MEDIENSPIEGEL 16.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, Tojo)
- Tour de Lorraine: Poetry Slam + Co.
- Stadtrat I: Medienmitteilung Reitschule zu Stadtratsentscheid v. 15.1.09
- Dealer-Arzt
- Baby-Punks gesucht
- Letztes Wasserwerk-Weekend
- Antisemitismus: Vermischungen
- Rassismus gegen Roma
- Portrait Sans-Papiers
- Gedeckter Platz für Randständige BS
- Fussball YB-LU: Protectas-Bericht unter Verschluss
- WEF: Demo-Stress in GE und Nominationen
- Schwullesbische Fluchtgründe
- Stadtrat II: Protokoll zum negativen Drogenanlaufstelle-Öffnungszeiten-Entscheid vom 4.12.08
- Stadtrat III 29.1.09: Subventionssperre IKuR + Wagenplätze

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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Fr 16.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Bloup von Duo Luna-tic. Judith Bach & Stéfanie Lang
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: Der Duft des Geldes, Dieter Gränicher, Schweiz 1998
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: Apparatschik (D) & DJ Mario Batkovic (BE)

Sa 17.1.09 - tourdelorraine.ch
20.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: giù le mani, Danilo Catti
21.45 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: von katzen und menschen - und der kunst des nutzlosen, Yael André
23.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: eine andere welt ist pflanzbar
00.30 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: ohne worte - der 6. oktober 2007 in bern, Hansdampf
01.00 Uhr - Kino - Tour de Lorraine: the swamp collection, Jonas Raeber
22.00 Uhr - Tojo - Tour de Lorraine: Tojo Disko mit DJ Pablo
22.00 Uhr - Frauenraum - Tour de Lorraine: HUMAN TOYZ (Paris/F) und COPY&PASTE (Burn/CH)
22.00 Uhr - Dachstock - Pompelmoessap VD, Balduin BE, Meienberg BE, DJ Jane Vayne - minimal, electro, electrique camambert avantgarde, IDM-electronic, broadspectrum
22.00 Uhr - SousLePont - Tour de Lorraine: Flimmer (Psy-Core, BS) & André Duracell (One-Man-Drum-Show, FR) ONE SECOND RIOT (F)

So 18.1.09
05.00 Uhr - SousLePont - Katerfrühstück mit Zeno Tornado Solo (Bluegrass/Country, BE)

Infos: www.reitschule.ch

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Bund 16.1.09

Sounds: Apparatschik

Die besten falschen Russen

Sie seien die besten falschen Russen auf Deutschlands Konzertbühnen, sagte einst Berlins Vorzeige-Russe, der Autor Wladimir Kaminer: Die Rede ist von der deutschen Band Apparatschik, die sich fesche Russenmützen anzieht und dicke Balalaikas umschnallt und russische Volksweisen, Revolutionslieder und Liebesballaden mit Punk, Rock, Ska und Polka zur bandeigenen "Volxmusik" frisiert. Den Abend im Dachstock komplettiert Akkordeonist Mario Batkovic als DJ, der für einmal sein Instrument zu Hause lässt und dafür seine Balkan-Beats-Scheiben mitnimmt. (kul)

Reitschule Dachstock, heute Freitag, 22 Uhr.

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BZ 16.1.09

Vier Hände, zwei Stimmen und ein rollendes Klavier im Tojo Theater

"Bloup": So heisst das neue Stück des Frauenduos Luna-tic, welches heute Abend im Tojo Theater aufgeführt wird. Im Mitttelpunkt: vier Hände, zwei Stimmen und ein rollendes Klavier. Die Protagonistinnen: Judith Bach alias Fräulein Claire aus Berlin und Stéphanie Lang alias Mademoiselle Olli aus Paris. Die beiden wechseln sich fliegend ab am Piano und im Gesang, swingen und singen längst vergessene Chansons und hauchen den Stücken neues Leben ein. "Ein Ambiente des Zwanziger-Jahre-Kabaretts von pianissimo bis fortissimo auf, am, im oder um das rollende Klavier", wird der Auftritt der beiden Damen in einer Medienmitteilung angekündigt. Man lasse sich überraschen.
cw

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TOUR DE LORRAINE
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Bund 16.1.09

Welterfahrene Emmentalerin

Die Autorin Marina Bolzli protestiert mithilfe von Poetry Slam gegen das WEF

"Eigentlich bin ich keine professionelle Poetry-Slammerin", sagt Marina Bolzli, angesprochen auf ihren Auftritt. "Aber hier nehme ich gerne teil." Als Protest gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF) findet vor der UBS-Filiale beim Bahnhof in Bern ein Poetry Slam statt - also ein literarischer Wettbewerb, bei dem Poeten mit selbst geschriebenen Texten vor Publikum gegeneinander antreten.

Poetry Slam als WEF-Protest

Etwas verspätet und "im Schuss" ist die junge Autorin kurz zuvor in der Zürcher Bar eingetroffen. Die Worte sprudeln aus ihrem Mund.

Der Anlass in Bern sei atypisch. Normalerweise hätten Poetry Slams keine politische Aussage. Sie sei keine militante Globalisierungsgegnerin, sagt sie. Auch dass die UBS unterstützt werde, befürworte sie im Prinzip. "Warum aber hilft man nur den Grossen und nicht auch den Kleinen?" Diese Frage stellt Marina Bolzli in den Vordergrund ihrer Texte. Als politische Autorin sieht sie sich nicht. Trotzdem sei es ihr wichtig, dass auch die Literatur politische Themen aufgreife.

Als Aussenseiterin im Emmental

"Entschuldigung, ich rede zu schnell", unterbricht sich die junge Autorin unvermittelt. "Das ist nicht sehr typisch für eine Bernerin vom Land, ich weiss." Aufgewachsen ist die Schreiberin im Emmental. Stets eine Aussenseiterin, begann sie schon früh Gedichte zu verfassen. Dass sie in einfachen Verhältnissen aufgewachsen sei, komme ihr heute vielleicht sogar zugute. So habe sie ihren eigenen Schreibstil finden können und sei nicht "verbildet" worden. Seit ihrem Studium in Bern - Politologie und Russisch - hat Bolzli viel geschrieben.

Sie wirkt als Lokaljournalistin und Kolumnistin bei der "Berner Zeitung", ist Poetin und freie Autorin. Zuletzt verfasste sie einen Adventskrimi als Folgeroman für den "Blick". Kennt die Autorin Existenzängste, gerade in der jetzigen Wirtschaftssituation? "Natürlich", sagt Bolzli, "besonders hier in der Schweiz." Die Schweizer seien halt sehr auf Sicherheit bedacht. Das färbe ab.

Russland: Eine Hassliebe

Immer wieder reist Bolzli nach Russland. Mit einem Stipendium von Pro Helvetia konnte sie zudem nach Krakau. Dort hat sie an ihrem ersten Roman "Nachhernachher" geschrieben, der im März erscheint. Er handelt von einer Frau, die nach einer Trennung die Orientierung verliert. In der Fremde findet Bolzli oft mehr Inspiration als in der Schweiz. Von Russland ist sie fasziniert. Das riesige Land wirke zugleich anziehend und abstossend auf sie - eine Hassliebe. "Die sozialen Unterschiede sind gross." Auch dort werde den Grossen, wie dem Gaskonzern Gazprom, geholfen, den Kleinen aber nicht.

Die bestellte Kaffeetasse ist leer. Der nächste Termin wartet, und wie sie gekommen war, verabschiedet sie sich: "im Schuss". (jub)

[i]

Poetry slam als wef-protest

Heute 18 Uhr vor der UBS-Filiale am Bahnhofplatz, Bern. U. a. mit: Marina Bolzli, Christoph Simon und Samuel Hofacher.

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20 Minuten 16.1.09

Tour de Lorraine mit einem kunterbunten Programm


BERN. Die Tour de Lorraine stellt alljährlich ein ausgefallenes Programm zusammen. Zehn Lokale stehen für den Preis von einem Eintritt offen.


Was vor Jahren als Fundraising-Aktion der Anti-WTO-Koordination begann, hat sich mittlerweile zu einem festen Anlass gemausert. Unzählige Bands und DJs bedienen in zehn verschiedenen Lokalen dies- und jenseits der Lorrainebrücke jeden Musikgeschmack.

Im Café Kairo etwa spielen Slam & Howie And The Reserve Man ab 21.30 Uhr Country. Das mag im ersten Moment einige abschrecken. Doch keine Bange: Die Berner nennen ihren Sound Bastard Speed Country und sind live eine Wucht.

Ab 22 Uhr besteigt Casino Gitano die Bühne der Turnhalle. In guter alter Gypsy-Manier schöpfen die 13 Multikulti-Berliner aus dem Fundus der europäischen Folk-Musik. Neben Flamenco finden auch Chansons, Volkslieder, Tango und Swing Platz in ihrem Repertoire.

Im Frauenraum der Reitschule finden Fans von trashigem Elektro ab 23 Uhr ihr Zuhause. Die Berner Copy&-Paste und die Damen der französischen Truppe Humantoyz rocken hier die Bühne. Pedro Codes

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STADTRAT I
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Mediengruppe Reitschule 16.1.09

Bern 16.1.2009

Reitschule Bern zum dringlichen Postulat Henri-Charles Beuchat (CVP):
"Sicherheitsprobleme spitzen sich zu - Todesfall vor der Reitschule" vom 11. September 2008, diskutiert an der Stadtratssitzung vom 15. Januar 2009.

Sehr geehrte Damen und Herren

Werte Medienschaffende

Gestern Abend hat der neue Stadtrat über das oben genannte Postulat diskutiert. Wir erlauben uns, Ihnen hierzu einige weitere Informationen zukommen zu lassen.

Die Reitschule war ebenso wie die ParlamentarierInnen schockiert über den Todesfall unter der Eisenbahnbrücke von Ende August: Zitat aus unserer Medienmitteilung vom 9. September:

"Die Reitschülerinnen und Reitschüler sind bestürzt über den Tod des Mannes, der am 29. August unter der Eisenbahnbrücke auf der Schützenmatte so schwer verletzt wurde, dass er nun im Spital verstorben ist. Leider sind damit unsere schlimmsten Befürchtungen wahr geworden. Die Situation auf dem Vorplatz hat das erste Todesopfer gefordert. Tagtäglich beobachten wir die unhaltbaren Zustände der offenen Drogenszene unter der Eisenbahnbrücke zwischen der Reitschule und der Schützenmatte. Einmal mehr wollen wir festhalten, dass nicht die Reitschule, sondern die städtische Drogenpolitik solche Zustände verursacht."

- Wie sicher den alten und neuen StadträtInnen bekannt ist, haben sich seit letzten September die Zustände auf dem Vorplatz radikal geändert. Die Drogenszene inklusive Dealer ist "verschwunden". Dies insbesondere, weil nach den oben genannten Vorfällen die Polizei- und AWR-Massnahmen stetig zugenommen hatten.

- Die im Postulat vom 11.9.2008 geforderte Klärung der Vorfälle hat bereits stattgefunden. Die Reitschule hat mit einer Medienkonferenz vom 17.9.2008 breit informiert (alle Unterlagen siehe http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html); gleichentags hatte auch der Gemeinderat sich mit einem Schreiben an die Öffentlichkeit gewandt (http://www.bern.ch/mediencenter/aktuell_ptk_sta/2008/09/situation%20vor%20der%20reithalle).

- Seit der Pensionierung des Kultursekretärs Christoph Reichenau hat die Reitschule auf Stadtseite keine Ansprechsperson mehr. Wie in den letzten Jahren ist die Reitschule auch in Zukunft gewillt, an den Leistungsvertraglich vereinbarten Gesprächen mit der Stadt teilenhmen - sobald die Stadt die Zuständigkeit geklärt hat. Die Reitschule hat im Übrigen ihre Traktanden schon vorbereitet und wartet auf eine(n) Gesprächspartner(in) und auf einen Termin - wir sind also im wahrsten Sinne des Wortes gesprächsbereit.

- Die Reitschule hat seit längerer Zeit regelmässig ihre Besorgnisse über die Zustände (bis Herbst 2008) auf dem Vorplatz geäussert. Mit nicht repressiven Massnahmen, z.B. dem Kulturprogramm auf dem Vorplatz von Mai-September 2008, hat sie deshalb nicht ohne Erfolg versucht, eine andere Stimmung aufzubauen.

- Am 4. Dezember 2008 hat der Stadtrat leider gegen eine Verlängerung der Öffnungszeiten bei der Drogenanlaufstelle Hodlerstrasse (bis zur Eröffnung einer zweiten Drogenanlaufstelle) gestimmt. Mit diesem Entscheid leistet er u.E. selber einen Beitrag zu einer erneuten (kultur-, sozial- und gesundheitspolitischen) Unsicherheit auf der Schützenmatte und vor der Reitschule.

- Betreffend Sinn und Wirkung von Videoüberwachung unter der Eisenbahnbrücke verweisen wir auf die bereits mehrfach geführten Diskussionen im Stadtparlament.

- Des Weiteren bezweifeln wir die Nützlichkeit sowie den sachlichen Zusammenhang zwischen der Problematik einer offenen Drogenszene und einer missglückten städtischen Drogenpolitik unter der Eisenbahnbrücke vor der Reitschule und "unangekündigten Hausdurchsuchungen" in der Reitschule.

- Nicht das Herumhacken auf der Reitschule, sondern nur eine ganzheitlich-durchdachte Politik nützt gegen die Probleme im Raum Bollwerk-Schützenmatte. Wir meinen, der beste Beitrag zur Erhaltung und Verbesserung der Sicherheit vor der Reitschule und auf der Schützenmatte ist und bleibt die Unterstützung eines lebendigen, vielfältigen und kreativen Kultur- und Begegnungszentrums Reitschule inklusive Belebung des Vorplatzes.

Die nächste "einfache" Gelegenheit, die Reitschule und ihre vielfältigen Aktivitäten zu besuchen steht vor der Türe: Die Reitschule und all ihre Veranstaltungsräume machen mit bei der "Tour de Lorraine" - http://www.tourdelorraine.ch.

Besucht uns, wir sind da!

