MEDIENSPIEGEL 5.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Progamm
- Schwimmsport in der Reitschule
- Police BE: Versagen im Fall Rosengarte
- Streit um Zukunft von Progr
- Sans-Papiers ZH: Härtefall-Praxis ZH & Umzug
- Privatschnüffler gegen "Scheinehen"
- Jürg Scherrer tritt ab
- Datenbunker im Berner Oberland
- Nazi-Rocker bei Hells Angels BRD
- Personalsuche AKWs & Abwrackung Stade
- WEF goes Youtube
- Griechenland: Polizist lebensgefährlich verletzt

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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!
- Restaurant Sous Le Pont vom 1.-12.1.09 geschlossen

PROGRAMM:

Do 8.1.09
20.30 Uhr - Kino - Wunschfilm: Adam's Apples, Anders Thomas Jensen, Dänemark 2005

Fr 9.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Bloup von Duo Luna-tic. Judith Bach & Stéfanie Lang
21.00 Uhr - Kino - Wunschfilm: Adam's Apples, Anders Thomas Jensen, Dänemark 2005
22.00 Uhr - Dachstock - Steady Beat Service: Doreen Shaffer (JAM/Skatalites) & The Moon Invaders (BEL)

Sa 10.1.09
14.30 Uhr- Schützenmatte - Gaza-Demo (Infos: www.gsoa.ch)
21.00 Uhr - Kino - Wunschfilm: Down by Law, Jim Jarmusch, USA/ Deutschland 1986
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session: Zero Tolerance (UK), Utah Jazz (UK), Ayah MC (UK) Support: TS Zodiac.

Infos: www.reitschule.ch

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SCHWIMMSPORT
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Bund 5.1.09

Leserbriefe

"Baden auf der Schützenmatte"

"Hallenbad einsturzgefährdet", "Bund" vom 22. November 2008
und "Neubau wäre günstiger", "Bund" vom 19. Dezember 2008

Der grosse Bedarf nach einem neuen Hallenbad in der Stadt ist bekannt. Aus technischen Gründen ist ein Neubau günstiger als eine Renovation. Aber wo?

Unsere Vision ist die Weiterführung des ursprünglichen Sportzwecks der Reithalle auf der Schützenmatte - aber nicht mehr für den Reitsport, sondern für den Schwimmsport. Baden in historischer Umgebung!

Die neue Schützenmattehalle ist sehr zentral und kann von Leuten aus der ganzen Stadt benützt werden. Das bisherige Hallenbad "Mubeeri" könnte hingegen im Baurecht abgegeben werden. Und den daraus resultierenden, laufenden Erlös könnte man für den Betrieb einer neuen, gut erreichbaren Tageskinderkrippe im historischen Gebäude neben der neuen Schwimmhalle verwenden.

Eine Win-win-Situation also: für die Schwimmbegeisterten, für die Eltern, für die Kinder und - ja - sogar für die Stadtkasse!

Fred Moser

Bern

Präsident des Vereins "Bern Sicher und Sauber"

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POLICE BE
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bernerzeitung.ch 5.1.09

Polizei half nicht - Video aufgetaucht

Die Opfer einer Schlägerei im Rosengarten fühlen sich von der Polizei im Stich gelassen und suchen die Täter via Facebook. Ein Video von der Tatnacht zeigt: Um das Opfer kümmerte sich niemand.

An Silvester kam es im Rosengarten zu einer Auseinandersetzung zwischen jungen Männern, die für vier Personen im Spital endete: Sie mussten sich wegen Schnittwunden, Quetschungen und einem Kieferbruch behandeln lassen. Sie werfen der Polizei vor, dass die Beamten die Täter nicht gestellt hätten, als diese noch vor Ort waren (wir berichteten).

Gemäss eines der Opfer zeigte sich die Polizei ihnen gegenüber völlig desinteressiert: "Sie nahmen in der Tatnacht keine Personalien auf, informierten uns nicht über das weitere Vorgehen und sagten durch die Blume, dass man in diesem Fall nicht viel machen könne".

Ähnlich erging es ihm am Samstag auf dem Polizeiposten. Er erfuhr nur, dass er zuerst im Spital einen Unfallbericht anfordern müsse, damit er überhaupt Anzeige erstatten kann. X. Y.*, der in der Tatnacht von einer Champagnerflasche getroffen worden war, erhielt die Auskunft, dass die Chance, einen solchen Fall aufzuklären, zwischen null und fünf Prozent liege.

Videoaufnahmen gesichtet

Videoaufnahmen, die von bernerzeitung.ch gesichtet wurden, bestätigen die Aussagen des Opfers. Das blutüberströmte Opfer schreit im Hintergrund, aber kein Polizist sucht das Gespräch mit ihm.

Die Kollegen des Opfers schildern den Polizisten den Tathergang und weisen darauf hin, wo sich die Täter befinden. Die Beamten lassen sich die Täter zwar beschreiben, unternommen wird aber nichts. Stattdessen erklären die Polizisten den Betroffenen, dass Alkohol eine blutverdünnende Wirkung habe. Personalien wurden keine aufgenommen.

Die Polizei hat die gegen sie gerichteten Vorwürfe zur Kenntnis genommen und will "alles daran setzen, den Sachverhalt im Detail zu klären", wie sie auf Anfrage von bernerzeitung.ch mitteilt.

Als Reaktion haben die Opfer nun auf facebook.com die Gruppe "Tätersuche Messerstecherei Rosengarten 31.12.08 / 01.01.09" eröffnet, mit dem Ziel, die Angreifer doch noch zu identifizieren. Bereits sind über 1000 Personen der Gruppe beigetreten.

Kopfgeld ausgesetzt

Für Hinweise, die zur Überführung der Täter führen, haben die Opfer 3000 Franken "Kopfgeld" ausgesetzt. Gesucht werde ein Mann zwischen 18 und 24 Jahren, der vermutlich dunkelblondes Haar habe. Er sei in der Tatnacht "HipHop-mässig" gekleidet gewesen.

Wie eines der Opfer gegenüber bernerzeitung.ch verdeutlichte, geht es den Initianten nicht um Rache. "Wir wollen bloss die Identität des Täters herausfinden und dafür sorgen, dass er vor Gericht kommt. Anzeigen gegen Unbekannt verfehlen sowieso ihre Wirkung."

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http://de-de.facebook.com/group.php?gid=42589432668

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PROGR
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Telebärn 4.1.09

Streit um Progr

Wie soll es weitergehen mit dem Progr? Die jetztigen Nutzer und die zukünftig vorgesehenen Mieter sind sich nicht einig.
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Streit-um-Progr/story/10636465

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SANS-PAPIERS ZH
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a-films.blogspot.com 5.1.09

Video: "Bleiberecht für alle" in Zürich

Am 3. Januar 2009 protestierten mehr als 1000 Leute mit den KirchenbesetzerInnen gegen die Asylpolitik der Schweiz und vor allem des Kantons Zürich.

Der Kurzfilm bietet einige Impressionen von der Demo.

Der 3-minütige Film kann hier angeschaut/heruntergeladen werden:
http://a-films.blogspot.com/2009/01/030109de.html

Mehr Infos zur Besetzung: http://www.bleiberecht.ch

http://www.youtube.com/watch?v=nrDg5wBA9p0

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Tagesanzeiger 5.1.09

Harte Vorwürfe an Zürcher Regierung

Staubli René

Zürich. - Regierungsrat Hans Hollenstein (CVP) nehme seine politische Verantwortung nicht wahr. Er lasse zu, dass das kantonale Migrationsamt die Härtefallbestimmungen des Asyl- und Ausländerrechts nicht sachgerecht anwende - mit dem Ergebnis, dass kaum je ein Ausländer das Bleiberecht erhalte. In Zürich scheiterten so Gesuche, die in andern Kantonen bewilligt würden, was inakzeptabel sei, sagt der Rechtsanwalt Marc Spescha, Koautor des neuen Kommentars zum Ausländerrecht. Spescha gehört zur Delegation unter Kirchenratspräsident Ruedi Reich, die sich in Sachen Sans-papiers heute um 11 Uhr mit Hollenstein zu einem Gespräch trifft. (res)

"Zürich setzt auf Repression", Seite 9

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"Der Kanton Zürich setzt auf Repression"

Staubli René

Der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha übt harte Kritik an Regierungsrat Hans Hollenstein. Dieser lasse zu, dass der Kanton das Asyl- und Ausländerrecht nicht sachgerecht anwende.

Mit Marc Spescha* sprach René Staubli

Herr Spescha, heute diskutiert Regierungsrat Hans Hollenstein mit Vertretern der evangelischen Landeskirche und der Kirchenbesetzer über den umstrittenen Umgang des Kantons Zürich mit so genannten "Härtefällen". Welches Ergebnis würden Sie als Koteilnehmer als Erfolg werten?

Minimalziel ist, dass sich Regierungsrat Hollenstein endlich bereit erklärt, Härtefälle auf der Basis der bundesrechtlichen Vorgaben ernsthaft zu prüfen. Er wäre auch gut beraten, sich für eine antragsberechtigte Härtefallkommission einzusetzen, die solche Schicksale sachgerechter beurteilen könnte als das Migrationsamt.

Gemäss den aktuellsten Zahlen haben die Kantone im Jahr 2007 beim Bundesamt für Migration 944 Härtefallgesuche eingereicht, von denen 813 bewilligt wurden. Aus dem Kanton Zürich trafen lediglich 4 Gesuche ein. Wie viele hätten Sie erwartet?

Im Verhältnis zur Wohnbevölkerung und dem Ausländeranteil hätte der Kanton Zürich auf der zurückhaltenden St. Galler Linie gegen 300 Anträge in Bern stellen müssen, auf der grosszügigeren Linie des Kantons Waadt sogar gegen 1000.

Für die Weiterleitung der Gesuche um die Aufnahme von Härtefällen an den Bund ist in Zürich das kantonale Migrationsamt zuständig. Im Jahr 2007 hat es von 281 Gesuchen 277 in eigener Regie abgelehnt . . .

. . . der Kanton Zürich setzt auf Repression, um unerwünschte Ausländer zur Ausreise zu zwingen. Trotz Anwendung von Zwangsmassnahmen und einer menschenunwürdigen Nothilfepraxis lassen sich aber nicht alle Personen ausschaffen. Um auch solchen Menschen gerecht zu werden, wurden Härtefallklauseln ins Asyl- und Ausländergesetz aufgenommen.

Das Migrationsamt halte sich "konsequent an die Vorgaben des eidgenössischen Ausländerrechts", sagt Amtschef Adrian Baumann. Wie sehen Sie das?

Gesetzlich ist der Kanton nicht verpflichtet, Härtefallbewilligungen zu erteilen, wohl aber, solche Gesuche seriös zu prüfen. Der Kanton Zürich tut etwas anderes: Er schraubt die Anforderungen an die Härtefallkriterien derart hoch, dass sie praktisch nicht erfüllt werden können.

Kann denn jeder Kanton das Gesetz so auslegen, wie er will?

