MEDIENSPIEGEL 15.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Tour de Lorraine
- Lorraine-Buch
- Burgundergrund auf Lokalsuche
- Dealer-Arzt
- Erich Hess bedenklich
- Sans-Papiers ZH, VD
- Wegweisung LU
- Obdachlos ZH, LU
- Anti-WEF: Demoaufrüstung GE, WEF-Vorbereitungen
- Razzia-Tipps von der Handelszeitung
- Anti-Atom: Endlager-Protest, Utikon, Atommülllager Asse, AKW-Abstimmung
- Gaza + Israels Linke
- Griechenland: Weitere Proteste
- Gipfel-Soli-News 13.+14.1.09

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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Do 15.1.09
20.30 Uhr - Kino - UNCUT: Fashion Victims - Reine Geschmackssache, I. Rasper, D 2007, 100 Min.

Fr 16.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Bloup von Duo Luna-tic. Judith Bach & Stéfanie Lang
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: Der Duft des Geldes, Dieter Gränicher, Schweiz 1998
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: Apparatschik (D) & DJ Mario Batkovic (BE)

Sa 17.1.09 - tourdelorraine.ch
20.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: giù le mani, Danilo Catti
21.45 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: von katzen und menschen - und der kunst des nutzlosen, Yael André
23.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: eine andere welt ist pflanzbar
00.30 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: ohne worte - der 6. oktober 2007 in bern, Hansdampf
01.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: the swamp collection, Jonas Raeber
22.00 Uhr - Tojo - Tour de Lorraine: Tojo Disko mit DJ Pablo
22.00 Uhr - Frauenraum - Tour de Lorraine: HUMAN TOYZ (Paris/F) und COPY&PASTE (Burn/CH)
22.00 Uhr - Dachstock - Pompelmoessap VD, Balduin BE, Meienberg BE, DJ Jane Vayne - minimal, electro, electrique camambert avantgarde, IDM-electronic, broadspectrum
22.00 Uhr - SousLePont - Tour de Lorraine: Flimmer (Psy-Core, BS) & André Duracell (One-Man-Drum-Show, FR) ONE SECOND RIOT (F)

So 18.1.09
05.00 Uhr - SousLePont - Katerfrühstück mit Zeno Tornado Solo (Bluegrass/Country, BE)

Infos: www.reitschule.ch

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TOUR DE LORRAINE
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Bund 15.1.09

Tour de Lorraine

Ausgeweitete Kulturzone

Da das Publikumsaufkommen an der Tour de Lorraine seit der Erstaustragung im Jahr 2000 stetig gewachsen ist, haben die Veranstalter irgendwann ganz einfach den Begriff Lorraine ein bisschen erweitert. So sind es heute zehn Bars, Clubs und Kinos im erweiterten Umfeld der Lorraine-Brücke, in welche an diesem Abend für ein einziges 25-Franken-Ticket Einlass gewährt wird. Während die Brasserie Lorraine eher auf musikalischen Sauglattismus setzt und das Restaurant O'Bolles eine Party-Coverband aufbietet, finden sich die programmatorischen Höhepunkte zum Beispiel in der Progr-Turnhalle.

Hier geht die 13-köpfige Berliner Gipsy-Kapelle Casino Gitano zu Werke (22 Uhr), im "Kairo" spielen die international erprobten Berner Country-Helden Slam & Howie And The Reserve Men auf (21.30), während im "Sous le Pont" der spleenige André Duracell zur Attraktion gedeihen dürfte (23.45). Der in Lyon gestrandete Engländer steuert mit seinem Schlagzeug diverse Synthesizer an und mutiert zu einer muskulösen, fleischlichen und reichlich psychedelischen Schlagzeugmaschine.

Auf andere Schlagzeugmaschinen setzen die aufgekratzten Pariser Elektro-Punkerinnen Human Toys (0.30), die zusammen mit den Bernern Copy&Paste (23 Uhr) den Frauenraum der Reitschule beschallen. (ane)

Diverse Orte
Samstag, 17. Januar. Gesamtes Programm: www.tourdelorraine.ch.

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kulturagenda.be 15.1.09

Von der Lorraine zu den Bausünden an Spaniens Küste

Zwischen der Reitschule und dem Café Kairo wird an der Tour de Lorraine vor allem eines: in den Morgen getanzt. Mit der Vorpremiere von Erwin Wagenhofers Dokumentarfilm "Let's make Money" findet ein Höhepunkt im Kino statt.

Erwin Wagenhofers Timing könnte besser nicht sein. Just als die Wirtschaftskrise sich mit Donnergrollen in den Börsen der Finanzmetropolen bemerkbar machte, brachte der Wiener Filmer seine Doku "Let's Make Money" in die Kinos Österreichs und Deutschlands, mit dem er die Machenschaften zeigt, die zum Platzen der Blase führten. Doch zynisch genug war er nicht, deswegen eine Flasche Schampus zu entkorken, sagt er zumindest: "Über diese Katastrophe kann sich keiner freuen."
Ihn konnte die Krise nicht verwundern: "Während der letzten drei Jahre, als der Film entstand, haben meine Interviewpartner in einem fort von der Wirtschaftskrise gesprochen." Für ihn ist sie auch eine Gesellschaftskrise, "weil wir zulassen, dass die Gewinne privatisiert und die Risiken sozialisiert werden".

Auch politisch Bewegte wollen ihren Spass

"Stop the Game" ist die Losung der 9. Ausgabe der Tour de Lorraine. Das Festival ist vor acht Jahren darum entstanden, weil bei aller politischer Überzeugung der Spass nicht zu kurz kommen darf, wenn man sich schon engagiert. Die Demos gegen das Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) standen am Anfang der Tingeltour. Epizentrum ist die Reitschule mit Konzerten und DJs im Dachstock, im Frauenraum, im Sous le Pont und im Tojo. Im Kino in der Reitschule werden drei Filme gezeigt. Zudem beteiligen sich das Café Kairo, der Q-Laden, die Brasserie Lorraine und das Restaurant O'Bolles am Festival. Das Konzert von Casino Gitano findet zudem in der Turnhalle statt. Die zwölfköpfige Gipsy-Gruppe bringt mit Geschick Polka, Stepptanz und Zigeuner- Folklore unter einen Cowboyhut. Wie Casino Gitano kommt "Die Prinzessin Hans" aus Berlin, eine trashige Kombination aus Travestieshow mit Bart ("Drag-King?") und Chansons. Die Brasserie Lorraine ist Austragungsort dieses Konzerts mit hohem Gaudipotenzial.

Die Poetry-Attacke Die Tour de Lorraine ist eine lose koordinierte Veranstaltung, zu der die Lokale nach eigenem Gutdünken Musiker und DJs einladen. Der Punkt an der Sache ist, dass man einmal Eintritt bezahlen muss und danach durch das Nordquartier ziehen kann, wie einem beliebt. Dominierend sind stilübergreifende und interkulturelle Acts auf der einen Seite und Schräges auf der anderen. Auffallend ist, dass dieses Jahr keine Podiumsdiskussion stattfindet. Laut Mitveranstalter David Böhner habe man eine Überschneidung mit anderen Podien verhindern wollen.
Bereits am Vorabend gehen die Poetry Slammer mit ihren scharfen Zungen gegen die Jongleure des Finanzzirkus ins Gefecht. Vor der UBS auf dem Bahnhofplatz geben unter anderen Marina Bolzli, Christoph Simon und Samuel Hofacher ihre Texte zum Besten. Mfe
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Diverse Orte.
Fr., 16.1., 18 Uhr, "Stop the Game"-Poetry-Slam, Bahnhofplatz, Bern.
Sa., 17.1., 13 Uhr, Vorpremiere "Let's Make Money",Kino Movie, Bern.
Weiteres Programm: www.tourdelorraine.ch

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Bund 15.1.09

Gegen die globale Gier

Erwin Wagenhofer rechnet in seinem Dokumentarfilm "Let's Make Money" mit der Finanzwirtschaft ab

Mathias Heybrock

Der Wiener Filmemacher sehnt in seinem neuen Werk das Ende des Neoliberalismus herbei. Dass dazu auch der durchschnittliche Sparer beitragen kann, glaubt der Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen, der ein informatives Begleitbuch geschrieben hat.

Mirko Kovats ist guter Dinge. Der Vorstandschef der österreichischen Unternehmensgruppe A-Tec ist auf Geschäftsreise in Indien und fährt gerade durch einen Slum. "Hier schreit niemand nach dem Staat", brummt er zufrieden: "Hier weiss jeder, dass er hart arbeiten muss - bei uns ist das ja nicht mehr selbstverständlich." Keine Regularien. Keiner, der Umweltschutzauflagen oder Sozialleistungen einklagt. Für Kovats ist das prima: Er macht Geld.

Im neuen Film von Erwin Wagenhofer ("We Feed the World") werden wir noch einige Leute kennenlernen, die Geld machen. Mark Mobius zum Beispiel, einen kahlköpfigen Fondsmanager aus Singapur, der findet, dass man am besten dann kauft, wenn Blut auf dem Boden klebt - und sei es das eigene. Oder Terry Le Sueur, Finanzminister der Steueroase Jersey, einer kleinen Insel im Ärmelkanal. Wir sehen freilich auch Menschen, die kein Geld machen - selbst wenn sie noch so sehr auf Kovats hören und hart arbeiten. Für Wagenhofer gehören beide Menschengruppen untrennbar zusammen: diejenigen, die sich krumm schuften. Und diejenigen, die davon profitieren.

Josef Ackermanns Rückzieher

"Let's Make Money" kommt zu einer Zeit ins Kino, in der der Zusammenbruch der Finanzmärkte längst die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen hat. Obwohl er die Ereignisse der letzten Monate nicht mehr berücksichtigen konnte, ist er ziemlich aktuell. Noch im April des Jahres fuhr Wagenhofer zum Beispiel nach Spanien, wo damals die Immobilienblase platzte. Man sieht gigantische Flächen voller Luxusappartements und Golfanlagen, an denen Investoren sich eine goldene Nase verdienten. Wohnen tut niemand dort - für den Unterhalt der gigantischen Bauruine muss der Staat sorgen.

 Bis zuletzt bemühte sich Wagenhofer auch um ein Gespräch mit Josef Ackermann, der zu den Ereignissen der letzten Wochen Stellung nehmen sollte. Der Schweizer Chef der Deutschen Bank sagte in letzter Minute wieder ab. Wagenhofer ist ihm nicht wirklich böse. "Ackerman kann in diesem Zusammenhang nicht gewinnen", schreibt er im Nachwort des informativen Begleitbuchs zum Film.

Da hat er wohl recht. In seinem Dokumentarfilm tritt Wagenhofers gewaltige Empörung deutlich hervor: über Manager, die Gewinne privatisieren und Verluste von der Allgemeinheit tragen lassen; über Wachstumsapologeten, die finden, wenn nur einige ungehindert zu Wohlstand kommen, werden irgendwann schon alle anderen auch profitieren; über das neoliberale Denken ganz allgemein.

Im Film wird es sehr offensiv von Gerhard Schwarz vertreten, dem Leiter des Wirtschaftsressorts der NZZ. "Geld und Waren sollten frei zirkulieren können", sagt er einmal, "Personen jedoch ein Eintrittsgeld zahlen." Wer Mitglied eines Tennisclubs werde, bekomme die dort angebotenen Leistungen ja auch nicht umsonst. Zuvor hatte man Frauen in Burkina Faso gesehen, die auf Baumwollplantagen schuften, ohne jemals auf einen grünen Zweig zu kommen: Protektionistische Massnahmen der USA verhindern, dass ihr Produkt auf dem Markt einen fairen Preis erzielt. "Mit eurer Politik entzieht ihr uns die Lebensgrundlage", sagt der Chef der Baumwollplantage. "Ihr zwingt uns geradezu, nach Europa zu kommen." Da klingt das neoliberale Credo von Schwarz natürlich wie blanker Hohn.

Zu simple Kritik

So verständlich Wagenhofers Empörung auch ist: Mühe macht die zuweilen etwas verschwörungstheoretisch raunende Art, in der er sie äussert. Er will zeigen, wie alles zusammenhängt: zum Beispiel die trostlose Lage in Entwicklungsländern mit dem Geschäftsgebaren auf einer Steueroase wie Jersey. Doch die Schwarz-Weiss-Malerei wird den Vernetzungen und Verstrickungen des globalisierten Wirtschaftslebens nicht immer gerecht.

Das gilt etwa für seine Ausführungen zur Weltbank - die ebenso eindeutig als böser Bube besetzt wurde wie der NZZ-Redaktor Schwarz. Wagenhofer filmt die glitzernde Fassade des Hauptsitzes in Washington. Dazu lässt er den Vertreter einer Obdachlosenorganisation sagen: "Von denen haben wir noch nie eine Spende bekommen." Zweifellos ist das ein hübscher Kontrast. Mit der Realität dieser Bank, das würde sogar der alte Bert Brecht unterschreiben, hat das Bild dennoch nur wenig zu tun.

Grundkurs zur Finanzwirtschaft

Hier hilft das Buch "Let's Make Money", das der Kölner Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen geschrieben hat. Er nimmt die Fäden des Films wieder auf und stützt sich dabei auch auf Wagenhofers Recherchen. Er ergänzt und erweitert diese Recherchen jedoch in erheblichem Umfang und bietet damit einen guten Grundkurs zum Thema Finanzwirtschaft an: vom Zins und Zinseszins bis zum Handel mit komplizierten Derivaten; von Kapitalanlagen zur Altersvorsorge bis zu sogenannten Geier-Fonds. Dohmen ist ausführlicher als Wagenhofer, er neigt weniger zur verschwörungstheoretischen Zuspitzung. Bei aller Kritik an der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond etwa schildert der Wirtschaftsjournalist diese Institutionen doch differenziert. Auch glaubt er an ihre Reformfähigkeit.

Überhaupt legt Dohmen grossen Wert darauf, dass die Dinge sich zum Besseren ändern können. Dazu muss sich freilich seiner Ansicht nach der durchschnittliche Mittelschichtler der eigenen Verantwortung bewusst werden. Manager mögen masslos und gierig sein. Doch erst unser aller Wunsch nach hohen Renditen führte ihnen die Geldmittel zu,die sie auf oft abenteuerliche und rücksichtslose Art anlegten.

An diesem Punkt freilich treffen sich Film und Buch wieder. Auch Wagenhofer möchte, dass wir uns über die Rolle klar werden, die wir in diesem System haben. "Wenn Sie einen Pensionsfond haben, können Sie ziemlich sicher sein, dass Ihr Geld hier investiert ist", sagt einmal ein Spanier und zeigt dabei auf die gigantischen Bauruinen.

 Schon "We Feed the World" zielte darauf, dem durchschnittlichen Konsumenten seine Marktmacht klarzumachen: Wer bewusst kauft, kann die Welt ändern. Dohmen und Wagenhofer haben nun den durchschnittlichen Anleger im Blick, der durchaus dazu beitragen kann, dass die Spielregeln sich ändern.

[i]

Film und Buch

"Let's Make Money", Vorpremiere, 17. Januar, 13.00, Kino Movie 1 (im Rahmen der Tour de Lorraine); ab 22. Januar im Normalprogramm. Caspar Dohmen: Let's Make Money. Was macht die Bank mit unserem Geld? Orange-Press-Verlag, Freiburg im Breisgau 2008, 221 Seiten, Fr. 36.50.

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LORRAINE
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WoZ 15.1.09

"Die Lorraine - Hommage an ein Berner Quartier"

Linke Stadtteilpflege

Die Berner Lorraine ist ein eigensinniges Quartier. Das zeigte sich etwa diesen Herbst, als ein leer stehendes Haus von einem KünstlerInnenkollektiv besetzt wurde. Hier gelang es nicht mal dem sehr um die bürgerliche Ordnung besorgten Lokalsender TeleBärn, NachbarInnen zu finden, die den BesetzerInnen Misstrauen entgegengebracht hätten. Stattdessen solidarisierten sich 200 QuartierbewohnerInnen per Petition mit dem Kollektiv. Überraschend war das freilich nicht: In keinem anderen Berner Stadtteil konnte über die Jahre so viel alternativer Wohn- und Lebensraum erkämpft und verteidigt werden wie hier.

