MEDIENSPIEGEL 18.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- 2. Drogenanlaufstelle-Kantons-Njet: Telebärn-Bericht
- Dance Out Moneymania
- Anti-WEF: Farbe gegen UBS, Veranstaltung + Demo
- Public Eye Awards: Inti mit Andreas Missbach
- Rassismus im Alltag
- Handschellen im Armee-Wachdienst
- Biometrie unzuverlässig
- Anti-Atom: Industrie will Tempo
- Gaza: Inti mit Guy Bollag

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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Mi 21.1.09
19.00 Uhr - SousLePont - Russland Spezialitäten

Do 22.1.09
20.00 Uhr - Frauenraum - Hinterhoflounge: Gegen den Neujahrsblues: Begiess mit uns das Januarloch…
20.30 Uhr - Tojo - Haut, Haar und Huhn. Performance Lisa Jenny. Musik: Tini Hägler
20.30 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: Grundeinkommen, Daniel Häni und Enno Schmidt, Schweiz 2008

Fr 23.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Haut, Haar und Huhn. Performance Lisa Jenny. Musik: Tini Hägler
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: La Estrategia del caracól, Sergio Cabrera, Kolumbien 1993
21.00 Uhr - Frauenraum - TanzBar mit DJ Zardas Gesellschaftstänze und Disco für Frau und Frau, Mann und Mann und friends. Ab 19.15 Uhr Crashkurs
22.00 Uhr - SousLePont - Theo's Fried Chicken Store (Rockabilly, BE); The Siffredis (Rockabilly, SO)

Sa 24.1.09
20.30 Uhr - Tojo - Haut, Haar und Huhn. Performance Lisa Jenny. Musik: Tini Hägler
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: La Dignidad de los Nadies, Fernando Solanas, Argentinien 2005
23.00 Uhr - Dachstock - Local Darkside: DJ's Uman, VCA, Deejaymf, Lockee, Schow (Drum'n'bass)

Infos: www.reitschule.ch

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2. DROGENANLAUFSTELLE
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Telebärn 17.1.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Kanton-leistet-keinen-Beitrag-an-zweites-Fixerstuebli/story/11863134

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DANCE OUT
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bernerzeitung.ch 17.1.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Tanzdemonstration-gegen-das-WEF/story/17502913 (Telebärn 17.1.09)

"Tanzdemonstration" gegen das WEF

Von sda.

In der Berner Innenstadt demonstrierten am Samstag Nachmittag 200 bis 300 Personen gegen das Weltwirtschaftsforum (WEF) und gegen Geldgier im Allgemeinen.

"Dance out Moneymania"

Die bewilligte Kundgebung begann am Bärengraben und führte durch die Berner Innenstadt zum Waisenhausplatz. Auf Flugblättern riefen die Teilnehmer die Passanten zu einem kritischeren Umgang mit Geld auf und kritisierten die Konsumwut. (Bernerzeitung.ch/Newsnetz)

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ANTI-WEF
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20min.ch 18.1.09

Erheblicher Sachschaden

Farbanschlag auf die UBS am Paradeplatz

Rund 20 bis 30 Unbekannte haben am Samstagabend kurz vor 21.30 Uhr einen Farbanschlag auf das UBS-Gebäude am Zürcher Paradeplatz verübt. Zudem steckten sie mehrere Pneus in Brand.

Dies teilte die Zürcher Stadtpolizei am Samstag mit. Beim Erblicken einer Streifenwagenpatrouille der Stadtpolizei Zürich ergriffen rund 30 Personen die Flucht. Die aufgebotenen Angehörigen von Schutz & Rettung Zürich konnten die beiden Feuer rasch löschen. Am Bankgebäude und an mehreren in der Nähe abgestellten Autos entstand ein Schaden in der Höhe von mehreren zehntausend Franken. Im Rahmen der Nahbereichsfahndung nahm die Stadtpolizei zwei Personen zur näheren Überprüfung fest.

Der Anschlag sei "völlig überraschend" erfolgt, sagte ein Sprecher der Stadtpolizei. Die Polizei vermutet, dass die Täter aus dem linksautonomen Milieu stammen.

Quelle: SDA/ATS

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Fotos:
- http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Farbanschlag-auf-UBSGebaeude-am-Zuercher-Paradeplatz/story/18246922
- http://www.20min.ch/news/zuerich/story/13135680

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Indymedia 18.1.09

Farbe gegen UBS ::

AutorIn : Smash WEF         

Farbanschlag     

In der Nacht auf den 18.01.09 haben wir, in einer gemeinsamen Aktion verschiedener revolutionärer Kräfte, die Fassade der UBS am Paradeplatz eingefärbt.

Die UBS und ihre Adresse sind für uns Symbole der Krise des Kapitalismus, aus der es nur einen revolutionären Ausweg geben kann.
Banken sind der Motor des Kapitalistischen Systems, ohne sie läuft gar nichts.
Das erklärt warum so schnell und unkompliziert staatliche Finanzspritzen in Milliardenhöhe gesprochen wurden.
Die gleichen, welche bis vor kurzem staatliche Eingriffe kategorisch ablehnten, um ihre Profite ungestört zu maximieren, verstaatlichen jetzt ohne mit der Wimper zu zucken ihre Verluste.
Als zweites bewährtes Rezept gegen die Krise werden Massenentlassungen angekündigt, um sich profitabel zu sparen.
Gleichzeitig diskutiert die UBS als strategischer Partner ende Januar am WEF in Davos über den Lauf der Welt nach der Krise. Es scheint als sei für die Kapitalisten die Krise schon vorbei, während sie bei uns erst richtig anrollt.