Mit freundlichen Grüssen
Mediengruppe Reitschule

http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html
medien@reitschule.ch


Beiträge der Medienkonferenz vom 17.9.2008

- Der Reitschule-Alltag >> (http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/08-09-17-PK-Reitschule/PK-Reitschule-Alltag.pdf)

- Mangelnde Dialogbereitschaft und Vertragsbruch? - Eine Richtigstellung >>
(http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/08-09-17-PK-Reitschule/PK-Historischer-Rueckblick.pdf)
- Unvollständiger historischer Rückblick: Reitschule, Drogenszene und
Drogenanlaufstellen oder: das harte Los von 2. Drogenanlaufstellen in der
Stadt Bern >> (http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/08-09-17-PK-Reitschule/PK-Historischer-Rueckblick.pdf)
- Der Einfluss der Öffnungszeiten der Drogenanlaufstelle Hodlerstrasse auf
die Reitschule. Die aus der Innenstadt vertriebene Drogenszene auf der
Schützenmatte, Vorplatz und Neubrückstrasse und die Uniformpräsenz sorgen für Spannungen >> (http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/08-09-17-PK-Reitschule/PK-Uniformpraesenz.pdf)
- Kurzfristige Forderungen bis zur Eröffnung einer 2. Drogenanlaufstelle:
Sofortige Verlängerung der Öffnungszeiten bis mindestens 24 Uhr sowie die
tägliche Öffnung der Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse
Tolerierung der Bildung von Kleinszenen in der ganzen Stadt >> (http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/08-09-17-PK-Reitschule/PK-Kurzfristige-Forderungen.pdf)
- Zusätzliche Forderungen für eine vernünftige Drogenpolitik in der Stadt
Bern>> (http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/Medienmitteilungen/08-09-17-PK-Reitschule/PK-Zusaetzliche-Forderungen.pdf)

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Bund 16.1.09

Im Stadtrat spielt neue Mehrheit

Berner Stadtrat wählt neuen Ratspräsidenten - die neue Mehrheit fordert mehr Sicherheit vor der Reitschule

Daniel Vonlanthen

Ueli Haudenschild (fdp) steht seit gestern dem Berner Stadtrat vor. Er wurde mit Akklamation gewählt. Eine Kontroverse lieferte sich der Rat in seiner neuen Zusammensetzung um die Reitschule.

21 neue Ratsmitglieder, neue Fraktionen und Parteien sowie eine neue Sitzordnung: Das Organisatorische überwog an der gestrigen ersten Sitzung des Berner Stadtparlaments in seiner neuen Zusammensetzung. Weil sich die Fraktionen nicht auf eine neue Sitzordnung einigen konnten, galt eine provisorische Platzverteilung. Die BDP/CVP-Fraktion, die sich der Mitte zugehörig fühlt, musste beim SVP-Flügel sitzen. Die Mitteplätze durften die vier Grünliberalen einnehmen. Das Büro des Stadtrats bestimmt nun die endgültige Verteilung. Die Entscheide fielen per Handauszählung, weil die automatische Abstimmungstafel nach der definitiven Platzzuteilung neu programmiert werden muss.

Gegen die Stimmen der Linken, mit Unterstützung von GFL/EVP, BDP und Grünliberalen, überwiesen die Bürgerlichen ein Postulat von Henri Beuchat (cvp) zur Verbesserung der Sicherheit vor der Reitschule. Der Gemeinderat soll unter anderem den Einsatz von Videoüberwachung prüfen. Beuchat hatte seinen Vorstoss nach dem Todesfall von Ende August eingereicht. Gewalt sei zu verurteilen, fand auch die Linke. Doch handle es sich beim Vorstoss um eine krasse Vermischung von Gewaltentrennung und Drogenpolitik, sagte Luzius Theiler (gpb). Die Reitschule dürfe nicht für alles Schlimme auf dem Vorplatz verantwortlich gemacht werden, betonte Beat Zobrist (sp). Dem widersprach Erik Mozsa (gfl): Die Reitschule sei fürs Umfeld durchaus mitverantwortlich; und Untätigkeit helfe ihr nicht.

"Souverän und sachlich"

Andreas Zysset (sp), der nicht mehr im Rat sitzt, gab das Präsidium an Urs Haudenschild (fdp) ab. Haudenschild (Porträt im "Bund" von gestern) wurde per Akklamation gewählt. Für seinen Vorgänger war er des Lobes voll: Zysset habe den Betrieb im schwierigen Wahljahr "souverän und sachlich" geführt. In seiner Antrittsrede (siehe Kasten) forderte der 50-jährige Haudenschild die Überwindung des Blockdenkens, was der Rat bei der Reitschuldebatte durchaus befolgte. Erster Vizepräsident ist Urs Frieden (gb). Vania Kohli (bdp) wurden zur zweiten Vize gewählt.

Auch die SVP plus stimmte für Kohli, obwohl sie Kritik an deren Nomination geäussert hatte. Es sei aussergewöhnlich und widerspreche langjähriger Praxis, die unbekannte Vertreterin einer neuen Partei für das zweite Vizepräsidium vorzuschlagen, sagte Peter Bernasconi. Deshalb erhob die SVP bereits für die Wahl in zwei Jahren Anspruch auf das Amt.

Einen Denkzettel verpasste der Rat SVP-Hardliner und Fraktionschef Erich J. Hess. Die Ratslinke lehnte seine Wahl zum Präsidenten der Kommission für Planung, Verkehr und Stadtgrün (PVS) ab. Die folgenden Kommissionswahlen waren unbestritten.

 Budget- und Aufsichtskommission (BAK): Annette Lehmann (sp, Präsidium), Hanspeter Aeberhard (fdp, Vize), Beni Hirt (juso), Beat Zobrist (sp), Conradin Conzetti (gfl), Martin Trachsel (evp), Herni Beuchat (cvp), Kurt Hirsbrunner (bdp), Hasim Sancar (gb), Simon Glauser (svp), Jan Flückiger (glp). Finanzen, Sicherheit und Umwelt (FSU): Barbara Streit (evp, Präsidium), Peter Bühler (svp, Vize), Corinne Mathieu (sp), Giovanna Battagliero (sp), Miriam Schwarz (sp), Claudia Meier (bdp), Bernhard Eicher (jf), Dolores Dana (fdp), Christine Michel (gb), Peter Bernasconi (svp), Tanja Sollberger (glp). Planung, Verkehr und Stadtgrün (PVS): Erich J. Hess (jsvp, Präsidium), Stefan Jordi (sp, Vize), Gisela Vollmer (sp), Patrizia Mordini (sp), Nadia Omar (gfl), Daniel Klauser (gfl), Edith Leibundgut (cvp), Mario Imhof (fdp), Urs Frieden (gb), Stéphanie Penher (gb), Jimy Hofer (hoferliste). Soziales, Bildung und Kultur (SBK): Pascal Rub (fdp, Präsidium), Sue Elsener (gfl, Vize), Ruedi Keller (sp), Rolf Schuler (sp), Ursula Marti (sp), Martin Schneider (parteil.), Philippe Müller (fdp), Cristina Anliker-Mansour (gb), Lea Bill (ja), Ueli Jaisli (svp), Claude Grosjean (parteil.). Agglomerationskommission (AKO, Ergänzung): Thomas Begert (bdp), Thomas Weil (svp), Michael Köpfli (glp).

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Haudenschilds politisches Bekenntnis

In seiner gestrigen Antrittsrede bekannte sich der neu gewählte Stadtratspräsident Ueli Haudenschild (fdp) zu den Grundsätzen der direkten Demokratie, zu einem verantwortungs- und respektvollen Umgang miteinander sowie zur aktiven politischen Mitbestimmung. Das Privileg der persönlichen Freiheit und der individuellen Lebensgestaltung gelte es zu schätzen. Ein grosser Teil der Menschheit kämpfe ums tägliche Überleben und sei in den persönlichen Freiheiten stark eingeschränkt. Haudenschild erinnerte daran, dass auch in der Schweiz Freiheiten und Grundrechte erkämpft werden mussten. Als Beispiele nannte er das Frauenstimmrecht, die Aufhebung des Konkubinatsverbots und das neue Partnerschaftsgesetz. "Ich habe wenig Verständnis, wenn man Menschen vorschreiben will, wie sie zu leben, was sie zu konsumieren und wie sie sich zu kleiden haben."

Die Aufgabe der Stadtratsmitglieder dürfe nicht die Zementierung der Macht sein, so Haudenschild, der seit 30 Jahren politisch aktiv ist und die Entscheide des Freisinns zu 80 Prozent mitträgt. An die Adresse der RGM-Mehrheit richtete er den Appell, der Mehrheitsanspruch dürfe nicht für Eigeninteressen missbraucht werden. "Das Überwinden des Blockdenkens kann immer nur von der Mehrheit ausgehen." Im Ringen um Kompromisse obliege der Mehrheit der erste Schritt.

Haudenschild warnte vor jenen, die Angst vor Veränderungen schürten. Eine Gefahr für die freie Schweiz ortet Haudenschild in Organisationen wie der Pnos. (dv)

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DROGEN-DEAL
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BZ 16.1.09

Betäubungsmittel an Süchtige verkauft

Berner Hausarzt als Drogendealer

Ein Berner Hausarzt soll jahrelang Betäubungsmittel an Drogenabhängige verkauft haben. Jetzt hat der Kanton interveniert.

Bei den Drogenabhängigen war der Berner Hausarzt unter dem Namen Dr. X bekannt. Er soll über Jahre hinweg Süchtige mit dem verschreibungspflichtigen Medikament Midazolam beliefert haben. Dies berichtet "Der Bund" in seiner gestrigen Ausgabe.

Midazolam wirkt ähnlich wie Diazepam (Handelsname: Valium) als Beruhigungsmittel. In Überdosis entspannt es die Muskeln, auch die Atemmuskulatur, weshalb es zum Atemstillstand kommen kann. In der Notfallmedizin kommen diese Präparate beispielsweise zum Einsatz, wenn Mediziner einen Kranken künstlich beatmen müssen.

Hohes Risiko

Das Abhängigkeitspotenzial des Medikaments wird von Fachleuten als extrem hoch bezeichnet. Wird es zusammen mit Drogen verabreicht, kann die Einnahme sogar tödliche Folgen haben. Deswegen dürfe das Medikament an Drogenabhängige nur mit Einwilligung des Kantonsarztes abgegeben werden, sagte der stellvertretende Kantonsarzt, Thomas Schochat, gestern gegenüber dem "Bund".

"Ganze Spitalpackungen"

Wie es weiter heisst, seien die Praktiken des Berner Hausarztes seit längerer Zeit beobachtet worden. Ende 2008 habe ihm der Kanton die Berufsausübungsbewilligung entzogen. Thomas Schochat vom Kanton will mit Hinweis auf das laufende Verfahren hierzu jedoch nicht Stellung nehmen. Laut Zeitungsbericht soll der fehlbare Arzt das Medikament "in ganzen Spitalpackungen" verkauft und sich damit bereichert haben.

Ende 2005 war ein Arzt in Thun zu einer Busse von 3000 Franken verurteilt worden, weil er Süchtigen ähnlich wirkende Medikamente wie das erwähnte Midazolam verabreicht hatte.

mar

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Telebärn-Video 15.1.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Berner-Hausarzt-als-Drogendealer/story/26433156

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BABY-PUNK
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20min.ch 15.1.09

"Our Kids Are Trash"

Berner Label sucht kleine Schreihälse für Punk-Platte

von Lorenz Hanselmann

Das Berner Label Voodoo Rhythm will mit Knirpsen eine Punk-Platte aufnehmen. Der Nachwuchs soll sich dafür die Seele aus dem Leib schreien.

"Our Kids Are Trash": Unter diesem Titel plant Voodoo Rhythm eine neue Platte, für die sich Dreikäsehochs ans Mikrophon stellen und um die Wette schreien - fern von Kelly Family oder Heintje. Dazu sucht das Berner Label Schreihälse unter zehn Jahren. Ihre Songs brauchen nicht einmal Texte. "Wir wollen keine belehrenden Inhalte, sondern pure Emotionen.

Es geht um den Urgedanken des Rock'n'Roll", sagt Label-Chef Beat Zeller alias Reverend Beat-Man. Erste Aufnahmen von Baby-Rockern hat er bereits erhalten: vom Toiletten-Song der amerikanischen Schulklasse über den Dreikäsehoch, der a cappella brüllt, bis zum Dreijährigen, der Motorengeräusche imitiert.

"Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt", so Beat-Man. Angefangen hat alles mit Chet, dem Sohn des Musikers: "Er hört viel lieber AC/DC als DJ Bobo. Und wenn er mit mir auf der Bühne steht, will er nicht singen, sondern schreien." Dies brachte Beat-Man auf die Idee einer Punk-Platte, auf der nur schreiende Kinder zu hören sind. Ein Einfall mit Potenzial: Bei seinen Spielkameraden ist der erste Song des siebenjährigen Chet bereits der Renner.

Link-Box
www.voodoorhythm.com

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WASSERWERK
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20 Minuten 16.1.09

Vorreiter ziehen sich aus dem Wasserwerk zurück

BERN. Dieses Wochenende geht das bisher letzte Kapitel des Wasserwerks zu Ende. Bern verliert damit ein einzigartiges Clubprogramm.

Arci Friede und Dave Marshal hievten mit ihren mutigen Programmen den ehemals heruntergewirtschafteten Wasserwerk-Club an die Spitze der Schweizer Clubs. Nun nehmen sie sich aus dem Wasi heraus. Die nächsten Programmverantwortlichen stehen schon in den Startlöchern, sie werden aber erst im Frühling loslegen.

Der Abgang von Friede und Marshal ist ein herber Schlag für das Berner Nachtleben. "Sie stellten das schweizweit innovativste Programm zusammen", findet Wildlife!, DJ und Veranstalter. Ähnlich sieht dies Christoph Haller, ebenfalls DJ und Veranstalter: "Das Wasi war unter ihrer Führung ein Vorreiter in Sachen elektronischer Clubkultur."

In dieser Hinsicht klafft ab nächster Woche ein Loch im Berner Ausgehangebot. Friedes und Marshals Tipp dazu: "Punktuell findet im Dachstock Ähnliches statt, vor allem, wenn der Anlass Discoquake heisst." Auch die Moustache-Partys sehen sie als würdigen Ersatz, genauso wie die Dubquest-Sessions, obwohl da eher alte Musikperlen hervorgekramt werden.

Bevor sich der Wasserwerk-Fan anderen Clubs zuwenden muss, kann er es dieses Wochenende noch einmal richtig krachen lassen. Die DJ-Heimmannschaft des Wasis gibt am Freitag und am Samstag ein letztes mal Vollgas. Pedro Codes

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ANTISEMITISMUS
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NZZ 16.1.09

Hakenkreuze auf Wänden und Autos

Zurzeit mehr antisemitische Vorfälle

 ndr.  Am Wochenende haben Unbekannte Hakenkreuze auf die Fassade eines jüdischen Restaurants in Zürich gesprayt. Solche Schmierereien sind kein Einzelfall. Derzeit prangen viele Davidsterne, die, mit Hakenkreuz und Gleichheitszeichen versehen, mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden, auf öffentlichem oder privatem Grund. Für den betroffenen Restaurantbesitzer im Stadtkreis 3 ist das nichts Neues. Seit Beginn des Gaza-Kriegs fand er immer wieder antisemitische Schmierereien an seiner Wand vor. "Ich habe sie jedes Mal übermalt und die Polizei alarmiert", sagt er. Anzeige hat er nicht erstattet, weil die Aussicht auf eine erfolgreiche Suche nach den Tätern relativ klein ist.