Nun ist, 150 Jahre nach der Gründung des Quartiers, ein Fotobuch erschienen, das Einblick in den Quartieralltag gibt - vom streng choreografierten Turnunterricht (1934) bis zum sonntäglichen Gipfelikauf im selbst verwalteten Quartierladen (heute). "Die Lorraine - Hommage an ein Stadtquartier" dokumentiert aber auch architektonische Meilensteine und stadtplanerische Schandtaten sowie gewonnene und verlorene Kämpfe um Häuser, gegen die Poststellenschliessung oder für autofreie Strassen.

Für das Buch wurden 353 historische und aktuelle Schwarz-Weiss-Bilder thematisch geordnet und zu sieben fotografischen Quartierrundgängen arrangiert. Wer die Lorraine kennt, wird sich schnell zurechtfinden und hie und da staunen, etwa über die Fotografien aus dem vorletzten Jahrhundert, als Eisenbahnschienen noch über den heute stark befahrenen Nordring führten. Mit Bildlegenden gehen die AutorInnen spärlich um, die Lektüre der anekdotenreichen und lebendigen Kurztexte zu den jeweiligen Rundgängen macht dieses Manko aber mehr als wett.

Wer die Lorraine noch nicht kennt, dem sei das Buch als Reiseführer ins "Trendquartier" (Wohnungsanzeige) empfohlen. Wieso nicht dieses Wochenende etwas früher anreisen, wenn am Abend in der und um die Lorraine in Restaurants und Bars die alljährliche "Tour de Lorraine" stattfindet (vgl. Seite 20)? dg


Verein für ein lebendiges Lorrainequartier: "Die Lorraine - Hommage an ein Berner Stadtquartier". Bern 2008. 195 Seiten. 38 Franken.

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BURGUNDERGRUND
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BZ 14.1.09

Burgdorf

"Burgunder" suchen ein Lokal

Das alternative Rock- und Popfestival Burgundergrund findet bis auf zwei Anlässe heuer nicht statt. Die Vermieter des Alpina-Kellers haben die Schrauben angezogen, deshalb suchen die Veranstalter in Burgdorf ein neues Lokal.

Üblicherweise wäre jetzt, im Januar und Februar, Burgundergrund voll im Gang. Dieser Name, der sich aus den Elementen Burgdorf, Untergrund und Burgunder - die Region gehörte einst zum Königreich Hochburgund - raffiniert zusammensetzt, steht seit mehreren Jahren für ein zweimonatiges Musikfestival im Burgdorfer Alpina-Keller. Das Programm umfasst jeweils nichtkommerzielle, "untergrundige" Musik aus den Sparten Rock und Pop. Dieses Jahr fällt der grosse, auf junge Leute ausgerichtete Anlass jedoch aus, denn die IG Burgundergrund als durchführende Organisation akzeptiert die neuen Vertragsbedingungen für die Lokalmiete nicht.

Wie es alle machen

"Nach der neuen Regelung hätten wir für die Konzerte eine Security-Firma engagieren und das Lokal bereits um Mitternacht schliessen müssen", sagt Philip Jenzer von der IG. Eine solche Schliessungszeit laufe aber heutigem Ausgehverhalten zuwider; üblich sei, dass Veranstaltungs- und Kulturlokale an Wochenenden bis 3.30 Uhr geöffnet hätten. "Wir wollen uns in diesem wichtigen Punkt nicht von anderen Lokalen unterscheiden." Zumal die IG, die selbsttragend geschäfte, auf die Einnahmen des Barbetriebs angewiesen sei. "Zwischen Mitternacht und 3.30 Uhr wird nun mal Umsatz gemacht, auf den wir nicht verzichten können."

Eine "Scheinlösung"

Jenzer räumt ein, dass die Rast Architekten AG als Vermieterin zwar bereit gewesen wäre, für Burgundergrund eine Ausnahme zu machen und eine Betriebszeit bis 2 Uhr zu tolerieren. Das ist den Organisatoren aber zu wenig; in einem Schreiben an die Firma bezeichnen sie diesen Kompromiss als Scheinlösung, der längerfristig nicht tauge. Zumal bei Türschluss um 2 Uhr die Gefahr bestehe, dass sich vor dem Lokal Besuchergruppen bildeten, die noch nicht ans Nachhausegehen dächten. Das könne sich auf die Lärmentwicklung negativ auswirken. Bei einer späteren Schliessstunde dagegen verlasse das Publikum das Lokal gestaffelt.

"Wir sind nun auf der Suche nach einem anderen Lokal", sagt Jenzer. Das sei in Burgdorf alles andere als einfach. Zwei Möglichkeiten zeichneten sich unterdessen zwar ab, aber spruchreif sei noch nichts. "Zusätzlich zur Raumsuche beschäftigt uns derzeit auch noch die Absicht des Gemeinderats, Bar- und Pubvestivals sowie ähnliche Anlässe wegen einer Serie von Sachbeschädigungen eventuell grundsätzlich zu verbieten", sagt Jenzer. Falls auch Burgundergrund unter "ähnliche Anlässe" falle, stünde die IG natürlich vor einem grossen Problem.

Für dieses Jahr findet mit bloss zwei Veranstaltungen eine massiv abgespeckte Variante des Burgundergrunds statt. Das erste Konzert geht im Stadthauskeller über die Bühne, beim zweiten ist der Ort noch offen. "Im Stadthauskeller haben 150 Leute Platz, im Alpina warens halt immerhin 270", schildert Philip Jenzer die Situation.

Vermehrt Reklamationen

Zuständig für die Vermietung des Alpina-Areals ist Manfred Oppliger von der Rast Architekten AG. Er schildert die Hintergründe, die zu den neuen Spielregeln für die Mieter des Kulturlokals geführt haben. In letzter Zeit habe die Anwohnerschaft immer mehr unter dem Lärm, Müll und anderen Folgen diverser Anlässe zu leiden gehabt, und entsprechend sei es vermehrt zu Reklamationen gekommen, berichtet er. Das habe schliesslich zu neuen Mietbedingungen geführt. "Uns ist durchaus klar, dass das Lokal für gewisse Veranstaltungen jetzt nicht mehr in Frage kommt", sagt Oppliger. Letztlich handle es sich aber um ein privates Areal; dessen Besitzerschaft sei nicht verpflichtet, gewisse Entgleisungen - für die die Veranstalter selber oft nichts könnten - zu dulden.
Hans Herrmann

Burgundergrund: Freitag, 30.Januar, Elektropop mit "Nachlader" (De), Stadthauskeller Burgdorf, Türöffnung 21 Uhr.

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DROGENHANDEL
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Bund 15.1.09

Arzt dealte mit Dormicum

Stadt Bern Ein Berner Hausarzt hat über Jahre das Medikament Dormicum an Drogenabhängige abgegeben, ohne dafür die Bewilligung des Kantonsarztes einzuholen. So hatte er grossen Zulauf in seiner Praxis und verdiente an der Abgabe des schwer süchtig machenden Medikaments mit. Auf der Gasse wurde das Dormicum anschliessend weiterverkauft und in Kombination mit anderen Betäubungsmitteln konsumiert. Nun hat der Kantonsarzt reagiert. Er hat dem fehlbaren Mediziner die Berufsausübungsbewilligung entzogen und bei der Staatsanwaltschaft Anzeige eingereicht. Weil das Medikament Dormicum häufig missbräuchlich konsumiert wird, will der Bund die Abgabe nun stärker kontrollieren. (pas)

Seite 19

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Dr. X - der Dealer im weissen Kittel

Von Pascal Schwendener

Der Berner Hausarzt X. soll während Jahren illegal Betäubungsmittel an Drogenabhängige verkauft und sich so bereichert haben. Nun läuft ein Verfahren gegen ihn - und es ertönt der Ruf nach schärferen Kontrollen in diesem heiklen Bereich.

In der Drogenszene nennt man ihn Doktor X. Und da, unter den Süchtigen, kennt man den Hausarzt aus Bern bestens. Denn X. hat gemäss diversen gut unterrichteten Quellen über Jahr hinweg auch als Dealer agiert und die Süchtigen mit Midazolam versorgt, einer Substanz, besser bekannt unter dem Handelsnamen Dormicum. Das Medikament aus der Gruppe der Benzodiazepine wird in der Anästhesie und im Rettungsdienst als Bestandteil der Narkose eingesetzt und ist bei Drogenabhängigen genauso beliebt wie gefürchtet. Beliebt deshalb, weil es relativ einfach und günstig zu haben ist. Gefürchtet, weil es nach kürzester Zeit zu schwerster psychischer und physischer Abhängigkeit führt. Und: Bei gleichzeitiger Verwendung von Drogen können unter Umständen lebensbedrohliche Zustände auftreten. "Aus diesem Grund darf ein Arzt Benzodiazepine zwar an ,normale' Patienten abgeben, aber an Drogenabhängige nur mit der Einwilligung des Kantonsarztes", erklärt der stellvertretende Kantonsarzt Thomas Schochat.

Dr. X. aber gab das gefährliche Medikament, das als Betäubungsmittel klassifiziert ist, wider besseres Wissen an Süchtige ab. Und das nicht etwa in geringen Mengen. Der Arzt soll unter dem Tisch gleich ganze Spitalpackungen durchgereicht haben. Auf der Gasse wurde das Medikament weiter gedealt und schliesslich von Abhängigen geschluckt, geraucht, gesnifft oder gefixt.

Berufsverbot und Strafanzeige

Nicht nur die Süchtigen kennen den dealenden Arzt. Auch Fachleute aus dem Sucht- und Sozialbereich beobachteten den illegalen Medikamentenhandel über lange Zeit und ermahnten den Mediziner - ohne Erfolg. Bis Ende 2008 der Kantonsarzt eingriff. Er entzog dem fehlbaren Arzt die Berufsausübungsbewilligung, was einem Berufsverbot gleichkommt, und reichte gleichzeitig bei der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige ein. Der Verantwortliche Thomas Schochat schweigt zu dem Fall. "Ich nehme keine Stellung zu laufenden Verfahren." Allgemein stelle er aber fest, dass es immer wieder Ärzte gebe, die widerrechtlich Medikamente an Süchtige abgäben. "In den meisten Fällen geschieht dies aus Unkenntnis des geltenden Verschreibungsreglements", sagt er. "Dass ein Arzt mit krimineller Energie so handelt, gibt es nur in ganz seltenen Fällen." Im Fall des Dr. X scheint aber Letzteres der Fall gewesen zu sein. Der Arzt habe auf diese Art seine Praxis gefüllt, die jeweiligen Konsultation in Rechnung gestellt und an der Abgabe des Dormicums mitverdient, heisst es. Dr. X selber war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Ein ähnlich gelagerter Fall wurde vor vier Jahren publik: Ein Hausarzt im Amt Thun verschrieb ohne Einwilligung des Kantonsarztes die verwandten Medikamente Rohypnol und Toquilone an betäubungsmittelsüchtige Personen und musste sich für diese Verletzung der Sorgfaltspflicht vor dem Richter verantworten. Er wurde zu einer Busse von 3000 Franken verurteilt.

Nachdem der Berner Hausarzt X von den Behörden gestoppt worden war, entstand auf der Gasse eine Versorgungslücke. Der Preis für Dormicum hat sich in den letzten Wochen vervielfacht, und die Stimmung in der Szene ist entsprechend gereizt. Die Entzugssymptome beim Absetzen von Dormicum sind laut Christoph Bürki, Chefarzt der Heroingestützten Behandlung Koda, nämlich sehr stark. Um von dem Stoff wegzukommen, sei ein langwieriger Entzug unter ärztlicher Aufsicht erforderlich. Bürki spricht aus Erfahrung. Schliesslich konsumiert gemäss seinen Angaben "jeder dritte" seiner Klienten den Stoff.

Strengere Kontrollen gefordert

Diese Zahl lässt aufhorchen. Ist es tatsächlich so einfach, an diese Betäubungsmittel zu kommen??Reichen die bestehenden Kontrollmechanismen aus? Thomas Schochat vom Kantonsarztamt zögert mit seiner Antwort: "Da manche Ärzte nicht wissen, wie sie bei Drogenabhängigen mit Dormicum umzugehen haben, müsste man wohl tatsächlich diskutieren, das Medikament stärker zu kontrollieren." Ins gleiche Horn stösst Kantonsapotheker Samuel Steiner. "So wäre jederzeit transparent, wer die Substanz in welcher Menge bezieht und abgibt."?Indes, die Problematik sei auf nationaler Ebene bereits erkannt: "So ist vorgesehen, bei der laufenden Revision der Betäubungsmittelgesetzgebung für Arzneimittel aus der Gruppe der Benzodiazepine strengere Kontrollen vorzuschreiben." Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Medikament ein solches Schicksal ereilt. Das Produkt Toquilone wurde Mitte der 1990er-Jahre vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic gar ganz vom Markt genommen, weil es fast ausschliesslich missbräuchlich konsumiert wurde.

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ERICH HESS
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Bund 14.1.09

Bedenken gegen Erich Hess

Die Bestätigungswahl ins Präsidium der Planungskommission des Berner Stadtrats wird zur Zitterpartie

Bernhard Ott

Nebst den "verbalen Entgleisungen" kritisieren SP und GB den mangelnden Respekt Hess' vor der Verwaltung. Hess verwahrt sich gegen die Vorwürfe.

Kaum ist klar, dass es keine Kampfwahl ins zweite Vizepräsidium des Berner Stadtrats geben wird (siehe Kasten), gibt es ein neues Politikum: Die rot-grünen Parteien zweifeln die als Bestätigungswahl gedachte Bestellung des Präsidiums der Kommission für Planung, Verkehr und Stadtgrün (PVS) an. Vizepräsident Erich Hess (svp) wird keine Stimmen aus der SP-Fraktion erhalten, sagt Fraktionschefin Giovanna Battagliero. Vorbehalte gegenüber Hess gebe es auch in den anderen rot-grünen Fraktionen.

"Die Grenze überschritten"

Bei Hess mangle es an Respekt gegenüber der Verwaltung, was aber eine "elementare Voraussetzung" für das Amt des Kommissionspräsidenten darstelle, sagt Battagliero. Auch im Ratssaal lasse Hess mit seinen wiederholten "verbalen Grenzüberschreitungen" jeglichen Anstand vermissen. Battagliero möchte in diesem Zusammenhang keine Beispiele nennen. Hess sorgte vor drei Jahren aber für grosses Aufsehen, als er Asylbewerber mit Ameisen verglichen hatte.

Die Fraktion Grünes Bündnis/Junge Alternative (GB/JA) hat noch keinen Beschluss in der Causa Hess gefasst. Für Ko-Fraktionschef Hasim Sancar ist bei Hess aber "die Grenze des Tolerierbaren" überschritten. Der SVP-Politiker mache immer wieder durch "Verunglimpfungen" von sich reden. Zudem nehme er die Kommissionsarbeit nicht ernst, wie die über 100 Anträge zum Budget 2009 gezeigt hätten, die Hess im Stadtrat vorgebracht habe. "Er hielt es nicht für nötig, diese Anträge zuerst in der Kommission zu stellen", sagt Sancar.

Von der GFL/EVP-Fraktion war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. "Wenn es strittig wird, zählt das absolute Mehr", sagt Ratssekretär Jürg Stampfli. Erreiche Hess die erforderliche Zahl von 41 Stimmen im ersten Wahlgang nicht, müsse ein anderes Mitglied aus der Planungskommission für die Wahl nominiert werden.

