MEDIENSPIEGEL 11.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Pinto und die Obdachlosen
- AJZ Thun: Stadt will vermitteln
- Polycom-Funksystem
- Telefonüberwachung: Zunahme
- Rüstungszusammenarbeit CH-IL bleibt
- Sans-Papiers ZH: The Empire strikes back
- Soli-Blockade vor Nestlé-Hauptsitz
- WEF-Vorbereitungen
- Anti-Atom: Mini-AKWs + Nagra
------------------------
REITSCHULE
------------------------
- Jan 09: Beteiligt Euch an der
Vorplatz-Präsenz!!!
PROGRAMM:
Mi 14.1.09
19.00 Uhr - SousLePont - Kamerun
Spezialitäten
Do 15.1.09
20.30 Uhr - Kino - UNCUT:
Fashion Victims - Reine Geschmackssache, I. Rasper, D 2007, 100 Min.
Fr 16.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Bloup von
Duo Luna-tic. Judith Bach & Stéfanie Lang
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam
verändern, alles gewinnen: Der Duft des Geldes, Dieter
Gränicher, Schweiz 1998
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild
East: Apparatschik (D) & DJ Mario Batkovic (BE)
Sa 17.1.09 - tourdelorraine.ch
20.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: giù
le mani, Danilo Catti
21.45 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: von
katzen und menschen - und der kunst des nutzlosen, Yael
André
23.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: eine
andere welt ist pflanzbar
00.30 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: ohne
worte - der 6. oktober 2007 in bern, Hansdampf
01.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: the
swamp collection, Jonas Raeber
22.00 Uhr - Tojo - Tour de Lorraine: Tojo
Disko mit DJ Pablo
22.00 Uhr - Frauenraum - Tour de Lorraine: HUMAN TOYZ (Paris/F) und COPY&PASTE
(Burn/CH)
22.00 Uhr - Dachstock - Pompelmoessap
VD, Balduin BE, Meienberg BE, DJ
Jane Vayne - minimal, electro, electrique camambert avantgarde,
IDM-electronic, broadspectrum
22.00 Uhr - SousLePont - Tour de Lorraine: Flimmer (Psy-Core, BS) & André
Duracell (One-Man-Drum-Show, FR) ONE SECOND RIOT (F)
So 18.1.09
05.00 Uhr - SousLePont - Katerfrühstück
mit Zeno Tornado Solo (Bluegrass/Country, BE)
Infos: www.reitschule.ch
----------------------
OBDACHLOS
----------------------
swissinfo 11.1.09
Eiszeit - schleichende Todesgefahr für Obdachlose
Klirrender Frost hat Europa fest im Griff. In Bern sorgen Silvio
Flückiger und sein Pinto-Team auf "Kältepatrouillen"
dafür, dass
Clochards an ein warmes Plätzchen kommen. Nicht alle wollen das,
sagt
der Teamleiter.
Vom Nordkap bis Kalabrien, von Marseille bis Warschau: Europa steckt
tief unter einer Glocke eisiger Kälte. Wintersportler frohlocken,
Clochards drohen zu erfrieren.
Polen meldete am Donnerstag das 76. Kälteopfer des Winters. Je
zwei
Erfrorene waren diese Woche in Deutschland und Frankreich zu beklagen.
Anfang Winter starb in Zürich ein Mann infolge Kälte.
Pinto steht für Prävention, Intervention, Toleranz. Die neun
Mitarbeiter des Projekts der Stadt Bern sind momentan besonders
gefordert, präventiv zu intervenieren. Denn der beissende Frost
geht
auch den rund fünfzehn Obdachlosen in der Bundesstadt
buchstäblich ans
Lebendige.
Dabei ist Bern in der komfortablen Lage, mit 215 Betten in fünf
Institutionen über genügend Notschlafplätze zu
verfügen.
swissinfo: Rund ein halbes Dutzend Obdachlose verbringt die Nacht in
Bern lieber draussen als in einer Notschlafstelle. Wer sind diese Leute?
S.F.: Jene, die alle Hilfestellungen verweigern, sind häufig
drogen- oder alkoholabhängig oder haben psychische Probleme.
Sie fühlen sich an den Rand gedrängt und rutschen in die
Obdachlosigkeit ab, weil sie zum Beispiel schlechte Erfahrungen mit
staatlichen Behörden gemacht haben. Sie schaffen sich als
Obdachlose
einen Lebensraum, in dem sie sich nach eigener Auffassung frei bewegen
können. Deshalb akzeptieren sie auch minimalste Regeln nicht.
Vertreten sind alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Die
meisten stammen aus der Schweiz; es sind grösstenteils
Männer. Frauen
finden eher eine Kollegin oder einen Kollegen, bei dem sie unterkommen.
Manche übernachten auch bei einem Freier.
swissinfo: In grossen Städten Europas sammeln Organisationen in
der
aktuellen Kältewelle abends Obdachlose ein und führen sie in
geheizte
Notunterkünfte. Wie gehen die Pinto-Mitarbeiter in Bern vor?
S.F.: Bei unseren nächtlichen Rundgängen sprechen wir
Obdachlose an und
versuchen sie zu motivieren, geschützte Räume aufzusuchen.
Weil die
Vermittlungsmöglichkeiten tagsüber besser sind, versuchen
wir, auch
tagsüber an sie zu gelangen. In einer kleinen Stadt wie Bern ist
das
einfacher.
swissinfo: Bei ihrer Arbeit ist Fingerspitzengefühl gefragt. Was
noch?
S.F.: Hohe Sozialkompetenz und keine Berührungsängste
gegenüber diesen
Menschen. Es gibt kein genaues Vorgehen beim Ansprechen, so verschieden
die Menschen sind, so verschieden gehen wir auf sie zu.
Wir thematisieren die Situation und den Grund ihrer Obdachlosigkeit.
Dann schauen wir, ob die Person bereit ist mitzukommen, denn dies ist
freiwillig. Wir können niemanden zwingen, in ein Haus oder eine
Institution zu gehen.
swissinfo: Wie reagieren die Obdachlosen?
S.F.: Meist positiv. Kürzlich ist es aber vorgekommen, dass wir
jemanden aufgesucht haben, der obdachlos ist und dies auch bleiben
will. Er reagierte negativ, weil er Angst vor einer Zwangseinweisung
hatte. Obwohl wir keine solchen vornehmen, ist dieser Mann praktisch
vor uns geflüchtet.
swissinfo: Was machen Sie, wenn jemand partout nicht an einen
geschützten Ort will?
S.F.: Wenn wir sehen, dass jemand nicht entsprechend ausgerüstet
ist,
erhält er von uns einen wintertauglichen Schlafsack. Ist jemand
stark
unterkühlt, bringen wir die Person in ein Restaurant oder in unser
Büro, wo es eine warme Mahlzeit oder ein warmes Getränk gibt.
swissinfo: Pinto arbeitet mit der Polizei zusammen - wann schalten Sie
diese ein?
S.F.: Wir sind keine eigentliche Vorhut der Polizei, da wir nicht die
selben Aufgaben haben und auch unsere Aufträge nicht von der
Polizei
erhalten. In bestimmten Fällen arbeiten wir aber mit der Polizei
zusammen.
Bei Obdachlosen nur dann, wenn wir sehen, dass eine Person stark
selbstgefährdet ist. Dies ist dann der Fall, wenn wir davon
ausgehen
müssen, dass sie die Nacht nicht übersteht oder nur mit
bleibenden
Schäden, sich aber weigert, uns zu einer Institution zu begleiten.
Dann
ist im Sinne des Schutzes dieser Person der Beizug der Polizei
angezeigt.
Diese kann Obdachlose aber ins Inselspital begleiten, wo Ärzte und
Psychologen einen medizinischen, fürsorgerischen Freiheitsentzug
aussprechen können.
swissinfo: Sind obdachlose Randständige ein "normales"
Phänomen oder sind es Verlierer der kompetitiven Gesellschaft?
S.F.: Obdachlosigkeit hat es schon immer gegeben. Die Gründe
dafür sind
sehr verschieden. Aktuell handelt es sich allerdings schon um Menschen,
die mit der Geschwindigkeit und der Leistungsgesellschaft nicht
mitkommen.
swissinfo: Gibt es so etwas wie eine Obdachlosen-Karriere?
S.F.: Die Erfahrung zeigt, dass nur wenige während längerer
Zeit
obdachlos sind. Die meisten sind ein, zwei Nächte draussen, dann
kommen
sie wieder bei Kollegen, Verwandten oder Bekannten unter.
Ziel unserer Arbeit ist es, die Menschen von der Gasse
wegzuführen.
Auch wer längere Zeit dort lebt, kommt früher oder
später wieder in
eine geregelte Situation mit einem Dach über dem Kopf und einer
Tagesstruktur, so dass sie sich von der Obdachlosigkeit verabschieden
können.
swissinfo-Interview, Renat Künzi
-----------------
AJZ THUN
-----------------
Berner Oberländer 10.1.09
Thun: Hausbesetzer
Stadt bietet Mithilfe an
Der Plan, ein Autonomes Jugendzentrum am Hopfenweg zu errichten, steht
auf wackligen Beinen: Die Stadt mietet das Haus nicht. Sie bietet aber
ihre Mithilfe an. Hauseigentümer Thomas Helmle appelliert an die
Jugendlichen.
Vor Weihnachten hatten Jugendliche der anonymen Gruppe Aktion Hausgeist
die Liegenschaft Hopfenweg 19a in Thun für zwei Tage besetzt, weil
sie
dort ein Autonomes Jugendzentrum (AJZ) einrichten möchten (wir
berichteten). Der Thuner Gemeinderat hat sich nun an seiner ersten
Sitzung nach der Besetzung mit der Situation befasst. Er entschied,
dass die Stadt die Liegenschaft nicht - wie vom Eigentümer
gewünscht -
mietet und dann der Aktion Hausgeist zur Verfügung stellt. "Der
Gemeinderat ist klar der Meinung, dass eine allfällige
Überlassung der
Liegenschaft grundsätzlich zwischen dem Eigentümer und den
Nutzern
direkt auszuhandeln ist", steht im Communiqué. "Die Stadt ist
aber
bereit, erstens dabei ihre guten Dienste anzubieten und zweitens die
Aktion Hausgeist zu unterstützen, damit die nötigen
baurechtlichen und
gastgewerblichen Bewilligungen möglichst rasch und unkompliziert
erteilt werden können."
