MEDIENSPIEGEL 11.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Pinto und die Obdachlosen
- AJZ Thun: Stadt will vermitteln
- Polycom-Funksystem
- Telefonüberwachung: Zunahme
- Rüstungszusammenarbeit CH-IL bleibt
- Sans-Papiers ZH: The Empire strikes back
- Soli-Blockade vor Nestlé-Hauptsitz
- WEF-Vorbereitungen
- Anti-Atom: Mini-AKWs + Nagra

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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Mi 14.1.09  
19.00 Uhr - SousLePont   - Kamerun Spezialitäten

Do 15.1.09
20.30 Uhr - Kino - UNCUT: Fashion Victims - Reine Geschmackssache, I. Rasper, D 2007, 100 Min.

Fr 16.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Bloup von Duo Luna-tic. Judith Bach & Stéfanie Lang
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: Der Duft des Geldes, Dieter Gränicher, Schweiz 1998
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: Apparatschik (D) & DJ Mario Batkovic (BE)

Sa 17.1.09 - tourdelorraine.ch
20.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: giù le mani, Danilo Catti
21.45 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: von katzen und menschen - und der kunst des nutzlosen, Yael André
23.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: eine andere welt ist pflanzbar
00.30 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: ohne worte - der 6. oktober 2007 in bern, Hansdampf
01.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: the swamp collection, Jonas Raeber
22.00 Uhr - Tojo - Tour de Lorraine: Tojo Disko mit DJ Pablo
22.00 Uhr - Frauenraum - Tour de Lorraine: HUMAN TOYZ (Paris/F) und COPY&PASTE (Burn/CH)
22.00 Uhr - Dachstock - Pompelmoessap VD, Balduin BE, Meienberg BE, DJ Jane Vayne - minimal, electro, electrique camambert avantgarde, IDM-electronic, broadspectrum
22.00 Uhr - SousLePont - Tour de Lorraine: Flimmer (Psy-Core, BS) & André Duracell (One-Man-Drum-Show, FR) ONE SECOND RIOT (F)

So 18.1.09
05.00 Uhr - SousLePont - Katerfrühstück mit Zeno Tornado Solo (Bluegrass/Country, BE)

Infos: www.reitschule.ch

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OBDACHLOS
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swissinfo 11.1.09

Eiszeit - schleichende Todesgefahr für Obdachlose

Klirrender Frost hat Europa fest im Griff. In Bern sorgen Silvio Flückiger und sein Pinto-Team auf "Kältepatrouillen" dafür, dass Clochards an ein warmes Plätzchen kommen. Nicht alle wollen das, sagt der Teamleiter.

Vom Nordkap bis Kalabrien, von Marseille bis Warschau: Europa steckt tief unter einer Glocke eisiger Kälte. Wintersportler frohlocken, Clochards drohen zu erfrieren.

Polen meldete am Donnerstag das 76. Kälteopfer des Winters. Je zwei Erfrorene waren diese Woche in Deutschland und Frankreich zu beklagen. Anfang Winter starb in Zürich ein Mann infolge Kälte.

Pinto steht für Prävention, Intervention, Toleranz. Die neun Mitarbeiter des Projekts der Stadt Bern sind momentan besonders gefordert, präventiv zu intervenieren. Denn der beissende Frost geht auch den rund fünfzehn Obdachlosen in der Bundesstadt buchstäblich ans Lebendige.

Dabei ist Bern in der komfortablen Lage, mit 215 Betten in fünf Institutionen über genügend Notschlafplätze zu verfügen.

swissinfo: Rund ein halbes Dutzend Obdachlose verbringt die Nacht in Bern lieber draussen als in einer Notschlafstelle. Wer sind diese Leute?

S.F.: Jene, die alle Hilfestellungen verweigern, sind häufig drogen- oder alkoholabhängig oder haben psychische Probleme.

Sie fühlen sich an den Rand gedrängt und rutschen in die Obdachlosigkeit ab, weil sie zum Beispiel schlechte Erfahrungen mit staatlichen Behörden gemacht haben. Sie schaffen sich als Obdachlose einen Lebensraum, in dem sie sich nach eigener Auffassung frei bewegen können. Deshalb akzeptieren sie auch minimalste Regeln nicht.

Vertreten sind alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Die meisten stammen aus der Schweiz; es sind grösstenteils Männer. Frauen finden eher eine Kollegin oder einen Kollegen, bei dem sie unterkommen. Manche übernachten auch bei einem Freier.

swissinfo: In grossen Städten Europas sammeln Organisationen in der aktuellen Kältewelle abends Obdachlose ein und führen sie in geheizte Notunterkünfte. Wie gehen die Pinto-Mitarbeiter in Bern vor?

S.F.: Bei unseren nächtlichen Rundgängen sprechen wir Obdachlose an und versuchen sie zu motivieren, geschützte Räume aufzusuchen. Weil die Vermittlungsmöglichkeiten tagsüber besser sind, versuchen wir, auch tagsüber an sie zu gelangen. In einer kleinen Stadt wie Bern ist das einfacher.

swissinfo: Bei ihrer Arbeit ist Fingerspitzengefühl gefragt. Was noch?

S.F.: Hohe Sozialkompetenz und keine Berührungsängste gegenüber diesen Menschen. Es gibt kein genaues Vorgehen beim Ansprechen, so verschieden die Menschen sind, so verschieden gehen wir auf sie zu.

Wir thematisieren die Situation und den Grund ihrer Obdachlosigkeit. Dann schauen wir, ob die Person bereit ist mitzukommen, denn dies ist freiwillig. Wir können niemanden zwingen, in ein Haus oder eine Institution zu gehen.

swissinfo: Wie reagieren die Obdachlosen?

S.F.: Meist positiv. Kürzlich ist es aber vorgekommen, dass wir jemanden aufgesucht haben, der obdachlos ist und dies auch bleiben will. Er reagierte negativ, weil er Angst vor einer Zwangseinweisung hatte. Obwohl wir keine solchen vornehmen, ist dieser Mann praktisch vor uns geflüchtet.

swissinfo: Was machen Sie, wenn jemand partout nicht an einen geschützten Ort will?

S.F.: Wenn wir sehen, dass jemand nicht entsprechend ausgerüstet ist, erhält er von uns einen wintertauglichen Schlafsack. Ist jemand stark unterkühlt, bringen wir die Person in ein Restaurant oder in unser Büro, wo es eine warme Mahlzeit oder ein warmes Getränk gibt.

swissinfo: Pinto arbeitet mit der Polizei zusammen - wann schalten Sie diese ein?

S.F.: Wir sind keine eigentliche Vorhut der Polizei, da wir nicht die selben Aufgaben haben und auch unsere Aufträge nicht von der Polizei erhalten. In bestimmten Fällen arbeiten wir aber mit der Polizei zusammen.

Bei Obdachlosen nur dann, wenn wir sehen, dass eine Person stark selbstgefährdet ist. Dies ist dann der Fall, wenn wir davon ausgehen müssen, dass sie die Nacht nicht übersteht oder nur mit bleibenden Schäden, sich aber weigert, uns zu einer Institution zu begleiten. Dann ist im Sinne des Schutzes dieser Person der Beizug der Polizei angezeigt.

Diese kann Obdachlose aber ins Inselspital begleiten, wo Ärzte und Psychologen einen medizinischen, fürsorgerischen Freiheitsentzug aussprechen können.

swissinfo: Sind obdachlose Randständige ein "normales" Phänomen oder sind es Verlierer der kompetitiven Gesellschaft?

S.F.: Obdachlosigkeit hat es schon immer gegeben. Die Gründe dafür sind sehr verschieden. Aktuell handelt es sich allerdings schon um Menschen, die mit der Geschwindigkeit und der Leistungsgesellschaft nicht mitkommen.

swissinfo: Gibt es so etwas wie eine Obdachlosen-Karriere?

S.F.: Die Erfahrung zeigt, dass nur wenige während längerer Zeit obdachlos sind. Die meisten sind ein, zwei Nächte draussen, dann kommen sie wieder bei Kollegen, Verwandten oder Bekannten unter.

Ziel unserer Arbeit ist es, die Menschen von der Gasse wegzuführen. Auch wer längere Zeit dort lebt, kommt früher oder später wieder in eine geregelte Situation mit einem Dach über dem Kopf und einer Tagesstruktur, so dass sie sich von der Obdachlosigkeit verabschieden können.

swissinfo-Interview, Renat Künzi

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AJZ THUN
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Berner Oberländer 10.1.09

Thun: Hausbesetzer

Stadt bietet Mithilfe an

Der Plan, ein Autonomes Jugendzentrum am Hopfenweg zu errichten, steht auf wackligen Beinen: Die Stadt mietet das Haus nicht. Sie bietet aber ihre Mithilfe an. Hauseigentümer Thomas Helmle appelliert an die Jugendlichen.

Vor Weihnachten hatten Jugendliche der anonymen Gruppe Aktion Hausgeist die Liegenschaft Hopfenweg 19a in Thun für zwei Tage besetzt, weil sie dort ein Autonomes Jugendzentrum (AJZ) einrichten möchten (wir berichteten). Der Thuner Gemeinderat hat sich nun an seiner ersten Sitzung nach der Besetzung mit der Situation befasst. Er entschied, dass die Stadt die Liegenschaft nicht - wie vom Eigentümer gewünscht - mietet und dann der Aktion Hausgeist zur Verfügung stellt. "Der Gemeinderat ist klar der Meinung, dass eine allfällige Überlassung der Liegenschaft grundsätzlich zwischen dem Eigentümer und den Nutzern direkt auszuhandeln ist", steht im Communiqué. "Die Stadt ist aber bereit, erstens dabei ihre guten Dienste anzubieten und zweitens die Aktion Hausgeist zu unterstützen, damit die nötigen baurechtlichen und gastgewerblichen Bewilligungen möglichst rasch und unkompliziert erteilt werden können."

