MEDIENSPIEGEL 17.12.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Protectas Innenstadt
- Anti-WEF-Demos Jan 2008: Persilschein für Polizei
- NR gegen Lauschangriff; Datenschutz BS; Amtsgeheimnis ZH
- Videoüberwachung LU
- Willkürliche Nothilfepraxis
- Tödliche Taser
- Safer Clubbing gegen Komasaufen
- KZ Langenthal: Spurensuche
- Neonazis: Unmut in Kradolf TG
- Vaduz: Prozess gegen CH-Neonazis
- Freiburg i.B.: Journalist als Neonazi geoutet; Passau in Angst
- MusikerInnen gegen Foltersongs
- Anti-Atom: Beschwerde verzögert Mühleberg-Bewilligungsverfahren

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REITSCHULE
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Dez 08: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Mi 17.12.08  
19.00 Uhr - SousLePont   - Weltweite Weihnachts-Spezialitäten
20.00 Uhr - Infoladen - (anti-atom.ch) Schrott-Reaktor AKW Mühleberg - Der Stand der Dinge: Infoveranstaltung mit Jürg Joss von Fokus Anti-Atom (vormals "Aktion Mühleberg stilllegen" AMüs)

Do 18.12.08
20.30 Uhr - Kino - Nueve reinas, Fabian Bielinsky, Argentinien 2001
Fr 19.12.08
20.30 Uhr - Tojo - TITTANIC V Lesung: Tania Kummer, Frances Belser, Sandra Küenzi. Musik Aeberli/Zahnd
21.00 Uhr - Kino - Nueve reinas, Fabian Bielinsky, Argentinien 2001
22.00 Uhr - SousLePont - Pornolé und Electric Hellessence

Sa 20.12.08
19.30 Uhr - Kino - Leningrad Cowboys Go America, Aki Kaurismäki, SF/S 1989
21.30 Uhr - Kino - Leningrad Cowboys Meet Moses, Aki Kaurismäki, SF/D/F 1994
23.00 Uhr - Frauenraum - Eisschmelze Vol. 2 mit SCANDAL! (ZH), DJ`s Anne Air, Eli Verveine und Nat und DJ ELfERich (BE). Visuals: Die Taucherin (LU)
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: Ed Rush (Virus Rec/UK), Deejaymf (cryo.ch), VCA (Biotic Rec/CH), Silent Extent (Close to Death Rec/CH), Kenobi (drumandbass.ch)

So 21.12.08
19.00 Uhr - Tojo - Öffentliche Probe: Missing Pieces von Nachtregentrommler. Regie: Christian Valerius.

Infos: www.reitschule.ch

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PROTECTAS INNENSTADT
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Bund 17.12.08

GB wehrt sich gegen Protectas

Stadt Bern Bern-City will die Innenstadt durch den privaten Sicherheitsdienst Protectas überwachen lassen und bittet die Stadt um finanzielle Unterstützung für die "City-Patrol" ("Bund" vom 15. Dezember). Die Patrouillen sollen Gewerbetreibende und Anwohner besser vor Vandalismus, Dreck und der Drogenszene schützen.

"Die Sorgen und Ängste der GewerblerInnen sind ernst zu nehmen", schreibt das Grüne Bündnis (GB) in einer Stellungnahme. "Die Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit liegt aber einzig und allein bei der Polizei." Die "Sicherheit" sei eine staatliche Kernaufgabe, das staatliche Gewaltmonopol ein Wesensmerkmal jedes modernen Staates. "Der Auslagerung von polizeilichen Aufgaben an private Sicherheitsfirmen sind daher enge Grenzen gesetzt, insbesondere wenn die Aufgabenerfüllung mit der Anwendung von Zwang verbunden ist oder Ermessensentscheide getroffen werden müssen", schreibt das GB weiter.

Die Partei wendet sich darum "gegen jegliches Engagement von privaten Sicherheitsdiensten auf öffentlichem Stadtboden" und will in der ersten Stadtratssitzung im neuen Jahr einen entsprechenden Vorstoss einreichen: "Der Gemeinderat soll seine Haltung klarstellen und darlegen, ob und wie solche Einsätze mit den rechtlichen Grundlagen übereinstimmen beziehungsweise gesetzeswidrig sind." (pas)

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punkt.ch 17.12.08

Tschäppät will nicht, dass die Protectas Polizei spielt

Entschieden ist noch nichts. Aber das Gewerbe prüft, ob man nicht selber für Ruhe und Ordnung sorgen soll. Stadtpräsident Tschäppät winkt ab.

Die Aarbergergasse ist ein heisses Pflaster. Das weiss auch die Polizei. "Wir haben heuer rund 700 Meldungen erhalten", sagt Polizeisprecher Thomas Jauch. Gezählt werde jeder Vorfall, vom Velodiebstahl über den Blechschaden bis zum Diebstahl. Kein Wunder also, ist mehr los als andernorts. In der Gasse sind Nachtclubs und Bordelle. Aber auch das Casa Marcello, der letzte Rückzugsort für die Randständigen.
Ebenfalls nicht verwunderlich ist die Tatsache, dass sich die Geschäftsinhaber Sorgen machen (siehe Umfrage) und die Protectas in der ganzen Innenstadt patrouillieren lassen wollen, wie Bern-City Präsident Daniel Nicklès sagte. Die Abklärungen sind so weit gediehen, dass die Kosten auf 250 000 bis 500 000Franken pro Jahr eingeschätzt werden. Es werde aber schwierig, eine flächendeckende Überwachung aufzuziehen.
Schwierig wird es vor allem, die Politiker von den Nöten der Ladeninhaber zu überzeugen. Stadtpräsident Alexander Tschäppät machte gegenüber ".ch" klar: "Sicherheit ist ein Service Public." Er könne sich aber vorstellen, "dass die Protectas- Mitarbeiter rund um die Uhr auf Läden aufpassen".
peter.camenzind@punkt.ch.

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Umfrage: Sie arbeiten in der Aarbergergasse. Fühlen
Sie sich hier noch sicher? Wurden Sie schon belästigt?

"Manchmal ist es nötig, dass Sicherheitsleute nach dem Rechten schauen. Jedoch habe ich mich hier an der Aarbergergasse noch nie unwohl gefühlt. Wenn die Protectas ihren Job genau gleich gut erledigt, wie die Berner Polizei, dann bin ich vollkommen zufrieden."
Aleksandra Bosnjakovic, 23 Mitarbeiterin im Neuroth

"Es ist sicherlich für den Betrieb nicht schlecht, wenn wir private Sicherheitsleute einstellen. Es schreckt vor allem die Drogenabhängigen ab, die in der Gasse oft zu sehen sind. Jedoch wurden wir noch nie belästigt. Daher fühle ich mich sehr sicher. Junkies sind meistens friedliche Leute."
Ludovico Palladino, 21 Mitarbeiter im Kitchener

"Grundsätzlich finde ich, dass es die Sicherheitsleute von der Protectas braucht. Ich fühle mich nicht unsicher. Es ist einfach kein schönes Bild, wenn in der Gasse so offen Drogen konsumiert werden. Es wirkt sich negativ auf unsere Umsätze aus. Die Stadt Bern sollte sich endlich darum kümmern."
Claudia Strübin, 30 Lachenmeier Farben

"Wir brauchen die Protectas, weil die Kriminalität in der Gasse sehr hoch ist. Mir ist es sehr wichtig, dass sich meine Kundschaft sicher fühlt. Sobald die Protectas-Mitarbeiter auftauchen, verschwinden die komischen Leute sofort. Auch die Polizei gibt sich grosse Mühe. Eine Lösung findet aber niemand."
Kazim Ercosman, 40 Juwelier Ercosman

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ANTI-WEF-DEMOS JAN 2008
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Bund 17.12.08

Persilschein für die Polizei

Polizeieinsatz bei Anti-WEF-Demo nicht beanstandet

Dass die Infrastruktur für die über 200 Festgenommenen ungenügend war, hänge mit dem kurzfristigen Verbot der zuerst bewilligten Demonstration zusammen, schreibt die Oberaufsichtskommission (OAK) des Grossen Rates.

Die Gruppierungen "grundrechte.ch" und "Augen-auf-Bern" hatten nach den Anti-WEF-Kundgebungen vom 19. und 26. Januar 2008 die Oberaufsichtskommission (OAK) des Grossen Rats (Kantonsparlament) ersucht, den Polizeieinsatz wie auch einzelne Vorkommnisse zu überprüfen. Sie prangerten bei der ersten Kundgebung neben willkürlichen Verhaftungen vor allem das Prozedere in den Sammelstellen als erniedrigend und menschenverachtend an. So seien Wasser und Nahrung wie auch Toilettengänge verweigert worden. Auch seien Personen bis zu zehn Stunden angehalten worden. Laut "Augen-auf-Bern" mussten sich zudem viele Personen bei der Durchsuchung ganz oder teilweise entkleiden und wurden systematisch fotografiert. Insgesamt seien über 240 Personen festgenommen worden, ohne dass es zu irgendeinem Zeitpunkt zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen sei.

Der Einsatz ist "nachvollziehbar"

Die OAK nahm nun vor allem zur Kundgebung vom 19. Januar Stellung, die von einem rekordverdächtigen Polizeiaufgebot begleitet war: Laut Kommission konnte die Polizei aufgrund der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse Gewalt nicht ausschliessen. Es sei ihr gelungen, die öffentliche Ordnung zu sichern und die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. In Bezug auf die Verhältnismässigkeit des Einsatzes verweist die OAK auf das latente Gewaltpotenzial, die von Einzelnen mitgeführten Gegenstände und die Probleme bei der Anhaltung und Identifizierung von Personen in der am Samstagnachmittag belebten Innenstadt.

Laut Kommission musste die Polizei zudem organisatorisch umdisponieren, nachdem die vorerst bewilligte Kundgebung vom Berner Gemeinderat kurzfristig verboten worden war. "Dies hat dazu geführt, dass die Infrastruktur der Sammelstellen für Festgenommene ungenügend war. Dadurch ergab sich für die Festgehaltenen teilweise eine schwierige Situation", hält die OAK fest. Bereits für die bewilligte Kundgebung eine Woche später seien die Mängel aber weitgehend behoben worden. Insgesamt habe das Vorgehen der Polizei innerhalb des Ermessensspielraums gelegen und sei deshalb nicht zu beanstanden. Die Handlungsweise der Polizei sei "nachvollziehbar".

Auf "kontroverse Einzelfälle" ging die Kommission unter Verweis auf ihren Zuständigkeitsbereich nicht ein. Die OAK verweist zugleich auf die von Regierungsstatthalterin Regula Mader erarbeiteten 26 Empfehlungen für Verbesserungen. Mader empfahl unter anderem, geschlossene und geheizte Warteräume mit ausreichend Toiletten bereitzustellen. Zudem müssten die eingeschlossenen Personen betreut und deren medizinische Versorgung gewährleistet werden. Gewalttätige, Friedliche und Minderjährige seien voneinander zu trennen. Zumindest 17 von Maders Vorschlägen will die Kantonspolizei künftig berücksichtigen.

Menschenrechtler unzufrieden

Die beiden Menschenrechtsgruppierungen sind mit der Antwort der OAK gar nicht zufrieden, wie sie mitteilten. Die OAK halte es für verhältnismässig, 242 Personen festzunehmen und sie bis zu zehn Stunden bei mangelnder Versorgung und ohne Angaben von Gründen bei eisigen Temperaturen in "überfüllten Freiluftkäfigen" festzuhalten. Offenbar fehle der Wille zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Geschehnissen, konstatieren die Gruppierungen. (ap/pas)

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BZ 17.12.08

Anti-Wef-Demos

Die Polizei handelte korrekt

Nach Kritik von Menschenrechtsgruppierungen wurde der Polizeieinsatz an den Anti-WEF-Demos vom 19. und 26.Januar vom Kanton untersucht. Er sei verhältnismässig gewesen und nicht zu beanstanden, so das Fazit.

Die Gruppierungen "grundrechte.ch" und "augenauf Bern" hatten nach den Anti-WEF-Kundgebungen vom 19. und 26.Januar die Oberaufsichtskommission (OAK) des Grossen Rates ersucht, das Vorgehen der Polizei zu überprüfen. Dies hat die OAK getan und gestern ihre Einschätzung veröffentlicht. Sie kommt zum Schluss, dass das Vorgehen der Polizei nicht zu beanstanden sei. Besonders anlässlich der unbewilligten Demonstration vom 19.Januar habe die Polizei gestützt auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse davon ausgehen müssen, dass es zu Gewalt kommen könnte. Ihre Aufgabe sei es gewesen, die öffentliche Ordnung zu sichern und Straftaten zu verhindern, schreibt die OAK. "Dies ist der Polizei gelungen, und sie hat die gesetzlichen Vorgaben erfüllt."

