MEDIENSPIEGEL 6.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Nauses Pläne für Bern
- Dance out WEF am 17.1.09
- Tour de Lorraine 17.1.09
- Prestige geht zu
- Sans-Papiers ZH: Verhandlungen
- Sans-Papiers BS: Schwarzarbeit statt Lehre
- Big Brother Video in Zügen
- Gaza: Demo- und Spenden-Aufruf
- Griechenland: Schüsse auf Polizei & Radiointerview zur
Bewegung
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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der
Vorplatz-Präsenz!!!
- Restaurant Sous Le Pont vom
1.-12.1.09 geschlossen
PROGRAMM:
Do 8.1.09
20.30 Uhr - Kino - Wunschfilm: Adam's
Apples, Anders Thomas Jensen, Dänemark 2005
Fr 9.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Bloup von
Duo Luna-tic. Judith Bach & Stéfanie Lang
21.00 Uhr - Kino - Wunschfilm: Adam's
Apples, Anders Thomas Jensen, Dänemark 2005
22.00 Uhr - Dachstock - Steady Beat Service: Doreen Shaffer (JAM/Skatalites) & The
Moon Invaders (BEL)
Sa 10.1.09
14.30 Uhr - Schützenmatte - Gaza-Demo
21.00 Uhr - Kino - Wunschfilm: Down
by Law, Jim Jarmusch, USA/ Deutschland 1986
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session:
Zero Tolerance (UK), Utah Jazz (UK), Ayah MC (UK) Support: TS Zodiac.
Infos: www.reitschule.ch
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GEMEINDERAT
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Bund 6.1.09
Champagner zum Anfang
Reto Nause (cvp) hat gestern sein neues Amt als Berner Gemeinderat
angetreten
Markus Dütschler
Offiziell entscheidet sich erst heute, ob der Ratsneuling Reto Nause
der Sicherheitsdirektion vorstehen wird. Dennoch hat er gestern schon
einmal im Sessel von Vorgänger Stephan Hügli Platz genommen.
Noch ist Reto Nause (cvp) nicht offiziell Berner Sicherheitsdirektor,
denn die konstituierende Gemeinderatssitzung mit der
Ämterverteilung
findet erst heute statt. Dennoch hatte Nause bereits gestern seinen
ersten Arbeitstag. Und zwar in der Direktion für Sicherheit,
Umwelt und
Energie (SUE), deren bisheriger Chef Stephan Hügli (mitte) bei den
Wahlen vom 30. November den Sitz an Nause verloren hatte. Da bislang
kein anderes Gemeinderatsmitglied den Wunsch geäussert hat, in die
SUE
zu wechseln, wird Nause höchstwahrscheinlich neuer Berner
Sicherheitsdirektor.
SUE braucht Kontinuität
"Ich habe ein motiviertes Team angetroffen", sagt Nause auf Anfrage.
Auf dem Pult habe er ein Kärtchen mit den Unterschriften der
Mitarbeitenden im Generalsekretariat vorgefunden. Und Blumen? Nein,
aber dafür eine Flasche guten französischen Champagner.
Der Mitarbeiterstab musste sich in den letzten Jahren mehrmals an einen
neuen Chef gewöhnen: nach Kurt Wasserfallen an Ursula Begert,
Barbara
Hayoz und an Stephan Hügli. Mit diesem habe er sich im Dezember
für
zwei Stunden getroffen, um sich den Stand der Dinge in groben
Zügen
erläutern zu lassen. "Ich hoffe, dass nun in der Direktion
Kontinuität
einkehrt", sagt Nause, der davon ausgeht, dass er zum SUE-Direktor
ernannt wird. Es sei eine spannende Direktion, findet der frisch
gebackene Gemeinderat. Sicherheit, Umwelt und Energie seien Gebiete,
die die Bürgerinnen und Bürger täglich beträfen,
erklärt Nause: "Da
wird handfeste Arbeit geleistet." Auch das Wirtschaftsamt ist
angegliedert, in ökonomisch schwierigen Zeiten ebenfalls eine
nicht zu
vernachlässigende Grösse: "2009 dürfte ein schwieriges
Jahr werden und
grosse Herausforderungen mit sich bringen."
Keine offenen Drogenszenen
Für den Fall, dass er SUE-Direktor wird, hat er sich bereits
einige
Gedanken gemacht. Er beobachte "mit grosser Skepsis" die Ansammlungen
von Drogenabhängigen an Orten wie der Anlaufstelle an der
Hodlerstrasse. Der Deal in der Öffentlichkeit müsse
weitgehend
unterbunden werden, so wie das etwa in Zürich recht gut gelungen
sei.
Eine weitere offene Frage im Sicherheitsbereich ist für Nause die
Polizeipräsenz in der Innenstadt. Er verstehe die Gewerbler in der
Aarbergergasse durchaus, die mit Protectas-Patrouillen versucht
hätten,
die Sicherheit zu erhöhen. Er werde das Gespräch suchen und
die
Erfahrungen diskutieren. "Aber diese Situation ist auf die Dauer
unbefriedigend, da wäre eigentlich die Stadt gefordert."
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DANCE OUT WEF
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20min.ch 5.1.09
Die Wef-Gegner tanzen wieder
Pünktlich zur Eröffnung des Davoser Weltwirtschaftsforums
findet am 17. Januar in Bern eine bunte Tanzparade statt.
Unter dem Motto "Dance Out Moneymania" wird sich ein Protestzug mit
vier Sound-Mobiles vom Bärengraben zum Waisenhausplatz bewegen.
Die
Veranstalter rechnen mit mehreren hundert Teilnehmern. "Mit der Polizei
haben wir uns schon getroffen, die Bewilligung ist fast unter Dach und
Fach", sagt Mitorganisator Jonas Brüllhardt.
Im Gegensatz zur grossen Anti-Wef-Demo, die heuer in Genf stattfindet,
blieb es bisher an der Tanzparade stets friedlich. "Letztes Jahr haben
wir pausiert, weil wir uns neu orientieren wollten", so
Brüllhardt. Die
Globalisierungsgegner wollen künftig nicht nur gegen das Wef und
Geldgier protestieren, sondern vermehrt Lösungen und Alternativen
aufzeigen.
mar
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TOUR DE LORRAINE
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Indymedia 6.1.09
Tour de Lorraine 09 in Bern ::
AutorIn : Tour de Lorraine: www.tourdelorraine.ch
Bereits zum 9. Mal findet am 17. Januar 2009 die Tour de Lorraine
statt. Das grosse Fest in verschiedenen Lokalen dies- und jenseits der
Lorrainebrücke entstand in Zusammenhang mit den Protesten gegen
das
Davoser Weltwirtschaftsforum. Das Motto der diesjährigen TdL
lautet
"Stop the Game" und bezieht sich auf die Finanzkrise und die riesigen
Verluste der Banken, die nun die Allgemeinheit zu tragen hat.
Speziell hervorheben möchten wir in diesem Zusammenhang das Poetry
Slam, das bereits am Freitag, 16.1. vor der UBS beim Berner
Hauptbahnhof um 18h stattfindet, sowie die Berner Vorpremiere des Films
"Let's Make Money" von Erwin Wagenhofer am 17.1. um 13h im Kino Movie 1
als Teil der diesjährigen Tour de Lorraine.
Wie immer können an der TdL mit einem Eintritt unzählige
Bands und
DJ's, sowie diverse Fime bis in die frühen Morgenstunden genossen
werden. Abgeschlossen wird der Anlass mit dem traditionellen
Katerfrühstück im Restaurant Sous le Pont. Der Eintrittspreis
beträgt
25 Fr. (reduziert 20 Fr., Soli 30 Fr.). Die drei Kassen sind ab 19 Uhr
geöffnet und befinden sich im Progr, bei der Reitschule und neben
dem
Café Kairo oder von 12.30 bis 13 Uhr beim Kino Movie 1. Mit dem
Gewinn
des Anlasses werden Projekte unterstützt, welche eine
öffentliche
Auseinandersetzung über Themen wie soziale Gerechtigkeit,
Umverteilung,
Chancengleichheit, etc auslösen oder der Weiterbildung und
Vernetzung
von politischen AkteurInnen dienen.
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CLUBLEBEN
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BZ 6.1.09
Prestige Club
Aus der Tanzfläche gibts Büros
Der Prestige Club in der City West ging zu. Den Betreibern wurde
gekündigt, weil sie mit dem Mietzins im Rückstand waren.
Musikclubs kommen und gehen, das ist nichts Aussergewöhnliches und
ereignet sich in jeder grösseren Schweizer Stadt. Bern bildet da
keine
Ausnahme. Einer der Clubs, welcher in der letzten Zeit das Feld
räumen
musste, war das Prestige an der Laupenstrasse 17. Den Betreibern wurde
vom Liegenschaftsbesitzer gekündigt. Sie waren des Öfteren
mit dem
Mietzins im Rückstand. Das Prestige, vor wenigen Jahren noch ein
Magnet
für Partygänger aus der ganzen Region, geriet in der
Vergangenheit
immer mehr in negative Schlagzeilen.
Gefahr für Leib und Leben
Wenige Besucher, mieses Konsumverhalten und pöbelnde Gäste
waren an der
Tagesordnung. "Mir verging die Lust, in Bern einen Club zu betreiben",
sagt Toni Mitidieri, Ex-Geschäftsführer des Betriebes. Die
heutige
Generation der Partygänger sei einfach nicht mehr attraktiv
für ein
Musikclub.
"Die Jungen kamen schon betrunken und mit ihren eigenen
Getränken bei
uns an", sagt Mitidieri. Klar, sei da im Lokal weniger konsumiert
worden. Dieser Teufelskreis habe sich dann natürlich bei den
Einnahmen
bemerkbar gemacht. Auch die Grundstimmung sei bei vielen Besuchern
meist schon zu Beginn des Abends sehr aggressiv gewesen.
Den Vorwurf, dass ein Besuch im Prestige sogar gefährlich werden
konnte, macht der Besitzer der Liegenschaft, Marc Wirz. "Der
Sicherheitsdienst im Prestige hat nicht richtig funktioniert", sagt
Wirz. So habe man immer wieder gehört, dass Leute ihre eigenen
Getränke
mit in den Club genommen hätten. Toni Mitidieri ist mit dieser
Aussage
nicht einverstanden. "Im Club ist nie etwas passiert", klar, habe es
draussen die eine oder andere unschöne Szene gegeben, aber als
Clubbetreiber könne man die Gäste ja nicht auf Schritt und
Tritt nach
Hause begleiten.
Tippen statt tanzen
In Zukunft wirds ruhiger zugehen an der Laupenstrasse 17. Einzig der
Lärm der Bauarbeiter könnte die Stille trüben. Die
rücken nämlich an,
um die Liegenschaft bis zum Mai bürotauglich zu machen. Die
Wincasa
steht als Mieterin für die Räume bereit. Büros werden
die einstige
Tanzfläche ersetzen. Er habe sich mit den Betreibern des Prestige
im
Guten getrennt, sagt Eigentümer Wirz. Obwohl er selbst wegen
Mietzinsrückständen, welche das Prestige ihm schuldete, Geld
verloren
habe.
Wer in Zukunft nicht auf den typischen Soundmix vom Prestige verzichten
will, der kann die "Inka Imperio Afterhours" besuchen. Die Partyreihe,
welche samstags ab 5 Uhr morgens in der Disco Shakira stattfindet, ist
ebenfalls ein Ziehkind der Prestige-Gründer.
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SANS-PAPIERS ZH
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bleiberecht.ch 5.1.09
Medienmitteilung zum Gespräch mit Regierungsrat Hollenstein: Ein
Funke Hoffnung
Heute morgen haben Gespräche einer Delegation der Sans-Papiers der
Prediger/St.Jakob Kirche mit dem zuständigen Regierungsrat Hans
Hollenstein stattgefunden. Kirchenratspräsident Ruedi Reich trat
dabei
als Vermittler auf. Als Erfolg werten die Sans-Papiers die versprochene
Einsetzung einer Härtefallkommission. Bezüglich der Umsetzung
der
Nothilfe offerierte Regierungsrat Hollenstein dagegen keine konkreten
Kompromisse.
Die im direkten Gespräch klar zugesagte Härtefallkommission
wurde an
der Medienkonferenz jedoch relativiert. Auch auf mehrfaches Nachfragen
der Medienschaffenden nannte Hollenstein weder einen konkreten Zeitplan
noch äusserte er sich zu den genauen Kompetenzen der geplanten
Kommission. Die Sans-Papiers beharren darauf, dass die Kommission keine
Alibi-Übung sein darf. Sie warten deshalb weiter auf die konkreten
Pläne zur Umsetzung einer wirksamen Härtefallkommission.
In Bezug auf die im neuen Asyl- und Ausländergesetz geschaffene
Härtefallregelung musste der Regierungsrat eingestehen, dass er im
Jahr
2008 keinen einzigen Härtefall nach Bern weitergeleitet hat. Damit
respektiert der Kanton Zürich und als politischer Verantwortlicher
Regierungsrat Hollenstein die auf Bundesebene zusammen mit den
Verschärfungen beschlossene Härtefallregelung de facto nicht.
Als
Erfolg hingegen werten die Sans-Papiers, dass der Regierungsrat sich an
der Medienkonferenz bereit erklärte, sämtliche abgelehnten
Härtefallgesuche erneut zu prüfen.