"Umsetzung aufwändig"

Eigentümer Thomas Helmle ist nicht ganz glücklich mit dem Entscheid: "Damit ein solches Zentrum eröffnet werden kann, sind viele Abklärungen nötig: Es müssen Gesuche gestellt, unter Umständen bauliche Veränderungen vorgenommen und Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Nutzung in einem gesitteten Rahmen abläuft." Es brauche jemanden, der das Zentrum managen und beaufsichtigen würde. "So wie beispielsweise Pädu Anliker im ‹Mokka›", meint Helmle. "Mir wäre es darum lieber, wenn sich die Stadt stärker engagieren würde." Er bleibe sowieso lieber im Hintergrund.

Haus wird abgerissen

In Helmles Liegenschaft am Hopfenweg wäre nur ein temporäres Zentrum möglich. Bereits im Sommer soll nämlich das Gebäude abgerissen und an seiner Stelle ein Mehrfamilienhaus gebaut werden. "Der Standort ist nicht wirklich geeignet. In der Nähe ist eine Kinderkrippe. Auch deshalb müsste die Nutzung klar geregelt und beaufsichtigt werden", sagt Helmle. Er spricht sich deshalb für einen anderen Standort aus.

Anonyme Jugendliche

Die Jugendlichen, die das AJZ möchten, haben sich bislang gegenüber der Öffentlichkeit nur anonym zu Wort gemeldet. Auch Helmle kann nur über E-Mail mit ihnen kommunizieren. "Ich finde es unsympathisch und hinderlich, dass die Jugendlichen ‹inkognito› auftreten. Wenn wir schon auf sie zugehen, sollten sie sich auch zu sich und ihrem Anliegen bekennen."

Christoph Kummer

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POLIZEIFUNK
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BZ 10.1.09

Polycom

Funk für Notfall und Sicherheit

Polycom heisst das neue Funksystem für die schweizerischen Blaulicht-Organisationen. Dessen Einführung wurde 1998 vom Bund beschlossen. Seither wird es kantonsweise aufgebaut. Benutzer sind: Polizei, Feuerwehren, Rettungsorganisationen (Ambulanzen, Rega), Armee, Grenzwachtkorps, Zivilschutz und weitere Sicherheitsdienste.

Das Polycom-Funknetz arbeitet im Frequenzbereich von 380 bis 400 MHz. Die Funkwellen können auch Gebäudehüllen durchdringen. Die Sendeleistungen der Antennen sind bedeutend geringer als im Mobilfunkbereich.

Einige Kantone (z.B. TG, UR, BS, BL, VD) betreiben bereits Teilnetze. Im Kanton Bern ist die Kantonspolizei mit der Realisierung beauftragt. Bisher besteht das Teilnetz Stadt und Region Bern. Nun folgen weitere Gebiete wie das Mittelland und das Emmental. Im Oberaargau sind noch keine Antennen in Betrieb, aber einige in Planung oder im Bau. Geplante Standorte: Herzogenbuchsee, Roggwil, Wiedlisbach, Langenthal, Melchnau, Ursenbach, Huttwil.
hrh

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bernerzeitung.ch 10.1.09

Neuer Funkmast für die Polizei

Im Schorenwald will die Kantonspolizei eine Antennenanlage fürs neue Funknetz Polycom bauen. Der 43,5 Meter hohe Mast soll beim Reservoir stehen. Selbst Antennenkritiker stehen dem System positiv gegenüber.

Mitten im Schorenwald ragt derzeit eine Metallstange aus den Bäumen. Es ist die Spitze eines Profilmastes, der gleich hinter dem Reservoir an der Thunstettenstrasse steht. Dieser zeigt, wie hoch der dort geplante Antennenmast werden soll. Das Baugesuch dafür liegt gegenwärtig öffentlich auf. Die Kantonspolizei Bern möchte dort eine Antennenanlage erstellen, einen 43,5 Meter hohen, viereckigen Stahlgittermast. An seinem Fuss soll eine Art Kabine mit Technikräumen zu stehen kommen. Die geplante Antenne steht im Zusammenhang mit dem Aufbau des nationalen Sicherheitsfunknetzes Polycom. Im Kanton Bern wird es gegenwärtig umgesetzt, federführend ist die Kantonspolizei.

Im Wald eine Ausnahme

Eine Funkantenne mitten im Wald? Für Handymasten ein Tabu, sie dürfen nur in bebautem Gebiet stehen. Das Polycom-Projekt in Langenthal benötigt denn auch eine Ausnahmebewilligung. Gemäss Baugesuch wurde der Standort "topografisch ausgewählt und berechnet". Die Lage ergebe sich "aus der optimalen Ergänzung mit den umliegenden Polycom-Standorten und den resultierenden Funkabdeckungen". Stadtbaumeister Urs Affolter sieht für die Erteilung der Ausnahmebewilligung kein Problem, denn: "Die Antenne dient der Polizei, Sanität, Armee und so weiter. Mit einer Handyantenne hat sie nichts zu tun." Und Daniel Backhaus, Polycom-Projektleiter bei der Kantonspolizei, betont, es sei wichtig, ein ganzes Gebiet abzudecken. "Es darf keine Funklöcher geben."

Lob aus Kritikerecke

Bei Antennen mit Richtstrahlfunk taucht meist die Frage nach der Belastung auf. Sind die Strahlen gesundheitsschädigend? Beim Funksystem Polycom jedoch winken sogar eingefleischte Antennenkritiker ab. "Sendeleistung und Betriebszeiten sind nicht vergleichbar mit Mobilfunkantennen", so Hans-Ulrich Jakob, Schwarzenburg, der sich seit Jahren vehement gegen Kurzwellen- und Handyantennen wehrt. Mehr noch: "Das Polycom-Netz ist ein sehr intelligentes System", lobt Jakob. Mühe bereitet ihm nur, wenn Polizei und Mobilfunkanbieter zusammen die gleiche Antenne benützen wollen. So geschehen in Trubschachen und Schangnau. "Auf diese Weise gefährdet die Polizei den Aufbau ihres Netzes, weil dann Widerstand der Bevölkerung aufkommt."

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SCHNÜFFELSTAAT
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20min.ch 11.1.09

Schnüffelattacken

Polizei hört mit

In der Schweiz wurden im vergangenen Jahr massive mehr Telefone überwacht als in früheren Jahren.

Demnach haben Schnüffelattacken bei Sunrise 2008 gegenüber dem Vorjahr um über 23 Prozent zugenommen. Im Vergleich mit 2005 haben sie sich beinahe verdoppelt. Das meldet heute die "SonntagsZeitung". Dem Blatt liegen Zahlen vor, diese dürfen aber nicht detailliert veröffentlicht werden. Auch Swisscom bestätigt eine Zunahme der ¬Telefonüberwachungen, will aber keine konkreten Zahlen nennen.

Auftraggeber der Lauschangriffe sind die Staatsanwaltschaften. Diese bevorzugen die Telefonüberwachung gegenüber Zeugenaussagen, weil diese zuverlässiger seien. Das sagte Ulrich Arbenz von der Oberstaatsanwaltschaft Zürich gegenüber der "SonntagsZeitung".

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement bestätigt die Zunahme von Lauschangriffen, kann diese aber noch nicht genau beziffern.

Keine Freude haben die Telefongesellschaften. Für sie sind die Überwachungen mit hohen Kosten verbunden, die vom Bund nicht ausreichend gedeckt werden.

Quelle: SonntagsZeitung

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Sonntagszeitung 11.1.09

Die Polizei, dein Freund und Lauscher

 Die Telefonüberwachungen haben sich verdoppelt: Telecom-Unternehmen wollen mehr Geld

Zürich Die Anzahl Telefonüberwachungen in der Schweiz ist 2008 massiv gestiegen. Dies belegen Zahlen des Telecom-Unternehmens Sunrise, die der SonntagsZeitung vorliegen, aber im Detail nicht veröffentlicht werden dürfen. Demnach haben Schnüffelattacken bei Sunrise 2008 gegenüber dem Vorjahr um über 23 Prozent zugenommen - im Vergleich mit 2005 haben sie sich beinahe verdoppelt. Auch Swisscom bestätigt eine Zunahme der Telefonüberwachungen, will aber keine konkreten Zahlen nennen.

Auftraggeber der Lauschangriffe sind die Staatsanwaltschaften. Ulrich Arbenz von der Oberstaatsanwaltschaft Zürich sagt, Gerichte würden immer höhere Anforderungen an Beweise stellen. Es bestehe die Tendenz, möglichst viel zu objektivieren: "Von den technischen Möglichkeiten wird darum mehr Gebrauch gemacht. Sie sind zuverlässiger als Zeugenaussagen."

Für Telefongesellschaften sind Lauschangriffe Verlustgeschäft

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat die offiziellen letztjährigen Überwachungszahlen noch nicht beisammen, aber Sprecher Philippe Piatti bestätigt: "Der Beschäftigungsgrad sowie die Auslastung der Mitarbeiter des Dienstes ‹Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr› haben in den letzten 12 Monaten zugenommen. Man kann davon ausgehen, dass die erbrachten Dienstleistungen gesamthaft angestiegen sind." 2007 gab es 8877 Fälle, in welchen die Behörden Telefonate mitgelauscht oder - noch häufiger - rückwirkend Verbindungsdaten herausverlangt haben.