"Umsetzung aufwändig"
Eigentümer Thomas Helmle ist nicht ganz glücklich mit dem
Entscheid:
"Damit ein solches Zentrum eröffnet werden kann, sind viele
Abklärungen
nötig: Es müssen Gesuche gestellt, unter Umständen
bauliche
Veränderungen vorgenommen und Voraussetzungen geschaffen werden,
damit
die Nutzung in einem gesitteten Rahmen abläuft." Es brauche
jemanden,
der das Zentrum managen und beaufsichtigen würde. "So wie
beispielsweise Pädu Anliker im ‹Mokka›", meint Helmle. "Mir
wäre es
darum lieber, wenn sich die Stadt stärker engagieren würde."
Er bleibe
sowieso lieber im Hintergrund.
Haus wird abgerissen
In Helmles Liegenschaft am Hopfenweg wäre nur ein temporäres
Zentrum
möglich. Bereits im Sommer soll nämlich das Gebäude
abgerissen und an
seiner Stelle ein Mehrfamilienhaus gebaut werden. "Der Standort ist
nicht wirklich geeignet. In der Nähe ist eine Kinderkrippe. Auch
deshalb müsste die Nutzung klar geregelt und beaufsichtigt
werden",
sagt Helmle. Er spricht sich deshalb für einen anderen Standort
aus.
Anonyme Jugendliche
Die Jugendlichen, die das AJZ möchten, haben sich bislang
gegenüber der
Öffentlichkeit nur anonym zu Wort gemeldet. Auch Helmle kann nur
über
E-Mail mit ihnen kommunizieren. "Ich finde es unsympathisch und
hinderlich, dass die Jugendlichen ‹inkognito› auftreten. Wenn wir schon
auf sie zugehen, sollten sie sich auch zu sich und ihrem Anliegen
bekennen."
Christoph Kummer
-----------------------
POLIZEIFUNK
-----------------------
BZ 10.1.09
Polycom
Funk für Notfall und Sicherheit
Polycom heisst das neue Funksystem für die schweizerischen
Blaulicht-Organisationen. Dessen Einführung wurde 1998 vom Bund
beschlossen. Seither wird es kantonsweise aufgebaut. Benutzer sind:
Polizei, Feuerwehren, Rettungsorganisationen (Ambulanzen, Rega), Armee,
Grenzwachtkorps, Zivilschutz und weitere Sicherheitsdienste.
Das Polycom-Funknetz arbeitet im Frequenzbereich von 380 bis 400 MHz.
Die Funkwellen können auch Gebäudehüllen durchdringen.
Die
Sendeleistungen der Antennen sind bedeutend geringer als im
Mobilfunkbereich.
Einige Kantone (z.B. TG, UR, BS, BL, VD) betreiben bereits Teilnetze.
Im Kanton Bern ist die Kantonspolizei mit der Realisierung beauftragt.
Bisher besteht das Teilnetz Stadt und Region Bern. Nun folgen weitere
Gebiete wie das Mittelland und das Emmental. Im Oberaargau sind noch
keine Antennen in Betrieb, aber einige in Planung oder im Bau. Geplante
Standorte: Herzogenbuchsee, Roggwil, Wiedlisbach, Langenthal, Melchnau,
Ursenbach, Huttwil.
hrh
---
bernerzeitung.ch 10.1.09
Neuer Funkmast für die Polizei
Im Schorenwald will die Kantonspolizei eine Antennenanlage fürs
neue
Funknetz Polycom bauen. Der 43,5 Meter hohe Mast soll beim Reservoir
stehen. Selbst Antennenkritiker stehen dem System positiv
gegenüber.
Mitten im Schorenwald ragt derzeit eine Metallstange aus den
Bäumen. Es
ist die Spitze eines Profilmastes, der gleich hinter dem Reservoir an
der Thunstettenstrasse steht. Dieser zeigt, wie hoch der dort geplante
Antennenmast werden soll. Das Baugesuch dafür liegt
gegenwärtig
öffentlich auf. Die Kantonspolizei Bern möchte dort eine
Antennenanlage
erstellen, einen 43,5 Meter hohen, viereckigen Stahlgittermast. An
seinem Fuss soll eine Art Kabine mit Technikräumen zu stehen
kommen.
Die geplante Antenne steht im Zusammenhang mit dem Aufbau des
nationalen Sicherheitsfunknetzes Polycom. Im Kanton Bern wird es
gegenwärtig umgesetzt, federführend ist die Kantonspolizei.
Im Wald eine Ausnahme
Eine Funkantenne mitten im Wald? Für Handymasten ein Tabu, sie
dürfen
nur in bebautem Gebiet stehen. Das Polycom-Projekt in Langenthal
benötigt denn auch eine Ausnahmebewilligung. Gemäss Baugesuch
wurde der
Standort "topografisch ausgewählt und berechnet". Die Lage ergebe
sich
"aus der optimalen Ergänzung mit den umliegenden
Polycom-Standorten und
den resultierenden Funkabdeckungen". Stadtbaumeister Urs Affolter sieht
für die Erteilung der Ausnahmebewilligung kein Problem, denn: "Die
Antenne dient der Polizei, Sanität, Armee und so weiter. Mit einer
Handyantenne hat sie nichts zu tun." Und Daniel Backhaus,
Polycom-Projektleiter bei der Kantonspolizei, betont, es sei wichtig,
ein ganzes Gebiet abzudecken. "Es darf keine Funklöcher geben."
Lob aus Kritikerecke
Bei Antennen mit Richtstrahlfunk taucht meist die Frage nach der
Belastung auf. Sind die Strahlen gesundheitsschädigend? Beim
Funksystem
Polycom jedoch winken sogar eingefleischte Antennenkritiker ab.
"Sendeleistung und Betriebszeiten sind nicht vergleichbar mit
Mobilfunkantennen", so Hans-Ulrich Jakob, Schwarzenburg, der sich seit
Jahren vehement gegen Kurzwellen- und Handyantennen wehrt. Mehr noch:
"Das Polycom-Netz ist ein sehr intelligentes System", lobt Jakob.
Mühe
bereitet ihm nur, wenn Polizei und Mobilfunkanbieter zusammen die
gleiche Antenne benützen wollen. So geschehen in Trubschachen und
Schangnau. "Auf diese Weise gefährdet die Polizei den Aufbau ihres
Netzes, weil dann Widerstand der Bevölkerung aufkommt."
-------------------------------
SCHNÜFFELSTAAT
------------------------------
20min.ch 11.1.09
Schnüffelattacken
Polizei hört mit
In der Schweiz wurden im vergangenen Jahr massive mehr Telefone
überwacht als in früheren Jahren.
Demnach haben Schnüffelattacken bei Sunrise 2008 gegenüber
dem Vorjahr
um über 23 Prozent zugenommen. Im Vergleich mit 2005 haben sie
sich
beinahe verdoppelt. Das meldet heute die "SonntagsZeitung". Dem Blatt
liegen Zahlen vor, diese dürfen aber nicht detailliert
veröffentlicht
werden. Auch Swisscom bestätigt eine Zunahme der
¬Telefonüberwachungen,
will aber keine konkreten Zahlen nennen.
Auftraggeber der Lauschangriffe sind die Staatsanwaltschaften. Diese
bevorzugen die Telefonüberwachung gegenüber Zeugenaussagen,
weil diese
zuverlässiger seien. Das sagte Ulrich Arbenz von der
Oberstaatsanwaltschaft Zürich gegenüber der "SonntagsZeitung".
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement bestätigt
die Zunahme
von Lauschangriffen, kann diese aber noch nicht genau beziffern.
Keine Freude haben die Telefongesellschaften. Für sie sind die
Überwachungen mit hohen Kosten verbunden, die vom Bund nicht
ausreichend gedeckt werden.
Quelle: SonntagsZeitung
---
Sonntagszeitung 11.1.09
Die Polizei, dein Freund und Lauscher
Die Telefonüberwachungen haben sich verdoppelt:
Telecom-Unternehmen wollen mehr Geld
Zürich Die Anzahl Telefonüberwachungen in der Schweiz ist
2008 massiv
gestiegen. Dies belegen Zahlen des Telecom-Unternehmens Sunrise, die
der SonntagsZeitung vorliegen, aber im Detail nicht veröffentlicht
werden dürfen. Demnach haben Schnüffelattacken bei Sunrise
2008
gegenüber dem Vorjahr um über 23 Prozent zugenommen - im
Vergleich mit
2005 haben sie sich beinahe verdoppelt. Auch Swisscom bestätigt
eine
Zunahme der Telefonüberwachungen, will aber keine konkreten Zahlen
nennen.
Auftraggeber der Lauschangriffe sind die Staatsanwaltschaften. Ulrich
Arbenz von der Oberstaatsanwaltschaft Zürich sagt, Gerichte
würden
immer höhere Anforderungen an Beweise stellen. Es bestehe die
Tendenz,
möglichst viel zu objektivieren: "Von den technischen
Möglichkeiten
wird darum mehr Gebrauch gemacht. Sie sind zuverlässiger als
Zeugenaussagen."
Für Telefongesellschaften sind Lauschangriffe Verlustgeschäft
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat die
offiziellen
letztjährigen Überwachungszahlen noch nicht beisammen, aber
Sprecher
Philippe Piatti bestätigt: "Der Beschäftigungsgrad sowie die
Auslastung
der Mitarbeiter des Dienstes ‹Überwachung Post- und
Fernmeldeverkehr›
haben in den letzten 12 Monaten zugenommen. Man kann davon ausgehen,
dass die erbrachten Dienstleistungen gesamthaft angestiegen sind." 2007
gab es 8877 Fälle, in welchen die Behörden Telefonate
mitgelauscht oder
- noch häufiger - rückwirkend Verbindungsdaten herausverlangt
haben.