"Ich begreife das nicht"

"Ich begreife nicht, warum Rot-Grün mich nicht wählen will", sagt Erich Hess. Er sei zwar mit einem "sehr schlechten Resultat" in die PVS gewählt worden. Bei der Wahl zum Vizepräsidenten der Kommission vor einem Jahr sei das Resultat aber besser gewesen. "Ich mag mich nicht daran erinnern, dass ich im letzten Jahr verbal entgleist wäre", sagt Hess. Den Vorwurf des mangelnden Respekts vor der Verwaltung weise er zurück. "Ich habe vor allen Leuten gleich viel Respekt." Als Kommissionspräsident werde er sich bemühen, die Sitzungen möglichst sachlich und speditiv über die Bühne zu bringen. "Als Kommissionsmitglied dagegen war es meine Aufgabe, kritische Fragen an die Verwaltung zu richten und den Finger auf wunde Punkte zu legen."

Von den über 100 Anträgen zum Budget 2009 schliesslich habe nur jeder zehnte die Planungskommission betroffen. Diese habe er kurz vor Schluss einer Sitzung noch in die Kommission einbringen wollen. "Angesichts der knappen verbleibenden Zeit hat die Kommission es aber abgelehnt, über meine Anträge zu beraten", sagt der SVP-Politiker.

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SVP gibt nach

Morgen Donnerstag gibt es keine Kampfwahl ums zweite Vizepräsidium im Stadtrat. Die SVP-Fraktion hat auf die ursprünglich vorgesehene Nominierung eines Gegenkandidaten zu Vania Kohli (bdp) verzichtet. "Wir haben eingesehen, dass wir keine Chance gehabt hätten", sagt SVP-Fraktionschef Erich Hess. Die FDP habe signalisiert, dass sie eher für Kohli stimmen werde, sagt Hess. (bob)

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SANS-PAPIERS
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Indymedia-Feature Besetzung der Zürcher Predigerkirche
http://ch.indymedia.org/de/2009/01/66286.shtml

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NZZ 15.1.09

Die Organisation hinter der Zürcher Kirchenbesetzung

Das Bleiberecht-Kollektiv als Teil eines Netzwerkes von Flüchtlingsinitiativen

 Hinter der Besetzung der Zürcher  Predigerkirche stand das Bleiberecht-Kollektiv, eine von zahlreichen Organisationen, die sich für Migranten einsetzen. Die Gruppe ist nicht straff organisiert und Teil eines Netzwerks, deren Akteure sich informell die Aufgaben aufteilen. Dieses wird von der Organisation Solidarité sans frontières gepflegt.

 fri.  Mit der über zweiwöchigen Besetzung der Predigerkirche im Zürcher Niederdorf über die Weihnachtstage ist der Name einer Gruppierung aufgetaucht: das Bleiberecht-Kollektiv. Die Gruppe, die sich für Papierlose stark macht, hatte bereits vor Jahresfrist für einige Tage das Grossmünster besetzt und seither die eine oder andere Demonstration organisiert. So richtig auf sich aufmerksam gemacht haben die Aktivisten erst jetzt. Was sind das für Leute, die Dutzende Flüchtlinge dazu bringen, tage- und nächtelang in einer kalten Kirche auszuharren? Wie organisieren sie sich? Wer stand hinter der Aktion?

 Geschenkte Esswaren

 Das Bleiberecht-Kollektiv versteht sich als loser Zusammenschluss von Personen, die sich für Papierlose, abgewiesene Asylsuchende und Flüchtlinge mit einem Nichteintretensentscheid einsetzen. Es finanziert sich nach eigenen Angaben mit Spenden in Form von Geld - während der Kirchenbesetzung gab es eine Kollekte - sowie Sachwerten. Im Flüchtlings-Café an der Militärstrasse im Langstrassenquartier verteilen die Aktivisten einmal pro Woche Mahlzeiten; bei einem Augenschein am Dienstag erhielten Flüchtlinge zudem Esswaren mit abgelaufenem Verkaufsdatum, welche die Organisation deshalb erhalten hatte. Alle arbeiten ehrenamtlich. Mit dieser Art der Unterstützung reiht sich das Bleiberecht-Kollektiv in zahlreiche Organisationen ein, die vergleichbare Ziele verfolgen und dabei bewusst, um unabhängig zu bleiben, auf staatliche und kirchliche Gelder verzichten.

 Gegründet wurde die Gruppierung im Kontext der Volksabstimmung über das revidierte Asylgesetz vom September 2006. Damals hatte die Bewegung für die Sans-Papiers, die nach der Jahrtausendwende im Welschland entstanden war, neuen Auftrieb erhalten. Seither verfügt das Kollektiv über Ableger in Zürich, Bern und der Romandie. Dass die Gruppe nicht straff hierarchisch organisiert ist, spürten die Journalisten während der Kirchenbesetzung im täglichen Kontakt mit den Aktivisten. Zwar war die Medienarbeit professionell organisiert worden. Oft wurden die Journalisten aber auf später vertröstet; die Vollversammlung mit allen Aktivisten und Papierlosen, denen die Aktion überhaupt galt, habe noch nicht entschieden, hiess es jeweils.

 Gelebte Basisdemokratie

 Das entspricht dem basisdemokratischen Credo, das die Aktivisten verfolgen, wie Sprecher Tom Cassee erläutert. Über jeden Entscheid müsse das Plenum beraten; dies in Deutsch, Französisch und Englisch. So funktionierten auch die regelmässigen Treffen, wenn keine Aktion laufe. Solches Vorgehen hat besonders von den Vertretern der Kirche viel Geduld abverlangt. Daniel Lienhard, Präsident der Kirchgemeinde zu Predigern, beschreibt deshalb seine Verhandlungen mit den Besetzern als "zäh". Es sei vorgekommen, dass bisherige Ansprechpersonen plötzlich für zwei, drei Tage untergetaucht seien. Immerhin habe die Kirche durchsetzen können, jeweils mit einer Delegation statt im Plenum zu reden.

 Auch nach aussen meldeten sich immer wieder andere Sprecher. Wie Cassee ausführt, besteht der harte Kern aus rund 20 Schweizern und Ausländern im Alter von 18 bis 55 Jahren, vom Studenten über den Büroangestellten bis zum Theaterregisseur. Tom Cassee ist Sekretär der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) und machte bisher mit sicherheitspolitischen Ausführungen von sich reden, etwa mit armeekritischen Worten im Zusammenhang mit dem Kander-Unglück oder mit ablehnenden Voten zu Armee-Einsätzen am World Economic Forum (WEF). Weitere Namen sind der 26-jährige Michael Raissig und vor allem Michael Stegmaier, 39-jährig, Redaktor der sozialistischen Zeitung "Vorwärts" und ebenfalls aktiv bei der GSoA. Stegmaier sei der wichtigste Ansprechpartner gewesen, sagt Kirchgemeindepräsident Lienhard.

 Hinter der Kirchenbesetzung standen zwar Aktivisten aus dem linken Lager, aber nicht unbedingt aus der bekannten, militanten Links-Extremen-Szene. Zwar verweisen auch einschlägige Internetseiten im Umfeld des schwarzen Blocks und des 1. Mai auf das Bleiberecht-Kollektiv. Die Stadtpolizei Zürich ordnet die ihnen bekannten Exponenten aber nicht dieser Szene zu, wie ein Sprecher sagte. Zudem bezeichnen sich nicht einmal alle Aktivisten als politisch links. Der 26-jährige Jusstudent Stefan Schlegel etwa, der nach dem Gespräch mit Regierungsrat Hans Hollenstein das Wort ergriffen hatte, nennt sich liberal.

 Gepflegtes Netzwerk

 Das Bleiberecht-Kollektiv will seine Politik laut Sprecher Cassee als Offensive für die Papierlosen ausrichten, sich dabei aber nicht auf den Einzelfall konzentrieren. Für konkrete Hilfeleistungen gebe es andere Organisationen. Von einer "Zusammenarbeit" mit diesen mag Cassee nicht reden, wohl aber von einer informellen "Arbeitsteilung" und einem "Informationsaustausch". Dies zeigt, wie das Netzwerk funktioniert: Man hilft einander, wo man kann, ohne sich dabei allzu nahezukommen. Die Gruppe Augenauf zum Beispiel vermittelt Anwälte und setzt sich dafür ein, dass Ausländer von Polizei und Justiz korrekt behandelt werden. Solidarité sans frontières hingegen betreibt einerseits politisches Lobbying vorab auf eidgenössischer Ebene und will andererseits das Netzwerk unter all den Basisorganisationen fördern. Wie ihr politischer Sekretär, Balthasar Glättli, der für die Grünen im Stadtzürcher Gemeinderat sitzt, sagt, unterstützte seine Organisation das Bleiberecht-Kollektiv bei der Kirchenbesetzung ebenfalls. Ein Praktikant habe Videos gedreht und diese für die Bleiberecht-Homepage aufbereitet; Glättli selber habe Informationen der Kirchenbesetzer ins Internet gestellt, wenn diese ihre eigene Homepage im Trubel nicht à jour halten konnten.

 Wie Glättli weiter ausführt, kennt er einige der Aktivisten seit längerem und weiss, dass die Kirchenbesetzung keine Spontanaktion gewesen sein kann - "sonst hätte sie kaum so lange gedauert". Im Unterschied zu anderen Organisationen habe das Bleiberecht-Kollektiv im Flüchtlings-Café einen direkten Draht zu den Betroffenen und könne so deren Anliegen einschätzen. Trotzdem brauche es die Arbeit von Solidarité sans frontières, die das Netzwerk über die Sprachgrenzen hinaus pflege. Sie beruft unter anderen "Landsgemeinden" ein, damit sich die Gruppierungen besser kennen lernen, und listet in einem Verzeichnis Zeitschriften, Internetseiten und andere Medien auf, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Zurzeit bietet die Organisation Medien-Workshops an, in denen sich Aktivisten in Öffentlichkeitsarbeit weiterbilden können.

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La Liberté 14.1.09

Sans-papiers: le mur du silence brisé par les députés vaudois

Régularisations - Le Grand Conseil presse le gouvernement de trouver des solutions pour les sans-papiers dans le secteur domestique.

Michaël Rodriguez

Les députés vaudois ne veulent pas laisser le Château cantonal se murer dans le fatalisme juridique sur la question des sans-papiers. Ils pressent le Conseil d'Etat de trouver des solutions, en particulier pour les femmes travaillant dans l'économie domestique. Au grand dam du ministre de l'Intérieur, Philippe Leuba, le parlement a décidé hier (69 oui, 66 non et 4 abstentions) de transmettre au gouvernement un postulat de la verte Sandrine Bavaud. Ce texte propose plusieurs pistes afin d'accélérer les régularisations au cas par cas.

Un vote significatif

Si, sur le dossier de l'asile, le législatif vaudois a souvent pris l'exécutif à rebrousse-poil, la chose est moins courante avec les sans-papiers. Dans ses précédentes tentatives de porter sur le devant de la scène la situation des 12 000 à 15 000 immigrés vivant dans l'ombre en terres vaudoises, la gauche s'était retrouvée isolée.

Mais la proposition de Sandrine Bavaud, en renonçant à demander une régularisation collective pour se concentrer sur les procédures individuelles, a provoqué moins de crispations au sein de la droite humaniste. Elle a finalement passé la rampe de justesse grâce aux votes favorables de l'Alliance du centre et d'un radical, Serge Melly, ainsi qu'aux abstentions de quatre radicaux.

Constat d'échec

Le texte voté par le Grand Conseil part d'un constat d'échec: la politique actuelle ne permet pas de réduire significativement le nombre de clandestins. Entre 2002 et 2007, seuls 2% des sans-papiers du canton ont bénéficié des possibilités de régularisation au cas par cas. Quant aux autres, ils sont nombreux à vivre dans une situation "qui s'apparente à de l'esclavage", a souligné le député d'Ecologie libérale Jacques-André Haury.

Les députés demandent donc au Conseil d'Etat d'étudier plusieurs pistes afin d'accélérer les régularisations. Parmi les propositions du postulat: le lancement d'une démarche commune à plusieurs cantons auprès des autorités fédérales, la création d'une commission permettant aux sans-papiers d'avoir un premier préavis sur leur demande de manière anonyme, et une utilisation plus large de la voie de régularisation pour les cas de rigueur.

Une attention particulière doit être portée aux femmes travaillant dans l'économie domestique, où la main-d'œuvre fait défaut. Selon les chiffres du canton, 30 à 50% des sans-papiers vaudois seraient des femmes de ménage. Le canton de Genève avait plaidé en 2005 auprès des autorités fédérales pour une régularisation de 5600 sans-papiers actifs dans l'économie domestique. Sans succès.

"Rejet" de la population

Pour le radical Serge Melly, il faut en finir avec une "hypocrisie" et appliquer l'équation "un permis de travail = un permis de séjour". Le conseiller d'Etat Philippe Leuba, qui avait promis de rester quelque peu en retrait du débat afin de ne pas s'immiscer dans les travaux du parlement, a mis toute son énergie à tenter de dissuader les députés. "Avec tous les problèmes que pose déjà l'extension de la libre circulation à la Roumanie et à la Bulgarie, imaginer qu'un permis de travail conduise à un permis de séjour entraînera une immense réaction de rejet de la population", a-t-il rétorqué.

Le ministre libéral reconnaît "une part d'hypocrisie" dans la politique actuelle. Mais il estime que cette dernière est "la moins mauvaise". Des régularisations plus nombreuses provoqueraient selon lui un appel d'air. "Une bonne partie de la population du tiers-monde n'hésiterait pas à venir à n'importe quelles conditions!" Sandrine Bavaud a fustigé un "discours qui repose sur la peur". "Je croyais que ce discours appartenait à d'autres", a-t-elle lancé en référence à l'UDC.

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WEGWEISUNG LU
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NLZ 14.1.09

Wegweisung

Schärli verspricht: Zuerst wird geredet

Die geplante Wegweisung schürt Ängste bei den Gegnern. Regierungsrätin Yvonne Schärli hält mehr Repression für unumgänglich.

Von Karin Winistörfer

Wer die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder Leute erheblich belästigt, soll weggewiesen werden können: Das sieht das geänderte Gesetz über die Kantonspolizei vor, über das die Luzerner am 8. Februar abstimmen. Doch: Welches Verhalten störend ist und was Belästigung heisst, lässt sich im Gesetz zwar umschreiben, aber nicht präzis definieren. Gegner fürchten Willkür und eine Aushöhlung des Rechtsstaats (siehe Kasten). Regierungsrätin Yvonne Schärli widerspricht  und sagt, wie die Wegweisung angewendet würde.

Verdacht muss "begründet" sein

"Polizistinnen und Polizisten werden wie heute auf Patrouille gehen. Sie kennen die neuralgischen Orte: die Umgebung des Bahnhofs Luzern, die Ufschötti, bei Fussballmatches der Vorplatz des McDonald's beim Bahnhof, die Allmend", sagt Yvonne Schärli. "Daneben gibt es etwa in Ebikon, Emmen oder Sursee Probleme mit Personengruppen."

Falle eine Person oder Gruppe negativ auf, sähen die Polizisten genauer hin: Bei begründetem Verdacht, dass Leute die öffentliche Sicherheit und Ordnung störten, gefährdeten oder andere erheblich belästigten, suchten die Polizisten das Gespräch. "Sie werden geschult, um zu vermitteln und die Situation zu entschärfen", sagt Schärli. "Reicht das nicht, können Störenfriede für höchstens 24 Stunden weggewiesen werden."

Verfügung lässt sich anfechten

Wer sich widersetzt, erhält eine schriftliche Wegweisungsverfügung für bis zu einen Monat. Eine solche sprechen nur die Pikettoffiziere aus. Sie kann gerichtlich angefochten werden. Das ist für Yvonne Schärli eine Garantie gegen Willkür: "Die Polizei will nicht von der Verwaltung oder von Gerichten zurechtgewiesen werden. Sie hat alles Interesse, Willkür zu verhindern." Die Polizei wende die Rechtsbegriffe ("öffentliche Sicherheit und Ordnung", "begründeter Verdacht") bei ihrer Arbeit täglich an. Bei Wiederholung droht eine Strafe.

