MEDIENSPIEGEL 31.12.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Kundgebung Gaza 2.1.09
- Sans-Papiers ZH: Härtefälle-Praxis nötig
- Ecstasy-Konsum riskanter
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REITSCHULE
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- Dez/Jan 08: Beteiligt Euch an der
Vorplatz-Präsenz!!!
- Restaurant Sous Le Pont vom
1.-12.1.09 geschlossen
PROGRAMM:
Mi 31.12.08
21.00-05.00 - Kino/Frauenraum - UNCUT
FILM (21.00 Breakfast on Pluto; 01.30 Itty Bitty Titty
Committee) & Frauenraum-PARTY
NACHT bis 5.00 Uhr mit Anouk Amok
23.00 Uhr SousLePont - A Bad-Taste-Silvester Party mit
DJ-Set von Copy&Paste
Sa 3.1.09
13.30 - ZH-Zähringerplatz - BLEIBERECHTS-DEMO
http://map.search.ch/zuerich/zaehringerplatz?z=1024
So 4.1.09
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt
Infos: www.reitschule.ch
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GAZA
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Kundgebung
Freitag 2.1.09, 14 Uhr Helvetiaplatz
Gesellschaft Schweiz-Palästina, Verein der palästinensischen
Gemeinde
der Schweiz, Frieden und Gerechtigkeit in Palästina, Komitee
Palästina-Petition
http://www.nahostfrieden.ch/pdf/GAZA-Bern-2.1.09.pdf
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SANS-PAPIERS ZH
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Tagesanzeiger 31.12.08
"Es fehlt an einer einheitlichen Praxis für Härtefälle"
Zürich brauche eine Härtefallkommission, fordern
links-grüne Politiker.
Auch der Präsident der Zürcher CVP findet die Idee sinnvoll.
Wie sie
funktionieren könnte, macht Luzern vor.
Von Christina Leutwyler
Die Fronten zwischen den Besetzern der Predigerkirche in Zürich
und den
Kantonsbehörden sind verhärtet. Ein Streitpunkt ist die
Härtefallpraxis
des Kantons. "In dieser Situation könnte eine breit
abgestützte
Härtefallkommission als Puffer wirken und auch Druck vom
kantonalen
Migrationsamt wegnehmen", sagt die frühere
SVP-Generalsekretärin Myrtha
Welti, die von 2005 bis 2007 auf Bundesebene die Arbeitsgruppe
Sans-papiers geleitet hat. Sie hofft, Härtefallkommissionen
könnten
dazu beitragen, dass sich landesweit eine einheitlichere Praxis
herausbilde. Denn die grossen Unterschiede zwischen den Kantonen seien
problematisch. Zürich gilt - ausser bei vorläufig
aufgenommenen
Asylsuchenden - als sehr restriktiv.
16 von 37 Gesuchen unterstützt
Härtefallkommissionen gibt es bisher in Basel, Luzern und
Neuenburg.
Sie haben keine Entscheidkompetenzen, können den kantonalen
Behörden
aber empfehlen oder beantragen, Aufenthaltsbewilligungen zu erteilen.
Der Luzerner Härtefallkommission gehören je ein Vertreter der
CVP, FDP
und SVP, drei Vertreter von Hilfswerken und
Flüchtlingsorganisationen
sowie drei Vertreter der kantonalen Verwaltung an, wobei der Chef des
Amtes für Migration kein Stimmrecht hat. Sie behandeln nur
Gesuche, bei
denen nicht schon auf Anhieb klar ist, dass es sich um
Härtefälle
handelt, wie die Präsidentin und CVP-Kantonsrätin Heidi Duss
erklärt.
Die Härtefallkommission beschäftige sich intensiv mit den
einzelnen
Fällen und könne in alle Akten Einsicht nehmen. Im laufenden
Jahr habe
sie 16 von 37 Gesuchen unterstützt. Das Amt für Migration
habe aber
nicht alle diese Anträge ans Bundesamt für Migration
weitergeleitet,
ohne dessen Zustimmung kein Kanton Härtefallbewilligungen erteilen
darf. Weitere 8 Dossiers hat die Kommission laut Duss
zurückgestellt,
weil die Gesuchsteller zum Beispiel eine Frist noch nicht erfüllt
hätten. 13 beantwortete sie abschlägig.