Die Menschenrechtsgruppen hatten die mangelnde Infrastruktur in den Festhalteräumen kritisiert. Hier müsse man berücksichtigen, dass die Kundgebung kurzfristig verboten worden sei, betont die OAK. Dies habe dazu geführt, dass die Infrastruktur ungenügend gewesen sei. Bereits für die bewilligte Demo vom 26.Januar habe die Polizei diese Mängel behoben. Regierungsstatthalterin Regula Mader gab 26 Empfehlungen für Verbesserungen ab. In 17 Fällen war die Polizei bereit, diese zu berücksichtigen. Diese wurden während der Euro 08 umgesetzt.

Nicht zufrieden mit der Antwort der OAK sind die Menschenrechtsgruppen. Sie halten an ihrer Kritik fest.
mm

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Medienmitteilung von grundrechte.ch und augenauf Bern vom 16. Dezember 2008

Unbefriedigende Antwort der Oberaufsichtskommission zum Polizeieinsatz  anlässlich der Anti-WEF-Demonstration

Die Menschenrechtsgruppe augenauf Bern und der Verein grundrechte.ch  erachten die Antwort der Oberaufsichtskommission (OAK) auf den Antrag  auf Untersuchung der Polizeieinsätze vom 19. und 26. Januar 2008 als  äusserst unbefriedigend.

Gemäss ihrem Schreiben erachtet es die OAK demnach "unter den  besonderen Rahmenbedingungen" als verhältnismässig, 242 Personen  festzunehmen, bis zu zehn Stunden bei mangelnder Versorgung und ohne  Angabe eines Grundes bei eisigen Temperaturen in überfüllten  Freiluftkäfigen festzuhalten, ohne dass es ansatzweise zu  Ausschreitungen gekommen ist. Die OAK hält es weiter für  verhältnismässig, dass sich Personen, die keinerlei Straftaten  begangen haben, bei der Durchsuchung vollständig entkleiden müssen und  systematisch fotografiert werden.

Ähnlich wie der Regierungsrat in seiner Antwort auf die Interpellation  von Corrado Pardini im Juli dieses Jahres, folgt nun auch die OAK in  weiten Teilen der Argumentationslinie der Kantonspolizei. Die  massenhaften Kontrollen und Festnahmen von Personen, die sich  einwandfrei ausweisen konnten und bei denen ein Verdacht auf eine  erhebliche Straftat zu keinem Zeitpunkt gegeben war, wird pauschal mit  dem Verweis auf eine diffuse Gefährdungslage gerechtfertigt. Die  katastrophalen Festhaltebedingungen und das erniedrigende  Durchsuchungsprozedere werden verharmlosend als Folge logistischer  Probleme dargestellt.

Es hat sich in zahlreichen Fällen gezeigt, wie schwierig es ist, auf  dem juristischen Weg gegen Fehlverhalten der Polizei vorzugehen. In  den allermeisten Fällen werden entsprechende Verfahren eingestellt  oder enden in einem Freispruch der angeschuldigten PolizistInnen. Umso  wichtiger wäre es daher, dass die verantwortlichen politischen  Instanzen ihre Aufsichtsfunktion wahrnehmen und sich kritisch und  ernsthaft mit dem Verhalten der Polizei auseinandersetzen. Die Antwort  der OAK zeigt in aller Deutlichkeit, dass auch hier offenbar jeder  Wille zu einer solchen kritischen Auseinandersetzung fehlt. Die  Antwort scheint einzig das Ziel zu verfolgen, den fraglichen  Polizeieinsatz zu rechtfertigen.

augenauf Bern und grundrechte.ch bedauern zudem, dass in der Antwort  der OAK eine genauere Ausführung zu den Empfehlungen von  Regierungsstatthalterin Regula Mader fehlt. Die beiden Organisationen  werden diesbezüglich bei der OAK eine detaillierte Auskunft verlangen,  welche Massnahmen konkret umgesetzt werden, ob und in welcher Form  diese Umsetzung kontrolliert wird, und für welche Empfehlungen  angeblich die gesetzlichen Grundlagen fehlen.

Anhänge:

- Antrag auf Untersuchung (augenauf Bern) 14.2.08
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/anti-wef-jan-08-dez08/Eingaben-augenauf Bern.pdf
- Antrag auf Untersuchung (grundrechte.ch) 5.2.08
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/anti-wef-jan-08-dez08/Eingaben-grundrechte.ch .pdf
- Zusammenstellung der Kritikpunkte an den Polizeieinsätzen vom 19.  und 26. Januar 2008 von augenauf Bern 30.1.08
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/anti-wef-jan-08-dez08/Zusammenstellung-Kritik-WEF-08.pdf
- Berichterstattung zu den Anti-WEF-Demonstrationen von  Regierungsstatthalterin Regula Mader 29.1.08
http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/anti-wef-jan-08-dez08/WEF-Bericht-Mader.pdf

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SCHNÜFFELSTAAT
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bernerzeitung.ch 17.12.08

Nationalrat lehnt grossen Lauschangriff ab

Der Nationalrat will nichts von einem grossen Lauschangriff auf potenzielle Terroristen wissen und ist mit 92 gegen 79 Stimmen nicht auf eine Gesetzesrevision eingetreten.

Die Grosse Kammer trat nicht auf die Vorlage des Bundesrates ein, der die präventive Überwachung von Terrorverdächtigen durch den Staatschutz einführen wollte.

Der Nationalrat folgte damit einem Antrag der Grünen und der SP. Diese argumentierten, dass die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen die Freiheit der Bevölkerung zu stark einschränkten und somit die Verfassung verletzten.

Schon heute sei es möglich, Menschen abzuhören und deren Post, Telefon, Mail und Computer zu überwachen. Dazu bedürfe es aber eines konkreten Verdachts und der Bewilligung durch ein Gericht oder die Staatsanwaltschaft, erklärte Alec Von Graffenried (Grüne/BE).

Kritik aus allen Parteien

Mit der Gesetzesrevision wolle man dieses Recht an die Polizei und den Staatsschutz abtreten, was zu weit gehe. "Neue, schwammige und uferlose Kompetenzen für den Staatsschutz lehnen wir ab", sagte Von Graffenried.

Der präventive Lauschangriff war aber auch in den anderen Parteien nicht unumstritten. CVP und FDP hatten sich zwar für Eintreten ausgesprochen, räumten aber gleichzeitig ein, dass es im Gesetzesentwurf noch zu viele Unzulänglichkeiten gebe.

Diese könnten aber vom Bundesrat ausgeräumt und allenfalls in der Detailberatung eliminiert werden, erklärten die Sprecher der FDP und der CVP. Beide Fraktionen wollten deshalb auf die Vorlage eintreten und sie dann in einer zweiten Abstimmung an den Bundesrat zur Überarbeitung zurückweisen.

Neues externes Gutachten

Dieser Haltung verschloss sich auch der Bundesrat nicht. Die Regierung sei sich bewusst, dass es um eine heikle Abwägung zwischen Rechtsgütern gehe, sagte Verteidigungsminister Samuel Schmid.

Deshalb habe der Bundesrat ein externes Gutachten über die Verfassungsmässigkeit der vorgeschlagenen Massnahmen in Auftrag gegeben, das im März vorliegen soll. Es sei besser, nochmals ein wenig Abstand zu nehmen, die Vorlage zu überarbeiten und sie so resistent gegen ein Referendum zu machen.

Insofern unterstütze der Bundesrat den Rückweisungsantrag. Gleichzeitig warnte Schmid aber davor, nicht auf die Vorlage einzutreten. Die Bedrohungslage habe sich in den letzten Jahren verschärft, und der Handlungsbedarf sei damit gegeben.

Gespaltene SVP-Fraktion

Für Eintreten und anschliessende Rückweisung hatte auch Pirmin Schwander (SVP/SZ) im Namen der SVP-Fraktion plädiert. Schwander erklärte aber auch, dass ein Teil der SVP nicht auf die Gesetzesrevision eintreten wolle.

In der Eintretensabstimmung stimmten dann rund die Hälfte der SVP zusammen mit den Grünen und der SP, so dass der Nationalrat mit 92 gegen 79 Stimmen beschloss, nicht auf die ursprünglich von Alt-Bundesrat Christoph Blocher ausgearbeitete Vorlage einzutreten. Das Geschäft geht nun in den Ständerat. (sam/sda)

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Basler Zeitung 17.12.08

Basler Datenschützer fürchtet um Rechtsstaat

basel. Nach der Affäre um die fichierten Grossräte will die Basler Regierung künftig den Staatsschutz besser überwachen. Eine wichtige Rolle nimmt dabei der neu gewählte Datenschutzbeauftragte Beat Rudin ein. Im Interview verlangt er, dem Rechtsstaat wieder vermehrt zum Durchbruch zu verhelfen. > Seite 22

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"Staatsschutz muss wirksam kontrolliert werden"

Der neue Datenschützer des Kantons Basel-Stadt, Beat Rudin, tritt sein Amt in bewegten Zeiten an

Interview: Philipp Loser

Ab Februar ist Beat Rudin (52) offiziell der neue Datenschutzbeauftragte des Kantons. Er und seine Mitarbeiter werden neben Beratungen auch Kontrollen durchführen.

Selten war in Basel so viel von Datenschutz die Rede wie in diesen Tagen. Nach der Affäre um fichierte Grossräte will die Basler Regierung den Staatsschutz künftig besser überwachen. Eine wichtige Rolle wird dabei der neue Datenschutzbeauftragte Beat Rudin spielen, der vergangene Woche vom Grossen Rat gewählt wurde. Rudin ist eine Kapazität: Von 1992 bis 2001 war er bereits Baselbieter Datenschützer. Heute ist er Lehrbeauftragter an der Universität Basel und Geschäftsführer der Stiftung für Datenschutz und Informationssicherheit in Basel. Er tritt die Nachfolge von Jean-Louis Wanner an, der pensioniert wird.

BaZ: Herr Rudin, seit einem halben Jahr ist immer wieder von der FG9, der Fachgruppe 9, die Rede. Was macht dieser Ableger des Staatsschutzes in Basel genau?

Beat Rudin: Die Gruppe, die bei der Basler Staatsanwaltschaft angegliedert ist, vollzieht das Bundesgesetz zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS) im Kanton. Es geht also um die Bekämpfung von Terrorismus und gewalttätigem Extremismus. Die Gruppe sammelt Informationen und gibt sie weiter an den Dienst für Prävention und Analyse (DAP) in Bern.

Welche Art von Informationen?

Es gibt zwei Arten von Aufträgen: präzise und nicht ganz so präzise. Bei der ersten Sorte erhält die FG9 aus Bern den konkreten Auftrag, eine verdächtige Person oder Organisation genauer anzusehen. Dieser Fall ist aus Datenschutzsicht "harmloser".

Was ist mit den nicht ganz präzisen Aufträgen?

Hier wird alles gesammelt, was mit Terrorismus und gewalttätigem Extremismus zusammenhängen könnte. Diese offenen Aufträge sind heikler. Und das ist gleichzeitig jener Bereich, in dem die kantonalen Organe einen gewissen Handlungsspielraum haben.

Diesen Handlungsspielraum will das Justizdepartement nun aktiver ausnutzen. Wo setzt die neue Verordnung an?

Der Bund argumentiert, dass, wenn die Daten erst einmal bei der FG9 sind, sie unter Bundesrecht fallen und damit vom kantonalen Datenschutzbeauftragten nur mit Bewilligung des DAP eingesehen werden können. Nach unserer Meinung ist diese Interpretation vom Gesetz nicht gedeckt. Das will der Kanton nun mit einer Verordnung klar markieren. Ausserdem wird auch zu entscheiden sein, ob die FG9 weiterhin bei der Staatsanwaltschaft angesiedelt bleibt. Rechtsprofessor Markus Schefer hat schon dafür plädiert, die FG9 von der Staatsanwaltschaft zu trennen, um die Aufsicht klar zu regeln.

Noch vor einem halben Jahr haben die Regierungsräte Hanspeter Gass (FDP) und Guy Morin (Grüne) felsenfest behauptet, überhaupt nichts tun zu können. Warum ist das heute anders?

Das war wohl ein Lernprozess (lacht). Im Ernst: Ohne die Affäre um die fichierten Grossräte würden wir heute auch in Basel kaum über das Thema reden.

SP-Ständerat Claude Janiak, Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation, welche die Oberaufsicht über die Geheimdienste hat, kritisiert, dass das Thema in den anderen Kantonen immer noch stiefmütterlich behandelt wird. Braucht es in jedem Kanton einen Knall wie in Basel-Stadt?

Klar verstärkt eine Affäre die öffentliche Aufmerksamkeit und damit den öffentlichen Druck. Eigentlich müssten wir aber aus der Erfahrung der Fichenaffäre in den 80er-Jahren gebrannt genug sein, um auch ohne ein konkretes Ereignis die Kontrolle des Staatsschutzes zum Thema zu machen.

In Basel-Stadt ist nach der Anti-WEF-Demo und den fichierten Grossräten ein grosses Unbehagen dem Staatsschutz gegenüber festzustellen. Können Sie dieses Unbehagen nachvollziehen?

Absolut. Wenn jeder Demo-Gesuchsteller staatsschutzmässig abgeklärt wird, ist das nicht akzeptabel. Ich plädiere nicht dafür, den Staatsschutz abzuschaffen; er muss aber in einem per Gesetz klar definierten Rahmen agieren und muss wirksam kontrolliert werden können.