Yvonne Schärli sagt: "Ziel ist, dass der öffentliche Raum zu jeder Zeit und von allen genutzt werden kann. Polizisten dürfen nur handeln, wenn ihr Verdacht wirklich begründet ist. Es wird niemand weggewiesen, nur weil er vor dem KKL sitzt oder auf der Ufschötti herumhängt." Auch friedlichen Fussballfans oder feucht-fröhlichen Gruppen drohe nichts. Wohl aber pöbelnden Leuten, die Passanten belästigten. Wenn Gruppen räumlich getrennt werden könnten, liessen sich Schlägereien verhindern. "Ich war in mehreren Nächten mit der Polizei unterwegs und habe Situationen miterlebt, in denen die Wegweisung sehr nützlich gewesen wäre. Wir kommen nicht um eine gewisse Verschärfung und repressivere Gesetze herum", so Schärli.

Heute findet eine Podiumsdiskussion statt: "Wegweisung  wer stört hier wen?", 19.30 Uhr, Uni (Hörsaal 1, Pfistergasse 20). Pro: Yvonne Schärli; Rolf Hermetschweiler (SVP-Kantonsrat). Kontra: Beni Kurmann (Bahnhofplatz-Benützer); Edith Lanfranconi (Grossstadträtin Grüne). Moderation: Jérôme Martinu, "Neue Luzerner Zeitung".

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Bündnis setzt auf bestehende Gesetze

Das Bündnis Luzern für Alle hält den Wegweisungsartikel für überflüssig und vage formuliert. "Das Problem ist der Interpretationsspielraum. Dieser ermöglicht Willkür", sagt Sprecher Oliver Renggli. "Die Polizisten entscheiden selber, welches Verhalten störend ist und welches nicht, und sprechen zugleich die Strafe, die Wegweisung, aus." Eine Wegweisung könne kaum umgesetzt werden, so Renggli, da sich nicht kontrollieren lasse, ob eine weggewiesene Person wieder zurückkomme. Der Hauptkritikpunkt: "Der Wegweisungsartikel baut Grundrechte ab. Es können Leute präventiv bestraft werden, nur auf den Verdacht hin, dass sie stören könnten. Auch wenn ihnen kein Vergehen angelastet werden kann", so Renggli. Rechtlich sei die Wegweisung deshalb nur eingeschränkt umsetzbar.

Kein weiteres Gesetz nötig

Aus der Sicht des Bündnisses reichen die bestehenden Gesetze: Wer pöbelt oder die Nachtruhe störe, könne mit den vorhandenen Gesetzen bestraft werden, ein weiteres sei nicht nötig.

Franziska Bürgi von der Juso, die im Bündnis vertreten ist, plädiert für mehr gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz. Jugend- und Sozialarbeiter sollten vermehrt auf Jugendliche zugehen und das Gespräch suchen. "Es wäre sinnvoll, mehr Frei- und Kulturräume zur Verfügung zu stellen", sagt Franziska Bürgi. Die Juso setze nicht auf Ausgrenzung, welche die Wegweisung bringen würde, sondern auf Toleranz aller Benützerinnen und Benützer des öffentlichen Raums.
kwi

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OBDACHLOS
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Landbote 15.1.09

Nur wenige Obdachlose trotzen der Kälte

Sabine Arnold

In Zürich suchen in sehr kalten Winternächten Fachleute Obdachlose auf. In Winterthur gibt es offenbar nur ganz wenige, die im Freien schlafen.

Fällt das Thermometer in der Nacht unter minus drei Grad, gehen in Zürich Mitarbeiter der aufsuchenden Gassenarbeit auf Kältepatrouille ("Landbote" vom Montag). In Winterthur gibt es keine vergleichbare Massnahme. Fachleute, die hier mit Randständigen zu tun haben, sind sich jedoch einig, dass momentan nur sehr wenige von ihnen draussen übernachten. Streetworker Matthias Gut von Subita sagt, viele Randständige kämen in kalten Nächten kurzfristig bei Kollegen unter. Oft seien diese Kontakte auf der Gasse geknüpft worden. Gut kennt "eine Handvoll", die auf der Gasse lebt und auch jetzt noch draussen schläft. Diese Obdachlosen seien mit Schlafsack und entsprechenden Kleidern gut ausgerüstet.

"Es gibt Leute, die partout keine institutionelle Hilfe annehmen wollen", sagt Barbara Heusser, Guts Kollegin bei Subita. Diese Menschen sähen ihren Würde gefährdet, wenn sie sich beim Sozialamt melden würden. Man müsse sich aber nicht vorstellen, dass diese Obdachlosen im Schlafsack in den Altstadtgassen liegen würden. "Die haben vielmehr eine Nische gefunden, wo sie niemanden stören oder geduldet sind", sagt Gut. Vor Kurzem ist laut den Streetworkern ein Randständiger gestorben, der auf dem Sulzer-Areal in der Stadtmitte gelebt hat. Viele Leute, die dort leben oder arbeiten, seien zur Beerdigung gekommen. Als weiteres Beispiel für eine Nische nennt Heusser einen Bahnhofsschuppen, der inzwischen aber abgebrochen worden sei.

Notschlafstellen überflüssig

Conny Schär vom Verein Time4you, der auch Gassenarbeit leistet, kennt "ein paar Einzelne", die ohne Obdach leben. "Sie wollen sich nicht den Strukturen einer Hilfsorganisation unterordnen." Im Moment sei ihr jedoch niemand bekannt, der draussen nächtige. "Die haben alle einen Unterschlupf gefunden." Obwohl es in Winterthur keine Notschlafstellen mehr gibt, müsse niemand frieren.

Die Stadt hat die Notschlafstellen 2004 geschlossen. "Mangels Bedarf", begründet Lars Schädeli, Leiter der städtischen Abteilung Betreuung und Wohnen. Dennoch seien die städtischen Behörden in der Lage, jemandem - "auch kurfristig" - ein Obdach zu bieten. Die Stadt habe zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der Heilsarmee intensiviert, die ein Wohnheim mit 30 Betten betreibt. Das Wohnheim ist in einer Liegenschaft der Stadt untergebracht. Zudem habe man die Erneuerung der sanitären Anlagen finanziert. Je nach "Wohnfähigkeit" der betroffenen Person stellt die Stadt auch möblierte Zimmer oder Plätze in Wohngemeinschaften zur Verfügung. Die Stadt verfügt über 130 Notwohnungen, in denen 450 Personen leben.

In Winterthur kenne man das Problem der "akuten Obdachlosen" nicht so sehr wie in Zürich, sagt Lars Schädeli. Deshalb seien auch keine speziellen Patrouillen nötig. Die Stadtpolizei bestätigt dies. Es gingen sehr selten Meldungen über Personen ein, die draussen schlafen. Laut Sprecher Peter Gull ist sie deswegen in den letzten zwei Monaten nur gerade zweimal ausgerückt.

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NLZ 14.1.09

Überlebenshilfe

Alle Obdachlosen finden Unterschlupf

Mehr als 40 Obdachlose hat eine Umfrage im November gezählt. Jetzt scheint klar: Niemand muss frieren.

Überlebenshilfe und Stadtverwaltung waren alarmiert, als der Verein für kirchliche Gassenarbeit im November bei einer Umfrage ermittelt hatte, das mehr als 40 Obdachlose in der Stadt Luzern leben. Über die hohe Zahl herrschte Verwirrung, denn Polizei und Stadtverwaltung waren von deutlich weniger Obdachlosen ausgegangen.

Zahlen nicht bestätigt

Inzwischen sagt Obdach-Leiter Urs Schwab: "Für uns haben sich diese Zahlen nicht bestätigt." Aktuell übernachten etwa je elf Personen in der Notschlafstelle des Vereins Jobdach. Trotz der Kälte: "Diese Zahl ist relativ konstant", sagt Schwab. Gerade über Weihnachten und Neujahr seien viele bei Freunden oder Verwandten untergekommen. "Ob es jetzt einen Anstieg gibt, müssen wir abwarten." Gerüstet sei die Notschlafstelle für einen grösseren Andrang. Niemand muss also in der Kälte übernachten.

Das bestätigt auch der Geschäftsleiter des Vereins für kirchliche Gassenarbeit, Fridolin Wyss: "Durch die regelmässigen Gespräche in der Gassenküche sind unsere Mitarbeiter überzeugt, dass niemand draussen schlafen muss." Die Betroffenen seien grosse Überlebenskünstler, die meist einen Unterschlupf finden  sei es bei Bekannten oder an beheizten öffentlichen Orten wie WC-Anlagen.

Gut organisiert

Die hohe Zahl habe die Umfrage ergeben, weil nach einer anderen Definition von Obdachlosigkeit gefragt worden sei: "Es ging nicht um Leute, die permanent draussen übernachten, sondern um solche, die keinen eigenen Wohnsitz haben." Die Betroffenen würden sich aber gerade im Winter so organisieren, dass sie meist einen warmen Schlafplatz fänden. Dass die Notschlafstelle noch freie Plätze hat, sei normal. "Ausser in Lausanne ist das in allen Schweizer Städten so", sagt Wyss. Trotzdem sei es gut, dass durch die Änderung der Preise und Öffnungszeiten auch Menschen im Obdach übernachten könnten, denen das früher nicht möglich gewesen sei.

Schlafen in beheiztem WC

In der Stadt herrscht Erleichterung. Dennoch achte man besonders auf Obdachlose, sagt Sozialdirektor Ruedi Meier: "Polizei und die Spezialtruppe SIP suchen verstärkt nach Menschen, die im Freien übernachten  auch nach Leuten, die alkoholisiert einfach draussen einschlafen." Aufgefallen sei lediglich ein Mann, der regelmässig draussen schlafe. "Die SIP ist mit ihm in Kontakt. Er will in einem beheizten WC übernachten."

Silvia Weigel

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WEF
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News 15.1.09

Genf rüstet sich für Wef-Demonstration

Genf. Die Angst vor der auf den 31. Januar angekündigten Anti-Wef-Demonstration in Genf wächst. Ob die Kundgebung eine Bewilligung erhält, ist laut Genfer Polizeidirektor noch nicht sicher. So oder so habe man aber erste Vorbereitungen getroffen: So gilt für die Polizei ein Urlaubsstopp.

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20 Minuten 15.1.09

Policiers genevois priés de "s'engager totalement"

Genève. La manif anti-WEF aura probablement lieu. Même si le conflit entre la police et l'exécutif n'est pas réglé.

"J'imagine mal la police renoncer à sa mission première, qui est d'assurer la protection de la population." Laurent Moutinot a réagi hier aux menaces des gendarmes genevois de ne pas assurer totalement la sécurité de la manif anti-World Economic Forum (WEF) prévue le 31 janvier ("20 minutes" de mardi). Le magistrat en charge de la Police a également annoncé la suppression des congés et des vacances des pandores entre le 29 janvier et le 2 février. "Par courrier, nous leur avons demandé un engagement total, a poursuivi Laurent Moutinot. Tout en précisant que nous étions disposés à discuter de leurs légitimes revendications." En clair, de la fermeté et de l'ouverture.

"Le Conseil d'Etat joue sur la corde sensible de l'éthique et de la morale, a répondu Walter Schlechten. Je rappelle que nos revendications sont claires et que nous attendons toujours des propositions concrètes de sa part."

Hier, le président du syndicat des gendarmes n'avait pas encore reçu le courrier de l'exécutif. "J'ai le sentiment que la base ne va pas apprécier une telle pression du Conseil d'Etat", a-t-il conclu. Lueurs d'espoir dans la morosité ambiante pour les syndicats: ils rencontreront Laurent Moutinot lundi. Ce dernier est également en discussion avec les organisateurs d'une manifestation que le gouvernement "se voit mal refuser" Didier Tischler

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"Une manif pacifique"

"Tous les organisateurs de la manifestation ont pris des engagements très clairs en garantissant un rassemblement pacifique", a réagi Paolo Gilardi. Ce militant de la Gauche anticapitaliste réfute l'association manif et casse. "Que la droite veuille interdire un mouvement contre le WEF est paradoxal, poursuit-il. Ses représentants sont responsables de la crise que l'on connaît."

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La Liberté 15.1.09

Manifestation anti-WEF

Genève est sur le qui-vive

Le Gouvernement genevois a pris toute une série de mesures pour faire face à la manifestation anti-WEF prévue le 31 janvier à Genève. Il traitera cette affaire avec un extrême sérieux, a annoncé hier le conseiller d'Etat Laurent Moutinot. Pour le moment, la manifestation n'a pas reçu d'autorisation. "Nous procéderons à une pesée d'intérêts entre la liberté de manifester et les risques de troubles à l'ordre public", a fait savoir devant la presse le magistrat socialiste, responsable du Département des institutions (DI). L'exécutif a néanmoins pris les devants. Les congés des policiers ont été supprimés et une demande d'appui a été adressée au groupe romand de maintien de l'ordre. Le Gouvernement genevois a également requis de la Confédération un renforcement des contrôles aux frontières et une vigilance accrue de la police ferroviaire.  M. Moutinot n'a pas caché une certaine crainte face à cette manifestation anti-Davos. Selon lui, les appels sont lancés à partir de sites "peu recommandables", accompagnés de mots d'ordre "extrêmement durs". Il s'agirait en gros de venir à Genève plutôt pour casser que pour exprimer une opinion politique.

Le Conseil d'Etat est d'autant plus embarrassé par cette affaire que ses relations avec la police genevoise ne sont pas au mieux. Les gendarmes réclament une révision de leur grille salariale et ont engagé une épreuve de force avec leur employeur en proclamant une grève des amendes et des heures supplémentaires.

M. Moutinot a néanmoins dit croire au sens des responsabilités de ses troupes. "Je vois mal les policiers abandonner leur mission principale de protection de la population", a-t-il relevé. Le magistrat ne tolérera de toute façon pas d'autre attitude. "Pendant cette période, l'engagement devra être total." ATS

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Newsnetz 15.1.09

UBS für Schmähpreis nominiert

An der WEF-Gegenveranstaltung "Public Eye" werden wieder Auszeichnungen für "rücksichtslose" Firmen vergeben. Durch den Anlass führt der jüngste Bond-Bösewicht Anatole Taubmann.

Für die "Public Eye Awards 2009" sind unter anderen die Grossbank UBS und das Berner Stromunternehmen BKW nominiert. Der Schmähpreis wird am 28. Januar, am Eröffnungstages des Weltwirtschaftsforums (WEF), in Davos verliehen.

Die UBS habe in den letzten Jahren ein "desaströses Risikomanagement" betrieben, teilten die Erklärung von Bern (EvB) und Greenpeace am Donnerstag mit. Die BKW wird gerügt, weil sie sich am Bau eines Kohlekraftwerks in Dörpen (Norddeutschland) beteiligen will. Kohlekraftwerke stossen klimaschädigendes CO2 aus.

Auch Nestlé auf der Liste

UBS und BKW sind für den "Swiss Award" nominiert. Als drittes Unternehmen droht dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé, in dieser Kategorie ausgezeichnet zu werden. Nestlé wird kritisiert, weil das Unternehmen wiederholt Globalisierungskritiker von Attac durch die Securitas bespitzeln liess.

Für den "Global Award" sind ebenfalls drei Unternehmen nominiert: So der US-Baukonzern Newmont Mining, weil dieser eine "skandalöse Baumine" in Ghana (Westafrika) plane. Das englische Textilunternehmen Tesco wird gerügt, weil es seine Näherinnen systematisch ausbeute.