Wie Myrtha Welti bemängelt auch Heidi Duss: "Es fehlt an einer
einheitlichen Praxis für Härtefälle." Zwar bestimmt die
Härtefallklausel im Asylgesetz, dass ein Gesuchsteller mindestens
fünf
Jahre in der Schweiz gelebt haben muss, nie untergetaucht sein darf und
"wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerer persönlicher
Härtefall" vorliegen muss. Nicht klar festgelegt ist aber zum
Beispiel,
welche Dokumente ein Gesuchsteller vorlegen muss, um sich zu
identifizieren.
Das Luzerner Amt für Migration und die Härtefallkommission
sind sich in
dieser Frage noch uneins. Bis heute könne aber eine tibetische
oder
afrikanische Identitätskarte ausreichen, wenn es keinen Grund
gebe,
eine Identität anzuzweifeln, sagt Duss. Das Zürcher
Migrationsamt
hingegen verlangt einen Pass, was die Besetzer der Predigerkirche als
zu strenge Anforderung betrachten.
In einer Solidaritätserklärung mit den Sans-papiers sprachen
sich
gestern über 80 links-grüne Zürcher Politiker für
eine
Härtefallkommission aus. Der Zürcher Regierungsrat hatte
schon 1999
eine solche Kommission eingesetzt, 2002 aber wieder aufgelöst. Als
Hauptgrund nannte er damals, dass "die Entscheidkompetenzen auf
Bundesebene angesiedelt sind". Das hat sich inzwischen geändert:
Seit
2007 können die Kantone gestützt auf das Asylgesetz
Härtefallbewilligungen erteilen, wenn der Bund zustimmt. "Wir
erwarten,
dass die Regierung die Kommission wieder einsetzt", sagt Esther Guyer,
Fraktionspräsidentin der Grünen. Wenn dies nicht geschehe,
"müssen wir
versuchen, eine möglichst grosse Koalition zusammenzubringen".
Guyer
sucht ausserhalb des links-grünen Lagers Verbündete bei der
CVP, EVP,
EDU und den Grünliberalen. 2007 hatten dem links-grünen Lager
im
Kantonsrat weniger als zehn Stimmen gefehlt, um eine
Härtefallkommission durchzubringen.
Der Zürcher CVP-Präsident Martin Arnold, der gestern erst in
eigenem
Namen Stellung nehmen konnte, beurteilt den Vorschlag einer
Härtefallkommission als sinnvoll. Längerfristig müsse
aber das
chronisch unterdotierte Migrationsamt aufgestockt werden. Wenn
Angestellte gestresst seien, könne dies dazu führen, dass
Härtefälle
nicht erkannt würden.
Diener: Neutrale Personen beiziehen
Verena Diener, Ständerätin der Grünliberalen, blieb
gestern vorsichtig.
"Wenn massive Spannungen bestehen, hat es sich bewährt, neutrale
Personen beizuziehen, um eine Eskalation zu vermeiden", sagte die
frühere Zürcher Regierungsrätin. Sie sei aber zu weit
weg vom Thema, um
zu beurteilen, ob eine Härtefallkommission jetzt richtig sei. Vor
allem
aber wollte sie Regierungsrat Hans Hollenstein nicht vorgreifen, der
für den 5. Januar ein Gespräch angeboten hat.
"Kirche ist nicht erpressbar", Seite 13
--
"Die reformierte Landeskirche ist nicht erpressbar"
Schmid Jürg
Kirchenratspräsident Ruedi Reich hat Verständnis für die
Schicksale der
Sans-papiers in der Predigerkirche. Aber er verlangt, dass die
Besetzung bald zu einem Ende kommt.
Mit Ruedi Reich sprach Jürg Schmid
Die 150 Sans-papiers halten an der Besetzung der Predigerkirche fest.
Lässt sich die Kirche erpressen?