 Farbanschlag auf El Al

 Wie Michael Wirz, Mediensprecher der Stadtpolizei Zürich, auf Anfrage sagte, bestehen die Sprayereien nicht nur aus Hakenkreuzen, sondern auch aus Hamas-Schriftzügen. Insgesamt sind bei der Polizei mindestens zehn Anzeigen eingegangen, wegen Schmierereien unter anderem an der Üetliberg- und an der Gemeindestrasse. Zuletzt ist in der Nacht auf Donnerstag ein Farbanschlag auf die Zürcher Filiale der israelischen Fluggesellschaft El Al verübt worden. Es muss von weiteren Fällen ausgegangen werden. "Aber nicht alle Geschädigten erstatten Anzeige. Somit wissen wir nicht, wie viele Hakenkreuze es tatsächlich sind", sagt Wirz. Laut dem Polizeisprecher ist aber klar, dass die Polizei jüdische Einrichtungen nun besonders aufmerksam beobachtet.

 Beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) treffen zurzeit täglich E-Mails und Briefe mit Hasstiraden ein. Dass Vergleiche zwischen Davidstern und Hakenkreuz vorzufinden sind, beunruhigt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des SIG. Damit werde nicht nur der Holocaust banalisiert, sondern auch der Hass gegen die Juden geschürt, sagt er. "Jedes Mal, wenn die Israel-Thematik an Tagesaktualität gewinnt, erhält auch der Antisemitismus wieder Auftrieb", so Kreutner. Dass dieser Antisemitismus latent vorhanden ist, bestätigt Samuel Dubno, Mediensprecher der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich. Dubno ist der Meinung, dass jede neue Eskalation des Nahostkonflikts den bestehenden Antisemitismus aufflackern lasse.

 Auch positive Rückmeldungen

 William Wyler vom "Zentrum David gegen Antisemitismus und Verleumdung" in Zürich weiss überdies von einem orthodox-jüdischen Kind, das kürzlich auf offener Strasse bedroht worden ist. Er schliesst nicht aus, dass auch dieser Vorfall antisemitisch motiviert war. In Anbetracht der jüngsten Ereignisse gibt es aber immer wieder positive Rückmeldungen. Laut Wyler betonen viele Personen, die antisemitische Schmierereien an Wänden und Autos melden, das Zentrum solle die Arbeit gegen solche Tendenzen fortsetzen.

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Tagesanzeiger 16.1.09

Payerne möchte den Judenmord vergessen machen

Der berühmte Westschweizer Autor Jacques Chessex bringt seine Vaterstadt in Verlegenheit. Sein neustes Buch handelt von der Ermordung eines Juden in Payerne.
Von Richard Diethelm, Lausanne

Die Stadtoberen von Payerne sind besorgt um den guten Ruf ihres schmucken Landstädtchens und seiner 85 000 Einwohner. Denn in den welschen Medien macht der Waadtländer Ort derzeit nicht wegen der Erweiterung des Militärflugplatzes zu einer Drehscheibe für Businessjets von sich reden, wie dies Stadtpräsident Michel Roulin erhofft hat. In den Schlagzeilen ist Payerne vielmehr wegen einer "alten Geschichte", die ausgerechnet ein berühmter Sohn der Stadt ausgegraben hat.

Jacques Chessex - Träger des Prix Goncourt, der höchsten literarischen Auszeichnung im französischen Sprachraum - hat den Mord am jüdischen Viehhändler Arthur Bloch als Vorlage für seinen neuesten Roman* gewählt. Die Tat geschah am 16. April 1942 in Payerne. Fünf einheimische Verehrer Hitlers und des Nazi-Reiches lockten den Viehhändler aus Bern in einen Hinterhalt. Dort brachten sie den 60-Jährigen kaltblütig um und zerstückelten seine Leiche - "nur 500 Meter von der Abteikirche entfernt", wie Chessex präzise festhält. Die Leichenteile warfen die Täter in Milchkannen, die sie darauf im Neuenburgersee versenkten.

Das Verbrechen hatte den damals achtjährigen Chessex derart aufgewühlt, dass ihn die Tat und vor allem deren Umstände ein Leben lang "nicht mehr in Ruhe liessen". Sein Vater war Schuldirektor in Payerne. Im protestantischen Elternhaus war man mit jüdischen Familien befreundet. Und der Junge kannte sowohl die Täter als auch das Opfer, das regelmässig auf dem Marktplatz Vieh kaufte und verkaufte. Der Anführer der Nazi-Bande, ein Garagist mit grosser Klappe, hatte der Familie Chessex ein Auto verkauft und den Vater fahren gelehrt.

Der Garagist und seine Mörderkumpanen waren nur kleine Fische in der Nationalen Bewegung der Schweiz, dem Sammelbecken der Fröntler, die den Anschluss der Eidgenossenschaft an das Dritte Reich forderten. Aber sie waren gefährlich als willfährige Helfer von Rechtsextremen wie dem Genfer Georges Oltramare und dem Waadtländer Nazi und Judenhasser Philippe Lugrin. Der ehemalige Pfarrer Lugrin stiftete den Garagisten dazu an, mit dem Mord an einem Juden ein Exempel zu statuieren.

"Un Juif pour l'exemple" heisst denn auch Chessex' Buch. Auf nur 100 Seiten ruft er in einer dichten Sprache und in messerscharfen Sätzen den Judenmord in Erinnerung und rechnet mit der damaligen Bürgerschaft seiner Heimatstadt ab. Wohl litt Payerne im Krieg unter hoher Arbeitslosigkeit. Aber Chessex erregt noch heute, dass seine Mitbürger damals keinen "Widerstandswillen" gegen die Hitler-Anhänger zeigten und den Mord am Juden nicht verhinderten. Stattdessen überwogen Anpassertum und Selbstzufriedenheit unter den Payernois.

Möglichst schnell verdrängen

Stadtarchivar Michel Vauthey hat alle Bücher von Chessex gelesen und liebt den Stil des 75-jährigen Schriftstellers, der in der Deutschschweiz durch sein saftig und bissig geschriebenes Porträt der Waadtländer bekannt wurde. Aber Sätze, die er im neuen Roman über die Eigenart der Payernois las, taten ihm weh. Gegenüber der Zeitung "24 heures" widersprach der ehemalige Lehrer dem Bild, das Chessex vom Klima im Städtchen zeichnet. "Payerne ist eine offenherzige Stadt, wo es sich gut lebt."

Als der Stadtarchivar vom Buchprojekt erfuhr, durchforstete er selbst Dokumente aus jener Zeit. Dabei kam Vauthey zum Befund, dass es in Payerne nicht mehr Nazi-Anhänger gab als in vergleichbaren Orten der Schweiz. Allerdings stiess er dabei auf Verdrängungsmechanismen, die damals wie heute spielen. 1942 berichteten die beiden Lokalzeitungen nur auf einer Spaltenlänge über den Mord am jüdischen Viehhändler. Am Ende der Artikel hiess es: "Je weniger man über diese Ungeheuerlichkeit spricht, desto besser ist es."

* Jacques Chessex, "Un Juif pour l'exemple", Grasset, 2009, 25.60 Fr.

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RASSISMUS
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Aargauer Zeitung 16.1.09

Kritik an den Kampagnen

Rassismus-Kommission Roma werden stigmatisiert

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) wendet sich gegen die Stigmatisierung von Roma und Jenischen im Zusammenhang mit Abstimmungskampagnen gegen die Personenfreizügigkeit. Dass die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit eine vermehrte Durchreise von Fahrenden aus Bulgarien und Rumänien bewirke, werde von Fachleuten des Bundes verneint, schreibt die EKR in einer Mitteilung vom Donnerstag. Bulgarische und rumänische Staatsangehörige könnten bereits seit 2004 ohne Visum in die Schweiz einreisen und fahrende wie sesshafte Bürger dieser Länder sich schon heute für drei Monate hier aufhalten. Die EKR hält zudem fest, dass nur rund zwei Prozent der Roma fahrend lebten. Die Zunahme von bettelnden Roma in der Schweiz stünde nicht in direktem Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit. (ap)

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SANS-PAPIERS
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reformiert 16.1.09

Der immer wieder um Schutz bitten muss

Abgewiesen/ Berhanu Tesfaye gehörte zu den Besetzern der Predigerkirche. Zweimal wurde sein Asylgesuch abgelehnt.

Alle Augen in der Predigerkirche sind auf Berhanu Tesfaye gerichtet. Ruhig berichtet er vor den versammelten Kirchenbesetzern (siehe Kasten) vom Gespräch mit den Vertretern der Predigerkirche, an dem er teilgenommen hat. Unter seiner Schirmmütze lächelt Tesfaye verlegen. Er spricht den Kirchenbesetzern Mut zu, erinnert sie an ihre Verantwortung. Der fünfzigjährige Äthiopier ist froh, wie er sich wieder setzen darf - grosse Auftritte sucht er nicht.

Kämpfer

Und doch ist Berhanu Tesfaye ein Kämpfer. Seine eigenen Zukunftsaussichten seien nicht gerade rosig, sagt er. "Aber wenigstens kann ich dafür sorgen, dass es kommende Generationen besser haben werden als ich." Damit meint Tesfaye nicht nur Asylsuchende und Papierlose in der Schweiz, sondern auch die Menschen in seiner Heimat. Der Wirtschaftsagronom erzählt, wie er vierzig Jahre lang in Äthiopien gelebt und gearbeitet hat. Zuletzt in der Provinz Gambella, wo ihm die lokale Regierung eine Weiterbildung in Holland ermöglicht habe. Als er abreiste, wusste er nicht, dass er nie wieder zurückkehren würde: Während Berhanu Tesfaye in Holland studierte, wurde die Provinzregierung entmachtet. Die neue Regierung, erzählt er, habe alle inhaftiert, die nicht parteitreu dachten. "Viele meiner Freunde sitzen heute noch im Gefängnis. Mir blüht das gleiche Schicksal, wenn ich aus der Schweiz ausgeschafft werde." Trotzdem erhielt Berhanu Tesfaye zweimal einen negativen Entscheid auf sein Asylgesuch. "Die Schweizer Behörden halten mir vor, dass ich in Holland studiert habe. Sie schliessen daraus, dass mich die äthiopische Regierung unterstütze, und sehen nicht, dass diese in der Zwischenzeit gewechselt hat."

Ausschaffung

Jetzt lebt Berhanu Tesfaye in ständiger Angst, ausgeschafft zu werden. Verstecken mag er sich trotzdem nicht. Er ist überzeugt: "Die Geschichte wiederholt sich. Heute passiert das Gleiche wie im Zweiten Weltkrieg: Menschen werden einem Diktator ausgeliefert. Ich kann nicht mehr machen als immer wieder um Schutz bitten." Arbeiten darf er nicht. Sechsmal pro Woche erhält er in der Notunterkunft Kempthal einen Gutschein im Wert von Fr. 6.80. Darunter befindet sich auch ein Migros-Gutschein, obwohl die nächste Migros-Filiale in Winterthur liegt. Das Bahnbillett nach Winterthur kostet Fr. 12.40. Seine Zeit verbringt Berhanu Tesfaye grösstenteils in Bibliotheken. Um sein Deutsch zu verbessern, wie er sagt. "Sprachkenntnisse sind eine Grundvoraussetzung für die Integration." 250 Bücher habe er bereits gelesen. Ausleihen darf er sie nicht, denn er besitzt keinen gültigen Ausweis.

Vom Computerzentrum der ETH aus versucht der Äthiopier, mit Veröffentlichung per Internet den Menschen seiner Heimat eine Stimme zu geben. "Sich vor der eigenen Regierung fürchten zu müssen, ist fast so, als müsste man den eigenen Vater fürchten. Ich kann nicht zusehen, wie Menschen unschuldig eingesperrt werden."  Petra Ivanov

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Nach der Besetzung Gespräche

Kurz vor Weihnachten besetzten abgewiesene Asylbewerber die Predigerkirche. Am 4. Januar zogen sie sich zurück und machten damit den Weg frei für Verhandlungen mit Regierungsrat Hans Hollenstein. Kirchenratspräsident Ruedi Reich begleitete die Delegation. Die Gespräche führten zu Neuerwägungen Hollensteins im Bereich der Härtefallregelung.

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RANDSTAND BASEL
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Basler Zeitung 16.1.09

Stadtgärtnerei verzichtet auf Unterstand

Soziale Institutionen wollen wieder ein Dach für Randständige in der Theodorsgraben-Anlage

Martina Rutschmann, Peter Wittwer

Stadtteilsekretariat und Gassenarbeiter kritisieren, dass in der neuen Theodorsgrabenanlage ein gedeckter Platz fehlt. Die Stadtgärtnerei wollte zwar einen Unterstand - aber der Widerstand war zu gross.

Es fing gut an. Im Ratschlag für die Neugestaltung der Theodorsgrabenanlage bei der Wettsteinbrücke war auch von einem gedeckten Unterstand die Rede. Dieser sollte als Ersatz für die gedeckten Sitzplätze beim abgerissenen WC-Häuschen dienen, die als Treffpunkt für Randständige gedient hatten.

Jetzt auf Claraplatz

 
Inzwischen ist die Umgestaltung des Pärkchens entlang der Wettsteinbrücke fertig. Kinder spielen auf dem modernen Spielplatz auf der Theodorsgraben-Anlage, Hundebesitzer spazieren in der Allee, Sonnenanbeter bräunen sich auf Parkbänken. Und die Randständigen, die sich vor der Umgestaltung regelmässig in der Anlage trafen und bei Regen unter dem Dach des inzwischen abgerissenen "WC-Hüslis" sassen? Sie sind "obdachlos" geworden.

 Am Kleinbasler Bärentag vom vergangenen Montag verteilten Mitarbeiter des Vereins für Gassenarbeit Schwarzer Peter und Leute des Stadtteilsekretariats Kleinbasel Flugblätter zum Thema. Es wird die oben beschriebene Situation geschildert und zu einer öffentlichen Veranstaltung in den nächsten Tagen eingeladen. Bis dahin wollen sich die beiden Institutionen nicht öffentlich äussern. Mit der Begründung, es sollen alle gleichzeitig informiert werden, sagt Ray Knecht vom Schwarzen Peter.

Auf dem Flugblatt ist von einem friedlichen Zusammensein der Randständigen die Rede. Sie hätten sich vor der Umgestaltung für Sauberkeit im Park eingesetzt, eine Drogenszene sei dort nie entstanden. Heute hielten sich viele dieser Randständigen beim Claraplatz auf, wo schon lange eine entsprechende Szene existiert. Und das, obwohl die Stadtgärtnerei einen Unterstellplatz vorgesehen, dann aber absichtlich vergessen habe. Die Institutionen fordern nun, nachträglich einen Pavillon zu bauen.