Die Telefongesellschaften sind nicht glücklich über die
Überwachungen,
die Lauschangriffe sind für sie ein Verlustgeschäft.
Swisscom-Sprecher
Sepp Huber: "Für die Durchführung der zum Teil sehr
aufwendigen
Überwachungsmassnahmen sind aufseiten der Telecom-Anbieter hohe
Investitionen erforderlich. In den letzten Jahren kosteten uns diese
einen zweistelligen Millionenbetrag."Doch die Entschädigungen des
Staates für die Schnüffelattacken sind mager: Für
rückwirkende
Überwachungen erhalten die Telefonfirmen 540 Franken. Für die
aktive
Überwachung, bei der die Polizei Telefonate mithört, gibt es
1330
Franken. Sunrise-Sprecherin Sevgi Gezici: "Die Investitionen werden
durch die Entschädigungen des Bundes nur zu einem Drittel gedeckt."
Nun ist gar diese Entschädigung gefährdet. Während der
Deutsche
Bundestag beschloss, Telefonüberwachungen höher zu entgelten,
will man
in der Schweiz die Entschädigungen streichen. "Einzelne Vertreter
der
Strafverfolgungsbehörden stellen sie grundsätzlich infrage",
sagt
Gezici. Widerstand ist programmiert. Swisscom-Sprecher Huber: "Die
Strafverfolgung ist Aufgabe des Staates - die Kosten dürfen nicht
der
Wirtschaft auferlegt werden."Jean François Tanda
--------------------
RÜSTUNG
---------------------
20min.ch 10.1.09
Keine Neubeurteilung
Zusammenarbeit mit Israel bleibt bestehen
Die militärische Kooperation der Schweiz mit Israel ist
regelmässig
Gegenstand heftiger Kritik. Die Schweiz stellte die Kooperation schon
einmal weitgehend ein. Die derzeitige Offensive Israels führt aber
zu
keiner Neubeurteilung.
Die nun laufende israelische Offensive veranlasst die Schweiz nicht,
ihre militärische Zusammenarbeit mit Israel zu überdenken.
Das
Aussenministerium habe keine Informationen, dass solche
Überlegungen
angestellt worden wären, sagte dazu EDA-Sprecher Georg Farago auf
Anfrage.
Frühere Vorgänge im Nahen Osten hatten eine
Einschränkung der
Zusammenarbeit zur Folge. Nachdem Israel im April 2002 eine massive
Offensive im Westjordanland, namentlich in Dschenin und Nablus,
lanciert hatte, entschied die Schweiz, die Rüstungskooperation mit
Israel einzuschränken.
Dies verstand sich vor allem als Antwort auf die israelische
Wiederbesetzung palästinensischer Ortschaften. Drei Jahre
später hatte
der damalige Bundespräsident und VBS-Chef Samuel Schmid im
März 2005
mit einem Israel-Besuch die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit
angekündigt.
Kein Kriegsmaterial nach Israel
Der Bundesrat hatte zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit argumentiert,
die Schweiz werde weiterhin kein Kriegsmaterial an Israels Armee oder
Behörden liefern.
Die Beschaffung von Rüstungsgütern aus Israel habe keinen
Einfluss auf
die Haltung des Bundesrats, dass Israel das humanitäre
Völkerrecht und
menschenrechtliche Verpflichtungen einhalten müsse, lautete eine
Antwort des Bundesrates im Juni 2005 auf einen parlamentarischen
Vorstoss.
Noch im gleichen Jahr kam das Integrierte Funkaufklärungs- und
Sendesystem (IFASS) ins Rüstungsprogramm, mit einem Gesamtumfang
von
395 Millionen Franken. Davon entfielen 147 Mio. auf direkte
Beschaffungen in Israel.
Andere Rüstungsgüter aus dieser Zusammenarbeit sind etwa
Teile für den
Super-Puma-Helikopter und die Aufklärungsdrohnen ADS 95 RANGER,
die
seit 2001 bei der Schweizer Luftwaffe eingeführt sind, wie von
armasuisse zu erfahren war. Die Entwicklungszusammenarbeit für die
Drohnen geht diesen Angaben zufolge auf die 80er und 90er Jahre
zurück.
Streubomben
Des weitern finden sich nach Schätzungen der
Nichtregierungsorganisation Handicap International rund 200 000
Streubomben vom Typ M85 in den Beständen der Schweizer Armee. Der
Schweizer Technologiekonzern Ruag hatte die Bomben unter israelischer
Lizenz in einer modifizierten Version hergestellt.
Die Zusammenarbeit umfasst auch regelmässige Besuche von
Militärs
beider Seiten, wobei nach Angaben des VBS die Schweizer weit mehr in
Israel weilen als umgekehrt.
Im Jahr 2007 waren es 15 und im vergangenen Jahr 16 Besuche von
Schweizer Militärs und Zivilpersonen in Israel. Im gleichen
Zeitraum
kamen die Israelis vier beziehungsweise drei Mal in die Schweiz.
Für
dieses Jahr sind zwölf Besuche in Israel und vier in der Schweiz
geplant.
Quelle: SDA/ATS
------------------------------
SANS-PAPIERS ZH
-------------------------------
Sonntag 11.1.09
Jung-Kollektiv lässt Muskeln spielen
Die Kirchenbesetzung war nicht so spontan, wie es ausgesehen hat,
sondern aus dem Hintergrund orchestriert
Im grossen Stil berichteten die Medien über die Sans-Papiers und
ihre
Kirchenbesetzung. Nicht zuletzt wegen der professionell en Medienarbeit
der Aktivisten. Doch wer sind eigentlich die Köpfe dahinter ?
von Roman Hodel
"Lauter! Du musst lauter sprechen!", ruft ein Bleiberecht-Aktivist
einem Sans-Papiers zu. Es ist Montag vor einer Woche, die
Kirchenbesetzer informieren die Medien nach der Aussprache mit
Regierungsrat Hans Hollenstein. Hinter einer Festbank positioniert,
schildern Betroffene, was sie vom Ausgang des Gesprächs halten.
Mehrere
Aktivisten filmen für die Bleiberecht-Website. Alles ist
organisiert
und orchestriert. Dann ergreift Bleiberecht-Aktivist Stefan Schlegel
das Wort. Sagt in energischem Ton Dinge wie "Das Gespräch ist
enttäuschend verlaufen" und "Es gibt nur einen positiven Punkt".
Kameras und Mikrofone sind auf ihn gerichtet. Es wird nicht das letzte
Mal sein an diesem Nachmittag.
Ein paar Tage später. Der 26-jährige Schlegel sitzt im
Lichthof der
Universität Zürich. Wir sprechen über die professionell
aufgezogene
Medienarbeit von Bleiberecht während der Kirchenbesetzung. Von den
beinahe täglichen Bulletins über das nonstop besetzte Telefon
bis zu
den eilends einberufenen Medienkonferenzen. Schlegel sagt trocken: "Wir
haben uns Mühe gegeben, die Medienarbeit gut zu machen." Und
weiter:
"Wenn es einen Erfolg gibt bei dieser ganzen Aktion, dann diesen, dass
die Medien das Thema Asyl-Härtefälle endlich aufgenommen
haben." Ein
Gespür dafür, wie und wann man Journalisten füttert, hat
Schlegel. Er
schreibt seit einigen Jahren als freier Mitarbeiter für diverse
Zeitungen.
Gleichwohl betont Schlegel stets, dass das Kollektiv und nicht
die
Arbeit eines Einzelnen zählt. Dazu passt, dass neben ihm auch
immer
wieder andere als Mediensprecher auftreten. Aber nicht nur das: "Wenn
wir etwa zu einer Demo aufrufen und innert vier Tagen 1000 Leute
mobilisieren, staune ich einmal mehr ob der Potenz unserer Gruppe."
Eine Gruppe, der er letzten Frühling beigetreten ist.
Gegründet wurde
Bleiberecht 2007. Der harte Kern zählt laut Schlegel 30 Personen.
"Wir
sind eine heterogene Allianz, die sehr schnell wächst." Darunter
seien
junge Leute verschiedener politischer Couleur, auch solche mit einem
kirchlichen Hintergrund. "Wir sind nicht nur Linke, wie das immer
behauptet wird, ich zum Beispiel bezeichne mich als liberal."
Hervorgegangen ist das Bleiberecht-Kollektiv aus Aktivisten, die sich
erfolglos gegen die Verschärfung des Asyl- und
Ausländergesetzes
gewehrt hatten. Sind "Bleiberechtler" demnach einfach schlechte
Verlierer? "Es ist legitim, etwas gegen einen Mehrheitsentscheid zu
haben", sagt Schlegel. "Vor allem wenn dieser ein Gesetz zur Folge hat,
das von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist." In der globalisierten
Welt existieren laut Schlegel Produktefreizügigkeit,
Dienstleistungsfreizügigkeit, Kapitalfreizügigkeit. "Nur die
Personenfreizügigkeit fehlt." Deshalb sei ein Recht auf Migration
langfristig unabdingbar.
Schlegel engagiert sich gemäss eigenen Angaben
"fahrlässig und
vereinnahmend viel" für die spendenfinanzierte
Bleiberecht-Organisation. Als persönliche Motivation dafür
nennt er
seinen Zivildienst im Flughafengefängnis: "Ich habe damals die
bittere
Realität gesehen." Doch das ist für den Jus-Studenten nicht
der einzige
Grund: "Es ist auch juristisch gesehen ein interessantes Gebiet." Er
kann sich gut vorstellen, dereinst als Fürsprecher zu agieren -
eben
beispielsweise für Menschen ohne Lobby.
Bis auf weiteres steht für ihn aber das Bleiberecht-Kollektiv im
Vordergrund. Zum Beispiel die geplante "Charmeoffensive" (Schlegel)
betreffend Härtefall-Kommission bei den Grünliberalen, der
CVP und der
FDP. Wenn nötig, wird man sich auch 2009 medienwirksam in Szene
setzen.