Soweit mir bekannt ist, fordert nur Zürich für den Identitätsnachweis eines Gesuchstellers einen Reisepass. Die andern Kantone akzeptieren auch Identitätskarten, denn der Bund verlangt lediglich die Offenlegung der Identität. So scheitern im Kanton Zürich Gesuche, die andernorts bewilligt würden. Diese Ungleichbehandlung ist inakzeptabel.

Sie werfen Regierungsrat Hollenstein vor, er nehme seine politische Verantwortung nicht wahr und es mangle ihm am nötigen Fachwissen. In Wahrheit bestimme nicht er die Politik des Kantons, sondern sein Chefbeamter Baumann vom Migrationsamt. Wie begründen Sie diese Behauptung?

Wenn man mit ihm redet, hört Herr Hollenstein zwar freundlich zu, ist aber nicht in der Lage, zur Detailkritik sachlich Stellung zu nehmen. Jüngst liess er im Radio gar verlauten, der Kanton Zürich bewillige fast die Hälfte der Härtefallgesuche. Davon kann keine Rede sein. Herr Hollenstein hatte anscheinend die Umwandlung von vorläufigen Aufnahmen in eine Aufenthaltsbewilligung im Auge.

Welche Menschen müssten Ihrer Meinung nach als Härtefälle aufgenommen werden?

Im Regelfall zum Beispiel jene, die nicht delinquiert haben, mehr als fünf Jahre in der Schweiz leben, arbeitswillig sind und in Länder mit extrem hoher Arbeitslosigkeit, niedrigen rechtsstaatlichen Standards und angespannter politischer Situation zurückkehren müssten. Erst recht ist eine Härtefallbewilligung an Personen mit hier geborenen Kindern zu erteilen.

Wie setzt sich die Gruppe der Kirchenbesetzer eigentlich zusammen?

Das sind grösstenteils abgewiesene Asylbewerber. Dazu Leute, die nie eine Bewilligung in der Schweiz hatten oder keine Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung bekommen haben, etwa nach einer Scheidung. Sie leben zum Teil in Asylunterkünften, in untervermieteten Zimmern oder bei Privatpersonen.

Es fällt auf, dass Betroffene insbesondere die Gewährung von Nothilfe in Form von Migros-Gutscheinen vehement kritisieren.

Ein Gutschein im Wert von 8 Franken pro Tag sichert kaum ein menschenwürdiges Dasein. Ausserdem nützt er nichts, wenn jemand ein Trambillett kaufen oder eine kulturelle Veranstaltung besuchen möchte. Auf Kritik stösst aber auch der menschenunwürdige Zwang, wöchentlich den Aufenthaltsort zu wechseln.

Für den Fall, dass die Gespräche scheitern, drohen die Sans-papiers mit weiteren Kirchenbesetzungen. Sehen Sie Lösungen?

Als Sofortmassnahme müsste der Kanton Bereitschaft signalisieren, seine Praxis bei Härtefällen zu revidieren. Mittelfristig muss das Justizdepartement eine einheitlichere, humanere Härtefallpraxis nach dem Vorbild der Kantone Bern und Waadt durchsetzen. Es geht nicht an, dass einzelne Kantone die Anwendung von gesetzlichen Kann-Bestimmungen verweigern.

* Der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha ist Spezialist für Migrationsrecht, Mitglied in der Fachgruppe Asyl- und Migrationsrecht des Kantons Zürich und Koautor des neuen Kommentars zum Ausländergesetz. Er berät die in Zürich demonstrierenden Sans-papiers und die sie unterstützenden Organisationen. Spescha gehört zur Verhandlungsdelegation, die heute Montag mit Regierungsrat Hans Hollenstein zusammentrifft.

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Abgewiesene Asylbewerber sind umgezogen

Zürich. - Am Sonntag haben die rund 150 Besetzer die Predigerkirche nach 17-tägigem Protest geräumt. Etwa 60 bis 70 Personen zogen in die Kirche St. Jakob am Stauffacher, wo sie bis Mittwochabend das Gastrecht von Pfarrer Anselm Burr geniessen.

Die Räumung der Predigerkirche hatte Regierungsrat Hans Hollenstein (CVP) zur Bedingung für ein Gespräch mit den Betroffenen über die Härtefallpraxis des Kantons gemacht (siehe "Stichwort"). Bei ihnen handelt es sich überwiegend um abgewiesene Asylbewerber. Heute Montag um 11 Uhr will sich Hollenstein mit einer achtköpfigen Delegation unter der Leitung von Kirchenratspräsident Ruedi Reich treffen. Ob das Gespräch im Kaspar-Escher-Haus oder an einem neutralen Ort stattfinden wird, war gestern Abend noch nicht klar. Am Samstag hatten die Besetzer und ihre Sympathisanten mit einer Demonstration in der Zürcher Innenstadt auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht. Laut Polizei demonstrierten 1000 Personen, laut Veranstaltern 2500. (res)

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STICHWORT

"Härtefälle"

Seit Anfang 2007 können die kantonalen Migrationsämter abgewiesenen Asylbewerbern, die seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz leben, in "schwerwiegenden persönlichen Härtefällen" eine Aufenthaltsbewilligung erteilen (Asylgesetz, Art. 14). Die Kantone bedürfen dabei der Zustimmung des Bundes.

Die Kantone können aber auch Personen ein Bleiberecht erteilen, die keine Aufenthaltsbewilligung haben und nie ein Asylverfahren durchlaufen haben. Laut Ausländergesetz (Art. 30) muss es sich auch hier um "schwerwiegende persönliche Härtefälle" handeln. Kriterien sind laut einer Verordnung des Bundes die bisherige Aufenthaltsdauer, die allgemeine Integration, die Möglichkeit der Wiedereingliederung im Herkunftsstaat, die Respektierung der Rechtsordnung, die Familienverhältnisse und der nachgewiesene Wille, zu arbeiten. Gesuchsteller müssen ihre Identität offenlegen. Auch in diesen Fällen benötigen die Kantone die Zustimmung des Bundes.

"Sans-papiers" ist der Oberbegriff für alle Personen, die ohne Bewilligung in der Schweiz leben. (res)
 
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NZZ 5.1.09

Aus Besetzern werden Gäste

Umzug der Sans-Papiers von der Prediger- in die St.-Jakob-Kirche

Die Besetzer der Predigerkirche sind am Sonntag in die St.-Jakob-Kirche umgezogen, wo ihnen ein dreitägiges Gastrecht gewährt wird. Heute empfängt Polizeidirektor Hollenstein die Sans-Papiers.

yr. Nach etwas mehr als zwei Wochen haben am Sonntag die rund 60 übrig gebliebenen Sans-Papiers und ihre Schweizer Helfer die Predigerkirche am Zürcher Zähringerplatz verlassen. Sie haben ein Angebot der Kirche St. Jakob angenommen und sind an den Stauffacher umgezogen. Dort wird ihnen bis am Mittwochabend ein dreitägiges, schriftlich vereinbartes Gastrecht gewährt, wie Pfarrer Anselm Burr von der Kirchgemeinde Zürich Aussersihl festhält. Dieser Kniff macht heute Montag ein Treffen zwischen Regierungsrat Hans Hollenstein sowie einer Delegation von acht Personen aus dem Kreis der Sans-Papiers und dem Bleiberecht-Kollektiv möglich. Die Delegation steht unter der Schutzherrschaft der reformierten Landeskirche, die als Vermittlerin auftritt. Den abgewiesenen Asylbewerbern ist zugesichert worden, dass beim Empfang im Kaspar-Escher-Haus keine Ausweiskontrolle durchgeführt wird.

Zum Schluss sei die Besetzung in Minne beendet worden, hat Daniel Lienhard, der Präsident der Kirchgemeinde zu Predigern, am Sonntag berichtet. Eine Putzequipe der Besetzer habe die Kirche so gut wie möglich gereinigt, ihm selber sei ein Blumenstrauss überreicht worden. Trotzdem müsse die Kirche diese Woche geschlossen bleiben, weil die Beanspruchung der letzten Tage eine professionelle Reinigung des empfindlichen Sandsteinbodens erforderlich mache.

Kein Hehl macht Kirchenratspräsident Ruedi Reich aus seiner Einschätzung, wonach er den temporären Umzug in die St.-Jakob-Kirche als wenig sinnvoll erachtet. Im Gespräch stört er sich auch daran, dass die Bedingung, die Predigerkirche freizugeben, erst im letztmöglichen Moment erfüllt worden ist. Es sei keine gute Gesprächsbasis, wenn jedes Schlupfloch bis zum Letzten ausgereizt werde. Aber selbstverständlich werde er sein Versprechen einhalten und eine Delegation der ehemaligen Besetzer zu Regierungsrat Hollenstein führen. Der Polizeidirektor hat am Wochenende bestätigt, die Sans-Papiers zu empfangen. Dabei wolle er nicht in eigentliche Verhandlungen treten, sondern sich in erster Linie einmal die Anliegen anhören. In der "Sonntagszeitung" bezeichnete Regierungsrat Hollenstein die geforderte Wiedereinführung einer Härtefallkommission als "sinnvolle Sache".

Am Samstagnachmittag waren gemäss Polizeiangaben rund 1000 Personen durch Zürichs Innenstadt gezogen, um für die Anliegen der Sans-Papiers zu demonstrieren. Die Kundgebung verlief ohne grössere Zwischenfälle.

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Aargauer Zeitung 5.1.09

Die Sans-Papiers sind umgezogen

Kirche St. Jakob Gespräch mit Regierungsrat Hans Hollenstein am Montag geplant

Die Besetzung der Zürcher Predigerkirche ist vorbei. Die Sans-Papiers haben das Gotteshaus am Sonntagnachmittag wie angekündigt verlassen und sind in die Kirche St. Jakob umgezogen.

Daniel Lienhard, Präsident der Kirchgemeinde zu Predigern, zeigte sich am Sonntag erleichtert über den Umzug der Sans-Papiers: "Ich bin froh für uns, aber auch für die Sache." Am Ende sei man in "mittlerem Frieden" auseinandergegangen. Die Besetzer hätten die Kirche unaufgefordert geputzt, und er habe einen Blumenstrauss erhalten.

Es drohte "ein Fiasko"

Wären die Aktivisten weiter stur geblieben, hätte das aus Lienhards Sicht in einem Fiasko geendet. Auch wenn ihr Anliegen verständlich sei, hätten sie mit der langen Besetzung der Predigerkirche den falschen Weg eingeschlagen, sagte der Kirchgemeindepräsident.

 Mit der Räumung der Predigerkirche kommen die Sans-Papiers einer Bedingung nach, die von Behördenseite für die Bereitschaft zu einem Gespräch gestellt worden war. Das Treffen mit Regierungsrat Hans Hollenstein (CVP), dem Vorsteher der kantonalen Sicherheitsdirektion, war auf Montag angesetzt.

