MEDIENSPIEGEL 19.12.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Tojo)
- FDP will 2. Drogenanlaufstelle bremsen
- Gassenküche LU soll bleiben
- Neonazis in GL vor Gericht
- Neonazis BRD: betont aggressiv
- Bieler Prügelpolizist verurteilt
- Wegweisung LU: Abstimmung im Feb 2009
- Polizeiwaffen: Chili statt Strom
- Staatsschutz: Budgetkürzung in BS sorgt für Nervosität
- Fussball: Buchtipps zu Homophobie + Gender
- Anti-Atom: Sackgasse AKWs & Tiefenlager Jura-Südfuss
- RAF: Christian Klar frei
- Griechenland: Mailaise, neue Krawalle & Jungle World-Special

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REITSCHULE
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Dez 08: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Fr 19.12.08
20.30 Uhr - Tojo - TITTANIC V Lesung: Tania Kummer, Frances Belser, Sandra Küenzi. Musik Aeberli/Zahnd
21.00 Uhr - Kino - Nueve reinas, Fabian Bielinsky, Argentinien 2001
22.00 Uhr - SousLePont - Pornolé und Electric Hellessence

Sa 20.12.08
19.30 Uhr - Kino - Leningrad Cowboys Go America, Aki Kaurismäki, SF/S 1989
21.30 Uhr - Kino - Leningrad Cowboys Meet Moses, Aki Kaurismäki, SF/D/F 1994
23.00 Uhr - Frauenraum - Eisschmelze Vol. 2 mit SCANDAL! (ZH), DJ`s Anne Air, Eli Verveine und Nat und DJ ELfERich (BE). Visuals: Die Taucherin (LU)
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: Ed Rush (Virus Rec/UK), Deejaymf (cryo.ch), VCA (Biotic Rec/CH), Silent Extent (Close to Death Rec/CH), Kenobi (drumandbass.ch)

So 21.12.08
19.00 Uhr - Tojo - Öffentliche Probe: Missing Pieces von Nachtregentrommler. Regie: Christian Valerius.

Infos: www.reitschule.ch

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BZ 19.12.08

Tojo Theater Bern

Ein Mix aus Performance, Lesung und Tönen

"Lustig, böse, feminin": Zum fünften Mal geht im Tojo Theater der Quotenknüller "Tittanic" über die Bühne - eine Mischung aus Performance, Lesung und Konzert. Begleitet vom Zürcher Unterhaltungsduo Aeberli/Zahnd tragen die Autorinnen und Performerinnen Tania Kummer, Frances Belser und Sandra Künzi ihre Texte vor. Wie immer wird die Dramaturgie des Abends ad hoc gestaltet. Für die Einhaltung der 50-Prozent-Männer-Quote ist das Publikum zuständig.
mgt

Heute Freitag, 20.30 Uhr, Tojo Theater Bern. www.tojo.ch

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20 Minuten 19.12.08

Unreligiöses an Heiligabend und am Weihnachtstag

Pedro Codes


BERN. An den Weihnachtstagen ist in Bern auch was los. Hier könnt ihr hin, um nach dem Braten den vollen Ranzen abzutanzen.


Weil gutes Essen so einiges kostet, fangen wir gratis an. Am Mittwoch wackeln die Hüfte im Propeller: Joe und Seppu - geläufiger sind die Namen B.O.B* und Zmi - spielen ab 22 Uhr Bastard-Pop.

Abgedrehteres bieten Mercury, Questionmark, Radiorifle und Kenjiro im Wasserwerk. Sie werfen eine wilde Mischung aus Elektronischem und allerlei Poppigem für zehn Franken auf die Tanzfläche.

Am Donnerstag steigen dann die traditionsreicheren Partys: Im Tojo der Reithalle finden die Freunde der 80er seit Jahren genau ihr Ding. Ganz unreligiös wird völlig losgelöst zu Synthie-Pop, Wave und NDW geschwoft. Achtung: Kuschelrunden sind auch geplant.

Auch das Kornhausforum bringt am 25. etwas. Nicht weit weg von den 80ern, aber mit mehr Grossstadt-Chic gehts für 25 Franken ab zum Electro-Clash von Fiji. An den Plattentellern drehen DiscoD von Smash FX und Mel Mercury.

Wer es weniger elektronisch mag, kugelt sich ab 21 Uhr ins ISC. The Dead Brothers spielen "melodramatische Popsongs". Olive Oyl und D-nu rocken danach den Club.

Pedro Codes

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2. DROGENANLAUFSTELLE
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Bund 19.12.08

Fixerstübli in Frage gestellt

Stadt Bern Der Widerstand gegen ein zweites Fixerstübli in Bern wächst: FDP-Grossrätin Sandra Wyss fürchtet einen "Schnellschuss" und fordert mittels Motion eine seriöse Bedarfsanalyse während mindestens einem halben Jahr. Die Stadt Bern wollte das Fixerstübli eigentlich bereits Ende Jahr eröffnen. Bereits im Oktober war indessen der Kanton als Geldgeber auf die Bremse getreten: Er will bis Januar prüfen, ob eine Angebotserweiterung überhaupt gerechtfertigt ist. (pas)

Seite 24

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Widerstand gegen 2. Fixerstübli

Die Stadt will eine zweite Drogenanlaufstelle, der Kanton bleibt kritisch, und in der Politik formiert sich Opposition

Pascal Schwendener

Die Stadt will im Eilzugstempo ein zweites Fixerstübli einrichten. Das sei nicht seriös, findet FDP-Grossrätin Sandra Wyss. Sie stellt das Geschäft grundsätzlich infrage. In einer Motion fordert sie eine neue, sorgfältige Bedarfsanalyse - und einen anderen Standort.

Ginge es nach dem Gemeinderat, so wäre dieser Tage in Bern ein zweites Fixerstübli eingeweiht worden. Doch der Termin musste von Monat zu Monat nach hinten korrigiert werden. Und langsam muss bezweifelt werden, ob die zweite Anlaufstelle an der Murtenstrasse überhaupt je ihre Türen öffnet. Denn der Kanton, der das Projekt finanzieren soll, ist gegenüber den Plänen der Stadt skeptisch.

Doch von Anfang an: Im Frühling entschied der Berner Gemeinderat, dass zur Entlastung der Anlaufstelle an der Hodlerstrasse und der gesamten Schützenmatte eine zweite Anlaufstelle vonnöten sei. An der Murtenstrasse 26 sollte während rund zweier Jahre eine provisorische Anlaufstelle eingerichtet werden, so der Plan der Direktion für Bildung, Soziales und Sport - und zwar ohne Aufschub schon ab Ende 2008.

GEF steht auf die Bremse

Ende Oktober kam dann die Ernüchterung: "Nichts überstürzen" mahnte die kantonale Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) die Stadt. Bevor der Kanton eine halbe bis eine Dreiviertel-Million Franken für ein solches Projekt spreche, müsse der tatsächliche Bedarf erst einmal genau evaluiert werden. Schliesslich habe die GEF zwischenzeitlich bereits eine Million Franken für Drogeneinrichtungen in Thun gesprochen und so die Anlaufstelle in Bern entlastet. Die genauen Auswirkungen des Thuner Angebots auf Bern müsse bis Ende Jahr beobachtet werden, dann erst könne man über das zweite Fixerstübli entscheiden. Doch auch nach Ablauf dieser Frist ist man sich beim Kanton noch nicht schlüssig, ob eine zweite Anlaufstelle wirklich vonnöten ist. "Wir brauchen noch bis Januar Zeit, um seriöse Aussagen machen zu können", sagt mittlerweile die Verantwortliche Sabine Schläppi von der kantonalen Abteilung Gesundheitsförderung und Sucht.

Wyss verlangt seriöse Abklärung

Doch auch die Zeit bis Januar wird nicht ausreichen, um eine seriöse Bedarfsanalyse zu erstellen, meint FDP-Grossrätin Sandra Wyss. "Die Evaluationszeit von rund zwei Monaten ist eindeutig zu kurz, um erhärtete Daten erheben zu können", schreibt sie in einem jüngst eingereichten Vorstoss im Kantonsparlament. Die Motion verlangt, "dass sich die Evaluation über eine Dauer von mindestens sechs Monaten zu erstrecken hat". Die Drogenszene im öffentlichen Raum sei saisonal sehr unterschiedlich ausgeprägt, argumentiert die Freisinnige. Während man etwa im Winter kaum Abhängige auf der Strasse antreffe, beobachte man in der warmen Jahreszeit regelmässig grosse Szenenbildungen. Diese Schwankungen müssten in der Bedarfsanalyse unbedingt berücksichtigt werden. "Die Stadt darf hier keinen Schnellschuss auf Kosten des Kantons abfeuern", sagt Sandra Wyss.

Wird ihr Vorstoss in der Januarsession angenommen, muss die Stadt die Situation rund um die Anlaufstelle während mindestens eines halben Jahres beobachten und den Nachweis erbringen, dass ein zweiter Standort wirklich nötig ist. Erst dann kann der Regierungsrat die nötigen Gelder freigeben.