Die Telefongesellschaften sind nicht glücklich über die Überwachungen, die Lauschangriffe sind für sie ein Verlustgeschäft. Swisscom-Sprecher Sepp Huber: "Für die Durchführung der zum Teil sehr aufwendigen Überwachungsmassnahmen sind aufseiten der Telecom-Anbieter hohe Investitionen erforderlich. In den letzten Jahren kosteten uns diese einen zweistelligen Millionenbetrag."Doch die Entschädigungen des Staates für die Schnüffelattacken sind mager: Für rückwirkende Überwachungen erhalten die Telefonfirmen 540 Franken. Für die aktive Überwachung, bei der die Polizei Telefonate mithört, gibt es 1330 Franken. Sunrise-Sprecherin Sevgi Gezici: "Die Investitionen werden durch die Entschädigungen des Bundes nur zu einem Drittel gedeckt."

Nun ist gar diese Entschädigung gefährdet. Während der Deutsche Bundestag beschloss, Telefonüberwachungen höher zu entgelten, will man in der Schweiz die Entschädigungen streichen. "Einzelne Vertreter der Strafverfolgungsbehörden stellen sie grundsätzlich infrage", sagt Gezici. Widerstand ist programmiert. Swisscom-Sprecher Huber: "Die Strafverfolgung ist Aufgabe des Staates - die Kosten dürfen nicht der Wirtschaft auferlegt werden."Jean François Tanda

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RÜSTUNG
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20min.ch 10.1.09

Keine Neubeurteilung

Zusammenarbeit mit Israel bleibt bestehen

Die militärische Kooperation der Schweiz mit Israel ist regelmässig Gegenstand heftiger Kritik. Die Schweiz stellte die Kooperation schon einmal weitgehend ein. Die derzeitige Offensive Israels führt aber zu keiner Neubeurteilung.

Die nun laufende israelische Offensive veranlasst die Schweiz nicht, ihre militärische Zusammenarbeit mit Israel zu überdenken. Das Aussenministerium habe keine Informationen, dass solche Überlegungen angestellt worden wären, sagte dazu EDA-Sprecher Georg Farago auf Anfrage.

Frühere Vorgänge im Nahen Osten hatten eine Einschränkung der Zusammenarbeit zur Folge. Nachdem Israel im April 2002 eine massive Offensive im Westjordanland, namentlich in Dschenin und Nablus, lanciert hatte, entschied die Schweiz, die Rüstungskooperation mit Israel einzuschränken.

Dies verstand sich vor allem als Antwort auf die israelische Wiederbesetzung palästinensischer Ortschaften. Drei Jahre später hatte der damalige Bundespräsident und VBS-Chef Samuel Schmid im März 2005 mit einem Israel-Besuch die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit angekündigt.

Kein Kriegsmaterial nach Israel

Der Bundesrat hatte zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit argumentiert, die Schweiz werde weiterhin kein Kriegsmaterial an Israels Armee oder Behörden liefern.

Die Beschaffung von Rüstungsgütern aus Israel habe keinen Einfluss auf die Haltung des Bundesrats, dass Israel das humanitäre Völkerrecht und menschenrechtliche Verpflichtungen einhalten müsse, lautete eine Antwort des Bundesrates im Juni 2005 auf einen parlamentarischen Vorstoss.

Noch im gleichen Jahr kam das Integrierte Funkaufklärungs- und Sendesystem (IFASS) ins Rüstungsprogramm, mit einem Gesamtumfang von 395 Millionen Franken. Davon entfielen 147 Mio. auf direkte Beschaffungen in Israel.

Andere Rüstungsgüter aus dieser Zusammenarbeit sind etwa Teile für den Super-Puma-Helikopter und die Aufklärungsdrohnen ADS 95 RANGER, die seit 2001 bei der Schweizer Luftwaffe eingeführt sind, wie von armasuisse zu erfahren war. Die Entwicklungszusammenarbeit für die Drohnen geht diesen Angaben zufolge auf die 80er und 90er Jahre zurück.

Streubomben

Des weitern finden sich nach Schätzungen der Nichtregierungsorganisation Handicap International rund 200 000 Streubomben vom Typ M85 in den Beständen der Schweizer Armee. Der Schweizer Technologiekonzern Ruag hatte die Bomben unter israelischer Lizenz in einer modifizierten Version hergestellt.

Die Zusammenarbeit umfasst auch regelmässige Besuche von Militärs beider Seiten, wobei nach Angaben des VBS die Schweizer weit mehr in Israel weilen als umgekehrt.

Im Jahr 2007 waren es 15 und im vergangenen Jahr 16 Besuche von Schweizer Militärs und Zivilpersonen in Israel. Im gleichen Zeitraum kamen die Israelis vier beziehungsweise drei Mal in die Schweiz. Für dieses Jahr sind zwölf Besuche in Israel und vier in der Schweiz geplant.
Quelle: SDA/ATS

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SANS-PAPIERS ZH
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Sonntag 11.1.09

Jung-Kollektiv lässt Muskeln spielen

Die Kirchenbesetzung war nicht so spontan, wie es ausgesehen hat, sondern aus dem Hintergrund orchestriert

Im grossen Stil berichteten die Medien über die Sans-Papiers und ihre Kirchenbesetzung. Nicht zuletzt wegen der professionell en Medienarbeit der Aktivisten. Doch wer sind eigentlich die Köpfe dahinter ?

 von Roman Hodel

"Lauter! Du musst lauter sprechen!", ruft ein Bleiberecht-Aktivist einem Sans-Papiers zu. Es ist Montag vor einer Woche, die Kirchenbesetzer informieren die Medien nach der Aussprache mit Regierungsrat Hans Hollenstein. Hinter einer Festbank positioniert, schildern Betroffene, was sie vom Ausgang des Gesprächs halten. Mehrere Aktivisten filmen für die Bleiberecht-Website. Alles ist organisiert und orchestriert. Dann ergreift Bleiberecht-Aktivist Stefan Schlegel das Wort. Sagt in energischem Ton Dinge wie "Das Gespräch ist enttäuschend verlaufen" und "Es gibt nur einen positiven Punkt". Kameras und Mikrofone sind auf ihn gerichtet. Es wird nicht das letzte Mal sein an diesem Nachmittag.

Ein paar Tage später. Der 26-jährige Schlegel sitzt im Lichthof der Universität Zürich. Wir sprechen über die professionell aufgezogene Medienarbeit von Bleiberecht während der Kirchenbesetzung. Von den beinahe täglichen Bulletins über das nonstop besetzte Telefon bis zu den eilends einberufenen Medienkonferenzen. Schlegel sagt trocken: "Wir haben uns Mühe gegeben, die Medienarbeit gut zu machen." Und weiter: "Wenn es einen Erfolg gibt bei dieser ganzen Aktion, dann diesen, dass die Medien das Thema Asyl-Härtefälle endlich aufgenommen haben." Ein Gespür dafür, wie und wann man Journalisten füttert, hat Schlegel. Er schreibt seit einigen Jahren als freier Mitarbeiter für diverse Zeitungen.

 Gleichwohl betont Schlegel stets, dass das Kollektiv und nicht die Arbeit eines Einzelnen zählt. Dazu passt, dass neben ihm auch immer wieder andere als Mediensprecher auftreten. Aber nicht nur das: "Wenn wir etwa zu einer Demo aufrufen und innert vier Tagen 1000 Leute mobilisieren, staune ich einmal mehr ob der Potenz unserer Gruppe." Eine Gruppe, der er letzten Frühling beigetreten ist. Gegründet wurde Bleiberecht 2007. Der harte Kern zählt laut Schlegel 30 Personen. "Wir sind eine heterogene Allianz, die sehr schnell wächst." Darunter seien junge Leute verschiedener politischer Couleur, auch solche mit einem kirchlichen Hintergrund. "Wir sind nicht nur Linke, wie das immer behauptet wird, ich zum Beispiel bezeichne mich als liberal."

Hervorgegangen ist das Bleiberecht-Kollektiv aus Aktivisten, die sich erfolglos gegen die Verschärfung des Asyl- und Ausländergesetzes gewehrt hatten. Sind "Bleiberechtler" demnach einfach schlechte Verlierer? "Es ist legitim, etwas gegen einen Mehrheitsentscheid zu haben", sagt Schlegel. "Vor allem wenn dieser ein Gesetz zur Folge hat, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist." In der globalisierten Welt existieren laut Schlegel Produktefreizügigkeit, Dienstleistungsfreizügigkeit, Kapitalfreizügigkeit. "Nur die Personenfreizügigkeit fehlt." Deshalb sei ein Recht auf Migration langfristig unabdingbar.

 Schlegel engagiert sich gemäss eigenen Angaben "fahrlässig und vereinnahmend viel" für die spendenfinanzierte Bleiberecht-Organisation. Als persönliche Motivation dafür nennt er seinen Zivildienst im Flughafengefängnis: "Ich habe damals die bittere Realität gesehen." Doch das ist für den Jus-Studenten nicht der einzige Grund: "Es ist auch juristisch gesehen ein interessantes Gebiet." Er kann sich gut vorstellen, dereinst als Fürsprecher zu agieren - eben beispielsweise für Menschen ohne Lobby.

Bis auf weiteres steht für ihn aber das Bleiberecht-Kollektiv im Vordergrund. Zum Beispiel die geplante "Charmeoffensive" (Schlegel) betreffend Härtefall-Kommission bei den Grünliberalen, der CVP und der FDP. Wenn nötig, wird man sich auch 2009 medienwirksam in Szene setzen. Schlegel sagt: "Das Unerbittliche an der ganzen Sache ist, dass die nächste Aktion noch mehr ziehen muss als eine Kirchenbesetzung."