 Der Entscheid, die Besetzung nach rund zwei Wochen aufzugeben und das angebotene Kirchenasyl in der Kirche St. Jakob am Stauffacher in Anspruch zu nehmen, war am Samstag an einer Vollversammlung gefallen. Das Zürcher Bleiberecht-Kollektiv teilte mit, dass die rund 150 Sans-Papiers kein Interesse an einem anhaltenden Konflikt mit der Kirche hätten. Sie seien jedoch enttäuscht, dass sie in der Predigerkirche nur widerwillig geduldet worden und benachteiligte Menschen offenbar auch an diesem Ort "nicht willkommen" seien. Die Vermittlungstätigkeit von Kirchenratspräsident Ruedi Reich wurde hingegen ausdrücklich begrüsst.

Bleiberecht verlangt

An einer Demonstration zugunsten der Kirchenbesetzer durch die Zürcher Innenstadt nahmen am Samstagnachmittag nach Angaben der Organisatoren rund 2500 Personen teil. Sie verlangten unter anderem ein Bleiberecht für Flüchtlinge und eine humanere Umsetzung der im Gesetz verankerten Härtefallregelung. Zudem wurden auch Anpassungen bei der Ausgestaltung der Nothilfe verlangt. (ap)

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Basler Zeitung 5.1.09

"Besetzung" der Predigerkirche in Zürich beendet

 Sans-Papiers bleiben bis Mittwoch in der Kirche St. Jakob

Rund zwei Wochen hielten Sans-Papiers die Zürcher Predigerkirche besetzt. Nun haben sie die Kirche geräumt - das war die Bedingung für ein Gespräch mit dem Zürcher Regierungsrat Hans Hollenstein, das heute stattfindet.

Papiere für alle und die Aufhebung des Arbeitsverbots für Menschen ohne Papiere forderten die 150 Papierlosen und Aktivisten, die am 19. Dezember in die Predigerkirche in Zürich eingezogen waren. Die Besetzung der Predigerkirche ist gestern Mittag zu Ende gegangen. Zwischen 60 und 70 Personen sind in die Kirche St. Jakob umgezogen. Dort können sie bis Mittwochabend bleiben.

Sans-Papiers oder Papierlose nennt man Menschen, die ohne gültige Dokumente in der Schweiz leben. Heute wird eine Delegation der Sans-Papiers unter der Leitung von Kirchenratspräsident Ruedi Reich den Zürcher Regierungsrat Hans Hollenstein (CVP) zu einer Aussprache treffen. Hollenstein hatte sich unter der Bedingung zu Gesprächen bereit erklärt, dass die Predigerkirche geräumt werde.

Forderungen

 Am Samstag hatten Papierlose und ihre Sympathisanten ihren Anliegen mit einer Demonstration durch die Zürcher Innenstadt Nachdruck verliehen. Mit ihrer Aktion wollen die Sans-Papiers konkrete Zusagen für bessere Lebensbedingungen durchsetzen. Vor allem fordern sie eine "humane und unbürokratische Umsetzung der gesetzlich verankerten Härtefallregelung", dazu die Aufhebung des Arbeitsverbotes.

An einer Medienkonferenz hatte der auf Asylrecht spezialisierte Rechtsanwalt Marc Spescha darauf hingewiesen, dass der Kanton Zürich im Gegensatz zu anderen Kantonen bisher auf die Möglichkeit verzichtet habe, beim Bund Härtefall-Gesuche zu stellen. Kantone wie St. Gallen oder die Waadt hätten im letzten Jahr 85 beziehungsweise 300 solcher Gesuche nach Bern geschickt, Zürich dagegen kein einziges.  SDA

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Le Temps 5.1.09

ZURICH. Les occupants ont quitté la Predigerkirche pour migrer vers l'église Saint-Jacques. Une délégation rencontre aujourd'hui le Conseil d'Etat.

Les sans-papiers zurichois déménagent dans une autre église

ATS

Les sans-papiers qui occupaient une église en ville de Zurich ont déménagé dimanche dans une autre église. Ils pourront y rester jusqu'à mercredi soir. Quelque 60 à 70 sans-papiers ont migré vers l'église Saint-Jacques, a indiqué dimanche le collectif de soutien. Cela correspond à une petite moitié des 150 personnes qui avaient pris leurs quartiers dans la Predigerkirche le 19 décembre. Avant de partir, les occupants ont nettoyé le sol et les toilettes, a précisé le collectif.

Lundi, une délégation des sans-papiers, emmenée par le président du conseil de paroisse Ruedi Reich, rencontrera le conseiller d'Etat Hans Hollenstein (PDC) pour une discussion. Celui-ci avait posé comme condition pour cette rencontre que la Predigerkirche soit évacuée.

Samedi après-midi, les sans-papiers et leurs sympathisants ont manifesté à travers la vieille ville de Zurich. D'après le collectif de soutien, le défilé a rassemblé 2500 participants. La police les a quant à elle estimés à un millier.

Par leur action, les sans-papiers et leurs sympathisants entendent attirer l'attention sur leur situation précaire et revendiquer de meilleures conditions de vie. Ils demandent notamment "une pratique plus humaine et non bureaucratique pour les cas de rigueur" ainsi qu'une levée de l'interdiction de travailler. Le collectif de soutien se dit convaincu que le conseiller d'Etat Hollenstein peut procéder à des améliorations rapides.

Lors d'une conférence de presse du collectif, l'avocat Marc Spescha, spécialiste du droit d'asile, avait souligné samedi que le canton de Zurich avait renoncé jusqu'à présent à soumettre à la Confédération des demandes concernant des cas de rigueur. Des cantons comme Vaud ou Saint-Gall ont transmis l'année passée 300, respectivement 85 demandes de ce type, contre aucune pour le canton de Zurich.

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A Lausanne, une action similaire avait porté ses fruits

Des requérants avaient occupé l'église de Bellevaux en 2001 durant 125 jours. L'association qui les avait soutenus s'est dissoute récemment.

Laurent Caspary

A Zurich, environ 150 sans-papiers ont occupé jusqu'à ce dimanche le Predigerkirche depuis le 19 décembre. Ils voulaient attirer l'attention du public sur leur situation précaire en occupant ainsi un lieu symbolique où l'on imagine mal la police entrer en force. La méthode est connue et a fait ses preuves, dans le canton de Vaud notamment. A Lausanne, sympathisants, militants et anciens requérants d'asile se sont d'ailleurs récemment réunis dans l'église de Bellevaux, théâtre d'une "occupation" de 125 jours en 2001 qui a donné une visibilité importante à un mouvement tout en marquant profondément la politique vaudoise plusieurs années durant. Mais cette réunion était en réalité une ultime fête. Celle de la dissolution de l'association En quatre ans on prend racine, sur le constat d'une victoire importante: la régularisation de l'immense majorité des requérants concernés par l'occupation.

En se dissolvant, les membres d'En quatre ans on prend racine ont ainsi tourné une page de l'histoire politique et sociale du canton du Vaud. L'association a joué sans le savoir alors le rôle de détonateur qui allait déboucher sur plusieurs années de crise dans les relations entre Berne et le Conseil d'Etat à travers ce qui était petit à petit et de facto devenu "l'exception vaudoise".

"Sans En quatre ans on prend racine, il n'y aurait pas eu le mouvement dit des "523" (nombre de requérants déboutés en 2004 suite à la tentative du socialiste Pierre Chiffelle de régler la situation, ndlr), c'était une continuité qui a permis de donner naissance au mouvement de soutien aux sans-papiers", dit Yves Sancey, un des piliers de l'association désormais dissoute. "Notre force, c'était d'avoir l'émotion. Nous avons mis des visages sur les dossiers des requérants, notamment grâce à une très forte médiatisation de l'occupation de l'église de Bellevaux."

Constat partagé par celui qui était de l'autre côté de la barrière. Henri Rothen, chef du Service de la population (SPOP) a traversé avec ses collaborateurs toutes ces années de crise en endossant bien malgré lui le costume du fonctionnaire qui refuse les dossiers. "Ils ont gagné une partie de la guerre de la communication, c'est sûr, dit-il aujourd'hui. C'était des périodes difficiles car avec des arguments émotionnels ils ont eu une partie de l'opinion publique de leur côté, même si leurs slogans étaient parfois simplistes et leurs arguments pas toujours corrects. De notre côté, on ne jouait pas sur le même terrain; nous étions les garants de l'Etat de droit et devions rester très institutionnels dans notre communication. Nous avons été traités de tous les noms alors qu'au final, nous sommes tout de même le canton de Suisse qui a obtenu le plus de régularisations."

En se dissolvant, En quatre ans on prend racine donne-t-elle le signal que la question de l'asile est désormais pacifiée? Bien au contraire, rétorque Yves Sancey. La lutte continue via la Coordination asile-migration qui tente de "décloisonner" le monde des requérants d'asile et celui des sans-papiers. "Ces gens subissent les mêmes violences d'Etat."

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SCHNÜFFELSTAAT
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Basler Zeitung 5.1.09

Schnüffelei in Basel empört

Scheinehen. Mindestens zweimal wurden in den Jahren 2007 und 2008 binationale Paare im Auftrag des Kantons Basel-Stadt von einer privaten Firma ausspioniert. Bei den Paaren bestand der Verdacht auf eine Scheinehe. Mit welcher gesetzlichen Grundlage die private Schnüffelei legitimiert wurde, ist unklar - bisher waren ausschliesslich das Amt für Migration und die Polizei berechtigt, entsprechende Untersuchungen anzustellen. Wird bei einem binationalen Paar eine Scheinehe nachgewiesen, drohen Ausweisung und hohe Geldstrafen.

Aufgedeckt wurde die Arbeit der privaten Detektive von SP-Grossrätin Brigitte Hollinger. Sie verlangt in einem Vorstoss von der Regierung eine Klärung. "Es ist stossend, wenn der Staat solche Aufgaben an Privatdetektive abgibt", sagt Hollinger. Bei den Beteiligten war trotz mehrmaligem Nachfragen nichts zu erfahren. Das Sicherheitsdepartement bestätigt die beiden Fälle, verweist aber auf die Interpellationsantwort, die im Februar erwartet wird.  los/reb > Seite 17

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Private Schnüffler gegen Scheinehen

 Basel. Gesetzliche Grundlage ist unklar - Sicherheitsdepartement muss sich erklären
PHILIPP LOSER, RENATO BECK

Eine Firma aus dem Baselbiet hat vom Basler Amt für Migration mindestens zweimal den Auftrag erhalten, potenzielle Scheinehen auszukundschaften. Aufgedeckt hat die private Schnüffelei eine linke Parlamentarierin.

Der Schnüffler von nebenan klingelt an der Haustüre und hält einem ein Formular unter die Nase. "Einmal unterschreiben, bitte. Wo geht es zum Schlafzimmer?" Die Szene könnte aus den "Schweizermachern" stammen, aus längst vergangenen Zeiten des Schweizer Films und der Schweizer Schnüffelei. Sie ist aber aktuell. Wie einer im Januar eingereichten Interpellation der SP-Grossrätin Brigitte Hollinger zu entnehmen ist, beauftragt das Amt für Migration bei Verdacht auf eine Scheinehe seit Kurzem eine private Firma mit Nachforschungen.