Schlegel sagt: "Das Unerbittliche an der ganzen Sache ist, dass die
nächste Aktion noch mehr ziehen muss als eine Kirchenbesetzung."
Der Zürcher Rechtsanwalt Marc Spescha, ein scharfer Kritiker
der
rigiden Bewilligungspraxis des Zürcher Migrationsamts, sagt: "Die
Aktionen der Bleiberechts-Aktivisten haben den Handlungsdruck bei den
Behörden erhöht, wenn diese die Signale allerdings nicht
ernst nehmen,
spitzen sie den Konflikt zu, und weitere Aktionen sind absehbar."
Spescha hat das Kollektiv in den letzten Wochen beratend
unterstützt.
Er sagt: "Die Aktivisten sind zumeist junge, engagierte sowie sensible
Idealistinnen und Idealisten, die den Sorgen und dem Elend der
Betroffenen mit ihrer Unterstützung Gehör verschafft haben."
Auch der reformierte Kirchenratspräsident Ruedi Reich sagt, es
"ehrt"
die Jungen, dass sie sich mit dem Schicksal dieser Menschen befassen.
Er hatte während der Kirchenbesetzung wiederholt mit dem
Bleiberecht-Kollektiv zu tun. "Trotzdem ist eine Kirchenbesetzung
illegal, zumal sich die Besetzer nicht gerade kooperativ zeigten." So
hätten sie beispielsweise die Besetzung der Predigerkirche bis zum
letzten Tag ausgekostet. Als unfair empfunden habe er überdies den
Vorwurf der Aktivisten, die Kirche engagiere sich nicht genug für
die
Sans-Papiers. Das sei mit Blick auf die Hilfswerke der Kirchen
überhaupt nicht wahr. "Immerhin entschuldigten sie sich für
diese
Aussage."
--
Die Chronik der Kirchenbesetzung
Am 19. Dezember besetzen rund 150 Sans-Papiers sowie einige Schweizer
Aktivisten des Bleiberecht-Kollektivs die Predigerkirche im
Zürcher
Niederdorf. Am 23. Dezember informiert der reformierte
Kirchenratspräsident Ruedi Reich, dass eine Aussprache mit
Regierungsrat Hollenstein auf den 5. Januar terminiert ist. Bedingung:
Die Kirche muss bis dann geräumt sein. Am 3. Januar demonstrieren
rund
1500 Personen in der City für die Anliegen der Sans-Papiers. Am 4.
Januar verlassen die Sans-Papiers die Predigerkirche und ziehen um in
die St.-Jakob-Kirche beim Stauffacher, die ihnen bis am 7. Januar
Gastrecht gewährt. Am 5. Januar findet die Aussprache mit
Hollenstein
statt. Letzten Mittwoch, 7. Januar, räumen die Sans-Papiers die
St.-Jakob-Kirche. (ROH)
---
Landbote 10.1.09
Lienhard kritisiert Besetzer scharf
Ruedi Elmer
Zürich - Kirchgemeindepräsident Daniel Lienhard kritisiert
die
Besetzung der Zürcher Predigerkirche scharf. Seine Kirchgemeinde
habe
sich benutzt und erpresst gefühlt, sagte er in einem Interview mit
der
"Reformierten Presse". Anfangs habe er gewisses Verständnis
dafür
gehabt, dass die Besetzer eine Kirche wählten, um auf ein
humanitäres
Anliegen aufmerksam zu machen, so Lienhard. Hätte die Besetzung
nur
zwei Tage gedauert, wäre sie auch kein grosses Problem gewesen. So
aber
sei die Kirche in Geiselhaft genommen worden. "Wir wurden benutzt, um
die Forderungen durchzusetzen, auf die wir keinen Einfluss hatten." Das
Ziel, in der Kirche auszuharren, bis sämtliche Sans-Papiers
Papiere
erhalten würden, bezeichnete er als "völlig irreal". Einige
Gemeindemitglieder hätten wegen der Besetzung ihren Austritt aus
der
Kirche erklärt. "Sie meinten, die Gemeinde mache mit kriminellen
Ausländern gemeinsame Sache." Es habe aber auch Leute gegeben, die
Kleider und Essen gebracht hätten. Viele seien zudem froh, dass
die
Aktion gewaltfrei beendet wurde, sagte Lienhard. Die Gemeinde
benötigte
nach der Besetzung einige Tage Zeit, um den Raum zu reinigen und wieder
herzurichten. (sda)
---
Limmattaler Tagblatt 10.1.09
Sans-Papier-Aktion strapazierte Nerven vieler
Roman Hodel
Es war wohl eine der längsten Kirchenbesetzungen, die Zürich
je gesehen
hat: 20 Tage lang harrten 100 bis 150 Sans-Papiers zunächst in der
Prediger-, später in der St.-Jakob-Kirche aus, um auf ihre
missliche
Lage aufmerksam zu machen. Dabei wurden sie medial ausgiebig begleitet.
Wen wunderts: Die ganze Aktion war perfekt orchestriert von einer
Gruppe vorwiegend junger Studenten › dem Bleiberecht-Kollektiv. Sie
wussten genau um den symbolischen Charakter einer Kirchenbesetzung
über
diese Tage. Wer würde in dieser Zeit schon ein Gotteshaus
räumen? Und
so erhielt jede und jeder in diesen 20 Tagen eine Plattform: vom
betroffenen Flüchtling über die erschöpfte Pfarrerin bis
zum empörten
Politiker. Nur einer schwieg: Sicherheitsdirektor Hans Hollenstein
(CVP) › er weilte in den Ferien. An ihn respektive an das ihm
unterstellte Migrationsamt richtete sich die Kritik der Besetzer.
Am
letzten Montag nun trat Hollenstein vor die Medien, nachdem er sich mit
einer Delegation Sans-Papiers, Vertretern der reformierten Landeskirche
und Aktivisten zu einer Aussprache getroffen hatte. Seither wissen wir,
was die Kirchenbesetzung › zumindest aus heutiger Sicht › gebracht hat.
Nämlich vor allem eines: Aufmerksamkeit. Kein Medium, dass das
Problem
um die Asyl-Härtefälle in den letzten Tagen nicht
thematisiert hat.
Keine Partei, die sich nicht wohl oder übel verlauten lassen
musste.
Öffentliche Debatten haben noch nie geschadet. Doch hat die
Besetzung
auch eine konkrete Auswirkung? Immerhin ein paar
Lösungsansätze, die
Regierungsrat Hollenstein mit einem nonchalanten Lächeln
vorgetragen
hat. Lösungsansätze, die allerdings mit einigen Fragezeichen
versehen
werden müssen. Zum Beispiel die Härtefall-Kommission, die
Hollenstein
einsetzen will. Ein unabhängiges Gremium also, das Entscheide
fällt,
die für die Betroffenen von existenzieller Bedeutung sind.
Grundsätzlich keine schlechte Idee. Vor allem wenn man bedenkt,
dass
das Migrationsamt seit Jahren hoffnungslos überlastet ist.
Schlecht ist
indes, wenn Hollenstein genau weiss, dass diese Kommission im
Kantonsrat kaum Chancen hat. Denn das Parlament lehnte erst vor zwei
Jahren ein Postulat der CVP ab, in dem Hollensteins Partei ebenfalls
eine Härtefall-Kommission gefordert hat. Auch diesmal stehen die
Zeichen ungünstig: SVP, FDP und EDU werden für das Anliegen
kaum Hand
bieten. Zusammen stellen sie die Hälfte des Parlaments. Skepsis
ist
auch von Seiten der Grünliberalen zu hören. Da nützt es
wenig, wenn
Hollenstein an das Gute glaubt. Ein Fragezeichen gehört auch
hinter
die gemäss Besetzern harte Bewilligungspraxis des Migrationsamts.
Hollenstein räumte ein, dass bei den Härtefällen
abgewiesener
Asylbewerber eine "zurückhaltende Praxis" ausgeübt werde. Das
belegen
auch Vergleiche mit anderen grossen Kantonen. Nun könnte
Zürich die
Praxis zwar in Eigenregie lockern › doch Hollenstein fordert vom Bund
lieber klarere und einheitlichere Richtlinien. Peinlich für
Hollenstein
wirkt dann bloss, wenn zwei Tage nach seiner Medienkonferenz publik
wird, dass die geforderten klareren Richtlinien des Bundes › mit seinem
Wissen › bereits auf dem Tisch des Migrationsamts liegen. Es ist
klar,
Migration ist ein enorm emotionales und auch schwieriges Thema. Auf der
einen Seite stehen Menschen mit Schicksalen. Wer ihnen zuhört, wer
einzelne Fälle mitbekommt, kann schwer nachvollziehen, weshalb
gerade
sie keine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Auf der anderen Seite ist
das Migrationsamt, das unter der zunehmenden Arbeitslast leidet, das in
den Augen vieler Fachanwälte teils schlampig und willkürlich
entscheidet. Ganz zu schweigen von den Amtsmitarbeitern, die sich oft
beschimpfen lassen müssen. Und über allem steht schliesslich
ein
verschärftes Asyl- und Ausländerrecht, das das Stimmvolk
deutlich
angenommen hat und das entsprechend umgesetzt werden muss.
Vielleicht
trägt eine Härtefall-Kommission zur Entspannung bei.
Vielleicht auch
eine weniger rigide Bewilligungspraxis bei den Härtefällen.
Das Problem
bleibt indes: die Migration und deren sinnvolle sowie ethisch
vertretbare Lenkung und Regelung. Deshalb wird es weiterhin zu
umstrittenen Härtefällen kommen › und zu Aktionen, die auf
die
Missstände hinweisen. Somit dürfte es auch nicht die letzte
Kirchenbesetzung gewesen sein. Allerdings tun die Aktivisten gut daran,
künftige Aktionen auf eine nützliche Frist zu
beschränken. Die 20 Tage
waren eine lange Zeit. Zu lang. Wodurch sie da und dort wichtigen
Kredit für ihr an sich berechtigtes Anliegen verspielt haben.
roman.hodel@limmattalerzeitung.ch
---
BZ 10.1.09
Kolumne
Kirchenbesetzung - höhere Schule der PR
Claudio Zanetti
Claudio Zanetti ist Kantonsrat SVP Zürich
Kirchenbesetzungen durch sogenannte Sans-Papiers sind zum festen
Bestandteil linker Folklore geworden. Wie die Randale am 1.Mai dienen
sie der Verhöhnung und damit der Demontage unseres Rechtsstaats.