Einsprachen

Bei der Stadtgärtnerei wehrt man sich gegen den Vorwurf der beiden Institutionen, man habe den Unterstand absichtlich nicht gebaut, um die Randständigen aus dem Park zu vertreiben. Nach mehreren Begehungen sei ein Projekt für einen offenen Pavillon bei Rüdisühli Ibach Architekten in Auftrag gegeben worden, sagt Stadtgärtner Emanuel Trueb. Der Entwurf, dessen Realisierung gut 100 000 Franken gekostet hätte, ist allerdings nach Auskunft von Projektleiterin Brigitta Löwenthal weder bei Anwohnerorientierungen noch bei der Stadtbildkommission auf Gegenliebe gestossen.

 Die Stadtgärtnerei hat deshalb gemäss Trueb aus drei Gründen verzichtet, die Idee eines Unterstandes weiterzuverfolgen. Ausser gegen den Widerstand der Stadtbildkommission hätte das Projekt auch gegen bereits angedrohte Einsprachen aus dem Quartier durchgeboxt werden müssen: "Unter diesen Umständen wäre es schwierig gewesen, die Finanzierung des im Ratschlag nicht einberechneten Zusatzangebotes zu sichern."

Den Vorwurf, die Stadtgärtnerei habe damit ein in der Planung abgegebenes Versprechen gebrochen, weist Trueb zurück. Man habe sich "wirklich bemüht", einen zum Park passenden Unterstand für die ganze Bevölkerung zu realisieren.

Der Pavillon sei im Ratschlag aber nur als Möglichkeit erwähnt worden. Weil es damit keinen verbindlichen Auftrag gebe, betrachte es die Stadtgärtnerei nicht als ihre Aufgabe, gegen alle Widerstände eine Lösung für die "zweifellos bestehenden Probleme mit Randständigen in dieser Stadt" zu realisieren.

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FUSSBALL
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Newsnetz 16.1.09

Untersuchungsbericht wird zurückgehalten

Das Gutachten zu den Ausschreitungen während des Fussballspiels YB - Luzern liegt vor. Obwohl YB und der Stadionsicherheitsdienst Protectas darin entlastet werden, halten sie den Bericht zurück: Das wirft Fragen auf.

Nachdem unterschiedliche Videoaufnahmen zu den Ausschreitungen anlässlich der Partie YB - Luzern aufgetaucht sind, haben die Betreiber des Stade de Suisse ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten, das von einem ehemaligen Richter verfasst wurde, entlastet sowohl die Young Boys als auch den Stadionsicherheitsdienst Protectas. Der Gutachter kommt gemäss Recherchen dieser Zeitung zum Schluss, dass die Bilder der Überwachungskameras im Stadion lückenlos vorhanden und nicht manipuliert worden sind (siehe Kasten).Was ist verhältnismässig?Der Einsatz der Protectas wird vom Gutachter als verhältnismässig eingestuft. Dies, obwohl auf Videoaufnahmen aus dem Luzern-Sektor klar zu erkennen ist, dass mindestens ein Sicherheitsmann von seinem Schlagstock Gebrauch gemacht hat. Der ehemalige Bundesrichter hat erst kürzlich einen Polizeieinsatz während des Spiels Atletico Madrid - Marseille als Gutachter beurteilt. Bei der Partie in Madrid war es zu massiven Ausschreitungen zwischen Fans und Polizeikräften gekommen. Verglichen mit solchen Vorkommnissen, sei der Einsatz der Sicherheitskräfte bei YB-Luzern verhältnismässig gewesen.Umstrittene WortwahlObwohl der Bericht zum Spiel YB - Luzern seit knapp einer Woche vorliegt und darin sowohl die Stadionbetreiberin als auch die Sicherheitsfirma entlastet werden, tun sich die involvierten Parteien (YB, Protectas, FC Luzern, Fanorganisationen) schwer damit, eine gemeinsame Sprachregelung zu finden. Wie diese Zeitung aus mehreren unabhängigen Quellen erfahren hat, gestehen zwar alle Parteien mündlich Fehler ein: YB hat schon am Tag der Ausschreitungen kommuniziert, es sei falsch gewesen, die Protectas wegen eines Transparents in den FCL-Fanblock zu schicken. Der FC Luzern seinerseits musste zur Kenntnis nehmen, dass seine Fans die Protectas-Leute zum Teil massiv angegriffen hatten. Die Protectas schliesslich wird morgen Freitag zu den Bildern aus dem Luzerner Fanblock Stellung nehmen müssen, die den Schlagstockeinsatz dokumentieren.Kamerawinkel "nicht ideal"Von offizieller Seite wollte gestern niemand zum Gutachten Stellung nehmen. YB-Mediensprecher Charles Beuret sagte, man werde voraussichtlich kommende Woche informieren. Am Freitag finde zuerst noch eine weitere Sitzung mit allen Beteiligten statt. Umstritten ist offenbar die Einschätzung des Gutachters, wonach der Protectas-Einsatz "verhältnismässig" gewesen sei. Luzerner Fanorganisationen hatten das Vorgehen der Sicherheitsmitarbeiter massiv angeprangert. Doch nicht nur der Protectas-Einsatz wirft Fragen auf. Eigenartig mutet auch an, dass die Stadionkameras offensichtlich unscharfe Bilder geliefert haben. Jedenfalls ist darauf kein Schlagstockeinsatz zu erkennen (wir berichteten). YB-Sprecher Beuret sagt hierzu, der Winkel, aus dem die Aufnahmen gemacht wurden, sei "nicht ideal" gewesen. Es liessen sich, anders als auf den Videobildern aus dem Luzern-Sektor, keine Details erkennen.

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WEF
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Tribune de Genève 16.1.09

Les commerçants ne veulent pas d'un nouveau G8

Antoine Grosjean

Forum économique

Les associations de commerçants demandent au Conseil d'Etat d'interdire la manif anti-Davos.

"Plus jamais ça!" Traumatisés par le G8, les commerçants genevois ne veulent plus revivre des journées d'émeutes comme ils en ont connu en juin 2003. Plus de cinq ans après le grand raout altermondialiste, ils n'ont pas oublié les boutiques des Rues-Basses pillées et incendiées. Il y avait alors eu pour plusieurs millions de francs de dégâts. Les associations de commerçants genevois ont donc écrit au Conseil d'Etat pour lui demander d'interdire la manifestation contre le Forum économique mondial de Davos, qui devrait avoir lieu le 31 janvier à Genève.

"Deux semaines de remise en état des magasins et entreprises endommagés du centre-ville ont été nécessaires suite aux événements du G8 pour que Genève retrouve un visage accueillant", écrivent dans un communiqué le Trade Club, la Fédération du commerce genevois, la Fédération économique du centre-ville et la Fédération des artisans, commerçants et entrepreneurs de Genève.

Le parcours de la manifestation les inquiète particulièrement. Partant de la rue du Mont-Blanc, le défilé se dirigera vers le quartier des banques via le pont du Mont-Blanc et les Rues-Basses, avant de mettre le cap sur l'ex-squat Rhino et la plaine de Plainpalais. Et cela, un samedi en plein après-midi. Ce tracé a été discuté entre les organisateurs et la police lors d'une rencontre mardi soir.

Les commerçants préviennent: ils n'accepteront en aucun cas des déprédations de leurs vitrines, et n'hésiteront pas à réclamer des indemnisations au Conseil d'Etat en cas de dommages. Pour justifier l'interdiction, la loi du 26 juin 2008 concernant les manifestations sur le domaine public est évoquée. Celle-ci stipule qu'un tel événement peut être annulé en raison du danger qu'il pourrait faire courir à l'ordre public. L'UDC genevoise a également demandé l'interdiction du rassemblement.

Entre 500 et 2000 manifestants attendus

Mercredi, tout en affirmant que le gouvernement prend la chose très au sérieux, le conseiller d'Etat Laurent Moutinot, en charge de la police, se voulait rassurant: "Il ne faut pas céder à la panique. Il n'est pas nécessaire de recouvrir la ville de planches jaunes. " Le Conseil d'Etat n'a pas encore délivré d'autorisation, mais selon Laurent Moutinot, cela devrait en principe être le cas.

En attendant, l'Exécutif a une autre épine dans le pied: le syndicat des gendarmes menace de ne faire que le service minimum le 31 janvier, si d'ici là ses revendications salariales ne sont pas entendues. Depuis trois mois, les policiers font la grève des amendes et des heures supplémentaires pour réclamer un meilleur traitement suite au surplus de travail effectué pour l'Euro 2008.

Doit-on s'attendre à voir débarquer une marée humaine, comme lors du G8, en 2003, où 50 000 à 100 000 personnes avaient défilé dans les rues de Genève? A priori non. Selon certains des organisateurs, entre 500 et 2000 manifestants sont attendus. L'année dernière, à Berne, ils n'étaient que quelques centaines à s'être mobilisés contre le Forum de Davos, lors d'un rassemblement non autorisé.

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"Davos est illégitime"

Maurizio Coppola cosecrétaire général d'Attac Suisse, justifie la manifestation contre le Forum de Davos.

Pourquoi venir manifester à Genève?

A Davos, il y a une trop forte répression policière. Mais ce n'est pas seulement pour cette raison que nous voulons manifester à Genève. C'est une ville internationale, symbole du capitalisme. C'est aussi ici que se trouve le siège du Forum économique mondial (WEF). En plus, Genève est, avec Monaco, le seul Etat au monde à être membre du WEF.

Pensez-vous pouvoir vraiment éviter tout débordement?

Nous avons clairement appelé à une manifestation non violente. Tout se passera bien si la police ne fait pas de provocation. Mais je ne veux pas entrer dans cette polémique qui détourne des vrais problèmes de la crise économique.

Au fond, quel est votre but? Abolir le WEF?

En manifestant, nous voulons montrer que le WEF n'a aucune légitimité. Les personnes qui sont à l'origine de la crise et des inégalités dans le monde prétendent discuter des solutions. Pour nous, le problème, c'est le capitalisme. Cette forme d'organisation de la société est dépassée; il faut changer les rapports de propriété.

Il y a quelques années, on disait le mouvement anti-Davos moribond. On dirait que la crise lui redonne du poil de la bête.

Beaucoup de personnes sont touchées au quotidien par la crise, cela les motive à agir. Le mouvement n'est peut-être plus ce qu'il était en 2002 ou 2003, mais c'est un moment clé pour le renforcer.

Depuis toutes ces années, est-ce que cela a encore un sens de manifester contre le WEF?

Nous sommes en période de crise économique réelle, il ne s'agit pas seulement d'un alibi pour descendre dans la rue. Si on ne montre pas qu'il y a un contre-pouvoir à l'élite économique et politique, cela sera encore pire à l'avenir.

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Le Temps 16.1.09

Genève Attac Genève et Solidarités prennent leurs distances avec le futur rassemblement, perçu comme un événement qui leur a été imposé

La manifestation anti-WEFdivise les altermondialistes

Sandra Moro

Les organisateurs de la manifestation anti-WEF du 31 janvier prochain sont encore loin de pouvoir crier victoire. Alors que le gouvernement genevois hésite à autoriser la manifestation, que des voix s'élèvent à droite et parmi les commerçants de Genève pour réclamer son interdiction, les milieux altermondialistes genevois sont eux-mêmes très loin d'apporter un soutien unanime au futur rassemblement.

Parmi les défections les plus significatives, celles d'Attac Genève - alors même qu'Attac Suisse fait partie des organisateurs - et de Solidarités. Si les deux formations ont décidé de ne pas s'impliquer, c'est qu'elles se sentent étrangères à la manifestation. "Il s'agit d'un événement hors sol, dont l'initiative ne revient pas aux milieux altermondialistes genevois", souligne Marie-Eve Tejedor, membre de la section genevoise de Solidarités.

Active au sein d'Attac Genève, Magali Orsini renchérit: "Nous préférons nous concentrer sur l'Autre Davos qui aura lieu à Zurich du 28 janvier au 1er février. Nous avons été pris de court par l'annonce de la manifestation à Genève. Les altermondialistes locaux que nous connaissons, tels que le Forum social lémanique (FSL) ou le groupe anti-OMC, n'y sont pas non plus associés." Du côté du FSL, on confirme: "Nous avons été mis devant le fait accompli, note Olivier de Marcellus, membre du comité. Nous allons relayer l'appel à manifester, car nous sommes opposés au WEF, mais nous ne sommes pas certains que Genève soit le meilleur endroit pour un tel rassemblement. C'est la ville suisse la plus éloignée de Davos. Il s'agit d'une solution de repli des organisateurs, qui n'ont pas obtenu d'autorisation ailleurs, ce qui est un scandale."

Secrétaire générale d'Attac Suisse, et membre du comité organisateur, Florence Proton conteste: "Si Genève a été choisie, c'est parce que le siège du WEF y est installé." Elle ne se montre pas plus sensible aux autres reproches des associations: "Je n'ai pas l'impression que la manifestation a été complètement parachutée à Genève, la décision émane des différents organisateurs qui comptent aussi des Genevois dans leurs rangs."

Au sein des groupes altermondialistes qui ont choisi de rester en retrait, on se garde bien d'évaluer le risque de voir le rassemblement déraper et de voir des casseurs s'y infiltrer. Mais on ne cache pas que l'on n'est sûr de rien: "Lorsqu'il s'agit d'une manifestation importée, il est beaucoup plus difficile de prévoir ce qui va se passer et qui va venir", souligne Marie-Eve Tejedor. "On ne veut pas faire de procès d'intention, poursuit Magali Orsini. Beaucoup de gens viendront de Suisse alémanique et nous ne les connaissons pas. Pour évaluer la situation, il aurait fallu approfondir ces contacts et nous n'en avons pas eu le temps."

Les organisateurs, en revanche, affichent leur confiance: "Nous attendons entre 500 et 800 participants et nous avons reçu des garanties que tout se déroulerait dans le calme, notamment de la part des groupes révolutionnaires qui font peur, comme Action autonome, l'Organisation socialiste libertaire ou Revo lu tionärer Aufbau Schweiz", note Jean-Luc Ardite, président du Parti du travail genevois.

Reste à savoir si cela suffira à convaincre les autorités de donner leur feu vert, alors même que le spectre du G8 est toujours présent, et que la police genevoise envisage de poursuivre, à la date fatidique, la grève des heures supplémentaires qu'elle a amorcée il y a trois mois.

