MEDIENSPIEGEL 30.12.08
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Sans-Papiers ZH: Bleiberechtsdemo + Festnahmen
- Progr: Zusagen für 10,5 Mio
- Kunst vs Sozamt: Sozamt quält Künstler
- Wasserwerk Adé
- Homophobie: Fehlgeschlagene Beissattacke gegen Papst
- Thun: Wer besuchte den "Turm"?
- Anti-WEF: Demos in St. Gallen, Davos und Genf
- Anti-Atom: Erfahrungsaustausch Benken-Bözberg

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REITSCHULE
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- Dez/Jan 08: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!
- Restaurant Sous Le Pont vom 1.-12.1.09 geschlossen

PROGRAMM:

Mi 31.12.08
21.00-05.00 - Kino/Frauenraum - UNCUT FILM (21.00 Breakfast on Pluto; 01.30 Itty Bitty Titty Committee) & Frauenraum-PARTY NACHT bis 5.00 Uhr mit Anouk Amok
23.00 Uhr     SousLePont - A Bad-Taste-Silvester Party mit DJ-Set von Copy&Paste

Sa 3.1.09
13.30 - ZH-Zähringerplatz - BLEIBERECHTS-DEMO

So 4.1.09  
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt

Infos: www.reitschule.ch

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SANS-PAPIERS ZH
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BLEIBERECHTS-DEMO
Sa 3.1.09, 13.30 Uhr, ZH-Zähringerplatz.
"Bleiberecht für alle - Das Recht auf Hoffnung zurück!"

Mehr Infos: www.bleiberecht.ch
BITTE WEITERLEITEN.

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bleiberecht.ch 30.12.08

Veranstaltungen, Silvester, Demo am 3. Januar

Auch am 12. Tag ist die Stimmung in der von Sans-Papiers besetzten Predigerkirche nach wie vor gut. Hier das vorläufige Programm für die nächsten Tage:

Dienstag, 30. Dezember

18:00 Uhr: Vollversammlung
20:00 Uhr: Veranstaltung mit Graziella de Coulon und dem Lausanner Kollektiv

Mittwoch, 31. Dezember

ab 20:00 Uhr: Silvester-Apero und Musik

Samstag, 3. Januar

Demonstration "Bleiberecht für alle - Das Recht auf Hoffnung zurück!". (Besammlung um 13:30 Uhr Zähringerplatz)

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Solidaritätserklärung von PolitikerInnen aus SP, Grünen, CSP und AL

Seit dem 19. Dezember 2008 halten 150 Sans-Papiers und Mitglieder des Zürcher Bleiberecht-Kollektivs die Predigerkirche in Zürich friedlich besetzt. Sie machen damit auf die unerträgliche Situation der Sans-Papiers im Kanton Zürich aufmerksam. Allen Beteiligten gebührt ein grosser Dank für ihren Einsatz.

Wir Unterzeichneten stellen fest:

* In unserem Kanton wird das Leben der Sans Papiers, die nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, immer menschenunwürdiger.Das totale Arbeitsverbot und die Ausgestaltung der Nothilfe im Rahmen der verschärften Gesetzgebung drängt die Betroffenen in die Illegalität: Mit Fr. 8.50 pro Tag in Form eines Migrosgutscheins kann man hier nicht existieren.
* Die gesetzlichen Härtefallbestimmungen für langjährig anwesende Asyl Suchende, Sans Papiers und Personen mit "erfülltem Aufenthaltszweck" (infolge von Invalidität oder Auflösung der ehelichen Gemeinschaft) finden im Kanton Zürich praktisch keine Anwendung.

Wir Unterzeichneten fordern:

* Wer als Asyl Suchender abgewiesen wurde, aber nicht ausgeschafft werden kann, muss einen Aufenthaltsstatus erhalten, der es erlaubt, in der Schweiz legal und unter menschlich akzeptablen Bedingungen zu leben. Dazu gehört das Recht, arbeiten zu dürfen, um die eigene Existenz zu sichern. Zur Feststellung der Identität sind auch andere Dokumente als nur Reisepapiere anzuerkennen.
* Die Schikane der wöchentlichen Zuweisung einer anderen Unterkunft für Asyl Suchende mit NEE (Nichteintretensentscheid) oder mit abgewiesenem Asylgesuch ist aufzuheben.
* Die gesetzlichen Möglichkeiten, Bewilligungen aus humanitären Gründen zu erteilen (Härtefallbewilligungen), sind endlich im Sinne einer humanen und unbürokratischen Praxis voll auszuschöpfen.
* Die kantonale Härtefall-Kommission, die 1999 von Regierungsrätin Rita Fuhrer abgeschafft wurde, muss wieder eingeführt und mit Antragsrecht an die Regierung ausgestattet werden.

Mit Unterschriften: http://www.bleiberecht.ch/?p=428#more-428

Auch der Verein unabhängiger ÄrztInnen schickte uns eine Solidaritätserklärung (pdf).
http://www.bleiberecht.ch/wp-content/uploads/2008/12/0812pm-sp-kirchenbesetzung1.pdf

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a-films.blogspot.com 30.12.08

Am Freitag, 19. Dezember 2008 haben rund 150 Sans-Papiers und solidarische AktivistInnen die Predigerkirche in Zürich besetzt. Sie kämpfen damit für ein Bleiberecht und ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben. Die BesetzerInnen verlangen vom Kanton Zürich Papiere für alle, die Aufhebung des Arbeitsverbotes und die Umsetzung der Härtefallregelung.

Im Kurzfilm sprechen drei MigrantInnen über die Aktion, ihre Probleme und
Hoffnungen.

Der 10-minütige Film kann hier angeschaut/heruntergeladen werden:
http://a-films.blogspot.com/2008/12/281208de.html

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tagesanzeiger.ch 30.12.08

Demo der Papierlosen: Polizei muss Notbewilligung erteilen

Die Besetzer der Predigerkirche am Zürcher Zähringerplatz wollen am Samstag ihre Forderungen auf die Strasse tragen. Die Polizei muss hierzu eine Notbewilligung erteilen.

Seit rund 10 Tagen besetzen Papierlose die Predigerkirche und kämpfen für ihr Bleiberecht in der Schweiz. Um sich noch mehr Gehör zu verschaffen, wollen sie ihre Forderungen auf die Strasse tragen. Für den kommenden Samstag ist um 14 Uhr ein Demonstrationsumzug durch die Zürcher Innenstadt geplant.

"Ich gehe davon aus, dass die Bewilligung erteilt wird"

Bei der Polizei ist bereits am Montagabend ein Demonstrationsgesuch vom Bleiberecht-Bewegung eingegangen, bestätigt Marco Bisa, Pressesprecher der Stadtpolizei Zürich, auf Anfrage. Da die zuständigen Behörden während der Festtage nicht besetzt sind, muss die Polizei eine sogenannte Notbewilligung für die Demonstration erteilen. "Das Gesuch muss noch geprüft werden. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Bewilligung erteilt wird", so Bisa.

Die Route des Demonstrationsumzugs müsse allerdings noch angepasst werden. Die Stadtpolizei Zürich wird daher mit den Veranstaltern der Kundgebung am Dienstagnachmittag die Abläufe nochmals detailliert durchgehen.

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tagesanzeiger.ch 30.12.08

Kirchenbesetzer wollen Lösung erzwingen


Polizeidirektor Hans Hollenstein will erst mit den Besetzern der Predigerkirche sprechen, wenn sie das Gotteshaus geräumt haben. Diese aber wollen bleiben und am Samstag demonstrieren.

Vor der Pforte mitten in der Altstadt steht ein Wald von Transparenten ("Bleiberecht Jetzt") und eine improvisierte Feldküche. Im Innern der Predigerkirche türmen sich Rucksäcke, Schlafsäcke, Süssmostharassen und Teigwarenvorräte der Besetzer. Die Sitzpolster der Kirchenbänke sind zum Teil abgeräumt und dienen als Schlafunterlage. In einer Ecke haben die Asylrechts-Aktivisten ein Büro mit Personalcomputer eingerichtet. Transparente und Flugblätter verkünden Forderungen der Besetzer, rufen aber auch zu Aktionen gegen das Weltwirtschaftsforum WEF in Davos auf. Die Kirchgemeinde hat die Mittagsgebete abgesagt.

"Wir sind hier, wir bleiben hier, wir wollen eine Lösung", sagte Mitorganisator Michael Stegmaier gestern, am elften Tag der Besetzung. Die Regierung sei an der Besetzung schuld, erklärte Stegmaier weiter. Nach der Besetzung des Zürcher Grossmünsters vor einem Jahr seien sie von ihr "über den Tisch gezogen" worden. Stegmaier wiederholte die Forderung, Polizeidirektor Hans Hollenstein (CVP) müsse zu Verhandlungen in die Kirche kommen.