Die Sans-Papiers kritisieren, dass sich der Regierungsrat an der
Pressekonferenz hinter dem Migrationsamt versteckte und seine klare
politische Verantwortung so nicht wahrnahm.
Keinerlei Zugeständnisse bei der Nothilfe
Bezüglich der geforderten Verbesserungen im Nothilferegime machte
der
Regierungsrat Hollenstein bereits in den Gesprächen keinerlei
konkrete
Zugeständnisse, obwohl dieser Bereich vollständig in der
Kompetenz des
Kantons liegt.
Weiterhin werden Menschen also in Notunterkünften, teilweise in
Bunkern
ohne Tageslicht, leben müssen und erhalten nur die minimalste
Nothilfe
in Form von Migros-Gutscheinen für täglich Fr. 8.55. Im
Gegensatz zu
anderen Kantonen sind auch Frauen und Kinder davon nicht ausgenommen.
Weiterhin festgehalten wird an der so genannten "Dynamisierung", d.h.
am Zwang, dass Nothilfeempfangende jede Woche die Unterkunft wechseln
müssen. Die Frage, wie dies ohne Bahnbillette korrekt vor sich
gehen
soll, konnte Regierungsrat Hollenstein nicht beantworten.
Heute abend werden die Sans-Papiers das weitere Vorgehen diskutieren.
Bis Mittwochabend haben die Papierlosen in der St. Jakob-Kirche
Gastrecht.
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Tagesanzeiger 6.1.09
Hollenstein ruft nach Richtlinien des Bundes
Nach einer Aussprache mit Vertretern der Sans-papiers verspricht
Regierungsrat Hollenstein Änderungen in der Zürcher
Härtefallpraxis.
Von René Staubli
Zürich. - Die Zahlen sind deutlich, und Regierungsrat Hans
Hollenstein
(CVP) bestätigte sie gestern vor den Medien: Im Jahr 2007 haben
die
Kantone den Bund in 944 Fällen ersucht, abgewiesenen Asylsuchenden
doch
noch ein Bleiberecht zu erteilen, weil es sich um "schwerwiegende
persönliche Härtefälle" handle. Der Bund bewilligte 813
Gesuche.
Der Kanton Zürich schickte nur 4 solche Gesuche nach Bern. 277 von
281
Begehren lehnte das kantonale Migrationsamt in eigener Regie ab, wobei
es wesentlich härtere Kriterien anwandte als andere Kantone (TA
von
gestern). Im Jahr 2008 hat der Kanton Zürich kein einziges
Härtefallgesuch mehr nach Bern geschickt.
Das sei im Vergleich mit andern Kantonen "eine zu grosse Bandbreite",
räumte Regierungsrat Hollenstein gestern ein, da bestehe
Handlungsbedarf. In den Schweizer Kantonen müssten bezüglich
Härtefallregelung "vergleichbare Verhältnisse" herrschen,
präzisierte
Hollenstein. Den Kanton Zürich sähe er gerne
"gesamtschweizerisch im
Mittelfeld".
Von seiner Kompetenz als Regierungsrat, die Kriterien unverzüglich
anzupassen, will Hollenstein dennoch keinen Gebrauch machen. Es sei
"schwierig, ruckzuck eine solche Praxis zu ändern", sagt er.
Vielmehr
erwarte er vom Bund einheitliche Richtlinien. An diese wolle sich der
Kanton dann halten.
Leider nicht in seine alleinige Kompetenz falle die Schaffung einer
Kommission, die Härtefälle überprüfe und dem
Migrationsamt einen Antrag
auf Weiterleitung an den Bund oder auf Ablehnung stelle, sagte
Hollenstein. Er wolle aber alles daran setzen, den Kantonsrat oder die
Regierung von der Notwendigkeit einer "guten, glaubwürdigen
Härtefallkommission" zu überzeugen, die sich aus anerkannten
Persönlichkeiten zusammensetze.
Treffen in höflicher Atmosphäre
Hollenstein machte diese Aussagen nach einem Treffen mit Sans-papiers
und deren Vertretern im Kaspar-Escher-Haus, das in einer höflichen
Atmosphäre verlief. An Hollensteins Seite sassen unter anderem der
Chef
des kantonalen Migrationsamts, Adrian Baumann, und Ruedi Hofstetter,
Chef des kantonalen Sozialamts. Zur Delegation von
Kirchenratspräsident
Ruedi Reich gehörten nebst Sans-papiers aus verschiedenen
Ländern auch
Vertreter des Bleiberecht-Kollektivs, das die Kirchenbesetzer seit
Wochen unterstützt, sowie der Zürcher Rechtsanwalt und
Migrationsexperte Marc Spescha.
Spescha hat einen zwiespältigen Eindruck vom Gespräch mit
Hollenstein.
Dieser habe zwar versprochen, sich für eine
Härtefallkommission
einzusetzen und die Kriterien des Kantons bei der Behandlung von
Härtefällen zu überprüfen. Beide Versprechen seien
aber völlig
unverbindlich: "Ob sich da wirklich etwas bewegt, steht in den Sternen."
Ebenfalls kritisch beurteilt Spescha Hollensteins
Absichtserklärung, er
wolle in der Härtefallregelung die Richtlinien des Bundes
abwarten, um
diese dann zu befolgen. Solche Richtlinien gebe es zum Beispiel
für die
Erteilung von Niederlassungsbewilligungen für Ausländer, die
seit
mindestens fünf Jahren in der Schweiz leben und arbeiten. "Doch
der
Kanton Zürich wendet entgegen dieser Richtlinien strengere
Kriterien
an, etwa bei den Sprachkenntnissen und der Dauer der
Berufstätigkeit",
sagt Spescha.
Klar wurde gestern, wer diese Kriterien festlegt. Es ist nicht
Hollenstein, sondern Migrationsamtschef Baumann. Der Regierungsrat
jedenfalls sagte, er befürworte die Härtefallkommission auch
deshalb,
"damit die Entscheide im Extremfall nicht an einem einzigen Pult
fallen".
Kirchenratspräsident Reich wiederum verbuchte es als Erfolg, dass
sich
Hollenstein bereit erklärt hat, alle abgelehnten
Härtefalldossiers noch
einmal überprüfen zu lassen. Damit überbürdet er
dem völlig
überlasteten Migrationsamt freilich eine weitere aufwendige
Aufgabe. Es
geht um Hunderte von Dossiers.
Kirche verlangt Transparenz
Ende Januar soll zudem ein Gespräch zwischen Hollenstein und einer
ökumenischen Kirchendelegation stattfinden. Die Kirche verlangt
von der
Regierung explizit, dass sie Transparenz schafft und ihre
Handlungsmaximen in Härtefällen darlegt. Reich will, "dass
die
Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, wie sich
der Kanton
Zürich in Fragen des Ausländerrechts in Relation zu den
andern
Schweizer Kantonen verhält".
Die Sans-papiers und ihre Vertreter zeigten sich vom Gespräch mit
Hollenstein mehrheitlich enttäuscht. Sie hatten sich schnellere,
konkretere Massnahmen erhofft, etwa im Bereich der Nothilfe.
Hollenstein verteidigte die kargen Bedingungen mit dem Hinweis, dass
diese Menschen zur Ausreise verpflichtet seien und sich illegal in der
Schweiz aufhielten.
Am Abend kehrten die Sans-papiers in die Kirche am Stauffacher
zurück,
um das Gespräch mit Hollenstein zu analysieren. Ob und wie der
Protest
weitergeführt werden soll, will die Vollversammlung heute Dienstag
entscheiden.
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Härtefallkommission auf der Kippe
Zürich. - Die Proteste der abgewiesenen Asylbewerber und des
Bleiberechts-Kollektivs waren gestern auch im Kantonsrat ein Thema.
SP, Grüne/AL, und EVP stellten sich hinter deren Anliegen. Sie
forderten die Einsetzung einer Härtefallkommission. Bei
Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) rennt die Linke damit
offenen Türen ein - trotzdem stehen die Chancen nicht sehr gut.
FDP,
SVP und EDU sind dagegen, und sie stellen mit 90 Kantonsräten
genau die
Hälfte des Parlaments. Eher skeptisch sind auch die
Grünliberalen: 1999
bis 2002 habe es eine solche Kommission gegeben, die dann aber
aufgelöst wurde. 2007 scheiterte ein Versuch der Linken, die
Härtefallkommission wieder einzuführen. Zwar könnte der
Regierungsrat
eine solche Kommission in eigener Regie einsetzen, allerdings
dürfte er
sie mit deutlich weniger Kompetenzen ausstatten, als dies das Parlament
kann.
Scharf kritisierten die Linken den Umgang mit abgewiesenen
Asylbewerbern. Ihnen werde im Kanton Zürich das Leben absichtlich
unerträglich gemacht, bemängelten Grüne und AL in einer
Erklärung. Die
Nothilfe für diese Menschen - täglich ein Migros-Gutschein in
der Höhe
von 8.50 Franken, ein Bett in einer Notunterkunft sowie medizinische
Versorgung - reiche nicht aus, sagte Lisette Müller (EVP, Knonau).
CVP, FDP und SVP halten die Nothilfe für ausreichend. Hart gingen
die
Bürgerlichen mit den Protestierenden und dem Bleiberecht-Kollektiv
ins
Gericht. "Sie missbrauchen die Stellung der Kirche", sagte Regine
Sauter (FDP, Zürich). Die SVP kritisierte die Kirchgemeinden: Sie
müssten entscheiden, ob sie sich mit "ultralinken Organisationen
und
unechten Flüchtlingen solidarisieren oder die Räumung der
Kirchen
veranlassen wollen". (leu)
---
NZZ 6.1.09
Zugeständnisse an die Sans-Papiers
Hans Hollenstein fordert eine Härtefallkommission und hofft auf
klarere Bundesvorgaben
Im Einklang mit der reformierten Landeskirche hat der
Zürcher
Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein einer Delegation von Sans-Papiers
zugesichert, sich für die Bildung einer Härtefallkommission
einzusetzen
und Mängeln bei der Nothilfe nachzugehen. Dies begrüssen die
Aktivisten; im Übrigen zeigen sie sich aber enttäuscht.
vö./fri. Am Sonntag haben die Besetzer die Zürcher
Predigerkirche
verlassen, gestern hat Polizei- und Sicherheitsdirektor Hans
Hollenstein eine Delegation der Sans-Papiers und des
Bleiberecht-Kollektivs zu einem anderthalbstündigen Gespräch
empfangen.
Eine Vertretung der reformierten Landeskirche unter Leitung von
Kirchenratspräsident Ruedi Reich führte die Delegation an.
Wie
Hollenstein und Reich anschliessend vor den Medien rapportierten, haben
sie sich auf folgende Zugeständnisse geeinigt: CVP-Regierungsrat
Hollenstein wird sich für die Wiedereinführung der 2002
aufgelösten
Härtefallkommission einsetzen, die in Einzelfällen
Empfehlungen abgeben
kann; abgewiesene Asylbewerber können ihre Gesuche zur erneuten
Prüfung
nochmals einreichen; und einigen von den Sans-Papiers erwähnten
Mängeln
in den Nothilfeunterkünften werden die Behörden nachgehen.
Keine Lockerung der Bewilligungspraxis
Eine Lockerung der im schweizweiten Vergleich restriktiven
Zürcher
Bewilligungspraxis bei den Härtefallgesuchen (NZZ 5. 11. 08), zu
der
etwa der Nachweis eines gültigen Reisepasses gehört, will
Hans
Hollenstein jedoch vorläufig nicht ins Auge fassen. Zwar ist es
ihm ein
Anliegen, dass sich der Kanton Zürich in der Härtefallpraxis
"auf eine
gesamtschweizerische Mitte einpendelt", wie er festhielt.
Tatsächlich
haben die Zürcher Ausländerbehörden 2007 von 281
Härtefallgesuchen 277
abgelehnt. Letztes Jahr ist kein einziges Gesuch bewilligt worden. Um
die unterschiedliche Praxis der Kantone einigermassen zu
vereinheitlichen, plädierte Hollenstein für zusätzliche
Richtlinien des
Bundes. Auch Adrian Baumann, Chef des Migrationsamtes, würde
klarere
Bundesvorgaben begrüssen. Der vom Bund an den Kanton delegierte
Ermessensspielraum sei schwierig zu interpretieren, sagte er an der
Pressekonferenz. Als Beispiel führte er das nicht näher
definierte
Kriterium der "Offenlegung der Identität" an, das der Bund in
seiner
Verordnung zu den Härtefällen - neben weiteren Kriterien wie
Integrationsgrad, Gesundheitszustand, Leumund oder
Erwerbstätigkeit -
auflistet.
Bezüglich Härtefallkommission räumte Hollenstein
ein, dass ihre
Wiedereinführung nicht allein in seiner Kompetenz liegt.
Tatsächlich
hat der Kantonsrat 2007 einen entsprechenden SP-Vorstoss nicht
unterstützt. Der Regierungsrat hatte die 1999 gebildete und von
Rita
Fuhrer später übernommene Härtefallkommission 2002
aufgelöst. Die
Mehrheit der Kommissionsmitglieder war damit einverstanden, da das
Gremium keine Einzelfälle beurteilen durfte.