 Der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha, ein scharfer Kritiker der rigiden Bewilligungspraxis des Zürcher Migrationsamts, sagt: "Die Aktionen der Bleiberechts-Aktivisten haben den Handlungsdruck bei den Behörden erhöht, wenn diese die Signale allerdings nicht ernst nehmen, spitzen sie den Konflikt zu, und weitere Aktionen sind absehbar." Spescha hat das Kollektiv in den letzten Wochen beratend unterstützt. Er sagt: "Die Aktivisten sind zumeist junge, engagierte sowie sensible Idealistinnen und Idealisten, die den Sorgen und dem Elend der Betroffenen mit ihrer Unterstützung Gehör verschafft haben."

Auch der reformierte Kirchenratspräsident Ruedi Reich sagt, es "ehrt" die Jungen, dass sie sich mit dem Schicksal dieser Menschen befassen. Er hatte während der Kirchenbesetzung wiederholt mit dem Bleiberecht-Kollektiv zu tun. "Trotzdem ist eine Kirchenbesetzung illegal, zumal sich die Besetzer nicht gerade kooperativ zeigten." So hätten sie beispielsweise die Besetzung der Predigerkirche bis zum letzten Tag ausgekostet. Als unfair empfunden habe er überdies den Vorwurf der Aktivisten, die Kirche engagiere sich nicht genug für die Sans-Papiers. Das sei mit Blick auf die Hilfswerke der Kirchen überhaupt nicht wahr. "Immerhin entschuldigten sie sich für diese Aussage."

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Die Chronik der Kirchenbesetzung

Am 19. Dezember besetzen rund 150 Sans-Papiers sowie einige Schweizer Aktivisten des Bleiberecht-Kollektivs die Predigerkirche im Zürcher Niederdorf. Am 23. Dezember informiert der reformierte Kirchenratspräsident Ruedi Reich, dass eine Aussprache mit Regierungsrat Hollenstein auf den 5. Januar terminiert ist. Bedingung: Die Kirche muss bis dann geräumt sein. Am 3. Januar demonstrieren rund 1500 Personen in der City für die Anliegen der Sans-Papiers. Am 4. Januar verlassen die Sans-Papiers die Predigerkirche und ziehen um in die St.-Jakob-Kirche beim Stauffacher, die ihnen bis am 7. Januar Gastrecht gewährt. Am 5. Januar findet die Aussprache mit Hollenstein statt. Letzten Mittwoch, 7. Januar, räumen die Sans-Papiers die St.-Jakob-Kirche. (ROH)

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Landbote 10.1.09

Lienhard kritisiert Besetzer scharf

Ruedi Elmer

Zürich - Kirchgemeindepräsident Daniel Lienhard kritisiert die Besetzung der Zürcher Predigerkirche scharf. Seine Kirchgemeinde habe sich benutzt und erpresst gefühlt, sagte er in einem Interview mit der "Reformierten Presse". Anfangs habe er gewisses Verständnis dafür gehabt, dass die Besetzer eine Kirche wählten, um auf ein humanitäres Anliegen aufmerksam zu machen, so Lienhard. Hätte die Besetzung nur zwei Tage gedauert, wäre sie auch kein grosses Problem gewesen. So aber sei die Kirche in Geiselhaft genommen worden. "Wir wurden benutzt, um die Forderungen durchzusetzen, auf die wir keinen Einfluss hatten." Das Ziel, in der Kirche auszuharren, bis sämtliche Sans-Papiers Papiere erhalten würden, bezeichnete er als "völlig irreal". Einige Gemeindemitglieder hätten wegen der Besetzung ihren Austritt aus der Kirche erklärt. "Sie meinten, die Gemeinde mache mit kriminellen Ausländern gemeinsame Sache." Es habe aber auch Leute gegeben, die Kleider und Essen gebracht hätten. Viele seien zudem froh, dass die Aktion gewaltfrei beendet wurde, sagte Lienhard. Die Gemeinde benötigte nach der Besetzung einige Tage Zeit, um den Raum zu reinigen und wieder herzurichten. (sda)

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Limmattaler Tagblatt 10.1.09

Sans-Papier-Aktion strapazierte Nerven vieler

Roman Hodel

Es war wohl eine der längsten Kirchenbesetzungen, die Zürich je gesehen hat: 20 Tage lang harrten 100 bis 150 Sans-Papiers zunächst in der Prediger-, später in der St.-Jakob-Kirche aus, um auf ihre missliche Lage aufmerksam zu machen. Dabei wurden sie medial ausgiebig begleitet. Wen wunderts: Die ganze Aktion war perfekt orchestriert von einer Gruppe vorwiegend junger Studenten › dem Bleiberecht-Kollektiv. Sie wussten genau um den symbolischen Charakter einer Kirchenbesetzung über diese Tage. Wer würde in dieser Zeit schon ein Gotteshaus räumen? Und so erhielt jede und jeder in diesen 20 Tagen eine Plattform: vom betroffenen Flüchtling über die erschöpfte Pfarrerin bis zum empörten Politiker. Nur einer schwieg: Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein (CVP) › er weilte in den Ferien. An ihn respektive an das ihm unterstellte Migrationsamt richtete sich die Kritik der Besetzer.  Am letzten Montag nun trat Hollenstein vor die Medien, nachdem er sich mit einer Delegation Sans-Papiers, Vertretern der reformierten Landeskirche und Aktivisten zu einer Aussprache getroffen hatte. Seither wissen wir, was die Kirchenbesetzung › zumindest aus heutiger Sicht › gebracht hat. Nämlich vor allem eines: Aufmerksamkeit. Kein Medium, dass das Problem um die Asyl-Härtefälle in den letzten Tagen nicht thematisiert hat. Keine Partei, die sich nicht wohl oder übel verlauten lassen musste. Öffentliche Debatten haben noch nie geschadet. Doch hat die Besetzung auch eine konkrete Auswirkung? Immerhin ein paar Lösungsansätze, die Regierungsrat Hollenstein mit einem nonchalanten Lächeln vorgetragen hat. Lösungsansätze, die allerdings mit einigen Fragezeichen versehen werden müssen. Zum Beispiel die Härtefall-Kommission, die Hollenstein einsetzen will. Ein unabhängiges Gremium also, das Entscheide fällt, die für die Betroffenen von existenzieller Bedeutung sind. Grundsätzlich keine schlechte Idee. Vor allem wenn man bedenkt, dass das Migrationsamt seit Jahren hoffnungslos überlastet ist. Schlecht ist indes, wenn Hollenstein genau weiss, dass diese Kommission im Kantonsrat kaum Chancen hat. Denn das Parlament lehnte erst vor zwei Jahren ein Postulat der CVP ab, in dem Hollensteins Partei ebenfalls eine Härtefall-Kommission gefordert hat. Auch diesmal stehen die Zeichen ungünstig: SVP, FDP und EDU werden für das Anliegen kaum Hand bieten. Zusammen stellen sie die Hälfte des Parlaments. Skepsis ist auch von Seiten der Grünliberalen zu hören. Da nützt es wenig, wenn Hollenstein an das Gute glaubt.  Ein Fragezeichen gehört auch hinter die gemäss Besetzern harte Bewilligungspraxis des Migrationsamts. Hollenstein räumte ein, dass bei den Härtefällen abgewiesener Asylbewerber eine "zurückhaltende Praxis" ausgeübt werde. Das belegen auch Vergleiche mit anderen grossen Kantonen. Nun könnte Zürich die Praxis zwar in Eigenregie lockern › doch Hollenstein fordert vom Bund lieber klarere und einheitlichere Richtlinien. Peinlich für Hollenstein wirkt dann bloss, wenn zwei Tage nach seiner Medienkonferenz publik wird, dass die geforderten klareren Richtlinien des Bundes › mit seinem Wissen › bereits auf dem Tisch des Migrationsamts liegen.  Es ist klar, Migration ist ein enorm emotionales und auch schwieriges Thema. Auf der einen Seite stehen Menschen mit Schicksalen. Wer ihnen zuhört, wer einzelne Fälle mitbekommt, kann schwer nachvollziehen, weshalb gerade sie keine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Auf der anderen Seite ist das Migrationsamt, das unter der zunehmenden Arbeitslast leidet, das in den Augen vieler Fachanwälte teils schlampig und willkürlich entscheidet. Ganz zu schweigen von den Amtsmitarbeitern, die sich oft beschimpfen lassen müssen. Und über allem steht schliesslich ein verschärftes Asyl- und Ausländerrecht, das das Stimmvolk deutlich angenommen hat und das entsprechend umgesetzt werden muss.  Vielleicht trägt eine Härtefall-Kommission zur Entspannung bei. Vielleicht auch eine weniger rigide Bewilligungspraxis bei den Härtefällen. Das Problem bleibt indes: die Migration und deren sinnvolle sowie ethisch vertretbare Lenkung und Regelung. Deshalb wird es weiterhin zu umstrittenen Härtefällen kommen › und zu Aktionen, die auf die Missstände hinweisen. Somit dürfte es auch nicht die letzte Kirchenbesetzung gewesen sein. Allerdings tun die Aktivisten gut daran, künftige Aktionen auf eine nützliche Frist zu beschränken. Die 20 Tage waren eine lange Zeit. Zu lang. Wodurch sie da und dort wichtigen Kredit für ihr an sich berechtigtes Anliegen verspielt haben. roman.hodel@limmattalerzeitung.ch

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BZ 10.1.09

Kolumne

Kirchenbesetzung - höhere Schule der PR

Claudio Zanetti

Claudio Zanetti ist Kantonsrat SVP Zürich

Kirchenbesetzungen durch sogenannte Sans-Papiers sind zum festen Bestandteil linker Folklore geworden. Wie die Randale am 1.Mai dienen sie der Verhöhnung und damit der Demontage unseres Rechtsstaats. Die Organisatoren verstehen ihr Handwerk. Es fehlt an nichts. Weder an knackigen Forderungen und Parolen noch an einer Hotline für Journalisten. Auch bei der Wahl der "Location" und des Zeitpunkts wird generalstabsmässig vorgegangen. Bevorzugt werden Kirchen in Kantonen mit einer schwachen Regierung. Warum zur Weihnachtszeit? Die Bürger sollen sich vorkommen wie die hartherzigen Wirte, die Maria und Joseph einen Platz in der Herberge verwehrten. Die Heilige Familie als Sans-Papiers? Das ist höhere Schule der PR.