Rede von CDU-Politiker Geissler

Als drittes ist die französische Bank BNP Paribas nominiert. Diese finanziere den Bau eines Atomkraftwerkes in Bulgarien, und zwar in einem Gebiet, das erdbebengefährdet sei, teilten EvB und Greenpeace mit. Die beiden Organisationen verleihen die diesjährigen Awards, wobei Greenpeace die Umweltorganisation Pro Natura ersetzt hat.

Durch die Veranstaltung führt der Schauspieler Anatole Taubman, bekannt durch seine Schurken-Rolle im neusten Bond-Film. Für Unterhaltung sollen der Musiker Greis und der Satiriker Patrick Frey sorgen. Die SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer sowie der frühere CDU-Spitzenpolitiker Heiner Geissler halten Eröffungsreden. Geissler hatte mit seinem Beitritt zur Organistion Attac vor knapp zwei Jahren in Deutschland für Aufsehen gesorgt.

Internetabstimmung

Neben dem "Global Award" und dem "Swiss Award" wird weiter ein Gewinner in den Kategorie "Positive Award" und "People's Award" ausgemacht. Der "Positive Award" soll an einen "mutigen Mitarbeiter" gehen. Denn ohne Druck von unten verbessere sich die Unternehmensverantwortung nicht, heisst es.

An welches "rücksichtslose" Unternehmen der "People's Award" gehen soll, kann von allen per Internet bestimmt werden. Die "Public Eye Awards" werden in diesem Jahr zum fünften Mal verliehen. Die Nominationen kamen von Nichtregierungsorganisationen im In- und Ausland.

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punkt.ch 15.1.09

Interview mit André Schneider, Direktor des World Economic Forum WEF

"Wir verzichten auf Stars aus dem Glamour-Bereich"

André Schneider, das WEF 2009 steht im Zeichen der Finanzkrise. Was erhoffen Sie sich vom diesjährigen WEF?

Die Finanzkrise ist heute eine ökonomische Krise. Wir müssen analysieren, was für langfristige Resultate die kurzfristigen Hilfsmassnahmen bringen. Und wir müssen erarbeiten, was es braucht, um Probleme früher zu erkennen, etwa ethische Richtlinien und nachhaltigeres Wirtschaften. Es gibt nicht nur die Finanzkrise. Die anderen grossen Herausforderungen wie Armut, Umweltprobleme und Gesundheit sind ja nicht verschwunden.

Doppelt so viele Staatschefs wie sonst kommen nach Davos.

Das WEF verzeichnet tatsächlich eine Rekordteilnahme. Entscheidungsträger suchen den Austausch, sie wollen besser verstehen, was passiert ist, wie man das korrigieren und verbessern kann, und sie wollen die Pläne der anderen kennen. Sonst besteht das Risiko, dass unkoordiniert gehandelt wird. Wenn wir nicht aufpassen, bauen wir jetzt die nächste Blase.

Was werden die inhaltlichen Schwerpunkte sein?

Auch Nachhaltigkeit, die Umwelt, Armut. Und die Frage, was es von ethischer und moralischer Seite zusätzlich braucht. Was sind die wichtigen Ziele für einen CEO? Sollte eher möglichst viel Bonus oder die langfristige Überlebensfähigkeit der Unternehmung zu sichern sein? In letzter Zeit war dies nicht immer in allen Fällen klar.

Klaus Schwab kündigt in Interviews eine Zeit grösserer Bescheidenheit an. Gibt es nun Sandwiches und Mineralwasser statt Gourmet- Menus und Champagner?

Gourmet-Menus und Champagner standen auch früher nicht auf der Tagesordnung. Hauptsächlich finden Arbeitsfrühstücke und Arbeitslunches statt. Eine Zeit grösserer Bescheidenheit bedeutet, viele Rezepte zu finden, die zu einer nachhaltigeren Entwicklung führen.

Stehen Stars wie Angelina Jolie, Sharon Stone und Bono nicht mehr auf der Gästeliste des WEF?

Wir hatten sie eingeladen, um wichtigen Themen mehr Gewicht zu verleihen. Es funktioniert leider nicht, berichtet wurde nur über die Anwesenheit der Stars und nicht über das Thema, wofür sie sich einsetzen. Deshalb verzichten wir jetzt bewusst auf Stars aus dem Glamour-Bereich.

Fälle wie der Madoff-Betrug sollen von Leuten analysiert werden, die Teil dieses Finanzsystems sind. Glauben Sie, dass diese zu einer selbstkritischen Analyse in der Lage sind?

Nicht jede Bank hat Fehler gemacht. Zudem, wenn diskutiert wird, wie man Probleme in Zukunft verhindern könnte, müssen alle Akteure dabei sein. Wir haben es so organisiert, dass es offene und kritische Diskussionen gibt.

monica.fahmy@punkt.ch

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Le Temps 15.1.09

GenèveEn conflit avec la police, le gouvernement exige que tout le personnel soit disponible lors de la manifestation anti-WEF

A Genève, le Conseil d'Etat somme la police de faire son travail

Sandra Moro

Les autorités genevoises en appellent à l'armée, à la police fédérale et à celles des autres cantons pour qu'elles contribuent à assurer la sécurité sur leur territoire le 31 janvier prochain, date prévue de la manifestation des opposants au World Economic Forum (WEF) de Davos. Est-ce parce qu'ils ne sont pas sûrs de pouvoir compter sur leur propre police que les conseillers d'Etat genevois ont à ce point battu le rappel des forces confédérées?

C'est ce que porte à croire le courrier envoyé hier par le gouvernement à la police cantonale. "Un message de fermeté" lui a été adressé, a expliqué hier le ministre Laurent Moutinot, à la tête des Institutions du canton. La missive exige des agents que leur disponibilité soit totale du 29 janvier au 2 février, ce qui implique que les fonctionnaires de police renoncent à leurs congés prévus durant cette période.

Un dispositif classique en pareil cas. Mais si le Conseil d'Etat en est réduit à écrire tout spécialement aux forces de l'ordre pour leur rappeler qu'elles doivent assurer leur mission, c'est qu'il est englué depuis trois mois dans un lancinant conflit avec les syndicats de la police. En cause, les heures supplémentaires accomplies pendant l'Euro et une prime de 2500 francs qui avait été promise par le Conseil d'Etat aux agents. Alors qu'ils ont approuvé le paiement des heures supplémentaires, les députés ont en revanche refusé de verser la prime prévue. Depuis, les policiers exigent que leur grille salariale soit revue. Après avoir refusé un premier protocole d'accord, ils attendent une nouvelle proposition et poursuivent leur grève des amendes et des heures supplémentaires. Une action lourde de conséquences au moment où il s'agit de mettre en place un dispositif destiné à faire face aux éventuels dérapages que pourrait entraîner la manifestation anti-WEF.

Du côté du syndicat de la gendarmerie, on n'entend pas se laisser mettre sous pression: "Je vais annoncer à mes collègues que le Conseil d'Etat a promulgué son arrêté pour bloquer les congés durant cinq jours, souligne Walter Schlechten, son président. Ils ne seront pas contents et je ne suis pas sûr que les gendarmes acceptent cette nouvelle pilule. Nous en avons assez, le Conseil d'Etat ne peut pas exiger qu'on continue ainsi sans rien concéder." Les gendarmes pourraient donc se contenter du service minimum le 31 janvier. Du côté du syndicat de la police judiciaire, on est plus souple: "Nous ne voulons pas prendre la population en otage", souligne le président Jan Glassey.

Laurent Moutinot, lui, se dit confiant: "Je vois mal la police renoncer à sa tâche de protection de la population. Après un tel acte, je ne vois pas comment elle pourrait réclamer de la compréhension de la part du Grand Conseil", note le socialiste.

Alors que les syndicats planchent sur leur prise de position définitive au sujet de la manifestation, celle-ci n'a pas encore fait l'objet d'une autorisation officielle. "La décision dépendra de la pesée des intérêts entre la liberté de manifester et les risques de trouble de l'ordre public", a souligné Laurent Moutinot, qui prend "très au sérieux" les appels à venir manifester diffusés sur certains sites.

L'armée a été sollicitée pour la surveillance aérienne et pour une aide logistique. Genève a aussi demandé à la Confédération de renforcer les contrôles aux frontières et dans les trains. Les autres cantons sont sollicités pour mettre à disposition des contingents de policiers.

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punkt.ch 14.1.09

Das Wef will die Welt nach der Krise formen

Obama fehlt am WEF. Die USA würden ihm eine Party mit Angelina Jolie übel nehmen. Dabei ist das WEF jetzt anders.

Klaus Schwab, Gründer des World Economic Forum WEF, wünscht sich möglichst viele Teilnehmer aus der neuen USRegierung. "Das, was wir erreichen wollen, geht nicht ohne starke US-Partizipation", sagt Schwab zu Bloomberg.com.

Der Präsident in der Zwickmühle

Für den designierten US-Präsidenten Barack Obama ist das WEF eine Zwickmühle. Einerseits treffen sich in Davos über 1 200 Entscheidungsträger aus aller Welt. Andererseits könnte Obamas Teilnahme an einem Event, das "bekannt ist für seine Partys und Promis wie Angelina Jolie" den US-Bürgern in den falschen Hals geraten, so Bloomberg.com.

Glamour statt Bürde

Julian Zelizer ist Professor für Geschichte und PR an der Princeton Universität in New Jersey. Für ihn ist klar: "Eine Konferenz besuchen, die nicht unerlässlich ist und den Eindruck erwecken kann, dass Obama mehr am Glamour als an den Bürden seines Amtes interessiert ist, könnte politisch auf ihn zurückschlagen." Mit dem neuen US-Präsidenten hat Klaus Schwab sowieso nicht gerechnet - nicht im Jahr der Amtsübernahme. Eine starke Präsenz von Obamas Mitarbeitern im Weissen Haus würde dem WEF aber helfen, den Eindruck loszuwerden, es sei ein Networking-Club und eine Party-Bühne für Banker und Filmstars.

Die Welt nach der Krise

Prominenz aus dem Showbusiness wird Ende Januar in Davos jedenfalls nur spärlich anzutreffen sein. "Die Welt formen, die nach der Krise entsteht", heisst das Motto des WEF. 48 Staatschefs wollen dabeisein. Das WEF soll 2009 wieder mehr sein als Schein. (mfa)

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Sicherheit

Am WEF wird weniger rigoros kontrolliert als in den letzten Jahren

Die am WEF 2003 eingeführten Personenkontrollen werden laxer gehandhabt als auch schon. "Wir rechnen, wenn überhaupt, nur am 31. Januar mit Verspätungen ", sagt Peider Härtli, Sprecher der Rhätischen Bahn. Am Samstag ist in Davos eine Demo gegen das Forum angesagt. Ob in Fideris kontrolliert werde, sei o  en. Schon letztes Jahr hätten die Verantwortlichen auf Personenkontrollen verzichtet.

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24heures 14.1.09

Les casseurs ont rendez-vous à Genève

WEF - La venue des opposants au Forum de Davos inquiète les politiciens. Et les policiers menacent de n'assurer qu'un service minimum.

En Suisse, il est difficile de trouver deux villes plus éloignées que Davos et Genève. Pourtant, cette année, c'est dans la Cité de Calvin que les opposants au Forum économique mondial (WEF) viendront défiler le 31 janvier. La nouvelle inquiète la droite, qui craint de voir débarquer les Black Blocks et les casseurs de Suisse et d'ailleurs, et de revivre les émeutes du G8, en juin 2003.

Les appels à manifester à Genève contre le WEF se multiplient dans le pays et sur internet. Partout on lit le même texte stigmatisant le modèle capitaliste responsable de la crise financière. Parmi les signataires de cet appel, on trouve le Parti du travail, le Parti ouvrier populaire (POP), le mouvement altermondialiste Attac, mais aussi des ultras comme la Gauche anticapitaliste, l'Organisation socialiste libertaire, Action autonome ou encore Revolutionärer Aufbau.

Davos inaccessible

Pourquoi Genève? Parce que, depuis plusieurs années, l'accès à Davos était devenu pratiquement impossible du fait de l'imposant dispositif sécuritaire. De même l'année dernière à Berne, la forte présence policière avait entravé le rassemblement interdit et empêché tout débordement. Plus de 200 personnes avaient été arrêtées.

Pour ajouter à l'inquiétude, voilà que l'Union du personnel du corps de police menace de n'assurer qu'un service minimum lors de la manifestation, si d'ici là aucune solution n'a été trouvée dans le conflit qui oppose les forces de l'ordre au Conseil d'Etat sur leurs conditions de travail.

Antoine Grosjeand

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Tribune de Genève 14.1.09

L'événement

Les Anti-Davos inquiètent Genve

Antoine Grosjean

La traditionnelle manifestation contre le World Economic Forum aura lieu cette année à Genève.La droite craint de voir des casseurs débarquer en masse le 31 janvier, comme lors du G8 en 2003.La police genevoise est toujours en conflit avec le Conseil d'Etat. La sécurité sera-t-elle assurée lors de la manif?

En Suisse, il est difficile de trouver deux villes plus éloignées géographiquement que Davos et Genève. Pourtant, cette année, c'est dans la Cité de Calvin que les opposants au Forum économique mondial (WEF) de la station grisonne vont venir défiler le 31 janvier. Au bout du lac, cette nouvelle inquiète la droite, qui craint de voir débarquer les Black Blocks et casseurs de toute la Suisse, et d'ailleurs, et de revivre les émeutes qui avaient enflammé Genève lors du G8. En outre, l'affaire tombe au pire moment: le conflit entre le Conseil d'Etat et les syndicats de police sur le paiement d'une prime pour l'Euro n'est toujours pas réglé. Comme l'annonçait hier 20 minutes, la police pourrait se contenter d'assurer le service minimum le jour de la manif…

Déjà, les appels à manifester à Genève contre le WEF se multiplient dans tout le pays et sur Internet. Le rendez-vous est fixé au samedi 31 janvier, rue du Mont-Blanc, à 14 heures. Partout on lit le même texte stigmatisant le modèle capitaliste responsable de la crise financière. Parmi les organisations signataires de cet appel, on trouve le Parti du travail, le Parti ouvrier populaire (POP), le mouvement altermondialiste Attac, mais aussi des représentants de l'ultragauche, comme la Gauche anticapitaliste, l'Organisation socialiste libertaire, Action autonome ou encore Revolutionärer Aufbau.

Pourquoi Genève? Depuis plusieurs années, l'accès des manifestants à Davos était devenu pratiquement impossible du fait de l'imposant dispositif sécuritaire.

L'année dernière, à Berne, la forte présence policière avait entravé le rassemblement (interdit) et empêché tout débordement. Plus de 200 personnes avaient été arrêtées. Les organisateurs de la grande manif ont donc jeté leur dévolu sur Genève, siège du WEF, "cité des banquiers privés", et "paradis fiscal" au "cœur du système capitaliste", en déclarant vouloir "manifester de façon pacifique mais avec un contenu radical".

Les promesses des organisateurs ne rassurent pas les élus de droite. Dans un communiqué commun, les partis de l'Entente déclarent n'y accorder aucun crédit, citant les violences des manifestations contre l'OMC, le G8 et les évacuations de squats. Ils demandent au Conseil d'Etat de prendre toutes les mesures nécessaires pour empêcher les débordements. L'UDC, via une proposition de résolution au Grand Conseil, souhaite carrément que la manifestation soit interdite. Aucune autorisation n'a pour l'instant été délivrée. Mais les discussions en cours avec la police ont permis de se mettre d'accord sur le parcours (quartier des banques, ex-squat Rhino et Plainpalais), les organisateurs s'étant engagés à ne tolérer aucun débordement et à assurer le service d'ordre.