Hollenstein stellt Bedingungen

Hollenstein bekräftigte gestern im Regionaljournal von Radio DRS, er biete ein Gespräch am 5. Januar an, aber nur unter der Bedingung, dass die Kirche geräumt werde. "Ich lasse mich nicht erpressen", sagte der Regierungsrat. Die Besetzer wollen darauf nicht eingehen und planen für Samstag eine Demonstration in Zürich.

Die Besetzer um Michael Stegmaier fordern vom Kanton zwei Zugeständnisse:

Mehr Nothilfe. Die Nothilfe für abgelehnte Asylbewerber sei zu verbessern.

Aufenthalt für Härtefälle. Die Praxis bei der Gewährung von Aufenthaltsbewilligungen für Härtefälle sei zu revidieren.

Laut Stegmaier ist der Kanton Zürich in beiden Punkten weit härter als andere Kantone. Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, die Mitte Dezember in einem ausführlichen Bericht die seit Anfang Jahr gültigen Nothilfe-Lösungen in den Kantonen verglichen hat, liegt Zürich im Mittelfeld: "Er ist weder besonders grosszügig noch besonders hart", sagt Yann Golay, Pressesprecher der Flüchtlingshilfe.

In Härtefällen sehr grosszügig?

Zur Situation bei der Anerkennung von Härtefällen wollte sich Golay hingegen gestern nicht äussern. Eine Untersuchung mit aktuellen Zahlen sei bei der Flüchtlingshilfe gerade in Arbeit. Ein Blick in die Statistik des Jahres 2007 zeigt, dass Zürich beim Bund fünf Härtefall-Anträge gestellt hat, wovon vier bewilligt wurden. Im selben Zeitraum hatten zum Beispiel St. Gallen 79 und Bern 103 Anträge gestellt, wovon der Bund die meisten guthiess.

Polizeidirektor Hollenstein erklärte gestern dagegen im Radio, Zürich sei bei den Härtefallgesuchen "sehr grosszügig", falls Menschen "echt in Not seien". 40 bis 50 Prozent der Härtefall-Gesuche würden weitergeleitet.

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tagesanzeiger.ch 30.12.08

Sans-papiers: Festnahme nach TV-Interview

Die Polizei hat zwei Sans-papiers aus der Predigerkirche verhaftet. Beide gaben kurz davor Interviews. Die verbleibenden Besetzer befürchten weitere Festnahmen.

Nachdem an der Pressekonferenz vom Montagmorgen schon einer der Pressesprecher der Sans-papiers fehlte, weil er bereits am Freitag von der Polizei vorübergehend festgenommen worden war, kam es am Dienstag für die Besetzer noch dicker: Laut Iris Hartmann vom Bleiberecht-Kollektiv sei einer aus ihrem Kreise, der am Montag ein Fernsehinterview gegeben hatte mittlerweile in Haft.

Im Umgang mit den Medien sind die Sans-papiers deshalb vorsichtiger geworden. Zwar lassen sich noch viele gerne auf ein Gespräch ein - schliesslich wollen sie auf ihre Situation aufmerksam machen -, doch Namen werden keine mehr genannt. Auch für Fotos oder Filmaufnahmen geben nur noch wenige ihr Einverständnis.

Viele Sans-papiers geben im Gespräch mit Tagesanzeiger.ch an, dass sie sich gewohnt sind, bei Polizeikontrollen auf die Wache mitgenommen zu werden. Ihr behelfsmässiger Ausweis werde nur von den wenigsten Polizisten akzeptiert. Jeder der Besetzer in der Predigerkirche kenne diese Situation und habe sie teilweise schon mehrfach erleben müssen, sagt einer der Papierlosen.

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NZZ 30.12.08

Besetzer der Predigerkirche wollen Druck verstärken

Kundgebung am 3. Januar geplant

 -yr. Zehn Tage nach dem Beginn der Besetzung der Zürcher Predigerkirche ist das Bleiberecht-Kollektiv am Montag erneut an die Öffentlichkeit gelangt. An einer Medienkonferenz ist von der Zürcher Kantonsregierung ultimativ ein Lösungsvorschlag für die sogenannten Sans-Papiers, zumeist abgewiesene Asylbewerber, gefordert worden. Seit der Besetzung des Grossmünsters vor einem Jahr stehe man in Verhandlung, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, sagte ein Sprecher. Vielmehr sei man von der Regierung über den Tisch gezogen worden. Diesmal liessen sich die Besetzer nicht mehr mit leeren Versprechen abspeisen. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, ist für den kommenden Samstag eine Kundgebung in der Zürcher Innenstadt geplant. Ein entsprechendes Bewilligungsgesuch sei bei der Polizei eingereicht worden.

 Polizeidirektor Hans Hollenstein ist nach wie vor bereit, am 5. Januar eine Delegation der Besetzer zu empfangen, sofern die Predigerkirche bis dahin freigegeben ist. Andernfalls will der Regierungsrat die Gespräche mit Vertretern der Reformierten Landeskirche führen. Die Besetzer wehren sich vor allem gegen die angeblich rigide Praxis bei Härtefällen von abgewiesenen Asylbewerbern. Dieser Vorwurf wird von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe relativiert (NZZ 23. 12. 08). Im Vergleich mit anderen Kantonen dürfte Zürich im Mittelfeld liegen.

 Am Montag haben sich auch zwei Parteien zur Besetzung der Predigerkirche vernehmen lassen. Die Grünen werfen Regierungsrat Hans Hollenstein in einem Communiqué vor, die Möglichkeiten nicht zu nutzen, die bei Härtefällen bestünden. Die Grünen fordern ihn deshalb auf, beim Migrationsamt eine adäquate Politik in die Wege zu leiten. Demgegenüber wirft die SVP den Kirchenvertretern vor, sich mit unechten Flüchtlingen zu solidarisieren und dadurch zu helfen, das neue, mit deutlicher Mehrheit angenommene Asyl- und Ausländergesetz zu unterlaufen.

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Bund 30.12.08

Kirchenbesetzer verstärken Druck

Zürich Die rund 150 Sans-Papiers, die seit dem 19. Dezember die Predigerkirche im Zürcher Niederdorf besetzen, beharren auf ihren Forderungen und verstärken den Druck. Sie planen neben weiteren Aktionen auch eine Demonstration. "Wir sind hier, wir bleiben hier, wir wollen eine Lösung", sagte Michael Stegmaier vom Bleiberecht-Kollektiv am Montag vor den Medien in der Predigerkirche. Sie warteten auf ein konkretes Angebot der Zürcher Regierung. Die Regierung sei schuld, dass die Papierlosen hier seien, sagte Stegmaier weiter. Nach der Besetzung des Zürcher Grossmünsters vor einem Jahr seien sie von ihr "über den Tisch gezogen" worden. "Wir wollen keinen Dialog der Sackgasse mehr." Stegmaier betonte erneut, dass Regierungsrat Hans Hollenstein in die Kirche kommen solle.

 Allerdings: Der zuständige Kirchenratspräsident Ruedi Reich sagte auf Anfrage, die Regierung habe ihm ausgerichtet, als gewählter Polizeivorsteher könne Hollenstein nicht mit Besetzern verhandeln. Ein Ultimatum zum Auszug aus der Predigerkirche gebe es aber nicht. Die Landeskirche wolle eine Eskalation vermeiden. Es sei aber klar, dass die Predigerkirche nicht auf längere Zeit besetzt bleiben könne. Reich forderte die Zürcher Regierung auf, möglichst bald öffentlich zu erklären, wie ihre Haltung bezüglich Sans-Papiers und Härtefällen sei.

 Regierungsrat Hans Hollenstein will am 5. Januar eine Delegation der Besetzer empfangen, jedoch nur, wenn die Besetzung bis dann beendet ist. Das Gespräch werde ansonsten nur mit Vertretern der reformierten Landeskirche geführt, sagte Reich weiter.

 Die Sans-Papiers fordern vom Kanton Zürich konkrete Zusagen für bessere Lebensbedingungen. Die Behandlung von Härtefällen werde im Kanton Zürich allzu rigide gehandhabt, kritisieren sie. (sda)

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bleiberecht.ch 29.12.08

a-films: Interviews

Für das Video siehe hier
http://www.archive.org/details/bleiberecht281208

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20min.ch 29.12.08

Kirchenbesetzer: "Wir sind hier, wir bleiben hier"

Die rund 150 Sans-Papiers, die seit dem 19. Dezember die Predigerkirche im Zürcher Niederdorf besetzen, beharren auf ihren Forderungen und verstärken den Druck. Sie planen neben weiteren Aktionen auch eine Demo.