Es verwundert nicht, dass die Bewegung ihren Anfang im linken Basel nahm. Dort ist man offen für Forderungen wie "kollektive Regularisierung", "Gleichbehandlung aller in der Schweiz lebenden Menschen" und "Ausschaffungsstopp". Nächste Etappe auf der "tour des églises" war die Waadt, wo im Dezember 2004 die Valentins-Basilika besetzt wurde. Mit der Verfügung eines Ausschaffungsmoratoriums erbrachten die Behörden zuvor den Tatbeweis, dass sie sich pflichtwidrig weigern, geltendes Recht durchzusetzen. Den betroffenen Personen erwies man damit freilich einen Bärendienst, denn am Ende erschwert sich bloss die Situation für alle Beteiligten. Nach vielen Jahren ist eine Ausweisung in der Regel tatsächlich unmenschlich. Umso mehr gilt es, zu verhindern, dass die Aufenthaltsdauer durch allerlei Geplänkel in die Länge gezogen wird.

Was die jüngste Kirchenbesetzung in Zürich angeht, so stellt sich zunächst die Frage, weshalb so lange zugewartet wurde, um auch in der Limmatstadt zu pöbeln. Es kann nicht daran liegen, dass sich mit Migros-Gutscheinen keine Zugbillette kaufen lassen.

Der Grund ist einzig und allein, dass unter der früheren Zürcher Sicherheitsvorsteherin Rita Fuhrer kein Erfolg erwartet werden konnte. Die Aktivisten mussten damit rechnen, dass in Zürich Bundesrecht durchgesetzt wird. Offensichtlich beurteilen sie die Situation heute anders. Von Hans Hollenstein von der CVP erwarten sie ein leichtes Spiel. Der neue Sicherheitschef konnte sich nicht einmal zu einer Verurteilung der widerrechtlichen Kirchenbesetzung aufraffen. Ob er im Falle einer katholischen Kirche die gleiche Zurückhaltung an den Tag gelegt hätte, bleibe dahingestellt. Bemerkenswert ist, dass er als Regierungsvertreter mit der Wiedereinsetzung einer Härtefallkommission genau das anbietet, was seine eigene Partei nur wenige Stunden zuvor im Kantonsrat gefordert hatte. Zufall? Vielleicht. Gewiss kein Zufall ist, dass er dabei ist, sich über einen klaren Entscheid des ihm übergeordneten Parlaments hinwegzusetzen. Dieses hat nämlich klar gemacht, dass es keine solche Kommission mehr will. Und ebenfalls kein Zufall, sondern bloss peinlich, ist, dass der Magistrat vor versammelten Medien einräumen musste, dass er keine Ahnung hat, weshalb die Härtefallkommission seinerzeit aufgelöst wurde. Das hat mit fehlender Aktenkenntnis und schlechter Vorbereitung zu tun.

Darum hier des Rätsels Lösung: Weil es weder nach altem, geschweige denn nach neuem Asylrecht eine Härtefallkommission braucht, sprachen sich deren Mitglieder einstimmig für die Aufhebung aus. Die Möglichkeiten des Rechtswegs wurden dadurch nicht verbaut.

Auch wenn es den Aktivisten missfällt: Beliebigkeit ist der Feind des Rechts.

leserkontakte@bernerzeitung.ch

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NESTLÉ
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news.ch 10.1.09

Blockade vor Nestlé-Hauptsitz

Vevey VD - Aktivisten haben am Freitag den Hauptsitz des Nahrungsmittelmultis Nestlé in Vevey VD blockiert. Sie protestierten damit gegen die Entlassung des polnischen Gewerkschafters Jacek Kotula in einer Nestlé-Tochter. (tri/sda)
 

Kotula sei unter fadenscheinigen Gründen von der Nestlé-Tochter Alima Gerber entlassen worden, teilte die Freie ArbeiterInnen Union mit, die die Aktion durchgeführt hatte. An der Blockade seien 20 bis 30 Personen beteiligt gewesen.

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Landbote 10.1.09

Blockade vor Nestlé-Sitz

Vevey - Aktivisten haben gestern den Hauptsitz des Nahrungsmittelmultis Nestlé in Vevey VD blockiert. Sie protestierten damit gegen die Entlassung eines polnischen Gewerkschafters bei einer Nestlé-Tochter.

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La Liberté 10.1.09

Après un licenciement

Manif devant le siège de Nestlé

Entre 20 et 30 membres d'un groupe anarcho-syndicaliste bernois ont manifesté hier devant le siège de Nestlé à Vevey. Ils protestaient contre le licenciement d'un syndicaliste polonais en septembre dernier. Selon eux, Jacek Kotula a été renvoyé "de manière abusive" par la société Alima Gerber, sous-traitante de Nestlé. ATS

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Indymedia 9.1.09

Soliaktion vor dem Nestlé Hauptsitz in Vevéy ::

AutorIn : FAU Bern     : http://www.faubern.ch     

Totalansicht Heute Freitag, den 09.01.2009 haben 20-30 AktivistInnen den Eingang des Hauptsitzes der Nestlé SA in Vevey blockiert. Dies geschah als solidarische Aktion mit dem polnischen Gewerkschafter Jacek Kotula, welcher am 5.September von der Nestlé-Tochterfirma Alima Gerber S.A. unter fadenscheinigen Gründen entlassen wurde. Jacek Kotula strengte daraufhin einen Gerichtsprozess gegen jene Nestlé-Tochtergesellschaft an, welcher am 19. Januar in Rzeszów (Polen) in die zweite Runde geht.

Der offizielle Grund, der von Alima Gerber S.A. für die Entlassung angegeben wurde, war dass Jacek Kotula den Interessen der Firma geschadet habe. Dies soll bei einem Gespräch mit einem Bauernvertreter geschehen sein. Jacek Kotula informierte ihn,dass Alima Gerber S.A. Äpfel aus Italien kaufe, statt diese bei den lokalen Bauern zu kaufen.
Alima Gerber wirft Jacek Kotula vor, er habe die höchst möglichen Preise durchsetzen wollen und so den Interessen der Firma geschadet. Dieselbe Geschichte wird vom Alima-Gerber-Management auch benutzt, um Lohnverhandlungen abzuschmettern, da die Firma aufgrund der höheren Preise nicht in der Lage sei, die Löhne von 350 € netto auf 490 € anzuheben und dass alles die Schuld von Jacek Kotula sei.
Als Jacek Kotula erfuhr, dass er nach 16 Jahren Arbeit bei der Nestlé-Tochterfirma Alima Gerber entlassen wurde, erlitt er einen Kreislaufkollapps und war eine Woche im Spital. Während dieser Zeit wurden seine Frau und Kinder auf massive und dreiste Art und Weise bedrängt, das Entlassungsschreiben anzunehmen. Da keine dieser Versuche erfolgreich waren, wurde Jacek Kotula offiziell am Warschauer Flughafen auf dem Weg zu einem Gewerkschaftskongress entlassen.

Wir werden Versuche von Firmen und Institutionen, weltweit Gewerkschaften zu zerschlagen, nicht hinnehmen. Jacek Kotula hat in einem Interview mit der polnischen Basisgewerkschaft ZSP betont, dass die einzige Waffe polnischer Gewerkschafter westliche Medien und solidarische Organisationen sind. Aus diesen und den oben genannten Gründen organisierte die FAU Bern die genannte Blockade vor dem Nestlé-Hauptsitz.


To szefa potrzebuje ciebie, nie ty szefa!
(Dein Chef braucht Dich, Du ihn nicht!)

An injury to one, is an injury to all!

Mehr Infos:
www.faubern.ch
www.zsp.bzzz.net     

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WEF
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NZZ 10.1.09

WEF-Vorbereitungen bei Schnee und Kälte

Associated Press (ap)

 Davos, 9. Jan. (ap)  Die Vorbereitungen für das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos von Ende Monat sind bei Schnee und eisiger Kälte in vollem Gange. Die Sicherheitsvorbereitungen für den Anlass vom 28. Januar bis 1. Februar laufen nach Fahrplan, wie Daniel Zinsli, Sprecher der Bündner Kantonspolizei, auf Anfrage sagte. Bis jetzt gebe es keine Hinweise auf besondere Geschehnisse. Die Vorbereitungen bewegten sich deshalb im Rahmen der Vorjahre. Wie üblich kann die Bündner Polizei auf die Unterstützung anderer Korps und der Armee zählen. Für das Sicherheitsdispositiv steht dieses Jahr ein Budget von rund acht Millionen Franken zur Verfügung, das vom Bund zu drei Achteln, vom Kanton Graubünden und vom WEF zu je zwei Achteln und von der Gemeinde Davos zu einem Achtel übernommen wird.