La police menace

Pour ajouter à l'incertitude, voilà que le syndicat des gendarmes, l'Union du personnel du corps de police (UPCP), menace de n'assurer qu'un service minimum lors de la manifestation si d'ici là aucune solution n'a été trouvée dans le conflit qui oppose les forces de l'ordre au Conseil d'Etat ( lire encadré ). "Nous nous sommes déjà fait avoir avec les heures supplémentaires effectuées pendant l'Euro 08, explique le président de l'UPCP, Walter Schlechten. La confiance avec le Conseil d'Etat n'est pas rétablie. Dans ce climat, les gendarmes auraient de la peine à comprendre qu'on leur supprime à nouveau des jours de congé et qu'on interdise des vacances à cause de la manifestation contre le WEF. " Si d'ici à dix jours aucun accord n'est conclu - les policiers demandent notamment une révision de leur grille salariale -, les gendarmes pourraient durcir leur grève des heures supplémentaires, empêchant ainsi les autorités de disposer de suffisamment d'effectifs le 31 janvier. Le Syndicat de la police judiciaire (SPJ), lui, affirme ne pas vouloir "prendre la population en otage". Le Conseil d'Etat ne se prononçait pas hier à ce sujet. Il le fera aujourd'hui lors de son rendez-vous hebdomadaire avec la presse.

"Pas de chantage"

"J'en appelle au sens de la responsabilité de chacun pour faire prévaloir l'intérêt général sur les revendications catégorielles. " Le député libéral Pierre Weiss (photo Iuncker) rappelle que le devoir des policiers est d'assurer l'ordre dans le canton et qu'ils sont payés pour cela. "Je suis convaincu que les gendarmes n'utiliseront pas cette manifestation pour exercer le moindre chantage ni pour refuser d'obéir aux ordres qui leur sont donnés. Une démocratie ne peut pas se battre à la fois contre les anarchistes et contre sa police. " Le libéral est contre toute prime pour le travail effectué par la police pendant l'Euro 08. "Mais je suis pour une remise à plat du système salarial, qui est opaque. "

Au sujet de la manifestation anti-WEF, Pierre Weiss est favorable à son interdiction. "Nous n'avons pas affaire à l'Eglise protestante, mais à des groupements révolutionnaires qui n'ont pas l'air franchement sympathiques, comme certaines affiches le montrent. Je redoute un afflux de personnes de la mouvance anarcho-violente, qui sont ingérables par les organisateurs. En 2003, au G8, certains députés avaient eu la naïveté de croire qu'ils pourraient raisonner ces groupes. "

(ang)

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"Restons unis!"

En tant que policier, le député MCG Roger Golay (photo Frautschi) partage les revendications salariales de ses collègues. "Les policiers n'ont pas envie de renouveler l'expérience et d'être traités de la même manière qu'à l'occasion de l'Euro 08. Pas un policier ne souhaite qu'il y ait des problèmes à cause de cette manifestation, mais il y a trop d'heures supplémentaires faites à la demande des autorités. Or, là, on va de nouveau demander un engagement conséquent. " Roger Golay souhaite qu'au plan salarial, les choses soient remises à plat afin de repartir sur des bases saines. Et qu'une solution soit trouvée avant la manifestation. "Il faut que le Conseil d'Etat, la police et la population soient unis afin d'éviter les débordements. "

Le député craint que la "débandade" policière vécue pendant le G8 n'encourage les casseurs à venir dans une ville où une faiblesse est ressentie, surtout en plein conflit social entre la police et les autorités. Pour lui, il est trop tôt pour dire si la manifestation doit être autorisée ou non. Si le risque de violences est avéré, le MCG demandera l'interdiction de la manifestation. "Même si les organisateurs sont de bonne volonté, on a vu au G8 que cela n'empêche pas des groupes violents de s'infiltrer. "

"De bonne guerre"

Le député socialiste Alberto Velasco (photo Frautschi) dit comprendre les gendarmes. "Leur revendication est légitime. Je n'ai toujours pas compris pourquoi ils n'ont pas été traités de la même manière lors du G8 et lors de l'Euro 08. Après le G8, on leur avait donné une prime, on les avait chaudement félicités et personne n'avait rien trouvé à redire. Mais là, pour l'Euro, rien, alors qu'ils ont autant travaillé, voire plus. Alors, s'ils refusent de faire les heures supplémentaires qu'on leur demanderait pour encadrer la manifestation contre le Forum de Davos, c'est de bonne guerre. "

Alberto Velasco souligne que le cœur du problème est la question des salaires. "Je suis contre toute prime au personnel de l'Etat, mais je suis pour des salaires justes. Pour compenser, nous avons inventé toutes sortes de primes aux policiers. Finalement, l'échelle salariale a été manipulée. Il faut revenir à quelque chose de plus clair. "

En ce qui concerne le déroulement de la manifestation, le socialiste ne doute pas de la volonté des organisateurs d'empêcher les débordements. "Mais si les Black Blocks ou un autre groupe décident d'infiltrer une manifestation, on ne peut pas faire grand-chose. "

(ang)

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Historique

Fedele Mendicino

"La grève des amendes fait perdre 6,5 millions à l'Etat"

Au lendemain de l'Euro 08, en juin, les policiers s'attendent à toucher leurs heures supplémentaires. Les syndicats demandent également au Conseil d'Etat une prime de 2500 francs pour le travail accompli.

15 octobre. La Commission des finances du Grand Conseil accepte de payer les 125 000 heures supplémentaires accumulées durant la manifestation. En revanche, les députés refusent de s'acquitter des 2500 francs de prime représentant une facture de 4,25 millions de francs.

Furieux, les syndicats de police se réunissent et décident de faire la grève des amendes et des heures supplémentaires.

Le 19 octobre, le conseiller d'Etat Laurent Moutinot confirme qu'il ne pourra verser la prime aux policiers. Il annonce qu'il mandatera une personnalité extérieure au canton afin d'analyser le système de rémunérations "très complexe" des forces de l'ordre. L'ex-conseiller d'Etat bernois Mario Annoni se penche désormais sur ce dossier. Il devrait donner ses premiers résultats à la fin du mois de janvier.

Depuis le refus de la Commission des finances, les syndicats demandent au Conseil d'Etat de leur octroyer une compensation, notamment en jours de vacances, sous peine de poursuivre leur mouvement de protestation. A ce jour, les deux parties ne sont toujours pas arrivées à un accord.

Les syndicats de police estiment qu'après trois mois de grève des amendes, le manque à gagner de l'Etat se chiffre à 6,5 millions de francs.

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RAZZIA
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Handelszeitung 15.1.09

Lex dossier

Eine Hausdurchsuchung - was nun?

Michael Aepli

Die Behörden greifen meist frühmorgens zu. Die Hausdurchsuchung erstreckt sich auf Häuser, Wohnungen und Geschäfts- und Büroräumlichkeiten sowie auf Schränke, Büropulte und Tresore. Von einer Hausdurchsuchung konfrontiert sein können nicht nur Tatverdächtige, sondern auch Dritte, wie z.B. Treuhänder oder Vermögensverwalter. Die Erforschung des Sachverhalts in einem Strafverfahren kann es erfordern, Delikt- oder Beweisgegenstände sicherzustellen. Darunter sind Spuren des Deliktes oder auch Korrespondenz, Buchhaltungsunterlagen, Verträge und elektronische Datenträger zu verstehen. Da sich Behörden zu Räumlichkeiten rechtmässig Zugang verschaffen müssen, geht der Sicherstellung eine Hausdurchsuchung voraus.

 Rechtmässigen Zugang zu Räumlichkeiten gegen den Willen Betroffener kann sich die Polizei durch einen Hausdurchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft verschaffen. Darin werden der Beschuldigte, die ihm vorgeworfenen Delikte, die zu durchsuchenden Räumlichkeiten und die mutmasslich aufzufindenden Gegenstände aufgeführt. Die Ausstellung eines Hausdurchsuchungsbefehles erfordert einen hinreichenden Tatverdacht und die Wahrscheinlichkeit, dass sich in den Räumlichkeiten auch relevante Gegenstände befinden.  Gegen eine Hausdurchsuchung sollte ein Betroffener stets opponieren. Nur soweit er die Durchsuchung nicht freiwillig zulässt, muss die Polizei die gesetzlichen Schranken einhalten. Oft sollen bei einer Hausdurchsuchung Papiere oder Datenträger auf ihren Inhalt gesichtet werden, um festzustellen, ob sie für das Verfahren relevant sind. Da Papiere oft private und geschäftliche Geheimnisse enthalten, kann deren Versieglung verlangt werden. Mit der Versieglung wird vorerst verhindert, dass die Papiere von den Behörden eingesehen werden können. Eine Versieglung kann nur vom Inhaber und nur anlässlich der Durchsuchung selbst verlangt werden. Gegen die Hausdurchsuchung und Sicherstellung können Betroffene innert zehn Tagen ein Rechtsmittel ergreifen. Findet die Hausdurchsuchung aufgrund eines ausländischen Strafverfahrens statt, sollte einer vereinfachten Ausführung von Gegenständen ins Ausland nicht zugestimmt werden. Eine erfolgte Zustimmung ist unwiderruflich. Lassen Sie eine Hausdurchsuchung nicht freiwillig zu. Verlangen Sie vor Ort eine Versieglung von Papieren, Datenträger bzw. deren Kopien. Sie dienen damit allenfalls auch Ihrer Kundschaft. Eine Versieglung kann nur anlässlich der Durchsuchung und nur vom Inhaber verlangt werden. Da die Rechtsmittelfristen kurz sind, ist rasch über ein mögliches Vorgehen zu entscheiden.


Kooperation: Weblaw AG, www.weblaw.ch

Michael Aepli Rechtsanwalt, Dr. iur. LL.M., Zug/Zürich, Partner bei Studer & Aepli, www.aeplilaw.ch

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ANTI-ATOM
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BZ 15.1.09

Thal/Gäu

Obergösgen

Protest gegen Endlager

Unter dem Motto "Im Januar-Loch gegen das Nagra-Loch" protestierten 250 Personen trotz extremer Kälte bei Glühwein, Wienerli und Musik beim Obergösger Dorfkern gegen die Pläne der Nagra, im Niederamt ein Endlager für atomare Abfälle zu errichten. Neben dem Obergösger Gemeindepräsident Daniel Huber traten auch die Nationalrätinnen Bea Heim und Brigit Wyss, Schriftsteller Alex Capus und Poetry-Slam-Künstler Kilian Ziegler auf. Neben atomkritischen Voten dominierte vor allem die Grundaussage "genug ist genug". Das Niederamt habe bereits genug Lasten, gerade auch im atomaren Bereich, zu tragen. Die Region sei weder geologisch optimal geeignet, noch spreche die hohe Bevölkerungsdichte zwischen Olten und Aarau für die Nagra-Pläne.
mgt

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Limmattaler Tagblatt 15.1.09

Gegen Atomkraft-Propaganda

Uitikon Postulat bittet um Einfluss des Regierungsrats

In einem kürzlich eingereichten Postulat ersucht der grüne Uitiker Kantonsrat Lars Gubler zusammen mit zwei weiteren grünen Kantonsräten den Regierungsrat, sich gegen Atomkraftpropaganda der Axpo einzusetzen.

In der Begründung wird erwähnt, dass die beiden Schweizer Energieunternehmen Axpo und BKW zwei Rahmenbewilligungsgesuche für den Ersatz der Kernkraftwerke Beznau und Mühleberg eingereicht haben, welche dem fakulativen Referendum unterstehen. Wie die Anfrage betont, handle es sich somit bei deren Werbung für Atomkraft nicht nur um wirtschaftliche, sondern vor allem um politische Propaganda. Die Axpo-Holding befinde sich zu 100 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand, wobei der Kanton Zürich durch direkte und indirekte Beteiligung über die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) der grösste Aktionär sei. Da die Axpo-Holding ihre Mittel via Stromrechnung von den Bürgerinnen und Bürgern beziehe, seien diese gezwungen, Werbung für Atomkraft zu finanzieren: "Viele Bürgerinnen und Bürger empfinden es als Affront, dass sie mit ihrer Stromrechnung Propaganda bezahlen müssen, die sich gegen ihr Interesse richtet." (BHI)

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20min.ch 15.1.09

Schreckensszenario

Einsturzgefahr im Atommülllager Asse

Im Atommülllager Asse ist eine mit radioaktivem Müll gefüllte Kammer einsturzgefährdet. Die Decke einer Kammer ist durch mikroseismische Aktivitäten nicht mehr stabil.

In der Einlagerungskammer 4 gebe es Schäden, "durch die sich künftig Teile der Decke lösen und auf in der Kammer lagernde schwachradioaktive Abfälle stürzen könnten", teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) am Donnerstag in Salzgitter mit und bestätigte damit einen Bericht der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Das Amt kündigte Sicherungsmassnahmen an, um bei einem Einsturz der Decke den Austritt von Radioaktivität zu verhindern.

Nach Angaben des Bundesamtes wurde bei der Auswertung seismischer Überwachungsdaten festgestellt, dass die Decke der Einlagerungskammer in Bewegung geraten ist und es dort "eine Häufung mikroseismischer Ereignisse" gab. Bei einem Herabstürzen von Deckenteilen könnten die in der Kammer lagernden Atommüllfässer beschädigt werden. Derzeit sei nicht auszuschliessen, dass durch "entstehenden Druckaufbau die Verschlüsse der Kammer durchlässig und Radioaktivität freigesetzt werden könnte", warnte das BfS.

Zusatzbarriere

Vor der einsturzgefährdeten Kammer will das Amt nun eine zusätzliche Barriere aus Salzbeton errichten. Einen entsprechenden Antrag werde man in den kommenden Tagen beim Landesamt für Bergbau stellen, hiess es. Ausserdem ist der gefährdete Bereich nur noch eingeschränkt für das Personal des Bergwerkes zugänglich.

Das BfS hatte zum Jahresanfang die Verantwortung für das Atommülllager Asse übernommen. In dem ehemaligen Salzbergwerk sind bereits Decken mehrerer alter Abbaukammern eingestürzt. Bislang betraf dies aber keine der 13 Kammern, in denen Atommüll lagert. In dem Bergwerk wurden bis 1978 mehr als 126 000 Atommüllfässer deponiert.
Quelle: AP

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Solothurner Tagblatt 14.1.09

"Niederamt ist nicht die Abfallhalde der Nation"

Endlager Gegner protestierten in Obergösgen

Unter dem Motto "Im Januar-Loch gegen das Nagra-Loch" protestierten 250 Personen beim Obergösger Dorfkern gegen die Pläne der Nagra, im Niederamt ein Endlager für atomare Abfälle zu errichten. Neben dem Obergösger Gemeindepräsidenten Daniel Huber (FdP) traten auch die Nationalrätinnen Bea Heim (SP) und Brigit Wyss (Grüne) sowie Schriftsteller Alex Capus und Poetry-Slam-Künstler Kilian Ziegler an der Veranstaltung auf. Neben atomkritischen Voten dominierte vor allem die Grundaussage: "Genug ist genug." Das solothurnische Niederamt habe bereits genug Lasten, gerade auch im atomaren Bereich, zu tragen. Die Region sei weder geologisch optimal geeignet noch spreche die sehr hohe Bevölkerungsdichte zwischen Olten und Aarau für die Nagra-Pläne.

"Wir müssen aufstehen"

Urs Huber, Präsident des überparteilichen Vereins "Niederamt ohne Endlager" (NOE), beschwor den Kampfwillen: "Wir müssen als ganze Region aufstehen." In den nächsten zweieinhalb Jahren würden die Weichen für den Standortentscheid gefällt, und bereits jetzt sei klar: "Den Abfall kriegt jener Landesteil, der sich am wenigsten stark dagegen wehrt."

