MEDIENSPIEGEL 24.12.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipp (DS, Tojo)
- Hausgeister Thun: Erfolg trotz Auszug
- Burgergemeinde bespitzelt
- Videoüberwachung Biel
- Sans-Papiers ZH: Besetzung geht weiter
- Winterthur: Communiqué
- Bahnpolizei vs Bahnhofgangs
- Neonazis CH: vom Rechten zum Linken
- Neonazis BRD: Fall Passau - auch "Gothics" verdächtig
- Homophobie: Papst am Abdrehen
- Griechenland: Demos und Schüsse auf Polizei

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REITSCHULE
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Dez 08: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Mo 22.12.08 
20.30 Uhr - Tojo - Missing Pieces von Nachtregentrommler. Regie: Christian Valerius.

Mi 24.12.08
22.00 Uhr - SousLePont - Beizenbetrieb

Do 25.12.08
22.00 Uhr - SousLePont - Beizenbetrieb
23.00 Uhr - Tojo - Völlig losgelöst Tojo-Disko

Fr 26.12.08
23.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: Max Pashm (Elektrikos/Organikos Rec/UK), Support: DJ Sunny Icecream

Sa 27.12.08    
23.00 Uhr - Dachstock - Famous when Dead Tour: Roman Flügel (Alter Ego/Playhouse/D), Heiko M/S/O (Playhouse/Ongaku/D), Support: J. Sanders aka Smat

Mi 31.12.08
21.00-05.00 - Kino/Frauenraum - UNCUT FILM (21.00 Breakfast on Pluto; 01.30 Itty Bitty Titty Committee) & 23.00 Frauenraum-PARTY NACHT mit Anouk Amok
23.00 Uhr - SousLePont - A Bad-Taste-Silvester Party mit DJ-Set von Copy&Paste

Infos: www.reitschule.ch


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kulturagenda.be 25.12.08

Völlig losgelöst im Tojo

Fern vom Aufwärmen von familiären Weihnachstraditionen am Christbaum wärmt das Tojo die 80er-Jahre auf und kocht schwerelos durch das 80er-Universum. Längst totgeglaubte Songs und solche, die es nie sein werden, treffen auf die Visuals der Finn-Damaged-Factory-Videokünstler.
Tojo in der Reitschule, Bern. Do., 25.12.08, 22 Uhr


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Bund 24.12.08

Sounds/Dancefloor: Balkan-Beats mit Palkomuski und Max Pashm

Scharf gezielte Polka-Attacken

Das Festtagsmenü fürs Berner Ausgehpublikum ist dieses Jahr rassig: ein pikantes Balkan-Allerlei von Palkomuski, eine etwas dezentere Osteuropa-Mélange von Max Pashm.
Regula Fuchs

Balkan-Beats, das ist eine Musik des Hochdosierten: Alles ist ein wenig rassiger, schärfer, hochprozentiger, verrückter, schweisstreibender. Genau diesem Schema entspricht das Schaffen des Schweizer Quintetts Palkomuski, das von Zigeunerpunk bis Blaskapellenirrsinn alles zusammenrührt, was den Stallgeruch osteuropäischer Musik trägt. Hinter den Keyboards singt - oder besser: röhrt - die Kühlerfigur Baptiste Beleffi mit rotem Wuschelkopf und nacktem Oberkörper. Sein primäres Ziel: die Menge zum Schwofen zu bringen. Was auch meistens gelingen dürfte, mit den wild hüpfenden Offbeats, den überschwänglichen Akkordeonläufen und scharf gezielten Polka-Attacken. Über den künstlerischen Wert eines solchen Balkan-Allerleis kann spekuliert werden, die Partytauglichkeit jedoch ist unbestritten. Ums Dezente geht es Palkomuski wahrlich nicht: Unterfüttert wird das Ganze auch schon mal mit Billig-Trance aus dem Heimcomputer.

Griechisch-unorthodox

Eine Spur gemässigter agiert der Brite Max Pashm, der schon Ende der Neunzigerjahre Balkan-Melodien über elektronische Beats schichtete. Mit seiner Max Pashm Band eifert er den Shantels und Gogol Bordellos dieser Welt nach und schart zu diesem Zweck gestandene Musikerinnen und Musiker um sich, die seinem griechisch-unorthodoxen Klezmer-Punk-Gypsy-Gemisch eine solide musikalische Basis verleihen. Da hat auch mal eine zarte Lyra oder eine sanfte Bouzouki ihren Platz. Max Pashm lässt für den Auftritt in Bern seine Band allerdings zu Hause und tritt als DJ auf - in seinem CD-Koffer mit dabei: World- und Balkan-Beats.

Dampfzentrale
Palkomuski live: Donnerstag, 25. Dezember, 22 Uhr.

Reitschule Dachstock
Max Pashm: Freitag, 26. Dezember, 23 Uhr.

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HAUSGEISTER THUN
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BZ 24.12.08

"Hausgeister" zogen gestern wieder ab

Die Gruppe "Aktion Hausgeist" hat das Gebäude am Hopfenweg geräumt. Für die Jugendlichen war die Aktion ein Erfolg, weil der Eigentümer das Einverständnis gab, dort vorübergehend ein Jugendzentrum einzurichten.

Die anonyme Gruppe "Aktion Hausgeist" hat die Liegenschaft am Hopfenweg 19 A in Thun gestern verlassen. "Ich schaute vorbei, sie waren nicht mehr dort", sagte der Eigentümer der Liegenschaft, Thomas Helmle, auf Anfrage. "Sie haben auch ihre Plakate entfernt und aufgeräumt." Die Jugendlichen hielten das leerstehende Haus seit der Nacht auf Sonntag besetzt. Sie möchten dort ein alternatives Jugendzentrums einrichten.

Am vergangenen Montag führte die Gruppe Gespräche mit Eigentümer Thomas Helmle und Vertretern der Stadt Thun: Gemeinderat Peter Siegenthaler und Sicherheitschef Erwin Rohrbach. Letztere stellten der Gruppe das Ultimatum, bis am Dienstag das Haus zu verlassen.

Thema im Gemeinderat

Die Besetzer sehen die Aktion als Erfolg. Eigentümer und Stadt hätten Bereitschaft signalisierten, das Gebäude zur Verfügung zu stellen. "Die Gespräche verliefen gut", sagte auch Erwin Rohrbach. Nun will der Gemeinderat darüber beraten, ob und wie ein solches Jugendzentrum umgesetzt werden könnte. Das Thema ist laut Rohrbach für die erste Gemeinderatssitzung im neuen Jahr traktandiert. Zuvor müssten die Jugendlichen ein Konzept erarbeiten. Rohrbach schätzt die Chancen für das Vorhaben als gut ein: "Die Ausgangslage ist günstig, weil der Eigentümer bereit ist, das Haus zur Verfügung zu stellen. Bislang war ein solches Zentrum immer daran gescheitert." Ein Jungendzentrum an diesem Standort wäre aber nur temporär möglich, da der Eigentümer im nächsten Sommer dort ein Mehrfamilienhaus bauen will.
chk

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BURGERGEMEINDE
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Beobachter 26/08

Burgergemeinde

Schnüffeleien einer Berner Zunft

Dominique Strebel

Tomas Wüthrich

Die Bernburger-Gesellschaften üben noch heute staatliche Gewalt aus. Eine Zunft bespitzelte gar als Vormundschaftsbehörde jahrelang eine Zunftangehörige und beriet sie in finanziellen Fragen falsch.

Es klingt wie Mittelalter, ist aber Gegenwart: Adele Stamm (Name geändert) wurde jahrelang von der Berner Zunft zur Schmieden überwacht. "Erst bei der Akteneinsicht vor einem Jahr realisierte ich, dass eine Nachbarin, eine Bekannte und Lehrer meines Sohnes über Jahre hinweg intimste Details aus unserem Familienleben rapportierten", erzählt sie.

Die Überwachung hatte handfeste Konsequenzen, denn die 49-Jährige ist als gebürtige Zunftangehörige deren Gewalt unterstellt, wenn es um Sozialhilfe und Vormundschaftsfragen geht (siehe nachfolgender Abschnitt "Bernburger: Ein Staat im Staat"). "Eigentlich sind diese Behörden dazu da, Bernburgern zu helfen", sagt Adele Stamm. "Stattdessen legten sie meinem Partner, meinem Kind und mir Steine in den Weg und versuchten wiederholt, uns das Kind wegzunehmen."

Ein ganzes Netz von Spitzeln

Das Ganze kam so: Adele Stamm war früh schon aufmüpfig und schwänzte die Schule. Sie lernte Goldschmiedin, lebte mit ihrem ausländischen Freund ohne Eheschein zusammen und wurde 1981 mit 22 Jahren Mutter. Das alles missfiel ihren Eltern.

Als Stamms Sohn Lucca (Name geändert) fünfjährig war, machte die Familie eine Krise durch. Stamms Partner versuchte sich das Leben zu nehmen. Unter dieser Last brach sie zusammen und begab sich zur Behandlung für wenige Tage in eine psychiatrische Klinik. Lucca war bei Freunden untergebracht. Da griff Stamms Vater ein, ein angesehener Professor: Er setzte bei der Zunft durch, dass seiner Tochter ohne Vorabklärung vorübergehend die Obhut über ihr Kind entzogen wurde.