Und die Stadt wird sich auf die Suche nach einem neuen Standort machen müssen. Denn für Motionärin Wyss geht es nicht an, dass der Staat für teures Geld eine Abbruchliegenschaft saniert, die voraussichtlich in rund zwei Jahren einem Neubau Platz machen muss. "Ein möglicher Standort darf nicht wie vorgesehen nur provisorischer Natur sein", fordert Wyss in ihrem Vorstoss. Wenn es wirklich ein zweites Fixerstübli brauche, dann sei es definitiv einzurichten. "Dann muss sich die Stadt halt einen neuen Standort suchen."

Stadt spielt den Ball zurück

Das hört man bei der Stadt nicht gern. Sven Baumann, Generalsekretär der Fürsorgedirektion, sagt, dass die zweite Anlaufstelle explizit als Pilot-Versuch angelegt und somit selber Teil der Evaluation sei. "Erst wenn wir diesen Versuch machen, sehen wir, ob der Standort Murtenstrasse die Schützenmatte im erhofften Umfang entlasten kann", so Baumann. Insofern könne er keine von Wyss' Forderungen nachvollziehen - weder den Wunsch nach Ausdehnung der Evaluationszeit noch jenen nach einem definitiven Standort.

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be.ch/gr 26.11.08 (pub. 9.12.08)

M 315/2008 GEF
Motion
Wyss, Bern (FDP)
Weitere Unterschriften: 6
Eingereicht am: 26.11.2008

Zweite Drogenanlaufstelle in der Stadt Bern - kein Kantonsgeld für ein provisorisches Projekt

Der Regierungsrat wird ersucht, der Stadt Bern keine finanziellen Mittel für das Einrichten einer zweiten Drogenanlaufstelle zu sprechen, solange nicht folgende Punkte geklärt sind:

- die Evaluation der bestehenden Drogenanlaufstelle Hodlerstrasse ist abzuwarten, wobei sich die Evaluation über eine Dauer von mindestens sechs Monaten zu erstrecken hat
- ein möglicher Standort darf nicht wie vorgesehen nur provisorischer Natur sein und in einer Baute untergebracht werden, welcher mit grosser Wahrscheinlichkeit der baldige Abbruch droht

Begründung

Im Verlaufe des Jahres 2008 hat der Gemeinderat der Stadt Bern entschieden, dass nebst der bereits bestehenden Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse eine zweite Drogenanlaufstelle benötigt werde, da die Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse - unter anderem wegen der Drogenabhängigen aus Thun und dem Berner Oberland - überlastet sei.

Zwischenzeitlich hat die Stadt Thun ihr Angebot für Drogenabhängige erweitert und optimiert. Die rund 30 bis 40 Drogenabhängige aus Thun und dem Berner Oberland werden seit November 2008 an der Drogenanlaufstelle Hodlerstrasse weggewiesen, wodurch die Anlaufstelle der Stadt Bern entlastet werden soll. Wie Medienberichten zu entnehmen ist, ist die Ausweitung des Angebots in Thun gut angelaufen und stösst auf Anklang.

Die von der Stadt Bern geplante zweite Drogenanlaufstelle soll neu an der Murtenstrasse 26 untergebracht werden. Die Liegenschaft Murtenstrasse 26 wurde in diesem Jahr von der Stadt an den Kanton Bern veräussert, dies in Zusammenhang mit der geplanten Erweiterung des Inselspitals. Die Liegenschaft ist deshalb auch Bestandteil der Überbauungsordnung Murtenstrasse 10 - 66, über welche am 30. November 2008 in der Stadt Bern abgestimmt wird. Sollte die Überbauungsordnung angenommen werden, was als wahrscheinlich zu betrachten ist, müsste eine neue Drogenanlaufstelle nach kürzester Zeit wieder weichen, da die Liegenschaft im Zuge einer Neuüberbauung abgebrochen würde.

Die Kosten für die bauliche Instandstellung, den Unterhalt und den Betrieb einer neuen Drogenanlaufsstelle werden seitens der Stadt mit gesamthaft rund Fr. 560'000.00 veranschlagt, ein Grossteil dieser Kosten soll durch den Kanton getragen werden.

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GASSENKÜCHE LU
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NLZ 19.12.08

Gassechuchi

Anlaufstelle für Fixer soll bleiben

hb. Die Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige (K + A) in der Gassechuchi soll weitergeführt werden. Dies empfiehlt die kantonale Drogenkonferenz einstimmig. Den definitiven Entscheid über die Weiterführung und Finanzierung fällt im Sommer 2009 der Zweckverband für institutionelle Sozialhilfe und Gesundheitsförderung. Ihm gehören alle Gemeinden des Kantons an.

Viel mehr Besucher als erwartet

Den Drogenabhängigen stehen in der Gassechuchi seit 21. Oktober 2008 je ein Injektionsraum und ein Raucherraum zur Verfügung, wo sie unter Aufsicht ihre Drogen fixen oder rauchen können. Das Pilotprojekt eines Fixerraums im ehemaligen Restaurant Geissmättli war zuvor wegen zu geringer Besucherfrequenzen vorzeitig abgebrochen worden. In der Gassechuchi liegen die Besucherzahlen pro Tag mit durchschnittlich 70 Konsumationen im Injektionsraum und 260 Konsumationen im Raucherraum gemäss Mitteilung der Drogenkonferenz "weit über den Erwartungen".

Entspannung im Salesia-Park

Der Drogenkonferenz gehören unter anderen Markus Dürr, Vorsteher des Gesundheits- und Sozialdepartements des Kantons Luzern, sowie Stadtrat und Sozialdirektor Ruedi Meier an. Sie betonen, seit der Einführung der K + A in der Gassechuchi werde der öffentliche Raum "deutlich weniger als Aufenthalts- oder Konsumort benutzt und konnte somit entlastet werden". Zudem habe sich die Situation im Krienser Salesia-Park stark entspannt. Dieser werde "nur noch von wenigen Drogenabhängigen regelmässig besucht".

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NEONAZIS CH
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Zürichsee-Zeitung 19.12.08

Hombrechtikon/Glarus

Rechtsextreme wegen Landfriedensbruchs angeklagt

Neonazi-Schläger vor dem Richter

Weil sie in Glarus auf Jungsozialisten einprügelten, mussten sich zwei Rechtsextreme vor dem Glarner Kantonsgericht verantworten. Einer der beiden kommt aus Rüti, der andere aus Hombrechtikon.

Frank Speidel

Wüste Szenen spielten sich im Volksgarten in Glarus ab, als im Sommer 2007 rund 20 rechtsextreme Schläger eine Demonstration von Jungsozialisten angriffen. Die Neonazis schlugen ohne Vorwarnung zu, auf am Boden Liegende traten sie weiter ein, es gab Verletzte - unter ihnen auch Zivilpolizisten, die einschritten und die Gruppe zum Rückzug zwangen. Am Mittwoch mussten sich die Schläger vor dem Glarner Kantonsgericht verantworten, wie die "Südostschweiz" berichtet.

Einer der beiden kommt aus Hombrechtikon. Vor Gericht gab er sich harmlos. Ohne Vorahnung sei er in die Demonstration geraten. Er sei alleine an die Demo gekommen - und nur, um zu hören, was die Jungsozialisten so zu sagen hätten. Mit den anderen Schlägern verabredet habe er sich nicht. Rein zufällig sei er in die Gruppe von rund 20 Neonazis geraten.

Trauermärsche in Deutschland

Etwas anderes sagt die Kleidung, die der Hombrechtiker an dem Tag getragen hatte. "Amok" stand auf seinem T-Shirt geschrieben - dies der Name einer Neonazi-Band mit Mitgliedern aus Hombrechtikon, Wolfhausen, Siebnen und dem aargauischen Zetzwil. Die Band hat dem Luzerner Journalisten und Politiker Hans Stutz in einem Lied mit dem Tod gedroht und mit anderen Songs gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm verstossen. Rein zufällig wird der Neonazi also nicht in die Gruppe geraten sein.

Der zweite Schläger hingegen, der aus Rüti stammt, gibt zu, dass er nicht zufällig in Glarus war. Jemand habe ihm von der Demo erzählt. Er sei normalerweise nicht der Demo-Typ. Eher gehe er an Trauermärsche - nach Deutschland zum Beispiel. Welche Art Demo in Glarus stattfinden würde, habe er "echt nicht gewusst". In rechtsextremen Kreisen bewege er sich nicht wirklich. Doch im Zuge einer Hausdurchsuchung fand die Polizei bei ihm eine Hakenkreuzfahne. Der Staatsanwalt hakte nach. Schliesslich gestand er ein, dass er das Nazi-Gedankengut "teilweise" vertrete. Zum Schluss der Verhandlung anerkannten die beiden den Tatbestand des Landfriedensbruchs doch noch.