Was erhoffen Sie sich in diesem Zusammenhang von der anstehenden Revision des BWIS?

Gesundes Augenmass! Die Eidgenössische Datenschutzkommission hat schon 2006 in einem Entscheid gewisse Einsichtsbeschränkungen in die Staatsschutzdaten als Menschenrechtskonventions-widrig bezeichnet. Das gehört in einer Revision geändert. Es gilt, dem Rechtsstaat wieder vermehrt zum Durchbruch zu verhelfen.

Seit den Terroranschlägen von 2001 wurde an diesem Rechtsstaat stark gerüttelt.

Das sehe ich auch so. International und national wurde sehr viel möglich gemacht zur Bekämpfung des Terrorismus. Leider hielten die "Checks and balances" nicht Schritt. Es ist an der Zeit, die Kontrolle ebenfalls zu stärken und die Transparenz für die Betroffenen zu verbessern.

Aber den Bürgern macht diese Entwicklung anscheinend keine Mühe.

Wenn es um die Abwehr einer echten Gefahr geht, sind Menschen bereit, sehr viel zu tolerieren.

Gibt es in der Schweiz diese "echte Gefahr"?

Wenn wir die Staatsschutzberichte lesen, müssen wir wohl zugeben, dass die Schweiz keine Insel der Seligen ist. Aber wir müssen aufpassen, dass nicht unsere Reaktion dem freiheitlichen Rechtsstaat mehr schadet, als das ein Terroranschlag tun könnte. Reflexion ist nötig - nicht Reflex! Das verlangt, dass Einschränkungen der Grundrechte auch wieder rückgängig gemacht werden, wenn die Gefahr nicht mehr so gross ist - oder wieder realistischer eingeschätzt wird.

Auf der einen Seite empören sich Bürgerinnen und Bürger, wenn der Staatsschutz übermarcht. Gleichzeitig geben die Menschen im Zeitalter von Facebook und Cumulus-Karten so bereitwillig wie nie private Daten an die Öffentlichkeit.

Haben Sie eine wirklich grosse Empörung nach der Basler Fichenaffäre gespürt? Das waren vor allem mediale und politische Kreise, die sich aufgeregt haben, nicht die grosse Masse. Die stört auch erstaunlich wenig, dass die US-Behörden Zugang auf unsere Finanztransaktionen haben oder Krankenkassen mehr Daten erheben als nötig. Die grosse Aufregung entsteht erst beim Nacktscanner am Flughafen - bei der Vorstellung, ein Zollbeamter könnte unsere unvorteilhaften Bauchfalten sehen.

Die gleichen Menschen zeigen auf ihrem Facebook-Profil bereitwillig, wie sie in Badehosen aussehen.

Es existiert eine grosse Bereitschaft, sich auf Plattformen wie Facebook zu prostituieren. Man findet es megageil dazuzugehören. Leider fehlt oft die Einsicht, dass damit auch Gefahren entstehen.

Was für Gefahren?

Ein Arbeitgeber findet es vielleicht nicht so lustig, wenn ein Mitarbeiter Partyfotos vom vergangenen Wochenende ins Netz stellt. Noch verheerender ist, wenn auf den Bildern Kollegen zu sehen sind. Damit gibt man die Privatheit einer dritten Person preis.

Was lässt sich dagegen tun?

Mit Gesetzen nicht viel. Das Stichwort heisst Medienkompetenz. Wir müssen ein Bewusstsein schaffen. Unsere Grosseltern mussten auch erst lernen, mit den Gefahren des Autos umzugehen. Das Gleiche gilt für den verantwortungsvollen Umgang mit den Möglichkeiten des Internets.

Ab Februar sind Sie offiziell Datenschutzbeauftragter des Kantons. Was werden Ihre Schwerpunkte sein?

Wir werden neben den Beratungen auch Kontrollen durchführen. Das Parlament hat uns von hundert Stellenprozenten auf dreihundert aufgestockt, damit kann logischerweise mehr Wirkung erreicht werden.

Ab sofort ist der Datenschutzbeauftragte nicht mehr der Regierung, sondern dem Parlament unterstellt. Vor- oder Nachteil?

Beides. Rein politisch gibt uns das mehr Gewicht, weil wir direkt der Geschäftsprüfungskommission berichten. Andererseits besteht die Gefahr, dass wir als Stelle "von aussen" von den Informationsprozessen abgeschnitten sind.

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NZZ 17.12.08

Im Zweifel für das Amtsgeheimnis

Ein liberaler Staat schützt die Privatsphäre seiner Bürger

Von Bruno Baeriswyl*

Im Fall "Nef" wird ein Richter über die Weitergabe von Informationen aus der Datenbank Polis urteilen. Unabhängig von diesem Entscheid muss das Amtsgeheimnis grundsätzlich gewahrt bleiben.

In der medialen Öffentlichkeit erscheint das Amtsgeheimnis als überkommene Festung in der Brandung. Kaum eine vermeintliche Amtsgeheimnisverletzung, die nicht sofort als Kavaliersdelikt bagatellisiert wird oder deren mögliche Urheber von vornherein die "Carte blanche" für ihr Handeln erhalten. Selbst wenn es um höchst sensitive Daten aus dem kantonalen Polizei-Informationssystem Polis geht, wird kein anderer Massstab angelegt. Doch das Amtsgeheimnis ist kein Relikt, sondern ein Schlüsselfaktor für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat.

Verschiedene Interessen berücksichtigen

Seit dem 1. Oktober verfügt der Kanton Zürich mit dem Informations- und Datenschutzgesetz über ein ausgewogenes System, das die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt: Auf der einen Seite schreibt es der Verwaltung eine aktive Informationspolitik vor, um dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Informationen gerecht zu werden; dieser Anspruch wird mit dem individuellen Recht auf Informationszugang ergänzt. Auf der anderen Seite wird aber auch klar geregelt, wo Informationen zu schützen sind, besonders wenn die Privatsphäre des Einzelnen gewahrt bleiben muss. Das Amtsgeheimnis schützt somit sowohl den Verwaltungsablauf als auch die Informationen, die der Staat über die Bürger bearbeitet.

Im Polizei-Informationssystem Polis sind heute 1,3 Millionen Personen verzeichnet. Alle haben oder hatten irgendwie mit der Polizei zu tun. Die gespeicherten Informationen sind nicht immer belastend, aber sie können es durchaus sein. Die verzeichneten Personen sind alle irgendwo in der Gesellschaft tätig, und Informationen aus dem Polis könnten auch ihr Umfeld interessieren: den Arbeitgeber, die Nachbarin, eine Bekanntschaft, die Bank und nicht zuletzt die Medien. Die Weitergabe von Informationen aus dem Polis hat und braucht deshalb klare Regeln. Wer an der Front steht, der Polizist, die Polizistin, erfährt vieles, was auch andere interessieren würde. Es braucht viel Zivilcourage, gerade wenn das Interesse an bestimmten Informationen gross sein könnte, täglich für das Amtsgeheimnis einzustehen. Doch dies ist nötig: Ein liberaler Staat, der die Privatsphäre seiner Bürgerinnen und Bürger nicht mehr schützen kann, gerät unweigerlich in Schieflage. Im demokratischen Rechtsstaat schreibt das Parlament mittels Gesetzen der Verwaltung vor, wie sie mit Informationen umzugehen hat. Damit hat der Rechtsstaat ein System geschaffen, das die Interessen an Öffentlichkeit und Geheimhaltung ausgleicht. Wer angesichts eines Einzelfalls das Amtsgeheimnis in Frage stellt, entfernt sich von den rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Angestellten der Verwaltung, die wegen einer Information, die geheim gehalten werden muss, mit ihrem Gewissen ringen, stehen viele Wege offen. Sie können sich an ihre Vorgesetzten oder an parlamentarische Aufsichtsinstanzen wie Geschäftsprüfungskommission, Ombudsmann oder Datenschutzbeauftragten wenden, ohne das Amtsgeheimnis verletzen zu müssen. Wer indessen an die Öffentlichkeit gelangt, begibt sich in jedem Fall auf einen riskanten Weg. Das (öffentliche) Interesse der Medien an (privaten) Informationen scheint zwar heute der Motor vieler Publikationen zu sein, doch dies rechtfertigt grundsätzlich keine Amtsgeheimnisverletzungen.

Nur in Notlage Amtsgeheimnis brechen

Der Staat bearbeitet nicht nur im Polizeibereich sensible Daten über die Bürger, sondern beispielsweise auch in den Bereichen Gesundheit oder Bildung. Der Schutz dieser Informationen ist Teil des Vertrauens in die staatliche Organisation. Das Amtsgeheimnis muss gewahrt werden, auch im Zweifelsfall. Die Verwaltung verfügt über weitgehende rechtliche Möglichkeiten, um Informationen auszutauschen. Auch die Informationen aus dem Polis gelangen an die richtigen Stellen - ohne Verletzung des Amtsgeheimnisses. Wenn diese Stellen nun aber trotz einer erhaltenen Information nicht handeln, liegt das Problem auf einer anderen Ebene. Nur in einer äussersten Notlage kann das Amtsgeheimnis durchbrochen werden, indem die Information an die Medien weitergeleitet wird. Ob eine solche Situation im Einzelfall vorliegt, beurteilt der Strafrichter. Dem Amtsgeheimnis als Stütze einer liberalen Informationsordnung, welche die Interessen zwischen der Öffentlichkeit von Informationen und dem Schutz der Privatsphäre ausgleicht, wird dabei aber nicht das Fundament entzogen.

* Dr. iur. Bruno Baeriswyl ist Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich.

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20min.ch 16.12.08

Online-Überwachung

Der Staat will beim Bürger mitsurfen

von Lukas Mäder

Was Hacker können, soll auch der Schweizer Geheimdienst dürfen: Auf einem Computer einen Trojaner installieren und den Rechner ausspionieren. Doch die neuen Überwachungsmöglichkeiten dürften es im Nationalrat schwer haben.

Der Staat schaut im Schlafzimmer zu, hört im Büro mit, liest private E-Mails auf dem Computer und kann Spitzel mit falschen Identitäten auf Verdächtige ansetzen. Was Spionage-Filme schon lange zeigen, will der Bundesrat auch dem Inlandgeheimdienst in der Schweiz ermöglichen. Grund für das Umdenken sind die Terroranschläge vom 11. September 2001. Deshalb soll der zivile Nachrichtendienst erstmals seit dem Fichenskandal Ende der Achtzigerjahre wieder präventiv überwachen können. Am Mittwoch berät nun der Nationalrat über die Gesetzesänderung, die auf den Namen BWIS II hört: Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit.

Starker Eingriff in Privatsphäre

Die Gegner haben klare Worte für die Idee des Bundesrats: "Das Gesetz bringt den grossen Lauschangriff", sagt der Grüne Nationalrat Daniel Vischer (ZH). Er lehnt es deshalb ab. "Die Vorlage braucht es gar nicht", sagt er. Der Eingriff in die Privatsphäre sei zu stark. Denn die besonderen Mittel der Informationsbeschaffung dürfen nicht erst bei einem Strafverfahren eingesetzt werden, sondern bereits um — wie es der Bundesrat sagt — eine konkrete Gefahr der inneren und äusseren Sicherheit des Landes abzuwenden. Die Daten dürften zudem auch an ausländische Geheimdienste weitergegeben werden.

Doch Zustände wie vor der Fichenaffäre soll es nicht geben, denn die besonderen Mittel wie die Bild- und Tonüberwachung in Privaträumen sollen nur bei Gefahr durch Terrorismus, Spionage oder Proliferation erlaubt sein. "Die Überwachung vom linksextremen Schwarzen Block oder von Rechtsextremen wäre nicht möglich", sagt Jürg Bühler, Stellvertretender Leiter des Inlandgeheimdienstes DAP. Es handle sich dabei um gewalttätiger Extremismus, nicht um Terrorismus. Anders sieht es bei der kurdischen PKK aus, die für Brandanschläge auf türkische Einrichtungen Ende Oktober verantwortlich gemacht wird (20 Minuten Online berichtete): "Eine Überwachung wäre in diesem Fall denkbar gewesen, da die Strafverfolgung zu lange dauert", sagt Bühler. Zudem müssten das Bundesstrafgericht sowie der zuständige Bundesrat die Massnahmen bewilligen.

Rechtsstreit in Deutschland wegen Online-Durchsuchung

In Deutschland sorgt die Online-Durchsuchung von Computern, wie sie im BWIS II vorgesehen ist, seit Jahren für heftige Diskussionen. Im vergangenen Februar urteilte sogar das Bundesverfassungsgericht, dass diese Art der Informationsbeschaffung nur unter strengen Auflagen erlaubt sei (20 Minuten Online berichtete). In der Schweiz hingegen sorgt die geplante Gesetzesänderung bisher kaum für Aufsehen in der Öffentlichkeit. Im Nationalrat hat sich trotzdem Widerstand formiert: Linke und die SVP vereinigen sich zu einer gemeinsamen Front gegen neue Überwachungsmöglichkeiten und haben so gute Chancen, den Gesetzesentwurf an den Bundesrat zurückzuweisen.