Gegen all das und für den gemeinsamen Kampf für eine befreite Gesellschaft in der uns die Produktion gehört, steht die Farbe an der UBS Fassade.

Unser Widerstand hat viele Formen! Auf nach Genf für eine kämpferische Demo!
Smash WEF!
Der Kapitalismus hat keinen Fehler, er ist der Fehler!
Erkämpfen wir uns eine eigene Perspektive!

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Indymedia 17.1.09

26.1., Winti,Veranstaltung zu WEF und NATO

AutorIn : raw   : www.aufbau.org       

26.1.2009, 20.00
Nord-Süd-Haus, Steinberggasse 18, Winterthur     
    
Vom 28.1. bis 1.2.2009 trifft sich die selbsternannte Elite der Welt wieder mal in Davos und will Lösungen für die Krise des Kapitalismus finden. Konkret wird das heissen, dass der Druck auf die ArbeiterInnen weltweit noch mehr steigt. Entlassungen, Kurzarbeit und Abbau in der Bildung und im Sozialwesen sind nur einige der Auswirkungen, die wir zu spüren bekommen, damit einige Wenige weiterhin fette Gewinne machen können.

Für ihre fetten Gewinne gehen die Bonzen nach wie vor auch über Leichen. Ein Instrument der Bourgeoisie zur Kontrolle und Verteilung der weltweiten Ressourcen zu ihren Gunsten ist das Militärbündnis NATO. Am 3. und 4. April 2009 wollen die Kriegstreiber in Strassburg (F) 60 Jahre NATO und damit 60 Jahre Krieg und imperialistische Besatzung weltweit feiern. Doch auch der Widerstand gegen die Treffen der Bonzen und Kriegstreiber ist wie immer garantiert.

An der Veranstaltung gibt es Infos zu Aktionen gegen das WEF 2009 und der Demo am 31.1.09 in Genf. Letzter Verkauf von verbilligten SBB-Tageskarten für die Zugfahrt nach Genf.

Die Revolutionäre Aktion Stuttgart informiert zu 60 Jahren NATO-Kriegen und zu den Mobilisierungen gegen die NATO-Sicherheitskonferenz (6.-7. Februar) und gegen den NATO-Gipfel am 3.-4. April in Strassburg.

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Indymedia 16.1.09

24.1.: Anti-WEF-Demo in Solothurn ::

AutorIn : Smash the WEF         

WATCH THE REAL MOVIE - STOP THE CAPITALISTIC HORRORSHOW!     

Am WEF in Davos treffen sich die grössten Unternehmen mit RegierungsvertreterInnen aus der ganzen Welt um Beziehungen zu knüpfen, vor laufender Kamera gute Miene zum bösen Spiel zu machen, Geschäfte abzuschliessen und die Welt unter sich aufzuteilen.

Alljährlich finden Ende Januar das WEF und die Solothurner Filmtage statt. Diese locken während einer Woche mit einem abwechslungsreichen und teilweise auch kritischen Filmprogramm zehntausende von BesucherInnen in die Stadt an der Aare. Wir wollen mit unserer Aktion diese Veranstaltung nicht stören. Vielmehr wollen wir versuchen den Filmbegeisterten zu zeigen, dass Widerstand gegen den zerstörerischen Kapitalismus an jedem Ort möglich und nötig ist.

Treffpunkt: 24. Januar um 19Uhr beim Klosterplatz in Solothurn.

Wir rufen euch dazu auf, gemeinsam ein kraftvolles und kreatives Zeichen gegen die kapitalistische Horrorshow und ihre Gala in den Bündner Bergen zu setzen!

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PUBLIC EYE
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NZZ am Sonntag 18.1.09

"Ich bin ein grosser Fan von Markt"

Der Globalisierungskritiker Andreas Missbach sieht den Moment für gekommen, Unternehmen stärker zu verantwortlichem Handeln zu zwingen - zusammen mit andern NGO fordert er einen "Green New Deal"

Puntas Bernet D.

NZZ am Sonntag: Verkommen die Public Eye Awards, eine Art Oscar-Verleihung für unverantwortlich handelnde Unternehmen (siehe Kasten), angesichts der globalen Rezession nicht zu einer obsoleten Veranstaltung?

Andreas Missbach: Ganz im Gegenteil. Es sind konkrete Fälle, auf die wir hinweisen. In einigen Fällen werden Menschenrechte grob verletzt, in einem andern schlägt der Preisdruck eines grossen Detailhändlers massiv auf die Produzentenlöhne im Süden durch. Das sind reale und elementare Probleme, die trotz der Krise Gültigkeit besitzen.

Hat Ihre Aktion, abgesehen vom medialen Strohfeuer inklusive kabarettistischen Unterhaltungswerts, schon mal Wirkung gezeigt?

Die Public Eye Awards in Davos sind jeweils Höhepunkt einer langfristigen Kampagne unserer Partnerorganisationen. Die Auszeichnung an Glencore im Zusammenhang mit einer kolumbianischen Kohlemine war ein voller Erfolg. Der Konzernchef griff persönlich zum Handy und setzte sich mit der kampagnenführenden NGO zusammen. Vor wenigen Wochen wurde ein Abkommen getroffen: Das vor acht Jahren dislozierte Dorf wird wieder aufgebaut, und zwar mit gleich viel Land und angemessenen Entschädigungen. Der Public Eye Award war für den Erfolg der Eisbrecher.

Bleiben Bemühungen zur Nachhaltigkeit angesichts der ökonomisch dringlichen Probleme, wie Sicherung von Auftragslage und Arbeitsplätzen, nun auf der Strecke?

