun etwas unternehme. In den meisten anderen Kantonen werde das Thema noch stiefmütterlich behandelt. Leider, meint Janiak: "Anscheinend braucht es einen Knall wie in Basel mit der Anti-WEF-Demo und den fichierten Grossräten, damit etwas geschieht."

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Aarauer Zeitung 15.12.08

Wie weit darf Staatsschutz gehen?

Innere Sicherheit

Am Mittwoch befasst sich der Nationalrat mit der Terrorismusbekämpfung

Beat Rechsteiner

Der Bundesrat will im Kampf gegen den Terror die Zügel anziehen und begibt sich dabei auf ein heikles Terrain: Datenschutz und Politiker melden Bedenken an.

Wie man die Sache auch dreht und wendet, am Ende bleibt immer dasselbe Dilemma: Sicherheit des Staates und der Bevölkerung versus Freiheit und Privatsphäre eines jeden Bürgers. Oder ganz konkret: Wie weit darf der Dienst für Analyse und Prävention (DAP), dessen zentrale Aufgabe es ist, die Gefahr durch Terrorismus frühzeitig zu erkennen und zu bannen, bei der Personenüberwachung gehen?

Der Bundesrat will die Kompetenzen des DAP ausweiten, weil er die Schweiz in Gefahr sieht: "Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren namentlich durch die erhöhte Wahrscheinlichkeit von islamistisch motivierten Terroranschlägen sukzessive verschlechtert", schreibt er in seiner Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS). Im Mittelpunkt stehen dabei griffigere Massnahmen zur Informationsbeschaffung: Der DAP soll bei Verdacht Telefonate abhören, Postsendungen kontrollieren, Computer durchleuchten und Privatwohnungen mit technischem Gerät überwachen dürfen. Die Erlaubnis für ein solches Eingreifen sollen im Einzelfall die Vorsteher des EJPD und des VBS auf der einen und das Bundesverwaltungsgericht auf der anderen Seite geben.

"Eingriff in die Grundrechte"

Dass dies Datenschützer Hanspeter Thür auf den Plan ruft, liegt auf der Hand. Er meldet generelle Bedenken an, dass es richtig ist, ausserhalb eines Strafverfahrens solche Ermittlungsmöglichkeiten freizugeben, zumal sich der Betroffene nicht wehren könne. In einer offiziellen Stellungnahme spricht er von einem "schweren Eingriff in die Grundrechte, insbesondere in den Schutz der Privatsphäre". Der Bundesrat sieht durch die richterliche und die politische Prüfung den Rechtsschutz ausreichend gestärkt, Thür empfindet dies anders, wie er gegenüber der MZ betont. Er befürchtet, dass die Kontrolle zu einer "Alibi-Geschichte" verkommen könnte. Denn: "Zum Zeitpunkt, in dem die Ermittlungen ausgelöst werden, ist noch sehr wenig bekannt. Also kann der Fall kaum angemessen beurteilt werden, wenn das Gesuch auf dem Tisch liegt." Eigentlich aber sieht der Datenschutzbeauftragte gar keinen Handlungsbedarf. Er bezweifelt, dass die Revision des BWIS verhältnismässig bzw. überhaupt erforderlich ist. Man habe ihm bis jetzt keinen schlüssigen Beweis dafür liefern können, dass die derzeit gegebenen Instrumente für die Terrorismusbekämpfung nicht ausreichten, sagt er.

Obwohl der SP-Nationalrat und Rechtsgelehrte Daniel Jositsch (ZH) Thürs Bedenken grundsätzlich teilt, bezweifelt er die Notwendigkeit einer Revision des BWIS nicht an. Jositsch sitzt in der Rechtskommission der grossen Kammer, die dem Rat beantragt, das Geschäft am nächsten Mittwoch an den Bundesrat zur Überarbeitung zurückzuschicken. Es ist davon auszugehen, dass es dafür eine Mehrheit geben wird. Zwei Anliegen stehen für ihn im Einklang mit der Kommissionsmehrheit (16:9) im Vordergrund: Zum einen soll die Regierung Schlüsselbegriffe wie wie etwa denjenigen der inneren Sicherheit und insbesondere die Verdachtsmomente klar definieren und konkretisieren, damit die Rahmenbedingungen eindeutig werden und Willkür möglichst ausgeschlossen bleibt. "In diesem Bereich müssen wir das Maximum herausholen", sagt Jositsch und hat dabei die unselige Fichenaffäre im Hinterkopf. Zum anderen plädiert er für eine parlamentarische Kontrollinstanz, die Akteneinsicht haben und somit Missbrauch verhindern soll.

"Muss erst etwas passieren?"

Eine Kommissionsminderheit, der auch FDP-Nationalrätin Christa Markwalder Bär (BE) angehört, geht mit dem Bundesrat weniger hart ins Gericht. Sie stuft die Massnahmen angesichts der Bedrohungslage nicht nur als gerechtfertigt ein, sondern sieht in der doppelten Beurteilung durch Gericht und Regierung auch eine institutionelle Verbesserung. Und sie stellt die Frage, die die Diskussion zurückwirft auf das Grunddilemma: "Muss denn erst etwas Schlimmes passieren, damit entschlossen gehandelt wird?"

Änderung des BWIS

BWIS ist die Abkürzung für das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit. Dieses soll verschärft werden, sprich: Die Ermittlungsbehörden sollen mehr Kompetenzen erhalten. Auch die Zusammenarbeit mit Informanten, deren Schutz und Entschädigung sollen neu geregelt werden. In der Vernehmlassung erwuchs der Vorlage vor allem vonseiten der SVP, der SP und der Grünen Widerstand, die übrigen Parteien begrüssen zumindest die Stossrichtung. (bre)

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HOLOCAUST-LEUGNER
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20min.ch 15.12.08

Bund linkt auf Website von Holocaust-Leugnern

von Deborah Rast

In den Unterlagen zur Abstimmung über die Personenfreizügigkeit verweist der Bund auf den Presseclub Schweiz: Auf dessen Internetseite wird der Holocaust relativiert.