"Eine schiefe Argumentation"

Dass sich auch die Behördenvertreter der Region einhellig gegen diese "weitere Belastung" zur Wehr setzen, unterstrich Huber, Gemeindepräsident von Obergösgen. In die gleiche Bresche schlug Nationalrätin Heim: "Das Niederamt ist nicht die Abfallhalde der Nation." "Böse auf die Stromwirtschaft" zeigte sich Capus. Deren "schiefe Argumentation" gehe nicht auf. "Wir waren vor dreissig Jahren gegen die Atomenergie und wurden deshalb hier in Gösgen von der Polizei mit Tränengas und Gummischrot zusammengeschossen. Nun verlangt man von uns, auch B zu sagen und ein Endlager zu akzeptieren. - Obwohl wir gar nie A gesagt haben." Ein Endlager werde kommen, erklärte Nationalrätin Wyss, und "ein Mahnmal für eine Generation sein, die unfähig war, ihre Energieprobleme ökologisch und ökonomisch nachhaltig zu lösen." (mgt/otr)

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BZ 14.1.09

Neue AKW kommen später

hpg

Das Volk kann erst 2013 bis 2015 über neue Atomkraftwerke entscheiden. Das gab Moritz Leuenberger gestern bekannt.

Die Stromwirtschaft - darunter die BKW - hat letztes Jahr Gesuche für drei neue Atomkraftwerke (AKW) in der Schweiz eingereicht (wir berichteten). "Alle werden gleich behandelt, aber je mehr Gesuche, desto länger geht deren Überprüfung", sagte gestern Moritz Leuenberger am Stromkongress. Denn bei der Sicherheit dürfe es "keine Abstriche" geben. Zudem mangle es den Bewilligungsbehörden - ebenso wie der Strombranche - an nuklearem Fachpersonal.

Statt 2012, wie ursprünglich terminiert, kann damit das Volk erst "2013 bis 2015" über die Rahmenbewilligung für ein oder mehrere neue AKW abstimmen. Ein erstes neues Werk könnte damit den Betrieb frühestens 2027 aufnehmen, zeigt der neuste Fahrplan weiter, den Leuenberger der sichtlich geschockten Strombranche präsentierte. Noch länger dauern demnach die Bewilligungsverfahren für Atommülllager.

Der Stromwirtschaft, die mit ihren sich konkurrierenden AKW-Projekten gespalten auftritt, empfahl der Energieminister, "die Kräfte im eigenen Interessen zu bündeln". Denn: "Eine Zustimmung zu einem oder zu mehreren neuen KKW ist keineswegs gewiss." Offen liess er, ob die Bundesverwaltung die AKW-Gesuche getrennt oder als Paket behandeln wird.

Chance für Solarstrom?

Die zweite Neuigkeit betrifft die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Strom aus neuen erneuerbaren Energien. Das Parlament hat diese Quersubventionierung mit mehreren "Kostendeckeln" bewusst begrenzt, insbesondere bezüglich Produktion von Solarstrom. Dagegen protestierte die Fotovoltaikbranche. Leuenberger erwägt nun, dem Parlament eine Gesetzesänderung zu beantragen, um "den Deckel für die KEV anzuheben oder ganz aufzuheben".

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Swissgrid-Chef

"Die Netze gerne haben"

Die Förderung der erneuerbaren Energien bedingt einen Ausbau der Übertragungsnetze. Diese Ansicht vertritt Hans-Peter Aebi, Chef der Schweizer Netzgesellschaft Swissgrid. "Wirtschaft, Politik und Forschung müssen im Gleichschritt vorangehen. Wer die erneuerbaren Energien liebt, muss das Netz auch gernhaben", lässt er sich in einer Mitteilung von gestern zitieren.
bzw

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NLZ 14.1.09

Neue Atomkraftwerke

Bund verschiebt Volksabstimmung

Die Stromwirtschaft hat letztes Jahr Gesuche für drei neue Atomkraftwerke (AKW) in der Schweiz eingereicht. "Alle werden gleich behandelt, aber je mehr Gesuche, desto länger geht deren Überprüfung", sagte gestern Bundesrat Moritz Leuenberger am Stromkongress in Bern. Denn bei der Sicherheit dürfe es "keine Abstriche" geben. Zudem mangle es den Bewilligungsbehörden  ebenso wie der Strombranche ­ an nuklearem Fachpersonal.

Statt 2012, wie ursprünglich terminiert, kann damit das Volk erst "2013 bis 2015" über die Rahmenbewilligung für ein oder mehrere neue AKW abstimmen. Ein erstes neues Kernkraftwerk könnte damit den Betrieb frühestens 2027 aufnehmen, zeigt der neuste verlängerte Fahrplan weiter, den Leuenberger der sichtlich geschockten Strombranche präsentierte. Noch länger dauern demnach die Bewilligungsverfahren für Atommüll-Lager.

"Die Kräfte bündeln"

Der Stromwirtschaft, die mit ihren sich konkurrierenden AKW-Projekten gespalten auftritt, empfahl der Energieminister, "die Kräfte im eigenen Interesse zu bündeln". Denn: "Eine Zustimmung zu einem oder zu mehreren neuen AKW ist keineswegs gewiss." Offen liess er, ob die Bundesverwaltung die AKW-Gesuche getrennt oder als Paket behandeln wird.

Die zweite Neuigkeit betrifft die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Strom aus neuen erneuerbaren Energien. Das Parlament hat diese Quersubventionierung mit mehreren "Kostendeckeln" bewusst begrenzt, insbesondere bezüglich Produktion von Solarstrom. Dagegen protestierte die Photovoltaik-Branche. Leuenberger erwägt nun, dem Parlament eine Gesetzesänderung zu beantragen, um "den Deckel für die KEV anzuheben oder ganz aufzuheben".
Hanspeter Guggenbühl

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Landbote 14.1.09

Leuenberger bremst die AKW-Gesuchsteller

Das Schweizervolk kann frühestens 2013 über neue Atomkraftwerke entscheiden. In der Zwischenzeit will Energieminister Moritz Leuenberger Solarstrom stärker fördern.

Bern - Die Stromwirtschaft hat letztes Jahr Gesuche für drei neue Atomkraftwerke (AKW) in der Schweiz eingereicht. "Alle werden gleich behandelt, aber je mehr Gesuche, desto länger geht deren Überprüfung", sagte Moritz Leuenberger gestern am Stromkongress in Bern. Denn bei der Sicherheit dürfe es "keine Abstriche" geben. Statt 2012, wie ursprünglich terminiert, kann damit das Volk erst "2013 bis 2015" über die Rahmenbewilligung für ein oder mehrere neue AKWs abstimmen. Ein erstes neues Kernkraftwerk könnte damit den Betrieb frühestens 2027 aufnehmen, zeigt der neuste Fahrplan, den Leuenberger der sichtlich geschockten Strombranche präsentierte. Der Stromwirtschaft, die mit ihren sich konkurrierenden AKW-Projekten gespalten auftritt, empfahl der Energieminister, "die Kräfte im eigenen Interesse zu bündeln". Denn: "Eine Zustimmung zu einem oder zu mehreren neuen AKWs ist keineswegs gewiss."

Die zweite Neuigkeit betrifft die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Strom aus neuen erneuerbaren Energien. Das Parlament hat diese Quersubventionierung bewusst begrenzt, insbesondere bezüglich Produktion von Solarstrom. Dagegen protestierte die Fotovoltaikbranche. Leuenberger erwägt nun, dem Parlament eine Gesetzesänderung zu beantragen. Die Voten am Stromkongress zeigten deutlich, wie widersprüchlich und konfliktträchtig die Ansprüche der verschiedenen Interessengruppen an den Strommarkt sind. (hpg)lSeite 4

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Widersprüche prägen den Strombasar

Hanspeter Guggenbühl

Die Stromversorgung soll sicher sein, aber auch effizient und umweltfreundlich, sowohl marktgerecht als auch kostenorientiert - und vor allem billig. Der Stromkongress in Bern spiegelte die vielfältigen Konflikte und Widersprüche.

bern - Als Mitte der 1990er-Jahre die Liberalisierungsdebatte begann, kämpfte die energieintensive Industrie an vorderster Front für die Öffnung des Schweizer Strommarktes für Endverbraucher. Seit Anfang Jahr ist dieser Markt geöffnet. Jetzt fordert die gleiche Industrie kostengerechte Preise sowie die Rückkehr zum "Service public".

Als Vertreter dieses eklatanten Widerspruchs trat Marcel Imhof am Stromkongress gestern in Bern ans Mikrofon und richtete folgende Appelle an die Stromwirtschaft: "Klären Sie mit Ihren Eigentümern, ob sie Service public oder gewinnorientierte Unternehmen sind. Haben Sie Verständnis dafür, dass die Industrie von Ihnen einen Beitrag zur Kostenermässigung erwartet." Als Vorbild nannte er den französischen Staatskonzern EDF, der "mit tiefen Strompreisen Industriepolitik betreibt", im Klartext: Industrieprotektionismus statt Gewinnorientierung. Marcel Imhof ist Chef des Konzerns Schmolz + Bickenbach, der unter anderem die energieintensiven Stahlwerke in Gerlafingen und Emmenbrücke (ehemals Von Roll und Von Moos) betreibt. Seine Wandlung vom Markt-Saulus zum Servicepublic-Paulus begründet er mit dem Wandel der Verhältnisse: In den 90er-Jahren, als die Stahlindustrie Zutritt zum Strommarkt begehrte, waren die Strompreise auf dem Markt tiefer als im Schweizer Monopol.

Heute hingegen sind die Marktpreise höher als die Monopoltarife. "Jetzt", konstatiert Imhof, "haben wir die Liberalisierung, aber sie nützt uns nichts mehr, weil wir keine günstige Angebote erhalten." Deshalb fordert er heute, dass der bisherige Monopolist ihm den Strom trotz Marktöffnung weiterhin zu kostenorientierten Preisen liefert. Damit lockte er den abtretenden Swissgrid-Chef Hans-Peter Aebi aus dem Busch. Dieser erklärte, die tiefen Stromtarife, von denen die Industrie in den letzten zehn Monopoljahren profitierte, seien von den Haushalten quersubventioniert worden.

"Nachhaltige" Versorgung

Imhof und weitere Wirtschaftsvertreter kritisieren auch die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Strom aus erneuerbaren Energien, weil diese den "normalen" Strom um 0,6 Rappen/kWh verteuert. Auf der anderen Seite begehren Solar- und Windstromproduzenten sowie Umweltorganisationen eine Erhöhung dieser KEV - und finden damit offene Ohren bei Energieminister Leuenberger. Ihre Begründung: Die Stromversorgung müsse "nachhaltiger" werden. Die Förderung von "nachhaltigem" Solarstrom kollidiert jedoch mit der Forderung nach einer möglichst "effizienten" und "sicheren" Stromversorgung. Denn pro investiertes Kilowatt Leistung oder pro investierten Franken erzeugt eine Photovoltaik-Anlage nur einen Bruchteil so viel Strom wie ein schmutziges Kohle- oder ein risikoreicheres Atomkraftwerk. Um aber die Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten, so argumentiert die Stromlobby, brauche es zusätzliche Atomkraftwerke im Inland und Kohlekraftwerke im Ausland. Was wiederum die Umweltorganisationen klar ablehnen.

Stromer übt Selbstkritik

Die Ansprüche, welche die verschiedenen Interessengruppen an die Stromwirtschaft, Stromversorgung und den Strommarkt stellen, sind also vielfältig und widersprüchlich. Aus dieser Erkenntnis heraus formulierte Urs Rengel, Chef des staatlichen Zürcher Stromverteilers EKZ, in Bern eine Reihe von bemerkenswerten Thesen. Darunter eine publikumskritische: "Strom interessiert eigentlich niemanden - aber jetzt wollen alle mitreden." Aber auch zwei selbstkritische: "Der Strombranche fehlt der Anreiz zur Effizienz", weil die Stromanbieter gegenwärtig von einem "Verkäufermarkt" profitieren und deshalb keinen Anreiz hätten, Kosten einzusparen. Und - mit Blick auf die aktuelle Preisdebatte in der Schweiz: "Der Tarifdschungel schädigt das Image der Strombranche mehr als der Preis."

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GAZA
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WoZ 15.1.09

Der Gazakrieg

Pazifismus-Wo steckt die israelische Linke? Warum steht eine Mehrheit der israelischen Bevölkerung hinter dem Krieg? Ein israelischer Politologe erklärt.

Israels friedliche Stimmen

Von Zvi Schuldiner, Jerusalem

Einige Stunden nachdem die israelische Luftwaffe damit begonnen hatte, den Gazastreifen zu bombardieren, versammelten sich die ersten israelischen FriedensaktivistInnen auf der Strasse zum Protest.

Zu Beginn waren es nur wenige - und dies hat mit den Entwicklungen der letzten Jahre zu tun: 2005, als der damalige Ministerpräsident Ariel Scharon den einseitigen Rückzug aus dem Gaza streifen durchsetzte, erhielt er von den Moderaten und PazifistInnen - in Israel wie im Westen - grossen Applaus. Wunderbar, sagten sie, darauf haben wir seit 1967 gewartet. Und da die israe lischen SiedlerInnen und ihre rechten politischen Verbündeten Scharons Plan lauthals verurteilten, fühlten sich die Moderaten in ihrer Position bestärkt. Dennoch gab es auch eine kleine Minderheit von Linken, die gegen den Rückzug waren - und sie hatten guten Grund: Zwar sei ein Rückzug überfällig, sagten sie, doch dazu brauche es ein Abkommen mit den PalästinenserInnen.

Ein grosses Gefängnis

Genau dies war nämlich nicht der Fall: Israels Rückzug war vor allem ein Mittel, um die Besetzung des palästinensischen Westjordanlandes zu stärken. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas wurde im Vorfeld zu keinem einzigen Gespräch eingeladen; kurz drauf verlor seine Fatah-Partei die palästinensischen Parlamentswahlen von 2006 gegen die Hamas, und der Gazastreifen wurde in ein grosses Gefängnis umgewandelt, welches seither von aussen durch die israelische Armee kontrolliert wird.

Der Beschuss von Sderot, einer kleinen armen israelischen Stadt, und deren Umgebung durch Kassamraketen hatte bereits 2000 mit dem Beginn der zweiten Intifada begonnen. Die EinwohnerInnen dachten zuerst, dass dies mit dem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen aufhören würde. Doch das war nicht der Fall. Deshalb bestrafte Israel die PalästinenserInnen etwa durch die Abriegelung der Grenzübergänge und den Unterbruch von Öllieferungen. Daraufhin intensivierte sich der Raketenbeschuss.

Der Waffenstillstand, der vor rund sieben Monaten begann, war für beide Seiten ein Segen. Von Zeit zu Zeit schossen verschiedene palästinensische Gruppen einige Raketen ab. Doch die Lage war ziemlich friedlich - bis zum Zeitpunkt, als israelische Truppen Anfang November die Grenze überschritten und mehrere Palästinenser töteten, die verdächtigt wurden, einen Angriff auf israelische Soldaten vorzubereiten. Von da an fielen immer mehr Raketen auf Israel und viele Israeli fingen an, der rechten Opposition zuzustimmen: Israel müsse handeln.

"Verräter!"

Kurz nach den ersten israelischen Angriffen vor drei Wochen begann es überall im Süden Israels Raketen zu hageln - unter anderem auch iranische, mit einer weitaus grösseren Reichweite. Genau dies mobilisierte die grosse Mehrheit der Israelis für den Krieg - und lähmte die moderaten Kräfte. Von da an sprachen auch führende Mitglieder der linken Meretz-Partei und bekannte Schriftsteller wie Amos Oz von einem "gerechten Krieg". Rund achtzig Prozent der israe lischen Bevölkerung unterstützen laut Meinungsumfragen den Krieg.

Die Medien, die Polizei und die politische Klasse sprechen vor allem von Antikriegsdemonstrationen in den arabischen Dörfern und Städten Israels - die Beteiligung jüdischer Israelis daran wird gänzlich ignoriert. Gut, die AraberInnen sind gegen den Krieg, aber die JüdInnen? Nur einige Verräter und Ignorantinnen können gegen einen gerechten Frieden sein, denken sie sich. Selbst in der liberalen Zeitung Haaretz gab es Stimmen, wie jene ihres Kolumnisten Ari Shavit, die den "gerechten Krieg" lobten und andere wie den Journalisten Gideon Levy an den Pranger stellten, der in derselben Zeitung über die Verbrechen der Flugwaffepiloten schrieb.