Strengere Bestimmungen

Seit Anfang dieses Jahres sind die Bestimmungen bei binationalen Eheschliessungen verschärft worden. Nur wer ein Bleiberecht in der Schweiz besitzt, darf hier auch heiraten. Bereits der Zivilstandsbeamte darf Zweifel an einer Heirat den Behörden melden. Diese Behörden - in den meisten Kantonen die Polizei im Auftrag des Amts für Migration - stellen Nachforschungen an. Bei einem dringenden Verdacht auf eine Scheinehe, bei zu grossem Altersabstand der Ehepartner beispielsweise oder terminlich auffälliger Heirat vor einer möglichen Ausweisung, drohen den Erwischten eine Freiheitsstrafe oder Bussen von bis zu 20 000 Franken.

Das ist alles nicht neu. Neu ist, dass auch private Firmen Nachforschungen über vermutete Scheinehen anstellen. Mit einer "Einwilligungserklärung" verschaffen sich die privaten Kontrolleure Zutritt zur Wohnung, befragen Eheleute und Nachbarn und erstellen danach einen Bericht zuhanden des Amts für Migration - inklusive einer Empfehlung, ob die Aufenthaltsbewilligung der Untersuchten verlängert werden soll oder nicht.

Hollinger will von der Regierung nun wissen, auf welchen gesetzlichen Grundlagen diese Kontrollen durchgeführt werden, wie die Kontrolleure ausgebildet sind, wer die Aufträge exakt erteilt und wie sie vergütet werden. Alles offene Fragen, die auch nach mehrmaligen Nachfragen der BaZ bei den Beteiligten nicht beantwortet werden. Die private Firma - die ABS Betreuungsservice AG aus Pratteln - verweist ans kantonale Amt für Migration und das Amt weiter an den Sprecher der Sicherheitsdirektion, Klaus Mannhart. Dieser bestätigt, dass ingesamt zweimal private Ermittler Nachforschungen angestellt hätten, einmal 2007, einmal 2008. Für alles Weitere verweist er aber auf die Interpellationsantwort, die im Februar erwartet wird.

"Einzelfälle".

Nur noch so viel sagt Mannhart: "Bei den beiden Einsätzen handelte es sich um Einzelfälle." Ein Studium der Akten hat laut Mannhart keine Hinweise darauf gegeben, dass die private Firma systematisch zur Untersuchung von möglichen Scheinehen eingesetzt wurde. "Das kann ich kaum glauben", sagt Brigitte Hollinger, die eines von den privaten Ermittlern der ABS ausgefüllten Formulare einsehen konnte. "Das sieht eher nach Routine aus." Solche Untersuchungen seien für die Betroffenen extrem störend, sagt Hollinger. "Die ständige Beobachtung setzt diesen Menschen zu. Sie haben Angst." Dass die Untersuchung dann noch von einer privaten Firma ausgeführt wird, sei mehr als fragwürdig: "Es kann doch nicht sein, dass der Staat solche Detektivaufgaben an Private delegiert."

Sozialhilfemissbrauch

Für die ABS Betreuungsservice AG sind Schnüffeleien im privaten Umfeld nichts Neues. Seit Oktober 2005 gehen ihre Sozialdetektive im Auftrag des Kantons Basel-Stadt auf die Suche nach Sozialhilfebezügern, die im Verdacht stehen, ihre Gelder zu erschleichen. Gleiches tut die Firma seit März 2007 für drei Baselbieter Gemeinden. Die Angst vor dem Schnüffelstaat sei unbegründet, sagte damals Niggi Rechsteiner, stellvertretender Geschäftsführer von ABS, der BaZ: "Wir ermitteln nur gezielt - auf Verdacht und nur auf Antrag." Wie die Firma das bei ihren Untersuchungen zu Scheinehen macht, bleibt offen. Niemand von der Firma wollte gegenüber der BaZ Stellung nehmen.

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JÜRG SCHERRER
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BZ 5.1.09

Jürg Scherrer

Der Bieler Provokateur tritt ab

Mit Jürg Scherrer tritt ein Mann zurück, der stets polarisiert hat. 16 Jahre lang war der Rechtsaussen-Politiker Gemeinderat der Stadt Biel. Seine Kritiker werfen ihm vor, dass er wenig Bleibendes hinterlassen habe.

16 Jahre lang hätten alle versucht, ihn aus dem Amt zu drängen. "Da würde es mich wundern, wenn jemand jetzt auch nur ein gutes Haar an mir liesse", sagt Jürg Scherrer von der Freiheitspartei Schweiz (FPS). Scherrer in der Defensive - da läuft er zur Hochform auf.

Das ist auch noch mit 61 Jahren so, obschon er am Ende seiner politischen Karriere steht und als Gemeinderat und Bieler Sicherheitsdirektor abtritt. Tatsächlich war er, der seine Feindbilder pflegte, stets auch das Lieblingsfeindbild seiner Gegner, der "Sozialisten", der Grünen und jener, "welche die Einwanderung konsequent fördern". Wer immer sich mit dem Nationalrat, FPS-Präsidenten und Gemeinderat anlegte, musste sich warm anziehen.

Nur einmal blieb Jürg Scherrer erstaunlich still, im Frühjahr 2002: In einem Radio-Interview hatte er die Gaskammern der Nazis als "un détail de l'histoire" bezeichnet. Die Entrüstung darüber war riesig. Scherrer stand isoliert da und verstummte. Aber nur, um später umso mehr zu triumphieren, als die Justiz verzichtete, ein Strafverfahren wegen Verletzung der Rassismusstrafnorm einzuleiten. "Teil der Geschichte" habe er sagen wollen, und nicht Detail im verharmlosenden Sinn, konnte Scherrer glaubhaft machen.

Haarscharf an der Grenze

Der Vorfall war durchaus typisch für Scherrer. Immer wieder provozierte er mit forschen Statements gegen politisch Andersdenkende, vor allem aber gegen Ausländer, die er auch mal als "Pack einer gewissen Herkunft" titulierte (gemeint waren gewalttätige Jugendliche aus dem Balkan). Solche Worte brachten seine Gegner zwar auf die Palme, Scherrers Fans hingegen applaudierten im Stillen oder in Leserbriefspalten. Mehrmals musste er vor Gerichte erscheinen, letztinstanzlich verurteilt wurde er aber nicht.

Sein Brot verdiente sich Jürg Scherrer in den letzten 16 Jahren nicht als unüberhörbares Sprachrohr der Freiheitspartei Schweiz, die er lange präsidierte, sondern als Bieler Gemeinderat. "Seine Ausrutscher sind auf dem nationalen Parkett passiert", sagt Stadtpräsident Hans Stöckli (SP). Scherrer habe sich "menschlich immer korrekt" verhalten und auch das Kollegialitätsprinzip respektiert.

"Keine kreativen Beiträge"

Da gilt es doch zu differenzieren. Jeweils vor den Wahlen zog Jürg Scherrer nämlich stets gegen Ausländer, Sprayer, Linke und Nette vom Leder. Dann wurde es aber wieder drei Jahre ruhig um ihn. Hans Stöckli, ironisch: "Seine Stärke war, dass er nicht umsetzte, was er immer sagte." Zum Beispiel Sprayer bei Wasser und Brot einsperren. Scherrer habe seine Direktion zwar "am Laufen gehalten", habe aber keine "kreativen Beiträge geliefert". SP-Stadtrat Erich Fehr wird noch deutlicher: "Erstaunlich, wie wenig man als Direktor leisten kann und trotzdem immer wiedergewählt wird." Im "Kernbereich Sicherheit" habe er nichts gemacht. Die Reorganisation der Stadtpolizei sei das Werk des Polizeikommandanten und eines externen Beraters, wobei Stöckli "der Souffleur" gewesen sei. Fehr: "Schlicht nichts hat er gemacht."

Angesprochen auf den Vorwurf, er habe nichts bewegt, meint Scherrer: "Ein Gemeinderat, der sich ins Operative einmischt, liegt falsch. Dafür haben wir die Fachleute in der Verwaltung." Doch welches sind denn nun seine Leistungen in 16 Jahren? "Möglicherweise nur Einzelgeschäfte", räumt Scherrer ein. In seinen vier Jahren als Baudirektor sei der Bielerhof abgerissen, der Autobahn-A5-Variantenentscheid gefällt und die Möglichkeit zum Ausbau von Dachgeschossen geschaffen worden. Als Sicherheitsdirektor habe er Aktionen gegen schwarze Kokainhändler, Taschendiebe und gewaltbereite Jugendliche initiiert.

"Mein Chef ist das Volk"

Schliesslich erinnert sich Jürg Scherrer dann doch an ein strategisches Geschäft, "das ich für mich in Anspruch nehme": Die Professionalisierung der Feuerwehr vor etwa acht Jahren. Das habe im Gemeinderat ziemlich "gräblet", erinnert er sich. Dass das vor einem Jahr verabschiedete städtische Sicherheitskonzept nicht seine Handschrift trage, lässt er hingegen so stehen. Und beim Vorwurf von SP-Politiker Erich Fehr, die Ausgliederung des Energieservice (ESB) aus der Verwaltung sei seinerzeit am "dilettantischen Auftreten" von Scherrer und seinem ESB-Direktor gescheitert, kommt er wieder in Fahrt: "So sind die Sozialisten…" Ein Diplomat sei er zwar tatsächlich nicht: "Ich sage, was ich denke." Er orientiere sich nur an seiner Wählerschaft, jenen Rechtsbürgerlichen, die von der "classe politique" ignoriert würden: "Vor Jahren wurde ich heruntergemacht, weil ich Überwachungskameras forderte. Und heute sind Kameras sogar bei der SP salonfähig."

"Zuerst den Kopf lüften"

Über zukünftige Aktivitäten lässt sich Jürg Scherrer nicht viel entlocken: "Zuerst will ich mal den Kopf lüften." Ob er sein Grossratsmandat bei den nächsten Kantonswahlen noch einmal verteidigen werde, wisse er noch nicht. Die Bieler Politik jedenfalls werde er weiter beobachten: "Wenn es zum Beispiel mit den Verkehrsschikanen so weitergeht, könnte es sein, dass ich mal wieder aufstehe." Das darf durchaus als Drohung verstanden werden

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DATENBUNKER
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Bund 5.1.09

Das Fort Knox der Daten

Im Berner Oberland bunkert ein Zuger Unternehmen Daten im Berg - deren Inhalt ist geheim

Sarah Nowotny

Die Sicherung eines Gigabytes an Daten kostet bei der Firma Siag neun Franken pro Monat. Dafür kann selbst ein atomarer Angriff wichtigen Informationen nichts anhaben.


"Zum Schutz unserer Kunden dürfen Sie nicht schreiben, wie unsere Sicherheitssysteme im Detail aussehen", sagt Christoph Oschwald, Chef der Zuger Secure Infostore AG (Siag). Der Militärbunker, dessen Sicherheit ihm am Herzen liegt, soll gegen Feuer, Wasser, Hacker sowie chemische und biologische Waffen immun sein. Ein wenig ausserhalb von Saanen wurde er in den Felsen gesprengt. Vor der Tür steht breitbeinig ein bewaffneter Sicherheitsmann - ehemalige Festungswächter der Armee werden hier beschäftigt. Hinein darf nur, wer eine Einladung mitbringt. Denn in den Tiefen des Bergs lagert in der "Bank der Zukunft das Gold der heutigen Zeit", wie Oschwald sagt: Terabytes von Daten. Swiss Fort Knox heisst dazu passend die Datenfestung - in Anlehnung an den amerikanischen Militärstützpunkt, in dem sich die Goldreserven der USA stapeln.