Im Abstimmungsbüchlein zur Personenfreizügigkeit findet sich ein brisanter Link: Er verbindet direkt mit der Seite "Recht und Freiheit", deren Redaktor Ernst Indlekofer bereits mehrfach wegen Verharmlosung des Holocausts angeklagt wurde. Beim Komitee gegen unkont­rollierte Osteinwanderung ist man über den Link sehr unglücklich.

Dazu SVP-Nationalrat Lukas Reimann, der mit Holocaustleugnern nichts zu schaffen haben will: "Wenn wir gewusst hätten, dass diese Seite angegeben wird, hätten wir interveniert." Der Link sei offenbar im Nachhinein hinzugefügt worden. Rein rechtlich gesehen hat der Presseclub Anspruch darauf, im Abstimmungsbüchlein erwähnt zu werden. Hat er doch immerhin etwa 1500 beglaubigte Unterschriften für das Referendum gesammelt.

Auch bei der Bundeskanzlei, die für den Text des Abstimmungsbüchleins verantwortlich ist, hat der Link zu Diskussionen geführt. Oswald Sigg, Vizekanzler, zu "La Liberté": "Letztlich haben wir dem Bundesrat dazu geraten, die Internetadresse zwar zu publizieren, sich aber klar von ihr zu distanzieren. Der Rat hat dies unterlassen, weil er glaubte, so mehr Aufmerksamkeit auf die Seite zu ziehen."

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NEONAZIS CH
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St. Galler Tagblatt 15.12.08

Wieder Neonazi-Treffen in der "Teigi"

Rund 50 Rechtsextreme haben sich am Samstagabend auf dem "Teigi-Areal" in Kradolf-Schönenberg versammelt. Das Lokal ist nicht zum erstenmal Treffpunkt der rechten Szene.

Andri Rostetter

Kradolf. Das "Teigi-Areal" in Kradolf ist ein beliebter Treffpunkt der regionalen Kulturszene. In der ehemaligen Teigwarenfabrik arbeiten Künstler und Musiker Tür an Tür, regelmässig finden Ausstellungen und Konzerte statt. Ein regelmässiger Gast in der "Teigi" ist auch die Polizei: Alle paar Monate ist das Areal Versammlungsort von Rechtsextremen. So auch am Wochenende.

Aus Deutschland angereist

Rund 50 Personen aus der rechten Szene versammelten sich am Samstagabend auf dem "Teigi-Areal". Sie stammten vorwiegend aus dem Thurgau, einzelne reisten aus anderen Kantonen sowie aus Deutschland an, wie Daniel Meili, Sprecher der Kantonspolizei Thurgau sagte. Die Polizei kontrollierte bei der Anreise die Teilnehmenden und ihre Fahrzeuge. Dabei wurde kein Material festgestellt, das gegen die Antirassismus-Strafnorm verstösst. Laut Meili gab es keine Zwischenfälle.

Der Gemeinde ein Dorn im Auge

Das letzte Treffen von Rechtsextremen in der Kradolfer "Teigi" hatte vergangenen Mai stattgefunden. Auch damals wurde kein strafrechtlich relevantes Material sichergestellt.

Die Treffen sind der Gemeinde Kradolf-Schönenberg seit längerem ein Dorn im Auge, unternehmen kann sie aber nichts. Solange kein Gesetz verletzt wird, sind der Behörde die Hände gebunden.

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Thurgauer Zeitung 15.12.08

Skins trafen sich erneut in Kradolf

Kradolf - Am Samstagabend haben sich rund 50 Personen aus der rechten Szene zu einem Treffen in Kradolf eingefunden. Die Kantonspolizei Thurgau kontrollierte bei der Anreise die Teilnehmenden und ihre Fahrzeuge. Dabei wurde allerdings kein Material festgestellt, das gegen die Antirassismusstrafnorm verstösst. Wie Daniel Meili von der Kantonspolizei auf Anfrage erklärte, stammten die Besucher überwiegend aus dem Thurgau. Vereinzelte Skinheads seien aber auch aus anderen Kantonen sowie aus Deutschland zu dem Treffen angereist. Es handelte sich dabei um eine Veranstaltung der sogenannten Hammerskins. Das Treffen, zu dem auch ein Konzert gehörte, wurde von der Polizei überwacht. Zwischenfälle gab es keine. Laut Daniel Meili sind die Beamten zeitweise auch in dem Gebäude selbst gewesen. Bei dem Ort des Treffens handelt es sich gemäss Recherchen der "Thurgauer Zeitung" um Räumlichkeiten in der ehemaligen Teigwarenfabrik Robert Ernst AG.

In der "Teigi" waren in der Vergangenheit schon mehrfach ähnliche Veranstaltungen durchgeführt worden, zuletzt im Mai dieses Jahres. Den Gemeindebehörden von Kradolf-Schönenberg sind diese Treffen zwar ein Dorn im Auge, so lange dabei aber keine Gesetze verletzt werden, lassen sie sich nicht verbieten. (feb)

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20min.ch 14.12.08

Kradolf

Skin-Treffen im Thurgau

Im thurgauischen Kradolf hat ein Treffen von rund 50 Angehörigen aus der rechten Szene stattgefunden.