Die
Organisatoren verstehen ihr Handwerk. Es fehlt an nichts. Weder an
knackigen Forderungen und Parolen noch an einer Hotline für
Journalisten. Auch bei der Wahl der "Location" und des Zeitpunkts wird
generalstabsmässig vorgegangen. Bevorzugt werden Kirchen in
Kantonen
mit einer schwachen Regierung. Warum zur Weihnachtszeit? Die
Bürger
sollen sich vorkommen wie die hartherzigen Wirte, die Maria und Joseph
einen Platz in der Herberge verwehrten. Die Heilige Familie als
Sans-Papiers? Das ist höhere Schule der PR.
Es verwundert nicht, dass die Bewegung ihren Anfang im linken Basel
nahm. Dort ist man offen für Forderungen wie "kollektive
Regularisierung", "Gleichbehandlung aller in der Schweiz lebenden
Menschen" und "Ausschaffungsstopp". Nächste Etappe auf der "tour
des
églises" war die Waadt, wo im Dezember 2004 die
Valentins-Basilika
besetzt wurde. Mit der Verfügung eines Ausschaffungsmoratoriums
erbrachten die Behörden zuvor den Tatbeweis, dass sie sich
pflichtwidrig weigern, geltendes Recht durchzusetzen. Den betroffenen
Personen erwies man damit freilich einen Bärendienst, denn am Ende
erschwert sich bloss die Situation für alle Beteiligten. Nach
vielen
Jahren ist eine Ausweisung in der Regel tatsächlich unmenschlich.
Umso
mehr gilt es, zu verhindern, dass die Aufenthaltsdauer durch allerlei
Geplänkel in die Länge gezogen wird.
Was die jüngste Kirchenbesetzung in Zürich angeht, so stellt
sich
zunächst die Frage, weshalb so lange zugewartet wurde, um auch in
der
Limmatstadt zu pöbeln. Es kann nicht daran liegen, dass sich mit
Migros-Gutscheinen keine Zugbillette kaufen lassen.
Der Grund ist einzig und allein, dass unter der früheren
Zürcher
Sicherheitsvorsteherin Rita Fuhrer kein Erfolg erwartet werden konnte.
Die Aktivisten mussten damit rechnen, dass in Zürich Bundesrecht
durchgesetzt wird. Offensichtlich beurteilen sie die Situation heute
anders. Von Hans Hollenstein von der CVP erwarten sie ein leichtes
Spiel. Der neue Sicherheitschef konnte sich nicht einmal zu einer
Verurteilung der widerrechtlichen Kirchenbesetzung aufraffen. Ob er im
Falle einer katholischen Kirche die gleiche Zurückhaltung an den
Tag
gelegt hätte, bleibe dahingestellt. Bemerkenswert ist, dass er als
Regierungsvertreter mit der Wiedereinsetzung einer
Härtefallkommission
genau das anbietet, was seine eigene Partei nur wenige Stunden zuvor im
Kantonsrat gefordert hatte. Zufall? Vielleicht. Gewiss kein Zufall ist,
dass er dabei ist, sich über einen klaren Entscheid des ihm
übergeordneten Parlaments hinwegzusetzen. Dieses hat nämlich
klar
gemacht, dass es keine solche Kommission mehr will. Und ebenfalls kein
Zufall, sondern bloss peinlich, ist, dass der Magistrat vor
versammelten Medien einräumen musste, dass er keine Ahnung hat,
weshalb
die Härtefallkommission seinerzeit aufgelöst wurde. Das hat
mit
fehlender Aktenkenntnis und schlechter Vorbereitung zu tun.
Darum hier des Rätsels Lösung: Weil es weder nach altem,
geschweige
denn nach neuem Asylrecht eine Härtefallkommission braucht,
sprachen
sich deren Mitglieder einstimmig für die Aufhebung aus. Die
Möglichkeiten des Rechtswegs wurden dadurch nicht verbaut.
Auch wenn es den Aktivisten missfällt: Beliebigkeit ist der Feind
des Rechts.
leserkontakte@bernerzeitung.ch
---------------
NESTLÉ
---------------
news.ch 10.1.09
Blockade vor Nestlé-Hauptsitz
Vevey VD - Aktivisten haben am Freitag den Hauptsitz des
Nahrungsmittelmultis Nestlé in Vevey VD blockiert. Sie
protestierten
damit gegen die Entlassung des polnischen Gewerkschafters Jacek Kotula
in einer Nestlé-Tochter. (tri/sda)
Kotula sei unter fadenscheinigen Gründen von der
Nestlé-Tochter Alima
Gerber entlassen worden, teilte die Freie ArbeiterInnen Union mit, die
die Aktion durchgeführt hatte. An der Blockade seien 20 bis 30
Personen
beteiligt gewesen.
---
Landbote 10.1.09
Blockade vor Nestlé-Sitz
Vevey - Aktivisten haben gestern den Hauptsitz des Nahrungsmittelmultis
Nestlé in Vevey VD blockiert. Sie protestierten damit gegen die
Entlassung eines polnischen Gewerkschafters bei einer
Nestlé-Tochter.
---
La Liberté 10.1.09
Après un licenciement
Manif devant le siège de Nestlé
Entre 20 et 30 membres d'un groupe anarcho-syndicaliste bernois ont
manifesté hier devant le siège de Nestlé à
Vevey. Ils protestaient
contre le licenciement d'un syndicaliste polonais en septembre dernier.
Selon eux, Jacek Kotula a été renvoyé "de
manière abusive" par la
société Alima Gerber, sous-traitante de Nestlé. ATS
---
Indymedia 9.1.09
Soliaktion vor dem Nestlé Hauptsitz in Vevéy ::
AutorIn : FAU Bern : http://www.faubern.ch
Totalansicht Heute Freitag, den 09.01.2009 haben 20-30 AktivistInnen
den Eingang des Hauptsitzes der Nestlé SA in Vevey blockiert.
Dies
geschah als solidarische Aktion mit dem polnischen Gewerkschafter Jacek
Kotula, welcher am 5.September von der Nestlé-Tochterfirma Alima
Gerber
S.A. unter fadenscheinigen Gründen entlassen wurde. Jacek Kotula
strengte daraufhin einen Gerichtsprozess gegen jene
Nestlé-Tochtergesellschaft an, welcher am 19. Januar in
Rzeszów (Polen)
in die zweite Runde geht.
Der offizielle Grund, der von Alima Gerber S.A. für die Entlassung
angegeben wurde, war dass Jacek Kotula den Interessen der Firma
geschadet habe. Dies soll bei einem Gespräch mit einem
Bauernvertreter
geschehen sein. Jacek Kotula informierte ihn,dass Alima Gerber S.A.
Äpfel aus Italien kaufe, statt diese bei den lokalen Bauern zu
kaufen.
Alima Gerber wirft Jacek Kotula vor, er habe die höchst
möglichen
Preise durchsetzen wollen und so den Interessen der Firma geschadet.
Dieselbe Geschichte wird vom Alima-Gerber-Management auch benutzt, um
Lohnverhandlungen abzuschmettern, da die Firma aufgrund der
höheren
Preise nicht in der Lage sei, die Löhne von 350 € netto auf 490 €
anzuheben und dass alles die Schuld von Jacek Kotula sei.
Als Jacek Kotula erfuhr, dass er nach 16 Jahren Arbeit bei der
Nestlé-Tochterfirma Alima Gerber entlassen wurde, erlitt er
einen
Kreislaufkollapps und war eine Woche im Spital. Während dieser
Zeit
wurden seine Frau und Kinder auf massive und dreiste Art und Weise
bedrängt, das Entlassungsschreiben anzunehmen. Da keine dieser
Versuche
erfolgreich waren, wurde Jacek Kotula offiziell am Warschauer Flughafen
auf dem Weg zu einem Gewerkschaftskongress entlassen.
Wir werden Versuche von Firmen und Institutionen, weltweit
Gewerkschaften zu zerschlagen, nicht hinnehmen. Jacek Kotula hat in
einem Interview mit der polnischen Basisgewerkschaft ZSP betont, dass
die einzige Waffe polnischer Gewerkschafter westliche Medien und
solidarische Organisationen sind. Aus diesen und den oben genannten
Gründen organisierte die FAU Bern die genannte Blockade vor dem
Nestlé-Hauptsitz.
To szefa potrzebuje ciebie, nie ty szefa!
(Dein Chef braucht Dich, Du ihn nicht!)
An injury to one, is an injury to all!
Mehr Infos:
www.faubern.ch
www.zsp.bzzz.net
---------
WEF
---------
NZZ 10.1.09
WEF-Vorbereitungen bei Schnee und Kälte
Associated Press (ap)
Davos, 9. Jan. (ap) Die Vorbereitungen für das
Weltwirtschaftsforum
(WEF) in Davos von Ende Monat sind bei Schnee und eisiger Kälte in
vollem Gange. Die Sicherheitsvorbereitungen für den Anlass vom 28.
Januar bis 1. Februar laufen nach Fahrplan, wie Daniel Zinsli, Sprecher
der Bündner Kantonspolizei, auf Anfrage sagte. Bis jetzt gebe es
keine
Hinweise auf besondere Geschehnisse. Die Vorbereitungen bewegten sich
deshalb im Rahmen der Vorjahre. Wie üblich kann die Bündner
Polizei auf
die Unterstützung anderer Korps und der Armee zählen.
Für das
Sicherheitsdispositiv steht dieses Jahr ein Budget von rund acht
Millionen Franken zur Verfügung, das vom Bund zu drei Achteln, vom
Kanton Graubünden und vom WEF zu je zwei Achteln und von der
Gemeinde
Davos zu einem Achtel übernommen wird.