Der St. Galler Nationalrat Lukas Reimann, der für die SVP das Geschäft in der vorberatenden Kommission betreute, hat zwar nichts gegen Terrorbekämpfung. "Aber es geht um die Frage, ob die persönliche Freiheit oder die Sicherheit höher zu gewichten ist." Und an mehr Sicherheit, die das BWIS II bringen soll, glaubt er nicht: "In der Kommission konnte keiner der eingeladenen Experten sagen, wo das Gesetz mehr Sicherheit bringen würde."

"Massnahmen den Opfern schuldig"

Zu einem anderen Schluss bei der Interessensabwägung kommt die FDP: "Warum sollte es in der Schweiz nicht auch zu einem Terroranschlag kommen?", fragt der Solothurner Nationalrat Kurt Fluri rhetorisch. Er glaubt, dass die Schweiz Terroristen anzieht, wenn sie nicht mit den gleichen Überwachungsmitteln kämpft wie das europäische Ausland. "Diese Überwachungsmassnahmen sind wir den Opfern von Terroranschlägen schuldig." Fluri ist sich bewusst, dass es um Eingriffe in die Grundrechte geht, glaubt aber an die schweizerischen Gerichte: "Es wird immer wieder Beschwerden ans Bundesgericht geben", sagt er. Dadurch werde sich eine Praxis entwickeln.

Die Allianz von Grünen, SP und SVP hat mit ihrer Mehrheit im Nationalrat gute Chancen, den Gesetzesentwurf an den Bundesrat zurückzuweisen. Der soll mehrere Punkte konkretisieren und die Kontrolle verbessern. Für FDP-Nationalrat Fluri wäre das nicht so schlimm: "Die Arbeit würde sich einfach um einige Monate verzögern."

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Interaktiv-Box
Story: Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Februar 2008)
http://www.20min.ch/news/ausland/story/23580546
Story: Geheimdienste spionieren Computer aus (April 2007)
http://www.20min.ch/news/ausland/story/28055318

Link-Box
BWIS II: Botschaft des Bundesrats (PDF)
http://www.admin.ch/ch/d/ff/2007/5037.pdf
Informationen zum BWIS II im Parlament
http://www.parlament.ch/D/Suche/Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20070057

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BIG BROTHER VIDEO
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Zofinger Tagblatt 17.12.08

Big Brother am Bahnhof

Luzern Die Videoüberwachung wurde installiert, an anderen Standorten wird sie später montiert

Kameras wurden vorgestern und gestern am Bahnhofplatz installiert und in Betrieb genommen. Vor Ort wird auf die Videoinstallationen mit Schildern hingewiesen. Die Einsatzleitzentrale der Stadtpolizei kontrolliert und zeichnet die Bilder auf. Der Datenschutz ist damit gewährleistet.

1. Juni 2008 nahm die Stimmbevölkerung das Reglement über die Videoüberwachung im öffentlichen Raum mit 70 Prozent Ja-Stimmen an. Das Reglement befugt den Stadtrat, dort Videokameras zu installieren, wo er es für nötig hält. Die Überwachung soll einerseits abschreckend wirken und so strafbare Handlungen verhindern. Andererseits kann die Polizei bei Vorfällen sofort eingreifen. Zudem dienen die Videos als Beweismittel bei der Strafverfolgung.

Installation von sechs Kameras

Am Montag und Dienstag wurden für die Überwachung des Bahnhofplatzes insgesamt sechs Kameras montiert. Weiter werden in den kommenden Wochen die bestehenden zehn Kameras auf der Kapellbrücke, die neun Kameras auf der Spreuerbrücke und am Polizeigebäude altershalber ersetzt. Das Stadthausareal wird aus Sicherheitsgründen mit zusätzlichen Kameras versehen. Diese Kameras sind seit längerem geplant und aufgrund des Personen- und Einbruchschutzes erforderlich, wie dies die Bedrohung des Stadtpräsidenten im letzten Jahr verdeutlichte. Alle Videoinstallationsarbeiten sind bis Ende März 2009 abgeschlossen. Auf Stadtgebiet überwachen zudem sieben Kameras den Lesesaal, die Bücherausgabe und die Kasse der Stadtbibliothek. Sechs Kameras das Sozialzentrum REX und neu fünf das Stadthaus im Eingangsbereich und drei den Stadthauspark. (U.S./LN)

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NOTHILFE
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Bund 17.12.08

"Willkürliche" Nothilfepraxis

Asyl Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kritisiert die "willkürliche" Ausgestaltung der Nothilfepraxis der Kantone. Besonders problematisch sei die Lage im Tessin. Dort werde Personen, die nicht als verletzlich eingestuft würden, keine Nothilfe gewährt. "Der Kanton Tessin verletzt damit klar die Bundesverfassung", sagte Beat Meiner, Generalsekretär der SFH, vor den Medien. Gemäss dem neuen Asylgesetz erhalten Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und deren Ausreisefrist abgelaufen ist, seit Januar 2008 keine Sozialhilfe mehr, sondern nur noch Nothilfe. Das bedeutet: ein Dach über dem Kopf, ein Bett, sanitäre Anlagen, 8Franken oder ein Gutschein in diesem Wert pro Tag.

Die Umsetzung dieser Vorgaben erfolgt nach Feststellungen der SFH in den meisten Kantonen willkürlich. So erhielten die Betroffenen je nach Kanton zwischen Fr. 4.25 und 11.50 pro Tag. Auch eine angemessenen Unterkunft werde unterschiedlich interpretiert: So müssten in den Kantonen Luzern und Schaffhausen alleinstehende Männer mit alkohol- und drogenabhängigen Menschen in der Notschlafstelle übernachten. (sda)

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Tagesanzeiger.ch 17.12.08

"Das war eine Fehleinschätzung von uns"

Vonarburg Verena

Die Flüchtlingshilfe warb 2005 für ein Ja zu Schengen/Dublin. Nun räumt sie ein, dass sie sich über die Folgen getäuscht hat. Die Bedingungen für Asylbewerber werden immer strenger.
Von Verena Vonarburg, Bern

Seit wenigen Tagen ist die Schweiz in einem wesentlichen Teil Mitglied der EU-Politik. Sie gehört zum sogenannten Schengen-Raum der Justiz- und Polizeizusammenarbeit. Man sei glücklich, die Schweizer Bürger im "Raum der Freiheit" begrüssen zu dürfen, sagte EU-Justizkommissar Jacques Barrot letzten Freitag in Brüssel.

Für viele Menschen ist das Europa des Schengener Abkommens allerdings viel eher ein Raum der rigide geschlossenen Grenzen: für jene nämlich, die von ausserhalb Europas stammen und hierzulande nicht willkommen sind, weil sie keine hochqualifizierte Arbeitskraft anzubieten haben. Schengen und das damit verbundene Asylabkommen von Dublin mit seiner Fingerabdruck-Datenbank Eurodac setzt die Hürden für Wirtschaftsflüchtlinge zunehmend höher. Zahlreich und schon fast alltäglich sind die Meldung über gestrandete oder ertrunkene Bootsflüchtlinge im Mittelmeerraum.

Falsche Hoffnungen

Dabei hatte sich ausgerechnet die Schweizerische Flüchtlingshilfe 2005 für einen Betritt der Schweiz zu Schengen/Dublin ausgesprochen. Nun macht sich allerdings die Einsicht breit, dass man sich getäuscht hatte. Die SFH habe ein Ja empfohlen "in der Hoffnung, dass die Negativspirale der Verschärfungen gestoppt würde, wenn die Schweiz in einem europäisch harmonisierten System drin wäre", sagt Beat Meiner, Generalsekretär der Flüchtlingshilfe. "Diese Hoffnung wurde leider nicht erfüllt, das war eine Fehleinschätzung von uns." Man stehe diesem System nun "sehr kritisch gegenüber". Denn seit jener Empfehlung zum Schengen-Beitritt wurde das Asylgesetz mit strengeren Normen versehen und von der Bevölkerung mit grossem Mehr angenommen. Und es soll nach dem Willen von Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf weiter verschärft werden. Auch in Europa geht der Trend verstärkt in diese Richtung.

Späte Einsicht

Das Ja der Flüchtlingshilfe zu Schengen und Dublin war vor drei Jahren eine wesentliche Grundlage für das Ja der SP und einer Mehrheit der Grünen. Linke Organisationen wie "Solidarité sans frontières" sahen sich 2005 mit ihrer negativen Einschätzung klar in der Minderheit. Nun sehen sie sich durch das Eingeständnis der Flüchtlingshilfe bestätigt. Er begrüsse es, "dass die SFH nun immerhin anerkennt dass sie sich getäuscht hat", sagt Heiner Busch von "Solidarité sans frontières". Doch "das hätte sie vorher wissen müssen. Es bestand schon damals überhaupt kein Grund, Hoffnungen in die EU zu setzen." Die "Grenzabschottung" habe massiv zugenommen. Und dass die Schweiz die Ausschaffungshaft aufgrund einer EU-Regelung von zwei auf eineinhalb Jahre reduzieren müsse, sein "nun wirklich kein grosser Fortschritt, der alles andere aufwiegen könnte".

Beat Meiner von der Flüchtlingshilfe verspricht, seine Organisation werde von nun an "sehr genau darauf achten, wie sich Dublin bei uns auswirkt".

Das Dubliner Abkommen soll dafür sorgen, dass Asylsuchende nur in einem Mitgliedsland ein Asylgesuch stellen können. Und das System Eurodac soll Personen identifizierbar machen, die bereits abgewiesen worden sind. Auch das Schengener Informationssystem SIS ist hauptsächlich ein Instrument, um Personen mit Einreisesperren zu identifizieren. Mit 730 000 Einträgen machen diese Menschen den grössten Teil der Personendaten aus.

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Kritik an der Nothilfe-Praxis

Bern. - Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kritisiert, dass die Nothilfe an abgewiesene Asylbewerber in den Kantonen unterschiedlich gehandhabt wird. Umfragen liessen eine "Tendenz erkennen, dass es schwierig ist, mit der Nothilfe zu leben", sagte SFH-Generalsekretär Beat Meiner gestern vor den Medien.

In der Regel würden alle Kantone die von der Verfassung garantierte Nothilfe ausrichten. Insgesamt seien die kantonalen Unterschiede aber beträchtlich, so die SFH. Kritisiert wird der Kanton Tessin, der nur an Verletzliche Nothilfe leiste. Die Kantone können Asylbewerber, deren Gesuch abgelehnt oder gar nicht erst behandelt worden ist, von der Sozialhilfe ausschliessen und ihnen nur noch das Nötigste an Unterstützung zukommen lassen. Damit soll der Druck zur Ausreise verstärkt werden.

Am 30. Juni 2008 waren gemäss der SFH insgesamt 16 939 Personen vom Ausschluss aus der Sozialhilfe betroffen, weil sie kein Aufenthaltsrecht in der Schweiz mehr hatten. Rund 3500 haben nach Schätzung der Flüchtlingshilfe in den letzten Monaten Nothilfe bezogen. Wie lange, ist nicht bekannt.

Im Kanton Zürich gibt es vier Nothilfezentren. Fürs Essen bekommen Erwachsene 60 Franken pro Woche in Form von Migros-Gutscheinen. (vv)

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NZZ 17.12.08

Weggewiesene Asylsuchende in prekärer Lage

Flüchtlingshilfe kritisiert Mängel der kantonalen Nothilfepraxis

Wehrli C. (CW)

Nach einer Erhebung der Flüchtlingshilfe erhalten weggewiesene Asylsuchende, die in der Schweiz bleiben, die in der Verfassung garantierte Nothilfe in unterschiedlicher, oft ungenügender Art und Weise.

C. W. Bern, 16. Dezember

Die vom Volk 2006 angenommene Asylgesetzrevision hat den "Sozialhilfestopp" verallgemeinert. Das heisst, dass Asylbewerber, deren Gesuch rechtskräftig abgelehnt worden ist, nur noch eine minimale Unterstützung erhalten, wie sie die Verfassung für Notlagen jedermann gewährleistet. Seit 2004 hatte diese Regelung nur für einen Teil der Weggewiesenen, für Asylsuchende mit Nichteintretensentscheid, gegolten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) betrachtet diese Regelung als ungeeignet, um die Betroffenen dazu zu bewegen, die Schweiz zu verlassen. In einem ausführlichen Bericht konzentriert sie sich aber auf die Frage, ob die Nothilfe korrekt geleistet werde und tatsächlich zum Überleben genüge.