Es sei zu keinen Zwischenfällen gekommen, teilte die Thurgauer Kantonspolizei am Sonntag mit. Die Polizei habe am Samstagabend bei der Anreise die Teilnehmenden und deren Fahrzeuge kontrolliert. Dabei sei kein Material festgestellt worden, das gegen die Antirassismusstrafnorm verstossen hätte. Das Treffen habe in einer privaten Liegenschaft stattgefunden und sei von der Polizei überwacht worden.

Quelle: AP

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NEONAZIS BRD
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Newsnetz 15.12.08

Messerattacke auf Passauer Polizeichef - zwei Rechtsextreme gefasst

Nach der Messerattacke auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl sind zwei Verdächtige festgenommen worden. Der Angriff war offenbar ein Racheakt von Rechtsextremen.

Wie ein Polizeisprecher am frühen Montagmorgen in Regensburg berichtete, wurden die beiden Personen im Raum Passau gefasst. Auf sie treffe die Täterbeschreibung zu, die der Polizeichef nach dem Angriff abgegeben habe, hiess es. Die Polizei hatte eine Grossfahndung ausgelöst und eine 20-köpfige Sonderkommission berufen.

Mannichl wurde offenbar aus Rache für seinen Einsatz gegen den Rechtsextremismus vor seinem Wohnhaus mit einem Messer attackiert. Der Täter verfehlte das Herz um nur zwei Zentimeter, wie die Ermittlungsbehörden am Sonntag mitteilten. Der 52-Jährige konnte mit einer Notoperation gerettet werden. Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus.

Mannichl ist eine Hassfigur

Mannichl ist bekannt für sein konsequentes Vorgehen gegen Neonazis und gilt deswegen in der Szene als Hassfigur. Er wurde am Samstag gegen 17.30 Uhr in seinem Wohnort Fürstenzell Opfer der Attacke. Der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walch sprach auf einer Pressekonferenz in Passau von einem heimtückischen Mordversuch, der im Höchstfall mit lebenslanger Haft bestraft werden könne. Der Täter, der eine Glatze trage, sagte nach seinen Angaben bei der Tat: "Viele Grüsse vom nationalen Widerstand. Du linkes Bullenschwein, du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum."

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stern.de 15.12.08

Anschlag auf Passauer Polizeichef: Verdächtige bestreiten die Tat

Nach der Messerattacke auf den Polizeipräsidenten von Passau haben die Ermittler zwei Verdächtige festgenommen. Nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts bestreiten beide die Vorwürfe, die Polizei prüft derzeit ihre Alibis. Die Ermittler wollen in Kürze entscheiden, ob sie gegen die beiden Verdächtigen einen Haftbefehl beantragen.

Nach dem mutmaßlichen Neonazi-Attentat auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl hat die Polizei zwei Verdächtige festgenommen. Nach Angaben des Leitenden Passauer Oberstaatsanwalts Helmut Walch passt auf die Männer die Täterbeschreibung, die der bei dem Attentat schwer verletzte Polizeidirektor geben konnte. "Sie bestreiten beide die Tat und geben auch ein Alibi an, das muss noch überprüft werden", sagte Walch am Montag. Im Laufe des Montags werde entschieden, ob gegen die zwei Verdächtigen oder einen von ihnen Haftbefehl beantragt wird.

Die beiden Verdächtigen seien im Raum Passau aufgegriffen worden. Eine 20 Mann starke Sonderkommission der Kriminalpolizei ermittelt wegen versuchten Mordes.

Mannichl war am Samstag vor seinem Haus in Fürstenzell bei Passau niedergestochen worden. Die elf Zentimeter lange Klinge verfehlte das Herz nur knapp. Die Ermittler vermuten einen Racheakt von Neonazis, weil die Passauer Polizei in diesem Jahr immer wieder gegen die rechtsextreme Szene vorgegangen war. Im Internet wurde Mannichl deshalb verunglimpft.

Bei dem Überfall auf Mannichl hatte der Täter nach Angaben Walchs gesagt: "Viele Grüße vom nationalen Widerstand. Du linkes Bullenschwein, du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum."

Die Tat löste mittlerweile eine neue Diskussion um einen möglichen neuen Verbotsantrag der rechtsextremistischen NPD aus. Nachdem Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) eine Initiative in diese Richtung bereits angedeutet hatten, forderte am Montag auch der stellvertretende CSU- Landtagsfraktionschef Karl Freller ein rasches Verbot der NPD und anderer rechtsextremer Organisationen.

Attentat nur knapp überlebt

FDP-Innenexperte Max Stadler zweifelte dagegen den Sinn eines weiteren Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht an. Stattdessen sollten die Aussteigerprogramme für Neonazis fortgesetzt und die Aufklärungsarbeit an Schulen fortgesetzt werden, sagte der aus Passau stammende Bundestagsabgeordnete im ZDF.

Unterdessen plant Seehofer, den verletzten Polizeidirektor am späten Montagnachmittag im Krankenhaus zu besuchen. Der Anschlag wird an diesem Dienstag auch Thema bei der Sitzung des bayerischen Kabinetts sein. Ministerpräsident Seehofer betonte: "Ich will keinen Zweifel lassen, dass wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln den Rechtsextremismus hier in Bayern bekämpfen."

Mannichl hatte das Attentat nur knapp überlebt, befindet sich aber auf dem Weg der Besserung. Nach dem Angriff konnte der 52-Jährige selbst eine konkrete Beschreibung des Täters geben. Demnach hatte ein etwa 1,90 Meter großer, kahlköpfiger Mann an der Haustür Mannichls geklingelt. Als der Beamte öffnete, wurde er mit einer Naziparole beschimpft und niedergestochen.

Die Rechten werden immer dreister

Chefermittler Walch sagte, dass nun überprüft werden muss, was die beiden gefassten Männer zur Tatzeit und in den Stunden danach gemacht haben. Die zwei am Sonntag festgenommen Verdächtigen stammen beide aus dem Passauer Raum. Noch ist unklar, ob einer von ihnen oder auch beide zusammen für das Verbrechen infrage kommen. Walch machte auch keine näheren Angaben darüber, ob die Männer Mitglieder einer rechtsextremen Organisation sind.