Die reformierte Landeskirche ist nicht erpressbar. Die Besetzer wissen
auch, dass die Kirchgemeinde durch die Aktion bis ans Limit belastet
ist.
Die Pfarrerin und die Kirchenpflege leiden, und an der Kirchenbasis
beginnt es zu rumoren. Droht der Kirche eine Zerreissprobe?
Es sind Emotionen da, die wir ernst nehmen. Eine Spaltung sehe ich
nicht, aber unsere Kirchenmitglieder repräsentieren das ganze
Spektrum
von politischen und sozialen Haltungen. Persönlich habe ich das
Gespräch mit Regierungsrat Hans Hollenstein ermöglicht. Ich
habe das
den Besetzern vor Weihnachten mitgeteilt, und sie erklärten mir in
der
Kirche, dass sie das Gespräch nicht wollten. Das Vertrauen fehle.
Ich
hoffe immer noch, dass sie dazu bereit sind - unter der Bedingung, dass
sie die Besetzung abbrechen.
Ohne Räumung kein Gespräch?
Dann werde ich mit einer Delegation der Landeskirche mit Herrn
Hollenstein am 5. Januar ein Gespräch führen. Mit ihm habe
ich am
Montag bereits ein längeres persönliches Gespräch
geführt.
Welche Gefühle haben Sie gegenüber Besetzern, die den Dialog
verweigern?
Bei den Sans-papiers gibt es berührende Einzelschicksale. Sie sind
auch
ein Spiegel für das Elend auf dieser Welt. Die Besetzer
können jedoch
keine generelle Lösung ertrotzen. Zumindest die schweizerischen
Aktivisten müssten wissen, dass stets der Einzelfall beurteilt
werden
muss. Sie können nicht ein Bleiberecht für alle fordern und
sagen, wir
bleiben in der Kirche.
Eine verzwickte Situation: Beide Seiten, die Besetzer und die Kirche,
stellen Bedingungen. Sehen Sie noch einen Kompromiss?
Die Kirche stellt kein Ultimatum. Für die Kirchenpflege und
für mich
ist klar, die Besetzung muss möglichst bald zu einem Ende kommen.
Ich
stelle aber fest, die Besetzer sind nicht bereit, sich zu bewegen.
Hätten Sie und Hans Hollenstein nicht früher mit den
Besetzern in der Kirche verhandeln können?
Ich habe Verständnis dafür, dass der Polizeidirektor des
Kantons nicht
mit einem Kollektiv verhandeln kann, das illegal einen Raum besetzt,
während er nicht weiss, wer sein Gegenüber ist. Wir haben
keine
Namenlisten. Unter diesen Umständen kann Herr Hollenstein kein
direktes
Gespräch in der Kirche führen. Das hat er so entschieden. Ich
habe
bereits vor Weihnachten gesagt, dass es auch für mich sehr
schwierig
wäre zu vermitteln, solange die Kirche besetzt ist. Auch ich als
Kirchenratspräsident des Kantons Zürich bin nicht erpressbar.
Wäre eine polizeiliche Räumung der Kirche moralisch
vertretbar?
Das werden wir dann beurteilen, wenn es ansteht. Es ist ganz klar, dass
die Besetzung nicht unendlich fortgesetzt werden kann. Die Landeskirche
hat an zwei alternativen Orten Gastrecht angeboten. Wichtig scheint
mir, dass es um Menschen geht, die nicht unmittelbar bedroht sind. Es
ist kein Kirchenasyl. Die Leute gehen völlig frei ein und aus.
Für Proteste ist die Predigerkirche ein stärkeres Symbol als
ein Kirchgemeindehaus.
Die Kirche ist nicht ein Symbol für Protest, sondern ein
Grundsymbol
für Menschlichkeit. In diesem Sinn vermittelten wir auch das
Gespräch
mit Regierungsrat Hollenstein.
Die Landeskirche will sich verstärkt engagieren. Wie soll das
geschehen?