"Wir sind hier, wir bleiben hier, wir wollen eine Lösung", sagte Michael Stegmaier vom Bleiberecht-Kollektiv am Montag vor den Medien in der Predigerkirche. Sie würden auf ein konkretes Angebot der Zürcher Regierung warten.

Die Regierung sei schuld, dass die Papierlosen hier seien, sagte Stegmaier weiter. Nach der Besetzung des Zürcher Grossmünsters vor einem Jahr seien sie von ihr "über den Tisch gezogen" worden. "Wir wollen keinen Dialog der Sackgasse mehr". Stegmaier betonte erneut, dass Regierungsrat Hans Hollenstein in die Kirche kommen soll.

Keine Verhandlung mit Besetzern

Hollenstein könne als gewählter Polizeivorsteher aber nicht mit Besetzern verhandeln, habe der Regierungsrat ihm gesagt, sagte der reformierte Kirchenratspräsident Ruedi Reich auf Anfrage. Ein Ultimatum zum Auszug aus der Predigerkirche gebe es aber nicht, sagte Reich weiter.

Die Landeskirche wolle eine Eskalation vermeiden. Es sei aber klar, dass die Predigerkirche nicht auf längere Zeiten besetzt bleiben könne. Reich forderte die Zürcher Regierung auf, möglichst bald öffentlich zu erklären, wie ihre Policy bezüglich Sans-Papiers und Härtefälle sei und welche Unterschiede gegenüber anderen Kantonen bestünden.

Regierungsrat Hans Hollenstein will am 5. Januar eine Delegation der Besetzer empfangen, jedoch nur wenn die Besetzung bis dann beendet ist. Das Gespräch werde ansonsten nur mit Vertretern der reformierten Landeskirche geführt, sagte Reich weiter.

Die Sans-Papiers fordern vom Kanton Zürich konkrete Zusagen für bessere Lebensbedingungen. Vor allem die Behandlung von Härtefällen werde im Kanton Zürich allzu rigide gehandhabt, kritisieren sie.

Kritik der Parteien

Die Parteien richten ihre Kritik derweil an unterschiedliche Adressen. Die Grünen fordern Regierungsrat Hollenstein auf, sich der Situation zu stellen und eine "adäquate Härtefallpolitik" in die Wege zu leiten, wie sie am Montag mitteilten. Holenstein solle sich zudem mit den Papierlosen an einen Tisch setzen.

Unterstützung erhält der Polizeivorsteher hingegen von der SVP. Die Anschuldigungen gegenüber dem Migrationsamt und dem Regierungsrat seien fehl am Platz, schreibt die Partei in einer Mitteilung. Sie kritisiert die Kirchgemeinde, die "an der verfahrenen Situation" eine Mitschuld trage.

Anstatt die Behörden zu erpressen, sollte sich die Kirchgemeinde besser darauf besinnen, die Zürcher Behörden um Räumung der Kirche zu bitten, schreibt die SVP.

Quelle: SDA/ATS

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Info-Box

Aus verschiedenen Gründen papierlos

Über die Anzahl Sans-Papiers in der Schweiz gibt es keine genauen Zahlen. Eine im Auftrag des Bundesamtes für Migration erstellte Studie kam auf einen Stand von rund 90 000 im Jahr 2005. Andere Schätzungen kommen auf höhere Zahlen.

Die Gründe, weshalb jemand keine Papiere besitzt, sind mannigfaltig, wie die Deutschschweizer Beratungsstellen für Sans-Papiers auf ihrer Homepage schreiben. Es sind unter anderem frühere Saisonniers, Arbeitsimmigranten aus aussereuropäischen Ländern oder abgewiesene Asylsuchende.

Saisonniers aus dem ehemaligen Jugoslawien verloren mit Einführung des "Dreikreisemodells" Mitte der Neunzigerjahre ihre Saisonbewilligung. Jugoslawien gehörte nicht mehr zu den Rekrutierungsländern. Wer keine Jahresaufenthahlsbewilligung erlangte und nicht nach Hause zurückkehrte, wurde zum Sans-Papier.

Eine weitere Kategorie sind Arbeitsimmigranten aus Ländern ausserhalb der EU. Laut Ausländergesetz sind zu "niedrig qualifizierten" Arbeiten nur EU-Immigranten zugelassen. Dennoch wandern viele Menschen etwa aus Lateinamerika, Asien oder Osteuropa ein und finden Arbeit ohne eine Bewilligung zu haben.

Auch abgewiesene Asylsuchende oder solche, auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde, gehören zu den Sans-Papiers. Viele von ihnen tauchen vor dem anberaumten Ausreisetermin unter. Nach dem Termin ist ihr Aufenthalt in der Schweiz illegal.

Und schliesslich gibt es noch jene Ausländer, die selbst zwar völlig legal in der Schweiz leben, aber ohne Bewilligung Familienangehörige nachkommen lassen, Migrantinnen, welche nach weniger als fünf Jahren Ehe mit einem Schweizer geschieden wurden, oder ehemaligen Studierende, welche nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht ausreisten.

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bleiberecht.ch 28.12.08

Pfarrer Sieber folgt der Einladung der Sans-papiers in die Predigerkirche

Videoaufnahme des Gesprächs der Sans-papiers mit Pfarrer Sieber
http://www.bleiberecht.ch/wp-content/uploads/2008/12/PfarrerSieberBesuchtDieSansPapier.mov

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augenauf.ch

Grussbotschaft an die KirchenbesetzerInnen in Zürich
Liebe Freunde

Wir, die Gruppe augenauf, schliessen uns den Forderungen an und schicken euch solidarische Grüsse. Wir wünschen euch viel Kraft und Ausdauer beim Kampf um das Bleiberecht und für ein menschengerechtes Leben.

Ihr alle kämpft für eine Sache, die auch die unsere ist und auch die unsere sein sollte. Denn es vergeht kein einziger Tag an dem Flüchtlinge nicht unter den verschiedensten Formen des Rassismus und der Diskriminierung zu leiden haben.
Kein einziger Tag vergeht - an dem Flüchtlinge nicht angefeindet oder gar körperlich angegriffen und misshandelt werden.
Kein einziger Tag vergeht - an dem Flüchtlinge nicht verurteilt, eingesperrt und ausgeschafft werden.
Kein einziger Tag vergeht - an dem keine Flucht- und kriegstraumatisierten Kinder, Frauen und Männer schmerzhaft daran erinnert werden, dass sie hier in der Schweiz nicht willkommen sind.
Und kein einziger Tag vergeht - an dem Menschen, die von der Nothilfe leben müssen, nicht hungrig, frustriert und allein gelassen ihren Alltag in Asylunterkünften und Containern fristen müssen.

Wir von der Gruppe augenauf versichern euch unsere Solidarität und unseren Willen, zusammen mit euch und im Rahmen unseren Möglichkeiten für die Rechte der Sans Papiers und Flüchtlinge zu kämpfen.

Wir danken euch für den Mut und den Durchhaltewillen, den es braucht, um den Kampf für ein menschenwürdiges Leben zu führen.

Wir bedanken uns auch bei jenen Aktivistinnen und Aktivisten, die den Flüchtlingen solidarisch zur Seite stehen und sie tatkräftig unterstützen.  

augenauf Zürich, Bern und Basel

mehr unter: www.bleiberecht.ch

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PROGR
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Bund 30.12.08

Progr-Künstler machen Ernst

Finanzierungsnachweis für das Künstler-Projekt im Berner Progr

Die Progr-Künstler haben Zusagen von über 10,5 Millionen Franken für den Weiterbetrieb des Kulturzentrums.

Der Berner Stadtrat muss erneut über die Zukunft des Progr befinden: Die Kunstschaffenden des "Zentrums für Kulturproduktion" übergeben morgen der Liegenschaftsverwaltung ein konkretes Kaufangebot für den Progr. Eine Stiftung soll das historische Gebäude für 2,5 Millionen Franken von der Stadt im Baurecht erwerben. Für die Sanierungskosten sind 8 Millionen Franken veranschlagt. Die 10,5 Millionen Franken sollen zur Hälfte aus einer Hypothek und zur anderen Hälfte aus Darlehen und Schenkungen stammen. Über die Identität der Geldgeber ist zurzeit nichts bekannt, da die Zusagen vertraulich bei einem Anwalt erbracht wurden.

 Im Mai 2009 findet die Volksabstimmung über die künftige Nutzung des Progr statt. Zurzeit ist lediglich ein Votum über ein Gesundheitszentrum vorgesehen, das als Siegerprojekt aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist. Ob das Volk auch über das Künstler-Projekt befinden kann, entscheidet der Stadtrat. Die Fraktionen verlangen denn auch unisono mehr Informationen über Finanzierungsnachweis und Betriebskonzept. Laut Stadtpräsident Tschäppät (sp) muss die Finanzierung absolut sicher sein. "Es darf nicht sein, dass die öffentliche Hand zahlen muss."