Auch rund 125 Armeeangehörige helfen derzeit bei den
Aufbauarbeiten
mit. Insgesamt leisten vom 19. Januar bis zum 2. Februar maximal 5000
Armeeangehörige einen Assistenzdienst-Einsatz. Die Luftwaffe
gewährleistet die Sicherheit im Luftraum und führt
Überwachungsflüge
und Lufttransporte durch. Dabei arbeitet sie mit Österreich
zusammen.
Für die Armee verursacht der Einsatz für das
Weltwirtschaftsforum
gegenüber den normalen Wiederholungskursen voraussichtlich
Mehrkosten
von rund zwei Millionen Franken.
Bereits rüsten sich auch die WEF-Gegner. Während in
Davos selbst bis
am Freitag noch kein Bewilligungsgesuch für eine
Anti-WEF-Demonstration
eingegangen war, wird in mehreren Schweizer Städten zu
Protestveranstaltungen aufgerufen. Wie bereits in früheren Jahren
findet in Bern am 17. Januar eine Tanzparade statt. Die Veranstaltung
unter dem Motto "Dance out MoneyMania" sei bereits bewilligt, sagte
Marc Heeb von der Orts- und Gewerbepolizei. Auch in Zürich gibt es
bis
Ende Januar jeden Donnerstag eine Anti-WEF-Tanzparty.
Bewilligungsgesuche für Demonstrationen lagen bis am Freitag aber
noch
nicht vor.
---
Bund 10.1.09
Wege aus der Krise gesucht
Mehr als 40 Staats- und Regierungschefs am Weltwirtschaftsforum WEF
erwartet
Das World Economic Forum (WEF) stösst dieses Jahr auf
beispielloses
Interesse. In Davos werden vom 28. Januar bis zum 1. Februar unter
anderem Angela Merkel und Wladimir Putin erwartet.
Das diesjährige WEF sei noch aussergewöhnlicher als jenes von
2002, das
nur wenige Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001
in
New York stattfand, sagte der Präsident und Gründer des WEF,
Klaus
Schwab, in einem Interview mit der Westschweizer Zeitung "Le Temps" vom
Freitag.
Angesichts der "Karambolage auf der Autobahn der Globalisierung" habe
das Forum in Davos die Rolle des Genesungsheims. Denn wegen der
weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise befinde man sich "in der
aussergewöhnlichsten Situation, die wir je erlebt haben". "Wir
spüren
einen grossen Druck, Antworten auf die Fragen zu finden, die sich die
Teilnehmer stellen", sagte Schwab. Die 39. Veranstaltung finde unter
dem Motto "Die Welt nach der Krise gestalten" statt und wolle
Perspektiven für Auswege aus der Krise aufzeigen. "Ohne diese
kommen
wir da nie raus."
In Davos dürften Ende Januar doppelt so viele Staats- und
Regierungschefs eintreffen wie sonst üblich. Darunter
befänden sich die
deutsche Bundeskanzlerin Merkel, der russische Regierungschef Wladimir
Putin und der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao. Auch der
französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der
britische
Premierminister Gordon Brown würden eventuell anreisen.
Grosse Aufmerksamkeit werden dieses Jahr die Zentralbanker und die
Wirtschaftsführer erhalten. Denn im Zentrum des Interesses wird
die
Finanz- und Wirtschaftskrise stehen.
Wachstum des WEF bremsen
Das Weltwirtschaftsforum WEF kennt keine Krise. Trotz dem Einbruch an
Finanzmärkten und in der Weltwirtschaft sei das WEF seit dem
Sommer
weiter gewachsen, sagte WEF-Gründer Klaus Schwab gegenüber
"Le Temps"
weiter. "Wir wollen unsere Mitgliederzahl nicht ausweiten", sagte der
70-Jährige, der die Organisation 1971 ins Leben rief. In Davos
habe das
WEF die Kapazitätsgrenzen erreicht, "denn wir wollen, dass
mindestens
die Hälfte der Teilnehmer nicht aus der Wirtschaftswelt kommt." In
Genf
baut das WEF für 28 Mio Franken ein neues Gebäude. Von den
rund 350
Mitarbeitenden seien 280 in Genf tätig. "Wir wollen nicht
darüber
hinausgehen und möchten das Wachstum der letzten Jahre bremsen",
sagte
Schwab. (sda)
---------------------
ANTI-ATOM
---------------------
Südostschweiz 11.1.09
US-Firma Hyperion lanciert Kernkraftwerk im Mini-Format
Ein Atomkraftwerk so gross wie ein Jeep will in die Garagen der Welt.
Die Mini-Anlage der US-Firma Hyperion soll bis zu 100 000 Menschen acht
Jahre lang mit Strom versorgen können. Und sie sei so gut wie
ungefährlich, heisst es.
Von Yvonne von Hunnius
Das Atomkraftwerk im Mini-Format soll wie eine Batterie funktionieren.
Atomkritikern läuft bei dieser Beschreibung ein kalter Schauer
über den
Rücken, doch Hyperion-Chef John Deal aus New Mexico beschreibt die
Funktionsweise seines neuen Mini-Atomkraftwerks mit dieser
Harmlosigkeit. Schon 2013 will Hyperion mit der Auslieferung beginnen.
Rumänien und die Tschechische Republik haben bei einem Preis von
maximal 30 Millionen Dollar bereits zugegriffen. Für Deal ist das
aber
erst der Anfang: "Zunächst bauen wir 4000 Stück, doch wir
sehen einen
Bedarf von 500 000 auf lange Sicht", sagt er.
Transport mit Sattelschlepper
Das Atomkraftwerk, das kleiner als ein gängiger Jeep sein soll,
wird 20
000 bis 100 000 Haushalte für acht Jahre mit Strom versorgen
können. 25
Megawatt Elektrizität werden voraussichtlich produziert. Zum
Vergleich:
Ein moderner finnischer Reaktor schafft 1600 Megawatt Elektrizität
und
kostet etwa sechs Milliarden Dollar. Seit Jahrzehnten forscht man an
diesem Kraftwerk im amerikanischen Los Alamos. Richtig gelesen: Im
Forschungszentrum, in dem die erste Atombombe entstand, wird heute an
dieser Anlage gearbeitet. Mit offizieller Erlaubnis der amerikanischen
Regierung.
Nur sechs Monate sollen letztlich zwischen Auftrag und Auslieferung
liegen - Warteliste nicht mit eingerechnet. Mit einfachen
Sattelschleppern werden die 1,5 mal zwei Meter grossen Energie-Pakete
in ihre neue Heimat transportiert - das verhältnismässig
geringe
Gewicht von 20 Tonnen macht das "Kraftwerk to go" möglich. Dass
kein
Schienenverkehr nötig ist, stellt sich als grosser Vorteil heraus,
denn
gerade für Gegenden mit unzureichender Infrastruktur ist das
Kraftwerk
gedacht. Auch Staaten der Dritten Welt sind somit potenzielle Abnehmer.
Eine weitere Zielgruppe stellen Industrieunternehmen dar, die stabile
und autarke Energieversorgung anstreben.
Die Inbetriebnahme soll ebenso unkompliziert sein wie der Transport.
Nur in die Erde eingegraben werden muss Hyperion. Denn: Er ist sehr
heiss! Dazu kommt, dass im Boden vergrabene Kraftwerk für
potenzielle
Diebe und Terroristen überhaupt nicht attraktiv sind.
Demgegenüber
benötigen reguläre Reaktoren als Schutz 2,6 Meter dicke
Betonwände.
Ethische Vorbehalte
Dass eine solche Anlage in Ländern mit guter Infrastruktur wie
Deutschland, Österreich oder der Schweiz in Betrieb genommen wird,
hält
der renommierte Energietechnik-Spezialist ETH-Professor Wolfgang
Kröger
für unwahrscheinlich. Doch es sei keineswegs abwegig, ein
Kraftwerk
kleinen Ausmasses zu bauen, das nur geringe Gefahren berge, sagt er.
"Studien über Anlagen für die Stromversorgung kleinerer
Einheiten - so
genannten Insellösungen - laufen seit Jahrzehnten, und die
Unfallgefahren können unter Nutzung von Naturgesetzen nahezu
eliminiert
werden. Aber natürlich sind ethische Vorbehalte gegen ein
Atomkraftwerk
in jeder mittelgrossen Stadt immer ernst zu nehmen", sagt Kröger.
Mit ethischen Vorbehalten hat Deal allerdings nicht bei vielen Kunden
zu kämpfen. Die Käufer stehen angeblich Schlange. Denn Deal
verspricht,
dass seine neue Anlage gegen einen Tschernobyl-Effekt gefeit sei -
beziehungsweise keine atomare Kettenreaktion durchlaufen könne.
Grund
hierfür sei der Kernbrennstoff UranHybrid, bei dem eine
überkritische
Kettenreaktion, wie sie im Falle einer Atombombe oder eines
Reaktivitäts-Reaktorunfalls vonstatten gehe, nicht möglich
sei.
Ausserdem kühle sich das Material sehr schnell ab. Deal vermutet
hinter
der Erfindung des Stoffs eine höhere Macht: "Gott muss diese
chemische
Komposition erfunden haben, damit daraus der perfekte Brennstoff wird."
Grosse Worte, die ein Konzept umschreiben, das Hyperion inzwischen
patentieren liess. Der Wissenschaftler Otis Peterson hat die Verwendung
des Stoffs für die Energiegewinnung in Los Alamos lange untersucht.
"Für kriminelle Zwecke hat Hyperion keinerlei Nutzen", sagt Deal.
Zumindest sind enorme Umstände damit verbunden. Professor
Kröger meint
dazu: "Ganz ausschliessen kann man eine unlautere Verwendung nie. Doch
Materialien können so produziert werden, dass die
Wahrscheinlichkeit
tatsächlich sehr gering ist."
