MEDIENSPIEGEL 26.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Drogenanlaufstelle(n): Berner Rundschau + Schweiz Aktuell
- Anti-WEF-Demo Solothurn: Gummischrot + Polizeiparade
- Wegweisung LU: Machtwort vm Bundesgericht?
- Asyl-Demo auf Lampedusa
- Jusos als Squatters in Baden
- Katholizismus: Reaktionärer Papst schockt Rest der Welt
- Europride 09: Sponsoren zögern

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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Mi 28.01.09  
19.00 Uhr - SousLePont - USA/Kanada Spezialitäten
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne #109

Do 29.01.09
20.30 Uhr - Kino - UNCUT: Was am Ende zählt, Julia von Heinz, D, 104 Min.

Fr 30.01.09
21.00 Uhr - Frauenraum - Words are not enough. Sister`s Funky Tounge feat. Die Rosastunde mit Rosa & Munde.
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: Grundeinkommen, Daniel Häni und Enno Schmidt, Schweiz 2008. Anschliessend Diskussion mit den Autoren Daniel Häni, Enno Schmidt sowie Therese Wüthrich Gewerkschafssekretärin Comedia

Sa 31.01.09
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: La Estrategia del caracól, Sergio Cabrera, Kolumbien 1993.
22.00 Uhr - SousLePont - Esperanto #2: Conchez Connected No-Stars: Direct Raption, Collie Herb, Mer2we, DJ Jango, King Killa SoundBoy Squad (Rap, Hip-Hop, Ragga, Reggae)
23.00 Uhr - Dachstock - Diskoquake: Radioclit (UK/SWE) & Round Table Knights (BE)

So 1.2.09
08.00 - Grosse Halle/Vorplatz - Flohmarkt
09.00 - Sous le Pont - Café & Brunch

Infos: www.reitschule.ch

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DROGENANLAUFSTELLE(N)
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Berner Rundschau 26.1.09

Anlaufstelle: Der Kanton bleibt hart

Bern Angebots-Ausbau sei Sache der Stadt

Der Kanton Bern bleibt sich treu - und zahlt definitiv kein Geld an eine zweite Drogenanlaufstelle in der Stadt Bern (siehe Ausgabe vom 20. Januar). Diese hätte zur Entlastung der bisher einzigen Anlaufstelle an der Hodlerstrasse beitragen und dieser Tage umgesetzt werden sollen. In einer Mitteilung vom Freitagabend bekräftigte der Kanton nochmals die Haltung seiner Gesundheits- und Fürsorgedirektion.

"Finanzpolitische Gründe"

Der Kanton respektive seine Gesundheits- und Fürsorgedirektion begründet die Absage mit "finanzpolitischen Gründen"; derzeit wolle und könne er keine zusätzliche Betriebsfinanzierung für die Angebote in Bern erbringen, stellt Philippe Perrenouds (SP) Direktion unmissverständlich klar. Er habe seiner Amtskollegin Edith Olibet (SP) aber mitgeteilt, dass sich der Kanton weitere zwei Jahre wie bisher am Betrieb der Drogenanlaufstelle Hodlerstrasse beteilige. Das heisse "inklusive Notmassnahmen zur Entlastung des Perimeters um die Hodlerstrasse", so der Kanton. In anderen Worten: Ob die Stadt diese zusätzlichen Gelder für eine zweite Anlaufstelle verwendet, überlässt der Kanton dem Gemeinderat. Allerdings im Wissen, dass dieser Zustupf niemals reicht für den Betrieb eines zweiten Fixerstüblis.

 Weiter nennt der Kanton das Engagement während zweier Jahre in Thun. Nach jahrelangem Streit beteiligt er sich dort seit Sommer an einem Anlaufsstellen-Pilot, der Bern entlaste. (sat)

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Schweiz Aktuell 23.1.09

Kein Geld vom Kanton

Seit Monaten ist das sogenannte "Fixerstübli" in Bern überlastet. Drogensüchtige aus Thun werden deshalb seit dem letzten November abgewiesen und nach Thun geschickt. Dennoch steht in Bern die Forderung nach einer zweiten Anlaufstelle im Raum. Heute wurde bekannt, dass der Kanton ein solches Projekt nicht finanziell unterstützt. Die Stadt Bern müsste für eine Erweiterung des Angebots für Drogensüchtige selbst aufkommen. Ein Bericht von Urs Wiedmer.