 Bericht Seite 19Kommentar rechts

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Progr-Künstler haben genug Geld gesammelt

Morgen unterbreiten die Künstler des Progr der Stadt Bern ein Kaufangebot, einen Finanzierungsplan und ein Nutzungskonzept für das Kulturzentrum

Bernhard Ott

Bisher anonyme Geldgeber haben Darlehen und Spenden von gegen 5 Millionen Franken für den Erhalt des Progr als Kulturzentrum zugesagt.

Der Wettbewerb war vorbei, der Sieger schien klar: Im einstigen Stadtberner Progymnasium (Progr) soll nach dem Willen einer Jury unter Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) ein Gesundheitszentrum entstehen. Das Projekt der Allreal Generalunternehmung und der Bauart Architekten obsiegte gegenüber neun weiteren Eingaben. Die 150 Kunstschaffenden müssen ihre Ateliers bis Ende Juli 2009 räumen. Mitte Oktober haben sie jedoch überraschend angekündigt, den Progr von der Stadt im Baurecht erwerben zu wollen. Mit knappem Mehr gewährte ihnen der Stadtrat eine Frist bis Ende Jahr, um den Finanzierungsnachweis zu erbringen. Diese Frist ist nun offenbar genutzt worden. "Wir reichen morgen bei der Stadt ein Budget über 10,5 Millionen Franken für den Kauf und die Sanierung des Progr ein", sagt Peter Aerschmann, Präsident der Künstlerinitiative Pro Progr. Gemäss einer Medienmitteilung sind für den Kauf des Gebäudes 2,5 Millionen Franken vorgesehen. Die Sanierung wird auf 8 Millionen Franken veranschlagt. Der jährliche Baurechtszins von 320000 Franken und die Betriebskosten sollen zum grössten Teil aus den Mieteinnahmen gedeckt werden.

Geldgeber sind vorläufig anonym

Die Kunstschaffenden mussten bis Ende Dezember Zusagen für 5 Millionen Franken sammeln, damit das Hypotheken-Darlehen der Bank in der Höhe von 5,5 Millionen Franken eingelöst werden kann. Über die Identität der Geldgeber kann Aerschmann nichts Genaues sagen. "Die Zusagen erfolgen vertraulich und werden von einem Anwalt verwaltet." Dieser habe dem Verein jeweils nur das Total der Zusagen übermittelt. Noch Mitte Dezember waren dies lediglich 1,73 Millionen Franken. An Heiligabend jedoch waren die nötigen 4,5 Millionen beisammen. "Die meisten Zusagen sind im letzten Moment eingetroffen", sagt Aerschmann. Der Verein bemühe sich um weitere Zuwendungen, um die Atelier-Mieten möglichst gering zu halten. Bei mehr als der Hälfte der zugesicherten Geldsummen handle es sich um zinslose oder günstige Darlehen.

Teilweise Rotation in den Ateliers

Zum Nutzungskonzept will Aerschmann keine genaueren Angaben machen, solange die Stadt das Angebot noch nicht geprüft hat. Klar ist, dass eine Stiftung das Haus kaufen und die Vergabe der Ateliers organisieren soll. Dem Stiftungsrat werden nebst den Kunstschaffenden auch Finanzexperten sowie Vertreter von "Partnerorganisationen" angehören. "Eine Stadtbeteiligung wäre hier sehr erwünscht", sagt Aerschmann.

Die Raumbelegung soll teilweise nach dem Rotationsprinzip erfolgen. Ziel ist, dass in rund einem Drittel der 50 Ateliers Mieter-Rotationen stattfinden. Darunter fallen insbesondere die Gastateliers und die von verbilligten Mieten profitierenden Förderateliers. Aerschmann weist darauf hin, dass Kunstschaffende "ohnehin in Bewegung" seien. So finde von Jahr zu Jahr auch ein "natürliche Fluktuation" unter den eingemieteten Künstlern statt.

Eine "gfreute Sache" . . .

 Grünes Bündnis (GB) und SP sind "erfreut" über den Sammelerfolg der Kunstschaffenden. GB-Kofraktionschefin Stéphanie Penher verlangt aber Transparenz bezüglich der Geldgeber und die Ausarbeitung eines langfristigen Betriebskonzepts. Auch SP-Fraktionschefin Giovanna Battagliero fordert den Gemeinderat dazu auf, eine exakte Prüfung des Künstler-Angebotes vorzunehmen.

Mehr Informationen verlangt die neue Fraktion BDP/CVP. Das Künstlerprojekt könnte eine "gfreute Sache" geben, sagt Kofraktionschef Kurt Hirsbrunner. Der Stadtrat könne aber erst entscheiden, "wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen". Michael Köpfli von den Grünliberalen verlangt längerfristige Zusicherungen für die Entrichtung des Baurechtszinses und genauere Angaben zu den Sanierungskosten. Die Grünliberalen seien grundsätzlich offen gegenüber dem Künstler-Projekt. "In der Stadt Bern darf es aber nicht Schule machen, dass die Spielregeln bei Bauvorhaben nachträglich über den Haufen geworfen werden", sagt Köpfli.

. . . oder ein "gefährliches Zeichen"?

Etwas schärfer äussert sich die FDP: "Das Vorgehen der Progr-Künstler ist alles andere als fair", sagt Kofraktionschefin Dolores Dana. Mit der Berücksichtigung des Künstler-Projektes würde der neue Stadtrat ein "gefährliches Zeichen" aussenden. "Wozu führt die Stadt noch Investorenwettbewerbe durch, wenn deren Ergebnisse ohnehin über den Haufen geworfen werden?" Falls sich der Stadtrat entschliesse, dem Volk eine Variantenabstimmung vorzulegen, müsse sich die Investorin des Siegerprojekts hintergangen fühlen. Dana hegt Zweifel, ob die Geldgeber ihre Zusagen auch einhalten werden. "Wir haben eine Finanzkrise. Vielleicht sieht das für den einen oder anderen rasch wieder anders aus." Der Gemeinderat müsse die Verbindlichkeit der Geldzusagen jedenfalls genau prüfen, sagt Dana.

"Natürliches" Investoren-Risiko

Laut Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) brauchen sich die Promotoren des Gesundheitszentrums nicht hintergangen zu fühlen. Bei öffentlichen Wettbewerben liege es "in der Natur der Sache", dass die Ausführung von politischen Entscheiden abhänge. "Der Gemeinderat steht bezüglich des Wettbewerbs zu seinem Wort." Er werde das Künstler-Angebot prüfen und dem Stadtrat entsprechend Bericht erstatten. Ob das Volk im Mai 2009 über zwei Varianten befinden könne, entscheide das Parlament. Der Finanzierungsnachweis der Künstler müsse aber sicher sein. "Es darf nicht sein, dass die öffentliche Hand für den Progr zahlen muss", sagt Tschäppät.

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Kommentar

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser

Bernhard Ott

Mit einem Zufallsmehr von zwei Stimmen hat der Berner Stadtrat Anfang November beschlossen, den Progr-Künstlern eine Chance zu geben. Bis Ende Jahr sollten sie den Finanzierungsnachweis für den Kauf und die Sanierung des Gebäudes erbringen. Zwei Tage vor Ablauf dieser Frist scheinen die Kunstschaffenden das Ziel erreicht zu haben. Dank einer Hypothek von 5,5 Millionen Franken und Zusagen für Darlehen und Spenden in der Höhe von 5 Millionen Franken soll das anvisierte Ziel erreicht worden sein.

Falls die Geldgeber ihre Versprechen auch einhalten, ist das ein fulminanter Erfolg. Im Unterschied zum Beispiel zum Sponsoring beim Bärenpark handelt es sich bei den Progr-Geldern aber mehrheitlich um Darlehen, die zurückgezahlt werden müssen. Zudem gibt es zurzeit weder zu den Geldgebern noch zum Nutzungskonzept genauere Angaben. Der Stadtrat hat den Progr-Künstlern Zeit und Vertrauen geschenkt, damit diese den Finanzierungsnachweis zur Fortführung des "Zentrums für Kulturproduktion" erbringen können. Nun braucht es aber volle Transparenz für eine Überprüfung des Angebots durch die Stadt. Es darf nicht sein, dass Bern Gefahr läuft, Geld in eine weitere kulturelle Baustelle zu investieren.

Der neue Stadtrat scheint geneigt zu sein, den Progr-Künstlern eine weitere Chance zu geben und dem Volk eine Variantenabstimmung vorzulegen. Falls es so weit kommen sollte, brauchen die Stimmberechtigten genaue Zahlen und Fakten. Kauf und Sanierung des historischen Gebäudes sind das eine - aber ist der Betrieb des Kulturzentrums auch mittel- bis langfristig gesichert? Reichen die Mietzinseinnahmen auf die Dauer aus, um Baurechtszins und laufenden Unterhalt zu begleichen? Oder muss der Progr seinen Geldgebern Werbefläche zur Verfügung stellen?