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, wertete den Mordanschlag als Beleg für einen Strategiewechsel der Rechtsextremen. "Seit Jahresbeginn ist es die neue Strategie, direkt gegen Polizisten vorzugehen", sagte er der "Neuen Presse" in Hannover. Dem Sender MDR Info sagte Freiberg, es gebe viele Polizisten, die von Rechten bedroht würden. Kollegen, die häufiger im Einsatz gegen Rechts seien und Verantwortung trügen, würden bedroht und zu Hause belästigt. "Die Rechten werden immer frecher, immer dreister, immer gewalttätiger. Und die Polizisten geraten immer mehr ins Visier rechter Gewalt." Freiberg forderte ein konsequentes Vorgehen gegen rechte Gewalt: "Die Justiz muss hier richtig hinlangen. Diese Leute gehören eingesperrt, die gehören isoliert dabei."

Auch der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), forderte härtere Strafen für rechtsextreme Gewalttäter. "Bei Körperverletzungen mit rechtsextremer Motivation darf es grundsätzlich keine Bewährungsstrafen mehr geben. Die Täter gehören sofort hinter Gitter, weil ihre Beweggründe besonders verwerflich sind", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Damit würde der Rechtsstaat ein klares Signal an eine immer gewaltbereitere rechte Szene setzen. Ein entsprechender Vorschlag des Bundesrats liege bereits auf dem Tisch, sagte Edathy. "Damit muss sich der Bundestag jetzt zügig befassen."

Die Hochschulgruppen der Universität Passau haben zu einer Solidaritäts-Kundgebung für den Polizeichef aufgerufen. Die Demonstration unter dem Motto "Kein Platz für rechte Gewalt" soll am Montagmittag vom Zentrum zum Residenzplatz führen.
 
DPA/AP

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stern.de 14.12.08 (Video)
http://www.stern.de/video/:Video-Messer-Attacke-Passauer-Polizeichef/649117.html

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stern.de 14.12.08

Attentat mit Messer: Neonazi attackiert Passauer Polizeichef

"Viele Grüße vom nationalen Widerstand!" Die Parole wird Alois Mannichl kaum noch wahrgenommen haben, als er hilflos vor seinem Haus lag. Ein mutmaßlicher Neonazi hatte den Polizeichef von Passau zuvor durch einen Messerstich lebensgefährlich verletzt. Bayerns Innenminister spricht von einer "Eskalation der Gewalt".

Der Chef der Passauer Polizei ist durch die brutale Messer-Attacke eines mutmaßlichen Neonazis schwer verletzt worden. Nach dem Attentat sprach der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Sonntag von einer neuen Dimension rechter Verbrechen in dem Bundesland. Polizeidirektor Alois Mannichl war vor seinem Wohnhaus in Fürstenzell bei Passau von einem unbekannten glatzköpfigen Mann niedergestochen worden.

Der 52 Jahre alte Beamte war in den vergangenen Monaten mehrfach gegen Rechtsextremisten vorgegangen. Mannichl ist deswegen insbesondere im Internet von den Rechten scharf kritisiert worden. Trotz einer Großfahndung in Niederbayern und dem angrenzenden Österreich konnte der Täter zunächst nicht gefasst werden. Sollten sich die bisherigen Ermittlungsergebnisse bestätigen, sei das "eine Eskalation der Gewalt", betonte Innenminister Herrmann.

Mannichl außer Lebensgefahr

Der etwa 1,90 Meter große Mann hatte Mannichl vor der Tür seines Reihenhauses in der Dunkelheit aufgelauert, ihn zunächst mit nationalistischen Parolen beleidigt und ihm dann ein Messer in den Bauch gerammt. Die elf Zentimeter lange Klinge verfehlte das Herz nur knapp. "Das ist eine Sache von zwei Zentimetern gewesen", betonte Herrmann. Nach einer Notoperation ist der Polizeichef außer Lebensgefahr. Die Ärzte hoffen, dass Mannichl zu Weihnachten wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden kann. Das Opfer wurde ebenso wie seine Familie unter Polizeischutz gestellt.

Der Täter sagte nach Mannichls Angaben bei der Tat: "Viele Grüße vom nationalen Widerstand. Du linkes Bullenschwein, du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum." Diese Sprüche könnten sich auf die Beerdigung des Neonazis Friedhelm Busse am 26. Juli beziehen. Dabei wurde eine Hakenkreuzfahne auf den Sarg gelegt. Später wurde das Grab auf Anweisung der Staatsanwaltschaft geöffnet und die Fahne sichergestellt. Der Begriff "nationaler Widerstand" ist eine Parole in der Neonaziszene.

Die Region wird immer wieder von Neonazis heimgesucht

In Passau hatte es in diesem Jahr mehrere Polizeiaktionen gegen die rechte Szene gegeben. Die Region wird immer wieder von Neonazis heimgesucht: In diesem Jahr gab es den Behörden zufolge bereits 83 rechtsextremistische Straftaten in dem Bereich. Im vergangenen Jahr waren es noch 40. Nach Angaben des bayerischen Verfassungsschutzes veranstaltete die rechtsextremistische NPD in diesem Jahr mehrfach Versammlungen in Mannichls Heimatort Fürstenzell im Landkreis Passau. Besonders aktiv ist die Szene im Landkreis Rottal-Inn. Der NPD-Kreisverband Passau veröffentlichte am Sonntag auf seiner Webseite eine Erklärung, nach der er die Tat verurteilt.