"Unschweizerisch"

Die geplante Zusammenrottung und die Gewalt gegenüber den Jungsozialisten und Polizisten erfüllten den Tatbestand des Landfriedensbruchs, betonte der Staatsanwalt. Das Verschulden sei nicht mehr leicht, sondern "verwerflich, demokratiewidrig und unschweizerisch". Er forderte deshalb zwölf Wochen Freiheitsstrafe bedingt und 1000 Franken Busse.

Weitere Verurteilungen

Der Verteidiger bestreitet, dass seine Mandanten jemand angegriffen oder verletzt hätten. Zudem seien die Polizisten in zivil nicht als solche erkennbar gewesen. Die beiden hätten nicht an einer geplanten Aktion teilgenommen. Das Ganze sei ein bisschen "ausgeartet". Er fordert 42 Tagessätze à 40 Franken, bedingt auf zwei Jahre. Das Urteil des Glarner Kantonsgerichts soll im Januar vorliegen. Die anderen 13 beteiligten Rechtsextremen haben eine Verurteilung per Strafmandat akzeptiert. Sie sind alle zu einer Busse sowie einer Geldstrafe von rund 150 bis 180 Tagessätzen verurteilt worden.

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NEONAZIS BRD
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Landbote 19.12.08

Verdächtige Gruppe "betont aggressiv"

Nach dem Mordanschlag auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl fahnden die Ermittler nach einem oder zwei tätowierten Skinheads.

passau - Eine Spur in dem Fall führt zu einer besonders gewaltbereiten Münchner Neonazigruppe. Ein in Untersuchungshaft sitzender 33-Jähriger sei ein "Kamerad der Freien Nationalisten München", heisst es auf der Homepage der Gruppierung.

Dem Mann und seiner 22-jährigen Ehefrau wird Beihilfe zum versuchten Mord vorgeworfen. Die beiden bestreiten die Vorwürfe, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walch gestern erklärte. Die Eheleute hätten sich aber inzwischen gegenseitig in ihren jeweiligen Aussagen widersprochen. Die Fahndung nach dem eigentlichen Attentäter und möglicherweise nach einer weiteren Person läuft in Deutschland, Österreich und Tschechien auf Hochtouren.

Der bayerische Verfassungsschutz schätzt die "Freien Nationalisten München" als "betont aggressiv" und "gewaltbereit" ein, wie ein Behördensprecher sagte. Die Gruppe akzeptiere Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Mit schwarzer Kleidung, Turnschuhen, Sonnenbrillen, Baseballkappen und Kapuzenpullovern sind sie auf den ersten Blick von "linken" Gegendemonstranten kaum zu unterscheiden.

Die Polizei veröffentlichte zwei ähnliche Beschreibungen, in denen jeweils von einem grossen, kräftigen Mann mit Glatze und einer auffälligen Schlangentätowierung beziehungsweise einem Muttermal am Kopf die Rede ist. Eine lieferte das Opfer, die andere ein Zeuge, der einen Skinhead in den Abendstunden im Wohnort des Opfers gesehen hat. Es könne aber auch sein, dass es sich um ein und dieselbe Person handle, erklärte die Polizei.

Weihnachten zu Hause

Bisher gingen bei der Polizei rund 40 Hinweise aus der Bevölkerung ein, davon allein 20 seit Veröffentlichung des Fahndungsaufrufs am Mittwoch. Der Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl war am Samstag vor seinem Wohnhaus in Fürstenzell niedergestochen worden. Inzwischen geht es ihm wieder so gut, dass er Weihnachten zu Hause verbringen kann. (ap)

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POLIZEIBRUTALITÄT
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BZ 19.12.08

Obergericht

Bieler Polizist verurteilt

Das Obergericht bestätigt ein Urteil der Vorinstanz gegen einen Bieler Polizisten. Er hatte einen jungen Mann verprügelt.

"Die Polizei hat viele gute Leute. Und davon will ich Hermann* nicht einmal ausnehmen", sagte der Gerichtspräsident am bernischen Obergericht, Peter Zihlmann, in seiner Urteilsbegründung. Doch in einer kribbeligen Situation müsse ein Polizist die Beherrschung behalten, das gehöre zu seinem Beruf.

Kribbelig war die Situation ohne Zweifel. Hermann war einer der ersten Polizisten, die in jener Januarnacht 2005 zum Bieler Swisscom-Gebäude kamen. Dort war eine Schlägerei im Gange. Sami* sagte später, er habe nur den Streit schlichten wollen. Doch schliesslich war er es, der von der Polizei angehalten wurde. Statt sich auszuweisen, widersetzte er sich lautstark - bis ihn Hermann in Handschellen legte und ins Polizeiauto setzte. Dort trampelte der stark alkoholisierte Sami wie von Sinnen gegen die Autotüre, während seine Kollegen von aussen versuchten, ihn zu befreien - "eine absolute Respektlosigkeit", fand der Präsident.

Doch Hermann begnügte sich in der aufgeheizten Situation nicht damit, den damals 27-Jährigen ruhigzustellen. Nach Ansicht des Gerichts hat er Sami mit der Faust mehrmals ins Gesicht geschlagen. Im Spital wurde eine Jochbein- und eine Kieferverletzung diagnostiziert. Dazu kam, dass Hermann seinen Polizeihund nicht daran hinderte, Sami ins Bein zu beissen.

Diese Sicht hatte Hermann allerdings sowohl vor der Bieler Einzelrichterin bei der Hauptverhandlung im Mai wie auch gestern vor Obergericht bestritten. Auch seine Dienstkollegen wollten von Schlägen gegen Sami nichts gesehen haben. Deren Aussagen seien zu wenig berücksichtigt worden, sagte Hermanns Verteidiger. Hingegen habe sich das Gericht vor allem auf die Aussagen von Samis Kollegen gestützt - obwohl sich diese nach Ansicht des Verteidigers in wesentlichen Punkten widersprachen.

Das sah das Obergericht anders. Die Widersprüche beträfen nur Nebensächlichkeiten. Demgegenüber seien die Aussagen von Hermann immer dann schwammig geworden, wenn das Gericht Fragen zu Kernpunkten gestellt hatte. Auch die Aussagen der Arbeitskollegen des Polizisten seien keineswegs so gewesen, dass sich das Gericht darauf hätte abstützen können.

Deshalb sah es das Obergericht als erwiesen an, dass der Polizist tatsächlich zugeschlagen hatte. Es bestätigte darum das Urteil der Vorinstanz im vollen Umfang. Hermann wurde wegen Amtsmissbrauchs und Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen sowie einer Busse von 800 Franken verurteilt.
Thomas Uhland

* Namen von der Redaktion geändert.

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POLIZEIWILLKÜR LU
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NLZ 19.12.08

Wegweisungsartikel

Die Gegner fürchten Willkürstaat

Führt Luzern ein Gesetz ein, das Polizeiwillkür ermöglicht? Diese Frage entscheidet das Stimmvolk am 8. Februar.

Das Übertretungsstrafgesetz, über das Luzern am 8. Februar abstimmt, regelt dreierlei neu: Es bietet eine Handhabe gegen wildes Plakatieren und die Verunreinigung des öffentlichen Grundes. Beides ist wenig umstritten.

Die Vorlage enthält aber auch den Wegweisungsartikel. Gegen diesen hatte das Bündnis Luzern für alle das Referendum ergriffen. Gestern platzierten Bündnis-Vertreter ihre Argumente auf dem Luzerner Bahnhofplatz; also dort, wo die neue Repressionsmassnahme zur Anwendung gelangen könnte.

"Wenn Menschen präventiv und ohne ein Verbrechen begangen zu haben bestraft werden, wird die Unschuldsvermutung ausser Kraft gesetzt", sagt Oliver Renggli, Mediensprecher des Bündnisses. Neben diesem rechtsstaatlichen Einwand  der Angst vor Polizeiwillkür  bringt Renggli folgende Argumente: Das Grundrecht auf die Benützung des öffentlichen Raums werde eingeschränkt, das Beispiel der Stadt Bern zeige, dass Wegweisungen kaum durchsetzbar seien  weggewiesene Personen würden regelmässig aufs verbotene Areal zurückkehren. Ausserdem, so Renggli gestern, "existieren bereits genügend Tatbestände, die es erlauben, gegen unangemessenes Verhalten im öffentlichen Raum vorzugehen".

Bei Verdacht Rayonverbot

Heute kann die Polizei bei konkret erfolgten Rechtsverstössen aktiv werden: bei Drohungen, Tätlichkeiten, Verschmutzung von öffentlichem Grund, Sachbeschädigung. Gemäss Wegweisungsartikel würde für Wegweisungen künftig der "begründete Verdacht" ausreichen, dass jemand die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören könnte. Die Gegner fürchten Willkür beim Vollzug.

