MEDIENSPIEGEL 6.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Nauses Pläne für Bern
- Dance out WEF am 17.1.09
- Tour de Lorraine 17.1.09
- Prestige geht zu
- Sans-Papiers ZH: Verhandlungen
- Sans-Papiers BS: Schwarzarbeit statt Lehre
- Big Brother Video in Zügen
- Gaza: Demo- und Spenden-Aufruf
- Griechenland: Schüsse auf Polizei & Radiointerview zur Bewegung

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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!
- Restaurant Sous Le Pont vom 1.-12.1.09 geschlossen

PROGRAMM:

Do 8.1.09
20.30 Uhr - Kino - Wunschfilm: Adam's Apples, Anders Thomas Jensen, Dänemark 2005

Fr 9.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Bloup von Duo Luna-tic. Judith Bach & Stéfanie Lang
21.00 Uhr - Kino - Wunschfilm: Adam's Apples, Anders Thomas Jensen, Dänemark 2005
22.00 Uhr - Dachstock - Steady Beat Service: Doreen Shaffer (JAM/Skatalites) & The Moon Invaders (BEL)

Sa 10.1.09
14.30 Uhr - Schützenmatte - Gaza-Demo
21.00 Uhr - Kino - Wunschfilm: Down by Law, Jim Jarmusch, USA/ Deutschland 1986
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session: Zero Tolerance (UK), Utah Jazz (UK), Ayah MC (UK) Support: TS Zodiac.

Infos: www.reitschule.ch

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GEMEINDERAT
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Bund 6.1.09

Champagner zum Anfang

Reto Nause (cvp) hat gestern sein neues Amt als Berner Gemeinderat angetreten

Markus Dütschler

Offiziell entscheidet sich erst heute, ob der Ratsneuling Reto Nause der Sicherheitsdirektion vorstehen wird. Dennoch hat er gestern schon einmal im Sessel von Vorgänger Stephan Hügli Platz genommen.

Noch ist Reto Nause (cvp) nicht offiziell Berner Sicherheitsdirektor, denn die konstituierende Gemeinderatssitzung mit der Ämterverteilung findet erst heute statt. Dennoch hatte Nause bereits gestern seinen ersten Arbeitstag. Und zwar in der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie (SUE), deren bisheriger Chef Stephan Hügli (mitte) bei den Wahlen vom 30. November den Sitz an Nause verloren hatte. Da bislang kein anderes Gemeinderatsmitglied den Wunsch geäussert hat, in die SUE zu wechseln, wird Nause höchstwahrscheinlich neuer Berner Sicherheitsdirektor.

SUE braucht Kontinuität

"Ich habe ein motiviertes Team angetroffen", sagt Nause auf Anfrage. Auf dem Pult habe er ein Kärtchen mit den Unterschriften der Mitarbeitenden im Generalsekretariat vorgefunden. Und Blumen? Nein, aber dafür eine Flasche guten französischen Champagner.

Der Mitarbeiterstab musste sich in den letzten Jahren mehrmals an einen neuen Chef gewöhnen: nach Kurt Wasserfallen an Ursula Begert, Barbara Hayoz und an Stephan Hügli. Mit diesem habe er sich im Dezember für zwei Stunden getroffen, um sich den Stand der Dinge in groben Zügen erläutern zu lassen. "Ich hoffe, dass nun in der Direktion Kontinuität einkehrt", sagt Nause, der davon ausgeht, dass er zum SUE-Direktor ernannt wird. Es sei eine spannende Direktion, findet der frisch gebackene Gemeinderat. Sicherheit, Umwelt und Energie seien Gebiete, die die Bürgerinnen und Bürger täglich beträfen, erklärt Nause: "Da wird handfeste Arbeit geleistet." Auch das Wirtschaftsamt ist angegliedert, in ökonomisch schwierigen Zeiten ebenfalls eine nicht zu vernachlässigende Grösse: "2009 dürfte ein schwieriges Jahr werden und grosse Herausforderungen mit sich bringen."

Keine offenen Drogenszenen

Für den Fall, dass er SUE-Direktor wird, hat er sich bereits einige Gedanken gemacht. Er beobachte "mit grosser Skepsis" die Ansammlungen von Drogenabhängigen an Orten wie der Anlaufstelle an der Hodlerstrasse. Der Deal in der Öffentlichkeit müsse weitgehend unterbunden werden, so wie das etwa in Zürich recht gut gelungen sei.

Eine weitere offene Frage im Sicherheitsbereich ist für Nause die Polizeipräsenz in der Innenstadt. Er verstehe die Gewerbler in der Aarbergergasse durchaus, die mit Protectas-Patrouillen versucht hätten, die Sicherheit zu erhöhen. Er werde das Gespräch suchen und die Erfahrungen diskutieren. "Aber diese Situation ist auf die Dauer unbefriedigend, da wäre eigentlich die Stadt gefordert."

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DANCE OUT WEF
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20min.ch 5.1.09

Die Wef-Gegner tanzen wieder

Pünktlich zur Eröffnung des Davoser Weltwirtschaftsforums findet am 17. Januar in Bern eine bunte Tanzparade statt.

Unter dem Motto "Dance Out Moneymania" wird sich ein Protestzug mit vier Sound-Mobiles vom Bärengraben zum Waisenhausplatz bewegen. Die Veranstalter rechnen mit mehreren hundert Teilnehmern. "Mit der Polizei haben wir uns schon getroffen, die Bewilligung ist fast unter Dach und Fach", sagt Mitorganisator Jonas Brüllhardt.

Im Gegensatz zur grossen Anti-Wef-Demo, die heuer in Genf stattfindet, blieb es bisher an der Tanzparade stets friedlich. "Letztes Jahr haben wir pausiert, weil wir uns neu orientieren wollten", so Brüllhardt. Die Globalisierungsgegner wollen künftig nicht nur gegen das Wef und Geldgier protestieren, sondern vermehrt Lösungen und Alternativen aufzeigen.

mar

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TOUR DE LORRAINE
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Indymedia 6.1.09

Tour de Lorraine 09 in Bern ::

AutorIn : Tour de Lorraine: www.tourdelorraine.ch     

Bereits zum 9. Mal findet am 17. Januar 2009 die Tour de Lorraine statt. Das grosse Fest in verschiedenen Lokalen dies- und jenseits der Lorrainebrücke entstand in Zusammenhang mit den Protesten gegen das Davoser Weltwirtschaftsforum. Das Motto der diesjährigen TdL lautet "Stop the Game" und bezieht sich auf die Finanzkrise und die riesigen Verluste der Banken, die nun die Allgemeinheit zu tragen hat.
    
Speziell hervorheben möchten wir in diesem Zusammenhang das Poetry Slam, das bereits am Freitag, 16.1. vor der UBS beim Berner Hauptbahnhof um 18h stattfindet, sowie die Berner Vorpremiere des Films "Let's Make Money" von Erwin Wagenhofer am 17.1. um 13h im Kino Movie 1 als Teil der diesjährigen Tour de Lorraine.

Wie immer können an der TdL mit einem Eintritt unzählige Bands und DJ's, sowie diverse Fime bis in die frühen Morgenstunden genossen werden. Abgeschlossen wird der Anlass mit dem traditionellen Katerfrühstück im Restaurant Sous le Pont. Der Eintrittspreis beträgt 25 Fr. (reduziert 20 Fr., Soli 30 Fr.). Die drei Kassen sind ab 19 Uhr geöffnet und befinden sich im Progr, bei der Reitschule und neben dem Café Kairo oder von 12.30 bis 13 Uhr beim Kino Movie 1. Mit dem Gewinn des Anlasses werden Projekte unterstützt, welche eine öffentliche Auseinandersetzung über Themen wie soziale Gerechtigkeit, Umverteilung, Chancengleichheit, etc auslösen oder der Weiterbildung und Vernetzung von politischen AkteurInnen dienen.

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CLUBLEBEN
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BZ 6.1.09

Prestige Club

Aus der Tanzfläche gibts Büros

Der Prestige Club in der City West ging zu. Den Betreibern wurde gekündigt, weil sie mit dem Mietzins im Rückstand waren.

Musikclubs kommen und gehen, das ist nichts Aussergewöhnliches und ereignet sich in jeder grösseren Schweizer Stadt. Bern bildet da keine Ausnahme. Einer der Clubs, welcher in der letzten Zeit das Feld räumen musste, war das Prestige an der Laupenstrasse 17. Den Betreibern wurde vom Liegenschaftsbesitzer gekündigt. Sie waren des Öfteren mit dem Mietzins im Rückstand. Das Prestige, vor wenigen Jahren noch ein Magnet für Partygänger aus der ganzen Region, geriet in der Vergangenheit immer mehr in negative Schlagzeilen.

Gefahr für Leib und Leben

Wenige Besucher, mieses Konsumverhalten und pöbelnde Gäste waren an der Tagesordnung. "Mir verging die Lust, in Bern einen Club zu betreiben", sagt Toni Mitidieri, Ex-Geschäftsführer des Betriebes. Die heutige Generation der Partygänger sei einfach nicht mehr attraktiv für ein Musikclub.

 "Die Jungen kamen schon betrunken und mit ihren eigenen Getränken bei uns an", sagt Mitidieri. Klar, sei da im Lokal weniger konsumiert worden. Dieser Teufelskreis habe sich dann natürlich bei den Einnahmen bemerkbar gemacht. Auch die Grundstimmung sei bei vielen Besuchern meist schon zu Beginn des Abends sehr aggressiv gewesen.

Den Vorwurf, dass ein Besuch im Prestige sogar gefährlich werden konnte, macht der Besitzer der Liegenschaft, Marc Wirz. "Der Sicherheitsdienst im Prestige hat nicht richtig funktioniert", sagt Wirz. So habe man immer wieder gehört, dass Leute ihre eigenen Getränke mit in den Club genommen hätten. Toni Mitidieri ist mit dieser Aussage nicht einverstanden. "Im Club ist nie etwas passiert", klar, habe es draussen die eine oder andere unschöne Szene gegeben, aber als Clubbetreiber könne man die Gäste ja nicht auf Schritt und Tritt nach Hause begleiten.

Tippen statt tanzen

In Zukunft wirds ruhiger zugehen an der Laupenstrasse 17. Einzig der Lärm der Bauarbeiter könnte die Stille trüben. Die rücken nämlich an, um die Liegenschaft bis zum Mai bürotauglich zu machen. Die Wincasa steht als Mieterin für die Räume bereit. Büros werden die einstige Tanzfläche ersetzen. Er habe sich mit den Betreibern des Prestige im Guten getrennt, sagt Eigentümer Wirz. Obwohl er selbst wegen Mietzinsrückständen, welche das Prestige ihm schuldete, Geld verloren habe.

Wer in Zukunft nicht auf den typischen Soundmix vom Prestige verzichten will, der kann die "Inka Imperio Afterhours" besuchen. Die Partyreihe, welche samstags ab 5 Uhr morgens in der Disco Shakira stattfindet, ist ebenfalls ein Ziehkind der Prestige-Gründer.

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SANS-PAPIERS ZH
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bleiberecht.ch 5.1.09

Medienmitteilung zum Gespräch mit Regierungsrat Hollenstein: Ein Funke Hoffnung

Heute morgen haben Gespräche einer Delegation der Sans-Papiers der Prediger/St.Jakob Kirche mit dem zuständigen Regierungsrat Hans Hollenstein stattgefunden. Kirchenratspräsident Ruedi Reich trat dabei als Vermittler auf. Als Erfolg werten die Sans-Papiers die versprochene Einsetzung einer Härtefallkommission. Bezüglich der Umsetzung der Nothilfe offerierte Regierungsrat Hollenstein dagegen keine konkreten Kompromisse.

Die im direkten Gespräch klar zugesagte Härtefallkommission wurde an der Medienkonferenz jedoch relativiert. Auch auf mehrfaches Nachfragen der Medienschaffenden nannte Hollenstein weder einen konkreten Zeitplan noch äusserte er sich zu den genauen Kompetenzen der geplanten Kommission. Die Sans-Papiers beharren darauf, dass die Kommission keine Alibi-Übung sein darf. Sie warten deshalb weiter auf die konkreten Pläne zur Umsetzung einer wirksamen Härtefallkommission.

In Bezug auf die im neuen Asyl- und Ausländergesetz geschaffene Härtefallregelung musste der Regierungsrat eingestehen, dass er im Jahr 2008 keinen einzigen Härtefall nach Bern weitergeleitet hat. Damit respektiert der Kanton Zürich und als politischer Verantwortlicher Regierungsrat Hollenstein die auf Bundesebene zusammen mit den Verschärfungen beschlossene Härtefallregelung de facto nicht. Als Erfolg hingegen werten die Sans-Papiers, dass der Regierungsrat sich an der Medienkonferenz bereit erklärte, sämtliche abgelehnten Härtefallgesuche erneut zu prüfen.