Zuletzt hatte die NPD dem Polizeidirektor vorgeworfen, dass er bei einer Gedenkveranstaltung während des Volkstrauertages am 16. November Mitglieder der extremistischen Partei "belästigt" habe. Konkrete Hinweise auf eine Gefährdung des Polizeichefs hat es nach Angaben der Ermittler aber nicht gegeben.

Ermittlungen wegen versuchten heimtückischen Mordes

Mannichl konnte nach dem Anschlag noch selbst seinen Kollegen Hinweise auf den Täter geben. Bisher wird nach Polizeiangaben zwar noch in alle Richtungen ermittelt, nach den ersten Erkenntnissen wird eine rechtsextremistische Tat aber als die wahrscheinlichste Version angesehen. Nach der Tat warf der Mann das Messer in der Nähe weg und fuhr mit einem Auto davon. Die Polizei schließt nicht aus, dass in dem Wagen ein Komplize wartete.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen versuchten heimtückischen Mordes. Die Passauer Kriminalpolizei hat eine 20- köpfige Sonderkommission zur Aufklärung der Bluttat ins Leben gerufen, auch das Bayerische Landeskriminalamt ist in die Ermittlungen eingebunden.
 
DPA/AP

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stern.de 14.12.08

Attentat auf Polizei-Chef: Erklärter Feind der Neonazis

Sie treffen sich in "Traudls Café". Im niederbayerischen Fürstenzell sind Neonazis nicht gern gesehen, aber präsent. Die rechtsextremen Straftaten nehmen in der Region zu. Nun traf es den Polizei-Chef von Passau. Alois Mannichl lebt in Fürstenzell und ist eine Hass-Figur der Rechten. Alles deutet darauf hin, dass ihm seine Haltung beinahe zum Verhängnis geworden wäre.

Die Vorfreude auf Weihnachten prägt am frühen Samstagabend die Wohnsiedlung am Rande der niederbayerischen Marktgemeinde Fürstenzell. Das Grundstück in der Ringstraße, wo der Passauer Polizeichef Alois Mannichl wohnt, wird von einem großen Schneemann geziert. In der eng bebauten Ringstraße steigt eine Adventsparty. Gegen 17.30 Uhr läutet es am Privathaus des Polizeidirektors. Der 52-Jährige geht an die Tür. Er hat keine Chance zu reagieren. Ein 1,90 Meter großer, kräftiger Mann mit Glatze ruft: "Viele Grüße vom Nationalen Widerstand, du linkes Bullenschwein. Du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden rum." Im selben Moment rammt der Mann dem Polizeichef ein Messer mit einer elf Zentimeter langen Klinge in die linke Bauchseite.

Der Täter verfehlt nur um zwei Zentimeter das Herz. Der schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzte Beamte hört ein Motorengeräusch. Um 17.34 Uhr verständigt seine Frau die Einsatzzentrale, sechs Minuten später sind zwei Polizeistreifen vor Ort. Die Spurensicherung läuft an, die Beamten finden das Tatmesser im Garten des Opfers. Mannichl ist zu diesem Zeitpunkt schon im Klinikum notoperiert und außer Gefahr. Er steht nun unter Personenschutz, ebenso seine Frau und seine beiden erwachsenen Kinder.

Zahl rechter Straftaten nimmt deutlich zu

Eigentlich fällt in der ländlichen Marktgemeinde mit ihren gut 8000 Einwohnern jeder Fremde auf, der nicht bloß durch das Straßendorf ins Rottal will. Seit zwei Jahren ist man besonders wachsam - im ganzen Bereich der Polizeidirektion Passau, wo sich die rechtsextremistischen Straftaten seit dem vergangenen Jahr schon jetzt auf 83 verdoppelt haben. Aber die Wachsamkeit ist auch in Fürstenzell stärker geworden. In der Universitätsstadt Passau fand sich kein Lokal für regelmäßige NPD-Treffen. Also wichen die Neonazis in die Marktgemeinde aus, nicht selten attackiert von der linken Szene, abgelehnt von den Bürgern.

Im Internet zur "Antiperson" geworden

Die Rechten sitzen in "Traudls Café" beisammen. Gegenüber haben die Fürstenzeller ein Schild aufgestellt: "Kein Platz für Extremismus". All dies trägt sich zu am Wohnort des Polizeichefs. Mannichl ist inzwischen erklärter Feind für die Neonazis. Mannichls oberster Chef, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, zeigt sich einen Tag nach der Gewalttat auf einer Pressekonferenz bestürzt. Der Beamte sei aus Sicht der Neonazis in besonderer Weise zum Symbol der aktiven Polizeiarbeit gegen den Rechtsextremismus geworden. "Er wurde in unflätiger Weise im Internet angegriffen und ist dort zur starken Antiperson geworden. Es ist eine völlig neue Dimension, einen führenden Polizeibeamten anzugreifen, für sein Agieren gegen Rechtsextreme zu bestrafen oder einzuschüchtern."

Mannichl, der seit September 2004 Leiter der Polizeidirektion ist und von 1994 bis 1997 ihr Vizechef war, ist nach Worten von Polizeipräsident Hans Junker ein umsichtiger und professioneller Einsatzleiter. Er sei bekannt für sein geradliniges und konsequentes Einschreiten gegen Extremismus von links und von rechts.
 