Beschwerde hängig

Die Gegner der Vorlage  das sind neben dem Bündnis Luzern für alle auch folgende Parteien, die aus unterschiedlichen Gründen die Nein-Parole beschlossen haben: die kantonale SVP, die SP, die Juso Amt Luzern, Juso Amt Willisau, die Grünen, die Jungen Grünen, diverse linkspolitische Gruppen und Gewerkschaften.

Unklar ist, ob das Abstimmungsresultat vom 8. Februar überhaupt Bestand haben wird: Beim Bundesgericht ist eine Stimmrechtsbeschwerde hängig gegen die Verknüpfung von Littering, wildem Plakatieren und Wegweisungen  die Einheit der Materie werde damit verletzt, so das Bündnis Luzern für alle.

Die Willkürgefahr war bereits bei der Behandlung des Übertretungsstrafgesetzes im Kantonsrat ein zentrales Argument der Gegner. Schon damals, im April, verteidigte die Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektorin Yvonne Schärli die Neuerung. Gestern bekräftigte sie auf Nachfrage: Wegweisungen seien verfassungskonform, man könne gegen sie Rechtsmittel ergreifen  damit werde auch die Willkürfrage überprüfbar. Ohne begründeten Verdacht, dass eine Person die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden werde, gebe es keine polizeiliche Intervention, so Schärli. Greife die Polizei ein, suche sie zunächst das Gespräch; erst in einem zweiten Schritt spreche sie eine Wegweisung für 24 Stunden aus; und nur bei einer Widersetzung dagegen eine Wegweisung für längere Zeit, bis zu einen Monat. Für die Polizeigespräche mit Störenfrieden gilt laut Schärli der "wichtige Grundsatz: Die Freiheit des Einzelnen oder einer Gruppe hört dort auf, wo die Freiheit des anderen beginnt."
Andreas Töns

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POLIZEIWAFFEN
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BZ 19.12.08

Alternative für den Taser

Chili-Extrakt statt Strom: Die Aarwanger Piexon AG hat eine Pfefferpistole entwickelt, die den umstrittenen Taser ersetzen könnte.

Das Image des Tasers ist miserabel. Kürzlich hat Amnesty International mit neuen Zahlen zur Elektroschockwaffe für Furore gesorgt: In den letzten acht Jahren seien in den USA mehr als 300 Menschen durch Taser-Beschuss getötet worden, teilte die Menschenrechtsorganisation mit. Solche Meldungen sind Balsam für die Piexon AG aus Aarwangen. Denn die Firma produziert eine Pfefferpistole, die die Gesundheit im Gegensatz zum Taser nicht gefährdet. Die Pistole verschiesst eine aus Chili-Extrakten gewonnene Flüssigkeit. Polizei-Einheiten aus der ganzen Welt setzen mittlerweile auf das Produkt. Nur in der Schweiz gibt es noch keine Abnehmer. baz

Seite 25

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Piexon AG, Aarwangen

Der Prophet mit Pfefferpistole


Der Taser gerät immer stärker in Verruf. Die Elektroschockwaffe kann zu Todesfällen führen. Die Aarwanger Firma Piexon AG hat eine Alternative entwickelt: eine Pfefferpistole, die Beschossene mit Chili statt mit Strom lahmlegt.


Die Meldung von Amnesty International lässt aufhorchen: In den letzten acht Jahren seien in den USA mehr als 300 Menschen durch Taser-Beschuss getötet worden, teilt die Menschenrechtsorganisation diese Woche mit. Auch die Sondereinheit Enzian der Kantonspolizei Bern ist mit den Elektroschockwaffen ausgerüstet (siehe Kasten unten). Allerdings dürfen Taser in der Schweiz nur bei Ausschaffungen und Transporten renitenter Personen eingesetzt werden.

Konkurrenz für den Taser

Das schlechte Image der Elektroschockwaffe ist ein Segen für die Aarwanger Piexon AG. Die Firma entwickelte eine Pfefferpistole, die dem Taser den Rang ablaufen könnte. Der JPX-Jet-Protector birgt für den Beschossenen im Gegensatz zum Taser kein Gesundheitsrisiko. Die Flüssigkeit, die aus der Düse gejagt wird, setzt sich aus biologischen Inhaltsstoffen zusammen. Der wichtigste ist Oleoresin Capiscum: Ein Extrakt aus Chili, das auch für Pfeffersprays verwendet wird. Die Flüssigkeit reizt die Schleimhäute im Gesicht. Der Beschossene ist ausser Gefecht.

"Mit dem Jet-Protector übertreffen wir die Stoppwirkung des Tasers", erklärt Piexon-CEO Jürg Thomann. Beim Taser müssten oft mehrere Stromstösse abgegeben werden, damit die Waffe jemanden wirklich stoppe. Dies erkläre auch die Todesfälle in den USA. Eine kanadische Studie kommt zudem zum Schluss, dass manche Taser-Modelle höhere Stromstösse verabreichen als vom Hersteller deklariert.

Japaner setzen auf Pistole

Die Erkenntnisse aus der Studie sind willkommen: "In Kanada sind wir mit unserem Jet-Protector gut dabei", sagt Thomann. Auch die japanische Bundespolizei hat kürzlich die Oberaargauer Pfefferpistolen geordert. Und in Bayern soll der Jet-Protector bald in Gefängnissen eingesetzt werden. Sogar die "Bild"-Zeitung berichtete über die Pistolen: "Geheimwaffe setzt Verbrecher mit Chili ausser Gefecht", titelte das Blatt.

Das Prinzip des Jet-Protectors basiert auf Hightech, wie CEO Thomann erklärt, ist aber simpel (siehe Kasten oben). Auch die Handhabe der Waffe ist gemäss Thomann einfacher als diejenige eines Tasers. Bei der Elektroschockwaffe müsse man erst eine Lagebeurteilung vornehmen, bevor man sie einsetzen könne. Deshalb würden in der Schweiz nur Spezialkräfte damit ausgerüstet. Die Pfefferpistole anzuwenden sei viel einfacher und damit sicherer.

Trotzdem harzt der inländische Verkauf - bis heute hat noch kein grosses Polizeikorps die Pistole bestellt. Neuen Produkten gegenüber sei man in der Schweiz skeptisch eingestellt, vermutet Thomann. "Man orientiert sich an den USA. Dort ist der Taser das wichtigste Einsatzmittel der Polizei." Deswegen kommt sich der CEO oft vor wie "der Prophet im eigenen Land".

Zwei Architekten

Das Bild passt auch zur Firmengeschichte. Der heute 42-jährige Jürg Thomann studierte an der ETH in Zürich Architektur. Mit seinem Mitstudenten Raphael Fleischhauer (40) betrieb er nach dem Diplom eine Firma im Bereich Bausysteme. Bald einmal hatten die beiden genug und verkauften die Firma. Sie analysierten den Markt - und kamen zum Schluss: "Die persönliche Sicherheit wird einer der Megatrends der Zukunft", wie Thomann heute erzählt. 2000 wurde aus der Idee der Architekten Realität: Sie gründeten in Aarwangen die Piexon AG. Den Ausschlag für den Standort haben der nahe Autobahnanschluss und ein Beitrag der kantonalen Wirtschaftsförderung gegeben.

Momentan ist Thomann "voll auf die Vermarktung des Jet-Protectors fokussiert". In zwei bis drei Jahren will er, der sich weder als Waffennarr noch als Militärkopf bezeichnet, ein neues Produkt auf den Markt bringen, im Bereich des Objektschutzes. Das Prinzip soll das gleiche wie bei der Pfefferpistole sein: Nur in einer grösseren Dimension - eine Art Pfefferkanone.

Gegen tödliche Waffen

Doch etwas wird Thomann nie herstellen: tödliche Waffen. Im Gegenteil, er verfolgt mit seiner Firma ganz andere Ziele: "Wir wollen die tödlichen Waffen im Polizeieinsatz überflüssig machen."
Dominik Balmer

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Chili-Extrakt

Angriff auf Schleimhaut

Betätigt man den Auslöser eines JPX-Jet-Protectors, setzt ein Zündstift eine kleine Explosion in Gang. Dadurch wird ein Kolben in Richtung Düse getrieben. Vor dem Kolben befindet sich der Reizstoff. Wegen des Drucks platzt dieser auf - und das Chili-Extrakt hat freie Bahn. Der Strahl erreicht eine Geschwindigkeit von 450 Kilometern pro Stunde. Wer im Gesicht getroffen wird, sackt meist zusammen. Der Wirkstoff reizt die Schleimhäute, hinterlässt aber keine bleibenden Schäden.

Bisher hat die Aarwanger Piexon AG rund 10000 Pfefferpistolen verkauft. Die Firma beschäftigt zehn Mitarbeiter. In der Schweiz braucht man für den Kauf eines 400 Franken teuren Jet-Protectors einen Waffenschein.
Baz

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Homepage Piexon (Powerful Non Lethal Self Defense Tools)
http://www.jetprotector.com
http://piexon.de

Piexon - Verteidigungsgeräte (Pfefferspray - Abwehrspray - Verteidigungsspray)
Die Jet Protector®-Produktfamilie von Piexon funktioniert nach einem einzigartigen Prinzip. Eine flüssige Lösung mit hochkonzentriertem Pfeffer-Reizstoff wird von einer pyrotechnischen Ladungen angetrieben, die wesentlich höhere Strahlgeschwindigkeit erreicht als ein Sprühdose.