Unternehmen würden grosse Fehler machen, wenn sie jetzt Aspekte der Nachhaltigkeit vernachlässigten. Es kommt zur eigentlichen Nagelprobe für Corporate Social Responsibility. Waren all diese Berichte nur PR-Hochglanzprospekte, oder war es wirkliche Unternehmensstrategie? Der Trend Richtung Nachhaltigkeit löst sich nicht einfach auf. Konsumenten wollen kein T-Shirt mit Blut dran, und kein Unternehmen der Welt kann das mehr ignorieren, weil Zivilgesellschaften, Gewerkschaften und Konsumenten heute sehr schnell davon erfahren.

Gibt es unter der wachsenden Flut von CSR-Reports auch gute Beispiele?

Ein kritischer Leser möchte erfahren, wie ein Unternehmen mit Schwierigkeiten umgeht, anstatt zum x-ten Mal vernehmen, was ein Unternehmen alles Tolles tut. Ein weiteres positives Indiz ist der Einbau eines dialogischen Elements mit Kritikern. Was sicher nicht mehr geht, sind Berichte wie derjenige von Novartis 2005. Darin waren Fotos von Patienten in Kambodscha zu sehen. Fotos, die ohne Einwilligung der Leute gemacht wurden. Darüber hinaus war im ganzen Spital kein einziges Novartis-Medikament erhältlich, weil deren Patentschutz diese unerschwinglich macht und darüber hinaus Generika verhindert. Das ist Zynismus pur.

Börsenkotierte Unternehmen behaupten von sich, alle Nachhaltigkeits-Standards einzuhalten, schliesslich wäre ein Vergehen kursrelevant. Gibt es Fälle, wo dies tatsächlich zutrifft?

Nein, aber das ist nicht erstaunlich, weil die Börse kein Sensorium für solche Fragen hat. Als ABB ihre Sparte Gross-Staudamm verkauft hatte, was bezüglich Nachhaltigkeit eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung war, goutierte das die Börse überhaupt nicht. Die Börse, das darf man mittlerweile sagen, funktioniert wie ein Kasino. Es gibt viel zu wenige Investoren, die langfristig denken und operieren und den Titel einer Firma mit Blick auf deren Nachhaltigkeit und vorbildliches Gebaren bei Arbeits- und Menschenrechten halten.

Unternehmertum schafft Arbeitsplätze, das zeigt auch Afrika, wo die Entwicklungshilfe versagt hat. Schränken Sie mit Ihren Forderungen innovative Unternehmer nicht zu stark ein?

Die Entwicklungshilfe mag mancherorts versagt haben, aber hat nicht gerade der Rohstoffabbau Afrika teilweise ruiniert? Ich bin ein grosser Fan von Unternehmertum und von Markt. Unternehmen, vor allem kleine und mittlere, schaffen Arbeitsplätze, was Entwicklungshilfe selten leistet. Doch ein Vertrags-Vermittler, der Löhne unter dem Minimal-Lebensstandard zahlt, trägt nichts zur Entwicklung bei, sondern ist ein Ausbeuter.

Bieten die weltweit geschnürten Staatspakete eine Chance, von Unternehmen mehr einzufordern?

Die weltweit gehörte Forderung nach mehr Regulierung muss mit Umweltstandards und Menschenrechten kompatibel sein. Dank den staatlichen Beteiligungen bei Banken gelangen nun Themen - wie die Frage: Was finanzieren wir eigentlich, und welche Auswirkungen haben diese Finanzierungen auf Mensch und Umwelt? - in den strategischen Bereich einer Bank. In Ländern, wo es einen öffentlichen Mitbesitz an einer Bank gibt, arbeiten NGO bereits in diese Richtung.

Hat die Schweiz diese Chance verpasst?

Absolut. Das UBS-Rettungspaket ist eine totale Katastrophe, das Risiko enorm. Stellt man die 68 Mrd. Fr. in Relation zum Bruttosozialprodukt, stellt man fest, dass wir damit weltweit das höchstmögliche Risiko eingegangen sind. Dass sich in dieser Situation der Staat ohne Mitspracherecht komplett draussen hält, ist umso unverständlicher.

Sie fordern zusammen mit anderen NGO einen "Green New Deal". Was ist darunter zu verstehen?

Roosevelts New Deal als Reaktion auf die Krise der dreissiger Jahre besass zwei Elemente: die staatliche Stützung und die progressive Besteuerung in den USA. Das führte dazu, dass der Anteil der Reichsten, der Ende der zwanziger Jahre ähnlich hoch war wie heute, sich bis Mitte der fünfziger Jahre halbiert hatte, was den Aufbau eines Sozialwesens ermöglichte. Diese Vorstellung der Umverteilung steckt - neben dem Aspekt der klimaschonenden Investitionen - im "Green New Deal". Dass der Staat die Wirtschaft wieder unterstützt, ist eine gute Sache, denn plötzlich sind wir alle wieder Keynesianer.

Empfinden Sie als langjähriger Kritiker des globalen Finanzwesens einen Moment der Genugtuung?

Nein, das wäre zynisch. Denn es ist völlig klar, dass die Ärmsten am stärksten betroffen sind. Nach der Asienkrise kritisierten wir die vom Internationalen Währungsfonds angeordneten Massnahmen wie Anhebung der Zinsen, drastische Sparprogramme und das Unterlassen von Banken-Rettungen. Jetzt, wo es die Industrieländer trifft, passiert das Gegenteil: Zinssenkungen, Staatsausgaben und Banken-Stützungen zur Verhinderung von Schlimmerem. Das ist ex post natürlich eine Bestätigung unserer Kritik, und daraus resultiert eine grosse Chance: Wann, wenn nicht jetzt, sollen unsere Argumente stärker angehört werden?