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Bund 16.1.09

UBS, Nestlé und BKW nominiert

Schmähpreise Wegen ihres Kohlekraftwerkprojekts im niedersächsischen Dörpen haben es die Bernischen Kraftwerke (BKW) auf die Liste der Kandidaten für den "Swiss Award" des Public Eye on Davos geschafft. An der Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum werden Ende Januar erneut die Schmähpreise für "die verantwortungslosesten Unternehmen" verliehen. Die BKW wiesen gestern darauf hin, dass in Deutschland auch ohne sie weitere Kohlekraftwerke gebaut würden. Durch moderne Anlagen könne die BKW aber zu einem möglichst geringen Ausstoss von CO2 beitragen.

Nominiert für den Preis in der Kategorie der Schweizer Firmen sind zudem die UBS als "Täter der Finanzkrise" sowie Nestlé Schweiz wegen der Bespitzelung von Attac durch die Securitas. (bwi)

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BKW für Schmähpreis nominiert

Am Rande des WEF vergeben die Erklärung von Bern und Greenpeace die Public Eye Awards für "übles Firmenverhalten"

Nicole Tesar

Gegen 50 Staatschefs werden Ende Januar am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos erwartet. An der gleichzeitig stattfindenden Gegenveranstaltung verleihen die NGOs Schmähpreise. Die Nominierten: UBS, Nestlé Schweiz und BKW.

Alle Jahre wieder. Das gilt auch für das Weltwirtschaftsforum in Davos, das vom 28. Januar bis 1. Februar stattfindet. Die weltweite Finanzmarktkrise scheint zu mobilisieren: Gegen 50 Staatschefs - sonst sind es halb so viele - werden am Forum teilnehmen. "Die Welt nach der Krise formen" (Shaping the Post-Crisis World), heisst das übergeordnete Thema des diesjährigen Forums. Dabei geht es auch um die Frage, wie man die allgemeine Vertrauenskrise in den Griff bekommt.

Gleichzeitig mit dem WEF findet auch dieses Jahr die Gegenveranstaltung Public Eye on Davos statt. Zwei Nichtregierungsorganisationen (NGOs) - die Erklärung von Bern (EvB) und Greenpeace - verleihen dabei Schmähpreise für "die verantwortungslosesten Unternehmen". Gestern gaben die NGOs in Bern die Nominierten bekannt.

Mit der Nominierung der UBS spielt die Finanzmarktkrise auch hier eine Rolle. Die Schweizer Grossbank ist für den "Swiss Award" nominiert. Die UBS sei "weniger Opfer als Täterin der Finanzkrise", sagte EvB-Sprecher Oliver Classen. Sie habe in den letzten Jahren ein "desaströses Risikomanagement" betrieben. Kommentar der UBS: "Wir nehmen Kenntnis von der Nominierung."

 Daneben ist auch Nestlé Schweiz für den "Swiss Award" nominiert. Der Nahrungsmittelkonzern wird kritisiert, weil er wiederholt Globalisierungskritiker von Attac durch die private Sicherheitsfirma Securitas bespitzeln liess. "Wir nehmen diese Nomination mit Gelassenheit zur Kenntnis", teilte Nestlé dazu mit. Eine Reihe international anerkannter Agenturen beurteilten Nestlé im Hinblick auf verantwortliche Unternehmensführung anders.

Wegen Kohlekraftwerk in Kritik

In der Kategorie "Swiss Award" ist auch eine Berner Firma nominiert. Die Bernischen Kraftwerke BKW stehen wegen des Kohlekraftwerkprojekts im niedersächsischen Dörpen in der Kritik. Während sich die BKW in der Schweiz ein grünes Mäntelchen umlege, wolle sie 1,6 Mrd Franken in ein Kohlekraftwerk in Deutschland investieren, dessen jährlicher CO2-Ausstoss auf 4,6 Millionen Tonnen geschätzt werde, sagte Classen.

 Auch bei der BKW heisst es, man nehme die Nominierung zur Kenntnis. Anders als die UBS bezieht das Unternehmen jedoch Stellung. "Deutschland ist mit der Schweiz nicht vergleichbar", sagt BKW-Sprecher Sebastian Vogler. Der Energiemix sei unterschiedlich. Während in der Schweiz die Wasserkraft zu 60 Prozent zur Energie beitrage und die Kernkraft zu 40 Prozent, habe in Deutschland die Kohle eine viel gewichtigere Bedeutung - auch ohne die BKW. Die Kohle trage mit 48 Prozent zur Stromgewinnung bei. "Auch ohne uns werden weitere Kohlekraftwerke gebaut. Wir können durch modernste Anlagen zu einem möglichst geringen CO2-Ausstoss beitragen."

Für den "Global Award" sind ebenfalls drei Unternehmen nominiert: So der US-Baukonzern Newmont Mining, weil dieser eine "skandalöse Baumine" im westafrikanischen Ghana plane. Das englische Textilunternehmen Tesco wird gerügt, weil es seine Näherinnen systematisch ausbeute. Als Dritte ist die französische Bank BNP Paribas nominiert. Diese finanziere den Bau eines Atomkraftwerkes in Bulgarien, und zwar in einem Gebiet, das erdbebengefährdet sei, teilten EvB und Greenpeace mit.

 Die Verleihung findet am 28. Januar in Davos statt, dem Eröffnungstag des WEF. Durch die Veranstaltung führt der Schauspieler Anatole Taubman, bekannt durch seine Schurken-Rolle im neusten Bond-Film. Die SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer und der frühere CDU-Spitzenpolitiker Heiner Geissler halten Eröffnungsreden. Geissler hatte mit seinem Beitritt zur Organisation Attac vor knapp zwei Jahren in Deutschland für Aufsehen gesorgt.

 Auch in den Kategorien "Positive Award" und "People's Award" wird ein Gewinner ausgemacht. Der "Positive Award" soll an einen "mutigen Mitarbeiter" gehen. An welches "rücksichtslose" Unternehmen der "People's Award" gehen soll, kann von allen per Internet bestimmt werden - im Gegensatz zu den anderen Gewinnern, die von einer Jury auserkoren werden (www.publiceye.ch). Nominiert für den "People's Award" sind die jeweils drei Nominierten des "Global Award" und des "Swiss Award".

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Basler Zeitung 16.1.09

davos 28.1.-1.2.2009 Das Weltwirtschaftsforum steht im Zeichen der Finanzkrise

UBS und Nestlé sind als Übeltäter nominiert

Erklärung von Bern und Greenpeace rügen Konzerne


Ein desaströses Risikomanagement bei der UBS und die Bespitzelungen bei Nestlé sind Gründe für die Nominationen.

Die "Public Eye Awards" gehören mittlerweile zum festen Bestandteil des Weltwirtschaftsforums (WEF) - allerdings als Gegenveranstaltung. Jeweils am Eröffnungstag werden diverse Schmähpreise für unverantwortlich handelnde Firmen verliehen. In diesem Jahr sind die UBS, Nestlé und der Berner Stromkonzern BKW nominiert. Durchgeführt wird der Anlass von der Erklärung von Bern und neu von Greenpeace, die Pro Natura ersetzt.

Die Nomination der UBS begründen die beiden Organisationen mit dem "desaströsen Risikomanagement", das die Grossbank in den vergangenen Jahren betrieben habe. Die BKW wird gerügt, weil sie sich am Bau eines Kohlekraftwerks in Norddeutschland beteiligen will. Kohlekraftwerke stossen klimaschädigendes CO2 aus. UBS und BKW sind für den "Swiss Award" nominiert. Als drittes Unternehmen droht Nestlé, in dieser Kategorie ausgezeichnet zu werden. Nestlé wird kritisiert, weil der Konzern wiederholt Globalisierungskritiker von Attac durch die Securitas bespitzeln liess.

Erdbebengefährdet. Für den "Global Award" sind ebenfalls drei Unternehmen nominiert: So der US-Baukonzern Newmont Mining, weil dieser eine "skandalöse Baumine" in Ghana plane. Der englische Detailhändler Tesco wird gerügt, weil die Näherinnen der bei ihm verkauften Kleider ausgebeutet würden. Als Drittes ist die französische Bank BNP Paribas nominiert. Diese finanziere den Bau eines Atomkraftwerkes in einem erdbebengefährdeten Gebiet in Bulgarien.

Die Verleihung findet am 28. Januar in Davos statt, dem Eröffnungstag des WEF. Durch die Veranstaltung führt der Schauspieler Anatole Taubman, bekannt durch seine Schurken-Rolle im neusten Bond-Film. Für Unterhaltung sollen der Musiker Greis und der Satiriker Patrick Frey sorgen. Als Rednerin tritt unter anderem die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer auf.  SDA

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20min.ch 16.1.09

Protestaktion

WEF-Gegner verlangen Zugang nach Davos

Die WEF-Gegner wollen am kommenden 31. Januar auch in Davos selber demonstrieren.

Die Jungsozialisten, die lokale AI-Gruppe sowie die Grünen Davos haben ein Bewilligungsgesuch für die Kundgebung am Weltwirtschaftsforum (WEF) abgeschickt, wie sie am Freitag mitteilten.

Geplant ist die Besammlung am Mittag beim Bahnhof Dorf. Ziel ist das evangelisch-reformierte Kirchgemeindehaus an der Oberen Strasse in Davos Platz, wo im Anschluss an die Kundgebung ein Rahmenprogramm stattfinden soll. Vor dem Rathaus soll dem Davoser Landammann ein Forderungskatalog überreicht werden. Die Demonstrationsroute müsse noch mit den Entscheidungsträgern besprochen werden, heisst es.

Der geplante Aktionstag, zu dem die Kundgebung gehört, stehe unter dem Motto: "WEF - gut für Davos, gut für die Welt? Tadel los!" Ziel sei es, die selbst ernannten Global Leader gehörig zu tadeln. Tadeln für die Finanzkatastrophe, für die Gewalt, die Menschenrechtsverletzungen, die Ausbeutung und die Umweltzerstörung. Es müsse jetzt Schluss sein mit Deregulierung und Privatisierung. Gefordert werden klare Rahmenbedingungen für eine sozial- und umweltverträgliche Wirtschaft. Weitere Protestkundgebungen von WEF-Gegnern sind bereits in Basel, St. Gallen und Genf angekündigt.

Quelle: AP

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NZZ 16.1.09

Kommunale Volksabstimmung vom 8. Februar

Weichenstellung von Davos als Kongressort

Kein WEF bei einem Nein zur Erweiterung des Kongresszentrums

 Eine Woche nach Abschluss des World Economic Forum entscheidet Davos über seine Zukunft als Kongressort. Das Volk befindet über die Erweiterung des zu eng gewordenen Kongressgebäudes. Ein Nein würde den Abschied vom WEF und von weiteren Kongressen bedeuten.

 kru. Davos, 15. Januar

 Aussen künden bereits grossräumig montierte Absperrgitter vom Weltwirtschaftsforum, das am 28. Januar beginnt. Das verwinkelte Innere des Davoser Kongresszentrums kontrastiert mit dem grosszügigen Kurpark, der es umgibt. Mit seinem provinziellen Charakter will es zudem nicht so recht zu den illustren Gästen aus aller Welt passen, die es im Rahmen verschiedener teurer Kongresse frequentieren. Der Eingangsbereich, zugestellt im Winter von einer provisorischen Wand, ist so repräsentativ wie ein Bunker. Humorvoll als "Chalets" bezeichnete Annexe verleihen dem 1969 eröffneten und bis 1987 zweimal erweiterten Komplex den Charme eines Provisoriums.

 Im Saal des Hauses B erzählt an diesem Abend Professor Peter Matter, ehemaliger Präsident der AO-Stiftung und Veranstalter eines grossen Davoser Chirurgenkongresses, wie einzelne Seminare mangels Platz in fensterlosen Zivilschutzräumen durchgeführt werden mussten. Reto Branschi, Direktor des Davoser Destinations-Managements, kommentiert die Zustände als "zum Teil unwürdig und beschämend". Im Saal haben sich gegen 200 Davoser eingefunden. Aufmerksam hören sie sich die Informationen der Gemeinde über die Zukunft des Kongresszentrums an. Die Meinungen sind gemacht: So kann und darf es nicht weitergehen. Die Gemeinde hat deshalb im Rahmen eines Architekturwettbewerbs ein Erweiterungsprojekt ausarbeiten lassen, über das die Davoser Stimmbürger am 8. Februar abstimmen. Zur Diskussion steht der siegreiche Vorschlag des Basler Architekten Heinrich Degelo für 37,8 Millionen Franken, der dem unübersichtlichen Komplex eine klare Struktur gibt, einen Plenarsaal für 2000 Personen vorsieht - doppelt so gross wie der bis anhin grösste Kongresssaal - und einen grosszügigen Eingangsbereich schafft. Heissen die Davoser das Projekt gut, soll es bereits im November 2010 eröffnet werden.

 Die Konsequenzen eines Neins wären tiefgreifend: Nicht nur das WEF, das mit seinen 2500 Teilnehmern 27 000 Logiernächte generiert, würde Davos den Rücken kehren, sondern mindestens vier weitere Grosskongresse (mit weiteren 27 300 Übernachtungen). Ein grosser Veranstalter ist bereits abgesprungen. Der wirtschaftliche Schaden wäre enorm. 600 Arbeitsplätze sind in Davos direkt vom Kongresszentrum abhängig; im Jahr 2007 betrug die Wertschöpfung aus dem Kongresstourismus 61 Millionen Franken. Gross wäre auch der Imageschaden.

 Rosig wären die Aussichten hingegen, würde das Projekt gutgeheissen: Das WEF hat sich verpflichtet, seinen Jahreskongress während mindestens zehn weiteren Jahren in Davos durchzuführen; ähnliche Zusagen liegen auch von andern Veranstaltern vor. Bereits wurden, sollte die Erweiterung realisiert werden, neue Kongresse akquiriert. Und jene 48 Kongresse, die Davos allein in den letzten beiden Jahren eine Absage wegen fehlender Kapazität erteilten, würden mehrheitlich wohl auch den Weg in die höchstgelegene Alpenstadt finden.

 Ein Nein zur Erweiterung des Kongresszentrums, so räumt Landammann Hans Peter Michel ein, kann sich Davos gar nicht leisten. Für ihn steht fest: "WEF und Davos gehören zusammen." Die Finanzierung allerdings wird für die Gemeinde zum Kraftakt. Nur 20 Millionen Franken können aus dem ordentlichen Budget investiert werden, weitere 8,5 Millionen hat Michel bei Sponsoren, unter anderem beim WEF, aufgetrieben. Wie die verbleibenden knapp 10 Millionen Franken finanziert werden, ist noch offen. Michel plädiert für die Einführung einer Liegenschaftssteuer, womit auch die Zweitwohnungsbesitzer ihren Beitrag leisten müssten.

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HOMOPHOBIE
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Süddeutsche Zeitung 16.1.09

Weltweit verfolgt: Homosexuelle

Tödliche Küsse

Geben sie zu, dass sie schwul sind, werden sie getötet. Geben sie es nicht zu, töten sie sich selbst. In 83 Staaten werden Homosexuelle noch immer verfolgt, Asyl in Deutschland bekommen nur wenige.