Tausende Liter Dieseltreibstoff

Überdruck verhindert, dass Gase in das elektronische Gedächtnis im Felsen eindringen. Den Zutritt erschweren Metalldetektoren, Kameras und ein persönlicher Zugangscode. Gänge, Windungen und Schleusen tiefer im Berg surren Server in abgeschlossenen Räumen. "Hier befinden sich Hunderte von Terabytes an Daten", sagt Oschwald. Wer für seine Server noch mehr Privatsphäre möchte, kann eine sprengsichere Kammer mit blickdichter Tür mieten. Auf Wunsch wird dort nur dem Besitzer der Daten Einlass gewährt.

"Wir haben einen unterirdischen See entdeckt", erzählt Oschwald. Dies sei ein Glücksfall, da die dicht gepackten Server ohne das vom Wasser gespeiste Kühlsystem heiss liefen. Energie werde durch die Kühlung nicht verschwendet. "Ökologisch ist es sinnvoller, Daten konzentriert zu lagern als verstreut." Sollte die unterirdische Stromversorgung ausfallen, springt Batteriestrom für mehrere Stunden ein. Danach übernehmen mächtige Generatoren, für deren Betrieb Tausende Liter Dieseltreibstoff im Berg gebunkert werden.

Geheimer Standort

Und sollte ihn eine Katastrophe ungeahnten Ausmasses heimsuchen, erwartet den glücklichen Besitzer der Daten im Berg ein Hotel mit Konferenzräumen. Beruhigt sich die Lage, kann er den Heimflug direkt vor dem Bunker antreten - der Flugpiste mit Zollabfertigung sei Dank. "Wir haben in Saanen 40 Millionen Franken investiert", sagt Oschwald. Damit aber noch nicht genug des Verwöhnprogramms für Daten: Zehn Kilometer entfernt betreibt die Siag an einem geheimen Standort bei Zweisimmen ein zweites Fort Knox.

Dieses gehört - anders als der Bunker in Saanen - ganz dem eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Im Falle eines atomaren Angriffs ist der zweite Datenbunker sicher vor dem elektromagnetischen Puls (EMP), der Computer zerstört. "Nur wenige Rechenzentren in der Schweiz verfügen über diesen Schutz - er kostet Millionen", sagt der Siag-Chef. Die Festungen sind über eine Glasfaserleitung miteinander verbunden. Und reissen alle Stricke, bleiben die Daten noch per Satellit abrufbar.

Kunden auch aus der Region

Doch vermögen die Datenbunker mehr also bloss die Paranoia superreicher Gstaader Feriengäste zu kitzeln? "Der Verlust von Daten kann Firmen töten", sagt Oschwald. Und es sei nicht nur sicherer, sondern auch billiger, Daten dem Berg anzuvertrauen. "Unser Produkt ,Swissvault' erlaubt es allen - auch Studenten - wichtige Daten zu sichern." Es sei schon passiert, dass Firmendaten - zum Beispiel nach einem Brand - nur noch im Fort Knox vorhanden gewesen seien.

Für 108 Franken pro Jahr ist ein Gigabyte in Sicherheit. Grosse Firmen, die Terabytes benötigen, verhandeln individuell. Per Internet landen die Informationen über eine 448-Bit-Verschlüsselung im Berg. Zum Vergleich: Bei elektronischen Bankgeschäften beträgt die Verschlüsselung bloss 128 Bit.

Das Geschäft laufe gut, gerade in unsicheren Zeiten, sagt Oschwald. "Bei den kleinen und mittleren Unternehmen sind wir Marktführer." Viele Kunden kämen aus der Region. "Wir konnten zum Beispiel Fünfsternehotels wie das ,Palace' in Gstaad gewinnen." Seine Firmendaten im Berg sichere unter anderem auch SVP-Nationalrat Hansruedi Wandfluh. Insgesamt habe die Siag Zehntausende Kunden aus rund 30 Ländern. "Allerdings nicht aus den USA, denn unsere hohen Verschlüsselungsstandards könnten dort dem Staat missfallen." Ob auch Staaten die Dienste in Anspruch nähmen, gebe er nicht preis.

Massnahmen gegen Kriminelle

Daten von Terroristen, Pädophilen und anderen Kriminellen wolle die Siag natürlich nicht sichern - allerdings kennt sie den Inhalt der Informationen im Berg nicht. "Wie die Schweizer Banken kommen wir unserer Sorgfaltspflicht nach", sagt Oschwald. Zudem spitze man die Ohren, wenn etwa plötzlich x-fach auf einen Server zugegriffen werde. "Wir kennen unsere Kunden und ihre Bedürfnisse." Abweichungen von typischen Mustern würden bemerkt und untersucht.

Nicht immer konnte die Firma selbstbewusst auftreten. 1995, als noch die staatliche PTT grösste Aktionärin war, fehlte das Breitband-Internet für den schnellen Datenverkehr. Die "SonntagsZeitung" schrieb damals, die Siag plane eine brisante Goldgrube im ehemaligen Bunker der aufgelösten Schweizer Geheimarmee P 26, und brachte Oschwald mit dem ehemaligen Nachrichtendienst P 27 in Verbindung. Später büsste die Firma für die Zusammenarbeit mit der Informatikfirma Mount 10 AG: Als die Internet-Blase an den Börsen platzte, ging diese Konkurs. "Damals war die Zeit nicht reif für unsere Ideen, aber heute sind wir finanziell unabhängig", sagt Oschwald. Noch dieses Jahr wolle die Siag dem VBS den Bunker in Saanen ganz abkaufen.

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NEONAZIS BRD
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Spiegel 5.1.09

Rechte Engel

 Kriminalität: Die Liaison von Rockern und Rechtsextremen

Bislang hielten Rockerbanden die Polizei mit Gewalt, Drogen und Waffen in Atem. Nun alarmiert die Fahnder eine neue Bedrohung: Bei deutschen Hells Angels machen militante Neonazis Karriere.

Der Mann, den alle nur Maxe nennen, wollte ein Musterknabe werden, wenigstens nach der Haftentlassung. Markus W. hatte vor gut zehn Jahren für Schlagzeilen gesorgt und für internationales Entsetzen: Damals gehörte er zu jenen deutschen Hooligans, die während der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich den Polizisten Daniel Nivel zum Krüppel schlugen. Vier Jahre lang saß er für die "gemeinschaftliche schwere Körperverletzung" in einem französischen Gefängnis.

Nach seiner vorzeitigen Entlassung 2002 gelobte er einen Wandel vom rechten Schläger zum Sozialarbeiter: Er wolle Sozialwissenschaften studieren, in Kontakt treten mit Menschen, "die Probleme mit der Gesellschaft haben". Jugendliche sollten von seinen Erfahrungen profitieren: "Ich kann ihnen sagen: Jungs, Gewalt lohnt sich nicht."

Doch Maxe war gerade zehn Wochen in Freiheit, da ermittelte die Polizei erneut gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung - wenn auch ohne Ergebnis. Nach der Übertragung des Fußball-WM-Finales Deutschland gegen Brasilien im Sommer 2002 war er auf dem Schützenfest im heimatlichen Hannover in eine Schlägerei verwickelt. Seitdem musste Maxe wiederholt vor Richtern erscheinen, mal wegen der Beleidigung eines Türken, mal wegen eines Angriffs auf einen Algerier.

Sozialarbeiter wird er nun nicht mehr werden, eine Art gesellschaftlicher Aufstieg ist ihm dennoch gelungen: In Hannover hat sich Maxe zu einem führenden Mitglied der Rockerbande Hells Angels hochgearbeitet.

Markus W. alias Maxe ist im Visier von Polizei und Verfassungsschutz, auch weil er für eine besorgniserregende Entwicklung steht. Denn bundesweit konstatieren die Fahnder Kontakte deutscher Rocker zu militanten Neonazis. Bei der "Beobachtung der rechtsextremistischen Szene fallen bei den Verfassungsschutzbehörden Erkenntnisse über Verbindungen zu Rockern an", heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage. Man habe "gelegentlich" Hinweise auf "gemeinsame Aktivitäten und Treffpunkte sowie einzelfallbezogene Kooperationen von Rechtsextremisten (insbesondere Skinheads) und Rockern, vor allem auf lokaler Ebene".

Solche "gemeinsamen Aktivitäten" auf "lokaler Ebene" gibt es in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Baden-Württemberg. Am weitesten fortgeschritten ist nach Einschätzung von Ermittlern die Verflechtung zwischen Rockern und Rechtsextremen aber im Hannover-"Charter", wie Hells Angels regionale Unterorganisationen nennen.

Beim Hannover-Boss der Angels, Frank H., ist Markus W. inzwischen "Secretary". Als rechte Hand des Chefs gehört er damit neben dem "Treasurer" (Schatzmeister) und dem "Sergeant at Arms" (Sicherheitschef) zum inneren Zirkel des streng hierarchischen Clubs. Für die Fahnder vom Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen eine beunruhigende Entwicklung. Denn das Charter Hannover ist nicht irgendeins: Es gilt als größtes und zählt zu den einflussreichsten weltweit im Bund der Hells Angels.

Der Club in Hannover wird vom niedersächsischen LKA dem Dunstkreis der Organisierten Kriminalität zugerechnet. Eine achtköpfige Ermittlungsgruppe "EG 1 Prozent" kümmert sich um die Rocker. Der Name geht auf eine Selbsteinschätzung der Angels zurück, die gern darauf hinweisen, dass 99 Prozent ihrer Mitglieder gesetzestreu seien - es aber das eine Prozent der "Outlaws" gebe, der selbsternannten "Gesetzlosen".

Mögen die Hells Angels gern den Mythos eines friedlichen Clubs von Pfadfindern auf Motorrädern pflegen: Für die Ermittler der "EG 1 Prozent" arbeiten viele "Engel" wie eine kriminelle Bande, die "arbeitsteilig, gezielt und systematisch vorgeht", wie Frank Federau vom LKA erklärt. Sie bediene sich der Hilfe von PR-Profis und hochkarätiger Rechtsbeistände. In Teilen seien sie "wie ein Wirtschaftsunternehmen aufgestellt".

Die Ermittler sind auf ein unübersichtliches Geflecht mit rechten Querverbindungen gestoßen, von harmlos erscheinenden Tattoo-Studios bis hin zu paramilitärischen Sektionen. Und sie gehen davon aus, dass illegale Einnahmen durch legale Aktivitäten wie Sicherheitsdienste, Merchandising oder Events getarnt werden.