Vor einer allfälligen Variantenabstimmung kann immerhin über die wichtigste Frage diskutiert werden, die einst auch in der Wettbewerbsjury eine Rolle gespielt haben dürfte: Braucht Bern an dieser zentralen Lage eine kulturelle Nutzung oder ein Mischnutzung? Die Jury kam zum Schluss, dass eine Mischnutzung des Progr als Gesundheits-, Schul- und Kulturort attraktiver wäre als die einfache Nutzung des Gebäudes als Hotel oder Luxuswohnraum.

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BZ 30.12.08

Geld für Progr ist da

Progr-Künstler haben 10,5 Millionen Franken gesammelt. Das Ziel, ihre Ateliers in der Stadt Bern zu erhalten, ist näher gerückt.

Kunstschaffende, die im Zentrum für Kulturproduktion Progr im ehemaligen Progymnasium Bern Ateliers gemietet haben, trugen innert weniger Wochen 10,5 Millionen Franken zusammen. Das Finanzierungs- und Betriebskonzept für den Progr überreichen sie heute der Stadt. Sie haben somit die Frist bis Ende Jahr, die ihnen der Stadtrat einräumte, genutzt. Dieser wies das Geschäft im November an den Gemeinderat zurück, um der Künstlerinitiative eine Chance zu geben.

Ob der Wettbewerbssieger Allreal aus Zürich definitiv Konkurrenz erhält, ist aber noch nicht sicher. Die Stadt prüft nun, ob das Konzept die Anforderungen erfüllt. Für die Stadtratsfraktionen ist klar, dass die Finanzierung "hieb- und stichfest" sein muss. Besonders die Gegner der Rückweisung pochen darauf, dass keine zusätzlichen Kosten für die Stadt entstehen dürfen. Das Projekt, soll es dem Stimmvolk vorgelegt werden, müsse selbsttragend sein. stc/cab

Seite 23

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Erfolg für Progr-Künstler

"Zum Feiern ist es zu früh"

Die Progr-Künstler haben es geschafft: Innerhalb weniger Wochen haben sie 10,5 Millionen Franken für den Kauf des alten Progymnasiums am Waisenhausplatz Bern aufgetrieben. Jetzt prüft die Stadt das Angebot.


Gerade noch rechtzeitig: Morgen, am letzten Tag des Jahres, übergibt die Künstlergruppe Pro Progr der Liegenschaftsverwaltung Bern ein Kaufangebot für das Gebäude am Waisenhausplatz. Ausgearbeitet wurde der Finanzierungsplan und das Nutzungskonzept für das Kulturzentrum Progr von Künstlerinnen und Künstlern, die sich in den zahlreichen Ateliers eingemietet haben - und die verhindern wollen, dass aus dem Gebäude an prominenter Lage ein Gesundheitszentrum (siehe Kasten) wird.

Dem ausgearbeiteten Konzept ging ein grosser Kraftakt voraus: Mit Benefizveranstaltungen und Verhandlungen mit potenziellen Mäzenen trieb die Künstlerinitiative in den letzten Wochen die nötigen 2,5 Millionen Franken für den Kauf des Gebäudes sowie 8 Millionen für dessen Sanierung auf. Die eine Hälfte stammt aus einer Hypothek, für welche sich die Credit Suisse bereit erklärt hat, die andere Hälfte setzt sich aus Schenkungen und Darlehen zusammen.

Langfristige Finanzierung

Damit der vom Stadtrat vorgegebene Eingabetermin 31.Dezember fristgerecht eingehalten werden kann, hat die Liegenschaftsverwaltung Bern eigens für Pro Progr einen Mitarbeiter aufgetrieben, der morgen trotz geschlossener Büros das Kaufangebot entgegennimmt.

"Wir freuen uns sehr, doch zum Feiern ist es noch zu früh. Zwar haben wir die erste Hürde genommen, uns steht aber noch ein langer Weg bevor", sagt Peter Aerschmann, Videokünstler und Präsident von Pro Progr. Die Gruppe denkt langfristig, auch was den finanziellen Betrieb des Progr anbelangt: Die zugesicherten Darlehen laufen durchschnittlich auf zehn Jahre, der Hypothekarzins, der Baurechtszins und die Betriebskosten sollen von den Ateliermieten bezahlt werden. Diese werden wohl etwas steigen, "es muss aber für alle bezahlbar sein", so Aerschmann.

Die Kulturproduktion bleibt oberste Priorität, darum ist eine Stiftung Progr vorgesehen, die das Haus betreiben soll. Auch in Zukunft sollen Kulturorganisationen, Kunstschaffende und ein Gastro-Betrieb unter dem Progr-Dach vereint werden. Dafür kann etwa der bisherige Ausstellungsbetrieb laut Finanzierungsplan nicht mehr finanziert werden. "Dies wäre eine gute Gelegenheit für die Abteilung Kulturelles der Stadt Bern oder für eine Galerie, sich im Progr einzumieten", so Aerschmann.

Kulturpolitisch interessant

Stadtpräsident Alexander Tschäppät findet das Konzept "kulturpolitisch äusserst interessant. Jetzt muss im Detail abgeklärt werden, ob alle Auflagen erfüllt werden." Dies obliegt zuallererst der Liegenschaftsverwaltung. Wenn diese keine finanziellen und formalen Lücken feststellt, geht das Kaufangebot in den Gemeinderat. "Der Stadtrat wird dann entscheiden, wie es weitergeht. Auf jeden Fall sollte es reichen für die Volksabstimmung im Mai", so Tschäppät. Falls Pro Progr mit ihrem Konzept so weit kommt, wird dies die letzte Hürde sein, die es zu nehmen gilt.

Über Silvester wird also auch im Progr gefeiert - aber vorerst nur das neue Jahr. Über den erreichten Teilerfolg freuen sich die Künstler vorerst zurückhaltend.
Stefanie Christ

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Allreal-Projekt

Geduldsprobe für Sieger

Im Februar wäre das 25-Millionen-Franken-Projekt "Doppelpunkt" der Zürcher Firma Allreal, das ein Gesundheitszentrum und die Weiterführung des Kulturlokals Turnhalle vorsieht, zur Abstimmung gekommen. Die Gewinnerin des Investorenwettbewerbs muss sich nun gedulden. Kunstschaffende des Progr lancierten erst nach dem Juryentscheid ein eigenes Projekt. Im November wies der Stadtrat dann das Geschäft mit 36 gegen 34 Stimmen zurück und gewährte der Künstlerinitiative Pro Progr die Frist bis am 31.Dezember, um ein eigenes Projekt mit Finanzierungsplan und Betriebskonzept vorzulegen. Allreal zeigte sich erstaunt ob dieser Entscheidung: Das sei ein unerfreuliches Signal, das die Stadt da an potenzielle Investoren aussende, sagte Sprecher Matthias Meier im November auf Anfrage. Allreal sei aber weiterhin am Progr interessiert. Die Volksabstimmung wird voraussichtlich Mitte Mai stattfinden.
cab

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20min.ch 29.12.08

Künstler wollen Progr selbst kaufen

von Simone Hubacher

Die Künstler des Progr wollen der Stadt Bern morgen ein Kaufangebot für das Kulturzentrum vorlegen. Nach ihren Angaben haben sie das Geld zusammen.

Innert sieben Wochen haben die im Progr beheimateten Künstler 10,5 Millionen Franken aufgetrieben. Diese sind zur Hälfte aus einer Hypothek und zur anderen Hälfte aus Darlehen und Schenkungen zusammengekommen. "Wir haben daran geglaubt, es zu schaffen. Es ist aber erst ein Etappenziel", sagt Peter Aerschmann, Präsident der Künstlerinitiative Progr.

Die Stadt als Besitzerin der Liegenschaft will diese per Ende Juli 2009 verkaufen. In einem Wettbewerb hatte ein Gesundheitszentrum das Rennen gemacht. Der Stadtrat wies das Projekt Anfang November aber an den Gemeinderat zurück und beauftragte ihn, auch ein Kaufangebot der jetzigen Nutzer, der 150 Kunstschaffenden, zu prüfen.

Was aus dem Progr wird, ist damit noch nicht entschieden. Nach dem Gemeinderat wird wieder der Stadtrat darüber befinden. Das letzte Wort hat aber das Volk.