Trotz Zugeständnissen "erschüttert"
Dass sich Hollenstein für eine Härtefallkommission
einsetzen will,
bezeichnete das Bleiberecht-Kollektiv, das die Kirchenbesetzung
initiiert hatte, als "einzigen positiven Punkt" des Gesprächs. Was
hingegen ihre weiteren Forderungen angehe, "sind wir enttäuscht
und die
Betroffenen erschüttert", sagte ein Sprecher. Neben einem
kollektiven
Bleiberecht für Papierlose setzt sich die Gruppe für eine
Verbesserung
der Nothilfe ein. "Zürich ist in Sachen schikanöser
Behandlung ein
Musterschüler unter den Schweizer Kantonen", meinte der Sprecher
an
einer improvisierten Pressekonferenz vor dem Walcheturm, kurz bevor
sich Vertreter von Regierung und Kirche an die Medienvertreter wandten.
Der aufs Ausländerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Marc Spescha
sagte,
die Schaffung einer Härtefallkommission könne die Situation
tatsächlich
entspannen und bedeutete eine Abkehr von der bisherigen Politik.
Spescha hatte sich bereits in den letzten Tagen im Zusammenhang mit den
Aktionen zu Wort gemeldet. Nach seinen Angaben ist er nicht formell mit
dem Bleiberecht-Kollektiv verbunden. Dies bestätigt ein Sprecher
der
Gruppe.
Das Bleiberecht-Kollektiv sei ein loser Zusammenschluss von
Leuten,
die sich für Flüchtlinge einsetzen, sagte ein Mitglied.
Entstanden sei
die Gruppierung nach der Volksabstimmung übers Ausländer- und
Asylgesetz vom 24. September 2006. Feste Strukturen oder einen
Anführer
gebe es nicht. In der Öffentlichkeit treten daher immer wieder
andere
Sprecher auf. Von Parteien oder der öffentlichen Hand
unterstützt sei
das Kollektiv nicht. In Zürich und in Bern betreibt die Gruppe
Cafés
für Flüchtlinge.
Weiterhin in der Kirche St. Jakob
Nach der über zweiwöchigen Besetzung der Predigerkirche
dürfen sich
die Sans-Papiers noch bis am Mittwochabend nunmehr als Gäste in
der
Kirche St. Jakob am Stauffacher aufhalten. Bis dann gilt eine
Vereinbarung mit Pfarrer Anselm Burr. Das Bleiberecht-Kollektiv will
sich Zeit nehmen mit dem Entscheid, was es weiter unternimmt. Am
Montagabend war noch unklar, wie lange die Papierlosen in der Kirche
ausharren.
--
Schlagabtausch im Kantonsrat
sho. Nicht weniger als sechs Fraktionen haben am Montag zur
Besetzung
der Predigerkirche durch Sans-Papiers Stellung genommen. Die
Grünen
erklärten sich solidarisch mit der Aktion. Sie verlangten von der
Regierung, die Härtefallklausel für langjährig anwesende
Asylsuchende
endlich anzuwenden und auf die unmenschliche Form der Nothilfe zu
verzichten. Für die SP hat die Aktion auf die unerträgliche
Situation
der Papierlosen aufmerksam gemacht. Beide Parteien verlangten die
Einsetzung einer Härtefallkommission. Dieser Forderung verschloss
sich
die CVP nicht, die sich jedoch klar hinter Sicherheitsdirektor Hans
Hollenstein stellte. Sie forderte eine sachliche Diskussion statt
schäbiges Politmarketing. Die EVP sieht in der Besetzung einen
Hilfeschrei von Menschen, kritisierte jedoch die Achtungslosigkeit
ihrer Wortführer. Für die FDP missbrauchen die Besetzer die
Kirchen.
Sie übt verhalten Kritik am Regierungsrat, von dem man ein
deutliches
Signal erwartet habe. Stattdessen habe er Gesprächsbereitschaft
signalisiert, was einem Eingeständnis gleichkomme, am
Asylverfahren
lasse sich etwas ändern. Die SVP bezeichnete die Besetzung als
Erpressung. Auch die Kirchgemeinde trage an der verfahrenen Situation
eine Mitschuld. Während die FDP die Forderung nach einer
Härtefallkommission als unnötig erachtet, widerspricht sie
für die SVP
dem neuen Bundesrecht und ist völlig aus der Luft gegriffen.
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Zürichsee-Zeitung 6.109
Sans-Papiers Fachgruppe soll über Asyl-Härtefälle
entscheiden - ein Vorschlag mit Fragezeichen
Betroffene sind mässig zufrieden
Nach dem Gespräch mit den Sans-Papiers: Der Zürcher
Regierungsrat Hans
Hollenstein hält an der rigiden Praxis des Migrationsamts fest.
Stattdessen fordert er vom Bund "klarere Richtlinien".
Roman Hodel
Das Zürcher Migrationsamt soll die harte Bewilligungspraxis bei
Asyl-Härtefällen lockern, fordern die Sans-Papiers. Doch
Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) hat kein Gehör
dafür: "Es
darf nicht sein, dass wir aufgrund einer Kirchenbesetzung eine noch
junge Praxis einfach anpassen", sagte er gestern im Anschluss an eine
anderthalbstündige Aussprache mit Vertretern der Zürcher
Sans-Papiers,
des Bleiberechts-Kollektivs und der reformierten Landeskirche. Er
fordert derweil eine nationale Lösung: "Der Bund muss klare,
einheitliche Richtlinien für alle Kantone erlassen, und dafür
werde ich
mich in Bern einsetzen." Momentan bestünden die Richtlinien aus
offenen
Rechtsbegriffen. Auf die Feststellung, dass Zürich die selbst
auferlegte Praxis in Eigenregie lockern könnte, sagte Hollenstein
bloss: "Wir schätzen eine gewisse Vereinheitlichung."
Erneutes Gesuch ist möglich
Künftig soll sich ohnehin eine neu zu schaffende Kommission um
Härtefälle im Asylbereich kümmern. "Und zwar eine echte,
qualitativ gut
bestückte Fachgruppe mit Vertretern aus allen politischen Lagern",
sagte Hollenstein. Er verspricht sich davon unter anderem eine
Entlastung des Migrationsamtes. Wann frühestens und ob
überhaupt die
Kommission ihre Arbeit aufnehmen kann, ist allerdings unklar. Denn erst
im März 2007 hatte das Kantonsparlament eine ähnliche
Forderung
abgelehnt.
Im Weiteren dürfen Personen, die als Härtefall abgewiesen
wurden,
erneut ein Gesuch einreichen. "Wir werden dieses im Einzelfall nochmals
prüfen", sagte Hollenstein. Ein Begehren, das die Landeskirche
laut
Kirchenratspräsident Ruedi Reich "explizit" gewünscht hatte.
Schliesslich will Hollenstein gewissen Missständen bei der
Nothilfepraxis nachgehen: "Das ist mir auch menschlich wichtig." Laut
Auskünften von Sans-Papiers fehlten beispielsweise in einer
Unterkunft
genügend Betten - an anderen Orten waren die hygienischen
Verhältnisse
prekär.
Auslöser der Kirchenbesetzung und damit der Aussprache sind die
Zahlen
des Zürcher Migrationsamts bei den Härtefällen
abgewiesener
Asylbewerber: 2007 wurden nur vier Gesuche nach Bern geschickt. 2008
gar keines. Die andern Kantone hatten wesentlich mehr Gesuche
eingereicht. Hollenstein betitelte dies als "zurückhaltende
Praxis" und
schob nach: "Dafür war Zürich bei den Härtefällen
von vorläufig
aufgenommenen Personen äusserst grosszügig." 2007 waren es
745 Gesuche,
2008 "ähnlich" viele.
"Wenig gute Nachrichten"
Die Sans-Papiers sind mit dem Resultat der Aussprache mässig
zufrieden.
"Für uns gabs wenig gute Nachrichten", sagte einer von ihnen
gestern an
der vom Bleiberecht-Kollektiv organisierten Medienkonferenz nach der
Aussprache. "Leider ist Regierungsrat Hollenstein nicht bereit, die
Praxis des Migrationsamts sofort zu ändern", sagte
Bleiberecht-Sprecher
Stefan Schlegel. Enttäuschend sei auch, dass der Kanton die
schikanösen
Regeln bei der Nothilfepraxis beibehalten wolle. "Immerhin setzt sich
Hollenstein ein für die Schaffung einer
Härtefall-Kommission." Ein
Fragezeichen setzt "Bleiberecht" allerdings hinter die Umsetzung.
Insbesondere weil zum jetzigen Zeitpunkt unklar sei, wann die
Kommission eingesetzt werden könne und mit welchen Kompetenzen.
Als positiv wertete Schlegel schliesslich, dass alle Personen, deren
Härtefallgesuch abgelehnt worden ist, ihre Unterlagen erneut
einreichen
können. Der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha, ein Spezialist
für
Migrationsrecht, der die Praxis des Migrationsamts ebenfalls scharf
kritisiert, meinte gestern: "Wir haben jetzt viele wohlklingende Worte
von der Regierung gehört; nun hoffen ich und die Sans-Papiers,
dass die
Härtefall-Kommission auch wirklich schnell eingeführt wird."
Die rund
100 Sans-Papiers haben noch bis Mittwoch ein offizielles Bleiberecht in
der Kirche St. Jakob beim Stauffacher.
--
Kirche Der "höchste" Pfarrer des Bezirks äussert sich zur
Zürcher Kirchenbesetzung
"Härtefälle genauer untersuchen"
Asylsuchende haben die Predigerkirche in Zürich besetzt. Der
Küsnachter
Pfarrer Andrea Bianca äussert sich zur umstrittenen Aktion.
Interview Daniel Fritzsche
Herr Bianca*, die Besetzung der Predigerkirche in Zürich durch
sogenannte Sans-Papiers beschäftigte die Leute. Wie beurteilen Sie
als
Mitglied des Kirchenrates die Situation?
Das Thema ist komplex, und es wäre falsch, mit Schlagworten oder
Floskeln zu antworten. Die reformierte Landeskirche hat sich und auch
ich persönlich habe mich mit der Asylthematik detailliert
auseinandergesetzt. Als es 2006 um die Verschärfung des
Asylgesetzes
ging, hat sich die Kirche bekanntlich gegen die Gesetzesänderung
ausgesprochen. Das Volk hat dann aber anders entschieden. Die Kirche
respektiert diesen deutlichen Entscheid. Wir werden uns aber weiterhin
für die christlichen Grundwerte der Menschlichkeit und
Nächstenliebe
einsetzen.
Viele Leute ärgerten sich über die Kirchenbesetzung.
Wenn jemand etwas fordert und nicht darum bittet, entsteht bei vielen
Leuten ein emotionaler Widerstand. Das ist verständlich. Ich
verstehe
aber auch die angespannte Situation von Asylsuchenden, die weder in der
Schweiz bleiben noch in ihr Heimatland zurückkehren können.
Diese
Heimatlosigkeit kann zu einer enormen psychischen Belastung
führen. Bei
solchen Härtefällen sollte man versuchen, sich auch in ihre
Situation
hineinzufühlen.
Sie zeigen also Verständnis für die Besetzung?
Bei dieser Besetzung handelte es sich nicht um eine kirchliche oder
religiöse, sondern um eine politische Aktion. Die Kirche hat aber
Mitglieder des ganzen politischen Spektrums. Die Asylsuchenden waren
nicht an Leib und Leben bedroht, sondern wollten zur Weihnachtszeit
möglichst viel Aufmerksamkeit für ihr politisches Anliegen
erhalten.
Darüber haben sich manche Leute geärgert, die zur
Weihnachtszeit in
ihrer Kirche Feierlichkeit suchten.
Was kann die Kirche denn jetzt im Fall der Zürcher
Kirchenbesetzung konkret tun?
Sie kann helfen, die Lage zu deeskalieren. Sie kann Emotionen
herunterschrauben und die Akteure - die Bleiberechts-Aktivisten auf der
einen Seite und die Kantonsregierung auf der andern - überzeugen,
erneut miteinander zu sprechen. Die Fronten waren zuvor verhärtet.
Auf
Seiten der Besetzer wurde gar von Hungerstreiks gesprochen. Der Dialog
ist nun dank des umsichtigen Einsatzes von Kirchenratspräsident
Ruedi
Reich möglich geworden.
Besteht nicht die Gefahr, dass die Kirche sich dadurch zu sehr in
politische Diskussionen verwickeln lässt?
Die Kirche darf sich nicht von politischen Kräften
instrumentalisieren
lassen. Wir können keine politischen Akteure sein. Wir können
uns aber
aufgrund der christlichen Grundwerte für den humanitären
Vollzug von
demokratisch erlassenen Gesetzen engagieren. Im jetzigen Konflikt
fällt
uns gewissermassen die Rolle einer dritten Kraft, zwischen den Fronten,
zu. Wir berücksichtigen einerseits klar das demokratisch
verschärfte
Asylgesetz, treten anderseits aber weiterhin für christliche
Grundwerte
in dessen Umsetzung ein.
Wo könnten sich die extremen Positionen denn treffen?
Das werden die Gespräche zeigen müssen. Eine ökumenische
Kommission
wird sich in den kommenden Wochen zudem mit der Situation der
Sans-Papiers befassen und den Regierungsrat um ein Gespräch
ersuchen.