Zu solchen Events der Rocker gehörte im vergangenen Jahr die "Tattoo-Convention" (Tätowiermesse) in Hannover - organisiert von Secretary Markus W. alias Maxe. Er sorgte dafür, dass rechte Szeneläden ihr Angebot freizügig präsentieren konnten, darunter auch ein Tattoo- und Piercingladen aus einem Ort im Kreis Soltau-Fallingbostel. Das Studio leiten Hannes F. und Marcel U., zwei Kampfsportler mit langjährigen Verbindungen in die militante Neonazi-Szene. Bei den Hells Angels des Charters Hannover haben sie es ebenfalls weit gebracht: von "Hangarounds" (Anhängern) zu "Prospects" (Anwärtern) - der letzten Stufe vor ihrer Aufnahme in die Bande als "Member" (Mitglied).

In ihrem Geschäft berät Inhaber Hannes F. freundlich die Besucher, der "Piercer" Marcel U. heißt besonders "experimentierfreudige Kunden" willkommen. Zur Inspiration legen sie Muster vor, die bei Rechtsextremen sehr beliebt sind: Wehrmachtsoldaten und die Runenkunde einer Kameradschaft. In den Fotoalben zeigen sie stolz das Bild eines Tattoos, das deutlich an den einstigen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß erinnert.

Hannes F. soll nach den Recherchen der Fahnder sowohl in der rassistischen Sekte "Artgemeinschaft" als auch in der "Kameradschaft Hildesheim" mitgewirkt haben. Im März vorigen Jahres musste er sich vor dem Landgericht in Halle (Sachsen-Anhalt) verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, für die "Sektion Niedersachsen" von "Blood and Honour" (Blut und Ehre) gearbeitet zu haben. Das internationale Netzwerk, das rechtsextreme Bands vermarktet, ist in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Hannes F. auch nach dem Verbot noch im Geiste von "Blood and Honour" rechtsextreme Events organisierte - und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe.

Neben Hannes F. saß in Halle Johannes K. auf der Anklagebank. Auch er hat Verbindungen zu den Hells Angels aufgebaut, die beiden kennen sich aus gemeinsamen Zeiten bei "Blood and Honour". K. führt ein Tattoo-Studio in Hildesheim; in dem Laden wird für die Geschäfte der Rocker im Rotlichtmilieu geworben, zudem werden deren Merchandising-Artikel verhökert.

Der Fall Johannes K. zeigt, dass die Übergänge zwischen Rockern und Rechten fließend sind. Denn neben dem Tattoo-Studio betreibt K. einen Army-Shop: einen Laden für spezielle Ausrüstung "von Soldaten, für Soldaten". Als "Combat and Survival School" (Kampf- und Überlebenstraining) bietet der Militärfan unter anderem eine Ausbildung zum "Scharfschützen" an.

An den paramilitärischen Übungen von Johannes K., so die Ermittler, soll auch ein Mitglied des "Selbstschutzes Sachsen-Anhalt" teilgenommen haben. Die militante "Kameradschaft", die mit ihrem Kürzel "SS-SA" unverhohlen auf die NS-Zeit anspielt, arbeitet als "nationaler Sicherheitsdienst" und stellt bei rechtsextremen Veranstaltungen die Ordner.

Ordner brauchen die Angels viele, sie sollen vor fremden Blicken schützen. Auch ihr Clubheim "Angels Place" wird von stämmigen Burschen bewacht. Es liegt gut geschützt am Ende einer Sackgasse in Hannover. Besucher ohne Einladung werden von muskulösen Wächtern aufgehalten. Hells-Angels-Chef Frank H. hält hier Hof, ein hünenhafter, einschlägig bekannter Ex-Boxer. Erst Mitte Dezember wünschte er als Gastgeber einer Party den aus ganz Deutschland angereisten Engeln "viel Spaß". Stripperinnen mühten sich um Stimmung, das Bier der hauseigenen Marke "81" tat sein Übriges. "81" steht für den achten und ersten Buchstaben des Alphabets: "HA" wie Hells Angels.

Unter den Besuchern tummelten sich indes auch einige, die sich eher an der Ziffernfolge 18 berauschen: "AH" wie Adolf Hitler. Das Logo "Max H8" war gleich an der Kleidung von mehreren zu entdecken: "H8" verschlüsselt die Zahl "88", die in der rechtsextremen Szene für den verbotenen Gruß "Heil Hitler" steht. Zugleich symbolisiert "Max H8" auch "Maximum Hate" (maximaler Hass).

Obwohl die Polizei die Szene ständig beobachtet, ist sie schwer zu fassen. Offiziell sagen die Rocker in Hannover, sie seien vollkommen unpolitisch. So erklärt es ihr Pressesprecher Django. Symbole mit Nazi-Bezug seien kein politisches Statement, sondern dienten bei einigen nur als Provokation. Dass mancher ein langes Vorstrafenregister hat, räumen die Rocker ein. Es sei aber kein Hinderungsgrund, Mitglied zu werden. Entscheidend sei allein, dass man die Regeln der Angels einhalte.

Zu diesen Regeln gehört auch das Gebot, keine Kooperation mit der Staatsgewalt einzugehen. Unter Rockern gilt, wie bei der Mafia, die Omertà - das Gesetz des Schweigens. So mussten die Fahnder in Niedersachsen erst vor wenigen Wochen zähneknirschend mit ansehen, wie die Bruderschaft wieder glimpflich davonkam. 14 Hells Angels aus Bremen standen im Dezember in Hannover wegen eines brutalen Überfalls auf Mitglieder der konkurrierenden Gang Bandidos vor Gericht. Schon nach zwei Verhandlungstagen einigten sich Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf einen Deal: auch weil der Kronzeuge, ein ehemaliger Angel, plötzlich nicht mehr aussagen mochte. Elf der Rocker kamen mit Bewährungsstrafen sofort frei.

"Meine Herren, bleiben Sie sauber", rief Richter Jürgen Seifert unter dem Gejohle der Rocker. Ein frommer Wunsch. Demonstrativ klatschten die angereisten Bandenmitglieder. In der letzten Zuschauerreihe applaudierte ein lächelnder Angel im Sweatshirt der Marke Lonsdale, einem Erkennungszeichen der Rechtsextremen.

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Spiegel 5.1.09

Ermittlungen gegen NPD weiten sich aus

Die Finanzaffäre der rechtsextremistischen NPD, die die Partei in eine tiefe Krise gestürzt hat, weitet sich aus. Die Staatsanwaltschaft in Münster ermittelt nach Angaben von Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer nicht nur gegen den inzwischen abgelösten NPD-Schatzmeister Erwin Kemna, sondern auch gegen zwei Wirtschaftsprüfer wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Parteiengesetz. Die Steuerexperten Eberhard Müller und Werner Linn hatten jahrelang Kemnas - offenbar manipulierte - Rechenschaftsberichte an die Bundestagsverwaltung testiert. Die Ermittler prüfen nun, ob auch die NPD-Spitze Kenntnis von den Machenschaften hatte. Laut Staatsanwaltschaft wurden bereits Ende November mehrere Wirtschaftsprüfungskanzleien in Süddeutschland durchsucht sowie die Zentrale der NPD-nahen Deutsche Stimme Verlags GmbH im sächsischen Riesa. Die Staatsanwälte haben nach eigenen Angaben Indizien dafür, dass die NPD jahrelang über Treuhandkonstruktionen Parteigelder in den Verlag geschleust und ihre Beteiligung an dem rechtsextremen Druckhaus gegenüber der Bundestagsverwaltung verschleiert hat. Unternehmensbeteiligungen von Parteien müssen nach dem Gesetz offengelegt werden, andernfalls drohen Sanktionen. "Deutsche Stimme"-Verlagsleiter Jens Pühse räumt ein, dass ein Teil der Gesellschaftsanteile des Verlags durch den Wirtschaftsprüfer Müller "treuhänderisch für dritte Personen" gehalten würden. Um wen es sich handle, sei "lediglich Herrn Müller bekannt". Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass diese Konstruktion im Auftrag oder mit Wissen der Partei gewählt wurde. Der Wirtschaftsprüfer selbst mochte sich - wie sein Kollege Linn, der bereits inhaftierte Ex-Schatzmeister Kemna und NPD-Sprecher Klaus Beier - nicht zu den Vorwürfen äußern.

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ANTI-ATOM
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Tagesanzeiger 5.1.09

Den Atomkraftwerken fehlt für die Zukunft das Personal

AKW sind für die Industrie und für die Stromkonzerne plötzlich wieder aktuell. Doch zeichnet sich bereits ein Personalengpass ab, denn die Pioniere gehen jetzt in Pension.

Von Walter Jäggi

Nach zwei oder drei Jahrzehnten, während derer kaum ein Atomkraftwerk gebaut wurde, lancieren die Hersteller und die Stromerzeuger jetzt wieder neue Projekte. Auch in der Schweiz wird am Ersatz für die heutigen AKW gearbeitet. Dabei zeigt sich jetzt, dass in der Nuklearbranche der Nachwuchs fehlt.

Der weltgrösste Betreiber von Atomkraftwerken, die französische EDF, braucht jährlich Hunderte von neuen Ingenieuren. Die deutsche Industrie rechnet - obschon die dortige Politik der Atomkraft abgeschworen hat - mit einem Bedarf von Tausenden von Ingenieuren und Technikern im nächsten Jahr. Und die US-Industrie hofft, dass nicht alle Fachleute vom Recht auf Pensionierung im Jahr 2012 Gebrauch machen werden.

Die Weitergabe von Knowhow steht auf dem Spiel, wenn jetzt eine ganze Generation von Fachleuten in Pension geht, die beim Bau der heutigen Anlagen dabei waren und diese während eines ganzen Berufslebens betreut haben.

In der Schweiz, die längst keine eigene Nuklearindustrie mehr hat, stellt sich das Problem in geringerem Ausmass ebenfalls. Alle Kraftwerkbetreiber sind daran, ihre Equipen abzulösen, und haben die Rekrutierung und Ausbildung von Nachwuchskräften intensiviert. An der ETH ist ein neuer Master-Lehrgang für Nuclear Engineering gestartet: Statt 20 fand man allerdings nur 12 Studentinnen und Studenten, 3 davon aus der Schweiz. Noch scheint das Image der Branche bei der Jugend beschädigt zu sein.

AKW auf Talentjagd, Seite 17

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AKW gehen auf die Jagd nach Talenten

Die Pioniere der Atomkraft sind mit ihren Kraftwerken alt geworden und gehen in Pension. Die Branche braucht jetzt dringend Nachwuchs. Erst recht, wenn sie neue AKW bauen will.

Von Walter Jäggi

Die Experten haben ein hübsches Wort für das Problem gefunden: Fadenriss. Der Atomkraftbranche drohe ein Fadenriss, sagen sie, wenn nicht sofort Massnahmen getroffen würden, um Forschung, Entwicklung und Ausbildung weiterzuführen. Der "politisch bewusst herbeigeführte Fadenriss bei Forschung und Entwicklung" habe Deutschland "weitgehend von der internationalen Entwicklung abgekoppelt", klagt der Bundesverband der Deutschen Industrie. Sinkende Studentenzahlen und das altersbedingte Ausscheiden von Professoren werden dazu führen, dass das Lehrangebot 2010 nur noch halb so gross sei wie im Jahr 2000. Die Zahl der Wissenschaftler, die sich in Deutschland mit der Nuklearenergie befassen, habe allein von 2005 bis 2007 um 15 Prozent abgenommen. Bis 2010 würden 6000 Ingenieure und Naturwissenschafter für Aufgaben in der Kerntechnik gesucht.