Teilweise sehr harte Bedingungen

Wie Beat Meiner, Generalsekretär der SFH, und Muriel Trummer an einer Pressekonferenz ausführten, ergibt sich aus Informationen der kantonalen Behörden, der Beratungsstellen von Hilfswerken und der Netze von Freiwilligen, dass zwar durchwegs Nothilfe geleistet wird, aber der Tendenz nach - nicht etwa nur in Einzelfällen - in ungenügender Weise. Zwischen den Kantonen und auch innerhalb einzelner Kantone zeigten sich erhebliche Unterschiede. So erhält eine Familie mit drei Kindern für Essen und Hygiene im Kanton Uri 57, im Kanton St. Gallen hingegen 21 Franken und im Kanton Bern Sachleistungen im Wert von 30 Franken pro Tag. Eine alleinstehende Frau kann im Kanton Schaffhausen in der regulären Asylunterkunft bleiben, während sie in Basel-Stadt einer Notschlafstelle zugewiesen wird. Im Kanton Tessin erhalten nur als verletzlich geltende Personen Nothilfe.

An der Unterbringung wird kritisiert, dass in mehreren Kantonen die Leute auch im Winter die Notunterkunft mitsamt ihrer Habe verlassen müssen und Kochgelegenheiten fehlen; auch Waschmaschinen sollten zur Verfügung stehen. Auf die Situation "verletzlicher" Personen wird Rücksicht genommen, wie es der Bundesrat in Aussicht gestellt hatte. Sie erhalten in der Regel die übliche Asylfürsorge. Doch gilt dies oft nur für einzelne Gruppen wie unbegleitete Minderjährige, Familien, Kranke oder Schwangere. Hingegen wurde gemäss dem Bericht zum Beispiel im Kanton Schwyz eine Frau in eine sonst nur von Männern bewohnte Zivilschutzanlage mit einem einzigen Lavabo eingewiesen. Im Kanton Zürich musste eine afghanische Familie, deren Kinder traumatisch schwer belastet waren, monatelang in Notunterkünften leben, bis sie schliesslich vorläufig aufgenommen wurde.

Spielraum nicht ausgeschöpft

Schulpflichtige Kinder erhalten im Kanton Bern nur in den Nothilfezentren sechs bis zehn Lektionen Unterricht pro Woche. Elf Kantone sorgen nicht für die obligatorische Krankenversicherung, sondern übernehmen die Kosten der medizinischen Versorgung nur im konkreten Fall, wodurch nach Ansicht der SFH die Gefahr ungenügender Hilfe besteht. - Nothilfe wird nur von einem Teil der Weggewiesenen beansprucht. Die Bundesbehörden führen dies vor allem auf Ausreisen zurück. Die SFH sieht hingegen einen wichtigen Grund darin, dass viele Betroffene befürchten, in Haft genommen zu werden, sollten sie sich an die Behörden wenden, zumal wenn die Zuständigkeit beim Migrationsamt liegt. In solchen Fällen und bei ungenügenden Leistungen treten vor allem kirchliche Stellen und Freiwillige in die Lücke.

Generell fordern die Hilfswerke einerseits eine einheitliche Ausgestaltung der staatlichen Nothilfe, anderseits eine Rücksichtnahme auf individuelle Situationen. Die Kantone "können" gemäss Gesetz den Ausschluss von der normalen Sozialhilfe verfügen und haben auch deshalb einen Handlungsspielraum. Umso mehr kritisiert die SFH, dass blosse Nothilfe in etlichen Fällen auch dann angeordnet wurde, wenn der Aufenthalt noch legal war oder die Betroffenen sich um eine Ausreisemöglichkeit bemühten. - Zum Problem, dass manche Weggewiesene eine solche Mitwirkung verweigern, konnte die Flüchtlingshilfe keine Lösung präsentieren.

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Landbote 17.12.08

Flüchtlingshilfe kritisiert Nothilfepraxis

Thomas Münzel

Wie viel Nothilfe braucht es, um ein menschenwürdiges Dasein führen zu können? Laut Statistik je nach Kanton zwischen 4.25 und 11.50 Franken pro Person und Tag. "Das ist pure Willkür", sagt jetzt die Flüchtlingshilfe.

BERN - "Besonders schlimm ist es im Tessin", erklärt Juristin Muriel Trummer von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH), Autorin des Berichtes über die Nothilfepraxis der Kantone. "Denn dort wird abgewiesenen Asylsuchenden, die nicht in einer Familie leben, nicht krank oder schwanger sind, generell keine Nothilfe mehr gewährt." Der Kanton Tessin verletze damit die Bundesverfassung, ist Trummer überzeugt. Denn laut Verfassung müsse der Staat allen Menschen in der Schweiz "ein menschenwürdiges Dasein garantieren".

Einem Urteil des Bundesgerichtes zufolge gibt es gar ein uneingeschränktes Recht auf Nothilfe - selbst für renitente Asylbewerber. Dennoch ist die Ausgestaltung der Nothilfe in den Kantonen derzeit sehr unterschiedlich, wie die Flüchtlingshilfe in ihrem gestern präsentierten Bericht feststellt. Für die Betroffenen bedeute dies eine "willkürliche Ungleichbehandlung", sagt Trummer. Denn es sei letztlich zufällig, welchem Kanton sie zugeteilt würden.

"Äusserst prekär"

Allgemein sei die Situation der abgewiesenen Asylsuchenden, die seit Januar dieses Jahres nur noch Not- statt Sozialhilfe erhielten, "äusserst prekär". Denn nicht selten beläuft sich der von den Kantonen zur Verfügung gestellte Betrag für Nahrung und Hygieneartikel unter acht Franken.

- Während beispielsweise eine Familie mit drei Kindern im Kanton Uri mit total 57.50 Franken (11.50 Franken pro Person und Tag) und in den Kantonen Baselland, Luzern und Schwyz mit 50 Franken pro Tag unterstützt wird, erhält sie in den Kantonen Solothurn und St. Gallen lediglich 24 respektive 21 Franken (4.25 Franken pro Person und Tag).

- Unterschiede gibt es aber auch in der "Auszahlung" der Nothilfe. Während dies im Kanton Thurgau meistens in Form von Naturalien geschieht (nur in Ausnahmefällen wird eine Nothilfepauschale von 8 Franken pro Person und Tag ausbezahlt), werden im Kanton Zürich pro Person und Woche 60 Franken in Form von Migros-Gutscheinen abgegeben (Der Ansatz für Kinder ist allerdings niedriger).

- Die Flüchtlingshilfe hat zudem festgestellt, dass die Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Personen, häufig ignoriert wird. So kommt es offenbar immer mal wieder vor, dass in einzelnen Kantonen eine alleinstehende Frau mit lauter unbekannten Männern in einer Zivilschutzunterkunft untergebracht wird. In manchen Fällen sei die Unterkunft zudem tagsüber geschlossen, was gerade im Winter eine zusätzliche Belastung darstelle.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe fordert deshalb die Kantone jetzt dazu auf eine "einheitlichere Umsetzung der Nothilfe" einzuleiten. Die Flüchtlingshilfe weist zudem darauf hin, dass der Ausschluss aus der Sozialhilfe bei abgewiesenen Asylsuchenden nicht zwingend sei.

Sozialdirektoren relativieren

"Eine unterschiedliche Behandlung der Nothilfebezüger ist zu vermeiden", schrieb die Leitung der Konferenz der Kantonalen Sozialdirektoren (SODK) als Empfehlung an die Kantone vor gut einem Jahr. "Daran hat sich bis heute grundsätzlich nichts geändert", meint SODK-Generalsekretärin Margrith Hanselmann auf Anfrage. Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass für die Ausrichtung der Nothilfe an Ausreisepflichtige letztlich das kantonale Recht massgebend sei. "Deshalb ist bei diesen Fragen immer auch ein gewisser Ermessensspielraum vorhanden." Man nehme zwar die Kritik der Flüchtlingshilfe ernst, "aber zuerst wollen wir alles genau überprüfen, bevor wir ein Urteil fällen", sagt Hanselmann.

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Seit 2008 erhalten abgewiesene Asylbewerber nur noch Nothilfe

Im Herbst 2006 hatte der Souverän das Asylgesetz verschärft, das im Abstimmungskampf vom damaligen Justizminister Christoph Blocher vehement verteidigt wurde. "Es ist klar, dass wir in unserem Land niemanden verhungern lassen werden", betonte er damals. Seit Anfang dieses Jahres sind nun die entsprechenden Bestimmungen in Kraft. Die Neuregelungen sehen unter anderem die Ausdehnung des Sozialhilfestopps auf alle abgewiesenen Asylbewerber vor. Selbst diejenigen, die die Ablehnung ihres Gesuches mit rechtlichen Mitteln anfechten, sollen keine Sozialhilfe mehr bekommen. In der Zeit des schwebenden Verfahrens erhalten sie dann - wie alle anderen auch - eine Nothilfe, vorrangig "in Form von Sachleistungen oder täglichen Geldleistungen". Nothilfe bedeutet aber auch: Ein Dach über dem Kopf, ein Bett und die Benutzung von sanitären Anlagen. Laut Angaben der Flüchtlingshilfe waren per 30. Juni 2008 knapp 17 000 Personen vom Sozialhilfestopp betroffen. Circa 3500 Personen haben in den letzten Monaten Nothilfe bezogen. Weder Bund noch die Kantone vermögen allerdings derzeit zu sagen, wie gross die Zahl der Asylsuchenden ist, die entweder freiwillig ausgereist oder die untergetaucht sind.

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Radio Rabe 16.12.08
Willkür in der Nothilfe: die Schweizerische Flüchtlingshilfe bemängelt die Nothilfepraxis
rtsp://212.103.67.35:554/20081216.rm?start=18:04:44&cloakport=8080,554,7070

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TASER
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punkt.ch 17.12.08

Westschweizer sind gegen Taser

Amnesty kritisiert Gebrauch von Elektroschockern

Amnesty International übt scharfe Kritik am Einsatz der Elektroschock-Waffe Taser. In den letzten acht Jahren seien deswegen in den USA 334 Menschen gestorben. 90 Prozent der Opfer waren unbewaffnet. Die US-Polizei habe Taser auch gegen Kinder, schwangere Frauen und Menschen mit Altersdemenz eingesetzt.
Die meisten der Getöteten waren herzkrank, psychisch krank oder hatten Drogen, Alkohol oder Medikamente konsumiert, so Amnesty. In 50 Fällen seien Gerichtsmediziner und Justizbehörden zum Schluss gekommen, dass die Stromstösse von Tasern direkt oder indirekt zum Tod führten.
Hierzulande stufte das Parlament die Waffe als harmlos ein und segnete im April deren Gebrauch durch die Polizei ab. Seither zählte Amnesty 20 Taser- Einsätze, alle mit glimpfl ichem Ausgang.
Beim Thema Taser zieht sich ein Röstigraben durchs Land. Polizeikräfte der meisten Deutschschweizer Kantone wenden die Waffe an. Dagegen haben die Kantone Neuchâtel, Waadt, Genf und Fribourg "eine negative Haltung zum Taser", sagt Amnesty-Polizeiexpertin Denise Graf. Sie prangert an, dass es noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Gefährlichkeit von Tasern gebe. (mfa)

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Radio Rabe 16.12.08
Tod durch Taser-Waffe: Eine neue Untersuchung warnt vor der Gefährlichkeit der Elektroschock-Waffe
rtsp://212.103.67.35:554/20081216.rm?start=18:10:00&cloakport=8080,554,7070

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ALKOHOL
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20min.ch 16.12.08

Safer-Clubbing

Clubs starten Kampagne für massvollen Alkoholkonsum

von Patrick Marbach

Die Clubbetreiber wollen nicht tatenlos zusehen, wie sich junge Gäste ins Koma trinken. Mit einer Plakataktion und Kursen fürs Personal geben sie Gegensteuer.

"Die Besoffenen machen uns jede Party kaputt", sagt Georgios Antoniadis von Safer Clubbing. "Wir haben festgestellt, dass der Alkohol auch bei jüngeren Gästen vermehrt zum Problem wird." Den Clubbetreibern fällt auf, dass sich viele Jugendliche schon vor der Party "warmsaufen". Oft aus mitgebrachten Flaschen, die sie vor dem Lokal liegen lassen. "Deshalb kommen bei uns Betrunkene grundsätzlich nicht rein",
sagt Remo Neuhaus vom Du Théâtre. Neben diesem Tanztempel machen in Bern auch das Bierhübeli, das Graffiti sowie die Cowboys- und Propellerbar bei der Safer-Clubbing-Kampagne mit: Plakate, Banner und Flyer sollen die Nachtschwärmer anregen, über ihren Umgang mit Alkohol nachzudenken.

Zudem werden die Angestellten künftig besser geschult. "Ein Kommunikationsexperte zeigt ihnen, wie man mit Betrunkenen umgeht und Grenzen setzt", erklärt Antoniadis. Für den Fall, dass jemand ins Koma kippt, wird das Personal in erster Hilfe ausgebildet. Zudem bieten die Clubs ab März einen alkoholfreien Ipanema-Cocktail als Alternative zu hochprozentigen Drinks an.

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KZ LANGENTHAL
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BZ 17.12.08

Langenthal im 2. Weltkrieg

Nazis, Porzi-Öfen, Todeslisten

Das Geschirr-Hakenkreuz im Kunsthaus hat die Gerüchte um die Todesöfen der Porzi neu belebt. Was ist an den Erzählungen aus dem 2. Weltkrieg dran? Gab es Pläne der Nazis, die Porzi als KZ zu nutzen? Eine Spurensuche.