Wir haben dieses Jahr zusammen mit der katholischen Kirche mit Hans
Hollenstein Gespräche geführt. Anderseits sind die Aktivisten
seit der
Grossmünster-Besetzung vor einem Jahr und der jetzigen in der
Predigerkirche nie auf mich zugekommen. Sie haben uns nie über
bewilligte und nicht bewilligte Gesuche informiert. Wenn wir vermitteln
wollen, müssen wir die Dossiers der einzelnen Fälle kennen.
Was erwarten Sie von Hans Hollenstein?
Der Kirchenrat will geklärt haben, ob sich der Kanton bei
Härtefällen
härter verhält als andere Kantone. Hans Hollenstein habe ich
auch
gesagt, dass der Kirchenrat über die Härtefallkriterien genau
informiert werden will. Und ich habe die Regierung gebeten, diese
Kriterien dann auch öffentlich bekannt zu machen und wieder eine
Härtefallkommission einzusetzen.
Polizei verhaftete einen der Besetzer
Zürich. - Einer der 150 Sans-papiers, die seit dem 19. Dezember
die
Predigerkirche in Zürich besetzen, ist am Samstag von der
Stadtpolizei
verhaftet worden. Bei einer Kontrolle sei eine Einreisesperre
festgestellt worden, bestätigte die Stadtpolizei gegenüber
Tagesanzeiger.ch. Der Mann muss mit einer Ausweisung rechnen. Mehr als
80 Politiker von SP, Grünen, CSP und AL haben eine
Solidaritätserklärung unterzeichnet. Sie fordern eine humane
und
unbürokratische Praxis bei der Erteilung von Bewilligungen aus
humanitären Gründen. Die SVP der Stadt Zürich hingegen
verlangt, dass
die Stadtpolizei die Feldküche und die Transparente vor der
Predigerkirche entfernt. Regierungsrat Hans Hollenstein hält an
seinen
Verhandlungsbedingungen fest, wie er dem TA bestätigt. Er will am
5.
Januar nur eine Delegation der Besetzer empfangen, wenn die Kirche bis
dann geräumt ist. (smd)
---
NZZ 31.12.08
"Ich hoffe auf baldige Vernunft"
Kirchenratspräsident Ruedi Reich zur besetzten Predigerkirche
Gyr M. (yr)
Die kompromisslose Haltung der Kirchenbesetzer stösst laut Ruedi
Reich,
Präsident der reformierten Landeskirche, weitherum auf
Unverständnis.
Vom Regierungsrat erwartet er eine Stellungnahme zu den Vorwürfen
von
abgewiesenen Asylbewerbern.
Herr Reich, wie geht es weiter mit der seit über zehn Tagen von
Sans-Papiers besetzten Predigerkirche?
Ruedi Reich: Ich hoffe auf die möglichst baldige Einkehr von
Vernunft
seitens der Besetzer. Sonst entsteht möglicherweise ein Schaden
zulasten von Anliegen, die vielleicht durchaus ihre Berechtigung haben.
Wann wird die Kirche geräumt?
Dieser Entscheid obliegt der örtlichen Kirchenpflege als
Hausherrin der
Kirche. Aber wie gesagt, ich gehe davon aus, dass die Besetzer und ihre
Helfer Vernunft annehmen. Die Bedingungen waren von Anfang an klar: Ist
die Predigerkirche geräumt, wird Regierungsrat Hans Hollenstein am
kommenden Montag zusammen mit unserer Delegation auch Vertreter der
Sans-Papiers empfangen. Ist die Kirche hingegen bis dahin nicht
geräumt, wird die Delegation einzig von der reformierten
Landeskirche
gestellt.
Ist Ihnen in der Vermittlerrolle eigentlich wohl?
Das gehört zu den Grundaufgaben der Kirche. Sie war schon immer
dazu
prädestiniert, Brücken zu schlagen zwischen zwei scheinbar
festgefahrenen Positionen. Allerdings ist für mich die Wahrung des
Rechtsstaats unabdingbar. Ich bin zwar im Gespräch mit den
Besetzern,
lasse mich aber nicht auf Verhandlungen mit ihnen ein. Da bin ich
ebenso klar wie Polizeidirektor Hollenstein: Verhandelt wird erst, wenn
das Recht wiederhergestellt und die Kirche geräumt ist.