Eine Reportage von C. Frank

Das Verbrechen, das sie begangen haben, lässt sich kaum in Worte fassen. In Kens Sprache, Ibo, gibt es nicht einmal eines dafür, und in Sanjays Heimat behelfen sie sich, indem sie "Liwat" sagen, Arabisch für "Sodomie".

Das scheint immer noch besser zu sein, als auszusprechen, warum Ken und Sanjay wirklich sterben oder zumindest für Jahre ins Gefängnis sollten: Die Männer sind homosexuell.

Sie lieben die falschen Menschen, deshalb mussten sie fliehen, mussten alles zurücklassen außer ihren Geschichten von Folter und Gefängnis, von Angst und Demütigung. Geschichten, die sie kaum in Worte fassen können. Unaussprechliches.

Am Ende dieser Geschichten, wenn sie längst von der Ankunft in Deutschland handeln und von der Bitte, bleiben zu dürfen, kommen Menschen wie Martin Dannecker ins Spiel. Der Professor für Sexualwissenschaft ist einer der wenigen Experten, denen es zugetraut wird zu beurteilen, ob ein Flüchtling wirklich schwul ist oder das nur behauptet.

Dannecker - sehr groß, sehr dünn, ein Päckchen Dunhill-Zigaretten in der ausgebeulten Jeans - sitzt im Wohnzimmer seiner Wohnung und bläst Rauch in das Licht, das die Sonne durchs Fenster wirft. Der Qualm verwandelt den Sonnenstrahl in eine sichtbare Säule.

Ein passendes Bild in diesem Raum, denn Dannecker ist ziemlich gut darin, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Er macht das regelmäßig, mit Menschen wie Ken und Sanjay - jedes Mal, wenn er für die Verwaltungsgerichte oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Gutachten über einen vermeintlich homosexuellen Asylbewerber schreibt.

Echte von falschen Schwulen unterscheiden

Im Jahr 2007 haben 19164 Menschen in Deutschland Asyl beantragt - Menschen, die vor Krieg und Terror geflohen sind, vor Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer politischen Ansichten. Von ihnen wissen viele. Diejenigen aber, die wegen ihrer Homosexualität gejagt und gefoltert wurden, sind unsichtbar, unbekannt. Weil sie Lügen erfinden, wenn sie gefragt werden, warum sie hier sind. Weil sie Stigmatisierte sind, die gelernt haben, ihre sexuelle Neigung um jeden Preis zu verstecken.

Es wird dadurch nicht leichter herauszufinden, was wahr ist. Wie soll die Behörde sicher sein, dass einer nicht lügt? Wie, dass einer wirklich schwul ist? Wer das wissen will, muss Menschen wie Martin Dannecker besuchen. Vielleicht versteht er dann auch besser, warum Flüchtlinge wie Ken jahrelang kämpfen mussten, bis sie ins Land durften. Und warum Sanjay so ein leichtes Spiel hat.

Dannecker ist 66 Jahre alt und selbst homosexuell. Schon mit Anfang 30 hat er das Standardwerk "Der gewöhnliche Homosexuelle" mitverfasst, später wurde er zum Leiter des Frankfurter Instituts für Sexualwissenschaft - und zum gefragten Gutachter. Erst hat er nur mit Deutschen gearbeitet, mit vermeintlich schwulen Wehrdienstverweigerern. "Meistens war das gelogen, das habe ich dann auch geschrieben", sagt der Professor.

Gefälligkeitsgutachten macht er nicht, auch heute nicht für Flüchtlinge. "Das wäre unfair gegenüber den echten Schwulen", sagt er. Außerdem würde es seiner Glaubwürdigkeit schaden: Bislang haben Danneckers Auftraggeber noch keines seiner Urteile angezweifelt.

Und es sind ja nicht irgendwelche Urteile, die er da fällt. Es sind Urteile, bei denen es nicht selten um Leben oder Tod geht.

Die Bundesregierung hat 83 Staaten aufgelistet, in denen Homosexualität unter Strafe steht - darunter vorwiegend islamische, aber auch hinduistisch und katholisch geprägte wie Indien oder Nicaragua. Wie viele Homosexuelle jährlich aus solchen Ländern nach Deutschland fliehen, ist unklar, weil das zuständige Amt die Verfolgungsgründe nicht statistisch erfasst. Fest steht nur: Die meisten sind aus Iran. Dort droht Schwulen die Todesstrafe, genau wie im Jemen, im Sudan, in Saudi-Arabien, Afghanistan, Mauretanien und Nigeria.

Ken kommt aus Nigeria. Er heißt nicht wirklich Ken, genau wie Sanjay nicht Sanjay heißt, aber beide wollen nicht erkannt werden, aus Angst, dass man sie wieder quält und verfolgt, und aus Scham. Aus Scham, "eine Schwuchtel" zu sein. So beschreibt Ken sich selbst.

Der 31-Jährige wartet in einem Café am Bahnhof einer sehr grauen Stadt im Ruhrgebiet. Obwohl es kalt ist, sucht er einen Tisch auf der Terrasse aus, dort sitzt sonst keiner, niemand kann dem Gespräch zuhören. Ken flüstert trotzdem, sein Wasser rührt er nicht an, seine Augen fahren hektisch nach links und rechts.

Folter mit dem Besenstiel

Wahrscheinlich ist das der natürliche Zustand eines Mannes, der von seiner Familie fallengelassen wurde und von seinen Freunden, von seiner Kirche und seiner Kultur. Der alles verloren hat, woran sich ein Mensch festhalten kann, am Ende sogar fast sein Leben.

Das war an dem Tag, als sie ihn im Gefängnis mit den Splittern eines Besenstiels folterten und ihn dann vergewaltigten, umringt von einem Kreis Schaulustiger. Von Wärtern, die klatschten, und von Insassen, die lachten. Ein paar Tage später, so erzählt er es, hat ihm seine Schwester gesagt: "Es wäre gut, wenn du draufgegangen wärst. Das hätte der Familie viel Schande erspart."

Ken ändert nicht einmal die Stimme, als er das erzählt. Er stockt nicht, schluckt nicht, er spricht so apathisch, als würde er über die traurige Geschichte eines Dritten sprechen.

Die Geschichte geht so: Ken hatte Harry im Studium kennengelernt. Bis dahin war er immer ein Außenseiter gewesen, unglücklich, ohne zu wissen warum. Als er sich in Harry verliebte, verstand er den Grund. Er bekämpfte ihn wie eine ekelhafte Krankheit, zwang sich, mit Frauen auszugehen und Harry nicht zu treffen. Es half nichts. Er war schwul. Und damit in Nigeria "weniger wert als ein Hund", sagt Ken.

Genau hier fängt Professor Danneckers Dilemma an: Er sitzt Menschen gegenüber, die den Hass gegen sich so sehr als gesellschaftlichen Konsens erlebt haben, dass sie ihn selbst annehmen.

Für Schwule nur Verachtung

In nur ein oder zwei Sitzungen muss er diese Menschen dazu bringen, über ihr entsetzliches Geheimnis zu sprechen - so eindringlich, dass er spürt, ob die Homosexualität "psychisch besetzt ist". Also ob er es mit einem echten Schwulen zu tun hat. Den unechten kommt er auf die Spur, weil ihre Worte so leer klingen, sagt er. Als würden sie von einem Toten sprechen, um den sie nicht trauern.

Also nicht so wie bei Ken, wenn er von Calvin erzählt - von dem Mann, den er kennenlernte, als er mit Harry gebrochen hatte und wieder glaubte, normal zu sein. Dem Mann, bei dem seine Gefühle so heftig durchbrachen, dass er bei ihm einzog und mit ihm lebte - bis Nachbarn merkten, dass die Männer mehr als Freunde waren. Ein Verbrechen.

Mitten in der Nacht kam die Polizei an ihr Bett, die Stiefel, die Schläge. "Die Gesetze in Nigeria sind nicht das Schlimmste für Schwule", sagt Ken. "Das Schlimmste sind die Menschen." Die Gesetze ahnden Homosexualität mit 14 Jahren Haft bis hin zur Todesstrafe. Die Menschen verachten die Schwulen und fördern die staatliche Hetze noch.

Trotzdem wurde Ken in Deutschland abgewiesen. Er kam in Abschiebehaft, musste drei Jahre lang vor Gericht dafür kämpfen, dass er nicht nach Nigeria zurückgeschickt wurde. Zwischen den Gefängnisaufenthalten wartete auf ihn das Asylbewerberheim mit seinen Gruppenschlafsälen und Gemeinschaftsduschen. Drei Jahre unter Männern, die zwar ihre Heimat zurückgelassen hatten, aber nicht ihren Hass auf Schwule.

Es wäre schneller gegangen, wenn er bei der Einreise nicht gelogen hätte. Aber er hatte noch die Wut seiner Schwester im Kopf, das Klatschen der Wärter, die Schmerzen der Folter - und dann saß er vor zwei Beamten und sollte sagen: "Ich bin schwul." So offen, dass die überzeugt waren, dass er "irreversibel homosexuell" wäre. Unumkehrbar. So lautet die Vorschrift.

Gerade durch sein Zögern, durch seine Scham, durch sein "schreiendes Verlangen nach Normalität" ist Ken für Professor Dannecker ein klarer Fall. Letztlich war es auch ein sexualwissenschaftliches Gutachten, das ihm zum Bleiben verhalf. Amnesty International hatte ihm das bezahlt, genau wie den Anwalt und alle Prozesskosten.

Für die Menschenrechtsorganisation ist Ken kein Einzelfall. Menschenrechtsverletzungen an Schwulen und, deutlich seltener, an Lesben, sind weltweit verbreitet. In Iran wurden laut Amnesty seit 1979 mehr als 4000 Homosexuelle getötet, meistens durch Steinigung.

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf

In Simbabwe erklärte Diktator Robert Mugabe schon 1995: "Ich denke nicht, dass Schwule Rechte haben." In Uganda drucken Zeitungen bis heute Listen mit Adressen von Schwulen. Und als Brasilien 2003 eine Resolution zum Schutz Homosexueller in die UN-Menschenrechtskommission einbrachte, sperrten sich die Länder der Islamischen Konferenz - gestützt vom Vatikan. Eine simple Logik: Homosexualität darf nicht geschützt werden. Denn sie darf nicht sein.

Das mag vielleicht für die Religionen gelten - für den Katholizismus oder für den Islam, der in der Lot-Geschichte erzählt, wie ein Volk vernichtet wird, weil die Männer "sich in Sinneslust mit Männern abgeben". Es gilt aber nicht für die Betroffenen selbst. "Die Gesetze des Körpers kann man nicht unterdrücken", sagt Professor Dannecker. Wer das dauerhaft tut, werde depressiv oder suizidgefährdet. Vor allem, wenn er gelernt habe, dass das Leben eines Schwulen wertlos sei.

Das mit dem Rattengift kann man sich kaum noch vorstellen, wenn man Sanjay heute sieht. Er sieht nicht nur gut aus, er ist schön. Über seine mandelförmigen Augen biegen sich lange Wimpern. Die Brauen sind gezupft, die Krawatte ist rosa.

So balanciert der 32-Jährige auf dem Barhocker in einem Stuttgarter Schwulencafé und denkt laut über die Sache mit dem Selbstmord nach: "Es ist verrückt. Geben wir nicht zu, dass wir schwul sind, töten wir uns selbst. Geben wir es zu, werden wir getötet."

Sanjay hat beides erfahren in seiner Heimat, einem so kleinen Land, dass er es kaum nennen kann, ohne erkannt zu werden. "Erfahren, nicht erlebt", betont er, denn als man seinen Freund eines Morgens fand, war der ja schon halbtot - vergewaltigt mit einer Glasflasche. Und seinen eigenen Suizidversuch überlebte Sanjay nur knapp, mit einer kaputten Leber - eine Folge des Rattengifts, mit dem er eine Depression beenden wollte und sein Leben gleich mit. "Es ist unvorstellbar, wie das brennt", sagt er. Aber er sagt nicht: "Ich würde es nicht wieder tun." Nur, dass er sich nächstes Mal besser verstecken will.

Asyl nur für die Irreversiblen

Auch Sanjay ist für Professor Dannecker ein Eindeutiger, und tatsächlich könnte wohl selbst der beste Schauspieler kaum so überzeugend einen Homosexuellen mimen. Nicht einmal bei der Behörde stellten sie seine Geschichte in Frage: Sanjay ist erst vor drei Monaten nach Deutschland gekommen, aber sein Asylverfahren steht schon kurz vor dem positiven Abschluss - üblich ist dafür mindestens ein Jahr.

Vielleicht ging es bei ihm so schnell, weil er bei der Ankunft gleich alles offenbart hat: alle Geheimnisse, alle Papiere. Vielleicht aber auch, weil Menschen Klischees so mögen und er eben aussieht wie das Klischee. Ein Irreversibler.

Eine Wolke hat sich vor Martin Danneckers Fenster geschoben, es ist dunkler geworden, und wenn er seine Sätze mit der Zigarettenhand unterstreicht, sieht das aus, als würden sich silberne Fäden eines Spinnennetzes um ihn ziehen. Gerade unterstreicht Dannecker jeden seiner Sätze, das Netz wird immer enger - als wollte er das, was er sagt, länger im Raum halten.

Er sagt, dass die Geschichten der homosexuellen Flüchtlinge nicht nur besonders kompliziert sind, weil sie Schreckliches und Traumatisches erzählen. Sondern weil sie Geschichten von Unaussprechlichem sind.Geschichten davon, dass eine Eigenschaft, die einem vorher fast das Leben gekostet hat, plötzlich das Leben retten kann.