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Link-Box
www.progr.ch

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KUNST VS SOZAMT
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Bund 30.12.08

Zufallsforscher stolpert über eigenes Schicksal

Der Gründer und Präsident des Berner Vereins Mondoskop und des Ateliers für Zufallsforschung legt sich mit der Sozialbehörde der Stadt Bern an

Daniel Vonlanthen

Er gilt als genialer Künstler und Regisseur. Als Mensch kämpft Matthias Schmid um seine Existenz und Gesundheit - das Sozialamt der Stadt Bern hat ihm die finanzielle Unterstützung verweigert.

Der soziale Abstieg beginnt im August 2004 mit einem Absturz: In der Nähe von Innertkirchen stürzt Matthias Schmid mehrere Meter einen steilen Abhang hinunter und bricht sich beim Aufprall auf einen Felsbrocken das Schienbein. Er wird notfallmässig ins Spital Interlaken eingeliefert. Dort liegt er fast fünf Tage auf der Intensivstation; die Ärzte sehen von einem operativen Eingriff ab, weil der Patient angeblich betrunken ist.

Schmid fühlt sich nicht ernst genommen: Er habe einen Fluchtversuch unternommen und sei dann ins Zieglerspital nach Bern verlegt worden, erzählt er. Es folgen neun Operationen, ein Teil der Beinmuskulatur muss entfernt werden. So kann immerhin die Amputation des Beins vermieden werden. Dreieinhalb Monate Spitalaufenthalt und zehn Monate Arbeitsunfähigkeit sind die Folge. Heute kann Schmid mit Stützschuhen wieder gehen. Schmid verklagt das Spital Interlaken mithilfe eines Anwalts auf 130000 Franken Schadenersatz. Der Fall ist hängig.

Mit "Mondoskop" auf Tournee

In der Zeit der Rekonvaleszenz entwickelt Schmid, Bühnenbildner und Eisenplastiker von Beruf, das Theaterprojekt Mondoskop und gründet für die Umsetzung den gleichnamigen Verein. Aus gesundheitlichen Gründen kann er keine schwere Arbeit mehr verrichten. In seinem "Atelier für Zufallsforschung" baut er die Apparaturen auf und kann rund 60 Künstlerinnen und Künstler, einige aus dem Umfeld der Reitschule, für das Projekt gewinnen.

Es soll eine "Liebeserklärung ans Kleintheater" werden. Das Bühnenbild besteht aus zehn Kisten, die Musikautomaten oder Tanksäulen ähneln, eine jede mit Elektromotoren, Servoantrieben, einer Audio-Anlage, Steuersoftware, Hilfsprogrammen und einem Münzprüfer ausgerüstet. Nach dem Geldeinwurf geben die Automaten gemäss programmierter Choreografie ihr mechanistisches Kleinsttheater mit Musik und Texten wieder. Echte Schauspieler und Schauspielerinnen betten die Automatenszenerie in eine reale Handlung ein. Das Mondoskop gastiert am Theaterspektakel in Zürich und am Buskers in Bern. Die Auftritte spielen allerdings wenig Geld ein; der Verein sitzt auf einer Schuld von einigen Zehntausend Franken. Schmid bleibt, wie die letzten Jahre nach dem Unfall, auf Sozialhilfe angewiesen.

Das städtische Sozialamt schickt ihn zwecks beruflicher Neuorientierung ans Kompetenzzentrum Arbeit. Schmid beharrt jedoch darauf, seinen künstlerischen Verpflichtungen dem Verein Mondoskop gegenüber nachzukommen, dessen Präsident er selber ist. Die Sozialbehörde, die unter enormem politischem Druck steht, ausgelöst durch die Debatte um die angebliche Häufung von Missbrauchsfällen, zeigt sich zunehmend ungeduldig. Sie verlangt Einblick in die Verträge und in die aktuelle Buchhaltung des Vereins Mondoskop.

Buchhalter in den Ferien

Doch Schmid kann keine aktuellen Zahlen liefern. Das Sozialamt macht ihn auf die Konsequenzen der Nichteinreichung der geforderten Unterlagen aufmerksam. Ende September verfügt das Amt die sofortige Einstellung der finanziellen Unterstützung. "Verweigert eine Hilfe suchende Person die Mitwirkung, wird gemäss Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege die Sozialhilfe eingestellt", lautet die Begründung. Schmid legt Beschwerde ein. Da der Vereinsbuchhalter in den Ferien weile, sei die fristgerechte Einreichung der Unterlagen unmöglich, begründet Schmid.

Regierungsstatthalterin Regula Mader stützt den Entscheid der städtischen Sozialbehörde. Wegen der fehlenden Unterlagen sei eine umfassende Prüfung der aktuellen finanziellen Situation durch die Behörde in der Tat unmöglich. Es gebe somit berechtigte Zweifel an Schmids Bedürftigkeit.

Dank verständnisvollem sozialem Umfeld darf Schmid vorerst in seiner Wohnung bleiben. Er will als Künstler und Regisseur weiterarbeiten und verfolgt ein neues Projekt: einen "Abend gegen das Vergessen". Zusammen mit weiteren Partnern plant Schmid eine grosse Gala für Demenz- und Alzheimerkranke samt ihren Begleitpersonen. Das künstlerische Experiment basiert auf Bildern, Musik, Theater, Tanz und Gerüchen.

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WASSERWERK
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Bund 30.12.08

Der Zeit zu weit voraus

Arci Friede und Dave Marshal haben dem Berner Ausgehlokal Wasserwerk neues Leben eingehaucht - nun treten sie zerknirscht ab

Simon Jäggi

Einen Hauch von Weltstadt haben die Wasserwerk-Betreiber in das Matte-Ausgehlokal bringen wollen. Doch was etwa in Berlin das Partyvolk bewegt, interessiert in Bern mässig, haben Arci Friede und Dave Marshal merken müssen.

Zwei Laptops. Viel mehr Inventar benötigen Arci Friede und Dave Marshal nicht. Die beiden Computer, die im kleinen Büro an der Aebistrasse in der Länggasse auf dem Holztisch stehen, sind ihre Eintrittstüren in die weite Welt. Fenster in das Kulturleben von Berlin, London, Paris. Friede und Marshal hängen ständig an ihren Kisten, auch während Zeitungsinterviews.

Ein Fenster in die Clubs der Metropolen - zu dem wollten die beiden Berner auch das Wasserwerk machen, als sie es vor vier Jahren übernahmen. Das Ausgehlokal im Mattequartier, das 1992 öffnete und in dem heutige Weltstars wie The Roots oder Faithless auftraten, war niedergewirtschaftet, als Friede und Marshal einen Neuanfang wagten. "Wir wollen das Wasserwerk zu dem machen, was es früher war", sagte damals Friede dem "Bund".

Mehr Lob in Zürich

Dass ihnen das nicht gelungen ist, räumen Friede und Marshal freimütig ein. "Unser Konzept ist gescheitert", meint Friede. Das ist ein hartes Urteil. Denn das Gespann hat dem vor sich hin siechenden Club neues Leben eingehaucht: Das Wasserwerk ist zu Berns erster Adresse geworden, wenn es um zeitgenössische Clubkultur geht. Das hat den beiden viel Anerkennung eingebracht. "Ich bin extrem froh gewesen, dass es das Wasserwerk gab", sagt etwa Christoph Haller, DJ der stadtbekannten Roundtable Knights und selbst Veranstalter, etwa der Moustache-Serie in der Dampfzentrale. Was erstaunlich gewesen sei: Gelobt worden sei das Wasserwerk-Programm oftmals von Auswärtigen, etwa von Zürcher Szeneleuten. Die "Wasi"-Betreiber seien der Zeit voraus gewesen, oftmals zu weit.

Mit Respekt kann man sich aber nichts kaufen: Trotz hochgerühmtem Programm hat der Club unter zu wenig Publikum gelitten. "Wir sind nie auf einen grünen Zweig gekommen", konstatiert Friede. Sie lebten stets von der Hand in den Mund. Jedes Wochenende bis in die Morgenstunden im Club zu stehen - und wenig zu verdienen -, das sei auf Zeit keine Lösung.

Treu, aber träge

Es ist ein Lied, in das viele Veranstalter einstimmten: Was der Berner und die Bernerin nicht kennen, darauf lassen sie sich nur ungerne ein. "Man kann den Leuten noch hundert Jahre erzählen, dass dieser Act der letzte Schrei ist - die Leute kommen nicht", stellt Marshal fest. Bewährte Kost hat dafür in der Bundesstadt eine erstaunlich lange Halbwertszeit. Beispiel: Die Veranstaltung Mouthwatering, die auch nach elf Jahren noch immer Tanzwillige anzieht. Unter der Trägheit des Berner Ausgehvolks hätten sie "extrem gelitten", sagen die beiden - nicht ohne Bitterkeit.