Ich persönlich verstehe inzwischen, dass es sich bei gewissen
Entscheiden um Härtefälle handelt, die man im Migrationsamt
oder
mittels einer neu zu schaffenden Kommission für
Härtfälle nochmals
genauer untersuchen sollte.
* Andrea Marco Bianca ist Küsnachter Pfarrer und Mitglied des
kantonalen Kirchenrats.
---
Landbote 6.1.09
Gespräch bringt wenig Handfestes
Reto Flury
Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein will eine Kommission für
Härtefälle einführen. Für die Sans- Papiers ist das
bloss ein "Funke
Hoffnung".
Zürich - Bis Ende letzter Woche war offen, ob das Gespräch
stattfinden
würde. Aber dann räumten die Kirchenbesetzer die
Predigerkirche und
zügelten in die Kirche Sankt Jakob beim Stauffacherplatz, wo sie
bis
Mittwoch Gastrecht geniessen. Sie kamen damit einer Forderung von
Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) nach. Er wollte den Dialog
erst nach Abbruch der Besetzung aufnehmen.
Gestern Morgen empfing Hollenstein eine Delegation der Sans-Papiers und
des Bleiberecht-Kollektivs in einem Sitzungszimmer des
Kaspar-Escher-Hauses. Er habe in einem fairen Gespräch aufzeigen
wollen, woran die Sicherheitsdirektion beim Thema Migration arbeite,
sagte Hollenstein am Nachmittag vor den Medien und zahlreichen
Sans-Papiers.
Eines dieser Projekte deckt sich mit einer Forderung der Sans-Papiers:
Hollenstein will eine neue, unabhängige Kommission ins Leben
rufen,
welche die Härtefallgesuche prüfen soll. Am Vorhaben wird
laut
Hollenstein aber schon länger gearbeitet und ist kein
Zugeständnis an
die Kirchenbesetzer. Eine Härtefallkommission gab es um das Jahr
2000
schon einmal, sie wurde später allerdings aufgehoben. Vor zwei
Jahren
scheiterten im Kantonsrat zwei Vorstösse, die das Gremium wieder
einführen wollten.
Gemäss Hollenstein soll es eine "starke, unabhängige
Kommission mit
Fachleuten" geben. Allerdings ist noch nicht klar, welche Kompetenzen
die Härtefallkommission hat und wer darin vertreten sein wird.
Davon
hängt ab, ob der Regierungsrat oder der Kantonsrat zustimmen
werden.
Hollenstein liess auch den Zeitpunkt für einen Antrag offen.
Konkrete Vorstellungen von einer Härtefallkommission hat Anwalt
Marc
Spescha, der das Bleiberecht-Kollektiv berät. Die Kommission
sollte die
Gesuche prüfen können und ein Antragsrecht an die Direktion
besitzen,
forderte er am Rande der Veranstaltung. Für ihn sollten die
Kirchen,
die Hilfswerke, Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie
Ausländerorganisationen und die Parteien vertreten sein.
Regeln gefordert
Hollenstein nahm gestern auch Stellung zum Vorwurf, das Migrationsamt
wende die im Gesetz vorgesehenen Härtefallregelungen nicht an. Bei
vorläufig aufgenommenen Personen sei der Kanton Zürich
grosszügig,
sagte Hollenstein. Bei den abgewiesenen Asylbewerbern übe das
Migrationsamt aber eine zurückhaltende Praxis. Konkret: 2007
wurden
vier Gesuche unterstützt, letztes Jahr gar keines. Gleichzeitig
haben
andere Kantone mehrere Hundert Gesuche unterstützt. Es brauche
zusätzliche Richtlinien, um die Praxis zu vereinheitlichen, so
Hollenstein. Es müsse etwa geklärt werden, was "Offenlegung
der
Identität" bedeute. Dieses Kriterium werde von Kanton zu Kanton
anders
gehandhabt. Gemäss Hollenstein soll zudem jeder Asylbewerber mit
einem
abgewiesenen Härtefallgesuch der neuen Kommission noch einmal
einen
Antrag stellen können.
Das Gespräch war von Kirchenratspräsident Ruedi Reich
vermittelt
worden. Er betonte, die Besetzung sei nicht angemessen gewesen. Es sei
inakzeptabel, dass Gläubige ihre Kirche während der Feiertage
besetzt
vorfänden. "Auch wenn das Anliegen der Demonstranten
verständlich ist."
Für Stefan Schlegel vom Bleiberecht-Komitee sind die Resultate des
Gesprächs "mager". Der einzige positive Punkt sei die geplante
Einsetzung einer Härtefallkommission. Hollenstein habe aber keine
Bereitschaft gezeigt, die Anforderungen an die Sprachkenntnisse oder
Reisedokumente zu lockern, sagte Schlegel. Auch sei er auf keine
Vorschläge für ein besseres Nothilferegime eingegangen. Es
würden
weiter Migros-Gutscheine abgegeben, und die Nothilfebezüger
müssten
wöchentlich die Unterkunft wechseln. "Was nur dazu dient, die
Sans-Papiers zu schikanieren", sagte Schlegel.
--
Kantonsrat: Verständnis und Kritik für Sans-Papiers
Die Besetzung der Predigerkirche und die Lage der Sans-Papiers waren
gestern auch Thema im Kantonsrat. Fast alle Fraktionen gaben dazu eine
Erklärung ab. SP, AL und Grüne stellten sich hinter die
Forderungen der
Aktivisten. Abgewiesenen Asylsuchenden, die nicht ausgeschafft werden
können, soll ein Status gegeben werden, der ihnen ein Leben in
Legalität und Würde erlaube. Das Geld soll ihnen nicht mehr
in
Migros-Gutscheinen, sondern in bar abgegeben werden und auf die
wöchentliche Zuweisung einer neuen Unterkunft sei zu verzichten.
Die
Härtefallklausel soll auch in Zürich angewandt und die
Härtefallkommission wieder eingesetzt werden. Die EVP versteht die
Aktion als "Hilfeschrei". Treffe die Kritik zu, so müsse die
Besetzung
Anstoss zu einer Kurskorrektur sein.
Gegen die Besetzung wandten sich SVP, FDP und CVP. Anders als die SVP
und die Freisinnigen lehnen die Christdemokraten die Bildung der
Härtefallkommission nicht ab, falls es klare Eckwerte für
deren
Tätigkeit gebe. Die Besetzung verurteilte die CVP. Jeder habe das
Recht, für seine Anliegen einzustehen - mit legalen Mitteln. Die
Besetzung einer Kirche zur Weihnachtszeit gehöre nicht dazu.
Für die
SVP wurden die Sans-Papiers von linken Parteien und Organisationen
instrumentalisiert. Die Anschuldigungen an Sicherheitsdirektor Hans
Hollenstein und das Migrationsamt seien völlig fehl am Platz.
Die FDP sieht durch die Aktion die Stellung der Kirche missbraucht. Die
Besetzung sei unfair, weil sie die Kirche zu einer politischen
Positionierung und damit in eine Rolle dränge, die sie nicht
wahrnehmen
könne und solle. Für die Freisinnigen braucht es keine
Härtefallkommission. Politische Verantwortung lasse sich nicht auf
eine
Kommission verteilen.
---
Bund 6.1.09
Die Zürcher Kirchenbesetzung bringt die Papierlosen-Problematik
einmal
mehr aufs Tapet - Härtefälle sollen bessere Chancen für
ein Bleiberecht
bekommen
Teilerfolg für die Zürcher Sans-Papiers
Die Zürcher Kirchenbesetzung bringt die Papierlosen-Problematik
einmal
mehr aufs Tapet - Härtefälle sollen bessere Chancen für
ein Bleiberecht
bekommen
Andreas Minder, Zürich
Der Zürcher Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein sichert den
Kirchenbesetzern zu, sich für die Schaffung einer
Härtefall-Kommission
zur Regularisierung von Papierlosen einzusetzen. Auch will er auf eine
gesamtschweizerisch einheitliche Praxis hinwirken.
Rund 150 Personen haben über die Festtage die Predigerkirche im
Zürcher
Niederdorf besetzt. Sie protestierten damit gegen die ihrer Meinung
nach unmenschliche Behandlung der Sans-Papiers. Am Sonntag haben die
Kirchenbesetzer die Predigerkirche geräumt und sind in die Kirche
St.
Jakob gezogen. Hier haben sie Gastrecht. Damit war das Hindernis aus
der Welt, das bis dahin einem Gespräch mit dem Kanton im Weg
stand.
Denn CVP-Regierungsrat Hans Hollenstein hatte stets erklärt, er
sei nur
zu Verhandlungen bereit, wenn die Besetzung vorher beendet werde.
Gestern nun fand das Treffen statt. Hauptthema war die Praxis zur
Regularisierung von Härtefällen. Hollenstein machte dabei vor
den
Medien eine Unterscheidung zwischen abgewiesenen Asylbewerbern, die
sich der Ausreise widersetzen, und vorläufig Aufgenommenen, die
die
strengen Asylvoraussetzungen zwar nicht erfüllen, deren Ausreise
aber
unmöglich oder unzumutbar ist. Für beide Gruppen können
die Kantone
beim Bund in "schwerwiegenden persönlichen Härtefällen"
nach fünf
Jahren Aufenthalt in der Schweiz Aufenthaltsbewilligungen beantragen.
Hart gegen Abgewiesene
Bei den vorläufig Aufgenommenen mache dies der Kanton Zürich
im
schweizerisch üblichen Rahmen, betonte Hollenstein. Etwa die
Hälfte der
Härtefall-Gesuche würden an den Bund weitergeleitet.
Hollenstein
bezeichnete die Zürcher Praxis als "grosszügig". Ganz anders
sieht es
bei den Abgewiesenen aus. Im Jahr 2007 hat der Kanton Zürich
lediglich
4 von 277 solchen Gesuchen nach Bern geschickt. Im Jahr 2008 sogar kein
einziges, wie der Chef des Migrationsamtes, Adrian
Baumann,erklärte.
Zum Vergleich: 2007 schickten die Kantone insgesamt 944
Härtefallgesuche von Abgewiesenen ans Bundesamt für Migration
weiter.
Davon wurden 813 bewilligt. Grund für die strenge Zürcher
Praxis ist
die Offenlegung der Identität der Gesuchsteller. Sie müssen
einen
gültigen Reisepass vorlegen, während in anderen Kantonen eine
Identitätskarte genügt.
Einheitliche Kriterien
Hollenstein zeigte sich gestern wenig glücklich über die
"zurückhaltende" Praxis des Kantons. "Zürich soll sich im
Mittelfeld
bewegen", sagte er. Erreichen will er dies jedoch nicht über
mildere
kantonale Kriterien, sondern über schweizerisch einheitliche
Vorgaben
zu den seiner Meinung nach interpretationsbedürftigen gesetzlichen
Grundlagen.
Weiter möchte Hollenstein die Schaffung einer
Härtefall-Kommission
durchsetzen. Je nach Ausgestaltung braucht es dazu die Zustimmung der
Regierung oder des Kantonsparlaments. Im März 2007 hat das
Parlament
ein entsprechendes Postulat abgelehnt. Hollenstein zeigte sich jedoch
zuversichtlich, den Kantonsrat bei einem neuen Anlauf überzeugen
zu
können.
Ein drittes Ergebnis der Gespräche ist, dass der Kanton kritischen
Hinweisen der Sans-Papiers nachgehen will. In einzelnen Fällen
soll der
Kanton den Ansprüchen der Nothilfe nicht genügt haben. Als
Beispiele
nannte Hollenstein ungenügende hygienische Einrichtungen und zu
wenig
Betten. Es sei ihm ein menschliches Anliegen, dass so etwas nicht
vorkomme, sagte der Sicherheitsdirektor.
Allen Papierlosen unter den Kirchenbesetzern wurde zugesichert, dass
ihre Gesuche noch einmal geprüft werden. Tom Cassee vom
Bleiberecht-Kollektiv nannte dies neben der Aussicht auf eine
Härtefallkommission den zweiten positiven Punkt der
Gespräche.
Ansonsten zeigte er sich enttäuscht, dass die Verantwortung
für die
Härtefallpraxis auf den Bund abgeschoben wurde. "Wir werden nun
diskutieren, wie wir weitermachen."
--
Unterschiedliche Praxis
In der Schweiz leben gegen 100000 Personen ohne Arbeits- und
Aufenthaltsbewilligung. Dies ergab im April 2005 eine Studie des
Bundesamts für Migration (BFM). Laut dieser Studie sind die
Sans-Papiers überwiegend erwerbstätig, meist arbeiten sie
unter
prekären Arbeitsbedingungen zu Löhnen im Schnitt unter dem
Existenzminimum. Sans-Papiers sind einerseits illegal eingereiste
Arbeitssuchende und anderseits abgewiesene Asylbewerber, die nach dem
Entscheid untergetaucht sind.
Forderungen für eine Amnestie hat die Politik mehrfach abgelehnt.
Unter
der damaligen Bundesrätin Ruth Metzler hat der Bund aber Kriterien
zur
Regularisierung von Härtefällen erlassen. Nach fünf
Jahren Aufenthalt
können gut integrierte Personen in gesicherten finanziellen
Verhältnissen und mit gutem Leumund Gesuche für eine
Aufenthaltsbewilligung stellen.