 Auch rund 125 Armeeangehörige helfen derzeit bei den Aufbauarbeiten mit. Insgesamt leisten vom 19. Januar bis zum 2. Februar maximal 5000 Armeeangehörige einen Assistenzdienst-Einsatz. Die Luftwaffe gewährleistet die Sicherheit im Luftraum und führt Überwachungsflüge und Lufttransporte durch. Dabei arbeitet sie mit Österreich zusammen. Für die Armee verursacht der Einsatz für das Weltwirtschaftsforum gegenüber den normalen Wiederholungskursen voraussichtlich Mehrkosten von rund zwei Millionen Franken.

 Bereits rüsten sich auch die WEF-Gegner. Während in Davos selbst bis am Freitag noch kein Bewilligungsgesuch für eine Anti-WEF-Demonstration eingegangen war, wird in mehreren Schweizer Städten zu Protestveranstaltungen aufgerufen. Wie bereits in früheren Jahren findet in Bern am 17. Januar eine Tanzparade statt. Die Veranstaltung unter dem Motto "Dance out MoneyMania" sei bereits bewilligt, sagte Marc Heeb von der Orts- und Gewerbepolizei. Auch in Zürich gibt es bis Ende Januar jeden Donnerstag eine Anti-WEF-Tanzparty. Bewilligungsgesuche für Demonstrationen lagen bis am Freitag aber noch nicht vor.

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Bund 10.1.09

Wege aus der Krise gesucht

Mehr als 40 Staats- und Regierungschefs am Weltwirtschaftsforum WEF erwartet

Das World Economic Forum (WEF) stösst dieses Jahr auf beispielloses Interesse. In Davos werden vom 28. Januar bis zum 1. Februar unter anderem Angela Merkel und Wladimir Putin erwartet.

Das diesjährige WEF sei noch aussergewöhnlicher als jenes von 2002, das nur wenige Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York stattfand, sagte der Präsident und Gründer des WEF, Klaus Schwab, in einem Interview mit der Westschweizer Zeitung "Le Temps" vom Freitag.

Angesichts der "Karambolage auf der Autobahn der Globalisierung" habe das Forum in Davos die Rolle des Genesungsheims. Denn wegen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise befinde man sich "in der aussergewöhnlichsten Situation, die wir je erlebt haben". "Wir spüren einen grossen Druck, Antworten auf die Fragen zu finden, die sich die Teilnehmer stellen", sagte Schwab. Die 39. Veranstaltung finde unter dem Motto "Die Welt nach der Krise gestalten" statt und wolle Perspektiven für Auswege aus der Krise aufzeigen. "Ohne diese kommen wir da nie raus."

 In Davos dürften Ende Januar doppelt so viele Staats- und Regierungschefs eintreffen wie sonst üblich. Darunter befänden sich die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, der russische Regierungschef Wladimir Putin und der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao. Auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister Gordon Brown würden eventuell anreisen.

Grosse Aufmerksamkeit werden dieses Jahr die Zentralbanker und die Wirtschaftsführer erhalten. Denn im Zentrum des Interesses wird die Finanz- und Wirtschaftskrise stehen.

Wachstum des WEF bremsen

Das Weltwirtschaftsforum WEF kennt keine Krise. Trotz dem Einbruch an Finanzmärkten und in der Weltwirtschaft sei das WEF seit dem Sommer weiter gewachsen, sagte WEF-Gründer Klaus Schwab gegenüber "Le Temps" weiter. "Wir wollen unsere Mitgliederzahl nicht ausweiten", sagte der 70-Jährige, der die Organisation 1971 ins Leben rief. In Davos habe das WEF die Kapazitätsgrenzen erreicht, "denn wir wollen, dass mindestens die Hälfte der Teilnehmer nicht aus der Wirtschaftswelt kommt." In Genf baut das WEF für 28 Mio Franken ein neues Gebäude. Von den rund 350 Mitarbeitenden seien 280 in Genf tätig. "Wir wollen nicht darüber hinausgehen und möchten das Wachstum der letzten Jahre bremsen", sagte Schwab. (sda)

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ANTI-ATOM
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Südostschweiz 11.1.09

US-Firma Hyperion lanciert Kernkraftwerk im Mini-Format

Ein Atomkraftwerk so gross wie ein Jeep will in die Garagen der Welt. Die Mini-Anlage der US-Firma Hyperion soll bis zu 100 000 Menschen acht Jahre lang mit Strom versorgen können. Und sie sei so gut wie ungefährlich, heisst es.

Von Yvonne von Hunnius

Das Atomkraftwerk im Mini-Format soll wie eine Batterie funktionieren. Atomkritikern läuft bei dieser Beschreibung ein kalter Schauer über den Rücken, doch Hyperion-Chef John Deal aus New Mexico beschreibt die Funktionsweise seines neuen Mini-Atomkraftwerks mit dieser Harmlosigkeit. Schon 2013 will Hyperion mit der Auslieferung beginnen. Rumänien und die Tschechische Republik haben bei einem Preis von maximal 30 Millionen Dollar bereits zugegriffen. Für Deal ist das aber erst der Anfang: "Zunächst bauen wir 4000 Stück, doch wir sehen einen Bedarf von 500 000 auf lange Sicht", sagt er.

Transport mit Sattelschlepper

Das Atomkraftwerk, das kleiner als ein gängiger Jeep sein soll, wird 20 000 bis 100 000 Haushalte für acht Jahre mit Strom versorgen können. 25 Megawatt Elektrizität werden voraussichtlich produziert. Zum Vergleich: Ein moderner finnischer Reaktor schafft 1600 Megawatt Elektrizität und kostet etwa sechs Milliarden Dollar. Seit Jahrzehnten forscht man an diesem Kraftwerk im amerikanischen Los Alamos. Richtig gelesen: Im Forschungszentrum, in dem die erste Atombombe entstand, wird heute an dieser Anlage gearbeitet. Mit offizieller Erlaubnis der amerikanischen Regierung.

Nur sechs Monate sollen letztlich zwischen Auftrag und Auslieferung liegen - Warteliste nicht mit eingerechnet. Mit einfachen Sattelschleppern werden die 1,5 mal zwei Meter grossen Energie-Pakete in ihre neue Heimat transportiert - das verhältnismässig geringe Gewicht von 20 Tonnen macht das "Kraftwerk to go" möglich. Dass kein Schienenverkehr nötig ist, stellt sich als grosser Vorteil heraus, denn gerade für Gegenden mit unzureichender Infrastruktur ist das Kraftwerk gedacht. Auch Staaten der Dritten Welt sind somit potenzielle Abnehmer. Eine weitere Zielgruppe stellen Industrieunternehmen dar, die stabile und autarke Energieversorgung anstreben.

Die Inbetriebnahme soll ebenso unkompliziert sein wie der Transport. Nur in die Erde eingegraben werden muss Hyperion. Denn: Er ist sehr heiss! Dazu kommt, dass im Boden vergrabene Kraftwerk für potenzielle Diebe und Terroristen überhaupt nicht attraktiv sind. Demgegenüber benötigen reguläre Reaktoren als Schutz 2,6 Meter dicke Betonwände.

Ethische Vorbehalte

Dass eine solche Anlage in Ländern mit guter Infrastruktur wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz in Betrieb genommen wird, hält der renommierte Energietechnik-Spezialist ETH-Professor Wolfgang Kröger für unwahrscheinlich. Doch es sei keineswegs abwegig, ein Kraftwerk kleinen Ausmasses zu bauen, das nur geringe Gefahren berge, sagt er. "Studien über Anlagen für die Stromversorgung kleinerer Einheiten - so genannten Insellösungen - laufen seit Jahrzehnten, und die Unfallgefahren können unter Nutzung von Naturgesetzen nahezu eliminiert werden. Aber natürlich sind ethische Vorbehalte gegen ein Atomkraftwerk in jeder mittelgrossen Stadt immer ernst zu nehmen", sagt Kröger.

Mit ethischen Vorbehalten hat Deal allerdings nicht bei vielen Kunden zu kämpfen. Die Käufer stehen angeblich Schlange. Denn Deal verspricht, dass seine neue Anlage gegen einen Tschernobyl-Effekt gefeit sei - beziehungsweise keine atomare Kettenreaktion durchlaufen könne. Grund hierfür sei der Kernbrennstoff UranHybrid, bei dem eine überkritische Kettenreaktion, wie sie im Falle einer Atombombe oder eines Reaktivitäts-Reaktorunfalls vonstatten gehe, nicht möglich sei. Ausserdem kühle sich das Material sehr schnell ab. Deal vermutet hinter der Erfindung des Stoffs eine höhere Macht: "Gott muss diese chemische Komposition erfunden haben, damit daraus der perfekte Brennstoff wird." Grosse Worte, die ein Konzept umschreiben, das Hyperion inzwischen patentieren liess. Der Wissenschaftler Otis Peterson hat die Verwendung des Stoffs für die Energiegewinnung in Los Alamos lange untersucht.

"Für kriminelle Zwecke hat Hyperion keinerlei Nutzen", sagt Deal. Zumindest sind enorme Umstände damit verbunden. Professor Kröger meint dazu: "Ganz ausschliessen kann man eine unlautere Verwendung nie. Doch Materialien können so produziert werden, dass die Wahrscheinlichkeit tatsächlich sehr gering ist."