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STADTRAT II
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Sitzung 4.12.2008

1 Dringliche Motion Fraktion GB/JA! mit GPB (Lea Bill, JA!/Karin Gasser, GB/Luzius Theiler, GPB): Zwischenzeitliche Verlängerung der Öffnungszeiten der Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse
Geschäftsnummer 08.000294 / 08/368

Obwohl seit Februar 2006 nur noch drogenabhängige Menschen aus dem Kanton Bern die Anlaufstelle aufsuchen dürfen und die Stelle seit einiger Zeit nun auch sonntags geöffnet ist,1 ist die Anlaufstelle dennoch stets ausgelastet und es entstehen zum Teil sogar (zu) lange Wartezeiten für die BenutzerInnen.
Aus diesen Gründen wird schon seit Jahren von verschiedenen Seiten her eine zweite Anlaufstelle gefordert. Nun scheint der Gemeinderat bereit zu sein, dieser Forderung teilweise nachzukommen, hat er sich doch bei der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF) dafür eingesetzt, dass der Kanton Bern einen zweiten Standort der Anlaufstelle finanziell unterstützt. Da für den Kanton jedoch eine Anlaufstelle in Thun prioritär ist, ist unklar, wann dieser zweite Standort in Bern realisiert werden kann.
Die offene Drogenszene unter der Eisenbahnbrücke auf der Schützenmatte und die damit verbundenen unhygienischen und unmenschlichen Zustände zeigen jedoch, dass nicht auf die Eröffnung einer zweiten Anlaufstelle gewartet werden kann, sondern, dass sofort gehandelt werden muss. Dies zeigt insbesondere der tragische Tod eines drogenabhängigen Mannes Anfang September 2008.
Aus diesem Grund wird der Gemeinderat beauftragt, die Öffnungszeiten der Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse zumindest zwischenzeitlich bis zur Eröffnung des zweiten Standortes zu verlängern. Die Kontakt- und Anlaufstelle soll jeden Tag abends bis mindestens Mitternacht geöffnet sein. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Anlaufstelle weiterhin zu gewissen Zeiten nur für Frauen zugänglich ist. Die Verlängerung der Öffnungszeiten soll im Sinne einer dringend notwendigen Massnahme unabhängig von einer möglichen (Teil-) Finanzierung durch den Kanton Bern realisiert werden.
Zudem wird der Gemeinderat beauftragt, dem Stadtrat umgehend und detailliert Bericht zu erstatten, wie er die Situation auf der Schützenmatte und in der Anlaufstelle an der Hodlerstrasse zu verbessern gedenkt.

Begründung der Dringlichkeit:
Die mit der offenen Drogenszene unter der Eisenbahnbrücke auf der Schützenmatte verbundenen unhygienischen und unmenschlichen Verhältnisse zeigen, dass sofort gehandelt werden muss.

Bern, 18. September 2008

1 Die Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse ist zur Zeit folgendermassen geöffnet:
Montag 14.30-17.30 Uhr
Dienstag-Samstag 14.30-21.30 Uhr
Sonntag 16.00-20.00 Uhr
nur für Frauen: Montag 18.00-22.00 Uhr

Antwort des Gemeinderats

Der Gemeinderat hat im September 2008 mit verschiedenen Massnahmen eine Beruhigung der Situation in der Umgebung der Anlaufstelle erreichen können. Die Einsätze durch PINTO, die Fachstelle Drogen des Sozialdiensts sowie der Kantonspolizei führten dazu, dass sich die Ansammlungen auf dem Vorplatz der Reitschule und in der Nähe der Anlaufstelle reduziert haben. Damit die Situation jedoch nachhaltig beruhigt werden kann, erachtet der Gemeinderat die Aufteilung der Kontakt- und Anlaufstelle auf zwei Standorte für dringend nötig.
Als Übergangslösung bis zur Realisierung des zweiten Standorts fordern die Motionärinnen und der Motionär eine Verlängerung der Öffnungszeiten der Anlaufstelle an der Hodlerstrasse bis um 24.00 Uhr. Der Gemeinderat lehnt eine Betriebszeit bis Mitternacht ab, da nach der Schliessung der Anlaufstelle die öffentlichen Verkehrsmittel für den Heimweg noch zur Verfü-gung stehen müssen. Wenn der Betrieb bis um Mitternacht dauert, ist dies nicht mehr ge-währleistet. Es besteht die Gefahr, dass vermehrt Drogenabhängige in der Innenstadt über-nachten. Ein Blick in andere Schweizer Städte zeigt, dass Öffnungszeiten bis um Mitternacht nicht üblich sind: In der Stadt Zürich schliesst die Anlaufstelle beispielsweise bereits um 20.00 Uhr, in Genf um 21.00 Uhr. Basel hat den Betrieb bis um 22.00 Uhr geöffnet.
Der Gemeinderat könnte einer Verlängerung der Betriebszeit bis längstens um 22.30 Uhr zu-stimmen unter der Bedingung, dass die Finanzierung für den zweiten Standort mit der ent-sprechenden zeitlichen Verlängerung durch die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kan-tons Bern (GEF) sichergestellt ist. Ein "Providurium" mit längeren Öffnungszeiten am Standort Hodlerstrasse kommt für den Gemeinderat nicht in Frage. Ebenso lehnt der Gemeinderat es ab, im Rahmen eines Provisoriums mehr Öffnungsstunden zur Verfügung zu stellen als im anschliessenden definitiven Betrieb.
Die Motion verlangt eine rasche Umsetzung der geforderten Massnahme sowie eine vom Kan-ton unabhängige Finanzierung. Für die Realisierung einer verlängerten Öffnung der Anlauf-stelle rechnet die Betreiberin der Anlaufstelle, die Stiftung Contact Netz, mit einer Vorlaufzeit von ca. zwei Monaten, da zusätzliche personelle Ressourcen nötig wären. Sobald der Ent-scheid der GEF bezüglich des zweiten Standorts vorliegt, wird der Gemeinderat das weitere Vorgehen am Standort Hodlerstrasse prüfen. Die Kosten für eine Verlängerung um 1,5 Stun-den während drei Monaten würden rund Fr. 65 000.00 betragen.
Weiter verlangt die Motion einen detaillierten Bericht, wie die Situation auf der Schützenmatte und bei der Anlaufstelle verbessert werden soll. Die eingangs erwähnten Massnahmen haben bereits schon zu einer Beruhigung der Situation geführt. Nach einer gewissen Beobachtungs-zeit werden auch die Auswirkungen der Einlassbeschränkung für Personen aus dem Berner Oberland, welche seit 1. November 2008 gilt, ersichtlich sein. Der Gemeinderat wird im Rah-men der Jahresberichterstattung der Koordinationsstelle Sucht darüber berichten.
Fazit: Der Gemeinderat ist jedoch bereit, den Vorstoss als Postulat entgegen zu nehmen und im Rahmen des Prüfungsberichts seine Massnahmen darzulegen sowie die Folgen für Perso-nal und Finanzen aufzuzeigen.

Antrag
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Dringliche Motion abzulehnen; er ist jedoch be-reit, den Vorstoss als Postulat entgegen zu nehmen.

Bern, 3. Dezember 2008

Motionärin Lea Bill (JA!): Was diesen Sommer unter der Eisenbahnbrücke auf der Schützen-matte zu beobachten war, war äusserst bedauernswert; Drogenabhängige haben ihre Spritzen in Pfützen gewaschen und sie wieder verwendet. Man musste zuschauen, wie Jugendliche, zum Teil jünger als 16 Jahre, harte Drogen konsumierten. In diesem Zusammenhang war die Haltung des Gemeinderats, nämlich vornehmlich wegzuschauen respektive mit Repression zu reagieren, unverständlich. Es geht hierbei nicht nur um ein sicherheitspolitisches Problem. Vielmehr hat eine offene Drogenszene, wie aus meinen Schilderungen ersichtlich wurde, wei-terreichende Folgen.
Die in der gemeinderätlichen Antwort formulierten Massnahmen - Einsatzerhöhung von Poli-zei, PINTO und Securitas - können nur kurzfristige Beruhigung erzielen. Aus diesem Grund setzen sich die Fraktion GB/JA! und die GPB bereits seit Jahren für eine zweite Anlaufstelle ein. Der Gemeinderat setzt sich erst seit kurzem, nämlich seit dem Tod eines Drogenabhän-gigen im September 2008, für eine zweite Anlaufstelle ein. Die Umsetzung dieses Angebots dauert aber höchstwahrscheinlich Monate oder sogar Jahre. Dies insbesondere deshalb, weil der Gemeinderat nicht bereit ist, die Kosten, die ein zweiter Standort verursachen würde, zu übernehmen. Er hofft stattdessen auf eine Finanzierung durch den Kanton und wartet zu.
Dieser Sachverhalt bildete die Grundlage der vorliegenden Motion. Die zwischenzeitliche Ver-längerung der Öffnungszeiten der Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse soll die Zeit bis zur Eröffnung des zweiten Standorts überbrücken. Dahinter steht die Idee, eine offene Dro-genszene zu verhindern und damit verbundene unmenschliche und unhygienische Zustände zu vermeiden. Im Vorstoss haben wir gefordert, dass die Öffnungszeiten bis mindestens um Mitternacht verlängert werden sollen. Wenn man die Argumentation in der Antwort des Ge-meinderats betrachtet, ist es sinnvoll, die Öffnungszeiten nicht derart stark auszudehnen. Wir sind deswegen bereit, den Vorschlag des Gemeinderats anzunehmen und die Öffnungszeiten nur um eine Stunde, d.h. bis 22.30 Uhr, zu verlängern.
Dass aber der Gemeinderat die Finanzierung des zweiten Standorts durch den Kanton als Bedingung für die Verlängerung der Öffnungszeiten formuliert, ist nicht mit dem Ziel des Vor-stosses zu vereinbaren. Schliesslich hätte ja gerade mit der zwischenzeitlichen Verlängerung der Öffnungszeiten die Zeit bis zum Kantonsentscheid überbrückt werden sollen. Als Begrün-dung führt der Gemeinderat an, dass er befürchte, aus den verlängerten Öffnungszeiten wür-de ein Providurium werden. Dies zeigt deutlich, dass der Gemeinderat nicht davon ausgeht, dass sich der Kanton in den folgenden Monaten bereit erklären wird, den zweiten Standort zu finanzieren. Der Kanton liess schon mehrmals verlauten, dass seine Prioritäten in nächster Zeit beim Angebot in Thun liegen, das gegenüber einem zweiten Standort in Bern den Vorzug geniesst. Hinzu kommt, dass laut Antwort des Gemeinderats die Verlängerung der Öffnungs-zeiten eine Vorlaufzeit von ungefähr zwei Monaten benötigen würde. Entscheidet der Kanton nun tatsächlich im Frühling 2009, dann würde die Verlängerung wohl erst im Juni 2009 umge-setzt werden.
Würde unsere Motion in Form eines Postulats angenommen werden und würde der Gemein-derat die Zeit, die ihm zur Prüfung des Postulats zu Verfügung steht, ausnutzen, wäre es möglich, dass die Einschätzungen des Gemeinderats erst in einem Jahr im Stadtrat diskutiert werden könnten. Das bedeutet, dass wieder ein Jahr vergehen würde, ohne dass in der städ-tischen Drogenpolitik ein Schritt vorwärts gemacht worden wäre. Diese Vorgehensweise ist nicht im Sinne unserer Motion. Ich bitte Gemeinderätin Edith Olibet, uns den Zeitplan des Gemeinderats sowie den Zeitplan des Kantons näher zu erläutern. Ausserdem möchten wir gerne wissen, ob bereits †berlegungen angestellt worden sind, wie es nach einem eventuel-len Nein seitens des Kantons mit der städtischen Drogenpolitik weitergehen soll.

Fraktionserklärungen

Daniela Lutz-Beck (GFL) für die GFL/EVP-Fraktion: Unsere Fraktion lehnt die Motion und das Postulat ab. Wir folgen dabei der Begründung des Gemeinderats: Öffentliche Drogenszenen führen dem Zuschauer menschenunwürdige Verhältnisse vor Augen. Aufgrund meiner früheren Mitarbeit bei KODA weiss ich, dass das Problem nicht durch weitere grosszügige städti-sche Angebote gelöst werden kann. Wer das Angebot einer Anlaufstelle nutzen will, muss warten können. Wir gehen davon aus, dass Folgendes passieren wird: Insbesondere der Ko-kainkonsum wird ansteigen und die Verhältnisse werden zunehmend menschenunwürdig. Kokain kennt kein Sättigungsgefühl. Kokain wird solange konsumiert, bis keines mehr da ist, bis keines mehr gekauft werden kann. Die Abhängigen können nicht mehr an ihren Wohnort zurückkehren und übernachten in der Innenstadt, was für die Drogenabhängigen besonders in der kalten Jahreszeit grosse Gefahren birgt. Auch wenn die Drogenanlaufstelle länger geöff-net und die zweite Anlaufstelle eröffnet werden sollte, wird es meines Erachtens trotz Rezes-sion schwer sein, qualifiziertes Personal zu finden, das diese Arbeit ausführen kann.

Giovanna Battagliero (SP) für die SP/JUSO-Fraktion: Die SP/JUSO-Fraktion kann den Argu-menten des Gemeinderats grundsätzlich folgen. Die Situation auf dem Reitschulvorplatz hat sich offenbar in den letzten Wochen dank den ergriffenen Massnahmen beruhigt. Zu diesen Massnahmen gehörten nicht nur repressive Massnahmen. Neben den Massnahmen dürfte auch die kalte Jahreszeit ihren Beitrag zur Beruhigung der Lage geleistet haben. Trotz dieser Beruhigung sind wir der Meinung, dass die Eröffnung einer zweiten Drogenanlaufstelle unum-gänglich ist. Denn nur die Aufteilung der Anlaufstelle auf zwei Standorte kann im Bereich Reitschule die notwendige dauerhafte Entlastung bringen. Wir hoffen, dass sich die zweite Anlaufstelle möglichst bald im Jahr 2009 am vorgesehenen Ort an der Murtenstrasse realisie-ren lässt und dass der Kanton die entsprechenden finanziellen Mittel spricht - auch wenn es im Moment nicht danach aussieht.
Eine Verlängerung der Öffnungszeiten bis um Mitternacht erachten wir als nicht sinnvoll. Die Drogenabhängigen sollten nicht dazu verleitet werden, die Nacht auf der Gasse in der Innen-stadt zu verbringen. Der Vergleich mit anderen Städten zeigt, dass die Schliessung einer An-laufstelle vor Mitternacht der gängigen Praxis entspricht. Wir begrüssen, dass der Gemeinde-rat bereit ist, der Verlängerung der Öffnungszeiten bis 22.30 Uhr unter gewissen Bedingungen zuzustimmen. Die Erstellung eines separaten Berichtes, wie ihn die Motion fordert, können wir nicht unterstützen; wir erachten einen solchen weder für nötig noch für zielorientiert. Unsere Fraktion verlangt vom Gemeinderat, dass er die Situation auf dem Vorplatz der Reitschule und in der Umgebung der Reitschule sorgfältig beobachtet und die nötigen Massnahmen er-greift. Der Gemeinderat soll in diesem Zusammenhang möglichst flexibel auf die Entwicklun-gen reagieren und gegebenenfalls die Öffnungszeiten der Anlaufstelle verlängern. Ausserdem soll er sich weiterhin mit Nachdruck für die Eröffnung einer zweiten Anlaufstelle im Jahr 2009 einsetzen. Den Vorstoss unterstützen wir nur, wenn er in ein Postulat gewandelt wird.