Auch bleibt der Reizstoffstrahl wesentlich gebündelter und erzielt so eine größere Reichweite und wesentlich geringere Windanfälligkeit. Auch in geschlossenen Räumen können die Geräte gefahrlos eingesetzt werden.

Werbefilm BRD
http://piexon.de/pfefferspray-abwehrspray-verteidigungsspray.shtml

Kurzfilm "Live Situation"
http://www.jetprotector.com/_down/demo_live_demo.zip

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SCHNÜFFELSTAAT
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BaZ 19.12.08

Bund zahlt wohl weniger an Basler Staatsschutz

Basel. Nach der Budgetkürzung für die Fachgruppe 9 (FG 9) der Staatsanwaltschaft durch den Grossen Rat herrscht in der Verwaltung Ratlosigkeit. Die FG 9 sammelt für Bern Fichendaten. Sollten die reduzierten Mittel zu einem Personalabbau führen, würde auch Bern weniger an die FG 9 zahlen. Wie das Spardiktat umgesetzt wird, ist den Behörden aber noch völlig unklar. > Seite 21

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Staatsschutz: Ratlosigkeit nach Kürzung

Die Basler Behörden wollen mit Bern verhandeln
Patrick Marcolli, Ralph Schindel

Die Budgetkürzung für die Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft könnte auch den Bund zur Kürzung der Mittel zwingen.


Am Mittwoch hat der Basler Grosse Rat das Budget der Fachgruppe 9 (FG 9) um 285 000 Franken gekürzt. Die FG 9 sammelt für den Dienst für Analyse und Prävention in Bern Fichendaten, unter anderem auch über Grossrätin Tanja Soland (SP), die mit ihrem Antrag zur Budgetkürzung im Rat eine knappe Mehrheit hinter sich scharen konnte. Wie nun beim Bund mit der Budgetkürzung umgegangen werden soll, ist noch nicht klar. Je nach Umsetzung der Reduktion in Basel würden aber auch weniger Mittel aus Bern an die FG 9 fliessen.

"Der Bund entschädigt die Kantone für ihre Mitwirkung mit einem Pauschalbetrag, der sich nach der Anzahl Personen bemisst, die überwiegend mit den Bundesaufgaben befasst sind", schreibt Danièle Bersier, Leiterin Mediendienst des Bundesamts für Polizei auf Anfrage der BaZ. "Sollte die Budgetkürzung im Kanton Basel-Stadt zu einem Personalabbau führen, würde dies eine entsprechende Kürzung der Bundesleistungen nach sich ziehen."

Vage. Genau das hat auch Soland erwartet - so weit ist es aber noch nicht. Markus Melzl, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft, will den Entscheid des Grossen Rats nicht kommentieren: "Wie dieser Sparbeschluss umgesetzt wird und welche konkreten Auswirkungen er hat, können wir noch nicht sagen". Der Ball liege beim Regierungsrat, fügt er an. Klaus Mannhart wiederum, Sprecher des Sicherheitsdepartements, bleibt vage: Man müsse jetzt mit dem Bund reden, dem der Staatsschutz obliegt. Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass werde sich aber gleich Anfang des kommenden Jahres mit der Staatsanwaltschaft zusammensetzen, die ab diesem Zeitpunkt Teil des neuen Justiz- und Sicherheitsdepartements sein wird.

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HOMOPHOBIE & FUSSBALL
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NZZ 19.12.08

Ein Fussballer versteckt seine Homosexualität

Gertsch C. (cag)

 cag. Marcus Urban ist homosexuell. Und Marcus Urban war Fussballer, deswegen hat sein Coming-out so viel Aufsehen mit sich gebracht. Homosexualität gilt als eines der letzten Tabus im Profifussball. Das Buch "Versteckspieler" des deutschen Journalisten Ronny Blaschke schildert die Geschichte Urbans: Wie er in zerrütteten Familienverhältnissen aufwächst, wie er seine Homosexualität in der Kinder- und Jugendsportschule in Erfurt versteckt, wie ihn das hemmt, blockiert, verändert, wie er sich durch die Jugendauswahl-Teams der früheren DDR kämpft, wie er Anfang der 1990er Jahre bei Rotweiss Erfurt vor dem Sprung in die 2. Bundesliga steht - aber es nicht schafft, weil ihn die Heimlichtuerei viel Kraft kostet. Der Berliner "TAZ" sagte er nach der Buchveröffentlichung: "Schwul - das Wort existierte für mich lange nur als Schimpfwort. Ich dachte: <Als Fussballer ist man nicht schwul, fertig>."

 Das sind klare Worte. Die Qualität des Buches liegt trotzdem weniger in der Aufarbeitung von Urbans Vergangenheit, zumal hier nur der Hauptdarsteller zu Wort kommt und die Schilderung mit der Zeit langfädig wird. Aufschlussreicher sind die als "Exkurse" bezeichneten Randgeschichten, in denen aufgezeigt wird, wie dringend Homosexualität im Fussball ein Thema sein sollte - und wie stiefmütterlich der Aspekt nach wie vor behandelt wird. Ronny Blaschke zeigt, warum sich Fans in weniger tabuisierte Diskriminierungen wie die Homophobie flüchten - weil der offene Rassismus aus den Profiligen verdrängt worden ist. Er lässt Vertreter von schwul-lesbischen Fanklubs zu Wort kommen und schildert ihren Kampf um Akzeptanz in den Stadien, der von vielen Widerständen gebremst wird. Ein dritter Exkurs ist schwul-lesbischen Sportvereinen gewidmet, ein vierter (von sechs) dem Kampf gegen Sexismus und Homophobie im Frauenfussball.

 Noch immer hat im deutschsprachigen Raum kein Profifussballer das Comingout während seiner Karriere gewagt; auch Urban nicht. Blaschke schreibt: "Ist es sinnvoll, davon zu sprechen, dass der erste öffentlich schwule Profi durch die Hölle gehen wird? (. . .) Urban zum Beispiel wurde in seinem Leben nie von anderen beschimpft oder ausgestossen. Seine Zwänge, Ängste und Sorgen wurden zu Regeln, die er sich selbst auferlegt hatte. (. . .) Nach diesem Prinzip gestalten vermutlich Dutzende von Kickern in den Profiligen ihren Alltag." Das ist eine wichtige Bemerkung.

 Ronny Blaschke: Versteckspieler. Die Geschichte des schwulen Fussballers Marcus Urban.  Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2008. Fr. 18.90.

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NZZ 19.12.08

Variables Spiel rund um die Gender-Frage

Reich R. (rr)

 r. r. Dass es in der Koedukation des Sportpublikums noch einiges zu tun gibt, hat sich eben rund um den Rücktritt der einzigen Schweizer Spitzenschiedsrichterin gezeigt. Der "Blick" dokumentierte mit Leserbriefen genüsslich das grosse Aufatmen männlicher "Sportfreunde". Grundtenor: Endlich ist die Störefriedin weg! Nur eine Leserin wagte den Hinweis, dass übrigens die meisten Frauenspiele von Männern gepfiffen würden.

 Wer sich dem Themenfeld etwas differenzierter widmen möchte, kann sich unter Anleitung von Jürgmeier und Helen Hürlimann variantenreich in den Gender-Blick einüben. Ihr Buch bewegt sich, wie schon der Titel "<Tatort>, Fussball und andere Gendereien" sagt, konsequent im Sektor Populärkultur, wo komplexe gesellschaftliche Mechanismen oft am besten sichtbar werden. Nach einer nützlichen Einführung, die den Stand der Genderdiskussion im Spannungsfeld zwischen so unterschiedlichen Exponentinnen wie Judith Butler und Eva Herman, Pierre Bourdieu und Hilary Clinton zusammenfasst, nähern sich die einzelnen Kapitel aus wechselnden Ecken der Kernfrage: Gibt es wirklich zwei Sorten Menschen? Worin genau bestehen noch die Unterschiede zwischen Mann und Frau, wenn man primäre Geschlechtsmerkmale, geschlechtsspezifische Sozialisierung usw. abzieht?