Müllentsorgung inklusive
Nach ungefähr zehn Jahren ist das Kraftwerk "leer" und muss zum
Recycling zurück nach Amerika. Der Atommüll beläuft sich
pro Einheit
zwar nur auf die Grösse eines Fussballs - entsorgt werden muss er
dennoch. Das Prinzip der Zurücknahme des Stoffs begrüsst
Professor
Kröger in gewisser Hinsicht: "So wird der illegalen
Weiterverbreitung
entgegengewirkt. Wenn Staaten wie die USA, die offiziell Atomwaffen
besitzen, angereicherten Brennstoff liefern und abgebrannten
zurücknehmen, kann man auf effiziente Regulationen hoffen." Sonst
müssten die Staaten selbst Uran beschaffen und anreichern, was
heikel
sei. Andererseits entstünden wieder Abhängigkeiten von den
Lieferstaaten, sagt Wolfgang Kröger. Selbst wenn prinzipielle
Bedenken
beiseite geschoben werden, macht Atomkraft nicht völlig
unabhängig -
trotz Insellösungen bleibt die Welt vernetzt.
--
Auch andere sind dran
Die deutsche Temme AG veröffentlichte im letzten Frühjahr
Pläne für ein
kleineres Kraftwerk zur Ergänzung alternativer Energien. Es macht
sich
Abwärme des natürlichen Zerfalls eines radioaktiven Isotops
zur
Energiegewinnung zunutze.
Der Betreiber aller russischer Kernkraftwerke Rosenergoatom entwickelt
gerade schwimmende Kernkraftwerke, die an der Küste des Weissen
Meeres
stationiert sind und die Städte im hohen Norden des Riesenlandes
mit
elektrischer Energie versorgen sollen.
Die japanische Firma Toshiba hat seit einigen Monaten einen kleinen
Reaktor entwickelt, der zur Energieversorgung von
Apartmentgebäuden und
Wohnblocks dienen soll. (yh)
---
BZ 10.1.09
Nagra
Der endlose Weg zum Grab im Fels
Seit 36 Jahren erinnert uns die Nagra unangenehm an die giftige
Hinterlassenschaft unseres Stromkonsums. Erfolglos sondierte sie bisher
für ein Atommüllendlager, das keiner bei sich haben will. Nun
beginnt
die Standortsuche von vorn. Hans Issler, langjähriger
Nagra-Präsident,
rechnet in Jahrmillionen und bleibt stoisch.
Verborgen in einer Felskaverne, tief unter dem Grimselpass parkt ein
überlanges Gefährt. Das Geleise, auf dem es rollt, hat nur
eine
Richtung: weiter hinein in den Berg, in einen mannhohen, 50 Meter
langen Stollen. An dessen Ende ruht ein 100 Grad heisser Behälter
im
Fels. Dessen Inhalt liegt in Bentonit, einem aufquellenden
Vulkangestein, das sich eignet, um hochgefährliches Material
einzuschliessen: den radioaktiv strahlenden Abfall aus Atomkraftwerken.
Im Berg unter der Grimsel
"Keine Angst, hier gibt es keine Strahlung", entwarnt Heinz Sager.
Einen Schutzanzug braucht er in der Kaverne nicht. Denn Wagen, Stollen
und künstlich erhitzter Abfallbehälter sind bloss Attrappen
ohne reale
Abfälle. Sager ist der Sprecher der Nationalen Genossenschaft
für die
Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra). Diese betreibt unter der
Grimsel
ein Felslabor. 450 Meter dick türmt sich darüber der Granit.
In den
Berg fährt ein Nagra-Bus durch einen endlos geraden Tunnel, der
für das
Pumpspeicherwerk der Kraftwerke Oberhasli (KWO) gebaut wurde. Mitten im
Berg folgt ein Abzweiger in das System der kreisrunden Nagra-Stollen.
Vor 25 Jahren hat sie eine Tunnelbohrmaschine in den Fels gefräst.
Sager erklärt, wie ein reales Endlager für Atommüll
funktionieren
würde. Das Gefährt sei, symbolisch formuliert, so etwas wie
ein
Sargwagen, der bis zu 25 Tonnen schwere, mehrere Meter lange Sarkophage
mit ausgebrannten AKW-Brennstäben für mehrere tausend Jahre
ins
Felsgrab fahren würde.
Während gut 100 Jahren sind die Behälter mit hoch
radioaktiven Abfällen
100 Grad heiss. 200000 Jahre vergehen gar, bis die Strahlung auf eine
in der Natur vorkommende Intensität zurückgeht, die den
menschlichen
Körper nicht mehr schädigt. Bei schwach und mittel aktiven
Abfällen
dauert es immer noch 30000 Jahre. Im Felslabor unter der Grimsel
erforscht die Nagra, wie sicher der Fels die heisse Ware abschotten
würde.
Gefährliche Provisorien
Noch gibt es auf der ganzen Welt kein einziges Tiefenlager für
hoch
radioaktive Abfälle. Aber mehrere für schwach- und
mittelaktive - in
Frankreich, Finnland, Schweden, England oder Spanien. Was es in
zahllosen Ländern gibt, sind Tonnen von strahlendem Abfall aus
laufenden Atomkraftwerken. Dieser Müll harrt einer dauerhaft
sicheren
Lagerung. In Deutschland werden die Fässer, in denen schwach
aktive
Abfälle mit Beton vermengt sind, provisorisch in leer stehenden
Salzbergwerken abgestellt. Etwa im niedersächsischen Gorleben und
Asse.
Salz verschliesst Grotten mit der Zeit. Aber leere Salzbergwerke
füllen
sich auch mit Wasser. In Asse ist kontaminiertes Wasser festgestellt
worden, was einen Skandal auslöste. Wasser ist der Feind eines
Atommülllagers. Es könnte Radioaktivität an die
Oberfläche spülen.
In der Schweiz sind die strahlensicheren Lagerbehälter im
Zwischenlager
Würenlingen oberirdisch in einer Halle gestapelt. Im Grossraum
Zürich,
unweit vom Flughafen Kloten.
Schlechtes Gewissen
Um dieses Provisorium zu beenden, lanciert der Bund auf Grund eines
bundesrätlichen Sachplans die Suche nach einem Standort für
ein
geologisches Tiefenlager neu. Die Zahl der Standorte soll schrittweise
eingeengt werden, in Zusammenarbeit mit Kantonen, Gemeinden und
Bevölkerung. Im November hat die Nagra sechs mögliche
Standortgebiete
in den Kantonen Solothurn, Aargau, Zürich, Schaffhausen und
Nidwalden
bekannt gegeben. Der Aufschrei war gross. An den Infoanlässen
erschienen Protestierende mit Transparenten.
Wo die Nagra auch auftritt, gibt es ein Geschrei. "Wir bieten ein
Produkt an, das kaum einer vor seiner Haustür will", gibt
Nagra-Sprecher Sager unumwunden zu. Das Kürzel der Entsorger hat
einen
unangenehmen, mahnenden Klang. Die Nagra erinnert uns an die gern
verdrängte, gefährliche Hinterlassenschaft unseres
hemmungslosen
Stromverbrauchs. Die Nagra ist ein dauernder Appell an das schlechte
Gewissen.
Atomstrom braucht jeder. Dass man Atommüll sicher lagern sollte,
ist
unbestritten. Aber keine Region will das ominöse Endlager
beherbergen.
Abfall ist negativ besetzt. Atomabfall erst recht, die unsichtbare
Radioaktivität macht Angst. Will ein Politiker wiedergewählt
werden,
kann er sich nicht für ein Endlager einsetzen. Niemand geht
für ein
Endlager auf die Strasse. Nur dagegen.
Seit ihrer Gründung 1972 sondiert die Nagra und erforscht den
Untergrund. 1985 glaubte die Genossenschaft der Atomkraftwerkbetreiber,
sie sei am Nidwaldner Wellenberg am Ziel. Die Standortgemeinde
Wolfenschiessen, die reich entschädigt worden wäre, hiess das
Projekt
gut. Die Kantonsbevölkerung sagte Nein. Das Kernenergiegesetz von
2005
zog unter alle Projekte einen Schlussstrich. Alles beginnt nun von
vorn. Seit 37 Jahren scheint die Nagra keinen Schritt voranzukommen.
Trügerischer Granit
Thomas Spillmann geht mit hallenden Schritten voraus. Der
Nagra-Geophysiker streicht über die glatte Wand im Felslabor.
"Sehen
Sie, wie wunderschön der Granit hier ist, seine kristalline
Struktur
ist unversehrt. An der Oberfläche wäscht die Erosion den
Granit aus."
Spillmann führt zu einer zweiten Endlagerattrappe, wo ein Zylinder
von
1½ Metern Durchmesser senkrecht im Granit steckt.
Atommüll wird nie unter der Grimsel gelagert werden. Denn im
Granit
können Spalten und Klüfte aufbrechen, erklärt Spillmann,
durch die fein
und langsam Wasser rinnt. Die Nagra kann im Granit dennoch viel lernen.
In die Stollenwände sind Rohre eingeführt für
Experimente mit Druck und
Fliesstempo des Wassers. In einem versperrten Seitenstollen ist gar
radioaktives Material im Felsen eingeschlossen, in minimalster
Dosierung. Das Grimsel-Labor ist ein Ort, wo Endlagerforscher aus
Skandinavien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Kanada oder Japan an
einem internationalen Standard des Lagerungswissens arbeiten.
Perfekter Opalinuston
Die Nagra ist im Mont Terri oberhalb des Jurastädtchens St-Ursanne
an
einem zweiten Felslabor beteiligt. Dort findet man den Opalinuston, der
wie kaum ein anderes Gestein stabil und wasserdicht ein- und
abschliesst. "Dank dem Opalinuston sind wir in der geologischen
Champions League", sagt Spillmann. Nur Gasblasen, die beim Rosten der
Müllfässer entstehen und den Ton verzerren könnten,
bieten noch ein
Restproblem. Opalinuston findet sich an den meisten Standorten, die die
Nagra nun vorschlägt.