Die Kantone machen davon indes höchst unterschiedlich Gebrauch.
Kantone
in der Westschweiz leiten weit mehr Gesuche an den Bund weiter als jene
in der Ost- und Zentralschweiz. Das BFM ist daran, die Weisungen zu
überprüfen. (soh)
---
St. Galler Tagblatt 5.1.09
Versprechen an Sans-Papiers
Nach zwei Wochen Kirchenbesetzung durch Papierlose fand gestern das
erste Gespräch mit der Zürcher Regierung statt. Regierungsrat
Hans
Hollenstein macht ihnen Hoffnung: Er werde sich für eine
Härtefallkommission einsetzen.
Andreas Minder
Zürich. Am Sonntag hatten die Kirchenbesetzer die Predigerkirche
geräumt und waren in die Kirche St. Jakob gezogen. Hier haben sie
Gastrecht. Damit war das Hindernis aus der Welt, das bis dahin einem
Gespräch mit dem Kanton im Weg stand. CVP-Regierungsrat Hans
Hollenstein hatte erklärt, er sei nur zu Verhandlungen bereit,
wenn die
Besetzung vorher beendet werde.
Gestern fand das Treffen statt. Hauptthema war die Behandlung von
sogenannten Härtefällen. Sie finden sich vor allem unter
Personen,
deren Asylgesuch abgelehnt worden ist. Hollenstein unterschied dabei an
der gestrigen Medienkonferenz zwei Gruppen: jene, die ausreisen
müssten
und sich illegal in der Schweiz aufhalten, und jene, die vorläufig
aufgenommen sind.
Vorläufig aufgenommen wird man zum Beispiel, wenn eine Heimkehr zu
gefährlich ist. Für beide Gruppen können die Kantone
beim Bund in
"schwerwiegenden persönlichen Härtefällen"
Aufenthaltsbewilligungen
beantragen. Bei den vorläufig Aufgenommenen tut dies der Kanton
Zürich
im schweizerisch üblichen Rahmen, wie Hollenstein betonte. Etwa
die
Hälfte der Härtefallgesuche würden an den Bund
weitergeleitet. Der
Regierungsrat sprach von einer "grosszügigen Haltung".
Nur vier Gesuche
Ganz anders sieht es bei den Abgewiesenen aus. Im Jahr 2007 hat der
Kanton Zürich lediglich vier von 277 solchen Gesuchen nach Bern
geschickt. Im Jahr 2008 sogar noch gar keins, wie Adrian Baumann, der
Chef des Migrationsamts, erklärte. Zum Vergleich: 2007 wurden beim
Bundesamt für Migration 944 Härtefallgesuche von Abgewiesenen
eingereicht. Davon wurden 813 bewilligt. Ein wesentliches Element der
strengen Zürcher Praxis betrifft die Offenlegung der
Identität der
Gesuchsteller. Sie müssen dazu einen gültigen Reisepass
vorlegen,
während in anderen Kantonen eine Identitätskarte genügt.
Hollenstein zeigte sich gestern wenig glücklich über
"zurückhaltende"
Praxis des Kantons. "Zürich soll sich im Mittelfeld bewegen",
sagte er.
Erreichen will er dies jedoch nicht über mildere kantonale
Kriterien,
sondern über schweizerisch einheitliche Vorgaben zu den
interpretationsbedürftigen gesetzlichen Grundlagen.
"Föderalismus ist
hier fehl am Platz."
Neuer Anlauf für Kommission
Weiter möchte Hollenstein eine Härtefallkommission einsetzen.
Je nach
Ausgestaltung braucht es dazu die Zustimmung des Regierungsrats oder
des Kantonsrats. Im März 2007 hat das Parlament ein entsprechendes
Postulat abgelehnt. Hollenstein zeigte sich jedoch zuversichtlich, den
Kantonsrat bei einem neuen Anlauf überzeugen zu können.
Ein drittes Ergebnis der Gespräche ist, dass der Kanton kritischen
Hinweisen der Sans-Papiers nachgehen will. In einzelnen Fällen
soll der
Kanton den Ansprüchen der Nothilfe nicht genügt haben. Als
Beispiele
nannte Hollenstein ungenügende hygienische Einrichtungen und zu
wenig
Betten. Es sei ihm ein menschliches Anliegen, dass so etwas nicht
vorkomme, sagte er.
Allen Papierlosen unter den Kirchenbesetzern wurde zugesichert, dass
ihre Gesuche noch einmal geprüft werden.
Tom Cassee, Sprecher des Bleiberechts-Kollektivs, nannte dies neben der
Aussicht auf eine Härtefallkommission den zweiten positiven Punkt
der
Gespräche. Ansonsten zeigte er sich enttäuscht, dass
Hollenstein die
Verantwortung für die Härtefallpraxis auf den Bund
abgeschoben habe.
"Wir werden nun diskutieren, wie wir weitermachen", sagte er. Bis am
Mittwochabend dürfen die Papierlosen in der Kirche St. Jakob am
Stauffacher bleiben.
---
Aargauer Zeitung 6.1.09
Hollenstein will eine Kommission
Asyl-Härtefalle Eine Fachgruppe soll künftig entscheiden -
doch ob und ab wann ist offen
Roman Hodel
Nach dem Gespräch mit den Sans-Papiers: Regierungsrat Hans
Hollenstein
hält an der rigiden Praxis des Migrationsamts fest. Stattdessen
fordert
er vom Bund "klarere Richtlinien".
Das Zürcher Migrationsamt soll die harte Bewilligungspraxis bei
Asyl-Härtefällen lockern. Doch der Zürcher
Sicherheitsdirektor Hans
Hollenstein (CVP) hat kein Gehör dafür: "Es darf nicht sein,
dass wir
aufgrund einer Kirchenbesetzung eine noch junge Praxis einfach
anpassen", sagte er gestern im Anschluss an eine
anderthalbstündige
Aussprache mit Vertretern der Zürcher Sans-Papiers, des
Bleiberechts-Kollektivs und der reformierten Landeskirche.
Er fordert derweil eine nationale Lösung: "Der Bund muss klare,
einheitliche Richtlinien für alle Kantone erlassen und dafür
werde ich
mich in Bern einsetzen." Momentan bestünden die Richtlinien aus
offenen
Rechtsbegriffen. Auf die Feststellung, dass Zürich die selbst
auferlegte Praxis in Eigenregie lockern könnte, sagte Hollenstein
bloss: "Wir schätzen eine gewisse Vereinheitlichung."
Künftig soll sich ohnehin eine neu zu schaffende Kommission um
Härtefälle im Asylbereich kümmern. "Und zwar eine echte,
qualitativ gut
bestückte Fachgruppe mit Vertretern aus allen politischen Lagern",
sagte Hollenstein. Er verspricht sich davon unter anderem eine
Entlastung des Migrationsamts. Wann frühestens und ob
überhaupt die
Kommission ihre Arbeit aufnehmen kann, ist allerdings unklar. Denn erst
im März 2007 hatte das Kantonsparlament eine ähnliche
Forderung
abgelehnt. "Ich glaube an das Gute, daran, die Leute überzeugen zu
können."
Weiter dürfen Personen, die als Härtefall abgewiesen wurden,
erneut ein
Gesuch einreichen. "Wir werden dieses im Einzelfall nochmals
prüfen",
sagte Hollenstein. Ein Begehren, dass die Landeskirche laut
Kirchenratspräsident Ruedi Reich "explizit" gewünscht hatte.
Schliesslich will Hollenstein gewissen Missständen bei der
Nothilfepraxis nachgehen: "Das ist mir auch menschlich wichtig." Laut
Auskünften von Sans-Papiers fehlten beispielsweise in einer
Unterkunft
genügend Betten › an anderen Orten waren die hygienischen
Verhältnisse
prekär.
"Zurückhaltende Praxis"
Auslöser der Kirchenbesetzung und damit der Aussprache sind die
Zahlen
des Zürcher Migrationsamts bei den Härtefällen
abgewiesener
Asylbewerber: 2007 wurden nur vier Gesuche nach Bern geschickt. 2008
gar keines. Die anderen Kantone hatten wesentlich mehr Gesuche
eingereicht. Hollenstein betitelte dies als "zurückhaltende
Praxis" und
schob nach: "Dafür war Zürich bei den Härtefällen
von vorläufig
aufgenommenen Personen äusserst grosszügig." 2007 waren es
745 Gesuche,
2008 "ähnlich" viele.
--
Sans-Papiers hoffen auf Kommission
Die Sans-Papiers sind mit dem Resultat der Aussprache mässig
zufrieden.
"Für uns gabs wenig gute Nachrichten", sagte einer von ihnen
gestern an
der vom Bleiberecht-Kollektiv organisierten Medienkonferenz nach der
Aussprache. "Leider ist Regierungsrat Hollenstein nicht bereit, die
Praxis des Migrationsamts sofort zu ändern", sagte
Bleiberecht-Sprecher
Stefan Schlegel. Enttäuschend sei auch, dass der Kanton die
schikanösen
Regeln bei der Nothilfepraxis beibehalten wolle. "Immerhin setzt sich
Hollenstein ein für die Schaffung einer
Härtefall-Kommission." Ein
Fragezeichen setzt "Bleiberecht" allerdings hinter die Umsetzung.
Insbesondere weil zum jetzigen Zeitpunkt unklar sei, wann die
Kommission eingesetzt werden könne und mit welchen Kompetenzen.
Als
positiv wertete Schlegel schliesslich, dass alle Personen, deren
Härtefallgesuch abgelehnt worden ist, ihre Unterlagen erneut
einreichen
können. Der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha, ein Spezialist
für
Migrationsrecht, der die Praxis des Migrationsamts ebenfalls scharf
kritisiert, meinte gestern: "Wir haben jetzt viele wohlklingenden Worte
von der Regierung gehört, nun hoffen ich und die Sans-Papiers,
dass die
Härtefall-Kommission auch wirklich schnell eingeführt wird."
Die rund
100 Sans-Papiers weilen sicher noch bis Mittwoch in der Kirche St.
Jakob beim Stauffacher. Sie waren am Sonntag dorthin umgezogen, nachdem
sie zuvor während 17 Tagen die Predigerkirche im Niederdorf
besetzt
hatten. (ROH)
Disput im kantonsrat
Die Besetzung der Predigerkirche durch Sans-Papiers hat im Kantonsrat
gleich zu sechs Fraktionserklärungen geführt. Scharf ging
SVP-Fraktionschef Hans Frei (Regensdorf) mit den Besetzern ins Gericht.
Die Sans-Papiers seien von linken Parteien und Organisationen für
ihre
politischen Zwecke missbraucht worden, führte er aus. Es gehe
nicht an,
die ausländerrechtlichen Bestimmungen zu unterlaufen. Regine
Sauter
(FDP, Zürich) bedauerte es, dass den Besetzern jetzt Gastrecht in
einer
andern Kirche geboten werde. Es sei Aufgabe des Regierungsrats, das
Gesetz zu vollziehen. Christoph Holenstein (CVP, Zürich) gab zu
verstehen, ein Bleiberecht für alle sei eine Illusion, da sie mit
der
Rechtsordnung nicht vereinbar sei. Ganz anders reagierten SP,
Grüne und
Alternative: Renate Büchi (SP, Richterswil) kritisierte die
restriktive
Haltung des Kantons Zürich bei der Anwendung der
Härtefall-Klausel.
Kaspar Bütikofer (AL, Zürich) verlangte unter anderem die
Aufhebung des
Arbeitsverbots für abgewiesene Asylbewerber. Die EVP sieht, wie
Lisette
Müller (Knonau) ausführte, die Aktion als Weckruf an. Sofern
die
Vorwürfe wegen unwürdiger Behandlung zutreffen sollten,
müsse eine
Kurskorrektur erfolgen. (abr.)
---
20min.ch 5.1.09
Kirchenbesetzung
Sans-Papiers hoffen auf Härtefall-Kommission
Der Zürcher Sicherheitsdirektor will sich für eine
Härtefall-Kommission
für abgewiesene Asylbewerber einsetzen. Die Sans-Papiers zeigten
sich
am Montag verhalten optimistisch nach diesem Versprechen. Sie hofften
auf mehr Zugeständnisse.
Er werde beim Kantonsrat und beim Regierungsrat die Bildung einer
Härtefall-Kommission fordern, sagte CVP-Regierungsrat Hans
Hollenstein
am Montag nach dem Gespräch mit den Sans-Papiers. Um Genaueres
über
Zusammensetzung, Kompetenzen oder den Zeitpunkt der Einführung zu
sagen, sei es aber noch zu früh.
In Zürich existierte bereits einmal eine solche Kommission. 2002
wurde
sie nach drei Jahren abgeschafft, weil sie zwar Vorschläge
für
fremdenpolizeiliche Entscheide machen konnte, selber aber keine
Kompetenzen hatte. 2007 wurde im Kantonsrat die Wiedereinführung
gefordert. Der Rat lehnte ein entsprechendes Postulat jedoch ab.
Hollenstein sagte beim Gespräch mit den Papierlosen, es stehe den
in
der Zwischenzeit abgewiesenen Härtefällen frei, erneut ein
Gesuch um
vorläufige Aufnahme zu stellen. Der Kanton werde darüber
befinden und
das Gesuch gegebenenfalls an den Bund weiterleiten. Im letzten Jahr
wurde kein einziges Gesuch nach Bern weitergeleitet.