Die Sans-Papiers kritisieren, dass sich der Regierungsrat an der Pressekonferenz hinter dem Migrationsamt versteckte und seine klare politische Verantwortung so nicht wahrnahm.

Keinerlei Zugeständnisse bei der Nothilfe

Bezüglich der geforderten Verbesserungen im Nothilferegime machte der Regierungsrat Hollenstein bereits in den Gesprächen keinerlei konkrete Zugeständnisse, obwohl dieser Bereich vollständig in der Kompetenz des Kantons liegt.

Weiterhin werden Menschen also in Notunterkünften, teilweise in Bunkern ohne Tageslicht, leben müssen und erhalten nur die minimalste Nothilfe in Form von Migros-Gutscheinen für täglich Fr. 8.55. Im Gegensatz zu anderen Kantonen sind auch Frauen und Kinder davon nicht ausgenommen. Weiterhin festgehalten wird an der so genannten "Dynamisierung", d.h. am Zwang, dass Nothilfeempfangende jede Woche die Unterkunft wechseln müssen. Die Frage, wie dies ohne Bahnbillette korrekt vor sich gehen soll, konnte Regierungsrat Hollenstein nicht beantworten.

Heute abend werden die Sans-Papiers das weitere Vorgehen diskutieren. Bis Mittwochabend haben die Papierlosen in der St. Jakob-Kirche Gastrecht.


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Tagesanzeiger 6.1.09

Hollenstein ruft nach Richtlinien des Bundes

Nach einer Aussprache mit Vertretern der Sans-papiers verspricht Regierungsrat Hollenstein Änderungen in der Zürcher Härtefallpraxis.

Von René Staubli

Zürich. - Die Zahlen sind deutlich, und Regierungsrat Hans Hollenstein (CVP) bestätigte sie gestern vor den Medien: Im Jahr 2007 haben die Kantone den Bund in 944 Fällen ersucht, abgewiesenen Asylsuchenden doch noch ein Bleiberecht zu erteilen, weil es sich um "schwerwiegende persönliche Härtefälle" handle. Der Bund bewilligte 813 Gesuche.

Der Kanton Zürich schickte nur 4 solche Gesuche nach Bern. 277 von 281 Begehren lehnte das kantonale Migrationsamt in eigener Regie ab, wobei es wesentlich härtere Kriterien anwandte als andere Kantone (TA von gestern). Im Jahr 2008 hat der Kanton Zürich kein einziges Härtefallgesuch mehr nach Bern geschickt.

Das sei im Vergleich mit andern Kantonen "eine zu grosse Bandbreite", räumte Regierungsrat Hollenstein gestern ein, da bestehe Handlungsbedarf. In den Schweizer Kantonen müssten bezüglich Härtefallregelung "vergleichbare Verhältnisse" herrschen, präzisierte Hollenstein. Den Kanton Zürich sähe er gerne "gesamtschweizerisch im Mittelfeld".

Von seiner Kompetenz als Regierungsrat, die Kriterien unverzüglich anzupassen, will Hollenstein dennoch keinen Gebrauch machen. Es sei "schwierig, ruckzuck eine solche Praxis zu ändern", sagt er. Vielmehr erwarte er vom Bund einheitliche Richtlinien. An diese wolle sich der Kanton dann halten.

Leider nicht in seine alleinige Kompetenz falle die Schaffung einer Kommission, die Härtefälle überprüfe und dem Migrationsamt einen Antrag auf Weiterleitung an den Bund oder auf Ablehnung stelle, sagte Hollenstein. Er wolle aber alles daran setzen, den Kantonsrat oder die Regierung von der Notwendigkeit einer "guten, glaubwürdigen Härtefallkommission" zu überzeugen, die sich aus anerkannten Persönlichkeiten zusammensetze.

Treffen in höflicher Atmosphäre

Hollenstein machte diese Aussagen nach einem Treffen mit Sans-papiers und deren Vertretern im Kaspar-Escher-Haus, das in einer höflichen Atmosphäre verlief. An Hollensteins Seite sassen unter anderem der Chef des kantonalen Migrationsamts, Adrian Baumann, und Ruedi Hofstetter, Chef des kantonalen Sozialamts. Zur Delegation von Kirchenratspräsident Ruedi Reich gehörten nebst Sans-papiers aus verschiedenen Ländern auch Vertreter des Bleiberecht-Kollektivs, das die Kirchenbesetzer seit Wochen unterstützt, sowie der Zürcher Rechtsanwalt und Migrationsexperte Marc Spescha.

Spescha hat einen zwiespältigen Eindruck vom Gespräch mit Hollenstein. Dieser habe zwar versprochen, sich für eine Härtefallkommission einzusetzen und die Kriterien des Kantons bei der Behandlung von Härtefällen zu überprüfen. Beide Versprechen seien aber völlig unverbindlich: "Ob sich da wirklich etwas bewegt, steht in den Sternen."

Ebenfalls kritisch beurteilt Spescha Hollensteins Absichtserklärung, er wolle in der Härtefallregelung die Richtlinien des Bundes abwarten, um diese dann zu befolgen. Solche Richtlinien gebe es zum Beispiel für die Erteilung von Niederlassungsbewilligungen für Ausländer, die seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz leben und arbeiten. "Doch der Kanton Zürich wendet entgegen dieser Richtlinien strengere Kriterien an, etwa bei den Sprachkenntnissen und der Dauer der Berufstätigkeit", sagt Spescha.

Klar wurde gestern, wer diese Kriterien festlegt. Es ist nicht Hollenstein, sondern Migrationsamtschef Baumann. Der Regierungsrat jedenfalls sagte, er befürworte die Härtefallkommission auch deshalb, "damit die Entscheide im Extremfall nicht an einem einzigen Pult fallen".

Kirchenratspräsident Reich wiederum verbuchte es als Erfolg, dass sich Hollenstein bereit erklärt hat, alle abgelehnten Härtefalldossiers noch einmal überprüfen zu lassen. Damit überbürdet er dem völlig überlasteten Migrationsamt freilich eine weitere aufwendige Aufgabe. Es geht um Hunderte von Dossiers.

Kirche verlangt Transparenz

Ende Januar soll zudem ein Gespräch zwischen Hollenstein und einer ökumenischen Kirchendelegation stattfinden. Die Kirche verlangt von der Regierung explizit, dass sie Transparenz schafft und ihre Handlungsmaximen in Härtefällen darlegt. Reich will, "dass die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, wie sich der Kanton Zürich in Fragen des Ausländerrechts in Relation zu den andern Schweizer Kantonen verhält".

Die Sans-papiers und ihre Vertreter zeigten sich vom Gespräch mit Hollenstein mehrheitlich enttäuscht. Sie hatten sich schnellere, konkretere Massnahmen erhofft, etwa im Bereich der Nothilfe. Hollenstein verteidigte die kargen Bedingungen mit dem Hinweis, dass diese Menschen zur Ausreise verpflichtet seien und sich illegal in der Schweiz aufhielten.

Am Abend kehrten die Sans-papiers in die Kirche am Stauffacher zurück, um das Gespräch mit Hollenstein zu analysieren. Ob und wie der Protest weitergeführt werden soll, will die Vollversammlung heute Dienstag entscheiden.

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Härtefallkommission auf der Kippe

Zürich. - Die Proteste der abgewiesenen Asylbewerber und des Bleiberechts-Kollektivs waren gestern auch im Kantonsrat ein Thema.

SP, Grüne/AL, und EVP stellten sich hinter deren Anliegen. Sie forderten die Einsetzung einer Härtefallkommission. Bei Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) rennt die Linke damit offenen Türen ein - trotzdem stehen die Chancen nicht sehr gut. FDP, SVP und EDU sind dagegen, und sie stellen mit 90 Kantonsräten genau die Hälfte des Parlaments. Eher skeptisch sind auch die Grünliberalen: 1999 bis 2002 habe es eine solche Kommission gegeben, die dann aber aufgelöst wurde. 2007 scheiterte ein Versuch der Linken, die Härtefallkommission wieder einzuführen. Zwar könnte der Regierungsrat eine solche Kommission in eigener Regie einsetzen, allerdings dürfte er sie mit deutlich weniger Kompetenzen ausstatten, als dies das Parlament kann.

Scharf kritisierten die Linken den Umgang mit abgewiesenen Asylbewerbern. Ihnen werde im Kanton Zürich das Leben absichtlich unerträglich gemacht, bemängelten Grüne und AL in einer Erklärung. Die Nothilfe für diese Menschen - täglich ein Migros-Gutschein in der Höhe von 8.50 Franken, ein Bett in einer Notunterkunft sowie medizinische Versorgung - reiche nicht aus, sagte Lisette Müller (EVP, Knonau).

CVP, FDP und SVP halten die Nothilfe für ausreichend. Hart gingen die Bürgerlichen mit den Protestierenden und dem Bleiberecht-Kollektiv ins Gericht. "Sie missbrauchen die Stellung der Kirche", sagte Regine Sauter (FDP, Zürich). Die SVP kritisierte die Kirchgemeinden: Sie müssten entscheiden, ob sie sich mit "ultralinken Organisationen und unechten Flüchtlingen solidarisieren oder die Räumung der Kirchen veranlassen wollen". (leu)

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NZZ 6.1.09

Zugeständnisse an die Sans-Papiers

Hans Hollenstein fordert eine Härtefallkommission und hofft auf klarere Bundesvorgaben

 Im Einklang mit der reformierten Landeskirche hat der Zürcher Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein einer Delegation von Sans-Papiers zugesichert, sich für die Bildung einer Härtefallkommission einzusetzen und Mängeln bei der Nothilfe nachzugehen. Dies begrüssen die Aktivisten; im Übrigen zeigen sie sich aber enttäuscht.

 vö./fri. Am Sonntag haben die Besetzer die Zürcher Predigerkirche verlassen, gestern hat Polizei- und Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein eine Delegation der Sans-Papiers und des Bleiberecht-Kollektivs zu einem anderthalbstündigen Gespräch empfangen. Eine Vertretung der reformierten Landeskirche unter Leitung von Kirchenratspräsident Ruedi Reich führte die Delegation an. Wie Hollenstein und Reich anschliessend vor den Medien rapportierten, haben sie sich auf folgende Zugeständnisse geeinigt: CVP-Regierungsrat Hollenstein wird sich für die Wiedereinführung der 2002 aufgelösten Härtefallkommission einsetzen, die in Einzelfällen Empfehlungen abgeben kann; abgewiesene Asylbewerber können ihre Gesuche zur erneuten Prüfung nochmals einreichen; und einigen von den Sans-Papiers erwähnten Mängeln in den Nothilfeunterkünften werden die Behörden nachgehen.

 Keine Lockerung der Bewilligungspraxis

 Eine Lockerung der im schweizweiten Vergleich restriktiven Zürcher Bewilligungspraxis bei den Härtefallgesuchen (NZZ 5. 11. 08), zu der etwa der Nachweis eines gültigen Reisepasses gehört, will Hans Hollenstein jedoch vorläufig nicht ins Auge fassen. Zwar ist es ihm ein Anliegen, dass sich der Kanton Zürich in der Härtefallpraxis "auf eine gesamtschweizerische Mitte einpendelt", wie er festhielt. Tatsächlich haben die Zürcher Ausländerbehörden 2007 von 281 Härtefallgesuchen 277 abgelehnt. Letztes Jahr ist kein einziges Gesuch bewilligt worden. Um die unterschiedliche Praxis der Kantone einigermassen zu vereinheitlichen, plädierte Hollenstein für zusätzliche Richtlinien des Bundes. Auch Adrian Baumann, Chef des Migrationsamtes, würde klarere Bundesvorgaben begrüssen. Der vom Bund an den Kanton delegierte Ermessensspielraum sei schwierig zu interpretieren, sagte er an der Pressekonferenz. Als Beispiel führte er das nicht näher definierte Kriterium der "Offenlegung der Identität" an, das der Bund in seiner Verordnung zu den Härtefällen - neben weiteren Kriterien wie Integrationsgrad, Gesundheitszustand, Leumund oder Erwerbstätigkeit - auflistet.

 Bezüglich Härtefallkommission räumte Hollenstein ein, dass ihre Wiedereinführung nicht allein in seiner Kompetenz liegt. Tatsächlich hat der Kantonsrat 2007 einen entsprechenden SP-Vorstoss nicht unterstützt. Der Regierungsrat hatte die 1999 gebildete und von Rita Fuhrer später übernommene Härtefallkommission 2002 aufgelöst. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder war damit einverstanden, da das Gremium keine Einzelfälle beurteilen durfte.