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Kein Geld vom Kanton

Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF) hat die Mitfinanzierung einer zweiten Drogenanlaufstelle für die Stadt Bern abgelehnt. Der Stadt wurde jedoch zugesichert, die Finanzierung der Anlaufstelle an der Hodlerstrasse im bisherigen Umfang für die zwei nächsten Jahre fortzuführen. Dies berichtet "Schweiz Aktuell".
http://www.sf.tv/videoplayer/embed/fc6145a7-795a-4c3a-a53a-3e652e8ae457&live=false

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ANTI-WEF-DEMO SOLOTHURN
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BZ 26.1.09

Krawalle an der Anti-WEF-Demonstration

Patrick Studer

Sie wollten gegen die "Kapitalistische Horrorshow" demonstrieren: Linksaktivisten aus der ganzen Schweiz lieferten sich am Samstag in Solothurn ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Die Polizei setzte Gummischrot ein.

Rund 50 Demonstranten, hauptsächlich aus der Region, warten um 19Uhr auf dem Klosterplatz Noch ist die Stimmung einigermassen friedlich, keiner der Demonstranten ist vermummt. Kurz darauf kommt vom Bahnhof her eine grössere Gruppe Demonstranten. Die Polizei kontrolliert einen Teil der teilweise vermummten Demonstranten und findet dabei "waffenähnliche Gegenstände", wie es später in einer Mitteilung der Kantonspolizei Solothurn heisst. Polizisten in Kampfmontur blockieren die Fussgängerbrücke, sodass die vermummten Demonstranten nicht zu der Gruppe auf dem Klosterplatz stossen können.

Flaschen vs. Gummischrot

Die Demonstranten, die vom Bahnhof gekommen waren, rennen via Hotel zu der Rötibrücke. Am nördlichen Ende der Brücke versucht die Polizei, die Demonstranten aufzuhalten, was aber trotz des Einsatzes von Gummischrot nicht gelingt. Die Demonstranten, viele davon vom "Schwarzen Block" aus Bern, bewerfen die Polizisten mit Bierflaschen und Feuerwerkskörpern. Vor der Reithalle und auf der Chantierwiese kommt es zu weiteren Scharmützeln zwischen Demonstranten und Polizei. Eine Gruppe posiert vor dem Eingang der Reithalle mit einem Transparent und verschwindet darauf in dem Gebäude (siehe Kasten).

Katz-und-Maus-Spiel

Die Stadt- und Kantonspolizei Solothurn wird von Beamten der Kantonspolizei Bern unterstützt. Wie viele Polizisten im Einsatz waren, will Polizei-Mediensprecher Willhelm nicht bekannt geben. Schätzungen zufolge halten sich die Anzahl Demonstranten und die Anzahl Polizisten ungefähr die Waage. Etwa eine halbe Stunde nach Beginn der unbewilligten Demonstration teilen sich die beiden Demonstrationszüge in unzählige Gruppen auf, die danach durch die Stadt ziehen und sich mit der Polizei ein Katz-und-Maus-Spiel liefern. Um 20.30 Uhr bespricht sich eine Gruppe vermummter Teenager, offenbar unpolitische Krawalltouristen, in einer Gasse: "Komm, wir gehen auf den Zug, es hat einfach zu viel Polizei", meint einer, worauf er von seinen Kollegen als "Feigling" beschimpft wird.

"Es war lustig"

Im Verlauf des Abends nimmt die Polizei zwischen 15 und 20 Demonstranten, grösstenteils Berner, in Gewahrsam. Nachdem ihre Personalien aufgenommen worden sind, werden die Linksaktivisten in die Züge gesetzt. Diejenigen, die kein Geld dabei haben, kriegen das Bahnbillett von der Polizei bezahlt. Um 22Uhr hat sich die Situation weitgehend beruhigt. Am Landhausquai vor dem Restaurant Chutz stehen noch ein paar Demonstranten herum, trinken Bier und üben Manöverkritik. "Die Polizei in Solothurn hat grosse Fortschritte gemacht", meint ein Punk anerkennend. Sein Kollege fügt hinzu: "Wir haben zwar verloren, es war aber trotzdem lustig." Auch die Polizei ist zufrieden: "Im Grossen und Ganzen ist der Einsatz gut gelungen", meint Polizeisprecher Willhelm. Zu grossen Sachbeschädigungen kam es nicht. "Uns wurden zwar ein paar eingeschlagene Fenster gemeldet, wir wissen aber noch nicht, ob das mit der Demonstration im Zusammenhang steht", so Willhelm.