Es müsse unbedingt das Knowhow im Umgang mit den Atomkraftwerken erhalten werden, heisst es nicht nur in Deutschland. Schon vor zwei Jahren schlugen Experten der OECD Alarm, wenn nichts unternommen werde, laufe die Branche weltweit in einen Personalengpass hinein. Die Zeitung "Le Monde" zitierte kürzlich einen Experten der Beratungsfirma Capgemini, die Überalterung des Personals beginne den Managern der Kraftwerke schlaflose Nächte zu bereiten, denn "die Babyboomer gehen jetzt in Pension". Die französische EDF, grösste AKW-Betreiberin, muss in den nächsten sieben Jahren40 Prozent ihres Fachpersonals ersetzen. In den USA könnte 2012 ein Drittel der Angestellten der Kraftwerke vom Recht auf Pensionierung Gebrauch machen.

Abgesehen davon, dass die Anlagen noch längere Zeit betrieben werden sollen, braucht es auch Fachleute für deren Demontage und - darauf hoffen Hersteller und Betreiber - für Planung und Bau von neuen Kraftwerken. In Ländern, die keine AKW oder lange keine mehr gebaut haben, könnte der Mangel an Ingenieuren für eine Renaissance der Atomkraft kritisch werden. Laut Capgemini hat weltweit die Hälfte der Fachinstitute, die Ingenieure und Operateure ausgebildet haben, geschlossen.

In den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten sind kaum Atomkraftwerke gebaut worden. Kein Wunder, haben sich viele Ingenieure, Techniker und Fachhandwerker anderen Sparten zugewandt. Und kein Wunder, haben junge Leute gezögert, einen Beruf dieser Branche zu studieren oder zu erlernen. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete im Sommer über einen Kernkraftkongress, bei dem das Motto zu sein schien "Der Letzte macht das Licht aus". Der Unterhalt betagter Reaktoren, deren Stilllegung und die mühsame Entsorgung der strahlenden Überreste seien die Themen gewesen - nicht gerade inspirierend für den Nachwuchs.

Die Reaktoren werden heute meist noch von den Pionieren bedient, die schon beim Bau dabei waren. In der Schweiz sind die AKW in den Jahren 1969 bis 1984 in Betrieb genommen worden, die Generation der Fachleute erreicht jetzt das Pensionsalter. Die Operateure, welche das Kraftwerk im 365-mal-24-Stunden-Betrieb bedienen, müssen speziell ausgebildet und offiziell lizenziert werden. Bis jemand als Schichtleiter quasi der Kapitän an Bord ist, dauert es volle sieben Jahre.

Den Kraftwerkbetreibern ist die Entwicklung nicht verborgen geblieben. Beim Kernkraftwerk Gösgen heisst es im Geschäftsbericht 2007: "Im Hinblick auf den kommenden Generationenwechsel wurden die Personaleinstellungen und die Aus- und Weiterbildung intensiviert." Mehr als 10 Prozent der Belegschaft sei 2008 abgelöst worden, sagt Pressesprecher Konstantin Bachmann. Damit das Knowhow korrekt weitergegeben werden könne, würden viele Funktionen während eines Übergangsjahres doppelt besetzt.

Auch bei den BKW, die das Kernkraftwerk Mühleberg betreiben, hat man rechtzeitig nach Nachwuchs Ausschau gehalten. Die Kraftwerkunternehmen hoffen, dass unter den Jungen die Einstellung zur Atomkraft wieder offener sei als auch schon - und dass die schwierigere Wirtschaftslage die Berufsanfänger etwas weniger wählerisch machen könnte. Doch "die Lage ist angespannt", räumt Erwin Schärer, Mediensprecher des Stromkonzerns Axpo (AKW Beznau) ein. Wie in anderen Bereichen kommen in der Nukleartechnik viele qualifizierte Fachleute aus Deutschland, wo sie aber knapp werden.

Die Unterstützung durch die Lieferanten, so versichern die Schweizer AKW-Besitzer, habe man weiterhin, auch wenn die Herstellerfirmen nicht mehr als solche bestehen. Siemens/KWU ist in der französischen Areva aufgegangen, der US-Produzent Westinghouse gehört zum japanischen Toshiba-Konzern.

Planung mit langem Atem

Hat die Schweizer Stromwirtschaft die personellen Kapazitäten für die Planung und den Bau neuer Anlagen? Philipp Hänggi, Geschäftsführer der Fachorganisation Swissnuclear, ist zuversichtlich: "Bis dann, wenn wir sie brauchen, werden wir sie haben." Die AKW-Industrie rechnet in langen Zeiträumen, das gibt auch Zeit, Fachleute zu finden und auszubilden. Für die ersten Planungsarbeiten werden der dafür gegründeten Firma Resun Ingenieure der Muttergesellschaften zur Verfügung gestellt. Einen grossen Teil der Projektarbeiten sollen die Lieferanten übernehmen. Die Schweizer Stromkonzerne betonen: Es wird nichts für die Schweiz oder in der Schweiz entwickelt, es kommt nur der Kauf erprobter Technik in Frage. Aber natürlich erfordern solche Projekte bei den Bestellern und bei den Bewilligungs- und Aufsichtsbehörden zahlreiche hochqualifizierte Experten.

Ein grosser Teil eines AKW hat nichts mit Nukleartechnik zu tun. Effektive Atomexperten mit Hochschulausbildung braucht es vielleicht ein halbes Dutzend pro Anlage. Um sie auszubilden, ist an der ETH letztes Jahr ein neuer Kurs geschaffen worden. Studierende mit einem Bachelor in Chemie, Physik, Maschineningenieurwesen oder Ähnlichem können den Master of Science in Nuclear Engineering erwerben. Studiert wird je ein Semester in Zürich und in Lausanne, die Masterarbeit wird am Paul-Scherrer-Institut gemacht.

Nicht nur der Titel ist englisch, auch die Unterrichtssprache des sehr internationalen Studiengangs. Von den 12 Studentinnen und Studenten kommen ganze drei aus der Schweiz. Ausgebucht ist der Lehrgang nicht, doch Professor Horst-Michael Prasser ist "angesichts der kurzen Einschreibefrist und der minimen Werbung" zufrieden mit dem Start. Seine Argumente klingen verlockend: interessanter, multidiszi-plinärer Beruf, exzellente Jobaussichten, zwei berühmte Hochschulen, ein international anerkannter Abschluss. Die Teilnehmer sind optimistisch, einen zukunftsträchtigen Beruf zu erlernen. Ausüben werden sie ihn irgendwo auf der Welt, kaum in der Schweiz.

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NZZ 5.1.09

Vom Atomreaktor zurück zur grünen Wiese

In minuziöser Kleinarbeit wird das AKW Stade bei Hamburg abgewrackt

Von Knut Henkel*

 In Stade bei Hamburg steht der erste Atommeiler, der in Deutschland vom Netz genommen wurde. Der Rückbau läuft auf vollen Touren. Turbinen und Dampferzeuger wurden schon abtransportiert, und derzeit wird die Zerlegung des Reaktorbehälters vorbereitet.

 Grün ist der Helm von Harry Niemeyer, und die Farbe Grün ist im Atomkraftwerk Stade für die Strahlenschützer reserviert. Niemeyer, ein hagerer Ostfriese, steht an der Sicherheitsschleuse und verweigert lächelnd den Handschlag zur Begrüssung. "So etwas machen wir hier nicht", sagt der Strahlenschutztechniker vom Dienst lapidar. Niemeyer ist im nuklearen Kontrollbereich des Kernkraftwerks Stade dafür verantwortlich, dass Besucher wie Mitarbeiter keine Strahlung "verschleppen". Nichts darf rein- und schon gar nichts rausgelangen, und deshalb kann jeder Händedruck hinter der Schleuse einer zu viel sein. Dort beginnt der nukleare Kontroll bereich. Aus diesem haben die Kollegen von Niemeyer schon etliche Tonnen Material abtransportiert. Vor fünf Jahren, am 14. November 2003, wurde das Kernkraftwerk vom Betreiber, dem Stromkonzern E.On, per Knopfdruck abgeschaltet. Gegen acht Uhr morgens endete der Neutronenbeschuss der Uranbrennstäbe und damit auch die Kernspaltung, wie sich Pressesprecher Detlef Hubert erinnert. So wurde das Kernkraftwerk Stade (KKS) zum Symbol des deutschen Atomausstiegs.

 Nicht mehr rentabel

 Dies sei aus rein wirtschaftlichen Gründen geschehen, erklärt Hubert. Mit der 1998 erfolgten Liberalisierung des Strommarktes sei das Kraftwerk mit seinen 630 Megawatt Leistung nicht mehr wirtschaftlich gewesen. Spätestens 2004, so Hubert, wäre die vereinbarte Reststrommenge ausgeschöpft gewesen, und dann hätte man den Meiler ohnehin vom Netz nehmen müssen. Also entschied man sich für die Abschaltung und stellte 2001 die ersten Anträge für den Abbruch.

 Der direkte Rückbau, wie die Demontage im Fachjargon heisst, war laut der Kalkulation der Betreiber billiger als die zweite Option, der "sichere Einschluss". Bei dieser Methode hätte man das Kraftwerk mit einem Betonmantel umgeben, die Radioaktivität im Laufe der Jahre etwas abklingen lassen, um dann mit dem Abbruch zu beginnen. In Stade machte man sich gleich an den Rückbau, und bisher ist man im Zeitplan. Auch der Finanzrahmen von 500 Millionen Euro sollte ausreichen, erklärt der Pressesprecher, und weist den Weg durch die riesige Turbinenhalle in Richtung Reaktorkuppel. Nur noch die Betonsockel und die Stahl-Halterungen lassen erahnen, wo die Turbine einst stand.

 Die zweite Phase praktisch abgeschlossen

 Die Turbine ist längst auf dem Schrottplatz gelandet, denn rund um die aus Stahlplatten gefertigte Reaktorkuppel sollte Platz geschaffen werden. Die Kuppel gleicht einem aufgeschnittenen Fussball, und die 2,5 Zentimeter dicken, zur Kugel verschweissten Platten erinnern an die Lederflicken, aus denen ein Ball zusammengesetzt ist. An der Aussenhaut der Kuppel lassen die mächtigen Halterungen noch erahnen, wo die 70 Zentimeter dicken Dampfrohre verliefen. Die 16 Meter grossen Stahl-Ungetüme wurden letztes Jahr ausgeschleust, wie es im Fachjargon heisst, und einer schwedischen Spezialfirma zur Entsorgung überantwortet.