Interview: Daniel Puntas Bernet
 
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Public Eye Awards

(dpb)

Der promovierte Soziologe Andreas Missbach ist Banken- und Finanzplatz-Experte der Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern (EvB). Zusammen mit Greenpeace vergibt die EvB im Vorfeld des World Economic Forum in Davos an einer Gegenveranstaltung die Public Eye Awards. Die Negativ-Auszeichnungen sollen auf krasse Verstösse gegen nachhaltige und ethische Unternehmensführung hinweisen. Für den internationalen Award sind die Firmen Tesco,Newmont Mining und BNP Paribas nominiert, für den nationalen Award die UBS,Nestlé und die Bernischen Kraftwerke BKW. Die Begründungen stehen auf www.publiceye.ch. (dpb.)

NZZ am Sonntag (zzs)

"Das UBS-Rettungspaket ist eine Katastrophe. Wir sind damit weltweit das höchstmögliche Risiko eingegangen."

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RASSISMUS
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NZZ am Sonntag 18.1.09

Der Rassist in uns

Die meisten Menschen lehnen Rassismus ab. Aber wenn es darauf ankommt, handeln wir weniger aufgeklärt, als wir das von uns denken.

Von Patrick Imhasly

Kaum jemand ruft heute noch dazu auf, einen Menschen wegen seiner Hautfarbe zu lynchen, und die Zeiten sind zum Glück vorbei, in denen die Nazis mit ihrer Rassenideologie Volksmassen zu bewegen vermochten. Dafür halten sich in unserer Gesellschaft hartnäckig subtile Formen von Rassendiskriminierung - zum Beispiel durch die Behauptung, Weisse seien einfach intelligenter als Schwarze.

"Unsere Spezies kann man treffend als Homo stereotypus beschreiben - als ein Wesen, das prädisponiert ist für Vorurteile, Stereotype und Diskriminierung", hielt der amerikanische Psychologe Scott Plous von der Wesleyan University in Middletown einmal in einem Aufsatz über die Psychologie von Vorurteilen fest. Jetzt untermauert eine neue Studie diesen ernüchternden Befund ein weiteres Mal.

Es ist die Gleichgültigkeit

Im Fachblatt "Science" (Band 323, S. 276) sind Forscher um Kerry Kawakami von der York University in Toronto nach einem Experiment unter Studenten zum Schluss gekommen, dass Weisse rassistisches Verhalten gegenüber Schwarzen viel häufiger dulden, als sie das je von sich selbst gedacht hätten. Laut den Wissenschaftern ist es gerade diese Gleichgültigkeit, die dazu beiträgt, dass Rassismus nicht auszumerzen ist. "In einer Zeit, da Amerika seinen ersten schwarzen Präsidenten vereidigt, mag dieser Befund überraschen", erklärte der Psychologe Kawakami. "Doch die Wahl eines schwarzen Mannes bedeutet nicht das Ende des Rassismus."

Im Experiment mit insgesamt 120 Teilnehmern wurde untersucht, wie Menschen auf rassistisches Verhalten reagieren, wenn ihnen eine entsprechende Situation entweder nur geschildert wird oder wenn sie diese wirklich miterleben.

Konkret handelte die Situation von einem Weissen und einem Schwarzen, die zunächst nebeneinander in einem Wartezimmer sassen. Dann verliess der Schwarze den Raum, wobei er den Weissen leicht mit dem Knie rempelte. In drei verschiedenen Varianten der Szene reagierte der Angerempelte entweder gar nicht oder mit den Worten "typisch, ich kann es nicht ausstehen, wenn Schwarze sich so verhalten", oder mit dem offen rassistischen Anwurf "ungeschickter Nigger".

Erstaunliche Duldung

Die Psychologen befragten weisse Studenten, die den Rempler und seine teilweise hässlichen Folgen nicht selbst als Zeugen miterlebt hatten, sondern bloss als Erzählung davon gehört oder ihn in einem Video gesehen hatten. Die Probanden sagten voraus, es würde sie sehr betroffen machen, wenn sie eine solche Szene im wirklichen Leben beobachteten. Und nur 17 Prozent von ihnen gaben an, sie wollten mit jemandem eine Gruppenarbeit machen, der sich dermassen rassistisch verhalte.

Die Frage, die sich Kerry Kawakami und seine Kollegen anschliessend stellten, war: Wie reagieren Probanden, wenn sie den Rempler und seine Konsequenzen tatsächlich erleben, weil sie im Raum anwesend sind und ihnen die Situation von eingeweihten Schauspielern vorgeführt wird? Zum Erstaunen der Psychologen liess die Szene diese Probanden nun mehr oder weniger kalt - von moralischer Entrüstung war kaum mehr eine Spur vorhanden. Und zwar unabhängig davon, ob der angerempelte Weisse nicht reagierte oder gegenüber dem Schwarzen ausfällig wurde. Mehr noch: Als die Probanden entscheiden mussten, mit wem sie später bei der Gruppenarbeit zusammenarbeiten wollten, entschieden sich 63 Prozent - statt zuvor 17 Prozent - für den weissen Kommilitonen, der sich rassistisch geäussert hatte.

Mit andern Worten: Die Selbsteinschätzung und das tatsächliche Verhalten liegen meilenweit auseinander, wenn es darum geht, einen Rassisten in die Schranken zu weisen. Rassisten haben also kaum negative Konsequenzen wie eine gesellschaftliche Ächtung zu befürchten.