 Trotz Zugeständnissen "erschüttert"

 Dass sich Hollenstein für eine Härtefallkommission einsetzen will, bezeichnete das Bleiberecht-Kollektiv, das die Kirchenbesetzung initiiert hatte, als "einzigen positiven Punkt" des Gesprächs. Was hingegen ihre weiteren Forderungen angehe, "sind wir enttäuscht und die Betroffenen erschüttert", sagte ein Sprecher. Neben einem kollektiven Bleiberecht für Papierlose setzt sich die Gruppe für eine Verbesserung der Nothilfe ein. "Zürich ist in Sachen schikanöser Behandlung ein Musterschüler unter den Schweizer Kantonen", meinte der Sprecher an einer improvisierten Pressekonferenz vor dem Walcheturm, kurz bevor sich Vertreter von Regierung und Kirche an die Medienvertreter wandten. Der aufs Ausländerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Marc Spescha sagte, die Schaffung einer Härtefallkommission könne die Situation tatsächlich entspannen und bedeutete eine Abkehr von der bisherigen Politik. Spescha hatte sich bereits in den letzten Tagen im Zusammenhang mit den Aktionen zu Wort gemeldet. Nach seinen Angaben ist er nicht formell mit dem Bleiberecht-Kollektiv verbunden. Dies bestätigt ein Sprecher der Gruppe.

 Das Bleiberecht-Kollektiv sei ein loser Zusammenschluss von Leuten, die sich für Flüchtlinge einsetzen, sagte ein Mitglied. Entstanden sei die Gruppierung nach der Volksabstimmung übers Ausländer- und Asylgesetz vom 24. September 2006. Feste Strukturen oder einen Anführer gebe es nicht. In der Öffentlichkeit treten daher immer wieder andere Sprecher auf. Von Parteien oder der öffentlichen Hand unterstützt sei das Kollektiv nicht. In Zürich und in Bern betreibt die Gruppe Cafés für Flüchtlinge.

 Weiterhin in der Kirche St. Jakob

 Nach der über zweiwöchigen Besetzung der Predigerkirche dürfen sich die Sans-Papiers noch bis am Mittwochabend nunmehr als Gäste in der Kirche St. Jakob am Stauffacher aufhalten. Bis dann gilt eine Vereinbarung mit Pfarrer Anselm Burr. Das Bleiberecht-Kollektiv will sich Zeit nehmen mit dem Entscheid, was es weiter unternimmt. Am Montagabend war noch unklar, wie lange die Papierlosen in der Kirche ausharren.

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 Schlagabtausch im Kantonsrat

 sho.  Nicht weniger als sechs Fraktionen haben am Montag zur Besetzung der Predigerkirche durch Sans-Papiers Stellung genommen. Die Grünen erklärten sich solidarisch mit der Aktion. Sie verlangten von der Regierung, die Härtefallklausel für langjährig anwesende Asylsuchende endlich anzuwenden und auf die unmenschliche Form der Nothilfe zu verzichten. Für die SP hat die Aktion auf die unerträgliche Situation der Papierlosen aufmerksam gemacht. Beide Parteien verlangten die Einsetzung einer Härtefallkommission. Dieser Forderung verschloss sich die CVP nicht, die sich jedoch klar hinter Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein stellte. Sie forderte eine sachliche Diskussion statt schäbiges Politmarketing. Die EVP sieht in der Besetzung einen Hilfeschrei von Menschen, kritisierte jedoch die Achtungslosigkeit ihrer Wortführer. Für die FDP missbrauchen die Besetzer die Kirchen. Sie übt verhalten Kritik am Regierungsrat, von dem man ein deutliches Signal erwartet habe. Stattdessen habe er Gesprächsbereitschaft signalisiert, was einem Eingeständnis gleichkomme, am Asylverfahren lasse sich etwas ändern. Die SVP bezeichnete die Besetzung als Erpressung. Auch die Kirchgemeinde trage an der verfahrenen Situation eine Mitschuld. Während die FDP die Forderung nach einer Härtefallkommission als unnötig erachtet, widerspricht sie für die SVP dem neuen Bundesrecht und ist völlig aus der Luft gegriffen.

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Zürichsee-Zeitung 6.109

Sans-Papiers Fachgruppe soll über Asyl-Härtefälle entscheiden - ein Vorschlag mit Fragezeichen

Betroffene sind mässig zufrieden

Nach dem Gespräch mit den Sans-Papiers: Der Zürcher Regierungsrat Hans Hollenstein hält an der rigiden Praxis des Migrationsamts fest. Stattdessen fordert er vom Bund "klarere Richtlinien".

Roman Hodel

Das Zürcher Migrationsamt soll die harte Bewilligungspraxis bei Asyl-Härtefällen lockern, fordern die Sans-Papiers. Doch Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) hat kein Gehör dafür: "Es darf nicht sein, dass wir aufgrund einer Kirchenbesetzung eine noch junge Praxis einfach anpassen", sagte er gestern im Anschluss an eine anderthalbstündige Aussprache mit Vertretern der Zürcher Sans-Papiers, des Bleiberechts-Kollektivs und der reformierten Landeskirche. Er fordert derweil eine nationale Lösung: "Der Bund muss klare, einheitliche Richtlinien für alle Kantone erlassen, und dafür werde ich mich in Bern einsetzen." Momentan bestünden die Richtlinien aus offenen Rechtsbegriffen. Auf die Feststellung, dass Zürich die selbst auferlegte Praxis in Eigenregie lockern könnte, sagte Hollenstein bloss: "Wir schätzen eine gewisse Vereinheitlichung."

Erneutes Gesuch ist möglich

Künftig soll sich ohnehin eine neu zu schaffende Kommission um Härtefälle im Asylbereich kümmern. "Und zwar eine echte, qualitativ gut bestückte Fachgruppe mit Vertretern aus allen politischen Lagern", sagte Hollenstein. Er verspricht sich davon unter anderem eine Entlastung des Migrationsamtes. Wann frühestens und ob überhaupt die Kommission ihre Arbeit aufnehmen kann, ist allerdings unklar. Denn erst im März 2007 hatte das Kantonsparlament eine ähnliche Forderung abgelehnt.

Im Weiteren dürfen Personen, die als Härtefall abgewiesen wurden, erneut ein Gesuch einreichen. "Wir werden dieses im Einzelfall nochmals prüfen", sagte Hollenstein. Ein Begehren, das die Landeskirche laut Kirchenratspräsident Ruedi Reich "explizit" gewünscht hatte. Schliesslich will Hollenstein gewissen Missständen bei der Nothilfepraxis nachgehen: "Das ist mir auch menschlich wichtig." Laut Auskünften von Sans-Papiers fehlten beispielsweise in einer Unterkunft genügend Betten - an anderen Orten waren die hygienischen Verhältnisse prekär.

Auslöser der Kirchenbesetzung und damit der Aussprache sind die Zahlen des Zürcher Migrationsamts bei den Härtefällen abgewiesener Asylbewerber: 2007 wurden nur vier Gesuche nach Bern geschickt. 2008 gar keines. Die andern Kantone hatten wesentlich mehr Gesuche eingereicht. Hollenstein betitelte dies als "zurückhaltende Praxis" und schob nach: "Dafür war Zürich bei den Härtefällen von vorläufig aufgenommenen Personen äusserst grosszügig." 2007 waren es 745 Gesuche, 2008 "ähnlich" viele.

"Wenig gute Nachrichten"

Die Sans-Papiers sind mit dem Resultat der Aussprache mässig zufrieden. "Für uns gabs wenig gute Nachrichten", sagte einer von ihnen gestern an der vom Bleiberecht-Kollektiv organisierten Medienkonferenz nach der Aussprache. "Leider ist Regierungsrat Hollenstein nicht bereit, die Praxis des Migrationsamts sofort zu ändern", sagte Bleiberecht-Sprecher Stefan Schlegel. Enttäuschend sei auch, dass der Kanton die schikanösen Regeln bei der Nothilfepraxis beibehalten wolle. "Immerhin setzt sich Hollenstein ein für die Schaffung einer Härtefall-Kommission." Ein Fragezeichen setzt "Bleiberecht" allerdings hinter die Umsetzung. Insbesondere weil zum jetzigen Zeitpunkt unklar sei, wann die Kommission eingesetzt werden könne und mit welchen Kompetenzen.

Als positiv wertete Schlegel schliesslich, dass alle Personen, deren Härtefallgesuch abgelehnt worden ist, ihre Unterlagen erneut einreichen können. Der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha, ein Spezialist für Migrationsrecht, der die Praxis des Migrationsamts ebenfalls scharf kritisiert, meinte gestern: "Wir haben jetzt viele wohlklingende Worte von der Regierung gehört; nun hoffen ich und die Sans-Papiers, dass die Härtefall-Kommission auch wirklich schnell eingeführt wird." Die rund 100 Sans-Papiers haben noch bis Mittwoch ein offizielles Bleiberecht in der Kirche St. Jakob beim Stauffacher.

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Kirche Der "höchste" Pfarrer des Bezirks äussert sich zur Zürcher Kirchenbesetzung

"Härtefälle genauer untersuchen"

Asylsuchende haben die Predigerkirche in Zürich besetzt. Der Küsnachter Pfarrer Andrea Bianca äussert sich zur umstrittenen Aktion.

Interview Daniel Fritzsche

Herr Bianca*, die Besetzung der Predigerkirche in Zürich durch sogenannte Sans-Papiers beschäftigte die Leute. Wie beurteilen Sie als Mitglied des Kirchenrates die Situation?

Das Thema ist komplex, und es wäre falsch, mit Schlagworten oder Floskeln zu antworten. Die reformierte Landeskirche hat sich und auch ich persönlich habe mich mit der Asylthematik detailliert auseinandergesetzt. Als es 2006 um die Verschärfung des Asylgesetzes ging, hat sich die Kirche bekanntlich gegen die Gesetzesänderung ausgesprochen. Das Volk hat dann aber anders entschieden. Die Kirche respektiert diesen deutlichen Entscheid. Wir werden uns aber weiterhin für die christlichen Grundwerte der Menschlichkeit und Nächstenliebe einsetzen.

Viele Leute ärgerten sich über die Kirchenbesetzung.

Wenn jemand etwas fordert und nicht darum bittet, entsteht bei vielen Leuten ein emotionaler Widerstand. Das ist verständlich. Ich verstehe aber auch die angespannte Situation von Asylsuchenden, die weder in der Schweiz bleiben noch in ihr Heimatland zurückkehren können. Diese Heimatlosigkeit kann zu einer enormen psychischen Belastung führen. Bei solchen Härtefällen sollte man versuchen, sich auch in ihre Situation hineinzufühlen.

Sie zeigen also Verständnis für die Besetzung?

Bei dieser Besetzung handelte es sich nicht um eine kirchliche oder religiöse, sondern um eine politische Aktion. Die Kirche hat aber Mitglieder des ganzen politischen Spektrums. Die Asylsuchenden waren nicht an Leib und Leben bedroht, sondern wollten zur Weihnachtszeit möglichst viel Aufmerksamkeit für ihr politisches Anliegen erhalten. Darüber haben sich manche Leute geärgert, die zur Weihnachtszeit in ihrer Kirche Feierlichkeit suchten.

Was kann die Kirche denn jetzt im Fall der Zürcher Kirchenbesetzung konkret tun?

Sie kann helfen, die Lage zu deeskalieren. Sie kann Emotionen herunterschrauben und die Akteure - die Bleiberechts-Aktivisten auf der einen Seite und die Kantonsregierung auf der andern - überzeugen, erneut miteinander zu sprechen. Die Fronten waren zuvor verhärtet. Auf Seiten der Besetzer wurde gar von Hungerstreiks gesprochen. Der Dialog ist nun dank des umsichtigen Einsatzes von Kirchenratspräsident Ruedi Reich möglich geworden.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Kirche sich dadurch zu sehr in politische Diskussionen verwickeln lässt?

Die Kirche darf sich nicht von politischen Kräften instrumentalisieren lassen. Wir können keine politischen Akteure sein. Wir können uns aber aufgrund der christlichen Grundwerte für den humanitären Vollzug von demokratisch erlassenen Gesetzen engagieren. Im jetzigen Konflikt fällt uns gewissermassen die Rolle einer dritten Kraft, zwischen den Fronten, zu. Wir berücksichtigen einerseits klar das demokratisch verschärfte Asylgesetz, treten anderseits aber weiterhin für christliche Grundwerte in dessen Umsetzung ein.

Wo könnten sich die extremen Positionen denn treffen?