Die gravierenden Fehlleistungen der Zunft begannen, als das Kind wieder bei den Eltern lebte und sie den Fall einem Laien anvertaute. Obwohl jetzt keinerlei vormundschaftliche Massnahmen mehr bestanden, erteilte der Zunftrat ihm den Auftrag, den Kontakt mit Nachbarn der Familie Stamm zu pflegen.

Jahrelang meldeten eine Nachbarin, eine Bekannte und verschiedene Lehrer der Zunft persönliche Details über das Leben der Familie - ohne dass die Betroffenen etwas davon wussten. Am 22. Mai 1989, 17.15 Uhr, berichtete etwa eine "Bekannte", dass sie "die hochtrabende Art sehr verstimmt habe", mit der Stamm sie empfangen habe. Sie meldete weiter, "sie habe eine Sauordnung vorgefunden", oder suggerierte, die Eltern seien drogensüchtig. Eine Lehrerin berichtete: "Letzten Samstag traf ich Lucca vor dem Kiosk an, wo er ein Znüni kaufen wollte. Das Geld dafür (Fr. 2.50) hatte er im Socken versteckt. Da die Familie Stamm im Moment finanziell sicher nicht sehr gut steht, drängt sich für mich die Frage auf, woher er das Geld hat." Adele Stamm: "Ich war entsetzt, als ich bei der Akteneinsicht merkte, dass mich diese Leute so hintergangen haben."

Die Behörde bereitete auch immer wieder die Wegnahme des Kindes vor. Ein Platz im burgerlichen Waisenhaus war reserviert, später fasste man sogar ein geschlossenes Schulheim ins Auge. Zudem informierte sich die Zunft noch in den neunziger Jahren bei den Arbeitgebern Stamms, ob sie ihre Arbeit gut mache. Grundloses Misstrauen: Stamm arbeitet seit 17 Jahren beim gleichen Arbeitgeber - der Stadt Bern. Sohn Lucca hat erfolgreich seine Lehre abgeschlossen und einen Job gefunden.

"Völlig unprofessionell"

"Das Vorgehen der Zunft war widerrechtlich", kritisiert Professor Christoph Häfeli, Experte im Sozialhilfe- und Vormundschaftsrecht. "Wenn eine Beistandschaft aufgehoben wird, besteht auch kein Anlass, Eltern und Kind zu überwachen." Falls neue Hinweise darauf hindeuten würden, dass die Behörde einzugreifen habe, müsste sie den Betroffenen mitteilen, dass man nun weitere Abklärungen vornehme. "Es geht doch nicht an, dass eine Sozialbehörde quasi vorsorglich verdeckt ermittelt", empört sich Häfeli. "Und dafür Nachbarn einzusetzen ist völlig unprofessionell." Aber vielleicht nicht erstaunlich, wenn eine mittelalterliche Zunft in der heutigen Zeit für so sensible Fragen zuständig ist.

Die Zunft zur Schmieden zeigt sich heute teilweise einsichtig. So meint Andreas Lutstorf, Obmann der Zunft, es sei nicht einfach, zu beurteilen, ob mit den vor knapp 20 Jahren angewandten Methoden die damaligen Gesetze missachtet worden seien. "Auch wenn allfällige Ungereimtheiten keineswegs beschönigt werden sollen, darf deshalb nicht einfach ein früheres, damals unter Umständen übliches Verhalten ohne weiteres an heutigen Massstäben gemessen werden."

Adele Stamm wurde von der Bernburger Zunft aber nicht nur bespitzelt, sondern auch falsch beraten. So teilte ihr die Zunft wiederholt mit, sie habe keine Chance, für ihr Kind Alimente zu erhalten. Nur durch Zufall erfuhr Stamm von einer staatlichen Stelle, dass sie sehr wohl Anspruch auf monatlich 500 Franken habe. So seien ihr mehr als 50'000 Franken entgangen, meint Stamm.

Wiedergutmachung und Geldforderung

Zunftobmann Lutstorf entgegnet, man habe der Frau 1982 empfohlen, einen Unterhaltsvertrag abzuschliessen. Eine allfällige Wiedergutmachung sei aber nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn die Zunftgesellschaft tatsächlich einen Fehler begangen haben sollte. Deshalb habe man mit Stamm das Gespräch gesucht - bisher leider vergeblich.

Hingegen behauptete die Zunft vor rund einem Jahr, Stamm schulde ihr noch 54000 Franken. Dafür konnte die Behörde aber keinen detaillierten Kontoauszug über allfällige Darlehen oder bezogene Sozialhilfe vorweisen. "Dies erfordert einen unverhältnismässigen Aufwand, weil die Abrechnungen in der interessierenden Periode jeweils noch für ganze Familien und nicht für einzelne Personen gemacht wurden", erklärt der Obmann. Doch die Abrechnung war nicht nur zu wenig detailliert, sondern schlicht falsch. Adele Stamm konnte der Zunft beweisen - notabene mit einem älteren Brief der Zunft selbst -, dass sie kein Geld mehr schuldet.
Ein Auslaufmodell? Nicht fürs Parlament

Die Zunft zur Schmieden war zumindest im Fall Stamm offensichtlich überfordert. Stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch zeitgemäss ist, ihr die staatliche Gewalt in Sozialhilfe- und Vormundschaftsfragen zu belassen. Das neue Vormundschaftsrecht, das letzte Woche vom Parlament verabschiedet wurde, meint ja: Es gewährt den Bernburgern und Zünften auch in Zukunft das Privileg, eigene Erwachsenenschutzbehörden zu führen. "Die Experten wollten diesen alten Zopf abschneiden", sagt Experte Häfeli. "Aber die Bernburger haben beim Bundesrat erfolgreich lobbyiert." Immerhin wird unter dem neuen Recht für den Kindesschutz eine staatliche Behörde zuständig sein.

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Bernburger: Ein Staat im Staat

Die Berner Burgergemeinde und ihre 13 Zünfte sind im 19. Jahrhundert aus den ehemaligen Berner Patrizierfamilien entstanden. Die 17'000 Bernburger sind  mächtig und reich: 2007 wies alleine die Burgergemeinde ein Vermögen von total 1,64 Milliarden Franken aus. Den Bernburgern gehören Wälder wie der Bremgartenwald und Liegenschaften wie das Berner Casino. Sie führen das Naturhistorische Museum, das Burgerspital, das Burgerheim und die Burgerbibliothek. Die Berner Zünfte üben aber auch staatliche Gewalt aus. Sie sind zuständig für Sozialhilfe und Vormundschaftsmassnahmen gegenüber allen Bernburgern, die im Kanton Bern leben. Will man sich gegen Zunftbeschlüsse wehren, kann man nicht sofort an die normalen staatlichen Instanzen gelangen, sondern muss seine Beschwerde an die Oberwaisenkammer der Burgergemeinde richten. Für Datenschutzverletzungen der Zünfte ist nicht Stadt oder Kanton Bern, sondern eine Zunftkommission zuständig.

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BIG BROTHER VIDEO
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BZ 24.12.08

Biel

Stadt nimmt einen neuen Anlauf

Der Gemeinderat hat festgehalten, wie die Videoüberwachung politisch aufgegleist werden soll. Der Ball liegt nun beim Stadtrat.

"Jetzt sind wir wieder da, wo wir schon einmal waren", sagt Gross- und Stadtrat Peter Moser (FDP). Drei Jahre lang war das Thema Videoüberwachung blockiert, weil auf kantonaler Ebene zuerst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden musste. Kaum hatte der Grosse Rat diese vor drei Monaten verabschiedet, drückte Peter Moser erneut aufs Gaspedal und lancierte eine weitere Motion. Darin forderte er, das Thema Videoüberwachung rasch anzupacken und bis im Sommer 2009 ein Reglement auszuarbeiten.

Legislative fällt Entscheid

Der Gemeinderat ist bereit, den Forderungen von Moser zu folgen, wie der Antwort auf den Vorstoss zu entnehmen ist. Auch deshalb, weil es nicht mehr darum geht, im Sinne von Big Brother konstant öffentliche Plätze zu überwachen, sondern die Videos lediglich nachträglich als Beweissicherung einzusetzen, wenn etwas vorgefallen ist. So sieht es das revidierte Polizeigesetz vor. Laut Gemeinderat soll das Parlament den Grundsatzentscheid über die Videoüberwachung fällen - im Rahmen der Revision des kommunalen Polizeireglements.

Wann folgt die Umsetzung?

Wenn sich der Stadtrat für die Videoüberwachung aussprechen sollte, würde der Gemeinderat anschliessend die Details regeln und ein Konzept erarbeiten. Also insbesondere auch entscheiden, wie viele Kameras zum Einsatz kommen sollen und wo.

Die grösste Differenz zwischen dem Gemeinderat und der Forderung von Peter Moser besteht bei der zeitlichen Umsetzung. Hier drückt der Gemeinderat auf die Bremse und erachtet es als nicht realistisch, dass die Videoüberwachung schon im nächsten Sommer starten kann. "Das wird nicht möglich sein", bestätigt Stadtpräsident Hans Stöckli. Zumal das Polizeireglement erst im Verlaufe des nächsten Jahres in den Stadtrat kommt. Moser hätte es gern gesehen, mit der Überwachung zu beginnen, wenn das Polizeigesetz am 1.Juli in Kraft tritt.