In Langenthal kursieren die Gerüchte seit dem Zweiten Weltkrieg: Die Brennöfen der Porzellanfabrik, so heisst es, seien von den Nazis als KZ-Verbrennungsöfen vorgesehen gewesen. Ja, die Porzi selbst wäre bei einem Einmarsch der Deutschen in ein Konzentrationslager umfunktioniert worden.

Das Hakenkreuz im Kunsthaus, von Künstler Robin Bhattacharya aus Geschirr der Porzellanfabrik aufgebaut, bezog sich auf diese Gerüchte. Und obwohl das Symbol noch vor der Ausstellungseröffnung wieder abgeräumt werden musste, hat die Installation die alten Berichte neu ins Bewusstsein gebracht.

Nur wenig Fakten

Sind die Gerüchte um die KZ-Öfen wahr? Gab es wirklich Pläne, die Porzellanfabrik als Konzentrationslager umzufunktionieren? Die Erzählungen sind bei älteren Leuten, vor allem bei solchen, die damals in der Porzi arbeiteten, omnipräsent. Belegte Fakten allerdings gibt es kaum. Fest steht einzig:

In der Porzellanfabrik arbeiteten vor und während des Zweiten Weltkriegs viele Deutsche.

In der Porzellanfabrik gab es viele Brennöfen. 1937 wurde der erste elektrische Tunnelofen der Welt in der Porzi installiert.

Doch nun beginnen bereits Erzählungen, Gerüchte, Erinnerungen. "Ich habe viele ältere Leute befragt", sagt Samuel Herrmann, der 2006 die Ausstellung "Weisses Gold - Porzellan und Langenthal" im Museum initiierte. "Von den Gerüchten wussten viele, aber ich konnte keine verlässliche Quelle finden. Es liess sich nichts belegen." Herrmann vermutet aber, "dass es in Langenthal damals mehr Nazianhänger gab, als man sich vorstellt".

"Mit Nazis sympathisiert"

Über die Zeit des Zweiten Weltkrieges haben ehemalige Porzi-Angestellte gesprochen, zum Beispiel im Begleitheft zur erwähnten Ausstellung. "Einige der Deutschen in Langenthal bildeten damals eine Untergrundbewegung, die mit den Nazis sympathisierte", erzählt dort ein ehemaliger Porzellanmaler. "In der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz wurde nach Hitlers Machtübernahme nicht über das Nazitum diskutiert. Man fürchtete, auf einer "bestimmten Liste" verzeichnet zu werden", so der Mann, der 1929 in die Porzi eingetreten war.

Der pensionierte Lehrer Peter Käser erinnert sich an den Porzellanbrenner Hans Bösiger, der in dieser Zeit bei Käsers wohnte. "Bösiger sagte uns, es sei alles organisiert, sodass die Porzi-Öfen für die Verbrennung von Gegnern eingesetzt werden könnten." Auch Hans Käppeli aus Wynau, er war 1940 als Porzellanmaler in die Fabrik eingetreten, erzählt noch heute von Sympathisanten der Nazis: "Es gab damals Versammlungen von denen im "Kreuz". Man hörte, es seien dann 200 Personen ausgewiesen worden."

Gegenbewegung

Aber auch eine Gegenbewegung zu den Nazifreunden scheint es gegeben zu haben. Paul Herzig (83) begann die Lehre in der Porzi 1942. In einem Artikel des Langenthaler Tagblatts erzählt er von seiner Tätigkeit in der "Kerntruppe Langenthal", einer Untergruppe der staatlichen Organisation "Haus und Heer". Er sei dort als Spitzel gegen Nazisympathisanten eingesetzt worden, so Herzig. "Die Ofengeschichte ist keinesfalls erfunden", sagt er. "Ein Hitler-Anhänger warnte mich einmal, sollte ich nicht mitmachen, würde ich wie andere im Elektrotunnelofen kremiert."

Gab es Todeslisten?

Emanuel Tardent ist Historiker und war früher Langenthaler Stadtrat. Sein Grossvater Pierre Tardent war zur Zeit des Zweiten Weltkriegs Betriebsleiter der Porzi, und auch dessen zwei Brüder arbeiteten dort. Über Verbrennungsöfen sei in der Familie zwar nicht gesprochen worden, sagt Emanuel Tardent. Aber sein Urgrossvater Ernst Burri, Oberst und Rektor der Langenthaler Sekundarschule, sei Mitglied einer Widerstandsgruppe gewesen, patriotische Schweizer, die gegen Nazifreunde operierten. "Wir hörten, dass es eine Liste gab mit Namen von Nazis und Gauleitern. Hätten die Deutschen den Rhein überschritten, wären die Leute abgeführt oder erschossen worden."

Es wird also von zwei unterschiedliche Listen gesprochen: einerseits von einer Liste mit Schweizern, die sich öffentlich gegen Hitler und die Nazis wandten. Andererseits von einer Liste, auf der Namen von deutschen und Schweizer Nazis standen. Die Liste mit den Namen der Nazis soll, wie die Berner Zeitung erfahren hat, noch bestehen, zumindest als Fotokopie.

"37 Nazi-Sympathisanten"

Im Begleitheft zur Ausstellung "Weisses Gold" schreibt Kurator Beat Gugger: "Recherchen haben ergeben, dass sich in Privatbesitz ein ‹Verzeichnis der verdächtigen Ausländer und Schweizer Bürger im Amtsbezirk Aarwangen› erhalten hat. Darin sind 37 Nazisympathisanten aufgeführt, die - so die Anmerkung zum Schriftstück - beim Einmarsch der Deutschen verhaftet worden wären." Ob es eine Liste der Gegenseite gab, konnte Gugger nicht verifizieren. Es sei möglich, vermutet der Ausstellungsmacher, dass in der mündlichen Überlieferung die Liste der einen Seite mit einer erfundenen Liste der Gegenseite vermischt worden sei.

Die Gerüchte von den Porzi-Öfen kennt auch Ruedi Baumann, 2007 Kurator der Ausstellung "1933 bis 1945 - Langenthal in schwieriger Zeit" im Museum: "Ich habe keine Quellen gefunden. Mir sind auch keine Namen von Nazisympathisanten zu Ohren gekommen." Deshalb hat die Ausstellung die Gerüchte nicht thematisiert. Baumann begnügte sich mit drei leeren Harassen und einer Schrifttafel: "Und in Langenthal? Was gäbe es bei uns aus dieser Zeit noch zu erforschen?"

Unterschwellige Angst

Zu erforschen gäbe es wohl noch einiges. Soll es aber über die Erinnerungen von Zeitzeugen hinaus gehen, wird es schwierig. Sicher ist zum heutigen Zeitpunkt: Die Porzi-Öfen waren ein Thema, das in den Jahren des Weltkrieges und danach die Leute bewegte. Nicht zuletzt, weil in Langenthal Nazisympathisanten, ja Hitler-Verrückte, lebten - Deutsche und Schweizer. Solche gab es damals vielerorts in der Schweiz. Ob es in Langenthal mehr waren als anderswo, bleibt offen. Denn im Dunkeln tappt auch die Geschichtsschreibung. Hans Ulrich Jost, emeritierter Professor für neuste Geschichte der Universität Lausanne, sagt, das Gerücht über die Porzellanfabrik sei ihm neu. "Doch Gerüchte über Standorte für Lager und über Schattenregierungen, die nach dem Überfall durch Nazideutschland eingesetzt würden, gab es ganz offensichtlich. Schriftliche Aussagen dazu habe ich bisher aber keine gesehen."

Gerüchte über Lager und Namen möglicher "Gauleiter" seien nachvollziehbar, so Jost, "denn nicht wenige Schweizer - vor allem aus den besseren Kreisen - sympathisierten mit den Nazis. Und gleichzeitig herrschte in der Bevölkerung unterschwellige Angst."

Herbert Rentsch

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NEONAZIS CH
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Thurgauer Zeitung 17.12.08

Skinheads schaden der Gemeinde

Das Skinhead-Treffen vom Samstag sorgt in Kradolf für Unmut. Die Gemeindebehörde möchte, dass der Besitzer der Teigi die Konsequenzen zieht. Dieser will prüfen, ob das Treffen nicht gegen den Mietvertrag verstösst.

Kradolf Die Sache werde zu sehr aufgebauscht, sagt Kaspar Böhi zum Treffen der Skinheads in der Teigi. Er ist Besitzer und Vermieter der als Gewerbe- und Wohnliegenschaft genutzten ehemaligen Teigwarenfabrik. "Es ist nie etwas passiert, und es hat auch nie etwas zu beanstanden gegeben. Und schliesslich war auch die Polizei präsent." Die Kantonspolizei Thurgau hatte Wind vom Treffen bekommen und kontrollierte am letzten Samstag die rund 50 Teilnehmenden und ihre Fahrzeuge. Dabei wurde kein Material sichergestellt, das gegen die Antirassismusstrafnorm verstösst ("Thurgauer Zeitung" vom Montag). Gemeindeammann Walter Schönholzer hat am Montag aus den Medien vom Treffen der rechtsextremen Szene in seiner Gemeinde erfahren und sich sehr darüber geärgert. "Wir bemühen uns für positive Schlagzeilen. Da trifft sich eine Gruppe Kahlgeschorener und schon gerät das Image unserer Gemeinde in ein schiefes Licht." Innerhalb der letzten beiden Jahre war es das dritte Skinhead-Treffen in Kradolf. Geht es nach dem Willen des Gemeindeammanns, wird es kein weiteres mehr geben. "Wir habe keine rechtlichen Handhabe, etwas dagegen zu unternehmen. Das kann nur der Vermieter."

Kommt es zur Kündigung?

Noch am Montag hat Walter Schönholzer mit "Teigi"-Besitzer Kaspar Böhi Kontakt aufgenommen. Er hoffe, dass der Vermieter die Konsequenzen ziehe. "Schliesslich ist die Sache auch für ihn und die anderen Mieter in der Wohn- und Gewerbeliegenschaft unangenehm." Der Gemeindeammann erwartet, dass der Besitzer den Mietvertrag kündigt. Ob er so weit gehen wird, wollte Böhi auf Anfrage nicht sagen. Er werde prüfen, ob gegen den Mietvertrag verstossen worden sei. "Es ist einer von vielen Gewerberäumen in der "Teigi". Die 100 Quadratmeter sind gerade mal 1 Prozent von der Gesamtfläche. Ich prüfe nicht im Detail, wie die Mieter die Räume nutzen. Aber sicher ist der Raum nicht für Treffen von Neonazis vermietet worden."

Der Gemeindeammann weiss, dass der Raum als Probelokal genutzt wird. Er habe auch schon mal mit den Mietern gesprochen, aber das sei schon zwei Jahre her. Er wisse nicht, ob es noch die gleichen seien. Rein äusserlich hätten diese damals nicht den Eindruck erweckt, dass sie der rechtsextremen Szene angehörten.

Nichts mitbekommen

Es sei offenbar ein Probelokal, sagt Kathrin Ritzi-Schaufelberger. Seit 15 Jahren ist sie Mieterin in der "Teigi, betreibt dort ein Keramik-Atelier. Sie kenne die Mieter des besagten Probelokals nicht. Sie hat vom Treffen am letzten Samstag nichts gewusst. Sie habe es aus der Zeitung erfahren und sei am Montag darauf angesprochen worden. "Es ist unangenehm für die anderen Mieter, aber auch für die ganze Gemeinde, wenn man mit der rechtsextremen Szene in Verbindung gebracht wird." Sie weiss von Leuten, die sich nicht mehr getrauten in den Zug einzusteigen, als sie Gruppen von Skinheads entdeckten.

Gar nichts vom Treffen mitbekommen hat Patrick Meyland. Seit dreieinhalb Jahren wohnt und arbeitet der Künstler in der ehemaligen Teigwarenfabrik. Er merke nur, wenn in der Moschee - die sich ebenfalls in der "Teigi" befindet - Betrieb sei. "Der Ansturm ist dann so gross, dass um das Areal jeder freie Platz mit parkierten Autos besetzt ist."

Urs Bänziger

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St. Galler Tagblatt 17.12.08

Nicht alle Treffen sind legal

KRADOLF. Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Skinhead-Treffen in Kradolf (Ausg. vom 16. Dezember) legt die Kantonspolizei Thurgau Wert auf die Feststellung, "dass extremistische Treffen im Rahmen der Versammlungsfreiheit nur dann legal sind, wenn sie nicht zu Rassendiskriminierung, Gewalttaten oder anderen Gesetzesverstössen aufrufen. Dies gilt auch für Texte von auftretenden Bands. Widerhandlungen ahndet die Kantonspolizei Thurgau konsequent." (red.)

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Blick 17.12.08

"Neonazis verprügelten meinen Buben"

Die Autoschläger von Eglisau

Von Martin Meier

Niederträchtig und brutal! Neonazis verprügeln in Eglisau einen Elfjährigen - wegen seiner Hautfarbe.