Hakenkreuzfahne im offenen Grab

Für die Anspielungen bezüglich der Gräber, die der Attentäter machte, gibt es zwei Anlässe. In beiden Fällen war Mannichl präsent. So beim Begräbnis von Neonazi Friedhelm Busse in Passau am 26. Juli. Damals gab es Ausschreitungen um einen linken Journalisten sowie eine sichergestellte Hakenkreuzfahne, die NPD-Funktionär Thomas Wulff in das offene Grab legte. Am 16. November, dem Volkstrauertag, soll Mannichl einen NPD-Funktionär - so der Jargon in der rechtsextremen Partei - "belästigt" haben. Er habe ihm die Sicht am Soldatenfriedhof genommen, beschweren die Rechtsextremisten sich im Internet. Aktuell allerdings gibt sich dort die Passauer NPD lammfromm und "verurteilt diese feige Tat aufs Schärfste und wird den Ermittlungsbehörden behilflich sein, den Täter ausfindig zu machen".

Kein Einwohner und kein Partygast in Fürstenzell hat am Tatabend etwas bemerkt. Möglicherweise waren die Attentäter zu zweit - einer könnte mit laufendem Motor in einem Auto gewartet haben, doch auch das fiel offenbar niemandem auf. Der andere Täter schellte an der Haustür, um Mannichl zu töten. So könnte es sich abgespielt haben. Ausreichend Belege für einen solchen Tathergang gibt es bisher aber nicht.

Ermittlungen wegen Mordversuchs

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines heimtückischen Mordversuches. Die Sprüche des Täters und die Vorgeschichte legen die Vermutung nahe, dass es ein Täter aus der rechtsextremistischen Szene war. Dennoch muss die Staatsanwaltschaft in alle Richtungen ermitteln. Die Fahnder bildeten noch am Samstagabend eine 20-köpfige Sonderkommission und überprüften einschlägig bekannte Rechtsextremisten. Die Suche wurde auf Bayern, Österreich und Tschechien ausgedehnt, ohne dass der oder die Täter bisher gefasst werden konnten. Mannichl liegt im Krankenhaus und ist auf dem Weg der Besserung. Das Weihnachtesfest kann er vielleicht zu Hause feiern. Vorfreude auf das Fest wird in Fürstenzell nun aber kaum wieder aufkommen.
 
Christine Pierach, AP

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GRIECHENLAND
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Tagsanzeiger 15.12.08

Die Athener Jugendunruhen gehen in die zweite Woche

Das griechische Feuer bedroht Europa

Von Christiane Schlötzer

"Macht kaputt, was euch kaputt macht", sang einst die deutsche Rockgruppe Ton Steine Scherben. Bob Dylan lieferte das Vorbild für diesen Song, 1970 war das, und damals war Krieg in Vietnam. Griechische Jugendliche, die jetzt in Athen und Thessaloniki ganze Strassenzüge verwüsteten, hinterliessen im Glasbruch eines Schaufensters die Graffiti-Zeilen: "Die Mode unterjocht das Gewissen" und "Die Spektakel-Gesellschaft soll brennen". Das hört sich an, als hiessen die Gegner der wütenden Jugend Gucci und Prada. Aber in Griechenland gingen nicht nur Konsumtempel und Bankfilialen zu Bruch. Aufgeführt wurde ein europäisches Drama, das demnächst auch auf anderen Bühnen spielen könnte. Denn die griechische Krankheit grassiert auch andernorts, in Hellas ist sie nur nicht mehr zu übersehen.

Zu den Ursachen dieses Malaise gehören: ein Staat, der sich nicht an die eigenen Gesetze hält; eine Gesellschaft, die Regelverletzungen aller Art duldet; eine Jugend, die das Vertrauen in einfachste Gewissheiten des täglichen Lebens verloren hat. Mit der Nachlässigkeit gegenüber Recht und Gesetz lässt sich so lange gut leben, wie viele davon profitieren. Warum soll man einen Bauantrag stellen, wenn man sein Haus am Meer auch illegal hochmauern kann? Im Sommer 2007 erlebte Griechenland die schlimmsten Waldbrände seit mehr als hundert Jahren. Die konservative Regierung versagte als Krisenmanagerin total - und doch wurde sie anschliessend wiedergewählt. Eine Mehrheit der Griechen hat sich bislang, wenn auch manchmal mit schlechtem Gewissen, mit den allgemeinen Zuständen arrangiert.

Das ist vorbei. Denn anders als in Frankreich, wo vor allem arbeitslose Zuwanderersöhne in den Vorstädten rebellieren, zogen in Griechenland die Kinder der besseren Familien Arm in Arm mit gewaltgewohnten Chaoten durch die weihnachtlich herausgeputzten Strassen, warfen Pflastersteine und setzten Autos in Brand. Die Jugendlichen haben sich für ihren Wutausbruch die städtischen Zentren ausgesucht, weil sie sich dort auskennen. Schliesslich gehören sie selbst zur Mitte der Gesellschaft, und auf den Luxusmeilen ordern sie an guten Tagen bei Starbucks ihren Latte macchiato.

Unbehelligte Brandstifter

Nun werden die Scherben weggekehrt, und dabei fällt auf, mit wie viel Nachsicht die Randalierer behandelt werden, sowohl von Publizisten als auch von Pädagogen - als könnten die Täter nichts für ihre Taten, und als spüre die Gesellschaft eine eigene Schuld. Dies lässt ahnen, wie tief die Erschütterungen nach dem bislang ungekannten Gewaltausbruch gehen, tiefer jedenfalls als die Trauer um den 15-Jährigen, der vor einer Woche durch eine Polizeikugel bei einem Dumme-Jungen-Streich getötet wurde. Der konservative Premier Kostas Karamanlis wähnt wegen der Krawalle gar die Demokratie in Gefahr. Das ist zwar übertrieben. Wenn es aber eine Bedrohung für die einst in Griechenland erfundene Staatsform gibt, dann ist es die seit langem geübte Toleranz von Politik und Justiz gegenüber dem kleinen und dem ganz grossen Unrecht.