Doch warum beweisen die Menschen so wenig Zivilcourage? "Ihr Einschreiten könnte eine Reaktion provozieren, und das wollen sie möglicherweise nicht in Kauf nehmen", sagt Rolf Reber, Professor für kognitive Psychologie an der Universität Bergen. Und Elizabeth Dunn von der University of British Columbia, die an der Studie beteiligt war, meinte: Um ihre Betroffenheit angesichts eines rassistischen Akts in den Griff zu bekommen, interpretierten die Menschen entsprechende Kommentare lieber als ironische oder harmlose Bemerkungen.

Das erklärt allerdings noch nicht, warum die Studenten im ersten Teil des Experiments ihre künftigen emotionalen Reaktionen und damit auch ihr Verhalten dermassen schlecht einschätzen. Denn was den Menschen gegenüber den Tieren auszeichnet, ist nicht nur der Besitz der Sprache, sondern auch seine Fähigkeit, vorherzusagen, wie er in einer Situation reagiert, die er nie zuvor erlebt hat. Auch wer noch nie gesalzenes Schokoladeneis gegessen hat, weiss, dass diese Kombination schrecklich schmeckt.

"Wir sind immer wieder überrascht von unseren eigenen emotionalen Reaktionen", schreiben Eliot Smith von der Indiana University und Diane Mackie von der University of California in einem Kommentar zur Studie, der ebenfalls im Fachmagazin "Science" publiziert worden ist. Die blosse Vorstellung einer unangenehmen Situation - etwa eines heftigen Streits mit dem Partner - dreht uns den Magen um. Solche unmittelbaren Reaktionen nutzen wir, um vorherzusagen, wie wir in Zukunft in der gleichen Lage tatsächlich reagieren.

Das Problem dabei ist, dass solche Projektionen immer Vereinfachungen einer wirklichen Situation sind. Vielleicht scheint beim nächsten Ehekrach die Sonne - und dann ist alles gleich weniger schlimm als vermutet. Solche Unwägbarkeiten führen aber dazu, dass die Gefühle uns immer wieder ein Schnippchen schlagen.

"Gefühle können uns Informationen darüber vermitteln, wer wir in einer bestimmten Situation sind", sagen die Psychologen Smith und Mackie. Sie schaffen also eine Art soziale Identität. Einige Studenten im Rassismus-Experiment empfanden wohl Stolz auf die eigene ethnische Zugehörigkeit und fühlten sich darum dem schwarzen Kommilitonen überlegen, als er seinen weissen Kollegen rempelte. Wer hingegen vorhersagte, rassistisches Verhalten mache ihn betroffen, sah sich in dem Moment als liberalen, egalitär eingestellten Menschen und den Rassisten als einen, der eine wichtige soziale Norm - die der Toleranz - verletzt.

Eliot Smith und Diane Mackie sind überzeugt, dass "das Rassismus-Experiment letztlich zeigt, wie flexibel unsere soziale Identität unter sich ändernden sozialen Umständen ist". Je nach Umständen kann der Rassist in jedem von uns zum Leben erweckt werden. Zumindest als Hypothese findet auch der Psychologe Rolf Reber die Vorstellung "interessant", wonach der Mensch seine Identität wechseln kann. Besonders in der westlichen Welt werde die Stabilität der Persönlichkeit über die Zeit überschätzt.

"Ob wir unsere Hüte in der Realität tatsächlich wechseln und wie schnell wir das tun, ist allerdings eine andere Frage", sagt Reber.

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Fremdenfeindliche Tricks in der Polit-Werbung

(pim)

Stereotype sind Kategorisierungen einer Personengruppe; manchmal sind sie positiv belegt - etwa, wenn man sagt, dass Japaner gut seien in Mathematik. Vorurteile sind zusätzlich mit Gefühlen aufgeladen, und zwar meist mit negativen. Das ist dann der Fall, wenn jemand als faul gilt, nur weil er schwarz ist. Stereotype und Vorurteile werden aktiviert, ohne dass man sich dessen bewusst ist. Diesen Mechanismus wies Patricia Devine von der University of Wisconsin schon 1989 in einem Experiment nach. Es widerlegte die Vorstellung, wonach Wähler frei entscheiden könnten, ob sie sich von fremdenfeindlicher Polit-Werbung beeinflussen lassen wollen.

Im Experiment wurden Menschen mit rassistischen Vorurteilen gegenüber Schwarzen verglichen mit solchen ohne Vorurteile. Mit einer speziellen Technik wurden den Probanden zuerst Begriffe wie "faul" oder "arm" präsentiert, ohne dass sie diese bewusst wahrnahmen. Dann lasen sie einen Text, der das Verhalten eines Mannes beschrieb. Sowohl die Personen mit als auch die ohne Vorurteile liessen sich von den unterschwellig präsentierten Wörtern beeinflussen und beurteilten den Mann als feindselig. Erfolgte die Begriffsverarbeitung aber bewusst, beurteilten die vorurteilsfreien Menschen den Mann weniger feindselig.

"Diese Experimente zeigen, dass wir nur dann frei entscheiden können, ob wir uns von ausländerfeindlicher Information beeinflussen lassen wollen, wenn wir die Werbung bewusst verarbeiten", sagt der Psychologe Rolf Reber von der Universität Bergen. "Ist das nicht der Fall, haben wir kaum eine Chance, uns ihrem Einfluss zu entziehen. (pim.)

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ARMEE
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NZZ am Sonntag 18.1.09

Soldaten werden für den Wachtdienst mit Handschellen ausgerüstet

Die Armee setzt künftig auf der Wache neben Pfefferspray auch Handschellen ein. Damit soll der Handlungsspielraum der Soldaten erweitert werden.