Mael* und Daniel* schlendern zum Tennisplatz. Es ist kurz nach 17 Uhr. Sie denken sich nichts dabei, als ihnen zwei Fahrzeuge entgegenkommen.

Die Buben werden auch nicht stutzig, als der vordere Wagen abbremst und auf die Gegenfahrbahn einschwenkt. Erst als das Auto auf ihrer Höhe stoppt, bekommen sie es mit der Angst zu tun.

Was dann passiert, werden die beiden nie mehr vergessen. Einer der Mitfahrer schlägt aus dem offenen Autofenster mit einem Stock auf den dunkelhäutigen Mael ein.

Die Insassen beschimpfen den Elfjährigen mit übelsten rassistischen Sprüchen. Dann brausen sie laut "Tages-Anzeiger" davon.

Nach kurzer Fahrt wenden die Neonazis ihre Wagen und kommen zurück. Wieder wird Mael aufs Schändlichste verbal angegriffen. Und wieder brausen die Rassisten davon. Um ein drittes Mal zurückzukehren und Mael mit fremdenfeindlichen Parolen zu erniedrigen. Sein Freund Daniel, ein Schweizer, wird verschont.

Passiert ist alles vor ein paar Wochen. Maels Mutter hat erst jetzt den Mut, damit an die Öffentlichkeit zu treten. "Das Thema Rassismus darf nicht einfach unter den Tisch gewischt, nicht einfach vernachlässigt werden", sagt die Leiterin eines Alters- und Pflegeheims zu BLICK. Sie sei schockiert darüber, dass Erwachsene auf einen Elfjährigen losgingen.

Maels Mutter erstattete bei der Kantonspolizei Zürich Anzeige. "Die Ermittlungen sind noch im Gang", erklärt deren Sprecher Hans Leuenberger.

Mael und sein Freund Daniel erkannten die Täter nicht. Sie können nur sagen, dass sie ein rotes Auto fuhren. Vielleicht einen Seat.

Fremdenfeindliche Parolen und Übergriffe sind im Zürcher Unterland kein Einzelfall. In jüngster Zeit machen Neonazis verstärkt von sich reden.

* Namen von der Redaktion geändert

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NEONAZIS FL/CH
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St. Galler Tagblatt 17.12.08

Ermittlungen gegen Neonazis dauern an

Vaduz. Vor drei Monaten zettelten Neonazis in Mauren eine Massenschlägerei an, bei der ein Polizist lebensgefährlich verletzt wurde. Gegen mehrere beteiligte Schweizer sind die Ermittlungen weiter im Gang, wie es bei der liechtensteinischen Staatsanwaltschaft heisst. Acht junge Schweizer aus der rechtsradikalen Szene werden an ihren Wohnorten in der Schweiz einvernommen. Im Falle einer Anklage kämen die Männer möglicherweise in der Schweiz vor Gericht. Am Dienstag begann vor dem Landgericht in Vaduz der Prozess gegen fünf Liechtensteiner, die am vergangenen 19. September ebenfalls in den Überfall auf das Oktoberfest in Mauren verwickelt waren. Ihnen wird Raufhandel vorgeworfen. Rund 20 Neonazis hatten die vorwiegend türkischen Festbesucher brutal attackiert. Die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot an, um gegen die von den Schweizern angeführte Schlägertruppe vorzugehen. (ap)

"Kein Risikostaat"

Die Schengen-Absenz von Liechtenstein bis voraussichtlich Ende 2009 macht die Überwachung der Rechtsextremen- und Neonaziszene komplizierter als in den Schengen-Ländern Schweiz und Österreich. Die Szene sei laut Polizei mit der Schweiz, Österreich und anderen Ländern vernetzt. Die liechtensteinische Polizei habe aber noch keinen Zugang zum Schengen-Informationssystem SIS, so dass Abklärungen über rechtsradikale Aktivitäten im internationalen Rahmen etwas länger dauerten. Dies heisse aber nicht, dass das Fürstentum punkto Rechtsextremismus ein Risikostaat sei. (ap)

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vaterland.li 17.12.08

Geldstrafen für Liechtensteiner Schläger

Drei Liechtensteiner, die an der Massenschlägerei in Mauren beteiligt waren, wurden gestern zu teilbedingten Geldstrafen verurteilt. Für die Verteidiger reicht die Beweislage für eine Verurteilung nicht aus. Sie haben Berufung eingelegt.

Richard Brunhart

Fünf Liechtensteiner standen gestern wegen Raufhandel vor Gericht. Unbestritten war, dass bei der Schlägerei am Oktoberfest in Mauren ein Polizist schwer verletzt wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte nun aber die Aufgabe, nachzuweisen, dass die Beschuldigten an der Schlägerei, in deren Verlauf der Polizist verletzt wurde, tätlich teilgenommen haben. Bei dreien der fünf Angeklagten kam das Gericht zum Schluss, dass dies zutrifft. Für die Höhe des Strafmasses kommt erschwerend hinzu, dass die Männer aus rassistischen beziehungsweise fremdenfeindlichen Motiven gehandelt haben. Zwei wurden zu einer Geldstrafe verurteilt. Jeweils die Hälfte wird bedingt nachgesehen. Zudem müssen die bisher unbescholtenen Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren die Kosten des Verfahrens tragen. Bei einem rechtskräftigen Urteil müssten sie 1800, 2000 beziehungsweise 5800 Franken berappen.

Verteidiger fordern Freisprüche

Die Verteidiger der drei Verurteilten haben jedoch sofort nach der Verhandlung volle Berufung eingelegt. Sie fordern Freisprüche für alle fünf. Der Erstbeschuldigte war der Einzige, der gestand, tätlich geworden zu sein. Sein Verteidiger argumentierte, dass die Faustschläge, die sein Mandant ausgeteilt habe, nicht mit der Verletzung des Polizisten zusammenhängen. Damit sei der Tatbestand des Raufhandels nicht erfüllt. Er verwies auf die Auffassung des Gerichts, die sie bei einem Verfahren gegen zwei Schweizer im Zusammenhang mit der Massenschlägerei am Oktoberfest vertreten habe, dass der Raufhandel auf einen engen Zeitraum eingegrenzt werden müsse.
Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der Raufhandel mit dem ersten körperlichen Kontakt, nach dem die Situation eskalierte, begonnen hatte. Dies war einer der Angeklagten. Der Fünftbeschuldigte gab an, in die Gruppe der türkischstämmigen Personen gelaufen zu sein - jedoch um sie zurückzudrängen. Sein Verteidiger erklärte, dass dies keine Tätlichkeit im Sinne von Raufhandel sei.

Glaubwürdigkeit bezweifelt

Der Verteidiger des Viertbeschuldigten, der ebenfalls verurteilt wurde, bezweifelte die Glaubwürdigkeit der einzigen Aussage, die seinen Mandanten belaste. Eine Tätlichkeit sei nicht nachgewiesen worden. Dieser Argumentation folgte das Gericht jedoch nicht.
Das Gericht folgte jedoch der Argumentation desselben Anwalts bei einem zweiten Mandanten. Zwei Zeugen sagten aus, dass Letzterer eine Plastiksitzbank in die Richtung der türkischstämmigen Personen geworfen habe. Der Angeklagte erklärte, er sei so stark alkoholisiert gewesen, dass er sich nicht mehr erinnern könne, was er in dieser Nacht genau gemacht habe. Bei der Polizei sagte er aus, möglicherweise habe er an der Schlägerei teilgenommen. Unter Alkoholeinfluss sei er leicht zu provozieren und könne "bockaggressiv" werden. Doch hatte bereits einer der beiden Schweizer, die an der Schlägerei beteiligt waren, den Wurf der Bank auf sich genommen.
Dem letzten der fünf Beschuldigten konnte nicht nachgewiesen werden, dass er an der Schlägerei tätlich teilgenommen hatte. Vielmehr wurde seine Aussage von den Zeugen bestätigt, dass er zu einem späteren Zeitpunkt schlichtend eingegriffen hat.

Anwalt kritisiert Ermittlungen

Auch wenn es die Schuld der Angeklagten nicht schmälere, dass auch türkischstämmige Personen tätlich geworden sind, holte einer der Anwälte zu einer Kritik am Verfahren aus. Er bemängelte, dass nur Personen der einen Gruppe auf der Anklagebank sitzen. Die Ermittlungen seien einseitig geführt worden. "Das hat mit einem objektiven Verfahren nichts zu tun", folgerte der Verteidiger. Insbesondere kritisierte er, dass die Polizei versäumt habe, die türkischstämmigen Personen eingehend danach zu befragen, welche Personen aus ihrer Gruppe tätlich geworden sind oder Gegenstände geworfen haben.
Die Ermittlungen laufen derzeit weiter. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärte Kripochef Jules Hoch, dass acht junge Schweizer aus der rechtsradikalen Szene über entsprechende Rechtshilfeersuchen in der Schweiz einvernommen werden.

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volksblatt.li 16.12.08

Ermittlungen gegen Skinheads dauern an

VADUZ - In Vaduz wird immer noch gegen rechtsextreme Schläger aus der Schweiz ermittelt. Dabei geht es um die vor drei Monaten in Mauren von mehreren Neonazis angezettelte Massenschlägerei, bei der ein Polizist lebensgefährlich verletzt wurde. Möglicherweise kommt es auch in der Schweiz zu Prozessen.
Am Dienstag begann vor dem Landgericht in Vaduz der Prozess gegen fünf Liechtensteiner, die am vergangenen 19. September ebenfalls in den Überfall auf das Oktoberfest in Mauren verwickelt waren. Ihnen wird Raufhandel vorgeworfen, die Urteile standen noch aus.
Gegen mehrere Schweizer, die an der Massenschlägerei beteiligt waren, sind die Ermittlungen weiter in Gang, wie es bei der liechtensteinischen Staatsanwaltschaft auf Anfrage hiess. Der Kripochef der Landespolizei und Vorsitzende der liechtensteinischen Gewaltschutzkommission, Jules Hoch, präzisierte, dass acht junge Schweizer aus der rechtsradikalen Szene über entsprechende Rechtshilfegesuche an ihren Wohnorten in der Schweiz einvernommen würden. Bei einer Anklage würden die Männer möglicherweise nicht in Liechtenstein, sondern in der Schweiz vor Gericht kommen.
Rund 20 Neonazis hatten die vorwiegend türkischen Festbesucher attackiert. Die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot an, um gegen die von den Schweizern angeführte Schlägertruppe vorzugehen. Dabei wurde ein Polizist durch einen Steinwurf am Kopf lebensgefährlich verletzt. Eine weitere Person wurde von den Neonazis brutal zusammengeschlagen.
Die beiden Rädelsführer aus der Schweiz wurden am vergangenen 9. Oktober vom Landgericht Vaduz von der Anklage der schweren Körperverletzung freigesprochen, weil nicht geklärt werden konnte, wer den Pflasterstein auf den Polizisten geworfen hatte. Die beiden jungen Männer wurden aber wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, und einer von ihnen zusätzlich wegen Raufhandels, zu bedingten Freiheitsstrafen von je sieben Monaten verurteilt. Davon wandelte das Gericht jeweils drei Monate in eine Geldstrafe um. Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Urteile Berufung ein.

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ARCHIV:
Jahresbericht 2004 der Arbeitsgruppe für einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus (NAP) zu Handen der Regierung
http://www.liechtenstein.li/pdf-fl-staat-aussenpolitik-nap_jahresbericht_2004.pdf

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NEONAZIS BRD
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Radio Dreyeckland (Freiburg i.B.) 16.12.08

Nach Enthüllungen der Autonomen AntifaFreiburg - Stadtkurier feuert Naziredakteur Strittmatter

Andreas Strittmatter fester Freier beim Freiburgr Stadtkurier, Schreiber für Offenburger Tageblatt und andere Provinzzeitungen sowie passionierter Autor der Jungen Freiheit hat ein Video gedreht mit dem er sich beim (Neo-)Naziversand blutschutz.ch für den tollen Hakenkreuzpullover mit Klavierspiel bedankt. Die Autonome AntiFa hat es rausgefunden und verpetzt. Der eher rechts zu verortende Stadtkurier musste deshalb - nach dem Strittmatter "leider" sein Treiben eingestanden hat, sich von Ihm trennen. Interview mit dem verantwortlichen Redaktionsleiter des Freiburger Stadtkurier, Tassilo Schneider.
http://www.rdl.de/images/stories/audio_mp3/20081216-p12nache-04907.mp3

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Communiqué vom 11.12.2008

Andreas Strittmatter bedankte sich 2007 beim schweizer Naziversand "blutschutz.ch" für den erfolgreichen Versand des Pullovers "Motiv-Nr. NS006, Reichsadler mit Hakenkreuz" zum Preis von 33 SFr mit einem selbstgedrehten Videoclip. In dem Video trägt er seinen neu erworbenen Hakenkreuzpullover und spielt auf einer Orgel das Weihnachtslied "Es ist für uns eine Zeit angekommen". Strittmatter ist einer von vier festangestellten Redakteuren beim Freiburger Stadtkurier und schrieb bereits für das "Offenburger Tageblatt", die "Mittelbadische Presse", den "Schwarzwälder Boten" und die "Junge Freiheit". Der Stadtkurier ist Freiburgs rechte Umsonstzeitung mit Sitz in der Bismarckallee 8, direkt gegenüber des Freiburger Hauptbahnhofs. Neben dem Freiburger Stadtkurier mit einer Auflage von wöchentlich 115.000 Exemplaren erscheint im gleichnamigen Verlag auch das Amtsblatt, die offizielle Zeitung der Stadt Freiburg.