 Wie Tabu-vermint dieses Terrain ist, belegt die Tatsache, dass einerseits Spitzenfussballer vor einem TV-Millionenpublikum ohne weiteres eine latente Homosexualität ausleben können (Stichwort Jubelszenen), während andererseits schwule Sportler ausgegrenzt, Fussballerinnen generell als Lesben verdächtigt werden. Hier spielen vermutlich ähnliche Ängste wie in der Kampfzone Familie - bekanntlich ist jeder Hausmann irgendwo mental kastriert. Den meisten solchen Phänomenen liegt in der einen oder andern Form das Thema Gewalt zugrunde, und diesem widmen sich Jürgmeier und Helen Hürlimann umfassend und in formalen Varianten, vom Essay bis zum Interview. Eine ihrer Thesen etwa zielt dahin, dass die scheinbar unumstössliche Erkenntnis, Männer seien stärker als Frauen, im Sport weniger durch Physis als durch Regeln zementiert werde. Und in der Tat: Was wäre, wenn im Fussball statt nur die geschossenen Tore wie im Eiskunstlauf auch ästhetische Komponenten zählten? Alles würde anders, von der Atmosphäre im Stadion bis zum Schlussresultat. Folgerichtig beleuchtet das Buch im Schlussteil jene Zonen, wo sich derlei "revolutionäre" gesellschaftliche Veränderungen initiieren und umsetzen lassen: Politik und Bildung.

Jürgmeier und Helen Hürlimann: "Tatort", Fussball und andere Gendereien. Materialien zur Einübung des Gender-Blicks.  Verlag Pestalozzianum, Zürich 2008. Fr. 48.90.

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ANTI-ATOM
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Work 19.12.08

Wenige Arbeitsplätze, wenig Wertschöpfung, Abhängigkeit vom Ausland

Darum führen AKW in die Sackgasse

Matthias Preisser

Neue AKW sind die falsche Zukunft. work sagt, wieso.

Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die drei grossen Schweizer Stromkonzerne und AKW-Betreiber Atel, Axpo und BKW wollen drei neue Atomkraftwerke mit je 1600 MW Leistung bauen. Und zwar an den bisherigen Standorten Gösgen SO, Beznau AG und Mühleberg BE. Axpo und BKW haben Anfang Dezember ihre Gesuche für eine Rahmenbewilligung eingereicht. Die Atel hatte ihr Gesuch schon im Juni deponiert. Die Stromkonzerne behaupten, dass es zwei AKW brauche, um die Stromlücke zu schliessen, die 2020 bis 2035 entstehe. Dann nämlich, wenn die alten AKW Beznau I und II sowie Mühleberg abgestellt werden und die Importverträge für französischen Atomstrom stufenweise auslaufen.

Linke, Grüne und Gewerkschaften sind überzeugt: Um die Stromversorgung in Zukunft zu sichern, braucht es keine neuen AKW. Auch eine Stromlücke wird nicht entstehen. Für Corrado Pardini, in der Unia-Geschäftsleitung für die Industrie zuständig, ist "Atomenergie eine Energieproduktion, die nicht zukunftsweisend ist".

Wenig Personal. "Abgesehen von den unlösbaren Sicherheits- und Entsorgungsproblemen führen Atomkraftwerke auch wirtschaftlich in die Sackgasse", sagt Leo Scherrer, bei Greenpeace Schweiz für Atomkraft zuständig. Seine Argumente:

>AKW sind sehr wenig beschäftigungswirksam, weil sie unter den Grosskraftwerken mit Abstand am produktivsten sind, also am wenigsten Personal pro produzierte Energieeinheit benötigen.

>Die inländische Wertschöpfung beim Bau neuer AKW ist relativ gering. Von den laut den Betreibern 6-7, gemäss Kritikern rund 10 Milliarden Franken für ein neues AKW werden drei Viertel oder mehr an ausländische Konzerne fliessen.

>Auch der AKW-Brennstoff Uran muss zu 100 Prozent aus dem Ausland importiert werden.

>Ein neues AKW könnte frühestens 2025 ans Netz gehen. Würden die rund 20 Milliarden Franken statt in zwei neue AKW in Energieeffizienz und nachhaltige Energien, vor allem Wind und Sonne, investiert, würden sofort Arbeitsplätze geschaffen und Wertschöpfung erzielt.

"Es braucht jetzt den ökologischen Umbau, nicht nur der Energie-, sondern der gesamten Wirtschaft", fordert Pardini. Neue AKW würden sinnvolle Alternativen verhindern, ihr Betrieb sei mit grossen Risiken behaftet und die Endlagerung des radioaktiven Abfalls ungelöst. Den Angestellten der Atomenergie müssten "Alternativen für ihre berufliche Zukunft aufgezeigt werden".

Investitionen in Wind- und Sonnenenergie schaffen Arbeitsplätze.

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Oltener Tagblatt 19.12.08

"Kein solches Lager im Aargau"

Tiefenlager Information über Region Jura-Südfuss im Kultur- und Kongresshaus Aarau

Von einem Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle sind am Jura-Südfuss 24 Gemeinden tangiert. Zur Information für die zehn Aargauer Gemeinden kamen nur rund 100 Interessierte, die technische und politische Fragen stellten.

Hans Lüthi

Draussen tief winterliche Stimmung am achten und letzten Informationsabend des Bundesamtes für Energie (BFE), diesmal für die Aargauer in der Region Jura-Südfuss. Kein Reisewetter also, entsprechend mager das Interesse. Oder die Menschen haben eine Woche vor Weihnachten andere Gedanken. Jedenfalls konnte der Aargauer Landammann Peter C. Beyeler nur rund 100 Personen begrüssen, fast ein wenig enttäuscht, meinte er: "Wir haben mit 500 Personen gerechnet". Die Interessen des Aargaus vertrat er nicht weniger vehement, mit dem Fazit: "Kein solches Tiefenlager im Aargau". Was in der Diskussion zur Frage führte, ob sich die haupttangierten Kantone Aargau und Zürich nicht besser zusammen setzten, statt wie alle anderen aus vollen Rohren Widerstand zu markieren.

Sicherheit als Standortfaktor

Der Aargauer Baudirektor versuchte zu erklären, dass sich der kernenergiefreundlichste Kanton schon wehren müsse, wenn ihm alle den Schwarzen Peter unterjubeln wollten. Der falschen Meinung der übrigen Schweiz, der Aargau sei sich an solche Anlagen ja schon gewöhnt, müsse man klar entgegen treten und sie zur Mitverantworung aufrufen. Mit vielen nationalen Infrastrukturen wie Bahnlinien, Autobahnen, Kernkraftwerken, Zwilag leiste unser Kanton schon überdurchschnittlich viel im Landesin- teresse. Da könne es nur recht und billig sein, wenn sich andere geeignete Standortregionen ebenfalls ernsthaft beteiligen müssten. Am Schluss müsse die höchstmögliche Sicherheit den Ausschlag für den richtigen Standort geben - auch wenn dieser im Aargauer Untergrund wäre.

Schutz vor Erdbeben und Eiszeiten

In der lebhaften Diskussion unter der sachlichen Leitung von Ellionor von Kauffungen wechselten sich technische und politisch-ethische Fragen ab. Ein Dutzend Atomkraftwerk-Gegner der Gruppe NWA (Nie Wieder Atomkraftwerke) begrüsste das Publikum schon am Eingang mit Transparenten und Flugblättern. Zuerst Ausstieg, dann Endlager, Fragen zur Haftpflicht und der fehlenden Versicherung kamen mit Kritik vor die Referenten. Weil man radioaktiven Abfälle oberirdisch für bis zu einer Million Jahre nicht gegen Erdbeben, Terror, Eiszeiten sicher lagern könne, wolle man sie im Opalinuston einpacken. In den letzten 150 Millionen Jahren habe dieses Gestein alles schadlos überstanden.

Der Mensch plündert die Natur

Nüchterne Fragen fernab der KKW-Debatte betrafen das Aussehen eines solches Lagers samt Zugängen, Grundwasser, Risiken, Rückholbarkeit. Zur Kritik an der kurzen Nutzung und fast endlosen Lagerdauer kam die Entgegnung, der Mensch lebe in vielen Bereichen unverantwortbar auf Kosten der Natur - auch bei der Verbrennung des Erdöls, samt den CO 2-Folgen. Ruhig und in der Sache überzeugend informierten die Fachleute der Langzeitlagerung von radioaktiven Abfällen: Werner Bühlmann, stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Energie, über das Verfahren. Nagra-Direktor Thomas Ernst erklärte, die Sicherheit habe höchste Priorität, die Geologie müsse einzig und allein den Ausschlag für den richtigen Standort geben. Als unabhängige Instanz sieht sich die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) laut Direktor Ulrich Schmocker in der Rolle des Überwachers.

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RAF
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20min.ch 19.12.08

Früher als erwartet

Ex-Terrorist Klar dank Ferienguthaben frei

Der frühere deutsche RAF-Terrorist Christian Klar ist wieder auf freiem Fuss. Nach 26 Jahren im Gefängnis hat der 56-Jährige am Freitag die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlassen.

Das teilte sein Anwalt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa mit. "Er wird nun selber bestimmen können, was er macht und wo er es machen will", sagte der Hamburger Jurist. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte Ende November entschieden, dass Klar nach Ablauf seiner Mindesthaftzeit zum 3. Januar 2009 auf Bewährung entlassen werden muss. Die Richter sahen keine Rückfallgefahr mehr.