Keine Zugeständnissse machen will Hollenstein allerdings bei den
Kriterien, die über Aufenthalt oder Ausreise entscheiden. Es gehe
jetzt
zuerst darum, dass man sich beim Bund für eine einheitliche
Regelung
einsetze. So müsse etwa geklärt werden, was "Offenlegung der
Identität"
bedeute. Diese Vorgabe werde nämlich von Kanton zu Kanton anders
gehandhabt.
"Ein Funken Hoffnung"
Die Sans-Papiers zeigten sich nach der Aussprache mit dem
Sicherheitsdirektor konsterniert. Das Versprechen für die
Schaffung
einer Härtefall-Kommission bezeichneten sie als "einzigen
positiven
Punkt" des Gesprächs und als "Funken von Hoffnung".
Leider sei jedoch nicht klar, wer diese Kommission ins Leben rufen
werde, sagte Stefan Schlegel vom Bleiberecht-Kollektiv. "Unklar ist
auch, wann die Härtefall-Kommission ihre Arbeit aufnehmen wird."
Als
Erfolg werteten die Papierlosen jedoch, dass Hollenstein versprach,
abgelehnte Härtefall-Gesuche neu zu prüfen.
Sehr enttäuscht zeigte man sich darüber, dass Hollenstein
keine
Zugeständnisse bei die Ausgestaltung der Nothilfe machte. Schlegel
kritisierte, dass diese in Zürich in Form von Migros-Gutscheinen
statt
Bargeld ausgerichtet wird, und die Tatsache, dass die Papierlosen jede
Woche die Unterkunft wechseln müssen.
Der auf Asylrecht spezialisierte Rechtsanwalt Marc Spescha sprach nach
dem Treffen mit Hollenstein von "vielen wohlklingenden Worten". Dass
Zürich im letzten Jahr kein einziges Härtefallgesuch an den
Bund
weitergeleitet hatte, bezeichnete er als "eine Praxis der
Rechtsverweigerung".
Sicher bis Mittwoch in Kirche St. Jakob
Die Papierlosen hatten am Sonntag die Predigerkirche im Zürcher
Niederdorf geräumt und so die Bedingungen für ein
Gespräch mit dem
Zürcher Sicherheitsdirektor erfüllt. Dieses hatte am
Montagmorgen unter
der Leitung des reformierten Kirchenratspräsidenten Ruedi Reich
stattgefunden.
Derzeit halten sich die Sans-Papiers in der Kirche St. Jakob beim
Stauffacher auf. Bis Mittwoch dürfen sie dort noch bleiben, was
dann
passiert, konnten sie am Montag noch nicht sagen. Zunächst
würden jetzt
die Ergebnisse der Gespräche beraten und das weitere Vorgehen
besprochen.
Quelle: SDA/ATS
--
Info-Box
Kritik an Zürcher Härtefall-Praxis
Laut Statistik hat der Kanton Zürich beim Bund im Jahr 2007
fünf
Härtefall-Anträge eingereicht. Vier davon wurden bewilligt.
Im selben
Zeitraum hat der Kanton St. Gallen 79 Anträge und der Kanton Bern
103
Anträge gestellt. Der Bund hat die meisten dieser Gesuche
gutgeheissen.
Dennoch liess Polizeidirektor Hans Hollenstein kürzlich verlauten,
dass
Zürich "sehr grosszügig" mit Härtefallgesuchen umgehe,
falls "Menschen
in echter Not" seien. Angaben über die Härtefall-Praxis des
Kantons
Zürich im Jahr 2008 liegen bislang keine vor.
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SANS-PAPIERS BS
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Basler Zeitung 6.1.09
"Mir bleibt nur die Schwarzarbeit"
Weil Marta* (17) eine Sans-Papiers ist, steht sie nach der 10. Klasse
vor dem Nichts
Barbara Lauber
Marta fürchtet sich vor der Zukunft. Als Sans-Papiers darf die
17-jährige Ecuadorianerin in der Schweiz keine Lehre machen -
obwohl
sie eine Lehrstelle hätte.
"Ich lebe wie in einem kleinen, engen Zimmer, das keinen Ausgang hat",
sagt Marta leise. Dann lächelt sie. Marta lächelt viel. Denn
niemand
soll in ihrem Gesicht die Angst und Ohnmacht erkennen können, die
sich
jeden Tag in ihr breitmachen. Würde jemand die Wahrheit sehen,
sagt
Marta, dann wäre dies das Ende.
Marta kam 1999 mit ihrer Mutter in die Schweiz. Sie stammt aus Ecuador,
einem Land, aus dem in den letzten zwanzig Jahren über zwei
Millionen
Menschen vor der Armut geflüchtet sind. Marta ist heute
17-jährig. Von
ihrer Existenz wissen die Behörden nichts, denn Marta besitzt
keine
Aufenthaltsbewilligung. Seit sie vor neun Jahren nach Ablauf ihres
Touristenvisums in Basel untergetaucht ist, ist sie eine Sans-Papiers,
eine Illegale. Mit ihrer Mutter wohnt sie in einer billigen
Einzimmerwohnung, die ein Bekannter für sie gemietet hat. Die
Frauen
leben und schlafen im gleichen Raum. Und teilen die Angst, gefasst,
weggewiesen, ausgeschafft zu werden.
Warten auf das Nichts. Marta ging während den letzten acht Jahren
in
Basel zur Schule; das ist Sans-Papiers-Kindern heute erlaubt. Sie
lernte Deutsch, hatte in Englisch und Französisch gute Noten, fand
Kolleginnen und eine Freundin. Seit letztem Sommer besucht Marta die
10. Klasse. Es ist ihr letztes Schuljahr. Danach wird sie vor dem
Nichts stehen. Sans-Papiers-Kinder können in der Schweiz keine
Berufslehre machen (vgl. Text unten). "Ich versuche, nicht an
nächsten
Sommer zu denken", sagt sie. "Noch habe ich eine Aufgabe und ein Ziel,
noch ist alles gut." Doch die Angst vor der ungewissen Zukunft
lässt
sich nicht vertreiben. "Es gibt Tage, da bin ich so traurig, dass ich
morgens nicht in die Schule gehen kann", sagt die junge Frau. Sie
blickt kurz zu ihrer Mutter und fügt hinzu: "Manchmal denke ich,
es
wäre einfacher, tot zu sein." Die Mutter lächelt, sie hat
Martas
Dialektworte nicht verstanden.
Dass Marta illegal in Basel lebt, wissen an der Schule nur der
Schulleiter, der Lehrer und eine Kollegin. "Alle anderen lüge ich
jeden
Tag an", sagt Marta, "aus Angst vor Verrat". Um nicht aufzufallen,
meldete sie sich in den letzten Wochen wie alle anderen für
verschiedene Schnupperlehren. Marta schnupperte bei einem Coiffeur, in
einer Drogerie, in einem Kleidergeschäft. Dort durfte sie Hosen
und
Pullover sortieren, Regale einräumen, die Verkäuferinnen
begleiten.
"Ich hatte riesigen Spass", schwärmt die Schülerin. Dieses
Mal lachen
auch ihre Augen. "Die Filialleiterin war sehr zufrieden mit mir. Sie
sagte, ich solle mich im Januar bei ihr melden - für eine
Lehrstelle!"
Marta erzählt es mit Stolz. "Das hat mich wahnsinnig gefreut. Und
mich
sehr traurig gemacht."
Marta liebt Kleider. "Eine Detailhandelslehre in einem
Kleidergeschäft
- das wäre ein Traum!", sagt sie. "Dann würde ich Geld
verdienen. Und
wir könnten in eine grössere Wohnung ziehen, mit zwei
Schlafzimmern."
Doch Marta fürchtet, dass das ein Traum bleiben wird. "Für
Menschen wie
mich gibt es nach der Schule keine Möglichkeiten mehr. Mir bleibt
nur
die Schwarzarbeit. Oder das Nichtstun", sagt sie. In ihrer Stimme liegt
keine Bitterkeit, keine Wut, nur Trauer und Enttäuschung. "Dabei",
fügt
Marta leise hinzu, "kann ich nichts dafür, dass ich hier bin. Ich
hatte
keine Wahl."
Alternative PUTZEN. Marta wird nach der 10. Klasse das tun, was ihre
Mutter tut: bei fremden Menschen putzen - für keine 2000 Franken
im
Monat. "Einfach zu Hause sitzen und nichts tun, das würde ich
nicht
ertragen." Marta träumt nicht von der fernen Zukunft. "Das bringt
nichts!", sagt sie unerwartet forsch. Als sie kürzlich in der
Schule
einen Aufsatz über ihre Pläne schreiben sollte, gab sie dem
Lehrer ein
weisses Blatt ab. "Mein Kopf", sagt Marta "war völlig leer." Doch
noch
hat die junge Frau die Hoffnung auf ein legales Leben nicht ganz
aufgegeben: Soeben hat sie bei den Behörden ein Gesuch um
Aufenthaltsregelung gestellt. Sie hofft, dass man sie als
Härtefall
anerkennen wird. "Vielleicht klappt es ja", sagt Marta. Die Mutter
nickt unbestimmt.
Mit einer Aufenthaltsbewilligung, sinniert Marta, müsste das Leben
viel
leichter, unbeschwerter sein. "Dann hätte ich keine Angst mehr,
wenn
ich Polizisten auf der Strasse sehe oder ein Polizeiauto höre.
Dann
könnte ich mit meinen Kolleginnen offen reden und müsste
nicht mehr
lügen." Sie seufzt. Marta weiss, was sie nach einem
abschlägigen
Bescheid erwarten wird: die Wegweisung. "Dann müssen meine Mutter
und
ich erneut untertauchen und an einem anderen Ort wieder ganz von vorne
anfangen, ohne Freunde", sagt sie. Denn zurück nach Ecuador will
Marta
nicht: "Dort gehöre ich nicht mehr hin. Ich bin in der Schweiz
aufgewachsen. Hier bin ich zu Hause."
* Name von der Redaktion geändert
--
Bildung für jedes Kind gefordert
Sans-Papiers-Kinder. In der Schweiz leben zwischen 70 000 und 180 000
Sans-Papiers - ehemalige Saisonniers, abgewiesene Asylsuchende und
aussereuropäische Arbeitsimmigranten, die sich illegal im Land
aufhalten. Daneben dürften mehrere Tausend Sans-Papiers-Kinder
hier
leben. Zwar haben sie laut Bundesverfassung ein Recht auf
Grundschulbildung und dürfen die Schule besuchen. Doch
spätestens nach
dem 10. Schuljahr stehen die meisten vor dem Nichts, da sie keine
Berufslehre absolvieren können. Diese Politik hat das Parlament
bei der
Totalrevision des Ausländergesetzes nochmals bestätigt.
Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) wie die
Sans-Papiers-Beratungsstelle Basel, Terre des hommes, Heks oder Unia
kritisieren dies. In ihrer neuen Kampagne "Kein Kind ist illegal"
fordern sie ein Recht auf Bildung vor und nach der Volksschule. Sie
beziehen sich dabei auf die von der Schweiz ratifizierte
UNO-Kinderrechtskonvention. Die NGOs warnen, dass ohne Legalisierung
"Hunderte bis Tausende Jugendliche" in die Schwarzarbeit gedrängt
werden. Diese Befürchtung teilt auch Nationalrat Luc Barthassat
(CVP,
GE). In einer kürzlich eingereichten Motion fordert er den
Bundesrat
auf, Jugendlichen ohne gesetzlichen Status eine Berufslehre zu
ermöglichen. Der Bundesrat hat in der Vergangenheit eine generelle
Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen jedoch wiederholt
ausgeschlossen. Es gebe heute in "begründeten
Härtefällen" genug
Spielraum für Lösungen. Bei der Anerkennung eines
Härtefalls spielt bei
Jugendlichen die Dauer des Aufenthalts und die Integration eine
wichtige Rolle. blb
--
Zürcher Sans-Papiers
Härtefälle. Der Zürcher Regierungsrat Hans Hollenstein
hat sich gestern
mit einer Delegation der Zürcher Sans-Papiers getroffen (vgl. BaZ
von
gestern). Er sicherte ihnen zu, dass er sich für die erneute
Schaffung
einer Härtefall-Kommission starkmachen will, wie Hollenstein nach
dem
Treffen vor den Medien festhielt. Die Kirche habe dabei ihre
Bereitschaft zur Mitarbeit offeriert, sagte Kirchenratspräsident
Ruedi
Reich. In Bezug auf die Anerkennung von Härtefällen bei
Menschen mit
abgelehnten Asylgesuchen signalisierte Hollenstein dagegen kein
Entgegenkommen. Zürich habe eine harte Praxis, räumte er ein.
Man wolle
aber auf eine gesamtschweizerische Handhabung hinwirken. Das Treffen
der Sans-Papiers-Delegation mit Hollenstein und Reich wurde
möglich,
nachdem die Sans-Papiers nach 17 Tagen die Besetzung der Predigerkirche
aufgegeben haben und in die Kirche St. Jakob umgezogen sind, wo ihnen
Asyl angeboten worden war. AP
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BIG BROTHER VIDEO
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Basellandschaftliche Zeitung 6.1.09
Zwischen Sicherheit und Privacy
Datenschutz Nicht alle schätzen die Videoüberwachung. Einigen
ist sie ein Dorn im Auge
Toprak Yerguz
Die Videoüberwachung unterliegt den Richtlinien des Datenschutzes.