Für den Dialog

Eine Woche nach Beginn des Krieges demonstrierten Zehntausende Araber Innen in Sahnin, einer arabischen Stadt im Norden Israels. Einige Stunden danach gingen fast 10 000 JüdInnen und AraberInnen in Tel Aviv auf die Strasse. Auch die Friedensorganisation Peace Now und die Meretz-Partei fordern inzwischen ein Ende des Krieges und haben am letzten Samstag zu einer Kundgebung aufgerufen. Und selbst im Süden des Landes, wo die Leute den Raketen ausgesetzt sind, beginnen die Menschen zu begreifen, dass die einzige Antwort auf die Raketen Verhandlungen sind. Der Widerstand wächst.

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GRIECHENLAND
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WoZ 15.1.09

Griechenland - Nach einer kurzen Ruhepause haben am vergangenen Wochenende die Auseinandersetzungen auf den Strassen der grossen Städte wieder begonnen. Und wieder heisst es: alle gegen alle.

Die Länder der Griechen

Von Petros Markaris, Athen

Der Stadtteil Exarchia liegt im Zentrum von Athen und ist eines der schönsten Viertel der Innenstadt. Während der Militärdiktatur (1967 bis 1974) war das Quartier das Zentrum des Drogenhandels in Athen gewesen. Ab Anfang der neunziger Jahre hat sich Exarchia jedoch zu einer Hochburg der Anarchist Innen und Autonomen verwandelt, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu Künstlerinnen, Akademikern, Schriftstellerinnen, aber auch normalen Kleinbürgern leben.

Wegen dieser potenziell explosiven Mischung war der Stadtteil stets im Visier der Polizei. Die Konfrontation zwischen den AnarchistInnen und den Ordnungskräften konnte aber vermieden werden, solange beide Seiten bestimmte Regeln respektierten. Die Polizei hielt sich diskret im Hintergrund, die AnarchistInnen verzichteten auf jede Provokation. Die Situation änderte sich jedoch im Jahre 2003, als der neue Ordnungsminister Vyron Polydoras auf die verrückte Idee kam, den Stadtteil von den AnarchistInnen zu säubern. Die Polizei trat aus dem Schatten heraus, intensivierte ihre Ausweiskontrollen und schleppte die jungen Leute unter jedem lächerlichen Vorwand auf die Polizeiwache. Die Jugendlichen reagierten, indem sie die Polizei zu provozieren begannen und deren Streifen- und sonstige Einsatzwagen mit Molotowcocktails attackierten. Aus dieser alltäglichen und vor allem allnächtlichen Kraftprobe entstand eine Fehde, und alle wussten - auch die Polizisten, wie sie später zugaben -, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es zu einer ernsthaften Konfrontation kommen würde.

Am Abend des 9. Dezember 2008 geschah das längst Erwartete. Ein Streifenwagen mit zwei Polizisten einer Spezialeinheit wurde von einer Schar von etwa fünfzehn Jugendlichen herausgefordert. Die beiden Gardisten parkierten den Streifenwagen, gingen zu Fuss auf die Jungen zu, es kam zu einem Wortgefecht, während dem einer von beiden Polizisten seine Dienstwaffe zog und den jungen Alexandros Grigoro poulos kaltblütig erschoss.

Die Polizei versuchte, den Fall schnell in Griff zu bekommen. Die beiden Gardisten wurden binnen einer Stunde verhaftet und verhört, am nächsten Morgen dem Untersuchungsrichter übergeben, der gegen die beiden Anklage wegen Mord und wegen Beihilfe zum Mord erhob und sie in Untersuchungshaft nahm.

Die Dynamik des Protests

Doch selbst diese schnelle Reaktion kam zu spät. Die Leiche des jungen Alexandros war vom Tatort kaum entfernt, als eine Welle der Wut ausbrach, die an Aggressivität und Gewalt alle Demonstrationen der letzten zehn Jahre bei weitem übertraf. Junge Leute, Schülerinnen und Studenten gingen auf die Strassen und richteten in den folgenden Stunden im Zentrum von Athen grosse Schäden an; Autos gingen in Flammen auf, Fens terscheiben zersplitterten. Die randalierenden Jugendlichen hatten leichtes Spiel, da die Ordnungskräfte von der Regierung (die weitere Gewaltakte befürchtete) die Anweisung bekommen hatten, sich zurückzuhalten - und nur zuschauten.

Zu Beginn waren sich die Regierung, die parlamentarische Opposition und die meisten BürgerInnen einig: Die Krawalle, so glaubten sie, seien ausschliesslich das Werk der AnarchistInnen und Autonomen von Exarchia. Diese Auffassung musste aber zum Teil revidiert werden: In den folgenden Tagen schlossen sich immer mehr Menschen den Demonstrationen an; auch die Gewalt nahm zu. Es waren nicht nur die "altbekannten Randalierer" (wie man sie in Griechenland nennt), sondern mehrheitlich fünfzehn und sechzehn Jahre alte Jugendliche, die die Stadt durchstreiften und massiv Banken, öffentliche Gebäude, aber auch Geschäfte (darunter mehrere Buchläden) attackierten.

Die Unruhen flauten erst am 22. Dezember ab. Die Schüler und Studentinnen erklärten, dass sie sich und uns anderen BürgerInnen während des Weihnachts- und Neujahrsfests eine Ruhepause gönnen wollten -, aber vorhätten, ab 9. Januar die Protestaktionen wieder aufzunehmen, was dann auch geschah (vgl. Kasten).

Die PolitikerInnen, die Medienleute, die Akademikerinnen und die Künstler - alle wunderten sich: Woher kommt dieses Gewaltpotenzial? Dabei liegt die Antwort auf der Hand, sie ist ein offenes Geheimnis, das nur niemand aussprechen will. Seit Jahren schon hat sich die Wut in Griechenland angestaut. Wir GriechInnen und vor allem unsere politische Klasse haben kräftig daran gearbeitet.

Die Spaltung der Gesellschaft

Die griechische Gesellschaft hat sich nach dem EU-Beitritt Griechenlands 1981 von einer armen, aber solidarischen Gemeinschaft, in der Nachbarschaft und Verwandte das Rückgrat des  Zusammenlebens bildeten, in eine vielfach gespaltene Gesellschaft entwickelt. Jedes Segment tritt nur für seine eigenen Partikularinteressen ein, die es vehement verteidigt, und macht keinen Hehl daraus, dass ihm die anderen gleichgültig sind - egal, ob andere Menschen darunter leiden oder Schaden nehmen.

Die StudentInnenbewegung ist ein gutes Beispiel dafür. Fast jede Woche, manchmal auch zweimal in der Woche, erleben die BewohnerInnen von Athen eine Demonstration der Studierenden. Das Zentrum wird dann abgeriegelt, es fahren keine Busse mehr, die Taxis meiden das Stadtzentrum um jeden Preis. Den armen, hilflosen AthenerInnen bleibt nur noch die U-Bahn. Den StudentInnen ist es völlig egal, ob die Geschäfte durch ihre Demonstrationen materiellen Schaden erleiden. Wichtig ist ihnen nur ihr Gruppeninteresse. Was mit den anderen passiert, ist nicht ihre Sache.

Ein zweites Beispiel sind die Gewerkschaften. Wenn der Dachverband der Gewerkschaften einen Generalstreik ausruft, dann ist das in der Regel nur ein "Generalstreik" im öffentlichen Dienst. Dann streiken lediglich die Beschäftigten des Staatsapparats; der gesamte Privatsektor funktioniert jedoch wie gewohnt, und seine Belegschaften arbeiten wie an jedem anderen Tag. Wenn am nächsten Tag in den Zeitungen zu lesen ist, dass Athen lahmgelegt wurde, wissen alle, dass das nicht die Folge eines erfolgreichen Generalstreiks war, sondern die einer Arbeitsniederlegung der Bus- und U-Bahn-Angestellten, deren Gewerkschaft zudem keinerlei Anstrengung unternahm, die Öffentlichkeit und insbesondere andere ArbeiterInnen über ihre Belange zu informieren oder gar in ihren Kampf einzubeziehen. Dass dadurch Zehntausende von Lohnabhängigen zweimal am Tag nur mit grosser Mühe und langen Verspätungen ihren Arbeitsplatz beziehungsweise ihre Wohnung erreichen, ist dem Zentralverband der Gewerkschaften völlig egal. Die gehören ja nicht zum Segment "Staatsapparat".

Der härteste - und gefährlichste - Kern dieser Zellengesellschaft ist die politische Klasse. Alle Gruppierungen verteidigen ihre Einzelinteressen (oft zulasten der Allgemeinheit), keine andere aber bestimmt so sehr das Schicksal der gesamten Bevölkerung.

Seit rund sieben Jahren sind die GriechInnen mit einer politischen Realität konfrontiert, die von Vetternwirtschaft und Skandalen geprägt ist, in die viele PolitikerInnen verwickelt sind. Die Reihe der kleinen und grossen Betrügereien ist lang. Sie reicht vom Börsenskandal der Pasok-Regierung von Konstantinos Simitis (1996 bis 2004) bis zu den Skandalen der konservativen Regierung von Kostas Karamanlis (seit 2004), von der Siemens-Schmiergeldaffäre, die bis in die höchsten Kreise reichte, bis zu den höchst umstrittenen Immobiliengeschäften zwischen dem Staat und dem Kloster Vatopedi. Bisher hat kein einziger Fall die Justiz erreicht. Im Gegenteil: Wir sehen zu, wie der Generalstaatsanwalt die mutmasslich am Vatopedi-Skandal beteiligten Minister freispricht, bevor sich die Gerichte damit befassen konnten.

Dazu kommt eine Linke, die machtlos, weil gespalten, ist und einen permanenten Kleinkrieg mit sich selber führt, der die Bevölkerung völlig kalt lässt.

Als wäre das nicht genug, steckt nun das Land auch noch in der tiefsten Wirtschaftskrise seit dreissig Jahren, die aber keine der Parteien gross zu kümmern scheint. Die Regierung versucht mit allerlei Tricks, die wahre wirtschaftliche und finanzielle Lage zu verheimlichen - weil sie schwach ist, sich aber trotzdem an der Macht halten will.

Kämpfen für den Status quo?

In seiner Einführung in die "Menschliche Komödie" schreibt Honoré de Balzac von einem "institutionellen Land" (pays légal) und einem "realen Land" (pays réel). Das institutionelle Land bezeichnet das Land der Politik, der öffentlichen Dienste, der Justiz und so weiter, während das reale Land den Handel, die Wirtschaft, die Mode, die Unterhaltung, kurzum: das Leben umfasst. Diese beiden Länder spielen nicht harmonisch zusammen, sondern stehen in einem gereizten Verhältnis zueinander. In keinem anderen europäischen Staat wird aber das institutionelle Land vom realen Land so sehr verabscheut wie in Griechenland. Die DurchschnittsgriechInnen sehen im institutionellen Land einen Gegner, der sie daran hindert, ordentlich zu leben und sich zu entwickeln.

Warum sollten also, angesichts dieser Situation, die jungen Leute nicht empört, ja sogar wütend sein? Die ganze Bevölkerung ist seit Jahren empört. Die Jugendlichen verkörpern diese Empörung viel radikaler, weil sie Angst haben und völlig verunsichert sind. Sie sehen den Albtraum der Arbeitslosigkeit vor sich und wissen, dass sie sich bestenfalls mit 500-Euro-Gelegenheitsjobs werden begnügen müssen, die in keinerlei Beziehung zu ihrer jahrelangen Ausbildung stehen.

Allerdings sind die jungen Leute und vor allem die StudentInnen an dieser Situation nicht ganz unschuldig. Sie haben sich jahrelang vehement jedem Reformansatz im Bildungswesen widersetzt und dafür gekämpft, dass alles beim Alten bleibt. Was ist das aber für ein Aufstand, der nur den Erhalt des Status quo zum Ziel hat?

Sie besetzen die Universitäten, unterbrechen wochenlang Lesungen und bekommen am Ende ein Diplom, das auf dem Arbeitsmarkt kaum das Papier wert ist, auf dem es geschrieben ist. Schlimmer noch: Sie werden in ihrem Bestreben von den beiden grossen linken Parteien, der Kommunistischen Partei und der Partei der radikalen Linken Sirisa, unterstützt, weil diese ihre Oppositionsrolle so verstehen, dass sie jeden Reformvorschlag, der von der jeweiligen Regierung kommt, ablehnen.

Die Zersplitterung der Gesellschaft, der schwindende Zusammenhalt, die Skandale und Krisen werfen die Frage auf: Und wie sieht die Zukunft aus? Die Antwort fällt düster aus. Meine grösste Angst besteht darin, dass bei uns eine Art griechisch-autoritärer Berlusconismus gedeihen könnte. Wenn man die Parallelen mit Italien sieht, klingt das so abwegig nicht. Auch in Italien versagten die Christdemokraten, dann kamen die Sozialisten mit ihren Skandalen, danach folgte kurzzeitig die Operation "Saubere Hände" - und am Ende der Reihe wartete dann Silvio Berlusconi.


Petros Markaris, 1937 in Istanbul geboren, ist der bedeutendste Kriminalschriftsteller Griechenlands. Zuletzt erschienen von ihm auf Deutsch der Krimi "Der Grossaktionär" (Diogenes-Verlag, Zürich 2007) und die Autobiografie "Wiederholungstäter. Ein Leben zwischen Athen, Wien und Istanbul" (ebenfalls Diogenes, 2008).

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Nächste Runde

Am Freitag letzter Woche kam es anlässlich eines nationalen Bildungsaktionstags im ganzen Land erneut zu Demonstrationen, Strassenkämpfen und insgesamt über hundert Festnahmen. In Athen beschlossen Studierende die Besetzung von Bildungseinrichtungen; in Ioannina und Thessaloniki halten Protestierende Gewerkschaftshäuser besetzt. Die nächste landesweite Demonstration für die Freilassung aller Inhaftierten soll am Samstag in Larisa stattfinden.

Mit einer Kabinettsumbildung vor einer Woche versuchte Ministerpräsident Kostas Karamanlis die Wogen zu glätten: Er entliess mehrere Minister. Da er jedoch an seinem umstrittenen Innenminister Prokopis Pavlopoulos festhält, konnten die Konservativen den Popularitätsverlust bisher nicht stoppen.

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GIPFEL-SOLI-NEWS 13.+14.1.09
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gipfelsoli.org/Newsletter 14.1.09

14.1.2009 Strasbourg/ Baden-Baden -- Maddalena

- Smash we can!
- Bremen: Schuhe auf Ex-General Naumann
- Aktions- und Vernetzungstreffen gegen die Verschärfung des Versammlungsgesetzes in Baden-Württemberg
- SECURITY CHECKS BEGIN AT G8 VENUE
Mehr: http://www.gipfelsoli.org/Newsletter/5952.html

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13.1.2009 Strasbourg/ Baden-Baden -- Heiligendamm

- NATO-Gipfel-Gegner unzufrieden mit Verhandlungsergebnis über Protestcamps
- NPD-Jugend plant Aufmarsch beim NATO-Gipfel
- Internationales Dissent! Treffen vom 16ten bis 18ten Januar 2009 in Strasbourg
- Widerstand gegen NATO-Gipfel
- NATO soll Ärger kriegen
- Attac-VORSCHLAG für einen Aufruf - Aktionswoche "Gemeinsam gegen Krise und Krieg"
- G8-Polizeieinsatz nicht so teuer wie erwartet
- Out of control - Ein Soli-Sampler in 4 Akten
Mehr: http://www.gipfelsoli.org/Newsletter/5944.html