Sie hatten zuletzt auch intensiven Kontakt mit Regierungsrat
Hollenstein. Was erwarten Sie von ihm in dieser Angelegenheit?
Ich will, dass er gegenüber der Öffentlichkeit Stellung nimmt
zu den
Vorwürfen der abgewiesenen Asylbewerber. Wird die Nothilfe im
Kanton
Zürich tatsächlich einschneidender gehandhabt als andernorts?
Wird die
Möglichkeit, in Härtefällen Ausnahmebewilligungen zu
erteilen,
ausreichend genutzt? Wo besteht allenfalls Potenzial für ein
Entgegenkommen? Der Landeskirche ist auch wichtig, dass wieder eine
Härtefall-Kommission eingesetzt wird. Wir sind bereit, wie
früher ein
Mitglied in diese Kommission abzustellen.
Die SVP mahnt, die Kirche dürfe nicht zum Steigbügelhalter
einer
illegalen Besetzung werden, auf der anderen Seite haben sich rund 80
linksgrüne Politiker mit den Sans-Papiers solidarisiert.
Zum Wesen der Vermittlerrolle gehört es, dass von beiden Seiten
Bedenken angemeldet werden. Das nehmen wir zur Kenntnis.
Findet die liturgische Feier in der Predigerkirche am Neujahrstag wie
geplant statt?
Ja. Wir erwarten, dass die kirchlichen Veranstaltungen von den
Besetzern respektiert werden, wie dies an Weihnachten der Fall war. Mit
der Dauer der Besetzung nimmt die Belastung für die Kirchgemeinde
allerdings zu. Die kompromisslose Haltung der Sans-Papiers stösst
weitherum auf Unverständnis.
Wer ist kompromissloser: die Sans-Papiers oder deren Vertreter vom
Bleiberecht-Kollektiv?
Dazu äussere ich mich nicht.
Interview: -yr.
---
20min.ch 31.12.08
Protest in Predigerkirche
Unbehandelt, abgehandelt, auszuschaffen
von Katharina Bracher
In der Schweiz will man den Äthiopier Berhanu nicht mehr, in
seinem
Heimatland wartet Gefängnis oder der Tod auf ihn. Das Leben des
ehemaligen Regierungsmitarbeiters nahm einen harten Verlauf, aber nicht
hart genug, um in Zürich als Härtefall zu gelten.
Das ist der Preis, den man in Äthiopien für eine eigene
Meinung
bezahlt: Berhanu zeigt ein Foto von zwei Demonstranten, die
während den
Wahlen im Jahr 2005 vom äthiopischen Militär umgebracht
wurden.
Berhanu ist fünfzig Jahre alt. Das ist sechs Jahre älter als
die
durchschnittliche Lebenserwartung eines Äthiopiers. "Ich habe wohl
einige Jahre von jemand anders gestohlen", sagt Berhanu. Äthiopien
ist
eines der ärmsten Länder der Erde. Fast die Hälfte der
Einwohner ist
unterernährt. Jahrzehnte voll Überschwemmungen und
Dürreperioden
zerstörten die Haupteinnahmequelle der Menschen: Die
Landwirtschaft.
Hungerkatastrophen waren die Folge.
Hoffnung auf "demokratische Heilung"
Wie Mitte der 1980er-Jahre, in denen Berhanu, der Agrarökonomie
studiert hatte, als Koordinator für die Hilfsaktionen in den
Katastrophengebieten eingesetzt wurde. Unter dem Eindruck der
Leidensgeschichte seiner Landsleute kam Berhanu nach dem Sturz der
Mengistu-Regierung in die Region von Gambela an der Grenze zum Sudan.
Dort arbeitete er für die neue Regierung. Die Hoffnung auf eine,
wie
Berhanu sagt, "demokratische Heilung" seines Landes zerschlugen sich
aber rasch. Nach dem baldigen Sturz der Regionalregierung wurden
sämtliche Mitarbeiter inhaftiert. Bernhanu befand sich zu diesem
Zeitpunkt in Den Haag auf einem Weiterbildungslehrgang. Zwei seiner
Kollegen reisten zurück nach Äthiopien. Von ihnen hat Berhanu
nie
wieder gehört. Keiner weiss, was ihnen zugestossen ist. Für
Berhanu war
eine Rückkehr in seine Heimat nur noch unter Lebensgefahr
möglich.