Andreas Schmid

Seit dem 1. Januar haben die Armeeangehörigen auf der Wache nicht nur das Sturmgewehr, sondern auch einen Pfefferspray dabei. Mit der Abgabe eines sogenannten Reizstoffsprühgeräts ersetzte das Verteidigungsdepartement (VBS) die Weisung, dass der Wachtdienst mit durchgeladener Waffe abgehalten wird. Acht ungewollte Schussabgaben innerhalb von neun Monaten hatten heftige Kritik an dieser Regelung provoziert.

Neben dem Pfefferspray sollen ab dem 1. Januar 2011 auf der Wache zusätzlich Handschellen oder Kabelbin- der - als Schliessmittel bezeichnet - eingesetzt werden. Um verhältnismässig handeln zu können, müssten den Armeeangehörigen alternative Formen der Zwangs- und Gewaltanwendung zur Verfügung stehen, begründet das VBS seine Massnahme. Bisher hatten die Soldaten zur Durchsetzung ihres Auftrags und zum Selbstschutz nur das Sturmgewehr zur Verfügung.

"Ab 2011 ist die flächendeckende Ausbildung an Schliessmitteln vorgesehen", sagt Philippe Zahno, der Chef Kommunikation Verteidigung im VBS. "Standardmässig ausgerüstet mit Handschellen wird nur die Wache." Die Armee habe gemäss Verordnung gewisse Polizeibefugnisse, wozu die Festnahme von Personen gehöre. "Dazu sind geeignete Schliessmittel notwendig." Bereits heute gehörten solche bei der Militärischen Sicherheit und der Infanterie zur Ausrüstung.

Zusätzlich zur Schulung in der Anwendung des Reizstoffsprühgeräts und der Schliessmittel sollen auch alle Soldaten in Nahkampftechnik ausgebildet und psychologisch geschult werden, damit sie für den Wachtdienst gewappnet sind. Um den gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan um zwei Jahre vorgezogenen Einsatz von Pfefferspray zu regeln, musste das VBS ein Reglement erlassen, das seit dem 19. Dezember vorliegt. Gemäss den Bestimmungen gelangt das Reizstoffsprühgerät nur dort zum Einsatz, wo der Wachtdienst mit der Waffe geleistet wird. "Bei subsidiären Einsätzen entscheidet der zivile Auftraggeber, ob eine Ausrüstung mit Pfefferspray erfolgen soll", sagt Zahno. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos ist dies bereits seit Jahren der Fall, wobei alle Soldaten am Gerät ausgebildet sein müssen.

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BIOMETRIE
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Sonntag 18.1.09

Offene Fragen rund um biometrische Systeme

Offensichtlich sollen im Rahmen des Massnahmenpakets von Swiss Olympic nun doch keine stationären biometrischen Anlagen bei Stadioneingängen eingerichtet werden. "Die meisten Super-League-Vereine könnten sich solche Anlagen gar nicht leisten", heisst es aus Kreisen des FC Basel. Daher würden lediglich mobile Gesichtserkennungsanlagen aufgestellt. Weil aber auch diese teuer seien, könne pro Spieltag wohl nur ein Match beobachtet werden - und auch dies nicht an allen Stadioneingängen, sondern nur bei gewissen Sektoren.

Und so funktionierts: Eine Videokamera zeichnet die Gesichter der Besucher auf und erhebt so die biometrischen Daten. Die Gesichtserkennung analysiert die Ausprägungen der dreidimensionalen Merkmale. Stimmen die Daten mit einem registrierten Hooligan überein, kann dieser schon beim Eintritt ausgesondert werden.

Thomas Gander ist davon gar nicht überzeugt: "Ich bin gegen die Erfassung biometrischer Daten, weil es nichts bringt", hatte der Verantwortliche für die Fanarbeit in Basel in einem Interview mit der "Sonntag bz" erklärt. Mit der Kontrolle der biometrischen Daten seien nur Personen vom Stadionbesuch abzuhalten, die in der Hooligan-Datenbank des Bundes erfasst und mit Stadionverbot belegt sind. "Doch diese Leute wollen zu 99 Prozent gar nicht mehr ins Stadion. Und das eine Prozent, das sich trotzdem hineinschmuggelt, verhält sich garantiert unauffällig." (db)

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ANTI-ATOM
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NZZ am Sonntag 18.1.09

Stromer wollen Tempo − Bund bremst

Axpo und Co. kritisieren Energieminister Moritz Leuenberger. Der Bundesrat verschob den Zeitplan für den Bau neuer Atomkraftwerke nach hinten.

Gabriela Weiss

Die Chefs der grossen Schweizer Stromunternehmen sind irritiert. Energieminister Moritz Leuenberger zerstreute in seinem Referat am Stromkongress in Bern vergangene Woche die Pläne, dass ein neues Kernkraftwerk schnell realisiert werden kann. In seinem Referat wies er darauf hin, dass sich der Bau neuer Atomkraftwerke (AKW) um zwei Jahre verzögern werde. Es könnte deshalb erst 2015 zur Volksabstimmung kommen, wo vorher von 2012 die Rede war. Leuenberger führte personelle Engpässe an den entscheidenden Bundesstellen als einen der Gründe an. "Der Bund und die Strombranche werben um die gleichen Experten." Der Bund habe allerdings nicht die gleichen Lohnbudgets.

Diese Argumentation erstaunt Heinz Karrer, den Chef des Stromunternehmens Axpo. "Wir sind von Bundesrat Leuenbergers neuem Fahrplan überrascht worden", sagt er. "Bisher gingen wir in Übereinstimmung mit dem Bund davon aus, dass eine Volksabstimmung 2012, 2013 möglich sein sollte." Der personelle Engpass sei nichts Neues.