Der Gemeinderat hält auch mit dem Argument dagegen, dass zuerst die kantonale Verordnung vorliegen müsse, bevor der Stadtrat entscheiden könne. Laut Peter Moser verhält sich der Gemeinderat bei dieser Frage etwas gar defensiv. Allerdings ist sich auch Moser bewusst, dass im Polizeireglement nebst der Videoüberwachung eine Reihe weiterer Sachverhalte geregelt werden muss und dies Zeit braucht. Laut Jean François Jöhr, dem stellvertretenden Generalsekretär der kantonalen Polizei- und Militärdirektion, bestünde grundsätzlich aber tatsächlich die Möglichkeit, die Ausarbeitung eines Überwachungskonzeptes schon jetzt an die Hand zu nehmen. "Dieses kann eine Gemeinde losgelöst von der Verordnung machen", sagt Jöhr. Die kantonale Verordnung befindet sich noch in der internen Vernehmlassung. Im April will sie der Regierungsrat verabschieden und gleichzeitig mit dem Gesetz auf den 1.Juli in Kraft setzen lassen.
me/bt

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Videoüberwachung

Auch in Lyss ein Thema

Die Gemeinde Lyss muss sich im neuen Jahr ebenfalls mit der Möglichkeit von einer Videoüberwachung auseinandersetzen. Die FDP-Fraktion des Grossen Gemeinderats hat an der letzten Sitzung im Dezember ein Postulat zum Thema eingereicht. Darin beauftragt sie den Gemeinderat, die Handhabung einer Videoüberwachung zu prüfen. Die Lysser FDP befürwortet den Einsatz einer Videoüberwachung: Ein angemessener Einsatz in Lyss sei ein effizientes Mittel, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, hält sie in der Begründung fest. Auch die SVP begrüsst diese Form von Überwachung: "Wenn damit der Kriminalität vorgebeugt werden kann, ist diese Massnahme durchaus sinnvoll und angebracht", sagt deren Präsident Beat Jakob. SP-Co-Präsidentin Katrin Meister gibt sich eher skeptisch: "Es bedarf vieler Abklärungen, bevor man diese Massnahme ergreifen könnte." Für VGP-Fraktionspräsidentin Erika Briner macht der Einsatz der Überwachung nur Sinn, wenn sie in ein Massnahmenpaket eingebaut wird. Markus Minder, EVP-Co-Präsident, sagt, er habe keine andere Idee für eine bessere Sicherheit der Bevölkerung.
irl

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SANS-PAPIERS ZH
www.bleiberecht.ch
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bleiberecht.ch 24.12.08

Sans-Papiers Weihnachten

Seit sechs Tagen besetzen wir Sans-Papiers nun die Predigerkirche, um auf unsere unmenschliche Behandlung im Kanton Zürich aufmerksam zu machen. In anderen Kantonen hätten viele von uns längst Papiere erhalten, doch Regierungsrat Hollenstein weigert sich beharrlich, die Härtefallregelung in Zürich zur Anwendung zu bringen. Die Stimmung ist kämpferisch, und wir werden hier bleiben, bis Herr Hollenstein zu uns kommt und konkrete Lösungen vorschlägt.

Heute Heiligabend laden wir alle solidarischen Menschen und KirchgängerInnen herzlich zu einem Apéro ein, der anschliessend an den offiziellen Gottesdienst stattfindet (ca. 23.15 Uhr).

Wir stellen uns darauf ein, dass wir noch länger hier bleiben müssen, denn Regierungsrat Hollenstein zieht es offenbar vor, seine Ferien zu geniessen, statt sich um unsere Probleme zu kümmern.

Auch in den nächsten Tagen freuen wir uns über jeden Besuch! Es wird weitere Veranstaltungen geben, ausserdem gibt es den ganzen Tag die Gelegenheit, bei einem Kaffee oder Tee ins Gespräch zu kommen. Natürlich sind wir auch für helfende Hände, selbst organisierte Mahlzeiten, Sach- und Geldspenden dankbar.

Für die Solidarität aus der Bevölkerung, die uns bisher entgegengebracht wurde, möchten wir uns herzlich bedanken!

Die Sans-Papiers aus der Predigerkirche

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Tagesanzeiger 24.12.08

Kirchenbesetzer als Gäste am Gottesdienst

Zürich. - Die Papierlosen halten die Predigerkirche im Niederdorf bis auf weiteres in Beschlag. Angebote von Seiten der reformierten Landeskirche, auf benachbarte Gebäude auszuweichen, die nicht durch weihnächtliche Veranstaltungen belegt sind, lehnten die Besetzer ab. Wie Kirchenpflegepräsident Daniel Lienhard auf Anfrage sagt, findet der Weihnachtsgottesdienst statt - mit den Besetzerinnen und Besetzern als Gästen. Eine Räumung der Kirche sei momentan tabu. Die Sans-papiers, die seit Freitag in der Kirche weilen, forden vom Kanton konkrete Zugeständnisse. Beispielsweise sollten zur Feststellung der Identität nicht nur Reisedokumente anerkannt werden, sondern auch ein Taufschein, eine Heiratsurkunde oder ein Führerschein.

Kirchenratspräsident Ruedi Reich hat mit dem zuständigen Regierungsrat Hans Hollenstein (CVP) Kontakt aufgenommen. Hollenstein habe sich dabei bereit erklärt, am 5. Januar eine von der Landeskirche geführte Delegation der Sans-papiers zu empfangen und die Situation zu erörtern. Vor einer Vertretung der Sans-papiers betonte Reich allerdings, dass er sich ein persönliches Engagement im Januar vor dem Hintergrund einer besetzten Kirche nicht vorstellen könne.

Zur Aktion haben sich mehrere Parteien geäussert. Die PdA appelliert an linke und grüne Kantonsparlamentarier, stärkeren Druck auf die Regierung auszuüben. Die SVP lobt das vorbildliche, rechtsstaatliche Verfahren im Umgang mit Asylgesuchen. Die Schweizer Demokraten pochen auf eine sofortige polizeiliche Räumung der Kirche und die umgehende Ausschaffung der illegalen Aufenthalter. (hoh/sth)

Fürsprecher der Papierlosen, Seite 7

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Michael Stegmaier, Fürsprecher der Papierlosen in der Zürcher Predigerkirche

Ohne Wenn und Aber

Von Stefan Häne

Dieser Mann will sich partout kein Etikett umhängen lassen. Er sei weder Pressesprecher noch Funktionär noch Anführer, sagt Michael Stegmaier. Und lässt anklingen, was er vom "medial inszenierten Personenkult" hält: nichts. Seine Stimme ist so fein wie seine Statur, das Gesprochene dafür umso bestimmter: "Es zählt einzig die Bewegung. Nur die Bewegung." Und deren Ziel: die "würdelose Situation" der schätzungsweise 20 000 Sans-papiers im Kanton Zürich zu verbessern.

Die Bewegung - das ist das Bleiberecht-Kollektiv, eine Basisbewegung ohne feste Organisationsstruktur und Angaben zu ihrer Mitgliederzahl, verwurzelt im peripheren linken Milieu, beheimatet in Zürich, Lausanne, Freiburg und Bern, unterstützt von mehreren Flüchtlingsverbänden, unter anderem der Demokratischen Vereinigung der Flüchtlinge. Seit Freitag hält die Gruppierung die Predigerkirche im Niederdorf besetzt. Ein Ende des Protests ist nicht in Sicht.

Stegmaier war von Beginn weg mit dabei, er hat zum zivilen Ungehorsam aufgerufen. Zusammen mit rund 150 Menschen - abgewiesenen Asylbewerbern und Papierlosen aus Afrika und dem Nahen Osten - hat er das Gotteshaus am Zähringerplatz in eine Trutzburg verwandelt. Hier verhandelt er mit Kirchenvertretern, den Hoffnungslosen macht er Mut, allen anderen ebenfalls. Die Besetzung, so sagt er, soll keinesfalls in einem Hungerstreik gipfeln. Wild Entschlossene versucht er zu bremsen.

Neben der Überzeugungsarbeit gibt es viel Profanes zu tun: Er koordiniert Versammlungen, organisiert Schlafsäcke und Matten, stellt Essen und Trinken bereit. Das Geld dafür stammt aus Spenden, rund 500 Franken pro Tag. Stegmaier selber arbeitet ehrenamtlich.

Seine persönliche Leistung will er, ganz der Sozialist, nicht herausgestrichen haben. Alle gäben sich genauso Mühe wie er, sagt Stegmaier. Seine Person will er im Hintergrund halten. Die Angaben sind karg: 39 Jahre, wohnhaft im Kreis 4, Sozialarbeiter, Redaktor bei der kleinen sozialistischen Zeitung "Vorwärts", zudem tätig bei der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA. Dort hat er den Ruf eines bienenfleissigen, aber zuweilen chaotischen Basisaktivisten mit stupendem Feingespür für die Menschen; entsprechend gut könne er mit ihnen umgehen und sie mobilisieren, heisst es.