Das werden die Gespräche zeigen müssen. Eine ökumenische Kommission wird sich in den kommenden Wochen zudem mit der Situation der Sans-Papiers befassen und den Regierungsrat um ein Gespräch ersuchen. Ich persönlich verstehe inzwischen, dass es sich bei gewissen Entscheiden um Härtefälle handelt, die man im Migrationsamt oder mittels einer neu zu schaffenden Kommission für Härtfälle nochmals genauer untersuchen sollte.

* Andrea Marco Bianca ist Küsnachter Pfarrer und Mitglied des kantonalen Kirchenrats.

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Landbote 6.1.09

Gespräch bringt wenig Handfestes

Reto Flury

Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein will eine Kommission für Härtefälle einführen. Für die Sans- Papiers ist das bloss ein "Funke Hoffnung".

Zürich - Bis Ende letzter Woche war offen, ob das Gespräch stattfinden würde. Aber dann räumten die Kirchenbesetzer die Predigerkirche und zügelten in die Kirche Sankt Jakob beim Stauffacherplatz, wo sie bis Mittwoch Gastrecht geniessen. Sie kamen damit einer Forderung von Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) nach. Er wollte den Dialog erst nach Abbruch der Besetzung aufnehmen.

Gestern Morgen empfing Hollenstein eine Delegation der Sans-Papiers und des Bleiberecht-Kollektivs in einem Sitzungszimmer des Kaspar-Escher-Hauses. Er habe in einem fairen Gespräch aufzeigen wollen, woran die Sicherheitsdirektion beim Thema Migration arbeite, sagte Hollenstein am Nachmittag vor den Medien und zahlreichen Sans-Papiers.

Eines dieser Projekte deckt sich mit einer Forderung der Sans-Papiers: Hollenstein will eine neue, unabhängige Kommission ins Leben rufen, welche die Härtefallgesuche prüfen soll. Am Vorhaben wird laut Hollenstein aber schon länger gearbeitet und ist kein Zugeständnis an die Kirchenbesetzer. Eine Härtefallkommission gab es um das Jahr 2000 schon einmal, sie wurde später allerdings aufgehoben. Vor zwei Jahren scheiterten im Kantonsrat zwei Vorstösse, die das Gremium wieder einführen wollten.

Gemäss Hollenstein soll es eine "starke, unabhängige Kommission mit Fachleuten" geben. Allerdings ist noch nicht klar, welche Kompetenzen die Härtefallkommission hat und wer darin vertreten sein wird. Davon hängt ab, ob der Regierungsrat oder der Kantonsrat zustimmen werden. Hollenstein liess auch den Zeitpunkt für einen Antrag offen.

Konkrete Vorstellungen von einer Härtefallkommission hat Anwalt Marc Spescha, der das Bleiberecht-Kollektiv berät. Die Kommission sollte die Gesuche prüfen können und ein Antragsrecht an die Direktion besitzen, forderte er am Rande der Veranstaltung. Für ihn sollten die Kirchen, die Hilfswerke, Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Ausländerorganisationen und die Parteien vertreten sein.

Regeln gefordert

Hollenstein nahm gestern auch Stellung zum Vorwurf, das Migrationsamt wende die im Gesetz vorgesehenen Härtefallregelungen nicht an. Bei vorläufig aufgenommenen Personen sei der Kanton Zürich grosszügig, sagte Hollenstein. Bei den abgewiesenen Asylbewerbern übe das Migrationsamt aber eine zurückhaltende Praxis. Konkret: 2007 wurden vier Gesuche unterstützt, letztes Jahr gar keines. Gleichzeitig haben andere Kantone mehrere Hundert Gesuche unterstützt. Es brauche zusätzliche Richtlinien, um die Praxis zu vereinheitlichen, so Hollenstein. Es müsse etwa geklärt werden, was "Offenlegung der Identität" bedeute. Dieses Kriterium werde von Kanton zu Kanton anders gehandhabt. Gemäss Hollenstein soll zudem jeder Asylbewerber mit einem abgewiesenen Härtefallgesuch der neuen Kommission noch einmal einen Antrag stellen können.

Das Gespräch war von Kirchenratspräsident Ruedi Reich vermittelt worden. Er betonte, die Besetzung sei nicht angemessen gewesen. Es sei inakzeptabel, dass Gläubige ihre Kirche während der Feiertage besetzt vorfänden. "Auch wenn das Anliegen der Demonstranten verständlich ist."

Für Stefan Schlegel vom Bleiberecht-Komitee sind die Resultate des Gesprächs "mager". Der einzige positive Punkt sei die geplante Einsetzung einer Härtefallkommission. Hollenstein habe aber keine Bereitschaft gezeigt, die Anforderungen an die Sprachkenntnisse oder Reisedokumente zu lockern, sagte Schlegel. Auch sei er auf keine Vorschläge für ein besseres Nothilferegime eingegangen. Es würden weiter Migros-Gutscheine abgegeben, und die Nothilfebezüger müssten wöchentlich die Unterkunft wechseln. "Was nur dazu dient, die Sans-Papiers zu schikanieren", sagte Schlegel.

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Kantonsrat: Verständnis und Kritik für Sans-Papiers

Die Besetzung der Predigerkirche und die Lage der Sans-Papiers waren gestern auch Thema im Kantonsrat. Fast alle Fraktionen gaben dazu eine Erklärung ab. SP, AL und Grüne stellten sich hinter die Forderungen der Aktivisten. Abgewiesenen Asylsuchenden, die nicht ausgeschafft werden können, soll ein Status gegeben werden, der ihnen ein Leben in Legalität und Würde erlaube. Das Geld soll ihnen nicht mehr in Migros-Gutscheinen, sondern in bar abgegeben werden und auf die wöchentliche Zuweisung einer neuen Unterkunft sei zu verzichten. Die Härtefallklausel soll auch in Zürich angewandt und die Härtefallkommission wieder eingesetzt werden. Die EVP versteht die Aktion als "Hilfeschrei". Treffe die Kritik zu, so müsse die Besetzung Anstoss zu einer Kurskorrektur sein.

Gegen die Besetzung wandten sich SVP, FDP und CVP. Anders als die SVP und die Freisinnigen lehnen die Christdemokraten die Bildung der Härtefallkommission nicht ab, falls es klare Eckwerte für deren Tätigkeit gebe. Die Besetzung verurteilte die CVP. Jeder habe das Recht, für seine Anliegen einzustehen - mit legalen Mitteln. Die Besetzung einer Kirche zur Weihnachtszeit gehöre nicht dazu. Für die SVP wurden die Sans-Papiers von linken Parteien und Organisationen instrumentalisiert. Die Anschuldigungen an Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein und das Migrationsamt seien völlig fehl am Platz.

Die FDP sieht durch die Aktion die Stellung der Kirche missbraucht. Die Besetzung sei unfair, weil sie die Kirche zu einer politischen Positionierung und damit in eine Rolle dränge, die sie nicht wahrnehmen könne und solle. Für die Freisinnigen braucht es keine Härtefallkommission. Politische Verantwortung lasse sich nicht auf eine Kommission verteilen.

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Bund 6.1.09

Die Zürcher Kirchenbesetzung bringt die Papierlosen-Problematik einmal mehr aufs Tapet - Härtefälle sollen bessere Chancen für ein Bleiberecht bekommen

Teilerfolg für die Zürcher Sans-Papiers

Die Zürcher Kirchenbesetzung bringt die Papierlosen-Problematik einmal mehr aufs Tapet - Härtefälle sollen bessere Chancen für ein Bleiberecht bekommen

Andreas Minder, Zürich

Der Zürcher Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein sichert den Kirchenbesetzern zu, sich für die Schaffung einer Härtefall-Kommission zur Regularisierung von Papierlosen einzusetzen. Auch will er auf eine gesamtschweizerisch einheitliche Praxis hinwirken.

Rund 150 Personen haben über die Festtage die Predigerkirche im Zürcher Niederdorf besetzt. Sie protestierten damit gegen die ihrer Meinung nach unmenschliche Behandlung der Sans-Papiers. Am Sonntag haben die Kirchenbesetzer die Predigerkirche geräumt und sind in die Kirche St. Jakob gezogen. Hier haben sie Gastrecht. Damit war das Hindernis aus der Welt, das bis dahin einem Gespräch mit dem Kanton im Weg stand. Denn CVP-Regierungsrat Hans Hollenstein hatte stets erklärt, er sei nur zu Verhandlungen bereit, wenn die Besetzung vorher beendet werde.

Gestern nun fand das Treffen statt. Hauptthema war die Praxis zur Regularisierung von Härtefällen. Hollenstein machte dabei vor den Medien eine Unterscheidung zwischen abgewiesenen Asylbewerbern, die sich der Ausreise widersetzen, und vorläufig Aufgenommenen, die die strengen Asylvoraussetzungen zwar nicht erfüllen, deren Ausreise aber unmöglich oder unzumutbar ist. Für beide Gruppen können die Kantone beim Bund in "schwerwiegenden persönlichen Härtefällen" nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz Aufenthaltsbewilligungen beantragen.

Hart gegen Abgewiesene

Bei den vorläufig Aufgenommenen mache dies der Kanton Zürich im schweizerisch üblichen Rahmen, betonte Hollenstein. Etwa die Hälfte der Härtefall-Gesuche würden an den Bund weitergeleitet. Hollenstein bezeichnete die Zürcher Praxis als "grosszügig". Ganz anders sieht es bei den Abgewiesenen aus. Im Jahr 2007 hat der Kanton Zürich lediglich 4 von 277 solchen Gesuchen nach Bern geschickt. Im Jahr 2008 sogar kein einziges, wie der Chef des Migrationsamtes, Adrian Baumann,erklärte. Zum Vergleich: 2007 schickten die Kantone insgesamt 944 Härtefallgesuche von Abgewiesenen ans Bundesamt für Migration weiter. Davon wurden 813 bewilligt. Grund für die strenge Zürcher Praxis ist die Offenlegung der Identität der Gesuchsteller. Sie müssen einen gültigen Reisepass vorlegen, während in anderen Kantonen eine Identitätskarte genügt.

Einheitliche Kriterien

Hollenstein zeigte sich gestern wenig glücklich über die "zurückhaltende" Praxis des Kantons. "Zürich soll sich im Mittelfeld bewegen", sagte er. Erreichen will er dies jedoch nicht über mildere kantonale Kriterien, sondern über schweizerisch einheitliche Vorgaben zu den seiner Meinung nach interpretationsbedürftigen gesetzlichen Grundlagen.

Weiter möchte Hollenstein die Schaffung einer Härtefall-Kommission durchsetzen. Je nach Ausgestaltung braucht es dazu die Zustimmung der Regierung oder des Kantonsparlaments. Im März 2007 hat das Parlament ein entsprechendes Postulat abgelehnt. Hollenstein zeigte sich jedoch zuversichtlich, den Kantonsrat bei einem neuen Anlauf überzeugen zu können.

Ein drittes Ergebnis der Gespräche ist, dass der Kanton kritischen Hinweisen der Sans-Papiers nachgehen will. In einzelnen Fällen soll der Kanton den Ansprüchen der Nothilfe nicht genügt haben. Als Beispiele nannte Hollenstein ungenügende hygienische Einrichtungen und zu wenig Betten. Es sei ihm ein menschliches Anliegen, dass so etwas nicht vorkomme, sagte der Sicherheitsdirektor.

Allen Papierlosen unter den Kirchenbesetzern wurde zugesichert, dass ihre Gesuche noch einmal geprüft werden. Tom Cassee vom Bleiberecht-Kollektiv nannte dies neben der Aussicht auf eine Härtefallkommission den zweiten positiven Punkt der Gespräche. Ansonsten zeigte er sich enttäuscht, dass die Verantwortung für die Härtefallpraxis auf den Bund abgeschoben wurde. "Wir werden nun diskutieren, wie wir weitermachen."

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Unterschiedliche Praxis

In der Schweiz leben gegen 100000 Personen ohne Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Dies ergab im April 2005 eine Studie des Bundesamts für Migration (BFM). Laut dieser Studie sind die Sans-Papiers überwiegend erwerbstätig, meist arbeiten sie unter prekären Arbeitsbedingungen zu Löhnen im Schnitt unter dem Existenzminimum. Sans-Papiers sind einerseits illegal eingereiste Arbeitssuchende und anderseits abgewiesene Asylbewerber, die nach dem Entscheid untergetaucht sind.

Forderungen für eine Amnestie hat die Politik mehrfach abgelehnt. Unter der damaligen Bundesrätin Ruth Metzler hat der Bund aber Kriterien zur Regularisierung von Härtefällen erlassen. Nach fünf Jahren Aufenthalt können gut integrierte Personen in gesicherten finanziellen Verhältnissen und mit gutem Leumund Gesuche für eine Aufenthaltsbewilligung stellen.