Spätestens seit Mitte 2005 schreibt Andreas Strittmatter regelmäßig unter seinem Namen für die "Junge Freiheit". Die Zeitung für den anspruchsvollen Faschisten wurde 1986 in Freiburg von Dieter Stein gegründet, der während seines Studiums Mitglied der in der Deutschen Gildenschaft organisierten Hochschulgilde Balmung zu Freiburg wurde. Steins Mitgliedschaft sowohl bei der Junge Union als auch bei den Republikanern steht exemplarisch für die Scharnierfunktion der "Jungen Freiheit" zwischen Konservatismus und Faschismus. Strittmatter schreibt überwiegend für das Feuilleton der Nazizeitung. Er rezensiert klassische Musik, Opern, Kunstausstellungen und Theaterstücke und versucht kulturelle mit politischen Themen zu verknüpfen. Sein regionaler Schwerpunkt liegt im Dreieckland Südbaden, Basel und Elsaß.

In einem Artikel über Waffenmagazine und die "weltstärksten Revolver" outete sich Strittmatter als Waffenfetischist: "Natürlich kein ballistisches Leichtgewicht, schließlich handelt es sich bei der Poly 1550 um eine Kurzwaffe im saftigen Großkaliber .44 Magnum. Wem der Rückstoß beim Abfeuern einer solchen Waffe immer noch zu popelig ist, der kann sich auch an sogenannten ‚Freedom Arms'-Revolvern probieren." Strittmatters Rezension des Waffenmagazins "caliber" in der "Jungen Freiheit" ist widerlich sexistisch: "Für alle, die Waffen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit, sondern auch als Gegenstände technischer Ästhetik sehen, wartet die Zeitschrift (wie der Playboy, aber auch andere Waffenmagazine) mit einem Kleinposter zum Ausklammern auf — im Februar eine Remington-Büchse in Tarnfarben."

Zu Strittmatters Themen in der "Jungen Freiheit" gehört auch lokale und regionale Politik. Er hat die Grünen wegen des versuchten Verkaufs der Freiburger Stadtbau angegriffen und machte sich über die SPD und ihr schlechtes Abschneiden bei der baden-württembergischen Landtagswahl lustig.
Auch polemisierte Strittmatter gegen nicht linientreue Kräfte in der Südwest-CDU wie den ehemaligen Sozialminister Andreas Renner. Als der "vormalige Oberbürgermeister der Bodenseestadt Singen die Schirmherrschaft für den Christopher Street Day (CSD) in der Landeshauptstadt" übernahm, wiederholte Strittmatter genüsslich die Forderung rechter CDU-Kreise: "Der g'hört abg'schosse". Renner hatte "bei einem Gespräch in der Fraktion dem anwesenden Rottenburger Bischof Gebhard Fürst" nach dessen Kritik an der Übernahme der Schirmherrschaft geantwortet: "Halten Sie sich da raus und fangen Sie erst einmal selbst damit an, Kinder zu zeugen." Strittmatters Kommentar zum "homosexuellen Umzug": Dort werde mit "viel nacktem Fleisch eine ‚gesellschaftspolitische Neuorientierung' zu anderen Ufern" eingefordert.

Besondere Sympathie zeigt Strittmatter gegenüber Korporationen. Die Badische Zeitung berichtete am 18. Mai 2005, dass "am 5. und 6. Mai farbentragende Corps-Studenten im besetzten Rektorat Nachwuchs rekrutieren wollten" und "zweimal je sechs bis acht Korporierte im Plenum mit Bier und günstigem Wohnraum für ihre Burschenschaft geworben" hätten. "Drei Mitglieder der KDStV Hohenstaufen" hätten dann "in vollem Wichs Besetzer vor dem Gebäude mit Bierkrügen beworfen. Einer habe vergeblich versucht, seinen im ‚Duell' gebräuchlichen Säbel zu zücken. Besetzer hätten daraufhin die Burschen in die Flucht geschlagen". Andreas Strittmatter hetzte einen Tag später im Stadtkurier gegen die Antifa Freiburg: "Vor allem extrem linken Geistern sind die Verbindungen, Burschenschaften und Corps ein Dorn im Auge. So werden diese seitens der radikalen Freiburger ‚Antifa' gerne in die Nähe (neo-)nationalsozialistischen Gedankenguts gerückt und als ‚rechts' bezeichnet."

Mit der Bestellung des Hakenkreuzpullis bei "blutschutz.ch" wird Strittmatters (neo-)nationalsozialistisches Gedankengut offensichtlich. Der Naziversand warb mit dem Slogan "Blutschutz …für eine reine Zukunft". Er wurde von Patrick Fricker, Robert Walser und Flavia Plozza betrieben, bis er im April 2008 von Autonomen Antifas gehackt wurde: "Da nach diesem Vorfall das Vertrauen unserer Kundschaft stark verletzt wurde, werden wir in nächster Zeit unseren Weltnetzladen nicht wieder aufschalten." Zuvor hatte blutschutz.ch zu einem Naziaufmarsch am 6. April 2008 in Näfels im schweizer Kanton Glarus aufgerufen. Insgesamt bestellten etwa 120 Personen auf "blutschutz.ch", die vollständige Adressliste wurde nach dem Hack veröffentlicht. Strittmatters Mailadresse pronatione@aol.com findet sich nicht auf der Liste. In seiner Dankesmail schrieb er: "Ach ja, bitte nicht gerade dauerhaft speichern … Danke!"

Autonome Antifa Freiburg


Dieses Communiqué ist online unter:
http://www.autonome-antifa.org/spip.php?page=antifa&id_article=118&design=2

Weitere Infos über "blutschutz.ch":
http://ch.indymedia.org/de/2008/04/59163.shtml

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20min.ch 16.12.08

Nach Mordanschlag

Eine Stadt zittert vor Neonazis

Nach dem Mordanschlag auf Passaus Polizeidirektor Alois Mannichl vor dessen Privathaus im 15 Kilometer entfernten Fürstenzell manifestiert sich ein Klima der Angst in der 50000-Einwohner-Stadt.

Passau kämpft seit Jahren und Jahrzehnten ohnehin gegen den Ruf, "braun" zu sein, nicht zuletzt als einstiger DVU-Treffpunkt in den 90er Jahren. Vieles an der Messer-Attacke weist auf einen rechtsextremen Hintergrund des oder der Täter hin. Die auf 50 Beamte aufgestockte "SoKo Fürstenzell" ermittelt auf Hochtouren.

"Viele Grüsse vom Nationalen Widerstand, du linke Bullensau. Du ärgerst uns nicht mehr. Du trampelst nimmer auf den Gräbern unserer Kameraden rum", herrschte der Angreifer den Polizeichef hasserfüllt im Befehlston an, bevor er zustach. Der Hinweis auf die Kameradengräber kann sich auf zwei Vorfälle aus diesem Jahr beziehen: Am 26. Juli wurde der Altnazi Friedhelm Busse nahe Passau beerdigt. Dabei wurde eine Hakenkreuzfahne auf den Sarg gelegt. Später wurde das Grab auf Anweisung der Behörden geöffnet und die Fahne sichergestellt.

Ab Mitte November hetzten die NPD und Sympathisanten im Internet verstärkt gegen Polizeichef Mannichl, unterstellten ihm "Stasi-Methoden". Am Volkstrauertag, dem 16. November, habe er einen NPD-Funktionär "belästigt", indem er ihm die Sicht auf die Trauerfeier am Soldatenfriedhof genommen habe. Der Polizeidirektor habe ausserdem ein Grabgesteck "zertrampelt".

Mannichls Kollegen sorgen sich um Familien

Mannichl war bei beiden Terminen natürlich nicht allein im Dienst. Seine Kollegen gehen seit drei Tagen "mit einem äusserst mulmigen Gefühl" aus ihren privaten Häusern, sagt einer von ihnen im AP-Gespräch. Wohnung und Angehörige waren bislang ein Refugium, weit weg vom oft harten Dienst. Wie ja auch für Mannichl und seine Familie, die seit Samstag unter Polizeischutz steht. Ihre Adresse war in jedem Telefonbuch zu finden. Kollegen fragen sich nun: "Was wissen die über mich?"

Auch die Justiz macht sich Gedanken. Der Zugang zum Landgericht ist erschwert, die Zugangskontrollen sind seit Montag verschärft wie sonst nur an Tagen, an denen hier Prozesse gegen Schwerverbrecher geführt werden. Die Ermittler mussten zwei vorläufig Festgenommene aus der rechten Szene laufen lassen, stehen in punkto Verdächtige wieder am Anfang. Aber sie haben DNS-Spuren vom Tatort. Passaus Leitender Oberstaatsanwalt Helmut Walch geht weiter von einem heimtückischen Mordversuch aus, erwägt die Fahndung mit einem Phantombild, schliesst auch einen Massen-Gentest nicht mehr aus.

Alle Beteiligten haben Privatadresse und Angehörige

Tatort bleibt Passau, Gerichtsort auch. Wenn der oder die Täter gefasst werden, muss ein Passauer Staatsanwalt diese Anklage vertreten, ein Passauer Gericht diesen Prozess durchziehen. Alle Beteiligten haben eine Privatadresse, haben Angehörige.

Zwei Hoffnungen bleiben: Vielleicht bestätigt sich der rechtsextreme Hintergrund deshalb nicht, weil eine derartige Eskalation selbst einer NPD mehr schadet als nutzt. Vielleicht distanziert die Szene sich ja nicht nur im Internet von dem Anschlag. "Die lassen den oder die Täter doch fallen wie eine heisse Kartoffel", ist man in Justizkreisen ziemlich überzeugt.

Die zweite Hoffnung: Vielleicht zieht die Bundesanwaltschaft den Fall an sich, macht eine Staatsschutzsache daraus, die dann am Oberlandesgericht verhandelt werden würde - im fernen München, nicht in Passau.

Quelle: AP

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FOLTER
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punkt.ch 17.12.08

Mit Songs treiben sie Häftlinge in den Wahn

Bands protestieren gegen Musik als Foltermethode

Über den Musikgeschmack lässt sich streiten. Nicht aber über den Missbrauch von Musik als Foltermethode. Derzeit vereinigen sich Musiker aus aller Welt, um mit der Initiative "Zero dB project" (Null Dezibel Projekt = Stille) gegen den brutalen Gebrauch von Musik als Foltermethode in Guantanamo zu protestieren.
So fordern unter anderem Tom Morello von Rage Against The Machine, Massive Attack oder James Lavelle von Unkle einen sofortigen Stopp der Folter. Die britische Menschenrechtsorganisation "Reprive" hat eine Liste mit den meistgespielten Folter-Songs veröffentlicht (siehe Box). Binyam Mohamed, der immer noch in Guantanamo inhaftiert ist, schildert der Organisation schreckliche Szenen aus einem Verhörgefängnis: "20 Tage lang lief ununterbrochen ‹Slim Shady› (Eminem). Viele haben den Verstand verloren. Ich konnte hören, wie Leute ihren Kopf gegen die Wand schlugen." (red)
www.zerodb.org
Folter-Songs
Foltersongs
- AC/DC - Hell' Bells
- Barney the Purple Dinosaurier - them tune
- Bee Gees - Stayin' Alive
- Britney Spears
- Bruce Springsteen - Born in the USA
- Christina Aguilera - Dirrty
- David Gray - Babylon
- Deicide - Fuck Your God
- Don McLean - American Pie
- Dope - Die MF Die
- Dr. Dre
- Drowning Pools - Bodies

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ANTI-ATOM
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Bund 17.12.08

Bewilligungsverfahren wird verzögert

AKW Mühleberg

Die von mehreren Anwohnern des Atomkraftwerks Mühleberg eingereichte Beschwerde gegen das Bewilligungsverfahren (siehe "Bund" von gestern) wird dieses verzögern. Dies bestätigte gestern Matthieu Buchs, Sprecher des Bundesamts für Energie (BFE). Das BFE müsse nun den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts abwarten; gegen diesen Entscheid könne zudem Beschwerde beim Bundesgericht erhoben werden. Erst nach rechtskräftiger Erledigung dieses Verfahrens könne das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation über das Gesuch der BKW entscheiden. Wie gross die Verzögerung sein wird, konnte Buchs nicht sagen.

Die BKW möchte, dass die Betriebsbewilligung für Mühleberg unbefristet erteilt wird. Gegen das Gesuch sind 1900 Einsprachen eingegangen. Nun wehren sich die Atomgegner nicht nur gegen die Aufhebung der Befristung, sondern beim Bundesverwaltungsgericht auch gegen das Verfahren. (db