Rechtskonservativen Kreisen sind solche Widerspenstige ein Gräuel. Entsprechend schroff fällt ihre Kritik aus: Stegmaier sei ein Gutmensch, der - missionarisch aufgeladen - seine Moralvorstellungen verabsolutiert haben wolle. Er untergrabe den Schweizer Rechtsstaat, indem er sich zum Komplizen von Menschen mache, die sich illegal in der Schweiz aufhielten und ausgeschafft gehörten.

Derlei Kritik prallt an Stegmaier ab. Die Gerechtigkeit, die er in Trümmern liegen sieht, fordert er ein - ohne Wenn und Aber. Nur von Gewalt distanziert er sich ausdrücklich. Austeilen tut er trotzdem, verbal. Mit harten Worten kritisiert Stegmaier die "unmenschliche Härtefallpraxis" des Zürcher Migrationsamtes, versucht er, dem Regierungsrat Zugeständnisse abzupressen, unter anderem Papiere für alle Papierlosen - eine Forderung, die im Kanton Zürich politisch bislang chancenlos ist. Michael Stegmaier zeigt sich davon wenig beeindruckt. "Wir werden kämpfen, bis wir unser Ziel erreicht haben", versichert er. Wobei kämpfen derzeit vor allem eines für ihn bedeutet: ausharren, bis die Regierung sich bewegt.

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Landbote 24.12.08

Predigerkirche: Kein Kompromiss
sda

Zürich - Bei der Besetzung der Predigerkirche im Zürcher Niederdorf ist vorderhand kein Ende absehbar. Die Sans-Papiers, die seit Freitag in der Kirche weilen, pochen auf konkrete Zugeständnisse seitens des Kantons. Sie wollen die Kirche erst dann räumen, wenn ihre Forderungen erfüllt sind. Die Kirchenverantwortlichen zeigen nach wie vor Verständnis für die Anliegen der Papierlosen, wenn sie auch eine Weiterführung der Besetzung nicht für den richtigen Weg halten. Sie haben den Besetzern aber ihre künftige Unterstützung zugesagt.

Kirchenratspräsident Ruedi Reich hat mit Regierungsrat Hans Hollenstein Kontakt aufgenommen. Der Sicherheitsdirektor habe sich bereit erklärt, am 5. Januar eine von der Landeskirche geführte Delegation der Sans-Papiers zu empfangen. Die Besetzer halten davon wenig. Gespräche mit Hollenstein seien letztes Jahr erfolglos gewesen. Man wolle jetzt konkrete Ergebnisse sehen. (sda) lSeite 31

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"Ich bleibe, ich habe keine andere Wahl"

Anna Wepfer

In der besetzten Predigerkirche gehen die Verhandlungen nur harzig voran. Zwar bieten Kirchenratspräsident Ruedi Reich und Regierungsrat Hans Hollenstein den Besetzern ein Gespräch an. Die Kirche freigeben wollen diese trotzdem nicht.

Zürich - Im Innern der Predigerkirche herrscht fast gespenstische Ruhe. Vereinzelt liegen Männer und Frauen auf den schmalen Kirchenbänken und dösen vor sich hin. An der Wand stapeln sich Wolldecken und Schlafsäcke. Ein paar Stimmen klingen gedämpft durch den kühlen Raum. Die rund 100 Sans-Papiers, die am letzten Freitag in die Kirche eingezogen sind, halten sich im Freien auf. In Gruppen stehen sie auf dem Zähringerplatz. Es ist Mittagszeit. Viele halten Plastikschalen mit dampfendem Gemüse und Couscous in der Hand.

Irgendwo im Gewühl steht Haji Said. Der Iraker lebt seit sechs Jahren in der Schweiz, weil ihn eine Familienfehde aus seiner Heimat vertrieben hat. "Ich habe grosse Probleme mit der Familie meiner Ex-Freundin", sagt er. Sähe ihn jemand aus diesem Clan im Irak wieder, würden sie ihn kaum am Leben lassen, so Said. "Ich bin kein politischer Flüchtling. Aber es gibt für mich im Irak kein Leben mehr."

Leben auf Pump

Die Schweizer Behörden haben Saids Asylgesuch abgelehnt. Seither lebt er illegal in der Schweiz. Ohne Arbeitsbewilligung findet der ehemalige Hilfskoch keine Stelle mehr. Deshalb wohnt er bei Kollegen - "eine Nacht da, eine Nacht dort" - und lebt auf Pump. Sozialhilfe habe er nie beansprucht, betont er. Nun hofft er, dass ihm die Besetzungsaktion doch noch eine Aufenthaltsbewilligung verschafft. "Ich bleibe, bis eine Lösung da ist. Ich habe ja keine andere, bessere Wahl."

Das will auch Bashiya Clément. Der 45-Jährige stammt aus der Demokratischen Republik Kongo und kam vor sieben Jahren in die Schweiz. Im Kongo sei das Leben gefährlich, weil jederzeit Krieg ausbrechen könne. Seine provisorische Aufenthaltsbewilligung ist vor ein paar Monaten abgelaufen. Ohne Verlängerung. "Wir alle wissen genau, dass wir Ausländer sind", sagt Clément und weist mit einer vagen Geste in die Runde. "Aber wir suchen hier Schutz, Sicherheit und Stabilität."

Hollenstein gesprächsbereit

Gestern hat eine Delegation der Besetzer fast drei Stunden lang mit Vertretern der Kirche verhandelt. Die Diskussionen seien intensiv, aber respektvoll gewesen, eröffnete Christoph Sigrist, Pfarrer des Grossmünsters, seiner internationalen Zuhörerschaft. Kirchenratspräsident Ruedi Reich habe im Namen der Landeskirche und des Regierungsrats Hans Hollenstein angeboten, am 5. Januar eine Delegation der Besetzer zu einem Gespräch zu empfangen. Weiter habe man sich darauf einigen können, die Weihnachtsfeier wie geplant in der Predigerkirche durchzuführen - mit den Sans-Papiers als Gästen.

"Die Kirche als Ort des Schutzes soll weiterhin zur Verfügung stehen", so Sigrist. Er wies aber darauf hin, dass die Kräfte bei den Verantwortlichen der Predigerkirche "sehr verbraucht" seien. "Die anderen Kirchgemeinden müssen ihnen unter die Arme greifen." Von einer Räumung der Kirche war nicht die Rede.

Die Besetzer ihrerseits waren nicht kompromissbereit. "Wir bleiben, bis unsere Forderungen erfüllt sind", so Michael Stegmeier vom BleiberechtKollektiv. Sie verlangen in erster Linie eine humanere Härtefallpraxis. Auch soll Nothilfe nicht mehr in Form von Migros-Gutscheinen ausgerichtet werden. Das schränke die Betroffenen stark ein, weil sie beispielsweise keine Billette für den öffentlichen Verkehr erwerben könnten. Ins Gespräch mit Hollenstein setzen die Sans-Papiers wenig Hoffnung: "Wir haben schon letztes Jahr leere Versprechungen bekommen." Auf keinen Fall würden sie eine Delegation zum Regierungsrat schicken. "Wenn schon, soll er hier vor allen erklären, warum diese Menschen die Schweiz verlassen müssen."

Von der Sicherheitsdirektion war gestern niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

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Parteien sind geteilter Meinung

Auch politische Parteien haben sich zur Aktion geäussert. Die SP anerkennt die Notwendigkeit, unter gewissen Umständen Ausweisungen vorzunehmen. Es gehe aber nicht, dass man "Asylsuchende und Sans-Papiers, die man nicht ausweisen kann, schikaniert und vergrault". Die PdA versichert den Besetzern ihre Solidarität und appelliert an linke und grüne Kantonsparlamentarier, stärkeren Druck auf die Regierung auszuüben. Die SVP lobt das vorbildliche, rechtsstaatliche Verfahren im Umgang mit Asylgesuchen. "Abgewiesene Asylbewerber haben deshalb unser Land zu verlassen." Wer Änderungen der Bestimmungen wolle, könne dazu "den politischen Weg beschreiten" und habe nicht "eine Kirchgemeinde (...) in Geiselhaft zu nehmen". Die SD schliesslich fordert eine sofortige polizeiliche Räumung der Kirche und die umgehende Ausschaffung der illegalen Aufenthalter.

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Aargauer Zeitung 24.12.08

"Eine Kirche räumen ist sehr heikel"

Sans-Papiers Der zuständige Kirchgemeindepräsident Daniel Lienhard setzt weiterhin auf Gespräche

Roman Hodel

Zähneknirschend gewähren die Kirchenvertreter den Sans-Papiers bis auf weiteres Gastrecht. Derweil fordern die Schweizer Demokraten einen "sofortigen Polizeieinsatz".

Auch die x-te Aussprache gestern Nachmittag brachte keine Wende: Die rund 100 Sans-Papiers, die seit letztem Freitag zusammen mit der Bürgerrechtsbewegung Bleiberecht die Predigerkirche in der Zürcher City besetzen, verlassen das Gotteshaus nicht. "Wir bleiben über Weihnachten", sagte Stephan Schlegel von "Bleiberecht" im Anschluss an eine "engagierte Diskussion" mit den Kirchenvertretern.