Die Kantone machen davon indes höchst unterschiedlich Gebrauch. Kantone in der Westschweiz leiten weit mehr Gesuche an den Bund weiter als jene in der Ost- und Zentralschweiz. Das BFM ist daran, die Weisungen zu überprüfen. (soh)

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St. Galler Tagblatt 5.1.09

Versprechen an Sans-Papiers

Nach zwei Wochen Kirchenbesetzung durch Papierlose fand gestern das erste Gespräch mit der Zürcher Regierung statt. Regierungsrat Hans Hollenstein macht ihnen Hoffnung: Er werde sich für eine Härtefallkommission einsetzen.

Andreas Minder

Zürich. Am Sonntag hatten die Kirchenbesetzer die Predigerkirche geräumt und waren in die Kirche St. Jakob gezogen. Hier haben sie Gastrecht. Damit war das Hindernis aus der Welt, das bis dahin einem Gespräch mit dem Kanton im Weg stand. CVP-Regierungsrat Hans Hollenstein hatte erklärt, er sei nur zu Verhandlungen bereit, wenn die Besetzung vorher beendet werde.

Gestern fand das Treffen statt. Hauptthema war die Behandlung von sogenannten Härtefällen. Sie finden sich vor allem unter Personen, deren Asylgesuch abgelehnt worden ist. Hollenstein unterschied dabei an der gestrigen Medienkonferenz zwei Gruppen: jene, die ausreisen müssten und sich illegal in der Schweiz aufhalten, und jene, die vorläufig aufgenommen sind.

Vorläufig aufgenommen wird man zum Beispiel, wenn eine Heimkehr zu gefährlich ist. Für beide Gruppen können die Kantone beim Bund in "schwerwiegenden persönlichen Härtefällen" Aufenthaltsbewilligungen beantragen. Bei den vorläufig Aufgenommenen tut dies der Kanton Zürich im schweizerisch üblichen Rahmen, wie Hollenstein betonte. Etwa die Hälfte der Härtefallgesuche würden an den Bund weitergeleitet. Der Regierungsrat sprach von einer "grosszügigen Haltung".

Nur vier Gesuche

Ganz anders sieht es bei den Abgewiesenen aus. Im Jahr 2007 hat der Kanton Zürich lediglich vier von 277 solchen Gesuchen nach Bern geschickt. Im Jahr 2008 sogar noch gar keins, wie Adrian Baumann, der Chef des Migrationsamts, erklärte. Zum Vergleich: 2007 wurden beim Bundesamt für Migration 944 Härtefallgesuche von Abgewiesenen eingereicht. Davon wurden 813 bewilligt. Ein wesentliches Element der strengen Zürcher Praxis betrifft die Offenlegung der Identität der Gesuchsteller. Sie müssen dazu einen gültigen Reisepass vorlegen, während in anderen Kantonen eine Identitätskarte genügt.

Hollenstein zeigte sich gestern wenig glücklich über "zurückhaltende" Praxis des Kantons. "Zürich soll sich im Mittelfeld bewegen", sagte er. Erreichen will er dies jedoch nicht über mildere kantonale Kriterien, sondern über schweizerisch einheitliche Vorgaben zu den interpretationsbedürftigen gesetzlichen Grundlagen. "Föderalismus ist hier fehl am Platz."

Neuer Anlauf für Kommission

Weiter möchte Hollenstein eine Härtefallkommission einsetzen. Je nach Ausgestaltung braucht es dazu die Zustimmung des Regierungsrats oder des Kantonsrats. Im März 2007 hat das Parlament ein entsprechendes Postulat abgelehnt. Hollenstein zeigte sich jedoch zuversichtlich, den Kantonsrat bei einem neuen Anlauf überzeugen zu können.

Ein drittes Ergebnis der Gespräche ist, dass der Kanton kritischen Hinweisen der Sans-Papiers nachgehen will. In einzelnen Fällen soll der Kanton den Ansprüchen der Nothilfe nicht genügt haben. Als Beispiele nannte Hollenstein ungenügende hygienische Einrichtungen und zu wenig Betten. Es sei ihm ein menschliches Anliegen, dass so etwas nicht vorkomme, sagte er.

Allen Papierlosen unter den Kirchenbesetzern wurde zugesichert, dass ihre Gesuche noch einmal geprüft werden.

Tom Cassee, Sprecher des Bleiberechts-Kollektivs, nannte dies neben der Aussicht auf eine Härtefallkommission den zweiten positiven Punkt der Gespräche. Ansonsten zeigte er sich enttäuscht, dass Hollenstein die Verantwortung für die Härtefallpraxis auf den Bund abgeschoben habe. "Wir werden nun diskutieren, wie wir weitermachen", sagte er. Bis am Mittwochabend dürfen die Papierlosen in der Kirche St. Jakob am Stauffacher bleiben.

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Aargauer Zeitung 6.1.09

Hollenstein will eine Kommission

Asyl-Härtefalle Eine Fachgruppe soll künftig entscheiden - doch ob und ab wann ist offen

Roman Hodel

Nach dem Gespräch mit den Sans-Papiers: Regierungsrat Hans Hollenstein hält an der rigiden Praxis des Migrationsamts fest. Stattdessen fordert er vom Bund "klarere Richtlinien".

Das Zürcher Migrationsamt soll die harte Bewilligungspraxis bei Asyl-Härtefällen lockern. Doch der Zürcher Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) hat kein Gehör dafür: "Es darf nicht sein, dass wir aufgrund einer Kirchenbesetzung eine noch junge Praxis einfach anpassen", sagte er gestern im Anschluss an eine anderthalbstündige Aussprache mit Vertretern der Zürcher Sans-Papiers, des Bleiberechts-Kollektivs und der reformierten Landeskirche.

Er fordert derweil eine nationale Lösung: "Der Bund muss klare, einheitliche Richtlinien für alle Kantone erlassen und dafür werde ich mich in Bern einsetzen." Momentan bestünden die Richtlinien aus offenen Rechtsbegriffen. Auf die Feststellung, dass Zürich die selbst auferlegte Praxis in Eigenregie lockern könnte, sagte Hollenstein bloss: "Wir schätzen eine gewisse Vereinheitlichung."

Künftig soll sich ohnehin eine neu zu schaffende Kommission um Härtefälle im Asylbereich kümmern. "Und zwar eine echte, qualitativ gut bestückte Fachgruppe mit Vertretern aus allen politischen Lagern", sagte Hollenstein. Er verspricht sich davon unter anderem eine Entlastung des Migrationsamts. Wann frühestens und ob überhaupt die Kommission ihre Arbeit aufnehmen kann, ist allerdings unklar. Denn erst im März 2007 hatte das Kantonsparlament eine ähnliche Forderung abgelehnt. "Ich glaube an das Gute, daran, die Leute überzeugen zu können."

Weiter dürfen Personen, die als Härtefall abgewiesen wurden, erneut ein Gesuch einreichen. "Wir werden dieses im Einzelfall nochmals prüfen", sagte Hollenstein. Ein Begehren, dass die Landeskirche laut Kirchenratspräsident Ruedi Reich "explizit" gewünscht hatte. Schliesslich will Hollenstein gewissen Missständen bei der Nothilfepraxis nachgehen: "Das ist mir auch menschlich wichtig." Laut Auskünften von Sans-Papiers fehlten beispielsweise in einer Unterkunft genügend Betten › an anderen Orten waren die hygienischen Verhältnisse prekär.

"Zurückhaltende Praxis"

Auslöser der Kirchenbesetzung und damit der Aussprache sind die Zahlen des Zürcher Migrationsamts bei den Härtefällen abgewiesener Asylbewerber: 2007 wurden nur vier Gesuche nach Bern geschickt. 2008 gar keines. Die anderen Kantone hatten wesentlich mehr Gesuche eingereicht. Hollenstein betitelte dies als "zurückhaltende Praxis" und schob nach: "Dafür war Zürich bei den Härtefällen von vorläufig aufgenommenen Personen äusserst grosszügig." 2007 waren es 745 Gesuche, 2008 "ähnlich" viele.

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Sans-Papiers hoffen auf Kommission

Die Sans-Papiers sind mit dem Resultat der Aussprache mässig zufrieden. "Für uns gabs wenig gute Nachrichten", sagte einer von ihnen gestern an der vom Bleiberecht-Kollektiv organisierten Medienkonferenz nach der Aussprache. "Leider ist Regierungsrat Hollenstein nicht bereit, die Praxis des Migrationsamts sofort zu ändern", sagte Bleiberecht-Sprecher Stefan Schlegel. Enttäuschend sei auch, dass der Kanton die schikanösen Regeln bei der Nothilfepraxis beibehalten wolle. "Immerhin setzt sich Hollenstein ein für die Schaffung einer Härtefall-Kommission." Ein Fragezeichen setzt "Bleiberecht" allerdings hinter die Umsetzung. Insbesondere weil zum jetzigen Zeitpunkt unklar sei, wann die Kommission eingesetzt werden könne und mit welchen Kompetenzen. Als positiv wertete Schlegel schliesslich, dass alle Personen, deren Härtefallgesuch abgelehnt worden ist, ihre Unterlagen erneut einreichen können. Der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha, ein Spezialist für Migrationsrecht, der die Praxis des Migrationsamts ebenfalls scharf kritisiert, meinte gestern: "Wir haben jetzt viele wohlklingenden Worte von der Regierung gehört, nun hoffen ich und die Sans-Papiers, dass die Härtefall-Kommission auch wirklich schnell eingeführt wird." Die rund 100 Sans-Papiers weilen sicher noch bis Mittwoch in der Kirche St. Jakob beim Stauffacher. Sie waren am Sonntag dorthin umgezogen, nachdem sie zuvor während 17 Tagen die Predigerkirche im Niederdorf besetzt hatten. (ROH)

Disput im kantonsrat

Die Besetzung der Predigerkirche durch Sans-Papiers hat im Kantonsrat gleich zu sechs Fraktionserklärungen geführt. Scharf ging SVP-Fraktionschef Hans Frei (Regensdorf) mit den Besetzern ins Gericht. Die Sans-Papiers seien von linken Parteien und Organisationen für ihre politischen Zwecke missbraucht worden, führte er aus. Es gehe nicht an, die ausländerrechtlichen Bestimmungen zu unterlaufen. Regine Sauter (FDP, Zürich) bedauerte es, dass den Besetzern jetzt Gastrecht in einer andern Kirche geboten werde. Es sei Aufgabe des Regierungsrats, das Gesetz zu vollziehen. Christoph Holenstein (CVP, Zürich) gab zu verstehen, ein Bleiberecht für alle sei eine Illusion, da sie mit der Rechtsordnung nicht vereinbar sei. Ganz anders reagierten SP, Grüne und Alternative: Renate Büchi (SP, Richterswil) kritisierte die restriktive Haltung des Kantons Zürich bei der Anwendung der Härtefall-Klausel. Kaspar Bütikofer (AL, Zürich) verlangte unter anderem die Aufhebung des Arbeitsverbots für abgewiesene Asylbewerber. Die EVP sieht, wie Lisette Müller (Knonau) ausführte, die Aktion als Weckruf an. Sofern die Vorwürfe wegen unwürdiger Behandlung zutreffen sollten, müsse eine Kurskorrektur erfolgen. (abr.)

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20min.ch 5.1.09

Kirchenbesetzung

Sans-Papiers hoffen auf Härtefall-Kommission

Der Zürcher Sicherheitsdirektor will sich für eine Härtefall-Kommission für abgewiesene Asylbewerber einsetzen. Die Sans-Papiers zeigten sich am Montag verhalten optimistisch nach diesem Versprechen. Sie hofften auf mehr Zugeständnisse.

Er werde beim Kantonsrat und beim Regierungsrat die Bildung einer Härtefall-Kommission fordern, sagte CVP-Regierungsrat Hans Hollenstein am Montag nach dem Gespräch mit den Sans-Papiers. Um Genaueres über Zusammensetzung, Kompetenzen oder den Zeitpunkt der Einführung zu sagen, sei es aber noch zu früh.

In Zürich existierte bereits einmal eine solche Kommission. 2002 wurde sie nach drei Jahren abgeschafft, weil sie zwar Vorschläge für fremdenpolizeiliche Entscheide machen konnte, selber aber keine Kompetenzen hatte. 2007 wurde im Kantonsrat die Wiedereinführung gefordert. Der Rat lehnte ein entsprechendes Postulat jedoch ab.

Hollenstein sagte beim Gespräch mit den Papierlosen, es stehe den in der Zwischenzeit abgewiesenen Härtefällen frei, erneut ein Gesuch um vorläufige Aufnahme zu stellen. Der Kanton werde darüber befinden und das Gesuch gegebenenfalls an den Bund weiterleiten. Im letzten Jahr wurde kein einziges Gesuch nach Bern weitergeleitet.