Nach Medienberichten hat Klar in der Haft gearbeitet und konnte deshalb durch seinen angesparten Urlaub früher freigelassen werden.

Der einstige Terrorist war länger als jedes andere RAF-Mitglied im Gefängnis. 1985 war er wegen neunfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden, 1992 kam eine weitere Verurteilung hinzu.

In der Öffentlichkeit hat die Entlassungsentscheidung zu heftigen Kontroversen geführt, weil er keine Reue zeigt und sein Wissen über Details von Anschlägen nicht preisgibt.

Sein Gnadengesuch hatte der deutsche Bundespräsident Horst Köhler vergangenes Jahr abgelehnt. Nach seiner Freilassung ist Birgit Hogefeld als einzige Ex-Terroristin der RAF noch hinter Gittern.

 Quelle: SDA/ATS

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bernerzeitung.ch 19.12.08

Ex-RAF-Terrorist Klar in Freiheit

Früher als vom Gericht angeordnet wurde der frühere deutsche RAF-Terrorist Christian Klar auf freien Fuss gesetzt. Nach 26 Jahren im Gefängnis hat der 56-Jährige die Haftanstalt verlassen.

"Er wird nun selber bestimmen können, was er macht und wo er es machen will", sagte sein Anwalt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte Ende November entschieden, dass Klar nach Ablauf seiner Mindesthaftzeit zum 3. Januar 2009 auf Bewährung entlassen werden muss. Die Richter sahen keine Rückfallgefahr mehr. Nach Medienberichten hat Klar in der Haft gearbeitet und konnte deshalb durch seinen angesparten Urlaub früher freigelassen werden.

Der einstige Terrorist war länger als jedes andere RAF-Mitglied im Gefängnis. 1985 war er wegen neunfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden, 1992 kam eine weitere Verurteilung hinzu. In der Öffentlichkeit hat die Entlassungsentscheidung zu heftigen Kontroversen geführt, weil er keine Reue zeigt und sein Wissen über Details von Anschlägen nicht preisgibt. Sein Gnadengesuch hatte der deutsche Bundespräsident Horst Köhler vergangenes Jahr abgelehnt. Nach seiner Freilassung ist Birgit Hogefeld als einzige Ex-Terroristin der RAF noch hinter Gittern. (cpm/sda)

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GRIECHENLAND
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Basler Zeitung 19.12.08

Athener Ärzte und Lehrer streiken

athen. Griechenland kommt nicht zur Ruhe: In der Hauptstadt streiken Ärzte und Lehrer aus Protest gegen die Bildungs- und Sozialpolitik der Regierung. Der öffentliche Nahverkehr stand gestern still, Flugzeuge blieben am Boden. Touristen fehlen, Hotels sind leer. Nach einer zuerst friedlichen Kundgebung mehrerer Tausend Studenten und Schüler bewarfen Jugendliche vor dem Parlament und der Universität Polizisten mit Steinen, Brandsätzen und Farbbeuteln.  DPA/SDA

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NZZ 19.12.08

Das griechische Malaise

Sucht man nach Erklärungen für die Welle der gewalttätigen Proteste, die Griechenland seit Wochen heimsuchen, handelt es sich um den Ausdruck der Frustration einer Schüler- und Studentengeneration, die sich als Opfer des Bildungssystems fühlt. Dennoch wurzelt die Bereitschaft zur Gewalt gegen den Staat tiefer, gilt der Widerstand gegen die Diktatur doch als ein Gründungsmythos der griechischen Republik. Entsprechend zeigt man Nachsicht gegenüber dem ritualisierten Widerstand einer gewaltbereiten anarchistischen Szene in den Metropolen, die nicht wirklich ein politisches Anliegen hat. Die verbreitete Kritik an der Pfründenwirtschaft bleibt so lange Gerede, als sich jeder selbst des Klientelsystems sehr wohl zu bedienen weiss.

 Feuilleton Seite 41

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Das griechische Malaise

Die Jugend zwischen Bildungsmisere, Nepotismus und nachträglichem Ungehorsam

 Die derzeitigen Proteste und Krawalle in Griechenland sind nicht nur eine Manifestation gegen die Misere im Bildungswesen, sondern stellen letztlich eine Form ritualisierter Unmutsbekundung dar, wie sie in der griechischen Gesellschaft an der Tagesordnung ist. Gewaltakte sind kein neues Phänomen, sie werden als eine Art nachholender "antifaschistischer" Widerstand gegen das einstige Militärregime meist nachsichtig behandelt.

 Sucht man nach Erklärungen für die Welle der Gewalt und Proteste, die seit dem Tod des 15-jährigen Schülers durch eine Polizeikugel Griechenland heimsucht, scheint es sich zum einen um den Ausdruck der Hilflosigkeit und Frustration einer Schüler- und Studentengeneration zu handeln, die sich in erster Linie als Opfer des Bildungssystems fühlt. An den Schulen ist stereotypes Auswendiglernen nach wie vor eher die Regel als die Ausnahme und beansprucht die Schüler weit über die eigentlichen Unterrichtsstunden hinaus. Die letzten beiden Schuljahre am Lyzeum werden für viele zum Albtraum, wenn sie die "Frontistiria" besuchen, wie die privaten Paukschulen genannt werden, an denen nachmittags und abends der in den Hochschulzugangsprüfungen abgefragte Stoff vermittelt wird. Für welches Studienfach und welche Universität man schliesslich zugelassen wird, hängt von der Punktzahl ab, die man erreicht. Das Fach, dem man auf diese Weise zugewiesen wird, hat häufig nichts mit dem ursprünglichen Studienwunsch zu tun.

 Diese Form des Hochschulzugangs ist seit langem schon Gegenstand der Kritik. Hochschullehrer bemängeln unter anderem, dass fast nur Faktenwissen abgefragt wird, nicht aber jene Fähigkeiten überprüft werden, die für ein wissenschaftliches Studium grundlegend sind, wie die Fähigkeit, Sachverhalte kritisch zu bewerten.

 Am Markt vorbei ausgebildet

 Griechenlands Hochschulpolitik ist bis heute weniger von Qualität als von Quantität geprägt. Mittlerweile absolvieren deutlich über 50 Prozent der betreffenden Jahrgänge ein Hochschulstudium. Zählte man 1960 erst 20 000 Studenten, beläuft sich die Zahl der an den Hoch- und Fachhochschulen Eingeschriebenen derzeit auf ungefähr eine halbe Million. Seit den sechziger Jahren wurden fünfzehn neue Universitäten gegründet, ohne dabei die Voraussetzungen für ihre weitere Entwicklung zu sichern. Zugleich wurden die alten Universitäten, die aus allen Nähten platzen, allein gelassen. So leidet die grösste Universität des Landes, die Aristoteles-Universität in Saloniki, an akutem Raummangel. Die Universitäten bilden oft am Arbeitsmarkt vorbei aus, was sich in einer hohen Akademikerarbeitslosigkeit niederschlägt. Zugleich klagen Arbeitgeber im privaten Sektor darüber, dass sie viele Stellen nicht oder nur mit Leuten, die nicht hinreichend qualifiziert sind, besetzen können.

 Doch das Malaise des Bildungswesens und die wirtschaftlich bedingten Zukunftsängste, die sich im Moment ohnehin verstärken, erklären nur zum Teil die Ereignisse. Vor allem darf nicht übersehen werden, dass Ausschreitungen dieser Art kein neues Phänomen sind. In den Grossstädten, insbesondere Athen und Saloniki, existiert eine gewaltbereite anarchistische Szene, die ihre Raison d'être in einer Art postumem, nachholendem Widerstand gegen die längst verblichene Militärdiktatur (1967-1974) sieht.

 Rechtsfreie Räume

 Da der Widerstand gegen die Diktatur auch eine Art von Gründungsmythos der griechischen Republik darstellt, lässt die Staatsmacht diese Gruppen, in deren Augen die griechische Demokratie ein faschistischer Staat ist, bis zu einem gewissen Grad gewähren. Im November, am Jahrestag des Studentenaufstands gegen die Junta 1973, zelebrieren die anarchistischen Gruppen in Strassenschlachten mit der Polizei ihre Art von ritualisiertem Gedenken. Sie stehen oft auch hinter den fast alljährlich sich ereignenden Universitätsbesetzungen, durch die für mehrere Wochen der Lehrbetrieb lahmgelegt wird. Nicht selten werden dabei auch Diensträume von Dozenten aufgebrochen und verwüstet.

 Der Staat duldet diese rechtsfreien Räume. Mit einem Gesetz, das den staatlichen Sicherheitskräften verbietet, Universitätsgelände ohne vorherige Erlaubnis der Universitätsorgane zu betreten, hat er ein Refugium für diese Gruppen geschaffen. Dieses Gesetz wurde mit der gewaltsamen Niederschlagung des Studentenaufstands durch das Militär begründet, wobei man sich unfähig oder unwillig zeigte, zwischen einer Gewaltherrschaft und einem demokratischen Rechtsstaat zu unterscheiden. Die Universitätsleitungen lassen ihre Dozenten sowie jene Studenten, die diese Aktionen ablehnen, meist im Stich.