Diese sind weiterhin alles andere als begeistert von der Situation: "Doch die Räumung einer Kirche ist heikel und kommt für uns nicht in Frage", sagte der zuständige Kirchgemeindepräsident Daniel Lienhard. "Schon gar nicht über Weihnachten." Die gestrige Aussprache habe immerhin eine "Annäherung im gegenseitigen Verständnis" gebracht. Laut Lienhard ist die nächste Aussprache auf den kommenden Samstag terminiert: "Wir hoffen, dass wir dann eine Lösung finden." Denkbar sei, dass die Aktivisten beispielsweise die Kirche wechseln. Denn der Druck auf die Kirchgemeinde wird mit jedem Tag grösser. Unter den Gottesdienstbesuchern finden sich gemäss Lienhard Gegner wie Befürworter der Besetzung. "Klar ist aber, dass wir das Problem nicht mehr alleine bewältigen können." Deshalb kümmert sich ab sofort der reformierte Kirchenrat des Kantons um die Angelegenheit.

Hollenstein am 5. Januar

Bereits am Montag hatten die Kirchenvertreter die Aktivisten aufgefordert, die Kirche freizugeben. Im Gegenzug versprachen sie mehr Hilfe und bessere Begleitung bei Härtefällen. Doch die Sans-Papiers schlugen das Angebot aus. Schlegel sagt: "Wir wollen mit Regierungsrat Hans Hollenstein sprechen › und zwar hier in der Kirche." Ein entsprechendes Gespräch soll am 5. Januar stattfinden › der Sicherheitsdirektor weilt derzeit in den Ferien.

Gar kein Verständnis für die Kirchenbesetzung zeigen die Schweizer Demokraten: In einer Mitteilung fordern sie die städtischen Behörden auf, diese mit einem "sofortigen" Polizeieinsatz zu beenden. Auch die SVP ärgert sich und schreibt in einer Mitteilung von einer "konzertierten Aktion seitens linker Kreise, welche bereits vergeblich das neue Asyl- und Ausländergesetz bekämpft haben". Weiter dankt die SVP dem Migrationsamt "ausdrücklich" für die "korrekt" geleistete Arbeit.

Das Bleiberecht-Kollektiv will mit der Besetzung auf die gemäss eigenen Angaben "unerträgliche Situation" aufmerksam machen. In der Kritik steht insbesondere die Bewilligungspraxis des Zürcher Migrationsamts. Laut "Bleiberecht" hätten ein Grossteil der Zürcher Sans-Papiers in anderen Kantonen längst eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Migrationsamt-Chef Adrian Baumann hat die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen.

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Wer sind Sans-papiers?

In der Schweiz leben laut einer Studie des Bundesamts für Migration aus dem Jahr 2005 rund 90 000 Sans-Papiers. Andere Schätzungen kommen gemäss der Homepage der Beratungsstelle für Sans-Papiers auf höhere Zahlen. Diese unterteilt die Sans-Papiers grob in folgende Kategorien: Ehemalige Saisonniers › viele kommen aus Ex-Jugoslawien. Nachdem ihre Saisonbewilligung abgelaufen war, schafften sie es nicht, eine Jahresaufenthaltsbewilligung zu erhalten. Aussereuropäische Arbeitsimmigranten › eigentlich sind nur Personen aus dem EU-Raum für "niedrig qualifizierte" Arbeiten zugelassen. Trotzdem wandern vor allem Frauen ein und finden hier Arbeit ohne Bewilligung. Abgewiesene Asylsuchende › ein grosser Teil "verschwindet" vor dem definitiven Ausreisetermin. Weitere Sans-Papiers sind beispielsweise auch Migranten, die wegen einer Scheidung nach weniger als fünf Jahren Ehe ihr Aufenthaltsrecht verlieren. (ROH)

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20min.ch 23.12.08

Predigerkirche

Sans-Papiers pochen auf Zugeständnisse

Bei der Besetzung der Predigerkirche im Zürcher Niederdorf ist vorderhand kein Ende absehbar. Die Sans-Papiers, die seit Freitag in der Kirche weilen, pochen auf konkrete Zugeständnisse seitens des Kantons.

Die Besetzerinnen und Besetzer fordern eine humanere Praxis bei der Behandlung von Härtefällen. So könnten die Anforderungen an die Deutschkenntnisse der Gesuchstellenden ohne weiteres heruntergeschraubt werden. Zur Feststellung der Identität sollten zudem auch andere als Reisedokumente anerkannt werden - etwa ein Taufschein, eine Heiratsurkunde oder ein Führerschein.

Im weiteren soll der Kanton von der Praxis abrücken, die Nothilfe in Form von Migros-Gutscheinen auszurichten - die Sans-Papiers verfügen damit nicht über Bargeld. Und auch die wöchentliche Zuweisung einer anderen Unterkunft sei aufzuheben.

Solche Praxisänderungen wären leicht und schnell umzusetzen, heisst es in einer Mitteilung der Besetzer vom Dienstag. Die Sans-Papiers verlangen eine direkte Aussprache mit dem zuständigen Regierungsrat Hans Hollenstein, der am Dienstag allerdings nicht erreichbar war.

Die Kirchenverantwortlichen zeigen nach wie vor Verständnis für die Anliegen der Papierlosen, wenn sie auch eine Weiterführung der Besetzung nicht für den richtigen Weg halten. Sie haben den Besetzern ihre auch künftige Unterstützung zugesagt.

Parteien: Von Solidarität bis Ausschaffungs-Forderung

Auch politische Parteien haben sich inzwischen zur Aktion geäussert. Die SP anerkennt zwar die grundsätzliche Notwendigkeit, unter gewissen Umständen Ausweisungen vorzunehmen. Es gehe aber nicht an, dass man "Asylsuchende und Sans-Papiers, die man nicht ausweisen kann, schikaniert und vergrault".

Die PdA versichert den Besetzern ihre Solidarität und appelliert an linke und grüne Kantonsparlamentarier, stärkeren Druck auf die Regierung auszuüben.

Die SVP lobt das vorbildliche, rechtsstaatliche Verfahren im Umgang mit Asylgesuchen. "Abgewiesene Asylbewerber haben deshalb unser Land zu verlassen". Wer Änderungen der heutigen Bestimmungen erreichen wolle, könne dazu "den politischen Weg beschreiten" und habe nicht "eine Kirchgemeinde (...) in Geiselhaft zu nehmen".

Die SD schliesslich fordert eine sofortige polizeiliche Räumung der Kirche und die umgehende Ausschaffung der illegalen Aufenthalter.
Quelle: SDA/ATS

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Info-Box

Aus verschiedenen Gründen papierlos

Über die Anzahl Sans-Papiers in der Schweiz gibt es keine genauen Zahlen. Eine im Auftrag des Bundesamtes für Migration erstellte Studie kam auf einen Stand von rund 90 000 im Jahr 2005. Andere Schätzungen kommen auf höhere Zahlen.

Die Gründe, weshalb jemand keine Papiere besitzt, sind mannigfaltig, wie die Deutschschweizer Beratungsstellen für Sans-Papiers auf ihrer Homepage schreiben. Es sind unter anderem frühere Saisonniers, Arbeitsimmigranten aus aussereuropäischen Ländern oder abgewiesene Asylsuchende.

Saisonniers aus dem ehemaligen Jugoslawien verloren mit Einführung des "Dreikreisemodells" Mitte der Neunzigerjahre ihre Saisonbewilligung. Jugoslawien gehörte nicht mehr zu den Rekrutierungsländern. Wer keine Jahresaufenthahlsbewilligung erlangte und nicht nach Hause zurückkehrte, wurde zum Sans-Papier.

Eine weitere Kategorie sind Arbeitsimmigranten aus Ländern ausserhalb der EU. Laut Ausländergesetz sind zu "niedrig qualifizierten" Arbeiten nur EU-Immigranten zugelassen. Dennoch wandern viele Menschen etwa aus Lateinamerika, Asien oder Osteuropa ein und finden Arbeit ohne eine Bewilligung zu haben.

Auch abgewiesene Asylsuchende oder solche, auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde, gehören zu den Sans-Papiers. Viele von ihnen tauchen vor dem anberaumten Ausreisetermin unter. Nach dem Termin ist ihr Aufenthalt in der Schweiz illegal.

Und schliesslich gibt es noch jene Ausländer, die selbst zwar völlig legal in der Schweiz leben, aber ohne Bewilligung Familienangehörige nachkommen lassen, Migrantinnen, welche nach weniger als fünf Jahren Ehe mit einem Schweizer geschieden wurden, oder ehemaligen Studierende, welche nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht ausreisten.

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WINTERTHUR
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Landbote 24.12.08

Scharmützel: Kritik an Polizei

Martin Freuler

In der Nacht auf gestern wurde zum Scharmützel vom Wochenende ("Landbote" vom Montag) eine Stellungnahme aus Kreisen der linksalternativen Szene veröffentlicht. Die anonymen Verfasser schreiben von einem "grundlosen und brutalen" Vorgehen der Polizei, die von sich aus ihr Haus an der General-Guisan-Strasse 31 angegriffen habe. Sie beklagen sich über den hohen Schaden am Gebäude, der durch den Beschuss mit Gummischrot entstanden sei. Ausserdem seien die Personen, die vor der Eskalation vor ihrem Haus festgenommen wurden, auf dem Polizeiposten nicht korrekt behandelt worden. Die Polizei möchte dazu laut Sprecherin Alexandra Pfister erst Stellung nehmen, wenn eine Strafanzeige eingereicht werde.