Keine Zugeständnissse machen will Hollenstein allerdings bei den Kriterien, die über Aufenthalt oder Ausreise entscheiden. Es gehe jetzt zuerst darum, dass man sich beim Bund für eine einheitliche Regelung einsetze. So müsse etwa geklärt werden, was "Offenlegung der Identität" bedeute. Diese Vorgabe werde nämlich von Kanton zu Kanton anders gehandhabt.

"Ein Funken Hoffnung"

Die Sans-Papiers zeigten sich nach der Aussprache mit dem Sicherheitsdirektor konsterniert. Das Versprechen für die Schaffung einer Härtefall-Kommission bezeichneten sie als "einzigen positiven Punkt" des Gesprächs und als "Funken von Hoffnung".

Leider sei jedoch nicht klar, wer diese Kommission ins Leben rufen werde, sagte Stefan Schlegel vom Bleiberecht-Kollektiv. "Unklar ist auch, wann die Härtefall-Kommission ihre Arbeit aufnehmen wird." Als Erfolg werteten die Papierlosen jedoch, dass Hollenstein versprach, abgelehnte Härtefall-Gesuche neu zu prüfen.

Sehr enttäuscht zeigte man sich darüber, dass Hollenstein keine Zugeständnisse bei die Ausgestaltung der Nothilfe machte. Schlegel kritisierte, dass diese in Zürich in Form von Migros-Gutscheinen statt Bargeld ausgerichtet wird, und die Tatsache, dass die Papierlosen jede Woche die Unterkunft wechseln müssen.

Der auf Asylrecht spezialisierte Rechtsanwalt Marc Spescha sprach nach dem Treffen mit Hollenstein von "vielen wohlklingenden Worten". Dass Zürich im letzten Jahr kein einziges Härtefallgesuch an den Bund weitergeleitet hatte, bezeichnete er als "eine Praxis der Rechtsverweigerung".

Sicher bis Mittwoch in Kirche St. Jakob

Die Papierlosen hatten am Sonntag die Predigerkirche im Zürcher Niederdorf geräumt und so die Bedingungen für ein Gespräch mit dem Zürcher Sicherheitsdirektor erfüllt. Dieses hatte am Montagmorgen unter der Leitung des reformierten Kirchenratspräsidenten Ruedi Reich stattgefunden.

Derzeit halten sich die Sans-Papiers in der Kirche St. Jakob beim Stauffacher auf. Bis Mittwoch dürfen sie dort noch bleiben, was dann passiert, konnten sie am Montag noch nicht sagen. Zunächst würden jetzt die Ergebnisse der Gespräche beraten und das weitere Vorgehen besprochen.
Quelle: SDA/ATS

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Info-Box
Kritik an Zürcher Härtefall-Praxis

Laut Statistik hat der Kanton Zürich beim Bund im Jahr 2007 fünf Härtefall-Anträge eingereicht. Vier davon wurden bewilligt. Im selben Zeitraum hat der Kanton St. Gallen 79 Anträge und der Kanton Bern 103 Anträge gestellt. Der Bund hat die meisten dieser Gesuche gutgeheissen. Dennoch liess Polizeidirektor Hans Hollenstein kürzlich verlauten, dass Zürich "sehr grosszügig" mit Härtefallgesuchen umgehe, falls "Menschen in echter Not" seien. Angaben über die Härtefall-Praxis des Kantons Zürich im Jahr 2008 liegen bislang keine vor.

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SANS-PAPIERS BS
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Basler Zeitung 6.1.09

"Mir bleibt nur die Schwarzarbeit"

Weil Marta* (17) eine Sans-Papiers ist, steht sie nach der 10. Klasse vor dem Nichts

Barbara Lauber

Marta fürchtet sich vor der Zukunft. Als Sans-Papiers darf die 17-jährige Ecuadorianerin in der Schweiz keine Lehre machen - obwohl sie eine Lehrstelle hätte.

"Ich lebe wie in einem kleinen, engen Zimmer, das keinen Ausgang hat", sagt Marta leise. Dann lächelt sie. Marta lächelt viel. Denn niemand soll in ihrem Gesicht die Angst und Ohnmacht erkennen können, die sich jeden Tag in ihr breitmachen. Würde jemand die Wahrheit sehen, sagt Marta, dann wäre dies das Ende.

Marta kam 1999 mit ihrer Mutter in die Schweiz. Sie stammt aus Ecuador, einem Land, aus dem in den letzten zwanzig Jahren über zwei Millionen Menschen vor der Armut geflüchtet sind. Marta ist heute 17-jährig. Von ihrer Existenz wissen die Behörden nichts, denn Marta besitzt keine Aufenthaltsbewilligung. Seit sie vor neun Jahren nach Ablauf ihres Touristenvisums in Basel untergetaucht ist, ist sie eine Sans-Papiers, eine Illegale. Mit ihrer Mutter wohnt sie in einer billigen Einzimmerwohnung, die ein Bekannter für sie gemietet hat. Die Frauen leben und schlafen im gleichen Raum. Und teilen die Angst, gefasst, weggewiesen, ausgeschafft zu werden.

Warten auf das Nichts. Marta ging während den letzten acht Jahren in Basel zur Schule; das ist Sans-Papiers-Kindern heute erlaubt. Sie lernte Deutsch, hatte in Englisch und Französisch gute Noten, fand Kolleginnen und eine Freundin. Seit letztem Sommer besucht Marta die 10. Klasse. Es ist ihr letztes Schuljahr. Danach wird sie vor dem Nichts stehen. Sans-Papiers-Kinder können in der Schweiz keine Berufslehre machen (vgl. Text unten). "Ich versuche, nicht an nächsten Sommer zu denken", sagt sie. "Noch habe ich eine Aufgabe und ein Ziel, noch ist alles gut." Doch die Angst vor der ungewissen Zukunft lässt sich nicht vertreiben. "Es gibt Tage, da bin ich so traurig, dass ich morgens nicht in die Schule gehen kann", sagt die junge Frau. Sie blickt kurz zu ihrer Mutter und fügt hinzu: "Manchmal denke ich, es wäre einfacher, tot zu sein." Die Mutter lächelt, sie hat Martas Dialektworte nicht verstanden.

Dass Marta illegal in Basel lebt, wissen an der Schule nur der Schulleiter, der Lehrer und eine Kollegin. "Alle anderen lüge ich jeden Tag an", sagt Marta, "aus Angst vor Verrat". Um nicht aufzufallen, meldete sie sich in den letzten Wochen wie alle anderen für verschiedene Schnupperlehren. Marta schnupperte bei einem Coiffeur, in einer Drogerie, in einem Kleidergeschäft. Dort durfte sie Hosen und Pullover sortieren, Regale einräumen, die Verkäuferinnen begleiten. "Ich hatte riesigen Spass", schwärmt die Schülerin. Dieses Mal lachen auch ihre Augen. "Die Filialleiterin war sehr zufrieden mit mir. Sie sagte, ich solle mich im Januar bei ihr melden - für eine Lehrstelle!" Marta erzählt es mit Stolz. "Das hat mich wahnsinnig gefreut. Und mich sehr traurig gemacht."

Marta liebt Kleider. "Eine Detailhandelslehre in einem Kleidergeschäft - das wäre ein Traum!", sagt sie. "Dann würde ich Geld verdienen. Und wir könnten in eine grössere Wohnung ziehen, mit zwei Schlafzimmern." Doch Marta fürchtet, dass das ein Traum bleiben wird. "Für Menschen wie mich gibt es nach der Schule keine Möglichkeiten mehr. Mir bleibt nur die Schwarzarbeit. Oder das Nichtstun", sagt sie. In ihrer Stimme liegt keine Bitterkeit, keine Wut, nur Trauer und Enttäuschung. "Dabei", fügt Marta leise hinzu, "kann ich nichts dafür, dass ich hier bin. Ich hatte keine Wahl."

Alternative PUTZEN. Marta wird nach der 10. Klasse das tun, was ihre Mutter tut: bei fremden Menschen putzen - für keine 2000 Franken im Monat. "Einfach zu Hause sitzen und nichts tun, das würde ich nicht ertragen." Marta träumt nicht von der fernen Zukunft. "Das bringt nichts!", sagt sie unerwartet forsch. Als sie kürzlich in der Schule einen Aufsatz über ihre Pläne schreiben sollte, gab sie dem Lehrer ein weisses Blatt ab. "Mein Kopf", sagt Marta "war völlig leer." Doch noch hat die junge Frau die Hoffnung auf ein legales Leben nicht ganz aufgegeben: Soeben hat sie bei den Behörden ein Gesuch um Aufenthaltsregelung gestellt. Sie hofft, dass man sie als Härtefall anerkennen wird. "Vielleicht klappt es ja", sagt Marta. Die Mutter nickt unbestimmt.

Mit einer Aufenthaltsbewilligung, sinniert Marta, müsste das Leben viel leichter, unbeschwerter sein. "Dann hätte ich keine Angst mehr, wenn ich Polizisten auf der Strasse sehe oder ein Polizeiauto höre. Dann könnte ich mit meinen Kolleginnen offen reden und müsste nicht mehr lügen." Sie seufzt. Marta weiss, was sie nach einem abschlägigen Bescheid erwarten wird: die Wegweisung. "Dann müssen meine Mutter und ich erneut untertauchen und an einem anderen Ort wieder ganz von vorne anfangen, ohne Freunde", sagt sie. Denn zurück nach Ecuador will Marta nicht: "Dort gehöre ich nicht mehr hin. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen. Hier bin ich zu Hause."

* Name von der Redaktion geändert

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Bildung für jedes Kind gefordert

Sans-Papiers-Kinder. In der Schweiz leben zwischen 70 000 und 180 000 Sans-Papiers - ehemalige Saisonniers, abgewiesene Asylsuchende und aussereuropäische Arbeitsimmigranten, die sich illegal im Land aufhalten. Daneben dürften mehrere Tausend Sans-Papiers-Kinder hier leben. Zwar haben sie laut Bundesverfassung ein Recht auf Grundschulbildung und dürfen die Schule besuchen. Doch spätestens nach dem 10. Schuljahr stehen die meisten vor dem Nichts, da sie keine Berufslehre absolvieren können. Diese Politik hat das Parlament bei der Totalrevision des Ausländergesetzes nochmals bestätigt.

Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) wie die Sans-Papiers-Beratungsstelle Basel, Terre des hommes, Heks oder Unia kritisieren dies. In ihrer neuen Kampagne "Kein Kind ist illegal" fordern sie ein Recht auf Bildung vor und nach der Volksschule. Sie beziehen sich dabei auf die von der Schweiz ratifizierte UNO-Kinderrechtskonvention. Die NGOs warnen, dass ohne Legalisierung "Hunderte bis Tausende Jugendliche" in die Schwarzarbeit gedrängt werden. Diese Befürchtung teilt auch Nationalrat Luc Barthassat (CVP, GE). In einer kürzlich eingereichten Motion fordert er den Bundesrat auf, Jugendlichen ohne gesetzlichen Status eine Berufslehre zu ermöglichen. Der Bundesrat hat in der Vergangenheit eine generelle Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen jedoch wiederholt ausgeschlossen. Es gebe heute in "begründeten Härtefällen" genug Spielraum für Lösungen. Bei der Anerkennung eines Härtefalls spielt bei Jugendlichen die Dauer des Aufenthalts und die Integration eine wichtige Rolle. blb

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Zürcher Sans-Papiers

Härtefälle. Der Zürcher Regierungsrat Hans Hollenstein hat sich gestern mit einer Delegation der Zürcher Sans-Papiers getroffen (vgl. BaZ von gestern). Er sicherte ihnen zu, dass er sich für die erneute Schaffung einer Härtefall-Kommission starkmachen will, wie Hollenstein nach dem Treffen vor den Medien festhielt. Die Kirche habe dabei ihre Bereitschaft zur Mitarbeit offeriert, sagte Kirchenratspräsident Ruedi Reich. In Bezug auf die Anerkennung von Härtefällen bei Menschen mit abgelehnten Asylgesuchen signalisierte Hollenstein dagegen kein Entgegenkommen. Zürich habe eine harte Praxis, räumte er ein. Man wolle aber auf eine gesamtschweizerische Handhabung hinwirken. Das Treffen der Sans-Papiers-Delegation mit Hollenstein und Reich wurde möglich, nachdem die Sans-Papiers nach 17 Tagen die Besetzung der Predigerkirche aufgegeben haben und in die Kirche St. Jakob umgezogen sind, wo ihnen Asyl angeboten worden war.  AP

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BIG BROTHER VIDEO
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Basellandschaftliche Zeitung 6.1.09

Zwischen Sicherheit und Privacy

Datenschutz Nicht alle schätzen die Videoüberwachung. Einigen ist sie ein Dorn im Auge

Toprak Yerguz

Die Videoüberwachung unterliegt den Richtlinien des Datenschutzes. Dennoch gibt es in der Bevölkerung Zweifel an Wirksamkeit und Rechtmässigkeit.