 Dieser "antifaschistische Widerstand" spiegelt sich auch in der Haltung gegenüber der Polizei wider, ist aber nicht das einzige Motiv. Generell ist das Ansehen der Polizei nicht hoch. Während in den westeuropäischen Ländern gemäss Umfragen über 70 Prozent der Bürger die Polizei in die vertrauenswürdigsten öffentlichen Institutionen einordnen, tun dies in Griechenland nur 40 Prozent. Wie viele andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst rekrutieren sich die Polizeikräfte häufig nicht aufgrund transparenter Auswahlverfahren, sondern durch Patronage.

 Die Polizei zeichnet sich dementsprechend durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus, was cum grano salis für den gesamten öffentlichen Dienst des Landes gilt, bei der Polizei aber besonders ins Gewicht fällt. Die Aufklärungsrate ist niedrig. Jahrzehntelang war die Polizei ausserstande, der Terrorgruppe "17. November" das Handwerk zu legen. Als schliesslich nach der Ermordung des britischen Militärattachés in Athen die griechische Regierung die angebotene Hilfe von Scotland Yard und FBI akzeptierte, wurde die Organisation innert kurzer Zeit aufgespürt. Auch der tödliche Schuss vom 6. Dezember wäre wohl nicht gefallen, hätten sich die beiden Polizisten an die zuvor an sie ergangene Anweisung ihrer Einsatzleitung gehalten.

 Ob sich das Land nach den Unruhen tatsächlich verändert hat oder ob man nicht doch wieder wie so oft zur Tagesordnung übergeht, als sei nichts geschehen, bleibt abzuwarten. Anzunehmen ist eher Letzteres. Auch die verheerenden Waldbrände im letzten Jahr scheinen bereits wieder vergessen, vor allem hat man keine Konsequenzen daraus gezogen. Dass sich in Griechenland wenig ändert, dafür tragen nicht allein die Regierung und die politische Klasse die Verantwortung. Auch die Gesellschaft steht in ihrer Mehrheit Veränderungen und Reformen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Jeder versucht, seine Interessen und Pfründen partikularer oder individueller Natur zu wahren. Auch die Kritik am Patronage-System ist oft nur rhetorisch - viele derjenigen, die darüber klagen, ziehen es im Bedarfsfall meist vor, auf ihre Beziehungen zurückzugreifen. Dies zeigt sich auch darin, dass Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst bei vielen begehrt sind, nicht etwa in der Privatwirtschaft, obwohl dort Beziehungen eine geringere Rolle spielen. Auf der einen Seite misstraut man dem Staat und hintergeht ihn bei jeder Gelegenheit. Auf der anderen Seite erwartet man jedoch stets dessen Unterstützung bei eigenen Belangen.

 Reformresistent

 Eine konkrete politische Botschaft hat der derzeitige Protest in Griechenland bisher nicht artikuliert. Wer zu "Widerstand" und "Kampf" aufruft, sollte wenigstens deutlich machen, wogegen und wofür. So scheinen sich die Schüler- und Studentenproteste in den Reigen der ohne Rücksicht auf andere Teile der Gesellschaft durchgeführten Unmutsbekundungen zahlreicher Berufsgruppen einzureihen, die im Grunde rituellen Charakter besitzen, mitunter aber auch jene seltenen und zaghaften Reformversuche von Seiten der jeweiligen Regierung blockieren. Dazu zählen die alljährlichen Schul- und Universitätsbesetzungen, die manchmal wochenlangen Lehrerstreiks, die mehrfach im Jahr durchgeführten Generalstreiks oder die Blockade öffentlicher Strassen durch die Bauern, wie sie sich auch in diesen Tagen den Protesten der Jugendlichen hinzugesellten. In der griechischen Gesellschaft werden vorwiegend Monologe gehalten; zu einem Dialog gelangt man selten, weil man dem anderen kaum zuhört.
 Ekkehard Kraft

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bernerzeitung.ch 18.12.08

Krawalle in Athen flammen wieder auf - Passanten flüchten panikartig

Brandsätze, Steine, Tränengas: Polizei und Jugendliche lieferten sich heute in Griechenland erneut heftigste Strassenkämpfe. Passanten und Besucher von Cafés flohen in Panik. Wieder wurde ein Jugendlicher angeschossen.

In Athen versammelten sich am Donnerstag mehr als 7000 Demonstranten, einige warfen Steine und Brandsätze. Die Polizei setzte Tränengas ein. In Thessaloniki liessen sich rund 300 Menschen auch von heftigem Regen nicht von einer Demonstration abhalten. Der Gewerkschaftsverband ADEDY rief zum Streik auf. Fluglotsen legten für drei Stunden die Arbeit nieder, staatliche Krankenhäuser konnten nur mit Notbesetzung arbeiten.

Besucher flohen aus Cafés

In der Athener Innenstadt hatten etliche Ladeninhaber aus Angst vor neuen Ausschreitungen ihre Geschäfte verschlossen, die Demonstration verlief aber zunächst friedlich. In der Nähe des Parlamentsgebäudes lösten sich einige Demonstranten aus der Kundgebung und griffen die Sicherheitskräfte an. Passanten und Besucher von Cafés flohen in Panik. Einige Demonstranten versuchten, den erst vor wenigen Tagen ersetzten Weihnachtsbaum in Brand zu setzen, der bei den Unruhen zerstört worden war.

"Die Regierung hat keine Lösung"

Auslöser der teils gewaltsamen Aktionen war der Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos bei einem Polizeieinsatz am 6. Dezember. Angefacht wurden die Proteste ausserdem durch die Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis. "Die Regierung hat keine Lösung für dieses Problem", sagte Petros Constantinou, einer der Organisatoren der Proteste und Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei. "Wir werden weiter demonstrieren, bis unsere Forderungen gehört werden."

Weiterer Jugendliche durch Schüsse verletzt

Die Regierung rief zur Ruhe auf, nachdem am Mittwochabend ein weiterer Jugendlicher durch Schüsse verletzt wurde. Der Teenager wurde in der Nähe seiner Schule von einer Kugel in die Hand getroffen, sonst war über den Zwischenfall zunächst nichts bekannt. Der Junge sei glücklicherweise nur leicht verletzt worden, erklärte Innenminister Prokopis Pavlopoulos und kündigte Ermittlungen an.

Im benachbarten Mazedonien wurde zu Solidaritätskundgebungen mit den griechischen Demonstranten aufgerufen. An den Aktionen sollten sich alle beteiligen, "die noch immer an die Macht des einfachen Bürgers glauben", hiess es in von den Organisatoren verteilten Flugblättern. (bru/ap)

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Jungle World 18.12.08

Pyros mit alles
Aufstand in Griechenland

Advent, Advent, die City brennt. Nicht nur der städtische Weihnachtsbaum ging vorige Woche in Athen in Flammen auf. In ganz Griechenland brannten Geschäfte, Banken, schepperten Schaufensterscheiben. Nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 15jährigen Jungen entlud sich die Wut der Bevölkerung auf den korrupten Staat. Die Gewalt ging von Jugendlichen aus, doch die politische Unzufriedenheit teilen die meisten Griechen. Der Aufstand ändert Form und Inhalt, zu Ende ist er noch lange nicht. Reportage, Analysen, Kommentare und ein Interview im Thema

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Die Stille nach dem Schuss

Die Polizei zeigte sich zunächst zu verunsichert, um auf die Riots zu reagieren. Zu groß war die gesellschaftliche Ablehnung nach dem Todesschuss. Inzwischen aber greift die Repression.

Kommentar von Harry Ladis: Das Verhalten der griechischen Polizei
http://jungle-world.com/artikel/2008/51/32307.html

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Mai im Dezember

Die Wut der griechischen "Generation 600" ist für Jugendliche in aller Welt nachvollziehbar, die antiautoritären Impulse erinnern an Mai '68. Schon befürchten europäische Regierungen eine Internationalisierung der Proteste.

Kommentar von Carlos Kunze: Über den griechischen Mai im Dezember
http://jungle-world.com/artikel/2008/51/32309.html

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Feuer und Flamme

Das Klirren von Schaufensterscheiben, das Knallen von abgeschossenen Tränengaspatronen, Brandgeruch in den Straßen - eine Woche Straßenkampf in Thessaloniki.

Eine Reportage aus Thessaloniki
http://jungle-world.com/artikel/2008/51/32306.html

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Unbescheiden und ehrfurchtslos

Wie der Tod eines Jugendlichen zu einer generalisierten Erhebung geführt hat.

Ralf Dreis: Die Krawalle und ihre lange Vorgeschichte
http://jungle-world.com/artikel/2008/51/32305.html