Ob die verhafteten Personen ebenfalls der linksalternativen Szene angehören, will die Polizei nach wie vor nicht sagen. Das anonyme Communiqué lässt aber diesen Schluss zu. (mf)

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BAHNPOLIZEI
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tagesanzeiger.ch 24.12.08

"Durchgreifen soll die Polizei, sonst ist das lebensgefährlich"

In Zügen kommt es vermehrt zu Übergriffen und Aggressionen. Eigentliche Hotspots sind aber die Bahnhöfe. Dort hat die Bahnpolizei immer häufiger mit Bandenkriegen unter Jugendlichen zu kämpfen.

Herr Monhart, bei "Tagesanzeiger.ch" gingen zahlreiche Schilderungen von aggressivem Verhalten im Bahnnetz rund um Zürich ein. Wie erleben Sie die Situation als stellvertretender Kommandant der Bahnpolizei? Bis Mitte Jahr konnten wir tatsächlich eine Zunahme der Aggressionen in den Zügen feststellen. Ab Mitte Jahr haben wir mit gezielten Aktionen und Einsätzen reagiert. Seither haben die Übergriffe stagniert und sind sogar leicht rückläufig geworden. Aber der öffentliche Verkehr wird auch in Zukunft ein neuralgischer Punkt bleiben.

Mit welchen Übergriffen haben Sie zu kämpfen? Von Beschimpfungen bis Tätlichkeiten ist alles möglich. Während der Woche kommt es vor allem in den letzten Zügen in der Nacht zu Problemen. In den vergangenen Jahren konnten wir insbesondere an den Wochenenden eine Verlagerung der Übergriffe in den ersten Zügen am Morgen feststellen. Es sind mehrheitlich betrunkene Jugendliche auf dem Heimweg vom Ausgang in Zürich. Dann kommt die Gruppendynamik zum Tragen: Sie werden frecher und aggressiver. Deswegen setzen wir nun gezielt Bahnpolizisten in diesen Randzeiten ein.

Die Aggressionen richten sich nicht nur auf Zugbegleiter. Wie sollen Passagiere auf heikle Situationen reagieren? Ich rate den Leuten, dass sie sich nicht einmischen und die Polizei alarmieren oder in ein anderes Abteil wechseln. Das ist die beste Devise. Man kann höchstens den Dialog suchen, das Durchgreifen sollte man auf jeden Fall der Polizei überlassen, sonst setzt man das eigene Leben aufs Spiel. Wenn jemand belästigt wird, kann der Zugbegleiter diesen Passagier auch in die erste Klasse umplatzieren. Die Situation in den Bahnen ist allerdings nicht mehr so gefährlich, dafür hat sich das Problem auf die Bahnhöfe ausgeweitet.

Wie sieht denn die Situation auf den Bahnhöfen aus? Vor allem im Raum Zürich sind die Bahnhöfe eine Art Stadt in einer Stadt, weil dort das Konsumangebot ausgebaut wurde. In den Läden gibt es Alkoholausschank, die Leute halten sich länger dort auf und trinken. Daher kommt es häufiger zu Belästigungen, Sachbeschädigungen und Vandalismus. In manchen Bahnhöfen finden regelrechte Gang-Kämpfe statt. Die Jugendlichen kämpfen um ihre Territorien.

Seit wann besteht dieses Phänomen? Das hat vor rund zwei Jahren begonnen. Vor allem im Raum Zürich und in der Romandie finden richtige Bandenkriege statt. Am vergangenen Wochenende sind 15 Jugendliche mit Autos vorgefahren, haben im Bahnhof randaliert und Leute tätlich angegriffen. Wenn die Bahnpolizei nicht vor Ort sein kann, dann schalten wir die örtliche Polizei ein. Das war in Schlieren der Fall. Dort konnte die Stadtpolizei verdächtige Personen festnehmen. Die enge Zusammenarbeit mit der Polizei ist nur möglich, weil wir von der Bahnpolizei ebenfalls Polizeistatus haben und alle ausgebildete Polizisten sind.

Wie schnell kann die Bahnpolizei vor Ort sein? Wir streben die üblichen Zeiten an: Spätestens innerhalb einer halben Stunde wollen wir am Einsatzort sein. Schwierig wird es, wenn wir gerade an einem anderen Ort im Einsatz stehen. Bei der Bahnpolizei sind rund 150 Leute am Fronteinsatz. Rund ein Drittel davon ist im Raum Zürich stationiert. In Zürich und der Romandie ist die Situation auch heute noch am heikelsten. Dort sind die Konsumangebote am dichtesten konzentriert. Kriminalität ist die logische Folge davon.

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NEONAZIS CH
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Basler Zeitung 24.12.08

Vom rechten Saulus zum linken Paulus

Alexander Nyffenegger arbeitete früher für die Schweizer Demokraten, heute für SP-Nationalrat Andreas Gross

Ruedi Studer, Bern

Einst rekrutierte der Berner Alexander Nyffenegger für die Schweizer Demokraten in der rechtsextremen Szene neue Mitglieder. Selber versank er dabei immer tiefer im "braunen Sumpf", bevor er den Ausstieg schaffte. Seine Geschichte hat er nun in einem Buch aufgearbeitet.

Von "meinem kleinen Drama" spricht Alexander Nyffenegger immer wieder, wenn er auf seine politische "Aktivzeit" zurückblickt. Ein Drama, welches ihn immer tiefer in die rechtsextreme Szene abdriften liess. Dabei traut man Nyffenegger die "braune Vergangenheit" gar nicht zu, wie er da in einem Berner Café vor einem sitzt: ein ruhiger Typ, fast schon etwas schüchtern. Überlegt beantwortet der 37-Jährige alle Fragen.

Manchmal schüttelt er verwundert den Kopf, wenn er über seine früheren Aktivitäten berichtet - als Parteisekretär der Schweizer Demokraten (SD) und als rechter, ja gar rechtsextremer Propagandist. Blickt Nyffenegger zurück auf die Jahre 1998 bis 2001, in denen er immer tiefer "im braunen Sumpf versank", wie er sagt, scheint es manchmal, als erzähle er gar nicht von sich selbst, sondern von einer ihm fremden Person.

SD-Parteisekretär

In seinem neuen Buch "Die Falle Opportunismus - zwischen Politik und Panik" hat Nyffenegger seine Vergangenheit minuziös aufgearbeitet. Seinen Anfang nahm das nyffeneggersche Drama im Bundeshaus in Bern. Dort hatte er nach der Diplommittelschule im Hausdienst angeheuert, wo schon sein Vater arbeitete. Sieben Jahre lang hatte er für saubere Gänge, polierte Klinken und glänzende Leuchter gesorgt. Und irgendwann stellte er sich die Frage, was aus seinem Leben werden sollte. Bis 65 im Hausdienst versauern mochte er sich nicht vorstellen.

Weil er sich für Politik, einen neuen Job und vor allem für die damalige Parteisekretärin der Schweizer Demokraten interessierte, suchte er 1998 den Kontakt zum damaligen Berner SD-Nationalrat Bernhard Hess. Nyffenegger engagierte sich zuerst als Freiwilliger für die Schweizer Demokraten, half bei Parteiversänden, schrieb "regelmässig sowohl hetzerische als auch sachliche Artikel" im Parteiorgan und Leserbriefe, machte später im städtischen und kantonalen Vorstand mit, war Protokollführer auf nationaler Ebene und trat schliesslich Anfang 2000 eine Teilzeitstelle als Parteisekretär an.

"Obwohl ich mit der SD-Politik und ihrem Gedankengut nichts am Hut hatte, machte ich aus opportunistischen Gründen mit. Genauso gut hätte es mich in die linksextreme Szene verschlagen können", schüttelt Nyffenegger heute den Kopf. Dass er bei den Rechten und schliesslich bei den Faschos gelandet sei, sei Zufall. Doch er fand dort Anerkennung und Aufmerksamkeit. Und je länger er für die SD arbeitete, je mehr er sich mit deren Weltanschauung befasste und dieser näherrückte, umso tiefer driftete er in die rechte Szene ab. "Ich habe mich da immer mehr hineingesteigert", analysiert Nyffenegger.

Avalon-Stammtisch

Irgendwann lud ihn Bernhard "Benno" Hess an eine Stammtischrunde in einem Gasthof im bernischen Worblaufen ein, bei welcher Exponenten der rechten und rechtsextremen Szene zusammensassen und über Gott und die Welt philosophierten, über "Überfremdung" und "multikulturelle Ausartung" diskutierten.

Eine illustre Runde versammelte sich da jeweils am Mittwochabend am "Stammtisch unter dem Hakenkreuz". Und Nyffenegger nennt Namen: Roger Wüthrich beispielsweise, den Gründer der völkisch-heidnischen Avalon-Gemeinschaft - eine rechtsextreme Organisation, die sich als Teil der "Nationalen Bewegung" sieht und für ein "Europa der Vaterländer" plädiert. Weiter den dieses Jahr verstorbenen Holocaust-Leugner und "fanatischen Antijudaisten" Ahmed Huber. Oder Adrian Segessenmann, den Gründer der Nationalen Offensive und heutigen Avalon-Anführer. "Schon am ersten Abend lernte ich sämtliche Personen kennen, die innerhalb der rechtsextremen Szene in Bern und darüber hinaus eine tragende Rolle spielten", so Nyffenegger - damit waren erste Kontakte zu dieser Szene geknüpft.