Dennoch gibt es in der Bevölkerung Zweifel an Wirksamkeit und
Rechtmässigkeit.
"In seltenen Fällen wird ein Fragezeichen gesetzt", sagt
Jean-Louis
Wanner zu den Reaktionen auf die Videoüberwachung im
öffentlichen Raum.
Als kantonaler Datenschutzbeauftragter zählt er "rund 25
Amtsstellen",
die von zusammengerechnet 200 › 300 Kameras überwacht werden. "Das
sind
Orte mit viel Besucherbetrieb, zum Beispiel Spitäler oder
Gefängnisse."
Wanners Aufgabe ist es, einerseits die Notwendigkeit einer
Kamerainstallation zu beurteilen und andererseits sicherzustellen, dass
die Aufnahmen nicht die Intimsphäre verletzen. Er sagt: "In 99,8
Prozent der Fälle werden die installierten Kameras akzeptiert."
Kritische Stimme
Roland Blaser gehört demnach zur kleinen Gruppe jener, die nicht
alle
Kameras akzeptieren. Er hat die Website privacywat.ch aufgeschaltet und
wehrt sich dort explizit gegen die Videoüberwachung in den
Fahrzeugen
der BVB.
Blaser befürchtet einen möglichen Missbrauch der
Videoaufnahmen. Dass
er ausgerechnet die BVB für seine Kritik ausgewählt hat,
erklärt Blaser
mit der flächendeckenden Einführung der Kameras in den
Fahrzeugen: "So
entsteht ein komplexes System der Überwachung." Über die
Kameras im
öffentlichen Nahverkehr könne die Bewegung der Passagiere
quer durch
die Stadt verfolgt werden. "Das bedeutet nicht, dass ich das den BVB
unterstelle", hält er fest. Er wolle nur vor der Gefahr des
Missbrauchs
warnen. Blaser beklagt ausserdem, dass die BVB seine Anfragen
ignorieren und wünscht sich allgemein mehr Information.
Die BVB-Pressesprecherin Dagmar Jenny wehrt sich entschieden dagegen,
"in die verfassungswidrige Ecke gedrängt" zu werden. Für
Datenschutzfragen müsse sich Blaser an Wanner wenden. Sie betont,
dass
die Videoüberwachung in Absprache mit dem Datenschutzbeauftragten
und
nach den Richtlinien des Kantons durchgeführt werde: "Wäre es
nicht so,
hätten wir die Bewilligung dazu gar nie gekriegt."
Erhöhtes Sicherheitsempfinden
Jenny versteht nicht, wieso man dem Verhalten der BVB misstrauen
sollte: "Die Aufnahmen werden nach 24 Stunden gelöscht, sofern
keine
Anzeige eingegangen ist." Bei einer allfälligen Auswertung
dürfe nur
ein bestimmter BVB-Mitarbeiter das Material sichten. In den Fahrzeugen
werde ausserdem klar auf die Videoüberwachung hingewiesen.
Jenny begründet die Videoüberwachung vorrangig mit der
Sicherheit der
Fahrgäste und Mitarbeiter. An zweiter Stelle komme der Schutz vor
Vandalen, was aber ebenfalls mit dem Sicherheitsempfinden der Menschen
in Verbindung stehe: "Man fühlt sich sicherer, wenn die Wagen
sauber
und ordentlich sind." Eine Kundenbefragung habe ergeben, dass über
80
Prozent der Fahrgäste sich mit der Videoüberwachung sicherer
fühlen.
Wanner weiss, dass ein neu installiertes Überwachungssystem zu
Beginn
abschreckend wirke: "Im Bereich des öffentlichen Verkehrs kann man
einen eindeutigen Rückgang des Vandalismus feststellen." Diese
Wirkung
könne aber mit anhaltender Dauer abnehmen. Er warnt deshalb
eindringlich davor, die Videoüberwachung als "Allheilmittel" zu
betrachten: "Personal ist eindeutig effizienter. Aber das ist letztlich
eine Kostenfrage."
--
Sämtliche BVB-Wagen unter Kontrolle
Richtet sich eine Kamera auf die Basler Allmend, unterliegt sie der
Bewilligungspflicht des kantonalen Datenschutzbeauftragten Jean-Louis
Wanner. Kameras, die private Areale beaufsichtigen, unterliegen
hingegen den Bestimmungen des eidgenössischen Datenschutzes.
Darunter
falle auch die Videoüberwachung des Bahnhofs SBB. Eine solche
Kamera
darf maximal 50 Zentimeter der Allmend im Blickfeld haben, erklärt
Wanner. Während der Euro 08 wurden temporär zusätzliche
Kameras in
Basel aufgestellt. "Diese sind nach dem Turnier wieder abmontiert
worden", bestätigt Wanner. Ausnahmen seien drei Kameras auf dem
Gelände
des St. Jakob-Parks, die weiterhin betrieben werden. Laut
Pressesprecherin Dagmar Jenny besitzen die BVB die Bewilligung, in
allen Fahrzeugen die Videoüberwachung einzuführen. Jene
Wagen, die noch
nicht mit Kameras ausgestattet worden sind, sollen nachgerüstet
werden.
(TY)
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GAZA
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Rundmail 6.1.09
Sa 10. Jan. Bern: Nationale Demonstration gegen den Krieg in Gaza
Achtung: Beginn der Demo um 14.30
NATIONALE DEMONSTRATION
GAZA: STOPP DER MILITÄRISCHEN AGGRESSION - FÜR DIE AUFHEBUNG
DER BLOCKADE
Die Demo (10.1.2009) beginnt neu um 14.30 Uhr!
Treffpunkt: Schützenmatte Bern (http://map.search.ch/bern/schuetzenmattstr.)
Bitte kommt an die Demonstration, leitet das Mail an Freunde und
Bekannte weiter.
Alle weiteren Angabeu auf www.nahostfrieden.ch/veranstaltungen
Aktuelle Berichte ausserhalb der CH-Tagespresse finden Sie u.a. auf
www.arendt-art.de/deutsch/palestina/
(deutsch)
http://groups.google.com/group/newprofile?hl=en
www.freegaza.org
R.Knutti
Webmaster www.nahostfrieden.ch
[http://www.nahostfrieden.ch/]
info@nahostfrieden.ch
[mailto:info@nahostfrieden.ch]
--
GAZA: STOPP DER MILITÄRISCHEN AGGRESSION
- FÜR DIE AUFHEBUNG DER BLOCKADE
Für die Anwendung des internationalen Rechts
Stopp der militärischen Zusammenarbeit Schweiz-Israel
GESAMTSCHWEIZERISCHE DEMONSTRATION
SA, 10. JAN. 09 I 14.30H BERN I SCHÜTZENMATTE
Seit dem 27. Dezember 2008 ist der blutigste militärische Angriff
Israels gegen die Bevölkerung Gazas seit 1967 im Gange. Bereits
hat die
israelische Offensive Hunderte von Opfern gefordert, viele davon
ZivilistInnen. Die israelische Armee versetzt damit die
Bevölkerung im
Gaza-Streifen in Angst und Schrecken. 1,5 Millionen
PalästinenserInnen
leben seit Jahren in menschenunwürdigen Verhältnissen wegen
der
menschenrechtswidrigen, von Europa und Nordamerika mitgetragenen
israelischen Blockade.
Eine Lösung des Nahost-Konflikts auf dem Verhandlungsweg kann erst
dann
erfolgreich sein, wenn die Gewalt gegen die Zivilbevölkerungen in
den
besetzten palästinensischen Gebieten sowie in Israel gestoppt
wird, die
Menschenrechte eingehalten werden und das Völkerrecht zur
Anwendung
gelangt. Es ist - angesichts der höchst ungleichen Opferzahlen und
der
jahrzehntelangen Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
der Genfer
Konventionen und Resolutionen der UNO seitens Israel - zynisch, die
israelische und palästinensische Verantwortung gleichzusetzen.
Die unilateral durchgesetzte Machtpolitik der USA, ihrer Alliierten und
Israels muss endlich ein Ende haben. Statt das Recht des Stärkeren
zu
stützen, muss die internationale Gemeinschaft die Stärke des
Rechts
durchsetzen. Um die militärischen Angriffe, die Blockade und die
Besatzung zu beenden, um dem Völkerrecht Geltung zu verschaffen
und um
die Einhaltung der Genfer Konventionen einzufordern, ist es nötig,
konkreten und gezielten politischen, juristischen und wirtschaftlichen
Druck auf Israel auszuüben.
Die Schweiz als Depositärstaat der Genfer Konventionen,
insbesondere
der vierten Genfer Konvention über den Schutz der
Zivilbevölkerung in
Konflikten, muss sich aktiv für die Einhaltung des
Völkerrechts
einsetzen. Die Schweiz soll deshalb in einem ersten Schritt die
militärische Zusammenarbeit sowie alle Rüstungsgeschäfte
mit Israel
sistieren. Die Schweiz soll zudem darauf hinwirken, dass die
Kriegsverbrechen dieser Tage von einem internationalen Strafgericht
beurteilt werden.
Wir drücken unsere Solidarität mit sämtlichen zivilen
Opfern des Konflikts aus und fordern:
• Den sofortigen Stopp aller kriegerischen Handlungen in den besetzten
palästinensischen Gebieten, insbesondere im Gaza-Streifen - und in
Israel.
• Die sofortige und vollständige Aufhebung der Belagerung des
Gaza-Streifens.
• Den Rückzug Israels aus allen besetzten palästinensischen
Gebieten.
• Ein klares Engagement der Schweiz für die Einhaltung des
Völkerrechts und der Genfer Konventionen.
• Die Sistierung der militärischen Kooperation und der
rüstungsindustriellen Zusammenarbeit der Schweiz mit Israel und
allen
Ländern des Nahen Ostens.
Folgende Organisationen unterstützen den Demonstrations-Aufruf
(Stand
5.1.09): Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA, Grüne
Partei der
Schweiz, Palästina-Solidarität Region Basel, Sozialistische
Alternative
SoAL Basel, Partei der Arbeit Schweiz PdA, Vereinigung Schweiz-Cuba,
Collectif Urgence Palestine CUP Waadt und Nyon-La Côte,
FriedenJetzt.ch, Liga der Muslimen der Schweiz LMS, Gemeinschaft
Schweiz-Palästina GSP, Génération Palestine
Genève, Gerechtigkeit und
Frieden in Palästina Bern, Recht für Alle/Droit pour Tous,
solidaritéS
GE/NE/VD, Collectif Non à la guerre Vaud, Bewegung für den
Sozialismus
BFS, Schweizerische Friedensbewegung SFB, Basler Frauenvereinigung
für
Frieden und Fortschritt BFFF, Verein der Palästinensischen
Gemeinde in
der Schweiz, attac Schweiz, Centrale Sanitaire Suisse Romande, Aide
Sanitaire Suisse aux Palestiniens, cfd-die feministische
friedensorganisation, Berner Mahnwache für einen gerechten Frieden
in
Israel/Palästina, Campagne Européenne contre le
siège de Gaza,
Association Meyrin-Palestine, BastA! Basel, junge grüne schweiz,
medico
international schweiz, JungsozialistInnen JUSO Schweiz, Alternative
Kanton Zug
--
GAZA: STOPP DER MILITÄRISCHEN AGGRESSION
FÜR DIE AUFHEBUNG DER BLOCKADE
Für die Anwendung des internationalen Rechts
Stopp der militärischen Zusammenarbeit Schweiz-Israel
GESAMTSCHWEIZERISCHE DEMONSTRATION
SA, 10. JAN. 09 I 14.30H BERN I SCHÜTZENMATTE
Übereinkommen zum Verhalten an der Demonstration
Angesichts der momentanen schrecklichen Ereignisse ist es klar, dass
die Emotionen und die Wut verständlicherweise gross sind. Die
Organisationen, welche diese Kundgebung gemeinsam vorbereitet haben,
möchten ein klares Zeichen setzen mit einer starken, friedlichen
und
verantwortungsvollen Kundgebung.
Wir fordern Respekt und Toleranz gegenüber allen verschiedener
Konfessionen und Nationalitäten auf Grundlage der gemeinsamen
Plattform. Auch aus diesen Gründen wollen wir jede Form von
Rassismus
und Antisemitismus von der Demo verbannen und das Verbrennen von Fahnen
unterbinden.
Wir wollen eine gewaltfreie Kundgebung mit klaren inhaltlichen
Botschaften. Wir zählen auf eure Unterstützung! Dieses
Übereinkommen
ist Bestandteil des Demonstrationsaufrufes und wurde von den
organisierenden und unterstützenden Organisationen gutgeheissen.
---
Bund 6.1.09
"Dummheiten verhindern"
Friedensdemonstration zur Gaza-Krise in Bern soll ohne Misstöne
über die Bühne gehen
Christoph Lenz
Aller Voraussicht nach wird die Friedensdemonstration vom nächsten
Samstag bewilligt. Die Veranstalter legen viel Wert darauf,
antisemitische und rassistische Äusserungen im Umfeld der
Kundgebung zu
unterbinden.