Wieso sucht und findet denn niemand die Waldbrandstifter von 2007? Nicht nur die Zündler, die alljährlich im August mit Gasflaschen unterwegs sind, um Bäume für Bauland abzubrennen, sondern auch die Umweltfrevler, die ihre Autowracks in der Natur abstellen. Telefonabhörskandale, die nie aufgeklärt werden, verzockte Sozialversicherungsgelder, unheilige Kirchenmänner, die mit Grundstücken Monopoly spielen und dann ihre Klöster wie Konzernzentralen ausstatten, Bürokraten, die Geldgeschenke für gewöhnliche Dienstleistungen erwarten, Politiker, die bei Staatsaufträgen mitkassieren - alles geht, und alle wissen es. Wer in dieser Klientel-Demokratie einen öffentlich besoldeten Job sucht, der muss die richtigen Politiker kennen, damit die Türen aufgehen. Wer aber draussen bleibt, verliert den Glauben an einen halbwegs gerechten Staat.

Die griechischen Zustände könnten ein Menetekel sein für andere EU-Staaten, weil sich zumindest in weiten Teilen Süd- und Osteuropas ähnliche Verhältnisse und Versäumnisse finden. Das griechische Feuer kann erst recht übergreifen, wenn die globale Krise immer mehr Verlierer hinterlässt.

Die Pfründen sind verteilt

In keinem Land Europas aber ist die Fallhöhe zwischen Anspruch und Wirklichkeit so gross wie in Griechenland. Die hellenische Antike prägt europäisches Denken bis heute, aber den Weitblick eines Perikles hat das Bildungssystem schon lange verloren. Zwar wird jungen Griechen in den Schulen immer noch erzählt, dass sie einer ganz besonderen Kulturnation angehörten. Doch es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen Selbstbild und alltäglicher Kümmerlichkeit. In den Pisa-Studien landen die Schüler im Land von Pythagoras nicht nur im Rechnen auf einem der hinteren Ränge. Weil die öffentlichen Schulen so schlecht sind, quälen sich alle Schüler nachmittags in privaten Paukstudios in japanischem Stil. Nicht jeder hält das aus, aber jeder will nach oben.

Griechenland hat in den vergangenen 25 Jahren einen ausserordentlichen Aufschwung erlebt. Davor war das Land vom übrigen Europa isoliert, bis 1974 auch sieben Jahre lang durch eine Militärdiktatur. Anschliessend wuchs der Wohlstand, seit 1981 auch mit grosszügiger Hilfe aus Brüssel. Binnen einer Generation war der Zugewinn an Reichtum so gross wie nie zuvor. Die Grossväter der rebellierenden Studenten liefen häufig noch barfuss auf einer Ägäisinsel in die Schule.

Doch nun sind die Pfründen verteilt, seit einem Vierteljahrhundert wechseln sich dieselben beiden Grossparteien an der Macht ab und bedienen die jeweilige Klientel. Jetzt geht der Boom zu Ende, die ökonomische Entwicklung stockt, und die Jugendarbeitslosigkeit wächst mit grosser Geschwindigkeit. Auch an den Universitäten lohnt sich die Leistung nicht mehr, weil danach nur noch ein Job in einer Nachtbar oder als Taxifahrer winkt.

Die griechische Regierung hat auf all die Krisenzeichen bislang dickfellig, ja geradezu arrogant reagiert. Auch jetzt greift sie wieder zu den alten Rezepten. Nach den verheerenden Waldbränden zahlte sie für die niedergebrannten Dörfer, jetzt verspricht der Premierminister Geld für die Geschäftsinhaber, deren Verluste die Versicherungen schon auf eine Milliarde Euro beziffern. Das wäre der grösste Schaden in Griechenland seit dem Zweiten Weltkrieg. Aber all das Geld wird die griechische Misere nicht beenden. Und es wird die zornigen jungen Leute nicht besänftigen.

Nicht radikal, nur verzweifelt

In einem Brief an Politiker, Polizei und alle, die es wissen wollen, beklagen sich die Mitschüler des getöteten 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos über eine Gesellschaft, die nur "hinter dem Geld" her sei, heuchlerisch und ohne Fantasie. "Helft uns", heisst es in ihrem Appell. Das klingt nicht sehr radikal, sondern ziemlich verzweifelt.

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Basler Zeitung 15.12.08

Türkisches Lob für die Griechen

Mit Respekt verfolgen viele Türken die Auseinandersetzungen im Nachbarland

Jan Keetman, Istanbul

In der Türkei werden die Menschenrechte gering geachtet, die Regierung nimmt willkürlich handelnde Polizisten in Schutz - anders als derzeit in Griechenland.

Während die Griechen nach einer Woche heftiger Jugendunruhen kaum das Gefühl haben, in der besten aller möglichen Welten zu leben, blicken gegenwärtig viele Türken mit Respekt auf die wenig bekannten Nachbarn. "Ich empfinde Achtung für die Griechen, die auf die Strasse gehen, weil ein Kind von einer Polizeikugel getötet wurde", schreibt der türkische Kolumnist Oral Calislar.

Vergleichbare Fälle

Auch die Reaktion des Staates, so wenig sie viele Griechen selbst überzeugt hat, wird jenseits der Ägäis gepriesen. Der Innenminister und ein Staatssekretär boten sofort nach dem Vorfall ihren Rücktritt an. Der Polizist, der den tödlichen Schuss abgab, und sein Begleiter, befinden sich in Untersuchungshaft. Der Staatspräsident und der Regierungschef haben sich bei der Familie entschuldigt. Wenn das gleiche in der Türkei geschehen würde, so gerieten die verschiedenen Staatsorgane in einen Wettstreit, um den Polizisten zu entlasten, meint Oral Calislar.