 Damit wurde die Phase zwei, in der leicht strahlende Teile aus der Reaktorkuppel ausgebaut wurden, bereits weitgehend abgeschlossen. Alle Teile, zumeist handelte es sich um Rohrleitungen, Pumpen und andere Geräte, wurden dabei in handliche Stücke von maximal 80 Zentimetern Länge zerlegt, die anschliessend sowohl chemisch als auch mechanisch in einem mehrstufigen Verfahren gereinigt wurden. Nach dem aufwendigen Prozedere landen alle Teile auf dem Messtisch, wo die KKS-Techniker ihr an ein Bügeleisen erinnerndes Messgerät in Zeitlupe über die Oberfläche gleiten lassen.

 Leise knackt dann der Geigerzähler, doch heute sind die Ausschläge auf der Skala nur minimal. Das blank schimmernde Stück Metall kann passieren und landet in der Sammelbox. Diese muss noch eine Messstation passieren, bevor das Material endgültig für den Schrotthändler freigegeben wird oder als kontaminierter Sondermüll im werkseigenen Zwischenlager landet. Was rausgeht, kann als Bratpfanne irgendwo im Supermarkt auftauchen. Für die Strahlenschutztechniker vom Kernkraftwerk Stade ist das kein Problem, denn schliesslich sei das Metall zu 100 Prozent sauber, erklärt Niemeyer.

 Roboter am Werk

 Ganz anders die Teile aus dem zwölf Meter tiefen, blau schimmernden Abklingbecken. Auf dem Grund werkelt ein Roboter, der per Hochdruckwasserstrahl das Kerngittergerüst zerteilt. Dieses habe früher die Brennstäbe in ihrer Position fixiert, erklärt Hubert und blickt auf die drei Arbeiter in den orangefarbenen Overalls. Sie stehen auf einer Arbeitsbühne über dem Becken und lenken den Roboter per Joystick. Die Wassersäule schützt sie gegen die Strahlung, und wenn diese zu stark wird, meldet sich das Dosimeter per Warnton. Niemand kommt ohne das flache, etwa zigarettenschachtelgrosse Messgerät in den Kontrollbereich, und akribisch werden die Messwerte am Ende des Tages in den Strahlenpass eingegeben. Ein bis zwei Mikrosievert bekommen die Arbeiter unter der Reaktorkuppel am Tag etwa ab. Schon ein Flug nach Mallorca schlage mit rund zehn Mikrosievert zu Buche, erläutert Niemeyer.

 Niemeyer bereitet sich mit seinen Kollegen längst auf das dicke Ende, die Demontage des Reaktordruckbehälters, vor. Diese steht für Ende 2009 an, und wenn das strahlende Herz des Atommeilers erst einmal entsorgt ist, dann werde der Abriss der Kraftwerkshülle schon fast überschaubar, schmunzelt Niemeyer. Dann passiert er die Sicherheitsschleuse und nimmt den grünen Helm ab - Mittagspause. Spätestens 2014, so die Rückbaupläne, sollen da, wo die Reaktorkuppel in der Sonne schimmert, nämlich wieder Kühe auf grüner Weide grasen.

 * Der Autor ist freier Journalist in Hamburg.

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WEF
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Blick 5.1.09

So verzweifelt ist die Wirtschaft

Von  Karin Baltisberger und  Adrian Schulthess

Jetzt sucht das WEF schon auf YouTube nach Ideen zur Rettung der Welt. Und findet vor allem Spinner.

Nicht nur wirtschaftliche und politische Grössen können an den Diskussionen am WEF in Davos teilnehmen. Nein, jeder darf jetzt mitreden. Schliesslich geht es um nichts Geringeres als die Lösung der globalen Probleme. Weltweite Aufmerksamkeit ist garantiert. Dank YouTube.

WEF-Gründer Klaus Schwab hat aufgerufen. Und Maria Bortiromo hilft ihm dabei: Mit allem gebotenen Ernst trägt die Moderatorin des US-Fernsehsenders CNBC so wichtige Fragen ans YouTube-Publikum wie: Kehrt das globale Wachstum 2009 zurück? Oder: Wie bringt man die Wirtschaft am besten wieder in Schwung?

Und die YouTube-Gemeinde antwortet. Zum Beispiel "Fczuardi" (Fabricio aus Brasilien). Erst summt er lässig ein Liedchen. Dann streckt er den Zeigefinger in die Luft. Die Lösung scheint gefunden.

Sein Vorschlag: "Speck." Er hält eine Speckschwarte aus Plüsch in die Kamera. Reisst die Augen auf. Stöhnt: "Yeah." Ob die Wirtschaftsführer jetzt auf schnaufen?

"Blz33" (Kwai Chi aus London) dagegen hat gar keine Bedenken, dass es klappen wird mit dem globalen Wachstum: Natürlich werde es weitergehen. "Die Erde ist ja wie ein Fussball. Und wenns regnet, hängt der ganze Dreck am Ball. Er wird immer grösser. So ist es auch mit dem Globus. Wird ja ständig gebaut. Immer mehr Stahl, Beton, Zement. So wird der Planet immer grösser - das ist globales Wachstum, Deppen."

"MistOrWiggles" (Mike aus den USA) findet: "Wenn die Leute finden, die Wirtschaft sei schlecht, dann geht sie bachab. Wenn die Leute an Obama glauben, fängt das Geld wieder an zu fliessen. Ein Kreislauf. Das Geld fliesst im Kreis."

"Budangbear", ein beleibter Bartträger aus Südkorea mit Reggae-Mütze, hat sein ganz spezielles Rezept zur Rettung der Weltwirtschaft: Der selbsternannte Freiheitskämpfer hält gleich seine eigenen zehn Gebote für die Wirtschaftsleute fest. Darunter: "Du sollst keine Geschäfte mit totalitären Regierungen machen", "Du sollst keine gesundheitsschädigenden Produkte herstellen" oder "Du sollst keine Werbung mit Sex machen".

"Stefansalesman" dagegen ist pragmatischer. Der angebliche Unterhosenproduzent aus Schweden sagt der Weltwirtschaft einen Aufschwung voraus: "Die Tabakindustrie wird uns retten! Barack Obama raucht. Deshalb fangen erstens Menschen auf der ganzen Welt mit dem Rauchen an. Und zweitens sterben jetzt noch mehr am Rauchen. Das ist auch gut, denn so bleibt mehr für den Rest übrig."

Ob die Polit- und Wirtschaftsgrössen am WEF damit etwas anfangen können, wird sich zeigen. Die besten Videos sollen nämlich am WEF in Davos den geladenen Gästen gezeigt werden - wenn die sie überhaupt sehen wollen.

"Die Erde wird immer grösser - wie ein dreckiger Fussball."

Kwai Chi

"Mehr Leute sterben am Rauchen - bleibt mehr für den Rest."

Stefansalesman

"Wenn die Leute an Obama glauben, fliesst Geld wieder."

MistOrWiggles

Zusammenrottung in Davos

Am WEF wirds eng: Laut der "NZZ am Sonntag" erwartet Welt wirt-schaftsforums-Präsident Klaus Schwab so viele Promis wie noch nie an seinem Treffen Ende Januar. 48 Staatschefs und zahlreiche Spitzenvertreter der Wirtschaft seien schon angemeldet - etwa der russische Ministerpräsident Wladimir Putin, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der chinesische Premier Wen Jiabao. Gerüchte sagen: Auch Ex-US-Präsident Bill Clinton und der britische Premier Gordon Brown wollen vorbeischauen. ?

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GRIECHENLAND
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Newsnetz 5.1.09

Polizist in Athen niedergeschossen

Unbekannte haben mehrere Schüsse auf einen Polizei-Wachtposten in Athen abgegeben. Dabei wurde ein 21-jähriger Polizist lebensgefährlich verletzt.

Ein griechischer Polizist ist in der Nacht zum Montag in Athen von Unbekannten niedergeschossen verletzt worden. Der Angriff richtete sich nach Angaben eines Polizeisprechers gegen einen Polizeiposten vor dem Kultusministerium in der Innenstadt. Bei der Suche nach den Tätern seien mehrere Personen festgenommen worden. Medien berichteten von zwei Schützen. Es seien etwa 20 Schüsse abgefeuert worden. Über die Hintergründe der Tat lagen zunächst keine Angaben vor. Im Dezember war es nach tödlichen Schüssen auf einen 15-Jährigen bei einem Polizeieinsatz in Athen mehr als zwei Wochen lang zu teils gewaltsamen Protesten in ganz Griechenland gekommen.

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STADTRAT
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Sitzung 15.1.09

08.000293 (08/290)
Reg. 23/-00

9. Dringliches Postulat Henri-Charles Beuchat (CVP): Sicherheitsprobleme spitzen sich zu - Todesfall vor der Reithalle

In der Nacht vom Freitag 29. August 2008 war es vor der Reithalle zu einer tätlichen Ausei-nandersetzung zwischen mehreren Personen gekommen, bei der ein 36-jähriger Mann erheb-lich verletzt wurde. Eine Woche nach dem Vorfall ist der Mann am Samstag, 6. September 2008 an den Folgen der Verletzungen im Spital verstorben.
In diesem Zusammenhang fordern wir eine lückenlose Aufklärung des Sachverhaltes.

Der Gemeinderat wird deshalb beauftragt folgende Massnahmen zu prüfen und darzulegen:
1. Die Verantwortlichen der Reithalle sind vorzuladen und an einer Krisensitzung ist eine verbindliche Vereinbarung zu treffen, mit welchen zusätzlichen zwingenden Massnahmen seitens der Reitschule die Situation verbessert werden kann. (Videoüberwachung, Poli-zeipräsenz, eigener Sicherheitsdienst usw...)
2. Da die Aussagen der Reithallen-Betreiber jene des Direktors für Sicherheit Umwelt und Energie und jene der Kantonspolizei voneinander abweichen prüft der Gemeinderat an-hand der Polizeiprotokolle den einleitend erwähnten Sachverhalt und legt dem Stadtrat den Tatsächlichen Sachverhalt vor.
3. Der Gemeinderat prüft die Möglichkeit von unangekündigten Hausdurchsuchungen in der Reithalle.
4. Der Gemeinderat legt dem Stadtrat in einer tabellarisch chronologischen Übersicht dar, welche Vorfälle sich in den letzten 4 Jahren in und um die Reithalle ereignet haben. Der Bericht gibt Auskunft über Umfang, Struktur und Entwicklung sowie die nähere Ortsbe-zeichnung der Vorfälle der polizeilich registrierten Straftaten resp. Straftatengruppen in und um die Reithalle.

Begründung der Dringlichkeit:
Der Vorfall ist aktuell, es muss raschmöglichst eine Massnahme geprüft werden. Die Zustän-de der Drogenszene fordern ein rasches Handeln.

Bern, 11. September 2008

Dringliches Postulat Henri-Charles Beuchat (CVP), Reto Nause, Edith Leibundgut, Simon Glauser, Roland Jakob, Manfred Blaser, Philippe Müller, Dolores Dana, Christoph Zimmerli, Yves Seydoux, Peter Bernasconi, Rudolf Friedli, Jacqueline Gafner Wasem
Die Dringlichkeit wird vom Büro des Stadtrats bejaht.