Müllentsorgung inklusive

Nach ungefähr zehn Jahren ist das Kraftwerk "leer" und muss zum Recycling zurück nach Amerika. Der Atommüll beläuft sich pro Einheit zwar nur auf die Grösse eines Fussballs - entsorgt werden muss er dennoch. Das Prinzip der Zurücknahme des Stoffs begrüsst Professor Kröger in gewisser Hinsicht: "So wird der illegalen Weiterverbreitung entgegengewirkt. Wenn Staaten wie die USA, die offiziell Atomwaffen besitzen, angereicherten Brennstoff liefern und abgebrannten zurücknehmen, kann man auf effiziente Regulationen hoffen." Sonst müssten die Staaten selbst Uran beschaffen und anreichern, was heikel sei. Andererseits entstünden wieder Abhängigkeiten von den Lieferstaaten, sagt Wolfgang Kröger. Selbst wenn prinzipielle Bedenken beiseite geschoben werden, macht Atomkraft nicht völlig unabhängig - trotz Insellösungen bleibt die Welt vernetzt.

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Auch andere sind dran

Die deutsche Temme AG veröffentlichte im letzten Frühjahr Pläne für ein kleineres Kraftwerk zur Ergänzung alternativer Energien. Es macht sich Abwärme des natürlichen Zerfalls eines radioaktiven Isotops zur Energiegewinnung zunutze.

Der Betreiber aller russischer Kernkraftwerke Rosenergoatom entwickelt gerade schwimmende Kernkraftwerke, die an der Küste des Weissen Meeres stationiert sind und die Städte im hohen Norden des Riesenlandes mit elektrischer Energie versorgen sollen.

Die japanische Firma Toshiba hat seit einigen Monaten einen kleinen Reaktor entwickelt, der zur Energieversorgung von Apartmentgebäuden und Wohnblocks dienen soll. (yh)

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BZ 10.1.09

Nagra

Der endlose Weg zum Grab im Fels

 Seit 36 Jahren erinnert uns die Nagra unangenehm an die giftige Hinterlassenschaft unseres Stromkonsums. Erfolglos sondierte sie bisher für ein Atommüllendlager, das keiner bei sich haben will. Nun beginnt die Standortsuche von vorn. Hans Issler, langjähriger Nagra-Präsident, rechnet in Jahrmillionen und bleibt stoisch.

Verborgen in einer Felskaverne, tief unter dem Grimselpass parkt ein überlanges Gefährt. Das Geleise, auf dem es rollt, hat nur eine Richtung: weiter hinein in den Berg, in einen mannhohen, 50 Meter langen Stollen. An dessen Ende ruht ein 100 Grad heisser Behälter im Fels. Dessen Inhalt liegt in Bentonit, einem aufquellenden Vulkangestein, das sich eignet, um hochgefährliches Material einzuschliessen: den radioaktiv strahlenden Abfall aus Atomkraftwerken.

Im Berg unter der Grimsel

"Keine Angst, hier gibt es keine Strahlung", entwarnt Heinz Sager. Einen Schutzanzug braucht er in der Kaverne nicht. Denn Wagen, Stollen und künstlich erhitzter Abfallbehälter sind bloss Attrappen ohne reale Abfälle. Sager ist der Sprecher der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra). Diese betreibt unter der Grimsel ein Felslabor. 450 Meter dick türmt sich darüber der Granit. In den Berg fährt ein Nagra-Bus durch einen endlos geraden Tunnel, der für das Pumpspeicherwerk der Kraftwerke Oberhasli (KWO) gebaut wurde. Mitten im Berg folgt ein Abzweiger in das System der kreisrunden Nagra-Stollen. Vor 25 Jahren hat sie eine Tunnelbohrmaschine in den Fels gefräst.

Sager erklärt, wie ein reales Endlager für Atommüll funktionieren würde. Das Gefährt sei, symbolisch formuliert, so etwas wie ein Sargwagen, der bis zu 25 Tonnen schwere, mehrere Meter lange Sarkophage mit ausgebrannten AKW-Brennstäben für mehrere tausend Jahre ins Felsgrab fahren würde.

Während gut 100 Jahren sind die Behälter mit hoch radioaktiven Abfällen 100 Grad heiss. 200000 Jahre vergehen gar, bis die Strahlung auf eine in der Natur vorkommende Intensität zurückgeht, die den menschlichen Körper nicht mehr schädigt. Bei schwach und mittel aktiven Abfällen dauert es immer noch 30000 Jahre. Im Felslabor unter der Grimsel erforscht die Nagra, wie sicher der Fels die heisse Ware abschotten würde.

Gefährliche Provisorien

Noch gibt es auf der ganzen Welt kein einziges Tiefenlager für hoch radioaktive Abfälle. Aber mehrere für schwach- und mittelaktive - in Frankreich, Finnland, Schweden, England oder Spanien. Was es in zahllosen Ländern gibt, sind Tonnen von strahlendem Abfall aus laufenden Atomkraftwerken. Dieser Müll harrt einer dauerhaft sicheren Lagerung. In Deutschland werden die Fässer, in denen schwach aktive Abfälle mit Beton vermengt sind, provisorisch in leer stehenden Salzbergwerken abgestellt. Etwa im niedersächsischen Gorleben und Asse. Salz verschliesst Grotten mit der Zeit. Aber leere Salzbergwerke füllen sich auch mit Wasser. In Asse ist kontaminiertes Wasser festgestellt worden, was einen Skandal auslöste. Wasser ist der Feind eines Atommülllagers. Es könnte Radioaktivität an die Oberfläche spülen.

In der Schweiz sind die strahlensicheren Lagerbehälter im Zwischenlager Würenlingen oberirdisch in einer Halle gestapelt. Im Grossraum Zürich, unweit vom Flughafen Kloten.

Schlechtes Gewissen

Um dieses Provisorium zu beenden, lanciert der Bund auf Grund eines bundesrätlichen Sachplans die Suche nach einem Standort für ein geologisches Tiefenlager neu. Die Zahl der Standorte soll schrittweise eingeengt werden, in Zusammenarbeit mit Kantonen, Gemeinden und Bevölkerung. Im November hat die Nagra sechs mögliche Standortgebiete in den Kantonen Solothurn, Aargau, Zürich, Schaffhausen und Nidwalden bekannt gegeben. Der Aufschrei war gross. An den Infoanlässen erschienen Protestierende mit Transparenten.

Wo die Nagra auch auftritt, gibt es ein Geschrei. "Wir bieten ein Produkt an, das kaum einer vor seiner Haustür will", gibt Nagra-Sprecher Sager unumwunden zu. Das Kürzel der Entsorger hat einen unangenehmen, mahnenden Klang. Die Nagra erinnert uns an die gern verdrängte, gefährliche Hinterlassenschaft unseres hemmungslosen Stromverbrauchs. Die Nagra ist ein dauernder Appell an das schlechte Gewissen.

Atomstrom braucht jeder. Dass man Atommüll sicher lagern sollte, ist unbestritten. Aber keine Region will das ominöse Endlager beherbergen. Abfall ist negativ besetzt. Atomabfall erst recht, die unsichtbare Radioaktivität macht Angst. Will ein Politiker wiedergewählt werden, kann er sich nicht für ein Endlager einsetzen. Niemand geht für ein Endlager auf die Strasse. Nur dagegen.

Seit ihrer Gründung 1972 sondiert die Nagra und erforscht den Untergrund. 1985 glaubte die Genossenschaft der Atomkraftwerkbetreiber, sie sei am Nidwaldner Wellenberg am Ziel. Die Standortgemeinde Wolfenschiessen, die reich entschädigt worden wäre, hiess das Projekt gut. Die Kantonsbevölkerung sagte Nein. Das Kernenergiegesetz von 2005 zog unter alle Projekte einen Schlussstrich. Alles beginnt nun von vorn. Seit 37 Jahren scheint die Nagra keinen Schritt voranzukommen.

Trügerischer Granit

Thomas Spillmann geht mit hallenden Schritten voraus. Der Nagra-Geophysiker streicht über die glatte Wand im Felslabor. "Sehen Sie, wie wunderschön der Granit hier ist, seine kristalline Struktur ist unversehrt. An der Oberfläche wäscht die Erosion den Granit aus." Spillmann führt zu einer zweiten Endlagerattrappe, wo ein Zylinder von 1½ Metern Durchmesser senkrecht im Granit steckt.

Atommüll wird nie unter der Grimsel gelagert werden. Denn im Granit können Spalten und Klüfte aufbrechen, erklärt Spillmann, durch die fein und langsam Wasser rinnt. Die Nagra kann im Granit dennoch viel lernen. In die Stollenwände sind Rohre eingeführt für Experimente mit Druck und Fliesstempo des Wassers. In einem versperrten Seitenstollen ist gar radioaktives Material im Felsen eingeschlossen, in minimalster Dosierung. Das Grimsel-Labor ist ein Ort, wo Endlagerforscher aus Skandinavien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Kanada oder Japan an einem internationalen Standard des Lagerungswissens arbeiten.

Perfekter Opalinuston

Die Nagra ist im Mont Terri oberhalb des Jurastädtchens St-Ursanne an einem zweiten Felslabor beteiligt. Dort findet man den Opalinuston, der wie kaum ein anderes Gestein stabil und wasserdicht ein- und abschliesst. "Dank dem Opalinuston sind wir in der geologischen Champions League", sagt Spillmann. Nur Gasblasen, die beim Rosten der Müllfässer entstehen und den Ton verzerren könnten, bieten noch ein Restproblem. Opalinuston findet sich an den meisten Standorten, die die Nagra nun vorschlägt.