Keine Woche ist vergangen seit der letzten Demonstration zur Krise im
Gazastreifen, schon werden zwei weitere Kundgebungen in Bern
vorbereitet: Eine Friedensdemonstration und eine Israel-Demonstration.
Hinter Ersterer stehen die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee
Gsoa, die
Grüne Partei der Schweiz und die Palästina-Solidarität
Basel. Sie
fordern den Stopp der militärischen Aggression im Gazastreifen.
Im Komitee der Israel-Demonstration befinden sich Exponenten der
Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI). Beide Organisationen beabsichtigten,
ihre Ansichten am nächsten Samstag kundzutun.
Route wurde festgelegt
Obwohl seitens des Polizeiinspektorates offiziell noch kein Entscheid
gefällt wurde, hat Karl Mörschel, Präsident der
GSI-Sektion Bern,
gestern die Verschiebung der Israel-Demo bekannt gegeben (siehe Box).
Zugleich haben die Veranstalter der Friedensdemonstration gemäss
Gsoa-Aktivist Reto Moosmann mit der Polizei die Route festgelegt. "Wir
beginnen um 14.30 Uhr bei der Schützenmatte und schreiten via
Speichergasse, Nägeligasse und Kramgasse zum Münsterplatz, wo
die
Schlusskundgebung stattfindet", so Moosmann. Das Komitee rechne mit bis
zu 5000 Teilnehmern. "Diese Zahl hängt jedoch davon ab, wie sich
die
Situation im Gazastreifen entwickelt."
Von den massgeblichen linken Kräften fehlt im Komitee der
Friedensdemonstration lediglich die SP. "Der Aufruf wird derzeit
geprüft", sagt SP-Sprecher Andreas Käsermann. Wichtig sei der
SP, dass
sowohl Israel als auch die Hamas zum Gewaltverzicht aufgefordert
würden. "In welcher Form die SP diese Demo unterstützt, wird
am
Mittwoch entschieden."
"Verantwortung bei Israel"
Der Nationalrat und Demo-Mitorganisator Jo Lang (sga) hofft, dass auch
die SP dem Komitee beitritt. Auch wenn er betont, dass in den Augen der
beteiligten Organisationen die Verantwortung für die Eskalation im
Gazastreifen alleine bei Israel liege. Dessen ungeachtet verurteile das
Komitee aber auch den Raketenbeschuss israelischer Städte aus dem
Gazastreifen. "Wir solidarisieren uns mit allen zivilen Opfern dieses
Krieges."
Kodex fordert Toleranz
Ein grosses Anliegen ist dem Komitee, dass die Teilnehmer sich
respektvoll verhalten. Bei der Anti-Israel-Demonstration vom 2. Januar
hatten Demonstranten den Davidsstern mit dem Hakenkreuz gleichgesetzt.
"Solche Dummheiten wollen wir verhindern", so Lang. Deshalb habe das
Komitee dem Demo-Aufruf einen Verhaltenskodex beigelegt. "Respekt und
Toleranz gegenüber allen Konfessionen und Nationalitäten"
seien die
Grundlage der gemeinsamen Plattform, heisst es darin. Ferner wolle man
"jede Form von Rassismus und Antisemitismus" an der Demonstration
unterbinden.
"Das Festlegen eines Kodex hat sich schon bei der Libanon-Demo im Juli
2006 bewährt", sagt Lang. Umzug und Kundgebung seien damals
ausgesprochen friedlich verlaufen. Nebst dem Kodex soll am Samstag auch
ein schweizerisch-palästinensischer Ordnungsdienst
unbotmässiges
Verhalten an der Demonstration verhindern, so Lang.
--
Ausweichdatum gesucht
Auch die Berner Sektion der Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI)
beabsichtigte, am Samstag in Bern eine Demonstration
durchzuführen.
Geplant waren ein Umzug und eine Kundgebung mit Reden von Nationalrat
Mario Fehr (sp), Alt-Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi (sp)
und Ilan
Elgar, dem israelischen Botschafter in der Schweiz.
Organisator und GSI-Bern-Präsident Karl Mörschel gab gestern
die
Verschiebung der Israel-Demo bekannt. "Es wäre unsinnig, am
gleichen
Tag in derselben Stadt zwei quasi rivalisierende Demonstrationen
durchzuführen", so Mörschel. Er hoffe aber, dass sich ein
neues Datum
finden lasse. Zumal er mit seiner Idee bei anderen Sektionen der GSI
eine Welle losgetreten habe, die schwer zu stoppen sei. "Wir
möchten
nun den Samstag, 17. Januar, als Ausweichdatum ins Auge fassen."
Allerdings scheint auch dieser Termin unrealistisch.
Globalisierungskritische Kreise haben bereits vor Wochen für den
17.
Januar zur Anti-Wef-Demonstration "Dance Out Moneymania" aufgerufen.
(len)
---
Rundmail 5.1.09
An alle interessierten Personen
Bern, 5. Januar 2009 / tc
Nothilfeappell: Medizinische Soforthilfe für die Opfer in Gaza
Schweizerisches Rotes Kreuz, Postcheck-Konto 30-4200-3, Vermerk "Gaza"
Sehr geehrte Damen und Herren
Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen fordern viele
zivile Opfer. Die betroffenen Menschen haben zudem wenig
Möglichkeit,
sich vor den anhaltenden Kämpfen in Sicherheit zu bringen.
Angesichts
der dramatischen humanitären Situation stellt das Schweizerische
Rote
Kreuz (SRK) vorerst 200'000 Franken für die medizinische
Soforthilfe
zur Verfügung. Damit werden Spitäler mit lebensnotwendigen
Medikamenten
und Verbandstoff versorgt.
Um den akuten Mangel an Medikamenten, Blutkonserven und technischen
Geräten zu entschärfen, liefert das Internationale Komitee
vom Roten
Kreuz (IKRK) medizinisches Material. Seit gestern hat zudem ein
Chirurgenteam des Roten Kreuzes die Einreiseerlaubnis erhalten, um im
Shifa-Spital von Gaza Kriegsverletzte zu behandeln. Der
Palästinensische Rote Halbmond transportiert rund um die Uhr
Verletzte
in die Spitäler und leistet erste Hilfe.
Damit die Nothilfeaktion im vorgesehenen Umfang durchgeführt
werden
kann, ist das SRK auf die finanzielle Unterstützung der
öffentlichen
Hand wie auch auf private Spenden angewiesen. Für die
Berücksichtigung
dieses Nothilfeappells danken wir Ihnen bestens und grüssen Sie
freundlich.
Schweizerisches Rotes Kreuz
Internationale Zusammenarbeit
Martin Fuhrer
Departementsleiter
Siehe auch:
http://www.redcross.ch/activities/international/news/news-de.php?newsid=1055
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GRIECHENLAND
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Bund 6.1.09
Athen kommt nicht zur Ruhe
Griechenland Nach den wochenlangen Ausschreitungen im Dezember kommt
Griechenland weiter nicht zur Ruhe: Mutmassliche Extremisten schossen
in Athen einen Polizisten nieder. Der 21-Jährige wurde
lebensgefährlich
verletzt. Ziel des Angriffs war ein Polizeiposten vor dem
Kulturministerium im Stadtviertel Exarchia, wo die Unruhen ihren
Ursprung hatten. Beide Tatwaffen waren laut Polizei bereits bei
vergangenen Anschlägen benutzt worden. Zu einer dieser Taten hatte
sich
die linksradikale Gruppe Revolutionärer Kampf bekannt.
Die drei Beamten wurden nach Angaben eines Polizeisprechers am
frühen
Montagmorgen mit einem Schnellfeuergewehr und einer Handfeuerwaffe
angegriffen. Es fielen mehr als 30 Schüsse. Zwei Kugeln trafen den
21-jährigen Polizisten am Oberschenkel und in der Nähe der
Schulter.
Nach einer sechsstündigen Notoperation wurde sein Zustand als
stabil,
aber kritisch bezeichnet.
Polizeiangaben zufolge ist die 9-Millimeter-Pistole identisch mit der
Waffe, die beim Angriff auf eine Polizeiwache in einem Athener Vorort
am 30. April 2007 eingesetzt wurde. Damals kamen keine Menschen zu
Schaden. Die Verantwortung für diese Tat übernahm die Gruppe
Revolutionärer Kampf, die schon zuvor Terrorakte verübt hatte
und sich
unter anderem zu einem Anschlag auf die US-Botschaft in Athen vor einem
Jahr bekannte.
Bei der Fahndung nach den Tätern wurden nach Polizeiangaben 72
Personen
vorläufig festgenommen. Innenminister Prokopis Paylolpoulos
besuchte
den verletzten Polizisten im Krankenhaus. Die Täter hätten
einen
Anschlag auf die Demokratie und die öffentliche Ordnung
verübt, sagte
der Minister. Keine Kugel und kein Mord würden jedoch die
Entschlossenheit und die Moral der Polizei untergraben.
Im Dezember war es nach dem tödlichen Schuss auf einen
15-Jährigen bei
einem Polizeieinsatz in Athen wochenlang zu Ausschreitungen und
Protesten gekommen. Die Unruhen weiteten sich auf ganz Griechenland
aus. Vermummte Demonstranten hatten damals mehrfach Polizisten mit
Brandbomben und Steinen angegriffen. (ap)
---
NZZ 6.1.09
Verletzter bei Anschlag auf Polizisten in Athen
Befürchtungen über ein Wiederaufleben der linken Stadtguerilla
In der Nacht auf den Montag haben Unbekannte in Athen drei
Polizisten
angeschossen. Einer von ihnen wurde dabei schwer verletzt. Politiker
sprachen von einem Anschlag gegen die Demokratie.
it. Athen, 5. Januar
Unbekannte haben in der Nacht auf den Montag das Feuer auf
Polizisten
eröffnet, die vor dem Kulturministerium in Athen Wache hielten.
Ein
21-jähriger Polizist wurde schwer verletzt und soll in
Lebensgefahr
schweben. Am Tatort fand die Polizei später mindestens 27
Patronenhülsen sowie die Reste einer explodierten Handgranate.
Ein Racheakt?
Das Gebäude, in dem das Kulturministerium untergebracht ist,
war in
der Zeit der Obristen-Junta (1967 bis 1974) die Folterzentrale der
berüchtigten Militärpolizei. Zudem befindet es sich im
Stadtteil
Exarchia. Nur wenige Strassen von hier entfernt war Anfang Dezember der
15-jährige Schüler Alexis Grigoropoulos durch Schüsse
aus der Waffe
eines Polizisten getötet worden. Sein Tod hatte in Griechenland
die
schwersten sozialen Unruhen seit Jahrzehnten ausgelöst. Sollte mit
der
Tat vom Montag der Tod des Schülers gerächt werden?
Noch hat niemand die Urheberschaft für die Tat
übernommen. Die
Tatsache, dass die Täter mit einer Kalaschnikow und einer
9-mm-Pistole
bewaffnet waren, beunruhigt aber die Polizei. Bereits am 23. Dezember
hatten bewaffnete Unbekannte einen Angriff auf einen Polizeibus
verübt.
Wie der Chef der griechischen Polizei an einer Pressekonferenz
mitteilte, handelte es sich bei der Kalaschnikow um die gleiche Waffe,
die auch am 23. Dezember benutzt worden war.
Die 9-mm-Pistole wurde bei einem Anschlag im April 2007 von einer
Terrorgruppe eingesetzt, die sich "Revolutionärer Kampf" nannte.
Diese
Gruppe bekannte sich auch zu einem Anschlag auf die amerikanische
Botschaft in Athen vor einem Jahr. Polizeiexperten befürchten ein
Wiederaufleben der linken Stadtguerilla. Die linke Terrorgruppe "17.
November" hatte sich auf den Aufstand der Studenten gegen die Junta der
Obristen berufen und jahrzehntelang blutige Anschläge auf
Politiker und
Unternehmer verübt. Sie war verantwortlich für Dutzende von
politischen
Morden. Die Gruppe konnte erst Anfang dieses Jahrzehnts zerschlagen
werden.
Einhellige Verurteilung
Mit der Aufklärung des Anschlags sind die
Anti-Terror-Spezialisten der
Polizei beauftragt worden. 72 Personen werden nach Presseberichten
bereits verhört. Das Viertel Exarchia wurde zeitweise von der
Polizei
gesperrt. Der Anschlag hat die Öffentlichkeit, die sich vom
Ausmass der
Dezember-Unruhen noch kaum hat erholen können, weiter
verunsichert. In
seltener Einigkeit haben diesmal die politischen Parteien
unabhängig
von ihrer ideologischen Ausrichtung geschlossen den Angriff vom Montag
als "versuchten Mord" und als "Schlag gegen die Demokratie, die
Gesellschaft und deren Institutionen" verurteilt.
Angehörige der Anti-Terror-Polizei untersuchen den Tatort vor dem
Kulturministerium.
---
Freies Sender Kombinat (Hamburg) 5.1.09
Griechenland: Bewährungproben des Aufstands?
Schüsse auf einen Polizisten, Massenfestnahmen und antiisraelische
Demonstrationen erzeugen Druck auf die Bewegung. Fortsetzung der
Berichterstattung im Gespräch mit Ralf Dreis.
http://www.freie-radios.net/mp3/20090105-griechenland-25689.mp3