Familie bedroht
"Ich hatte nicht vor, mich hier niederzulassen, ich brauchte einen
sicheren Platz, wo ich vorübergehend bleiben konnte." Darum kam
Bernahu
damals im Frühjahr 2000 nach Genf, denn in Holland konnte er nach
Ablauf seines Visums nicht bleiben.
Acht Jahre, zwei abgelehnte Asylgesuche und unzählige
Rekursanträge
später sitzt Berhanu im Zähringer Café in Zürich
neben der besetzten
Predigerkirche und zieht an einer Zigarette. Für einige Jahre
hatte er
ein normales Leben: Er arbeitete, hatte eine eigene Wohnung und kam
selbst für seinen Unterhalt auf. Seine Arbeitgeber stellten ihm
die
besten Arbeitszeugnisse aus. Sie hätten ihn gerne behalten. Doch
dann
kam der letzte definitive Bescheid. Obwohl Berhanu den Schweizer
Behörden seine Geschichte mit Dokumenten belegen kann, lehnt das
Migrationsamt seinen Antrag auf Asyl ab. Berhanu ist es von da an nicht
mehr erlaubt, zu arbeiten. Er verliert seine Arbeit, seine Wohnung.
Doch an eine Rückkehr nach Äthiopien ist nicht zu denken.
Da er für die Zentralregierung unerreichbar war, bestrafte man an
Bernahus Stelle seine Familie. Der Bruder verlor seinen Arbeitsplatz
und seine Eltern wurden bedroht. Berhanu spricht daher selten und nur
dann mit ihnen, wenn er einen sicheren Platz organisieren kann, an
welchem er sie anrufen kann.
"Gebt mir bitte noch etwas Zeit"
Berhanu träumt immer noch davon, zurückzukehren. Doch dass
kann er nur,
wenn sich die politische Verhältnisse in seinem Land ändern
und er
nicht mehr um sein Leben fürchten muss. Darum engagiert er sich
seit
einigen Jahren von der Schweiz aus für Demokratie in
Äthiopien. Er
steht in Kontakt mit Anhängern der unterdrückten
regierungskritischen
Opposition von Äthiopien.
Seit Anfang 2008 lebt Berhanu nun im Nothilfezentrum in Kempthal. Das
Härtefallgesuch, dass Berhanu zusammen mit der
Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich an den Kanton Zürich
richtete, liegt
unbehandelt in den Schubladen des Migrationsamtes. Berhanu beschwert
sich nicht. Er versucht, sich in jeder Situation zurechtzufinden. "Ich
brauche kein Geld, denn ich könnte für mich selbst sorgen,
wenn ich nur
arbeiten dürfte. Alles, worum ich bitte, ist etwas Zeit."
--
Info-Box
Kritik an Zürcher Härtefall-Praxis
Laut Statistik hat der Kanton Zürich beim Bund im Jahr 2007
fünf
Härtefall-Anträge eingereicht. Vier davon wurden bewilligt.
Im selben
Zeitraum hat der Kanton St. Gallen 79 Anträge und der Kanton Bern
103
Anträge gestellt. Der Bund hat die meisten dieser Gesuche
gutgeheissen.
Dennoch liess Polizeidirektor Hans Hollenstein kürzlich verlauten,
dass
Zürich "sehr grosszügig" mit Härtefallgesuchen umgehe,
falls "Menschen
in echter Not" seien. Angaben über die Härtefall-Praxis des
Kantons
Zürich im Jahr 2008 liegen bislang keine vor.
---
Landbote 31.12.08
85 Politiker solidarisch mit Besetzern
Eine humanere Politik gegenüber Sans-Papiers fordern Politiker von
SP,
Grünen, CSP und AL. 85 von ihnen haben eine Solidaritäts-
erklärung
unterzeichnet.