Bevor wir im Nagra-Bus aus dem Berg fahren, erteilt Spillmann noch eine Erdgeschichtslektion. An der Stollenwand hängt eine Zeittafel. Ganz links beginnt vor über 4 Milliarden Jahren die Erdgeschichte. 3 Meter weiter rechts spucken Vulkane vor 300 Millionen Jahren den Grimselgranit aus. Weiter rechts lagert das Jura-Urmeer den Opalinuston ab. "Seit 180 Millionen Jahren liegt er stabil, ohne von Faltungen oder Erdbeben beeinträchtigt worden zu sein", sagt Spillmann. Also könne man annehmen, dass er für eine weitere Million Jahre ein sicherer Ort für ein Endlager wäre.

Isslers Zeitrechnung

Diese übermenschliche Zeitrechnung ist für Hans Issler in der Nagra-Zentrale in Wettingen AG Routine. Er blickt selber auf eine enorme Ära zurück - jedenfalls nach menschlichen Massstäben. Physiker Issler (65,) begann 1977 als erster Geschäftsführer der Nagra. 32 Jahre lang hat er die Institution verkörpert.

Wieso sucht er nach einem Standort für ein Endlager, das niemand will? Wieso akzeptiert er nicht das Zwischenlager Würenlingen, das hingenommen wird, als definitive Lösung? Issler gibt jetzt eine Kostprobe seines Langzeitdenkens. "Was kommt in der nächsten Million Jahre auf uns zu?", fragt er, "Ein Weltkrieg, eine Eiszeit?" Da vertraue er lieber auf geologische Stabilität im Untergrund als auf gesellschaftliche Stabilität an der Erdoberfläche.

 "Ewige Perspektive plus grosse Verantwortung sind für mich eine Herausforderung", sagt Issler. Enorme Zeithorizonte mit der kurzfristigen Denkweise der Politik zu verbinden, das reize ihn. Die Entsorgung des radioaktiven Abfalls sei eine Zukunftsaufgabe, die wir aus Verantwortung gegenüber künftigen Generationen nachhaltig lösen müssten. Wie die Bewältigung des Klimawandels.

Sisyphus Issler

Sein Endlagerprojekt kommt aber schier langsamer voran, als Radioaktivität zerfällt. Issler kann einem vorkommen wie der leibhaftige Sisyphus aus der Sage, dessen Stein runterfällt, wenn er ihn den Berg hochgerollt hat. Frustriert ihn das? "Ich bin in Davos aufgewachsen, ich bin ein beharrlicher Bergler", erwidert Issler mit einem Lächeln. Sisyphus? Er ist eher ein Stoiker.

Hat er aus den 32 Jahren, in denen seine Organisation eine Milliarde Franken verforschte und nie etwas baute, überhaupt Erfolge vorzuweisen? Issler legt jetzt ein A4-Blatt auf den Tisch. "Highlights in 30 Jahren" steht darauf. Über die wichtigsten referiert er kurz. Die Nagra habe das Inventar über alle vorhandenen und noch anfallenden Nuklearabfälle aufgearbeitet und kenne die Geschichte jedes Schweizer Fasses mit Atommüll. 1988 habe der Bundesrat den Entsorgungsnachweis für ein Lager mit schwach und mittel aktiven Abfällen anerkannt, 2006 auch den für ein Lager mit hoch aktiven Abfällen im Opalinuston. Der Entsorgungsnachweis ist die geologische Lizenz zur Endlagerung. Bevor die Nagra die Lizenz einlösen kann, muss sie nun einen jahrelangen demokratischen Hürdenlauf überstehen.

Atomenergie in Misskredit

 Hans Issler blendet jetzt zurück in die Anfänge der Nagra, um verständlich zu machen, warum ihre politische Zeitrechnung voreilig war. Erste Lagerpläne seien in den 1970er-Jahren aus einem Geist der technischen Machbarkeit geboren worden. Die Schweiz hatte in Beznau und Mühleberg erste Atomkraftwerke in Betrieb genommen und baute weitere. 1985, so habe man gerechnet, sei das Lager für mittel aktive Atomabfälle realisiert.

Die Atomenergie stiess bald auf grossen Widerstand. 1969 wurde der Versuchsreaktor in Lucens VD durch einen schweren Unfall zerstört. Ab 1975 wurde das Gelände des geplanten und nie gebauten AKWs in Kaiseraugst bei Basel von Gegnern besetzt. 1985 passierte im ukrainischen Tschernobyl die bisher schwerste Reaktorkatastrophe.

Zugang offen lassen?

Skepsis erwuchs auch gegenüber der Entsorgung. Seit Ende der 1970er-Jahre verpflichten Staatsverträge ein Land, die bei der Wiederaufbereitung im Ausland anfallenden Abfälle zurückzunehmen. Früher wurden schwach aktive Abfälle im Nordatlantik versenkt. Als eine UNO-Resolution das verbot, wurden geologische Lager favorisiert.

 Issler zeichnet jetzt mit ein paar Strichen die Erdoberfläche, einen Kirchturm, ein paar Häuser. Es könnte ein Dorf im Zürcher Weinland sein, an der Grenze zu Deutschland, wo der Opalinuston ideal liegt. Issler macht eine Schlangenlinie. Das ist der Zugangsstollen zum Endlager in etwa 600 Metern Tiefe. Von dort gehen Stollen weg zu den eingelagerten Behältern. Die Stollen würden gefüllt und verschlossen. Noch ist umstritten, ob der Zufahrtsstollen offen bleiben würde, um die Abfälle allenfalls später herauszuholen. Wäre das Lager voll, würde es von Messinstrumenten weiter überwacht. Alles im Griff also?

Unklar sei noch, sagt Issler, wie man die Erinnerung an unsere Nachkommen in 100000 Jahren weitergebe, dass sich unter ihrer Siedlung ein Tiefenlager befinde. Soll man oben sichtbare Warnzeichen aufstellen? Oder nicht, weil das zu dummen Gedanken verleiten könnte?

130 Einfamilienhäuser

Bis etwa im Jahr 2030 und 2040 sollen je ein Lager für hoch und mittel aktive Abfälle oder ein Kombilager gebaut sein, prognostiziert Issler vorsichtig. Das Endlager muss enorme 100000 Kubikmeter fassen. Das entspricht dem Volumen von 130 Einfamilienhäusern. So viel hochgiftigen Müll werden wir laut Issler produziert haben, wenn die heutigen AKW nach 60 Jahren auslaufen und auch ihre verstrahlten Trümmer entsorgt werden müssen.

Etwa sieben Milliarden Franken werde Projektierung, Bau und Betrieb der Endlager kosten. Dass sich der Betrag wie beim Neat-Alpentunnel vervielfachen könnte, relativiert er: "Wir würden in berechenbarem Grund bauen und nicht in einer instabilen Piora-Mulde."

Klimawandel für AKW?

Angesichts der drohenden Stromlücke werden heute wieder neue Atomkraftwerke geplant. Die Schweizer AKW-Betreiber haben eben Rahmenbewilligungsgesuche für drei Standorte eingereicht. Und der Atomstrom, der ohne CO2-Ausstoss produziert wird, gilt in der Klimadebatte als saubere Energieform. Spürt Hans Issler Auftrieb für das Endlagerprojekt?

Es gebe heute eine kritische Haltung gegenüber Grossprojekten, sagt er. In der Anfangszeit der Nagra seien Projekte unbekümmert angepackt und mit wenig Beschwerden belegt worden. Trauert er dieser Zeit nach? "Einfacher war es schon." Aber Widerstand fordere einen auf, das Projekt zu verbessern, sagt der beharrliche Optimist.

Njet von Rot-Grün

Isslers härteste Widersacher sind SP und Grüne, die eine Zustimmung zu einem Endlager nur gegen eine Garantie geben wollen, dass die Schweiz aus der Atomenergie aussteigt. "Wer Kernenergie nutzt, muss sich um die Entsorgung kümmern. Wir haben diesen Abfall schon, es ist unverantwortlich zuzuwarten", findet Issler. Er vermutet, dass die Ablehnung eines Endlagers auch damit zu tun hat, dass Rot-Grün fürchtet, eine funktionierende Entsorgung könnte die allgemeine Akzeptanz der Atomenergie erhöhen.

Issler weiss: Ohne Zustimmung des Schweizervolks kann ein Endlager nie gebaut werden. Wird es so weit kommen? Die Standortsuche sei optimiert worden, erklärt er. Man berechne auch wirtschaftliche, touristische, gesellschaftliche Einbussen. Und man werde nicht nur die Standortgemeinde, sondern eine Region entschädigen.

In etwa 10 Jahren wird der Bundesrat die Standorte festgelegt haben. Dies unterliegt dem Referendum. Der Urnengang wird eine Stunde der Wahrheit sein, in der sich die Stimmbürger ihrer verdrängten Hinterlassenschaft stellen müssen. Issler hofft auf die Vernunft der Schweizer - "und auf das Ende der Vogel-Strauss-Politik".

"Ich bin kein Prophet"

Wird er an der Eröffnung des Endlagers dabei sein? Er rechnet nach, wie alt er dann wäre. "Es wäre schön", sagt er. Vorher muss Issler die Schweizer überzeugen, dass ein Endlager auch noch in 1 Million Jahren sicher wäre. "Wir haben den Nachweis erbracht, dass die Sicherheitsziele eingehalten werden können", sagt er. Ein Restrisiko könne er aber nicht ausschliessen. "Ich bin kein Prophet. Wir entwerfen mit heutigem Wissen Szenarien für weite Zeiträume."

Stefan von Bergen

Der Autor: Stefan von Bergen (stefan. vonbergen@bernerzeitung.ch) ist "Zeitpunkt"-Leiter.

www.nagra.ch