Roland Jakob (SVP) für die SVP/JSVP-Fraktion: Wir lehnen sowohl eine zweite Anlaufstelle wie auch eine Verlängerung der Öffnungszeiten der bereits bestehenden Anlaufstelle ab. Mit einer Verlängerung der Öffnungszeiten ist weder den Drogensüchtigen noch den Anwohnern gedient. Es ist auch nicht sinnvoll, das bestehende Flickwerk noch weiter zu unterstützen. Die Existenz einer Drogenanlaufstelle hilft den Betroffenen nicht, von ihrer Sucht wegzukommen sondern unterstützt sie vielmehr noch darin. Logischer wäre es, die Drogensüchtigen zentral an einem gesonderten Ort zu betreuen. Die SVP hat dies bereits in einem Vorstoss verlangt. Wir sind der Ansicht, dass Zentralisierungsmassnahmen im Zusammenhang mit der städti-schen Suchtpolitik den Drogensüchtigen mehr helfen und dass derartige Massnahmen eine korrekte und koordinierte Suchpolitik ermöglichen würden. Der neue Standort sollte eine Ent-lastung für die Innenstadt mit sich bringen. Wir haben bereits vorgeschlagen, einen derartigen zentralen Ort im Neufeld einzurichten. Ziel dieser Einrichtung sollte es sein, den Drogensüch-tigen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie von ihrer Sucht befreit werden können. Wir bitten den Rat, im Sinne der Drogensüchtigen zu entscheiden und sowohl Motion als auch Postulat abzulehnen.

Pascal Rub (FDP): für die FDP-Fraktion: Unsere Fraktion ist der Ansicht, dass keine zweite Drogenanlaufstelle nötig ist, bevor nicht Ergebnisse aus Thun und Auswirkungen anderer Massnahmen bekannt sind. Grundsätzlich stehen wir einer Optimierung der Öffnungszeiten positiv gegenüber. Da aus der gemeinderätlichen Antwort hervorgeht, dass eine Verlängerung der Öffnungszeiten mit der Finanzierung der zweiten Anlaufstelle verknüpft wird, lehnen wir auch das Postulat ab. Wir bitten den Rat, sowohl die Motion als auch das Postulat abzuleh-nen.

Direktorin BSS Edith Olibet für den Gemeinderat: Der Gemeinderat hat im Zusammenhang mit der Drogenpolitik in den letzten Jahren einiges unternommen - sowohl auf der Angebots- als auch auf der Repressionsseite. Die heutige Situation kann als gut bezeichnet werden. Nach wie vor muss ihr aber Aufmerksamkeit, und zwar bezüglich aller vier Säulen, gewidmet wer-den.
Wir erwarten den Bescheid der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF) im Januar. Sie ist die für die Finanzierung verantwortliche Direktion. Die GEF möchte erste Resultate der Massnahmen, die man im Hinblick auf Thun getroffen hat, abwarten. Sie rech-net, dass dies im Januar 2009 der Fall sein wird. Anschliessend muss eine gewisse Zeit ein-kalkuliert werden, um qualifiziertes Personal zu finden.
Wenn der Kanton die Finanzierung einer zweiten Drogenanlaufstelle in Bern ablehnt, muss, wie aus der gemeinderätlichen Antwort hervorgeht, eine Prüfung der Situation erfolgen. Der Gemeinderat befürwortet die Errichtung eines zweiten Standorts, weil er eine Entlastung in Stosszeiten und weil er eine Entlastung für die Umgebung Reitschule zur Folge hätte.
Beim Standort Neufeld, den die SVP vorschlägt, handelt es sich nicht um einen zentralen Standort. Der Gemeinderat betrachtet diesen Standort als ungeeignet, um die vorhandenen Probleme zu lösen. Erfolgversprechend sind unsere Angebote nur dann, wenn sie auf das Stadtzentrum ausgerichtet sind.

Motionärin Lea Bill (JA!): Wie sieht das weitere Vorgehen des Gemeinderats im Falle einer ablehnenden Antwort seitens des Kantons aus?

Direktorin BSS Edith Olibet: Aus der gemeinderätlichen Antwort wird ersichtlich, dass eine Verlängerung der Öffnungszeiten die Mitfinanzierung durch den Kanton voraussetzt. Sobald der Entscheid der GEF vorliegt, wird der Gemeinderat das weitere Vorgehen bezüglich des Standorts Hodlerstrasse prüfen.

Beschluss
Der Stadtrat lehnt die Dringliche Motion ab (12 Ja, 57 Nein, 1 Enthaltung).

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STADTRAT III
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Sitzung 29.1.09

Stadtratssitzung (Traktanden)
Donnerstag, 29. Januar 2009 17.00 Uhr und 20.30 Uhr
Sitzungssaal im Rathaus

Die Stadtratssitzungen sind öffentlich zugänglich (Besuchertribüne)
Traktanden

(...)

9. Motion Dieter Beyeler/Robert Meyer (SD): Subventionssperre für die IKUR (PRD: Tschäppät)     08.000185
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2008/08.000185/gdbDownload

08.000185 (08/372)
Reg. 55/-00

Motion Dieter Beyeler/Robert Meyer (SD): Subventionssperre für die IKUR
Einmal mehr kam es am Samstag, 17. Mai 2008 zu gewalttätigen Ausschreitungen in Zusam-menhang mit der unbewilligten Kundgebung "Reclaim the Streets" vor der Reitschule.
Einmal mehr wurde die Reitschule, unter Duldung der IKUR als Betreiberin, als Rückzugs-Hort und Fluchtweg missbraucht.
Gemäss dem geltenden Leistungsvertrag, der die Aufgaben und vor allem die Pflichten klar umschreibt und regelt, sehen die so genannten Sicherheitsvereinbarungen vor, dass die Poli-zei auch innerhalb der Reitschule interveniert.
Entgegen anders lautenden Aussagen entspricht dies jedoch nicht den Interessen der IKUR. Ebenso wird die Forderung der Stadtregierung, gewalttätigen Randalieren und Vermummten keinen Unterschlupf zu gewähren, völlig negiert. Offensichtlich wird hier der Gemeinderat seit Jahren an der Nase herumgeführt. Dieser unhaltbaren Situation muss endlich Einhalt geboten werden; und offenbar ist dies nur unter massivem Druck möglich.

Aus diesem Grund stellen wir folgenden Antrag an den Gemeindrat:
Der Gemeinderat wird beauftragt, als Gegenmassnahme sämtliche weiteren Zahlungen ge-mäss Leistungsvertrag bis auf weiteres einzustellen.

Bern, 22. Mai 2008

Motion Dieter Beyeler/Robert Meyer (SD), Manfred Blaser, Ueli Jaisli, Simon Glauser, Roland Jakob, Peter Bernasconi, Thomas Weil, Peter Bühler, Rudolf Friedli, Ernst Stauffer

Antwort des Gemeinderats
Seit dem Jahr 2004 besteht mit der Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule, IKuR ein Leistungsvertrag. Zuletzt wurde dieser für die Jahre 2008 bis 2011 abgeschlossen, mit einer Subvention von Fr. 378 780.00 versehen und vom Stadtrat an seiner Sitzung vom 22. März 2007 genehmigt. Dabei fliesst der überwiegende Teil der Subvention direkt an Stadtbauten Bern zur Begleichung der Miete. Die der IKuR ausbezahlten restlichen Fr. 60 000.00 werden für die Mietnebenkosten eingesetzt und decken diese etwa zur Hälfte.
Neben dem Subventionsvertrag besteht zwischen der Stadt Bern und der IKuR eine Vereinba-rung betreffend Sicherheit in der Reitschule aus dem Jahr 2003. Darin ist im Wesentlichen festgehalten, dass die IKuR bei Gefahr in Verzug den freien Zugang von Polizei, Sanitätspoli-zei oder Feuerwehr zu allen Räumen und dem Vorplatz zu gewährleisten hat, Kontaktperso-nen für die Behörden benennen muss und sich bei polizeilichen Kontrollen auf dem Vorplatz jeglicher Provokation enthält.
Zu den jüngsten Ereignissen auf dem Vorplatz der Reitschule, nicht nur jenen in der Motion direkt angesprochenen, hat der Gemeinderat sein Bedauern ausgedrückt. Er hat zudem ge-eignete Schritte unternommen, auch gegenüber der IKuR, damit die Zusammenarbeit insbe-sondere mit der Polizei verbessert und Lärmschutzvorschriften sowie Ruhezeiten eingehalten werden. Damit wird sich die Drogenproblematik auf dem Vorplatz noch nicht lösen. Erst mit einem zweiten Standort können grössere Ansammlungen von Drogenabhängigen und Dealern nach Schliessung der bestehenden Stelle an der Hodlerstrasse verhindert bzw. von der Poli-zei gezielt aufgelöst werden.
Die von den Motionären geforderte Nichteinhaltung des Subventionsvertrags mit der IKuR durch den Stopp aller Zahlungen - jener an Stadtbauten Bern und jener für die Nebenkosten an die IKuR - würde keinen Beitrag zur Lösung des Problems bringen. Der Gemeinderat ist überzeugt, dass der Weg des direkten Gesprächs weiter bringt und verspricht sich vor allem von der Eröffnung eines zweiten Standorts eine deutliche Verbesserung.

Antrag
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion abzulehnen.

Bern, 15. Oktober 2008
Der Gemeinderat

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(...)
 
16. Interpellation Fraktion SVP/JSVP (Peter Bühler/Manfred Blaser, SVP): Wie lange schaut der Gemeinderat dem Katz- und Mausspiel der Stadtnomaden und Stadttauben noch zu? (PRD: Tschäppät) 08.000198
http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2008/08.000198/gdbDownload

08.000198 (08/302)
Reg. 75/-00

Interpellation Fraktion SVP/JSVP (Peter Bühler/Manfred Blaser, SVP): Wie lange schaut der Gemeinderat dem Katz und Mausspiel der Stadtnomaden und Stadttauben noch zu?

Regelmässig kann man in den Printmedien davon lesen, dass sich die illegalen alternativen Wohngruppen wie Stadttauben und Stadtnomaden wieder irgendwo niedergelassen haben und dies ohne Erlaubnis der jeweiligen Landbesitzer. Es ist jedes Mal ein Glück für diese Gruppierungen, wenn die Stadt, respektive der Gemeinderat die Federführung hat. Dann wird zum wiederholten Male verhandelt und Ultimaten gestellt, welche dann doch nicht eingehalten werden. Dann wird ein Aufschub gewährt und dann wieder einer und wieder einer, bis endlich mit der Räumung gedroht wird. Ab diesem Zeitpunkt stellen diese Gruppen noch ein bis zwei Forderungen und ziehen dann in einer "Nacht und Nebel Aktion" weiter und das Spiel beginnt von vorne!

Aus der oben geschilderten Situation ergeben sich folgende Fragen:
1. Was versteht der Gemeinderat unter "Glaubwürdigkeit"?
2. Wie erklärt der Gemeinderat den Satz, vor dem Gesetz sind alle gleich?
3. Wie lange akzeptiert der Gemeinderat dieses Katz und Mausspiel noch?
4. Wie lange spielt er es noch mit, bis er endlich handelt?
5. Wann greift der Gemeinderat einmal durch ohne lange Verhandlungen und Ultimaten?
6. Warum werden diese illegalen Gruppierungen nicht wegen ihrer Vergehen angeklagt und verurteilt?
7. Wieso sorgt der Gemeinderat nicht dafür, dass diese illegal, alternativen Gruppierungen aufgelöst werden?

Bern, 29. Mai 2008

Interpellation Fraktion SVP/JSVP (Peter Bühler/Manfred Blaser, SVP), Simon Glauser, Beat Schori, Ueli Jaisli, Rudolf Friedli, Erich J. Hess, Thomas Weil, Roland Jakob, Peter Bernasco-ni

Antwort des Gemeinderats

Zu Frage 1:
Glaubwürdigkeit bedeutet für den Gemeinderat, dass für bestehende Probleme gute, dauer-hafte Lösungen gesucht werden. Diese haben sowohl den rechtsstaatlichen Prinzipien zu entsprechen wie auch verhältnismässig zu sein. Eine gute Lösung muss bei allen Beteiligten Akzeptanz finden. Damit in der Frage der Stadttauben bzw. Stadtnomaden eine Lösung ge-funden werden kann, wurde unter der Leitung des Stadtpräsidenten vor den Sommerferien ein runder Tisch mit Beteiligung der betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer einberufen. Der zweite runde Tisch wird im Herbst stattfinden und soll erste konkrete Ergeb-nisse bringen.

Zu Frage 2:
Nach dem in Artikel 8 Absatz 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV, SR 101) ver-ankerten allgemeinen Rechtsgleichheitsgebot ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Für die Verwaltung bedeutet dies insbesondere, dass das Gesetz in allen gleichgelagerten Fällen in gleicher Weise angewendet wird. Gerade aufgrund des Gleichbehandlungsgebots gelten die rechtsstaatlichen Prinzipien auch für die Gruppen, welche in einer alternativen Wohnform leben wollen.

Zu Frage 3 und 4:
Die Verwaltung geht heute konsequent gegen die Besetzung stadteigener Parzellen vor. Die öffentliche Hand verlangt die Räumung jeweils umgehend. Bei Parzellen im Privateigentum kann bei Ordnungswidrigkeiten nur eingeschritten werden, wenn eine Anzeige vorliegt. Geht dann tatsächlich eine Anzeige ein, sind die Gruppen oft schon weitergezogen.
Der Gemeinderat ist sich aber bewusst, dass die von den verschiedenen Gruppen gelebte Wohnform, so wie sie heute ausgeübt wird, von vielen als störend empfunden wird. Daher versucht der Gemeinderat mit dem Instrument des runden Tischs eine Lösung zu finden, die von allen Beteiligten mitgetragen werden kann.

Zu Frage 5:
Die Verwaltung hat sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Diese sehen unter anderem vor, dass auch für Räumungen gewisse Fristen einzuhalten sind.

Zu Frage 6:
Rechtlich betrachtet verstossen die Gruppen gegen viele Bestimmungen, die aber in den meisten Fällen als Ordnungswidrigkeiten einzustufen sind, so z.B. im Bereich Gewässer-schutz, Abfall und andere. Der Handlungsspielraum der Behörden ist somit klein. Die Polizei kann nur einschreiten, wenn ein entsprechender Strafantrag vorliegt. Zudem muss das fehl-bare Verhalten einer bestimmten Person zugeordnet werden können.

Zu Frage 7:
In der Schweiz ist es gestattet, Gruppen zu bilden. Eine Gruppenbildung ist nur dann wegen Landfriedensbruch strafbar, wenn die Gruppe den Zweck verfolgt, gegen Menschen und Sa-chen Gewalt auszuüben. Der Gemeinderat ist der Ansicht, dass die Hilfe und Vermittlung zur Standortfindung für alternative Wohn- und Lebensformen keine städtische Aufgabe ist. Dass in der Stadt Bern in dieser Sache ein Ausnahmefall (Zaffaraya) besteht, ist aus der damaligen Situation erklärbar, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Haltung des Gemeinderats.

Bern, 27. August 2008
Der Gemeinderat

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