Auch Bernhard Hess gehörte zu den Stammtisch-Teilnehmern (was dieser gegenüber der BaZ bestätigt), doch nach seiner Wahl in den Nationalrat 1999 verabschiedete er sich laut Nyffenegger während des Jahres 2000 "geradezu sang- und klanglos" vom Avalon-Stammtisch. Auch über weitere völkische Treffen - beispielsweise Sonnwendfeiern - berichtet Nyffenegger, wobei Hess am einen oder anderen ebenfalls auftauchte.

Sowieso ist der heutige SD-Zentralsekretär Hess einer der Protagonisten im Buch. Und er kommt nicht gerade gut weg: Nyffenegger wirft ihm etwa vor, ihn zu seiner Zeit als Parteisekretär für ein Entgelt von 30 000 Franken zu einer Scheinehe mit einer ukrainischen Animierdame überredet und auch Parteispenden unterschlagen zu haben - was Hess bestreitet. Nyffenegger sei ein "Psychopath", sagt der Politiker.

Neonazis und Skinheads

Ebenso bestreitet der SD-Mann, dass er die von Nyffenegger betriebene Öffnung der Partei Richtung rechtsextreme Szene gutgeheissen habe. In diesem Umfeld rekrutierte Nyffenegger nämlich erfolgreich neue Mitglieder. Dies, um die sich im Niedergang befindliche Partei neu zu beleben und damit seinen Arbeitsplatz zu sichern, wie Nyffenegger erklärt. "Ich habe - wieder ganz der Opportunist - dort gesucht, wo am meisten zu holen war: bei den Faschos, Skinheads, Neonazis."

Gegen hundert Mitglieder habe er für die Jungen Schweizer Demokraten angeworben, welche er als Sammelbecken für die Bewegung sah. Seine neue Kundschaft fand Nyffenegger in der Skinhead- und Neonazi-Szene an Konzerten, Festen oder Geburtstagspartys - wo er in persönlichen Gesprächen oder mit Flyern auf die Partei aufmerksam machte. "Auf die Flugblattaktion gab es dann tatsächlich viele positive Resonanzen, unter anderem erklärten sich bereits an diesem Abend ein paar Leute bereit, die Jungen Schweizer Demokraten in ihrer politischen Arbeit zu unterstützen", kommentiert Nyffenegger im Buch einen solchen Anlass, und zieht über seine im Sommer und Herbst 2000 forcierte Werbearbeit Bilanz: "Die Zusagen und neuen Parteieintritte sollten sich in den kommenden Wochen und Monaten noch erheblich vermehren." Allerdings stoppte der damalige SD-Präsident Rudolf Keller Anfang 2001 die Rekrutierung von Neonazis, worauf Nyffenegger verärgert und enttäuscht die Partei verliess und sich für kurze Zeit der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos) anschloss.

In dieser Zeit begann auch Nyffeneggers Abkehr von der Szene. Mitverantwortlich dafür war wieder eine Frau: Eine enge Freundin von Nyffenegger, die in der Szene verkehrte, hatte genug und plante den Ausstieg. Das öffnete auch ihm die Augen. "Der exakte Auslöser war schliesslich die Begegnung mit einem Avalon-Angehörigen, der ernsthaft glaubte, er sei die Reinkarnation eines in Nürnberg gehängten Nazi-Kriegsverbrechers." Da habe er sich schon fragen müssen: "Was mach ich da bloss?", so Nyffenegger.

Ausstieg

Diese Frage bezog sich nicht nur auf sein politisches Engagement, sondern ebenso auf sich selbst - denn mittlerweile hatte er zu koksen begonnen, und immer häufiger machte ihm eine psychische Erkrankung zu schaffen: Angst- und Panikattacken plagten ihn. Nyffenegger sagte sich von der rechtsextremen Szene los, flüchtete ins Berner Oberland und begab sich in psychiatrische Behandlung.

"Ich habe den Ausstieg aus dem braunen Sumpf geschafft", bilanziert Nyffenegger, der heute wegen seiner psychischen Probleme eine halbe IV-Rente bezieht. Schon 2003 wollte er seine Erfahrungen in einem Buch publizieren, verzichtete aber auf Anraten des Baslers Samuel Althof von der "Aktion Kinder des Holocaust" auf die Veröffentlichung. Stattdessen nahm Nyffenegger an einer Studie der Uni Basel teil, welche die Motivation von Aussteigern aus der rechtsextremen Szene untersuchte.

Abschluss

Doch seine Vergangenheit beschäftigte Nyffenegger weiterhin. Unter dem Pseudonym "Hans Vonhuttwyl" wollte er Anfang Jahr sein Buch zuerst unter dem Titel "Zahltag - Meine Jahre bei den Schweizer Demokraten" auf den Markt bringen. Doch seiner Familie zuliebe machte er einen Rückzieher. Nur ein einziges Exemplar sei rausgegangen, so Nyffenegger - dieses liegt heute in der Landesbibliothek.

Ein paar Monate liess der Berner die Sache ruhen, aber nun hat er das Buch - unter neuem Titel, in überarbeiteter Form und mit zusätzlichen Kapiteln über seine Zeit vor der SD-Ära - doch publiziert. Herausgebracht hat er es auf eigene Kosten bei Books on Demand. "Ich will mit der Geschichte endlich abschliessen. Und das kann ich nur in dieser Form", erklärt er.

Bei den Sozialdemokraten

Nicht abgeschlossen hat Nyffenegger hingegen mit der Politik. Er, der 1995 kurz der SP angehörte, ist in seine "politische Heimat", wie er sagt, zurückgekehrt: Seit drei Monaten ist er eingeschriebenes Mitglied der SP Interlaken. "Er hat mich von Anfang an offen über seine Vergangenheit informiert", sagt Ortsparteipräsidentin Sabina Stör Büschlen gegenüber der BaZ. Man behandle ihn wie jedes andere Parteimitglied und mache keine "Gewissensprüfung". An der kommenden Hauptversammlung soll Nyffenegger offiziell aufgenommen werden.

Ein anderer Genosse hat ebenfalls volles Vertrauen in die nyffeneggersche Wandlung vom rechten Saulus zum linken Paulus: der Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross. Seit gut einem Jahr beschäftigt er Nyffenegger als Büromitarbeiter in seinem Institut für Direkte Demokratie in St-Ursanne. Je nach anfallenden Arbeiten zwei, drei Tage pro Monat. Auch er kennt Nyffeneggers Geschichte. Trotzdem hat er ihn angestellt: "Er hat einen Fehler begangen und das auch gemerkt. Man muss jedem Menschen eine Chance geben, sich von seiner Vergangenheit zu lösen, und darf ihn nicht lebenslang verurteilen", sagt Gross zur BaZ.

Bereut hat er den Schritt bisher nicht: "Ich habe bisher nur gute Erfahrungen mit ihm gemacht." So gute, dass Nyffenegger allenfalls noch stärker in die Institutsarbeit eingebunden werden könnte. Gross findet es zudem gut, dass Nyffenegger seine Geschichte in einem Buch verarbeitet hat: "Schreiben ist die beste Form des Reflektierens."

Schriftstellerei

Und Nyffenegger will weiter schreiben. Schon 2005 hat er in "Der Scheingatte" seine Scheinehe in Romanform thematisiert. "Belletristische Stoffe sind meine Leidenschaft", sagt Nyffenegger, der bereits weitere Bücher plant: Im kommenden Frühling will er bei Books on Demand eine Romanbiografie über den Trachselwaldner Landvogt Samuel Trioblet herausbringen. Und im Herbst 2009 soll in der Edition Hartmann sein Roman "Kameraden und Verbrecher" zum Thema Frontismus erscheinen.

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Alexander Nyffenegger
 Die Falle Opportunismus - zwischen Politik und Panik
 Verlag Books on Demand 2008, 196 Seiten, Fr. 18.90

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NEONAZIS BRD
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Newsnetz 24.12.08

Neue Neonazi-Phantombilder im Fall Mannichl

Im Fall des Passauer Polizeichefs Alois Mannichl hat die Polizei die Phantombilder von zwei Verdächtigen veröffentlicht. Inzwischen sucht sie fünf Personen aus der Neonazi-Szene.

Alle fünf gesuchten Personen haben Zeugen am Tag des Attentats auf Mannichl an seinem Wohnort Fürstenzell gesehen. Die zwei neusten Phantombilder zeigen einen Mann um die Zwanzig, er soll mittelgross sein und ein Abzeichen am Arm tragen. Die gesuchte Frau trägt laut Zeugen zerzauste Haare, Springerstiefel und ein Piercing unter dem Auge. Die Polizei sucht ausserdem nach zwei Männern mit auffälligen Tattoos und nach einem Mann, der zur Tatzeit mit einem Kinderwagen in der Nähe von Mannichls Haus unterwegs war. Alle fünf Gesuchten trugen dunkle Kleidung.