Ungeeinte Strombranche

Die angedrohte Verzögerung für den Bau neuer AKW hat Konsequenzen: "Die Versorgungslücke, die sich ab dem Winterhalbjahr 2012 abzeichnet, wird dadurch grösser. Der Stromengpass verschärft sich. Wenn die Versorgungslücke nicht gefüllt werden kann, steigt das Risiko von Stromausfällen", sagt Karrer warnend. Auch bei Alpiq, die aus der Westschweizer EOS und der Oltner Atel hervorgegangen ist, heisst es, dass über ein neues AKW so schnell wie möglich abgestimmt werden sollte. Allerdings sind Alpiq, Axpo und BKW nicht unschuldig, wenn das Tempo gemächlicher ist, als sie wünschen. Heute liegen beim Bund drei Rahmenbewilligungsgesuche: eines für ein neues Kernkraftwerk in Gösgen, das die Alpiq bauen möchte, und je eines für Mühleberg und Beznau, das von Axpo und den Berner BKW zusammen eingereicht wurde. Die neuen Kernkraftwerke sollen jene ersetzen, die dereinst altershalber vom Netz müssen. Würde sich die Branche auf eines oder zwei Projekte einigen, erleichterte dies die Prüfungsarbeit beim Bund. Die Gespräche unter den drei Stromunternehmen laufen denn auch auf Hochtouren. Dem Vernehmen nach möchte man sich in den kommenden Monaten auf zwei Standorte einigen.

Auch im Ausland harzt es

Auch wenn die insgesamt rund 14 Milliarden Franken schweren AKW-Projekte in den schnellstmöglichen Fristen gutgeheissen würden, dürften beim Bau noch einige Steine im Weg liegen. Das zeigen die Probleme, mit denen sich der künftige Betreiber TVO in Finnland herumschlägt: Während des Baus des Atomkraftwerkes explodieren die Kosten, wie der "Guardian" jüngst schrieb. Zudem hinkt das Projekt über drei Jahre dem Zeitplan hinterher.

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Sonntag 18.1.09

Axpo-Chef Karrer kritisiert Leuenberger

Der Personalengpass beim Bund sei kein Grund, die AKW-Abstimmung zu verschieben

Moritz Leuenberger hat diese Woche alle überrascht: Der Energieminister erklärte Anfang Woche beim Stromkongress der verdutzten Branche, dass eine mögliche Abstimmung über die Rahmenbedingungen für ein neues AKW nicht wie bisher angenommen 2012/13, sondern erst "zwischen 2013 und 2015" stattfinden könne. Axpo-Chef und AKW-Gesuchsteller Heinz Karrer wundert sich: "Das habe ich erst jetzt erfahren. Ich habe vom Bundesamt für Energie bis anhin auch nie so etwas gehört. Bislang gab es einen gemeinsamen Plan."

Der Bundesrat erklärt die Verzögerungen mit einem Personalengpass bei den Fachkräften, welche die drei 2008 eingereichten Gesuche von Axpo, BKW und Atel prüfen müssen. Dafür hat Karrer kein Verständnis: "Dass es in diesem Bereich zu wenig qualifiziertes Personal gibt, ist bekannt. Auch wir haben Schwierigkeiten, in spezifischen technischen Berufen qualifizierte Leute zu finden." Und er fügt an: "Wenn Bundesrat Moritz Leuenberger heute dieses Problem ortet, was bekanntermassen nicht neu ist, kann doch das Bundesamt für Energie nicht den ganzen Prozess um zwei Jahre verschieben."

Derzeit werden in Bern die drei AKW-Gesuche geprüft. Die Klärung der "technischen Fragen" dauert gemäss Karrer etwa eineinhalb Jahre. Klar ist für ihn auch: "Die Strombranche wird nicht alle drei Gesuche durchziehen. Ich gehe davon aus, dass wir uns noch in diesem Jahr einigen und ein Gesuch zurückziehen. Wichtig ist, dass dies geschieht, bevor die Frage in den politischen Prozess kommt." Florence Vuichard

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GAZA
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swissinfo 18.1.09

"Ohne internationalen Druck gibt es keinen Frieden"

Trotz des Krieges in Gaza gibt es sowohl auf palästinensischer wie auch auf jüdischer Seite Kräfte, die sich für Frieden einsetzen. So auch der Schweizer Guy Bollag von der "Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina".

Israel und Palästina sollten als gleichberechtigte Nachbarn in Frieden leben, in einem Nahen Osten, in dem sich die verschiedenen Staaten anerkennen. Und vielleicht, so Guy Bollag im Gespräch mit swissinfo, "werden Israel und Palästina später einmal eine Staatenföderation bilden oder einen Staat mit zwei 'Kantonen', wobei alle Bewohner gleichberechtigt sein müssen".

swissinfo: Die Realität ist im Moment von einer friedlichen Lösung weit entfernt. Beide Seiten bringen wenig Verständnis auf für die Geschichte der Gegenseite. Wie soll sich das ändern?

Guy Bollag: Tatsächlich sind die beiden betroffenen Bevölkerungen mehrheitlich noch nicht bereit, von sich aus diesen Weg zu beschreiten. Es ist die Aufgabe der grossen Weltgemeinschaft, den nötigen Druck auszuüben und diese Völker zur Vernunft zu bringen.

Die Trennung durch diese Apartheid-Mauer muss weg, es braucht bald wieder individuelle Kontakte, so dass sich die Menschen auch im Alltag erleben. Solche vertrauenfördernde Schritte werden diesen Weg ebnen helfen.

swissinfo: Was braucht es konkret von Seiten des israelischen Staates?

G.B.: Israel muss aufhören, sich immer nur als Opfer zu sehen, und auch seine Täterrolle anerkennen. Der Staat und seine jüdische Bevölkerungsmehrheit müssen anerkennen, dass 1948 und 1967 viele Palästinenser zu Flüchtlingen wurden, und beginnen, die Verantwortung für begangenes Unrecht zu übernehmen.

swissinfo: Und die palästinensische Seite?