ZÜRICH - Die Erklärung der Politiker aus Stadt und Kanton
Zürich
enthält Forderungen zuhanden des Zürcher Sicherheitsdirektors
Hans
Hollenstein (CVP): Wer als Asylsuchender abgewiesen wurde, aber nicht
ausgeschafft werden könne, müsse einen Aufenthaltsstatus
erhalten, der
es erlaube, legal in der Schweiz zu leben, heisst es. Zu diesem Leben
gehöre das Recht, arbeiten zu dürfen, um die eigene Existenz
zu
sichern. Zudem seien zur Feststellung der Identität auch andere
Dokumente als nur Reisepapiere anzuerkennen.
Weiter wird gefordert, die wöchentliche Zuweisung einer anderen
Unterkunft für Asylsuchende mit Nichteintretensentscheid oder mit
abgewiesenem Asylgesuch aufzuheben. Die Unterzeichneten - unter ihnen
ZKB-Bankratspräsidentin Liselotte Illi - setzen sich auch
dafür ein,
dass die gesetzlichen Möglichkeiten, Bewilligungen aus
humanitären
Gründen zu erteilen, im Sinne einer humanen und
unbürokratischen Praxis
voll ausgeschöpft werden. Auch soll die kantonale
Härtefall-Kommission,
die 1999 von Regierungsrätin Rita Fuhrer (SVP) abgeschafft wurde,
wieder eingeführt werden. Sie soll mit einem Antragsrecht an die
Regierung ausgestattet werden.Grundsätzlich begrüssen es die
Politikerinnen und Politiker, dass die Schwächsten der
Gesellschaft,
die Sans-Papiers, sich für ihre Rechte einsetzen. Dank
gebühre auch der
Kirche, welche versuche, zwischen den betroffenen Menschen und dem
Regierungsrat zu vermitteln.
Kritik der SVP
Die Stadtzürcher SVP begegnete der Aktion dagegen "mit
grösster
Besorgnis und Unverständnis", wie die Partei mitteilte. Kritik
übte sie
namentlich an der vor dem Kircheneingang aufgebauten Feldküche
sowie an
den diversen Transparenten. Wer Standaktionen auf öffentlichem
Grund
durchführe, benötige eine polizeiliche Bewilligung, wurde
betont.
Rund 150 Sans-Papiers besetzen seit dem 19. Dezember die Predigerkirche
im Zürcher Niederdorf. Sie fordern vom Kanton Zürich konkrete
Zusagen
für bessere Lebensbedingungen. Vor allem die Behandlung von
Härtefällen
werde im Kanton Zürich allzu rigide gehandhabt, kritisieren sie.
Regierungsrat Hans Hollenstein will am 5. Januar eine Delegation der
Besetzer empfangen, falls die Kirche dann geräumt ist. Die
Besetzer
verlangen jedoch, dass das Gespräch in der Kirche stattfindet.
(sda/red)
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ECSTASY
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Tagesanzeiger 31.12.08
Ecstasy-Konsum zunehmend riskanter
Drogentester warnen vor Partydrogen, die keine sind. Die Zahl
gefährlicher Pillen nehme signifikant zu. Über die
Gründe rätseln
sowohl Polizei als auch Fachleute.
Von Maurice Thiriet
Pünktlich zur grossen Partynacht an Silvester warten die
Drogentester
des Zürcher Drogeninformationszentrums (DIZ) mit schlechten
Nachrichten
auf. "Hochdosierte Pillen und solche mit Fremdstoffen sind im Umlauf"
und "Starke Verbreitung in der Deutschschweiz", heisst es auf der
Homepage von Saferparty.ch seit vergangener Woche. Gemeint ist Ecstasy,
bei Partygängern beliebter Wohlfühl-Wachmacher. Für die
psychoaktive
Wirkung der Pillen ist das Amphetaminderivat MDMA verantwortlich.
Vernünftig dosiert, sind die Risiken des Konsums
überschaubar. Doch die
Substanz scheint zunehmend knapper zu werden, wie die Substanzen-Checks
des DIZ vermuten lassen.