"In seltenen Fällen wird ein Fragezeichen gesetzt", sagt Jean-Louis Wanner zu den Reaktionen auf die Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Als kantonaler Datenschutzbeauftragter zählt er "rund 25 Amtsstellen", die von zusammengerechnet 200 › 300 Kameras überwacht werden. "Das sind Orte mit viel Besucherbetrieb, zum Beispiel Spitäler oder Gefängnisse."

Wanners Aufgabe ist es, einerseits die Notwendigkeit einer Kamerainstallation zu beurteilen und andererseits sicherzustellen, dass die Aufnahmen nicht die Intimsphäre verletzen. Er sagt: "In 99,8 Prozent der Fälle werden die installierten Kameras akzeptiert."

Kritische Stimme

Roland Blaser gehört demnach zur kleinen Gruppe jener, die nicht alle Kameras akzeptieren. Er hat die Website privacywat.ch aufgeschaltet und wehrt sich dort explizit gegen die Videoüberwachung in den Fahrzeugen der BVB.

Blaser befürchtet einen möglichen Missbrauch der Videoaufnahmen. Dass er ausgerechnet die BVB für seine Kritik ausgewählt hat, erklärt Blaser mit der flächendeckenden Einführung der Kameras in den Fahrzeugen: "So entsteht ein komplexes System der Überwachung." Über die Kameras im öffentlichen Nahverkehr könne die Bewegung der Passagiere quer durch die Stadt verfolgt werden. "Das bedeutet nicht, dass ich das den BVB unterstelle", hält er fest. Er wolle nur vor der Gefahr des Missbrauchs warnen. Blaser beklagt ausserdem, dass die BVB seine Anfragen ignorieren und wünscht sich allgemein mehr Information.

Die BVB-Pressesprecherin Dagmar Jenny wehrt sich entschieden dagegen, "in die verfassungswidrige Ecke gedrängt" zu werden. Für Datenschutzfragen müsse sich Blaser an Wanner wenden. Sie betont, dass die Videoüberwachung in Absprache mit dem Datenschutzbeauftragten und nach den Richtlinien des Kantons durchgeführt werde: "Wäre es nicht so, hätten wir die Bewilligung dazu gar nie gekriegt."

Erhöhtes Sicherheitsempfinden

Jenny versteht nicht, wieso man dem Verhalten der BVB misstrauen sollte: "Die Aufnahmen werden nach 24 Stunden gelöscht, sofern keine Anzeige eingegangen ist." Bei einer allfälligen Auswertung dürfe nur ein bestimmter BVB-Mitarbeiter das Material sichten. In den Fahrzeugen werde ausserdem klar auf die Videoüberwachung hingewiesen.

Jenny begründet die Videoüberwachung vorrangig mit der Sicherheit der Fahrgäste und Mitarbeiter. An zweiter Stelle komme der Schutz vor Vandalen, was aber ebenfalls mit dem Sicherheitsempfinden der Menschen in Verbindung stehe: "Man fühlt sich sicherer, wenn die Wagen sauber und ordentlich sind." Eine Kundenbefragung habe ergeben, dass über 80 Prozent der Fahrgäste sich mit der Videoüberwachung sicherer fühlen.

Wanner weiss, dass ein neu installiertes Überwachungssystem zu Beginn abschreckend wirke: "Im Bereich des öffentlichen Verkehrs kann man einen eindeutigen Rückgang des Vandalismus feststellen." Diese Wirkung könne aber mit anhaltender Dauer abnehmen. Er warnt deshalb eindringlich davor, die Videoüberwachung als "Allheilmittel" zu betrachten: "Personal ist eindeutig effizienter. Aber das ist letztlich eine Kostenfrage."

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Sämtliche BVB-Wagen unter Kontrolle

Richtet sich eine Kamera auf die Basler Allmend, unterliegt sie der Bewilligungspflicht des kantonalen Datenschutzbeauftragten Jean-Louis Wanner. Kameras, die private Areale beaufsichtigen, unterliegen hingegen den Bestimmungen des eidgenössischen Datenschutzes. Darunter falle auch die Videoüberwachung des Bahnhofs SBB. Eine solche Kamera darf maximal 50 Zentimeter der Allmend im Blickfeld haben, erklärt Wanner. Während der Euro 08 wurden temporär zusätzliche Kameras in Basel aufgestellt. "Diese sind nach dem Turnier wieder abmontiert worden", bestätigt Wanner. Ausnahmen seien drei Kameras auf dem Gelände des St. Jakob-Parks, die weiterhin betrieben werden. Laut Pressesprecherin Dagmar Jenny besitzen die BVB die Bewilligung, in allen Fahrzeugen die Videoüberwachung einzuführen. Jene Wagen, die noch nicht mit Kameras ausgestattet worden sind, sollen nachgerüstet werden. (TY)

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GAZA
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Rundmail 6.1.09

Sa 10. Jan. Bern: Nationale Demonstration gegen den Krieg in Gaza

Achtung: Beginn der Demo um 14.30

NATIONALE DEMONSTRATION

GAZA: STOPP DER MILITÄRISCHEN AGGRESSION - FÜR DIE AUFHEBUNG DER BLOCKADE

Die Demo (10.1.2009) beginnt neu um 14.30 Uhr!
Treffpunkt: Schützenmatte Bern (http://map.search.ch/bern/schuetzenmattstr.)

Bitte kommt an die Demonstration, leitet das Mail an Freunde und Bekannte weiter.

Alle weiteren Angabeu auf www.nahostfrieden.ch/veranstaltungen

Aktuelle Berichte ausserhalb der CH-Tagespresse finden Sie u.a. auf

www.arendt-art.de/deutsch/palestina/  (deutsch)

http://groups.google.com/group/newprofile?hl=en

www.freegaza.org

R.Knutti
Webmaster www.nahostfrieden.ch
 [http://www.nahostfrieden.ch/] info@nahostfrieden.ch
[mailto:info@nahostfrieden.ch]

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GAZA: STOPP DER MILITÄRISCHEN AGGRESSION
- FÜR DIE AUFHEBUNG DER BLOCKADE

Für die Anwendung des internationalen Rechts
Stopp der militärischen Zusammenarbeit Schweiz-Israel

GESAMTSCHWEIZERISCHE DEMONSTRATION
SA, 10. JAN. 09 I 14.30H BERN I SCHÜTZENMATTE

Seit dem 27. Dezember 2008 ist der blutigste militärische Angriff Israels gegen die Bevölkerung Gazas seit 1967 im Gange. Bereits hat die israelische Offensive Hunderte von Opfern gefordert, viele davon ZivilistInnen. Die israelische Armee versetzt damit die Bevölkerung im Gaza-Streifen in Angst und Schrecken. 1,5 Millionen PalästinenserInnen leben seit Jahren in menschenunwürdigen Verhältnissen wegen der menschenrechtswidrigen, von Europa und Nordamerika mitgetragenen israelischen Blockade.

Eine Lösung des Nahost-Konflikts auf dem Verhandlungsweg kann erst dann erfolgreich sein, wenn die Gewalt gegen die Zivilbevölkerungen in den besetzten palästinensischen Gebieten sowie in Israel gestoppt wird, die Menschenrechte eingehalten werden und das Völkerrecht zur Anwendung gelangt. Es ist - angesichts der höchst ungleichen Opferzahlen und der jahrzehntelangen Verletzungen des humanitären Völkerrechts, der Genfer Konventionen und Resolutionen der UNO seitens Israel - zynisch, die israelische und palästinensische Verantwortung gleichzusetzen.

Die unilateral durchgesetzte Machtpolitik der USA, ihrer Alliierten und Israels muss endlich ein Ende haben. Statt das Recht des Stärkeren zu stützen, muss die internationale Gemeinschaft die Stärke des Rechts durchsetzen. Um die militärischen Angriffe, die Blockade und die Besatzung zu beenden, um dem Völkerrecht Geltung zu verschaffen und um die Einhaltung der Genfer Konventionen einzufordern, ist es nötig, konkreten und gezielten politischen, juristischen und wirtschaftlichen Druck auf Israel auszuüben.

Die Schweiz als Depositärstaat der Genfer Konventionen, insbesondere der vierten Genfer Konvention über den Schutz der Zivilbevölkerung in Konflikten, muss sich aktiv für die Einhaltung des Völkerrechts einsetzen. Die Schweiz soll deshalb in einem ersten Schritt die militärische Zusammenarbeit sowie alle Rüstungsgeschäfte mit Israel sistieren. Die Schweiz soll zudem darauf hinwirken, dass die Kriegsverbrechen dieser Tage von einem internationalen Strafgericht beurteilt werden.

Wir drücken unsere Solidarität mit sämtlichen zivilen Opfern des Konflikts aus und fordern:
• Den sofortigen Stopp aller kriegerischen Handlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten, insbesondere im Gaza-Streifen - und in Israel.
• Die sofortige und vollständige Aufhebung der Belagerung des Gaza-Streifens.
• Den Rückzug Israels aus allen besetzten palästinensischen Gebieten.
• Ein klares Engagement der Schweiz für die Einhaltung des Völkerrechts und der Genfer Konventionen.
• Die Sistierung der militärischen Kooperation und der rüstungsindustriellen Zusammenarbeit der Schweiz mit Israel und allen Ländern des Nahen Ostens.

Folgende Organisationen unterstützen den Demonstrations-Aufruf (Stand 5.1.09): Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA, Grüne Partei der Schweiz, Palästina-Solidarität Region Basel, Sozialistische Alternative SoAL Basel, Partei der Arbeit Schweiz PdA, Vereinigung Schweiz-Cuba, Collectif Urgence Palestine CUP Waadt und Nyon-La Côte, FriedenJetzt.ch, Liga der Muslimen der Schweiz LMS, Gemeinschaft Schweiz-Palästina GSP, Génération Palestine Genève, Gerechtigkeit und Frieden in Palästina Bern, Recht für Alle/Droit pour Tous, solidaritéS GE/NE/VD, Collectif Non à la guerre Vaud, Bewegung für den Sozialismus BFS, Schweizerische Friedensbewegung SFB, Basler Frauenvereinigung für Frieden und Fortschritt BFFF, Verein der Palästinensischen Gemeinde in der Schweiz, attac Schweiz, Centrale Sanitaire Suisse Romande, Aide Sanitaire Suisse aux Palestiniens, cfd-die feministische friedensorganisation, Berner Mahnwache für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina, Campagne Européenne contre le siège de Gaza, Association Meyrin-Palestine, BastA! Basel, junge grüne schweiz, medico international schweiz, JungsozialistInnen JUSO Schweiz, Alternative Kanton Zug

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GAZA: STOPP DER MILITÄRISCHEN AGGRESSION
FÜR DIE AUFHEBUNG DER BLOCKADE

Für die Anwendung des internationalen Rechts

Stopp der militärischen Zusammenarbeit Schweiz-Israel

GESAMTSCHWEIZERISCHE DEMONSTRATION
SA, 10. JAN. 09 I 14.30H BERN I SCHÜTZENMATTE

Übereinkommen zum Verhalten an der Demonstration

Angesichts der momentanen schrecklichen Ereignisse ist es klar, dass die Emotionen und die Wut verständlicherweise gross sind. Die Organisationen, welche diese Kundgebung gemeinsam vorbereitet haben, möchten ein klares Zeichen setzen mit einer starken, friedlichen und verantwortungsvollen Kundgebung.

Wir fordern Respekt und Toleranz gegenüber allen verschiedener Konfessionen und Nationalitäten auf Grundlage der gemeinsamen Plattform. Auch aus diesen Gründen wollen wir jede Form von Rassismus und Antisemitismus von der Demo verbannen und das Verbrennen von Fahnen unterbinden.

Wir wollen eine gewaltfreie Kundgebung mit klaren inhaltlichen Botschaften. Wir zählen auf eure Unterstützung! Dieses Übereinkommen ist Bestandteil des Demonstrationsaufrufes und wurde von den organisierenden und unterstützenden Organisationen gutgeheissen.

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Bund 6.1.09

"Dummheiten verhindern"

Friedensdemonstration zur Gaza-Krise in Bern soll ohne Misstöne über die Bühne gehen

Christoph Lenz

Aller Voraussicht nach wird die Friedensdemonstration vom nächsten Samstag bewilligt. Die Veranstalter legen viel Wert darauf, antisemitische und rassistische Äusserungen im Umfeld der Kundgebung zu unterbinden.