Doch es gibt eine Reihe von Gründen, warum die Wasserwerk-Betreiber nach rund 400 Anlässen den Bettel hinschmeissen. Der Standort in der Matte sei ein schwieriger. Und noch immer leide das Lokal unter dem schlechten Ruf von einst: "Mit den Altlasten, die uns unsere Vorgänger hinterlassen haben, haben wir bis heute zu kämpfen", sagt Friede. Getränkefirmen wollten zuerst nicht liefern, Konzertagenturen waren skeptisch - in dieser Hinsicht habe man aber inzwischen Vertrauen zurückgewonnen. Ein Problem bleibt die alte Soundanlage, die so manchem Musikfreund die Freude verdorben hat. Für eine neue reichte das Geld nie.

Das Wasserwerk erhält keine Subventionen von der Stadt. Und auf die städtische Kulturförderung sind Friede und Marshal nicht gut zu sprechen: Sie kritisieren, dass in der Abteilung Kulturelles das Fachwissen für Clubkultur fehle. "Clubkultur wird nicht als vollwertiger Kulturzweig angesehen", beklagt Friede. Mehrmals hätten sie erlebt, dass subventionierte Clubs ihnen Bands abgeluchst hätten, die das Wasserwerk aufgebaut hätte. Ein aktueller Fall betreffe den Dachstock. "Wir verlieren Geld mit einem unbekannten Act, und ein subventionierter Club profitiert von unserer Aufbauarbeit - was hat das mit Kulturförderung zu tun", fragt Marshal rhetorisch.

Zukunft noch unklar

Am 17. Januar findet der letzte Anlass unter Friede und Marshal statt. Was danach mit dem "Wasi" geschieht, ist unklar. Nachfolger stünden bereit, diese wollten aber noch ungenannt bleiben. "Die neuen Betreiber wollen mit Stadt und Vermieter eine Situation schaffen, in der man ruhiger arbeiten kann", so Friede. Schon vor einem Jahr drohte das Aus: Der Vermieter verlängerte den Mietvertrag zunächst nicht.

Friede und Marshal werden wohl weiterhin im "Wasi" tätig sein - ihre bewährten Partys wollen sie als externe Veranstalter weiterführen. Zudem betreiben die beiden seit einem Jahr die Kunstgalerie Milieu. Ansonsten werden sie wohl noch öfter vor ihren beiden Laptops an der Aebistrasse sitzen und in die weite Welt schweifen. Mit ihrer Kreativagentur Yuhzimi bieten sie die "Integration" von Marken in die Kulturszene an, zurzeit versuchen sie, ein bekanntes Aperitiv-Getränk in der Kunstszene beliebt zu machen. Zudem versuchen die beiden, ihr Partylabel Art of Partying in die Metropolen zu bringen - nach Berlin, London, Paris.

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HOMOPHOBIE
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20min.ch 29.12.08

Rom

Beissattacke gegen den Papst

von Amir Mustedanagic

Gefährlicher Protest: Nach der Mitternachtsmesse im Petersdom versuchte eine Italienerin den Papst in den Hals zu beissen. Nach einiger Verwirrung ist jetzt klar, was die in der Schweiz lebende Angreiferin mit ihrer Attacke bezwecken wollte.

Papst Benedikt XVI. hatte gerade seine Weihnachtsbotschaft an die Welt gerichtet und machte sich an Heiligabend auf, den Petersdom zu verlassen, als ihm eine Person aus der Menschenmenge entgegenstürmte. Der mit einer Kapuze vermummte Angreifer wurde umgehend von den Leibwächtern des Papstes niedergerungen. Weder der Papst noch die anwesenden Zuschauer schenkten dem Zwischenfall danach weiter Beachtung.

Vatikansprecher Federico Lombardi sagte am Tag darauf gegenüber der Nachrichtenagentur AP, der Mann habe vermutlich den Papst begrüssen wollen. Jedenfalls sei er weder bewaffnet gewesen, noch habe man ihn als Gefahr betrachtet. Das hat sich inzwischen als eine etwas schönfärberische Darstellung des Vorfalls herausgestellt.

Protest gegen päpstliche Aussagen zu Homosexuellen

Die Person war zwar tatsächlich nicht bewaffnet gewesen, von einer Begrüssung kann aber keine Rede sein. Laut Erwin Niederberger, dem Medienverantwortlichen der Schweizergarde, handle es sich beim Angreifer um eine psychisch labile Italienerin. "Die Frau wollte den Papst in den Hals beissen", so Niederberger gegenüber 20 Minuten Online. Sie habe damit gegen die in ihren Augen unfairen Äusserungen des Papstes gegen Homosexuelle protestieren wollen.

Die in der Schweiz lebende Italienerin befindet sich gemäss Niederberger inzwischen in polizeilichem Gewahrsam. Ob sie in die Schweiz zurückkehren wird, wo sie in psychiatrischer Betreuung stehe, sei unklar. "Das muss die italienische Polizei entscheiden", so Niederberger weiter.

Zweiter "Anschlag" auf den Papst

Bereits im Juni 2007 kam es zu einem Angriff auf den Papst vor laufenden Kameras (siehe Video unten). Damals hatte ein 27-jähriger Deutscher versucht das Papamobil zu entern, weil er glaubte der wiedergeborene Jesus Christus zu sein. Dem Mann war es gelungen, auf dem Petersplatz über eine Absperrung zu springen, als der Pontifex an einer Menschenmenge vorbei zur wöchentlichen Generalaudienz fuhr. Sicherheitsleute des Vatikans fassten den Angreifer jedoch rechtzeitig, so dass er den offenen Geländewagen nur kurz berührte. Der junge Mann war aufgrund seines geistig verwirrten Zustandes nach der Verhaftung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen worden.

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THUN
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BZ 30.12.08

Thun: Scheiben im "Turm" eingeschlagen

Sind die Vandalenakte politisch motiviert?

Hakenkreuz-Schmierereien und kaputte Scheiben: Gleich zweimal über Weihnachten schlugen beim "Turm" Vandalen zu.

Menschen mit Zerstörungsabsichten suchten über die Weihnachtstage das Restaurant Turm im Coop-Kyburg-Gebäude an der Schwäbisgasse 1 heim. Mehrere Scheiben gingen zu Bruch. Jüngst geschah dies in den frühen Morgenstunden von gestern Montag. "Unbekannte schlugen mehrere Scheiben ein. Doch niemand hat etwas gesehen", sagt Betriebsinhaberin Ursula Krebs. Bei der Schadensbegutachtung seien auch Hakenkreuz-Schmierereien gefunden worden.

Bereits in der Nacht auf vorletzten Sonntag, 21.Dezember, wurden am selben Ort Fenster eingeschlagen. "Es geschah kurz nach Betriebsschluss um etwa 0.45 Uhr. Das Restaurant war schon leer", sagt Krebs. "Plötzlich schlug jemand von aussen sieben Scheiben ein." Die Täter mit einer Ausnahme flüchteten. Dieser habe sich beim Einschlagen an der Hand verletzt und sei ins Spital gebracht worden.

10000 Franken Schaden

Die kaputten Scheiben sind noch nicht ersetzt worden. "Wir haben sie notfallmässig abgedeckt. Wir konnten sie noch nicht austauschen lassen, weil bei der zuständigen Firma wegen der Festtage keine Angestellten zur Verfügung stehen." Krebs schätzt den Schaden der beiden Vorfälle auf bis zu 10000 Franken. Sie hat Anzeige gegen unbekannt erstattet.

Die Kantonspolizei gab gestern keine näheren Informationen bekannt. "Die Ermittlungen sind im Gang. Das ist alles, was ich zurzeit sagen kann", teilte Kapo-Sprecher Heinz Pfeuti mit.

Ursula Krebs äusserte die Vermutung, dass die Täter aus dem Dunstkreis der rechtsextremen Szene stammen. Laut Krebs haben solche Personen nämlich Lokalverbot im "Turm". "Bislang haben sie sich daran gehalten, und es hat auch keine Probleme gegeben", sagt Krebs, die früher das "Selve-Gärtli" an der Scheibenstrasse im Selve-Areal führte.

Waren es Linksextreme?

Doch es ist auch möglich, dass es sich um linksextreme Personen gehandelt hat. Laut Peter Siegenthaler (SP), dem Sicherheitsvorsteher der Stadt Thun, markieren Linksextreme nämlich oft Lokalitäten mit Hakenkreuzen, um anzuzeigen, dass Rechtsextreme dort verkehren. Er hat Kenntnis vom ersten Vorfall. Dabei sei es auch zu einer Schlägerei gekommen. Ob die Taten aber politisch motiviert waren, weiss er nicht. "Gemäss meinen Infos war das ‹Selve-Gärtli› ein Ort, wo sich Leute trafen, die am rechten politischen Rand anzusiedeln sind. Ob diese nun zum ‹Turm› gezügelt sind und die Vorfälle damit zusammenhängen, kann ich zurzeit nicht beurteilen", sagte er auf Anfrage.