Bereits im Herbst hatte das DIZ vor Tabletten gewarnt, die statt MDMA
andere bewusstseinsverändernde Stoffe enthalten, die zwar mit der
Wirkung von MDMA vergleichbar, aber minderwertig und längst nicht
so
stark sind.
Im November und Dezember sind an mobilen Tests an Partys und im DIZ
erneut mehrere Pillen mit solchen Fremdstoffen getestet worden.
Darunter m-CCP - eine Substanz, die ausser Kopfschmerzen und
Übelkeit
wenig Wirkung zeigt. Unangenehmere Nebenwirkungen können Pillen
entfalten, die die Substanz 2-C-B enthalten. Auch diese ist im Dezember
bei mobilen Tests aufgefallen. "Die Wirkung ist vergleichbar mit jener
von LSD, jedoch weniger potent", sagt Alex Bücheli, von den
Zürcher
Streetworkern, denen das DIZ angegliedert ist. Neu ist im November an
einer Party eine Pille mit der Substanz F-4 aufgetaucht. Deren Wirkung
ist laut Bücheli am ehesten mit derjenigen von Amphetaminen
vergleichbar, hält also lange wach. Konsumenten klagten nach dem
Konsum
über anhaltende Kopfschmerzen und längeren depressiven
Verstimmungen.
"Über F-4 ist wenig bekannt, erst recht nicht über die
Langzeitwirkungen. Wer solche Pillen konsumiert, spielt
Versuchskaninchen", sagt Bücheli.
Besonders problematisch: Stellt sich die gewohnte euphorisierende
Wirkung nach dem Konsum der vermeintlichen Ecstasy-Pille nicht ein,
wird eventuell "nachgeworfen", und die Nebenwirkungen potenzieren sich.
Pillenfluss aus Holland versiegt
Dass die Qualität der Ecstasy-Pillen kontinuierlich abnimmt,
beobachtet
neben dem DIZ auch das Grenzwachtkorps. Die Zöllner lassen ihre
Rauschgiftfunde jeweils beim Wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei
Zürich testen. "Sowohl Menge als auch Qualität der im
laufenden Jahr an
der Grenze beschlagnahmten Pillen haben abgenommen", sagt Sprecher
Thomas Schrämli. Die quantitative Abnahme fällt markant aus.
Haben die
Schweizer Zöllner 2007 noch über 80 000 Ecstasy- und
Thai-Pillen
beschlagnahmt, wird die Zahl für das laufende Jahr 10 000
Stück kaum
überschreiten, wie Schrämli sagt.
Über die Gründe für die plötzliche Knappheit an
qualitativ hochwertigem
MDMA können bisher selbst Fachleute nur spekulieren. Fakt ist laut
den
Spezialisten der Zürcher Stadtpolizei, dass der Grossteil der
Pillen
nach wie vor aus Holland stammt. Kein Wunder: Laut dem Drogen-Report
2008 der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und
Drogensucht ist
Holland vor Polen und den Baltischen Staaten nach wie vor der
grösste
europäische Produzent von synthetischen Drogen wie Ecstasy.
Doch auch im Herstellerland werden qualitativ einwandfreie Tabletten
rarer. Auf Anfrage schildert das holländische Pendant zum
Zürcher DIZ,
das "Stichting Adviesburo Drugs" in Amsterdam, ähnliche
Entwicklungen
wie in der Schweiz. Die Qualität der Ecstasy-Pillen nehme seit
Anfang
Jahr immer mehr ab. Das könne Zufall sein - oder mit der zunehmend
restriktiven Drogenpolitik der christlichdemokratischen Regierung
zusammenhängen. Hinzu kommt, dass der Suchtstoff-Kontrollrat der
Uno
seit 2003 auch die legalen Ausgangsstoffe zur Herstellung synthetischer
Drogen beobachten und auffällige Käufe und Verkäufe
kontrollieren
lässt. Das hat laut der amerikanischen Drogenbehörde bereits
zu
Knappheiten geführt. Und nicht zuletzt ist der Ecstasy-Handel
nicht
mehr so lukrativ wie auch schon. Mittlerweile gelangen
Ecstasy-Tabletten in osteuropäischen Ländern zum Preis von 1
Euro auf
den Markt.