Bevor wir im Nagra-Bus aus dem Berg fahren, erteilt Spillmann noch eine
Erdgeschichtslektion. An der Stollenwand hängt eine Zeittafel.
Ganz
links beginnt vor über 4 Milliarden Jahren die Erdgeschichte. 3
Meter
weiter rechts spucken Vulkane vor 300 Millionen Jahren den
Grimselgranit aus. Weiter rechts lagert das Jura-Urmeer den Opalinuston
ab. "Seit 180 Millionen Jahren liegt er stabil, ohne von Faltungen oder
Erdbeben beeinträchtigt worden zu sein", sagt Spillmann. Also
könne man
annehmen, dass er für eine weitere Million Jahre ein sicherer Ort
für
ein Endlager wäre.
Isslers Zeitrechnung
Diese übermenschliche Zeitrechnung ist für Hans Issler in der
Nagra-Zentrale in Wettingen AG Routine. Er blickt selber auf eine
enorme Ära zurück - jedenfalls nach menschlichen
Massstäben. Physiker
Issler (65,) begann 1977 als erster Geschäftsführer der
Nagra. 32 Jahre
lang hat er die Institution verkörpert.
Wieso sucht er nach einem Standort für ein Endlager, das niemand
will?
Wieso akzeptiert er nicht das Zwischenlager Würenlingen, das
hingenommen wird, als definitive Lösung? Issler gibt jetzt eine
Kostprobe seines Langzeitdenkens. "Was kommt in der nächsten
Million
Jahre auf uns zu?", fragt er, "Ein Weltkrieg, eine Eiszeit?" Da
vertraue er lieber auf geologische Stabilität im Untergrund als
auf
gesellschaftliche Stabilität an der Erdoberfläche.
"Ewige Perspektive plus grosse Verantwortung sind für mich
eine
Herausforderung", sagt Issler. Enorme Zeithorizonte mit der
kurzfristigen Denkweise der Politik zu verbinden, das reize ihn. Die
Entsorgung des radioaktiven Abfalls sei eine Zukunftsaufgabe, die wir
aus Verantwortung gegenüber künftigen Generationen nachhaltig
lösen
müssten. Wie die Bewältigung des Klimawandels.
Sisyphus Issler
Sein Endlagerprojekt kommt aber schier langsamer voran, als
Radioaktivität zerfällt. Issler kann einem vorkommen wie der
leibhaftige Sisyphus aus der Sage, dessen Stein runterfällt, wenn
er
ihn den Berg hochgerollt hat. Frustriert ihn das? "Ich bin in Davos
aufgewachsen, ich bin ein beharrlicher Bergler", erwidert Issler mit
einem Lächeln. Sisyphus? Er ist eher ein Stoiker.
Hat er aus den 32 Jahren, in denen seine Organisation eine Milliarde
Franken verforschte und nie etwas baute, überhaupt Erfolge
vorzuweisen?
Issler legt jetzt ein A4-Blatt auf den Tisch. "Highlights in 30 Jahren"
steht darauf. Über die wichtigsten referiert er kurz. Die Nagra
habe
das Inventar über alle vorhandenen und noch anfallenden
Nuklearabfälle
aufgearbeitet und kenne die Geschichte jedes Schweizer Fasses mit
Atommüll. 1988 habe der Bundesrat den Entsorgungsnachweis für
ein Lager
mit schwach und mittel aktiven Abfällen anerkannt, 2006 auch den
für
ein Lager mit hoch aktiven Abfällen im Opalinuston. Der
Entsorgungsnachweis ist die geologische Lizenz zur Endlagerung. Bevor
die Nagra die Lizenz einlösen kann, muss sie nun einen jahrelangen
demokratischen Hürdenlauf überstehen.
Atomenergie in Misskredit
Hans Issler blendet jetzt zurück in die Anfänge der
Nagra, um
verständlich zu machen, warum ihre politische Zeitrechnung
voreilig
war. Erste Lagerpläne seien in den 1970er-Jahren aus einem Geist
der
technischen Machbarkeit geboren worden. Die Schweiz hatte in Beznau und
Mühleberg erste Atomkraftwerke in Betrieb genommen und baute
weitere.
1985, so habe man gerechnet, sei das Lager für mittel aktive
Atomabfälle realisiert.
Die Atomenergie stiess bald auf grossen Widerstand. 1969 wurde der
Versuchsreaktor in Lucens VD durch einen schweren Unfall zerstört.
Ab
1975 wurde das Gelände des geplanten und nie gebauten AKWs in
Kaiseraugst bei Basel von Gegnern besetzt. 1985 passierte im
ukrainischen Tschernobyl die bisher schwerste Reaktorkatastrophe.
Zugang offen lassen?
Skepsis erwuchs auch gegenüber der Entsorgung. Seit Ende der
1970er-Jahre verpflichten Staatsverträge ein Land, die bei der
Wiederaufbereitung im Ausland anfallenden Abfälle
zurückzunehmen.
Früher wurden schwach aktive Abfälle im Nordatlantik
versenkt. Als eine
UNO-Resolution das verbot, wurden geologische Lager favorisiert.
Issler zeichnet jetzt mit ein paar Strichen die
Erdoberfläche, einen
Kirchturm, ein paar Häuser. Es könnte ein Dorf im
Zürcher Weinland
sein, an der Grenze zu Deutschland, wo der Opalinuston ideal liegt.
Issler macht eine Schlangenlinie. Das ist der Zugangsstollen zum
Endlager in etwa 600 Metern Tiefe. Von dort gehen Stollen weg zu den
eingelagerten Behältern. Die Stollen würden gefüllt und
verschlossen.
Noch ist umstritten, ob der Zufahrtsstollen offen bleiben würde,
um die
Abfälle allenfalls später herauszuholen. Wäre das Lager
voll, würde es
von Messinstrumenten weiter überwacht. Alles im Griff also?
Unklar sei noch, sagt Issler, wie man die Erinnerung an unsere
Nachkommen in 100000 Jahren weitergebe, dass sich unter ihrer Siedlung
ein Tiefenlager befinde. Soll man oben sichtbare Warnzeichen
aufstellen? Oder nicht, weil das zu dummen Gedanken verleiten
könnte?
130 Einfamilienhäuser
Bis etwa im Jahr 2030 und 2040 sollen je ein Lager für hoch und
mittel
aktive Abfälle oder ein Kombilager gebaut sein, prognostiziert
Issler
vorsichtig. Das Endlager muss enorme 100000 Kubikmeter fassen. Das
entspricht dem Volumen von 130 Einfamilienhäusern. So viel
hochgiftigen
Müll werden wir laut Issler produziert haben, wenn die heutigen
AKW
nach 60 Jahren auslaufen und auch ihre verstrahlten Trümmer
entsorgt
werden müssen.
Etwa sieben Milliarden Franken werde Projektierung, Bau und Betrieb der
Endlager kosten. Dass sich der Betrag wie beim Neat-Alpentunnel
vervielfachen könnte, relativiert er: "Wir würden in
berechenbarem
Grund bauen und nicht in einer instabilen Piora-Mulde."
Klimawandel für AKW?
Angesichts der drohenden Stromlücke werden heute wieder neue
Atomkraftwerke geplant. Die Schweizer AKW-Betreiber haben eben
Rahmenbewilligungsgesuche für drei Standorte eingereicht. Und der
Atomstrom, der ohne CO2-Ausstoss produziert wird, gilt in der
Klimadebatte als saubere Energieform. Spürt Hans Issler Auftrieb
für
das Endlagerprojekt?
Es gebe heute eine kritische Haltung gegenüber Grossprojekten,
sagt er.
In der Anfangszeit der Nagra seien Projekte unbekümmert angepackt
und
mit wenig Beschwerden belegt worden. Trauert er dieser Zeit nach?
"Einfacher war es schon." Aber Widerstand fordere einen auf, das
Projekt zu verbessern, sagt der beharrliche Optimist.
Njet von Rot-Grün
Isslers härteste Widersacher sind SP und Grüne, die eine
Zustimmung zu
einem Endlager nur gegen eine Garantie geben wollen, dass die Schweiz
aus der Atomenergie aussteigt. "Wer Kernenergie nutzt, muss sich um die
Entsorgung kümmern. Wir haben diesen Abfall schon, es ist
unverantwortlich zuzuwarten", findet Issler. Er vermutet, dass die
Ablehnung eines Endlagers auch damit zu tun hat, dass Rot-Grün
fürchtet, eine funktionierende Entsorgung könnte die
allgemeine
Akzeptanz der Atomenergie erhöhen.
Issler weiss: Ohne Zustimmung des Schweizervolks kann ein Endlager nie
gebaut werden. Wird es so weit kommen? Die Standortsuche sei optimiert
worden, erklärt er. Man berechne auch wirtschaftliche,
touristische,
gesellschaftliche Einbussen. Und man werde nicht nur die
Standortgemeinde, sondern eine Region entschädigen.
In etwa 10 Jahren wird der Bundesrat die Standorte festgelegt haben.
Dies unterliegt dem Referendum. Der Urnengang wird eine Stunde der
Wahrheit sein, in der sich die Stimmbürger ihrer verdrängten
Hinterlassenschaft stellen müssen. Issler hofft auf die Vernunft
der
Schweizer - "und auf das Ende der Vogel-Strauss-Politik".
"Ich bin kein Prophet"
Wird er an der Eröffnung des Endlagers dabei sein? Er rechnet
nach, wie
alt er dann wäre. "Es wäre schön", sagt er. Vorher muss
Issler die
Schweizer überzeugen, dass ein Endlager auch noch in 1 Million
Jahren
sicher wäre. "Wir haben den Nachweis erbracht, dass die
Sicherheitsziele eingehalten werden können", sagt er. Ein
Restrisiko
könne er aber nicht ausschliessen. "Ich bin kein Prophet. Wir
entwerfen
mit heutigem Wissen Szenarien für weite Zeiträume."
Stefan von Bergen
Der Autor: Stefan von Bergen (stefan. vonbergen@bernerzeitung.ch) ist
"Zeitpunkt"-Leiter.
•www.nagra.ch