Christoph Kumme

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ANTI-WEF
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Südostschweiz 30.12.08

Gegen das WEF wird erneut demonstriert

Die Grüne Partei Davos will auch 2009 einen Protest gegen das Jahrestreffen des World Economic Forum organisieren.

Von Béla Zier

Davos. - Gegen das Jahrestreffen des World Economic Forum (WEF), das vom 28. Januar bis 1. Februar im Davoser Kongresszentrum stattfindet, wird erneut eine Demonstration vor Ort durchgeführt. Als Organisator tritt wie in den vergangenen Jahren die Grüne Partei Davos auf. Wie ihr Mediensprecher, der Davoser Landrat Rolf Marugg, gestern auf Anfrage sagte, wird man der Gemeinde Davos ein Gesuch für eine Demonstrationsbewilligung für den 31. Januar einreichen. An der letztjährigen Davoser WEF-Demo, die ohne jegliche Zwischenfälle verlaufen war, hatten sich rund 90 Personen beteiligt.

Protest am WEF-Hauptsitz geplant

Gegen das bevorstehende WEF soll aber nicht nur im Landwassertal selbst protestiert werden. Wie Aufrufen linker Gruppierungen im Internet zu entnehmen ist, sind zudem auch Demonstrationen in St. Gallen sowie Genf geplant.

In St. Gallen soll am 29. Januar gegen das WEF protestiert werden. Zu dieser Demo ruft ein Bündnis auf, das sich unter anderem aus der Grünen Partei, den Jungsozialisten sowie der Partei der Arbeit zusammensetzt. In Genf, dort befindet sich der Hauptsitz des WEF, soll am 31. Januar eine internationale Demonstration stattfinden. Diese Protestversammlung wird durch ein Bündnis bestehend aus der Action Autonome und Attac Genève organisiert. Der Aufruf zur Anti-WEF-Demonstration in Genf wird unter anderem auch vom Revolutionären Aufbau Schweiz unterstützt.

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ANTI-ATOM
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Basler Zeitung 30.12.08

Zürcher Hilfe für die Bözberger

Eine Widerstandsgruppe gegen das Atom-Endlager in Benken (ZH) will ihre Erfahrungen teilen

Timm Eugster, Benken (ZH)

Das Zürcher Weinland ist SVP-Land: konservativ und atomfreundlich. Eine kleine Widerstandsgruppe hat es trotzdem geschafft, dass Benken nicht mehr alleine im Fokus für ein Atommüll-Endlager steht.

Die Hügel sind nebelverhangen, der Wind bläst nasskalt, der Erdboden ist matschig. Jean-Jacques Fasnacht macht all das nichts aus: Im schicken weissen Tommy-Hilfiger-Hemd, den obersten Knopf geöffnet, posiert er für den Fotografen. Eine Jacke braucht er nicht - der sportliche Landarzt strahlt förmlich vor warmer Energie. Und schliesslich harrte er schon bei garstigerem Wetter hier auf dem Nagra-Testgelände in seinem Wohnort Benken aus. Vor zehn Jahren hatte die Entsorgungsgesellschaft der Atomkraftwerkbetreiber und des Bundes hier am Rand des schmucken Weinbauern-Dorfes mit ihren Sondierbohrungen begonnen - unterdessen hat sie nach eigenem Bekunden den Entsorgungsnachweis für hoch radioaktive Abfälle erbracht. "Wir hatten schon viele Demos und Aktionen hier", erzählt Fasnacht in seinem Berner Dialekt: "Das angrenzende Land gehört befreundeten Bauern." Ja, die gibt es. "Unterdessen arbeiten sogar SVP-Kantonsräte mit uns zusammen", betont Fasnacht stolz.

Bedroht

Das ist alles andere als selbstverständlich: Im ländlichen, bürgerlich-wertkonservativen Weinland ist ein linksgrüner Atomkraftgegner wie Jean-Jacques Fasnacht, der 1968 als Gymnasiast am Basler Realgymnasium RG von der Revolte träumte und in den Siebzigerjahren bei der Besetzung des AKW-Geländes in Kaiseraugst mit dabei war, ein Exot. Die Linken und Grünen sind denn auch praktisch unter sich in der lokalen Organisation "klar!", die seit 14 Jahren nicht nur gegen ein Atom-Endlager vor der Haustüre, sondern gegen Atomkraft an und für sich kämpft. Zu Beginn richtete sich die Wut der Bevölkerung denn auch weniger gegen die Nagra als gegen Fasnacht und seine Mitstreiter: "Ich habe damals regelmässig anonyme Todesdrohungen in der Post gehabt." Die betroffenen Gemeindebehörden halten sich bis heute mit Stellungnahmen gegen ein Endlager zurück; zum Teil sendeten sie sogar Signale, dass man ein Endlager letztlich akzeptieren würde. "Die Nagra hat sich damals wohl gedacht, die Benkemer wehren sich nicht", meint Bea Fasnacht, die Frau des Landarztes, während sie die Gäste im gemütlichen Einfamilienhaus der achtköpfigen Familie mit Kaffee und Kuchen bewirtet. Doch das änderte sich - langsam zwar, aber stetig, sagt Fasnacht: "Die Stimmung am letzten Infoanlass war eindeutig ablehnend", erzählt er begeistert. Vieles habe sich geändert in den letzten Jahren: "Heute äussert sich niemand mehr öffentlich für ein Endlager. Und ich erhalte keine anonymen Drohungen mehr."

Will Aargauern helfen

Der grösste Erfolg aber ist, dass der Standort Benken nicht mehr der einzige ist, der als Endlager zur Diskussion steht: Der Bund hat die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktive Abfälle jetzt auf die Standorte Bözberg und nördlich der Lägeren ausgeweitet. Fasnachts Widerstandsgruppe hatte eine solche Ausweitung der Suche schon immer gefordert. Nach jahrelangem Zögern hatten sich schliesslich auch die betroffenen Gemeinden dieser Forderung angeschlossen - was schliesslich den Durchbruch gebracht hat.

"Aus einem Benkemer Problem ist wieder ein nationales Problem geworden", freut sich Fasnacht: "Jetzt gibt es auf einmal sehr viele mögliche Betroffene, mit denen wir unseren Widerstand vernetzen können." Atomgegner Fasnacht ist nicht einer, der froh ist, wenn es andere trifft - nein, er will sein Protest-Know-how sogar andernorts zur Verfügung stellen. Insbesondere der traditionell atomfreundliche Aargau könne noch "argumentative Entwicklungshilfe" brauchen, so Fasnacht: "Wir haben bereits Kontakte geknüpft."

Entscheidend sei in konservativen, tendenziell atomfreundlichen Gegenden das Auftreten, erklärt Fasnacht das Erfolgsrezept: "Wir sind keine Schreckgespenster - wir sind respektierte Bewohner dieser Landschaft." Fasnacht ist mit seinen sechs Kindern ein geachteter Familienvater, mit seinen zehn Angestellten in seiner Praxis der grösste Arbeitgeber im Dorf, und mit seinem Offroader - ein sparsamer Lexus Hybrid - erreicht er den abgelegensten Hof. Und wenn der Arzt in seiner ruhigen, selbstsicheren Art vom Schutz des heutigen und des zukünftigen Lebens in dieser schönen Landschaft des Zürcher Weinlands spricht, dann punktet er bei Konservativen genauso wie bei Grünen.

"Die Nagra und die Behörden versuchen jetzt mit ihrem sogenannten ‹Partizipationsverfahren› - letztlich einem psychotherapeutischen Trick - bei den Leuten Akzeptanz für ihre Endlagerpläne zu schaffen", so Fasnacht: "Aber wir haben mit unseren Argumenten die Köpfe schon längst besetzt."

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Radikalere Nachbarn

Unterstützung. Im Gegensatz zur Zürcher Regierung, die sich erst seit Kurzem gegen ein Atomendlager im Zürcher Weinland ausspricht, übt der Nachbarkanton Schaffhausen schon seit Jahren grossen Druck aus. 1980 stand die Schaffhauser Grenzgemeinde Siblingen im Fokus der Nagra für ein Endlager - doch nach heftigen Protesten der Bevölkerung wurden die Pläne fallengelassen. In der Folge hat das Stimmvolk dann sein Nein zu einem Atomendlager in der Verfassung verankert und die Regierung verpflichtet, Widerstand zu leisten gegen entsprechende Pläne. Diese Aufgabe nimmt die aktuelle Schaffhauser Regierung sehr ernst: Sie befürchtet einen Imageschaden für den Wohn- und Wirtschaftsstandort. Heftigen Druck hat in jüngster Zeit auch Deutschland ausgeübt.  te