G.B.: Auch sie muss eine gewisse Täterrolle anerkennen. Dieser Prozess muss parallel erfolgen.

swissinfo: Im Moment sprechen die Waffen, der Friedensprozess ist ausgehebelt. Haben Sie noch Hoffnung auf eine Lösung?

G.B.: Man darf die Hoffnung nie aufgeben. So wurde in der Rede der "Jüdischen Stimme" an der Demonstration von vergangenem Wochenende in Bern auch für die Annahme der Friedensinitiative aller arabischer Staaten geworben. Diese sieht die Anerkennung des Staates Israel vor - als Gegenleistung für einen freien Staat Palästina in allen 1967 von Israel besetzten Gebieten. Die Rede wurde von den vielen palästinensischen Anwesenden gut aufgenommen.

Es gibt auf beiden Seiten Friedenskräfte, die zwar noch schwach sind, aber doch ihre Stimme erheben. Es gibt auch eine medizinische Zusammenarbeit und viele soziale Projekte in Palästina, die noch immer funktionieren. Diese Kerne der Hoffnung geben uns den Mut weiterzumachen.

swissinfo: Juden in der Diaspora haben eine besondere Verbundenheit mit Israel, auch jene in der Schweiz. Wie einig sind sich jüdische Menschen im Bezug auf den Nahost-Konflikt?

G.B.: Es gibt verschiedene Stimmen. Nicht zu leugnen ist eine Einigkeit im Zusammenhang mit dortigen Verwandten und anderen, denen man sich verbunden fühlt.

Aber es existieren auch Unterschiede: Israel ist eine sehr militarisierte Gesellschaft mit einer grossen Schere zwischen arm und reich, die sich weiter öffnet, eine Gesellschaft, in der die Minderheiten strukturell benachteiligt werden, seien es israelische Araber, Menschen sephardischer Herkunft oder Juden aus Äthiopien.

Diese Tatsachen treffen in der Diaspora auf ein gewisses Unverständnis, was die Beziehung zu jüdischen Israelis belastet. Der Druck von dieser Seite, man müsse sich in jedem Fall solidarisch zeigen, ist stark.

swissinfo: Kritik an Israels Politik wird jeweils schnell als Antisemitismus abgetan. Was, wenn Juden den Krieg in Gaza kritisieren? Werden sie zu Nestbeschmutzern?

G.B.: Die Vorwürfe kommen natürlich vor allem von Regierungsseite gegen oppositionelle Kräfte im Inland wie auch in der Diaspora. Im Inland werden Demonstrationen behindert. Jüdische Leute und israelische Araber werden regelmässig eingesperrt.

Andererseits muss die Gemeinschaft zur Kenntnis nehmen, dass es verschiedene Meinungen gibt.

swissinfo: Wie geht die jüdische Gemeinde in der Schweiz mit interner Kritik um? Besteht auch da ein gewisser Solidaritäts-Druck?

G.B.: Die jüdische Gemeinschaft in der Schweiz ist eine Minderheitengemeinschaft, insofern gibt es immer eine starke soziale Kontrolle, und abweichende Meinungen werden schlecht toleriert.

Aber es herrscht doch eine gewisse Offenheit, immer wieder gibt es Momente der Diskussion. So hat ein Kollege von mir, der sich sehr für die Palästinenser in Israel und Palästina einsetzt und auch in die Synagoge geht, teilweise positive Erfahrungen gemacht.

Früher gab es aber auch Demonstrationen für Israel, bei denen Flugblätter der kritischen jüdischen Kräfte zerrissen und Verteiler bespuckt wurden. Aus diesem Grunde werde ich an einer Pro-Israel-Demonstration sicher keine Flugblätter der "jüdischen Stimme" verteilen.

swissinfo: Wie pflegt die "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden" den Dialog mit den Palästinensern in der Schweiz?

G.B.: Es ist ein Dialog mit Auf und Ab, eher ein individueller, sporadischer Kontakt. Wie die jüdische kennt auch die palästinensische Gemeinschaft den Mechanismus, dass unterschiedliche Stimmen nicht immer erwünscht sind. Es gibt auch Palästinenser, die es nicht einfach haben, wenn sie regelmässigen Kontakt mit uns haben.

swissinfo: Wie beurteilen Sie die Berichterstattung der Schweizer Medien zum Krieg in Gaza?

G.B.: Durch die Lektüre verschiedener Medien habe ich feststellen können, dass die Berichterstattung sehr ausgewogen ist, dass verschiedene Stimmen zu Wort kommen, pro-israelische und pro-palästinensische. Leider wird dies in der jüdischen Gemeinschaft nicht entsprechend gewürdigt. Die Vorwürfe der Einseitigkeit sind haltlos.

swissinfo: Laut dem SIG gibt es seit Beginn des Krieges vermehrt Drohungen gegen Juden sowie antijüdische Sprayereien. Nimmt der Antisemitismus zu?

G.B.: Es gibt diese Sprayereien und diese unsägliche Gleichsetzung von Israel mit Nazi-Deutschland. Geschehen ist dies aber bisher relativ selten. Man darf nicht vergessen, dass es auch das Gegenteil gibt. In Frankreich wurden zwei tunesische Jugendliche von sieben rechtsradikalen zionistischen Jugendlichen zusammengeschlagen, das stand jüngst im Tages-Anzeiger.

Es gibt leider Anpöbelungen, Drohungen und Gewalt von beiden Seiten, was unbedingt verhindert werden muss.

swissinfo-Interview: Gaby Ochsenbein