Letzte Woche hatte die Polizei bereits ein Ehepaar festgenommen, das sich in einer landesweiten rechtsradikalen Szene der nationalen Autonomen bewegt. Gestern wurden die beiden jedoch wieder freigelassen, da nicht genügend Beweise für einen Haftbefehl vorliegen. Die nationalen Autonomen gehören laut dem deutschen Verfassungsschutz nicht zur traditionellen rechtsextremistischen Szene. Mit schwarzer Kleidung, Turnschuhen, Sonnenbrillen, Baseball-Kappen und Kapuzenpullovern sind sie auf den ersten Blick von linken Gegendemonstranten kaum zu unterscheiden.

Neonazis oder Gothic-Anhänger

Entsprechend erklärt die Polizei, die fünf Gesuchten müssten "nicht unbedingt" zur rechtsextremen Szene gehören, wie "Spiegel Online" heute schreibt. Sie könnten auch Gothic-Anhänger sein, also Liebhaber dunklen Rocks. Auch in der Gothic-Szene finden sich nationalistische Bewegungen.

In der Stadt Passau, wo Alois Mannichl Polizeichef ist, will die rechtsextreme NPD am 3. Januar gegen die Ermittlungen demonstrieren. Das Motto der Kundgebung laut Bewilligungsgesuch bei der Stadtverwaltung: "Gegen polizeiliche Willkür und Medienhetze".

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HOMOPHOBIE
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News 24.12.08

Papst brüskiert Schwule

Homosexualität sei wie die Zerstörung der Umwelt eine Gefahr für die Menschen

Vatikan. Benedikt XVI. hat seinem stockkonservativen Image alle Ehre gemacht: An seiner Weihnachtsansprache vor der Kurie, dem Verwaltungsapparat des Vatikans, verglich er Homo- und Transsexualität mit der Zerstörung der Umwelt.

Schutz vor sich selber

"Die Regenwälder haben ein Recht auf unseren Schutz. Aber der Mensch als Kreatur hat nicht weniger verdient", sagte Benedikt XVI. und verurteilte - ganz im Sinn der katholischen Kirche, die nicht die Homosexualität an sich, aber die homosexuelle Ehe als Sünde betrachtet - alle Beziehungen jenseits der heterosexuellen Ehe, dem "Sakrament der Schöpfung". Sie seien eine "Zerstörung von Gottes Werk". Die Kirche solle die Menschen vor der Selbstzerstörung schützen und dafür eintreten, dass die Ordnung der Schöpfung bewahrt werde. Nur Gott entscheide, wer Mann und wer Frau sei.

Homosexuellenverbände in Europa reagierten empört auf die kirchliche Diskriminierung. Sie befürchten eine drastische Verschlechterung des sozialen Klimas. "Die Zeichen stehen auf Konfrontation - die Leute haben wirklich Angst", sagte Aurelio Mancuso vom italienischen Schwulenverband Arcigay zu spiegel.de. rg.

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GRIECHENLAND
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NZZ 24.12.08

Erneut gewaltsame Proteste in Griechenland

Die Regierung wankt

van Gent A. (it)

 In Griechenland ist es auch am Dienstag zu gewaltsamen Protesten Jugendlicher gekommen. In Umfragen liegt die Regierungspartei hinter der Opposition zurück. Viele Bürger fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen und blicken pessimistisch in die Zukunft.

 it. Athen, 23. Dezember

 Die griechische Hauptstadt Athen ist auch siebzehn Tage nach dem Ausbruch der schweren Ausschreitungen nicht zur Ruhe gekommen. Am Dienstag haben im Zentrum der Stadt erneut Schüler, Studenten, aber auch Lehrer demonstriert und weitere Proteste für das neue Jahr angekündigt. Jugendliche haben den Christbaum beim Syntagma-Platz vor dem Parlament aus Protest mit Abfall dekoriert.

 Gefühl der Demütigung

 Folgenschwerer dürfte indessen die anhaltende Besetzung von Hochschulen sein. Dutzende von Studenten sowie Personen aus dem gewaltbereiten Spektrum halten die Technische Hochschule, die juristische Fakultät sowie die Schule der schönen Künste seit Tagen besetzt. In der Nacht auf den Dienstag ist laut Angaben der Athener Polizei eines ihrer Fahrzeuge unter Beschuss gekommen. Keiner der 19 Insassen wurde verletzt. Das Einsatzfahrzeug wurde nach Angaben der Behörden angegriffen, als es am Universitätsgelände vorbeifuhr.

 In den besetzten Hochschulen findet kein Unterricht mehr statt, oft werden Hörsäle zerstört, wichtiges Material geht verloren. Der Rektor des Polytechnikums wollte aber auch am Montag das Gesetz des sogenannten Asyls, welches seit der Wiederherstellung der Demokratie 1974 den Sicherheitskräften den Zugang zu den Hochschulen ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Rektorats verbietet, nicht brechen. Die Angst, dass ein Eingreifen der Polizei von der Jugend als Provokation empfunden werden könnte, sitzt in den Athener Führungsetagen tief. Der Tod des 15-jährigen Schülers Alexandros Grigoropoulos, der am 6. Dezember durch eine Kugel aus der Dienstwaffe eines Polizisten getötet wurde, hatte die seit Jahrzehnten schwersten sozialen Unruhen ausgelöst. Getragen wurden sie von meist jugendlichen Demonstranten, die anfänglich gegen die "unverhältnismässige Gewaltbereitschaft" der Polizei protestiert hatten. Inzwischen richtet sich die Protestwelle gegen die globale Finanzkrise, gegen die Bildungsmisere sowie gegen Nepotismus und Korruption.

 Die Regierung des konservativen Politikers Kostas Karamanlis hofft, dass in den bevorstehenden Festtagen wieder Ruhe einkehren wird und die Besetzer der Hochschulen sich zurückziehen werden. Zurückhaltung war seit dem Ausbruch der Unruhen das Motto der Regierung. Dies wurde von einem Grossteil der Bevölkerung aber als "Handlungsunfähigkeit" kritisiert und hat schliesslich alle gegen die regierende Partei Nea Dimokratia (ND) aufgebracht. Die protestierenden Schüler und Studenten wünschen eine rasche und exemplarische Bestrafung des Täters. Der Polizeibeamte, der den tödlichen Schuss abgegeben hatte, wurde zwar festgenommen. Die Tatsache, dass die Resultate der ballistischen Untersuchung nicht veröffentlicht worden sind, nährt aber den Verdacht der Jugendlichen, dass er ohne Strafe davonkommen wird.

 Der Mittelstand, der traditionell die Stütze der ND ist, musste in diesen Tagen zusehen, wie Geschäfte, Autos und Bankfilialen in Flammen aufgingen und wie die Regierung weder die öffentliche Ordnung noch den Besitz der Bürger zu schützen fähig war. Die Polizei hatte seit den ersten Ausschreitungen den Befehl, defensiv vorzugehen. Viele Polizisten wurden mit Steinen und Brandbomben beworfen, ohne reagieren zu dürfen. Nun fühlen sich viele vom Desaster der letzten Tage gedemütigt und von ihrer Führung verlassen. Die Unzufriedenheit widerspiegelt sich in den Umfragen. Nach zwei am Sonntag veröffentlichten repräsentativen Meinungserhebungen liegt die Nea Dimokratia jetzt zwischen 4,8 und 6 Prozentpunkten hinter der oppositionellen Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok). 77 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Regierung von Kostas Karamanlis die Krise schlecht gehandhabt habe.

 Auf dem falschen Weg

 In der Nacht auf den Montag hat die Regierung dem Parlament ihren Haushalt für das Jahr 2009 vorgelegt. Die hitzige Debatte glich allerdings einem Dialog der Taubstummen. Während die 151 Abgeordneten der ND geschlossen den Regierungsplan guthiessen, verwarf ihn die gesamte Opposition. Die Abstimmung war in Wirklichkeit aber gegenstandslos. Parteien und Wirtschaft rechnen damit, dass Griechenland aufgrund seines hohen Schuldenbergs von der EU-Kommission gezwungen wird, den von der Regierung vorgelegten Haushalt für das Jahr 2009 bereits in den kommenden Wochen wieder zu verändern. So fühlt sich die Bevölkerung von ihren Politikern im Stich gelassen und blickt pessimistisch in die nahe Zukunft. Eine Umfrage im Auftrag der EU-Kommission ergab, dass 90 Prozent der Griechen die derzeitige Wirtschaftslage in ihrem Land als schlecht bis sehr schlecht bezeichnen. Und 86 Prozent sind davon überzeugt, dass ihr Land auf dem falschen Weg sei.

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Tagesanzeiger 24.12.08

Polizeibus in Athen beschossen

Schweiz. Depeschenagentur

Athen. - Griechenland kommt auch vor den Weihnachtsfeiertagen nicht zur Ruhe. Ein Einsatzfahrzeug der Athener Polizei wurde in der Nacht zum Dienstag unter Beschuss genommen. Keiner der 19 Beamten in dem Bus wurde verletzt, doch wurden mindestens sieben Kugeln vom Kaliber 7,62 Millimeter sichergestellt. Der Bus wurde angegriffen, als er am Universitätsgelände der Hauptstadt vorbeifuhr. Am Dienstagnachmittag zogen dann abermals gut 3000 Demonstranten durch Athen und beschimpften die Polizei als "Schweine und Mörder". Für Mittwoch wurde ein weiterer Protestmarsch angekündigt. (AP)