Keine Woche ist vergangen seit der letzten Demonstration zur Krise im Gazastreifen, schon werden zwei weitere Kundgebungen in Bern vorbereitet: Eine Friedensdemonstration und eine Israel-Demonstration. Hinter Ersterer stehen die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee Gsoa, die Grüne Partei der Schweiz und die Palästina-Solidarität Basel. Sie fordern den Stopp der militärischen Aggression im Gazastreifen.

Im Komitee der Israel-Demonstration befinden sich Exponenten der Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI). Beide Organisationen beabsichtigten, ihre Ansichten am nächsten Samstag kundzutun.

Route wurde festgelegt

Obwohl seitens des Polizeiinspektorates offiziell noch kein Entscheid gefällt wurde, hat Karl Mörschel, Präsident der GSI-Sektion Bern, gestern die Verschiebung der Israel-Demo bekannt gegeben (siehe Box). Zugleich haben die Veranstalter der Friedensdemonstration gemäss Gsoa-Aktivist Reto Moosmann mit der Polizei die Route festgelegt. "Wir beginnen um 14.30 Uhr bei der Schützenmatte und schreiten via Speichergasse, Nägeligasse und Kramgasse zum Münsterplatz, wo die Schlusskundgebung stattfindet", so Moosmann. Das Komitee rechne mit bis zu 5000 Teilnehmern. "Diese Zahl hängt jedoch davon ab, wie sich die Situation im Gazastreifen entwickelt."

Von den massgeblichen linken Kräften fehlt im Komitee der Friedensdemonstration lediglich die SP. "Der Aufruf wird derzeit geprüft", sagt SP-Sprecher Andreas Käsermann. Wichtig sei der SP, dass sowohl Israel als auch die Hamas zum Gewaltverzicht aufgefordert würden. "In welcher Form die SP diese Demo unterstützt, wird am Mittwoch entschieden."

"Verantwortung bei Israel"

Der Nationalrat und Demo-Mitorganisator Jo Lang (sga) hofft, dass auch die SP dem Komitee beitritt. Auch wenn er betont, dass in den Augen der beteiligten Organisationen die Verantwortung für die Eskalation im Gazastreifen alleine bei Israel liege. Dessen ungeachtet verurteile das Komitee aber auch den Raketenbeschuss israelischer Städte aus dem Gazastreifen. "Wir solidarisieren uns mit allen zivilen Opfern dieses Krieges."

Kodex fordert Toleranz

Ein grosses Anliegen ist dem Komitee, dass die Teilnehmer sich respektvoll verhalten. Bei der Anti-Israel-Demonstration vom 2. Januar hatten Demonstranten den Davidsstern mit dem Hakenkreuz gleichgesetzt. "Solche Dummheiten wollen wir verhindern", so Lang. Deshalb habe das Komitee dem Demo-Aufruf einen Verhaltenskodex beigelegt. "Respekt und Toleranz gegenüber allen Konfessionen und Nationalitäten" seien die Grundlage der gemeinsamen Plattform, heisst es darin. Ferner wolle man "jede Form von Rassismus und Antisemitismus" an der Demonstration unterbinden.

"Das Festlegen eines Kodex hat sich schon bei der Libanon-Demo im Juli 2006 bewährt", sagt Lang. Umzug und Kundgebung seien damals ausgesprochen friedlich verlaufen. Nebst dem Kodex soll am Samstag auch ein schweizerisch-palästinensischer Ordnungsdienst unbotmässiges Verhalten an der Demonstration verhindern, so Lang.

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Ausweichdatum gesucht

Auch die Berner Sektion der Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) beabsichtigte, am Samstag in Bern eine Demonstration durchzuführen. Geplant waren ein Umzug und eine Kundgebung mit Reden von Nationalrat Mario Fehr (sp), Alt-Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi (sp) und Ilan Elgar, dem israelischen Botschafter in der Schweiz.

Organisator und GSI-Bern-Präsident Karl Mörschel gab gestern die Verschiebung der Israel-Demo bekannt. "Es wäre unsinnig, am gleichen Tag in derselben Stadt zwei quasi rivalisierende Demonstrationen durchzuführen", so Mörschel. Er hoffe aber, dass sich ein neues Datum finden lasse. Zumal er mit seiner Idee bei anderen Sektionen der GSI eine Welle losgetreten habe, die schwer zu stoppen sei. "Wir möchten nun den Samstag, 17. Januar, als Ausweichdatum ins Auge fassen."

Allerdings scheint auch dieser Termin unrealistisch. Globalisierungskritische Kreise haben bereits vor Wochen für den 17. Januar zur Anti-Wef-Demonstration "Dance Out Moneymania" aufgerufen. (len)

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Rundmail 5.1.09

An alle interessierten Personen

Bern, 5. Januar 2009 / tc

Nothilfeappell: Medizinische Soforthilfe für die Opfer in Gaza
Schweizerisches Rotes Kreuz, Postcheck-Konto 30-4200-3, Vermerk "Gaza"

Sehr geehrte Damen und Herren

Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen fordern viele zivile Opfer. Die betroffenen Menschen haben zudem wenig Möglichkeit, sich vor den anhaltenden Kämpfen in Sicherheit zu bringen. Angesichts der dramatischen humanitären Situation stellt das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) vorerst 200'000 Franken für die medizinische Soforthilfe zur Verfügung. Damit werden Spitäler mit lebensnotwendigen Medikamenten und Verbandstoff versorgt.

Um den akuten Mangel an Medikamenten, Blutkonserven und technischen Geräten zu entschärfen, liefert das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) medizinisches Material. Seit gestern hat zudem ein Chirurgenteam des Roten Kreuzes die Einreiseerlaubnis erhalten, um im Shifa-Spital von Gaza Kriegsverletzte zu behandeln. Der Palästinensische Rote Halbmond transportiert rund um die Uhr Verletzte in die Spitäler und leistet erste Hilfe.

Damit die Nothilfeaktion im vorgesehenen Umfang durchgeführt werden kann, ist das SRK auf die finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand wie auch auf private Spenden angewiesen. Für die Berücksichtigung dieses Nothilfeappells danken wir Ihnen bestens und grüssen Sie freundlich.

Schweizerisches Rotes Kreuz
Internationale Zusammenarbeit

Martin Fuhrer
Departementsleiter

Siehe auch:
http://www.redcross.ch/activities/international/news/news-de.php?newsid=1055

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GRIECHENLAND
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Bund 6.1.09

Athen kommt nicht zur Ruhe

Griechenland Nach den wochenlangen Ausschreitungen im Dezember kommt Griechenland weiter nicht zur Ruhe: Mutmassliche Extremisten schossen in Athen einen Polizisten nieder. Der 21-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt. Ziel des Angriffs war ein Polizeiposten vor dem Kulturministerium im Stadtviertel Exarchia, wo die Unruhen ihren Ursprung hatten. Beide Tatwaffen waren laut Polizei bereits bei vergangenen Anschlägen benutzt worden. Zu einer dieser Taten hatte sich die linksradikale Gruppe Revolutionärer Kampf bekannt.

Die drei Beamten wurden nach Angaben eines Polizeisprechers am frühen Montagmorgen mit einem Schnellfeuergewehr und einer Handfeuerwaffe angegriffen. Es fielen mehr als 30 Schüsse. Zwei Kugeln trafen den 21-jährigen Polizisten am Oberschenkel und in der Nähe der Schulter. Nach einer sechsstündigen Notoperation wurde sein Zustand als stabil, aber kritisch bezeichnet.

Polizeiangaben zufolge ist die 9-Millimeter-Pistole identisch mit der Waffe, die beim Angriff auf eine Polizeiwache in einem Athener Vorort am 30. April 2007 eingesetzt wurde. Damals kamen keine Menschen zu Schaden. Die Verantwortung für diese Tat übernahm die Gruppe Revolutionärer Kampf, die schon zuvor Terrorakte verübt hatte und sich unter anderem zu einem Anschlag auf die US-Botschaft in Athen vor einem Jahr bekannte.

Bei der Fahndung nach den Tätern wurden nach Polizeiangaben 72 Personen vorläufig festgenommen. Innenminister Prokopis Paylolpoulos besuchte den verletzten Polizisten im Krankenhaus. Die Täter hätten einen Anschlag auf die Demokratie und die öffentliche Ordnung verübt, sagte der Minister. Keine Kugel und kein Mord würden jedoch die Entschlossenheit und die Moral der Polizei untergraben.

Im Dezember war es nach dem tödlichen Schuss auf einen 15-Jährigen bei einem Polizeieinsatz in Athen wochenlang zu Ausschreitungen und Protesten gekommen. Die Unruhen weiteten sich auf ganz Griechenland aus. Vermummte Demonstranten hatten damals mehrfach Polizisten mit Brandbomben und Steinen angegriffen. (ap)

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NZZ 6.1.09

Verletzter bei Anschlag auf Polizisten in Athen

Befürchtungen über ein Wiederaufleben der linken Stadtguerilla

 In der Nacht auf den Montag haben Unbekannte in Athen drei Polizisten angeschossen. Einer von ihnen wurde dabei schwer verletzt. Politiker sprachen von einem Anschlag gegen die Demokratie.

 it. Athen, 5. Januar

 Unbekannte haben in der Nacht auf den Montag das Feuer auf Polizisten eröffnet, die vor dem Kulturministerium in Athen Wache hielten. Ein 21-jähriger Polizist wurde schwer verletzt und soll in Lebensgefahr schweben. Am Tatort fand die Polizei später mindestens 27 Patronenhülsen sowie die Reste einer explodierten Handgranate.

 Ein Racheakt?

 Das Gebäude, in dem das Kulturministerium untergebracht ist, war in der Zeit der Obristen-Junta (1967 bis 1974) die Folterzentrale der berüchtigten Militärpolizei. Zudem befindet es sich im Stadtteil Exarchia. Nur wenige Strassen von hier entfernt war Anfang Dezember der 15-jährige Schüler Alexis Grigoropoulos durch Schüsse aus der Waffe eines Polizisten getötet worden. Sein Tod hatte in Griechenland die schwersten sozialen Unruhen seit Jahrzehnten ausgelöst. Sollte mit der Tat vom Montag der Tod des Schülers gerächt werden?

 Noch hat niemand die Urheberschaft für die Tat übernommen. Die Tatsache, dass die Täter mit einer Kalaschnikow und einer 9-mm-Pistole bewaffnet waren, beunruhigt aber die Polizei. Bereits am 23. Dezember hatten bewaffnete Unbekannte einen Angriff auf einen Polizeibus verübt. Wie der Chef der griechischen Polizei an einer Pressekonferenz mitteilte, handelte es sich bei der Kalaschnikow um die gleiche Waffe, die auch am 23. Dezember benutzt worden war.

 Die 9-mm-Pistole wurde bei einem Anschlag im April 2007 von einer Terrorgruppe eingesetzt, die sich "Revolutionärer Kampf" nannte. Diese Gruppe bekannte sich auch zu einem Anschlag auf die amerikanische Botschaft in Athen vor einem Jahr. Polizeiexperten befürchten ein Wiederaufleben der linken Stadtguerilla. Die linke Terrorgruppe "17. November" hatte sich auf den Aufstand der Studenten gegen die Junta der Obristen berufen und jahrzehntelang blutige Anschläge auf Politiker und Unternehmer verübt. Sie war verantwortlich für Dutzende von politischen Morden. Die Gruppe konnte erst Anfang dieses Jahrzehnts zerschlagen werden.

 Einhellige Verurteilung

 Mit der Aufklärung des Anschlags sind die Anti-Terror-Spezialisten der Polizei beauftragt worden. 72 Personen werden nach Presseberichten bereits verhört. Das Viertel Exarchia wurde zeitweise von der Polizei gesperrt. Der Anschlag hat die Öffentlichkeit, die sich vom Ausmass der Dezember-Unruhen noch kaum hat erholen können, weiter verunsichert. In seltener Einigkeit haben diesmal die politischen Parteien unabhängig von ihrer ideologischen Ausrichtung geschlossen den Angriff vom Montag als "versuchten Mord" und als "Schlag gegen die Demokratie, die Gesellschaft und deren Institutionen" verurteilt.

Angehörige der Anti-Terror-Polizei untersuchen den Tatort vor dem Kulturministerium.

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Freies Sender Kombinat (Hamburg) 5.1.09

Griechenland: Bewährungproben des Aufstands?

Schüsse auf einen Polizisten, Massenfestnahmen und antiisraelische Demonstrationen erzeugen Druck auf die Bewegung. Fortsetzung der Berichterstattung im Gespräch mit Ralf Dreis.
http://www.freie-radios.net/mp3/20090105-griechenland-25689.mp3