An vergleichbaren Fällen fehlt es in der Türkei nicht. Allein in diesem Jahr wurden 17 Menschen von türkischen Polizisten getötet. Am 1. April diesen Jahres wurde der zehnjährige Ramazan Dal bei Auseinandersetzungen mit der Polizei in Van von der Polizei getötet. Am 9. November erschoss ein Polizist den 14-jährigen Ahmet Yildirim in Adana, weil er trotz der Aufforderung, stehen zu bleiben, davonlief.

Dazu kommen Berichte über Schläge und Folter auf Polizeiwachen und in Gefängnissen. Der 29-jährige Engin Ceber wurde auf der Wache und im Gefängnis tagelang so geschlagen, dass er nicht mehr zu retten war. Sein "Verbrechen" bestand darin, dass er eine legale linke Zeitschrift verteilt hatte. Das Thema auf der Titelseite der Zeitschrift war der Fall des 17-jährigen Ferhat Gercek, der ein Jahr zuvor beim Verteilen der gleichen Zeitschrift im gleichen Istanbuler Stadtviertel von einem Polizisten angeschossen worden war. Ferhat Gercek ist seither querschnittsgelähmt. Der Polizist, der auf ihn geschossen hatte, blieb im Dienst.

Mundtot gemacht

Immerhin hat sich der türkische Justizminister Mehmet Ali Sahin bei den Angehörigen von Engin Ceber entschuldigt, was ein Novum in der türkischen Politik ist. Gegen mehrere Polizisten und Gefängniswärter wird ermittelt. Gleichzeitig wurden aber weitere Presseberichte über das Verfahren von einem Gericht untersagt. So leicht lässt sich die kritische Öffentlichkeit mundtot machen. schlimmes jahr. Nach der Statistik des türkischen Menschenrechtsvereins war 2008 das schlimmste Jahr für die Menschenrechte in der Türkei seit zehn Jahren. Der Koordinator für Menschenrechtsfragen im Amt des Ministerpräsidenten, Hasan Tahsin Fendoglu, gibt einige Menschenrechtsverletzungen zu, bestreitet aber, dass sie schlimmer würden. Ausserdem habe die Regierung ein schwieriges Jahr gehabt: "Wir haben uns fünf, sechs Monate um das Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei gekümmert, wir haben uns um eine Lösung der Kopftuchfrage gekümmert, und jetzt befinden wir uns vor Kommunalwahlen."

Der stellvertretende Ministerpräsident und Ex-Justizminister Cemil Cicek sagte einem Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, man müsse die Polizisten verstehen, schliesslich stünden sie im Kampf gegen die kurdische PKK-Guerilla. Premierminister Recep Tayyip Erdogan äusserte Verständnis für Bürger, die bewaffnet kurdische Demonstranten durch das belebte Istanbuler Altstadtviertel Beyoglu jagten.

Oral Calislar schliesst seinen Artikel mit der Bemerkung, dass Griechenland eigentlich nicht weit weg sei. "Sie sind unsere Nachbarn."

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Polizei verteilt Blumen

Athen. Nach einer weiteren Nacht mit Ausschreitungen rund um die Technische Universität ist am Sonntag in Athen wieder Ruhe eingekehrt. Bis in die frühen Morgenstunden hatten Randalierer im Stadtviertel Exachria, das als Hochburg von "Autonomen" gilt, mit Brandflaschen und Feuerwerkskörpern um sich geworfen. Dagegen protestierten rund 1000 meist junge Leute friedlich gegen den Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos vor einer Woche. Im Stadtteil Kypseli versuchten Polizisten, das gestörte Verhältnis zu den Bürgern wiederherzustellen. Sie verteilen auf der Strasse Blumen an Passanten, wie das Fernsehen berichtete. Am Sonntag veröffentlichte Umfragen zeigten, dass die Regierungspartei Nea Dimokratia von Premier Kostas Karamanlis bei Wahlen eine schwere Niederlage hinnehmen müsste. DPA

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VERSAMMLUNGSGESETZ BA-WÜ
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Radio Dreyeckland (Freiburg i.B.) 15.12.08

13.12.2008 - Demonstration in Freiburg mit 2500 TeilnehmerInnen gegen das geplante neue Versammlungsgesetz in Baden-Württemberg - Gespräch mit zwei Teilnehmern

Am 13.12.2008 fand in Freiburg eine unangemeldete Demonstration mit ~2500 TeilnehmerInnen gegen das geplante neue Versammlungsgesetz in Ba-Wü. statt. Hier ein Studiogespräch mit zwei Teilnehmern im Anschluss an die Demo.

Thema:
1. Bericht von der Demo
2. Allgemeinverfügung der Stadt Freiburg. In dieser hatte die Stadt am 11.12 Versammlungen am 13.12 in gesamten Innenstadt verboten.

ANMOD (Vorschlag):
Am 13.12.2008 fand in Freiburg eine unangemeldete Demonstration mit ~2500 TeilnehmerInnen gegen das geplante neue Versammlungsgesetz in Ba-Wü. statt. Hier ein Studiogespräch von Radio Dreyeckland mit zwei Teilnehmern im Anschluss an die Demo.

Beitrag
http://www.freie-radios.net/mp3/20081215-13122008-25458.mp3

Abmod (Vorschlag):
Soweit das Studiogespräch von Radio Dreyeckland mit zwei Teilnehmern der Demonstration gegen das geplante neue Versammlungsgesetz am 13. Dezember in Freiburg. An der Demonstration beteiligten sich nach Angaben der Polizei, der VeranstalterInnen, wie auch des SWR bis zu 2500 TeilnehmerInnen.
In dem Gespräch wurde noch über mögliche Probleme am Abend nach der Demonstration gemutmaßt. Abgesehen von einigen Personenkontrollen von Abreisenden Demonstrierenden, blieb es jedoch nach der Demo ruhig.