Bildstrecke auf:

www.antiwef.bernerzeitung.ch

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Filmtage in Solothurn

Schreckenssekunden in der Reithalle

Laut Frank Willhelm von der Kantonspolizei wollte man Störungen der Filmtage vermeiden und den schwarzen Block nicht in die Altstadt hineinlassen - was mehr oder weniger gelang.

Eine Gruppe vermummter Demonstranten posierte jedoch kurz mit einem Transparent vor dem Eingang der Reithalle und verschwand danach im Gebäude. "Die Demonstranten betraten das Foyer und fragten eine Filmtage-Angestellte an der Bar, ob sie in den Saal könnten", so Peter Tremp von den Filmtagen. Die völlig überrumpelte junge Frau ermahnte die Demonstranten, möglichst leise zu sein, da gerade ein Film laufe. "Danach rannten die Demonstranten durch den Saal und verliessen die Reithalle durch einen Hinterausgang", so Tremp. Die mehreren hundert Personen in der Reithalle erschraken zwar, der "Besuch" der Demonstranten dauerte allerdings nur sehr kurz.

Als der Film fertig war, mussten die Filmfreunde kurz in der Reithalle warten, bis die Situation vor dem Gebäude unter Kontrolle der Polizei war.

Ansonsten wurden die Filmvorführungen von den Demonstrationen nicht gestört.
ps

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Oltener Tagblatt 26.1.09

Anti-WEF-Demo ist glimpflich abgelaufen

Trotz einiger Scharmützel mit Festnahmen wie hier auf dem Bild vor der Reithalle ist die unbewilligte Anti-WEF-Demo vom Samstagabend glimpflich abgelaufen (vgl. "Sonntag"). Gestern waren alle Festgenommenen wieder auf freiem Fuss, wie Frank Wilhelm vom Mediendienst bestätigte. "Die Personen wurden durchsucht und festgehalten, weil sie Gegenstände mit sich trugen, die an einer Demo nichts verloren haben." Bis gestern lagen auch nur Meldungen von kleineren Sachbeschädigungen wie zwei, drei Fensterbrüchen vor. Die Demo sei nach Wissensstand der Polizei "von Bern aus" organisiert worden. Dank Strassensperren, die Spezialfahrzeuge der aufgebotenen Berner Kantonspolizei ermöglichten, konnte die Vereinigung der "Solothurner Gruppe" auf dem Klosterplatz und der vom Bahnhof anmarschierenden "Berner" vermieden werden. Dazu setzte die Polizei auch Gummischrot ein. Verhindert wurden so Ausschreitungen in der Altstadt sowie das Stören der Filmtage. (ww)

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Regionaljournal DRS Solothurn 25.1.09
rtsp://audio.drs.ch/RegiAarau/einzelne_beitraege/20090125_abend.mp3

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Indymedia 25.1.09

wef demo solothurn vom 24 .01.2009 ::

AutorIn : crack the wef         

Mitteilung zu den Vorkommnissen an der Anti-WEF Demo vom 24.1.09 in Solothurn.

Mit Bedauern müssen wir feststellen, das trotz unseren Bekundungen mit der Demo unter dem Motto: Watch the real Movie - Stop the capitalistic Horrorshow die Solothurner Filmtage nicht stören zu wollen, unsere Kundgebung mit einem massiven Polizeiaufgebot verhindert wurde. Nach unseren Schätzungen waren rund 200 Personen in Solothurn, die an der Demonstration teilnehmen wollten.
Die von auswärts angereisten DemonstrantInnen so wie ein Grossteil der lokalen AktivistInnen wurden von Anfang an daran gehindert sich an den Versammlungsort zu begeben. Die Polizei versuchte sogleich Leute einzukesseln und zu verhaften, dazu wurde Gummischrott eingesetzt und teilweise brutal gegen DemonstrantInnen vorgegangen. All diesen Vorkommnissen zum trotz, gelang es immer wieder sich zu Demonstationszügen zu formieren und Polizeisperren zu umlaufen oder zu durchbrechen. Einigen AktivistInnen ist es sogar gelungen kraftvoll und lautstark durch die Soloturner Altstadt zu ziehen!
Das Ziel unserer Demonstration sollte es sein ein kraftvolles und lautstarkes Zeichen gegen den zerstörerischen Kapitalismus und seine alljährliche Gala in den Bündner Bergen zu setzen. Mit dem folgenden Text wollten wir die BesucherInnen der Filmtage auf unsere Anliegen und unsere Kritik aufmerksam machen:

WATCH THE REAL MOVIE - STOP THE CAPITALISTIC HORRORSHOW!
Alle Jahre wieder finden sich Anfang Jahr die selbsternannten Global-Leaders am World Economic Forum in Davos ein. VertreterInnen der grössten Unternehmungen treffen sich mit Abgesandten der Regierungen der Welt um Beziehungen zu knüpfen, vor laufender Kamera gute Miene zum bösen Spiel zu machen, Geschäfte abzuschliessen und die Welt unter sich aufzuteilen.
Zu den strategischen Partnern des WEF, also diejenigen die laut den Verlautbarungen des Weltwirtschaftsforum für den Wohlstand und den sozialen Fortschritt der Welt sorgen, gehören solche Perlen der Bankenwelt wie Merrill Lynch, … und die uns allen wohlbekannte UBS. Lehmann Brothers, ein weiterer Mitspieler im weltweiten neoliberalen Monopoly, gehört nicht mehr zum erlauchten Kreis der strategischen Partner des WEF, nachdem sie sich bekanntlich grausam verzockt haben. Das Geld, das bei diesem grossen Spiel hin und her verschoben wird, existiert nur auf dem Papier und stellt nicht mehr einen wirklichen Wert dar. Trotzdem müssen die Verluste bezahlt werden. Und wer bezahlt? Die reale Wirtschaft und alle Menschen, die mit den ganzen Spekulationen nichts zu tun haben. Ganz nach dem Motto: "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren!"
Spätestens mit der momentanen Krise sollte es allen klar geworden sein, dass der Lauf der Welt nicht in die Hände einiger weniger Wirtschaftsexponenten und ihren Freunden gehört. Vielmehr sollte die Wirtschaft den Menschen dienen. Das geht nur, wenn wir selber bestimmen können, was wir brauchen und nicht konsumieren müssen, was uns überall angepriesen wird. Wir wollen die Produktion von Gütern, Dienstleistungen und Wissen selber verwalten. Nur so ist ein menschenwürdiges Leben frei von Zwang, Not und Elend möglich.
Greifen wir das WEF als Symbol der bestehenden Verhältnisse an!
Setzen wir der kapitalistischen Horrorshow ein Ende!
Nehmen wir unser Leben selbst in die Hand

Die traurige Bilanz des unnötigen Grosseinsatzes der Polizei:
- Rund 20 Personen wurden verhaftet, einige davon wurden unrechtmässig direkt bei ihrer Ankunft abgefangen und für mehrere Stunden in Gewahrsam genommen.
- Verhaftete Leute mussten Fingerabdrücke sowie DNA abgeben!
- Gummigeschosse wurden aus weniger als 5 Meter direkt gegen DemostrantInnen abgefeuert. Der gesetzliche Mindestabstand für diese gefährliche Distanzwaffe beträgt 20 Meter!
- Mindestens eine Person wurde durch Gummischrot schwer verletzt (direkt unter dem Auge)!
- Die Polizei trat martialisch und brutal auf!
- Rund 40 DemonstrantInnen wurden durch die Polizei aktiv in die Solothurner Reithalle, einer der Hauptaustragungsorte der Filmtage, getrieben.
- Mit einer Unmenge an Fahrzeugen und sinnlosen Absperrungen stellte die Polizei eine massive Störung der Filmtage dar!

Der Staat hat in Solothurn wieder ein mal mit voller Härte gezeigt, das friedlicher Protest und Kritik am bestehenden System nicht toleriert wird. Trotz aller Repression: Ob in Basel, Genf oder direkt in Davos, wir lassen es uns nicht nehmen unsere Stimme gegen dieses Treffen von Ausbeutern und Kriegstreibern immer und überall zu erheben!

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WEGWEISUNG LU
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Südostschweiz 26.1.09

Der Luzerner Regierung droht eine Ohrfeige aus Lausanne

Der Luzerner Kantonsrat will im öffentlichen Raum mehr Ordnung und Sicherheit - mit einem Ja zu Wegweisung und Bussen für Abfallsünder am 8. Februar an der Urne. Doch möglicherweise sieht das Bundesgericht alles ganz anders.

Von Herbert Fischer

Luzern. - Die Regierung und das Parlament des Kantons Luzern wollen der Polizei erlauben, gewisse Personen wegzuweisen, die an bestimmten Orten öffentliches Ärgernis erregen. Dies gilt unter anderem für Plätze beim Kulturpalast KKL und den Bahnhof, wo offenbar immer wieder alkoholisierte Personen und Drogenabhängige herumsitzen. Passanten, Chauffeure des öffentlichen Verkehrs, Strassenarbeiter, aber auch Polizisten beklagen sich ständig, von solchen Leuten angepöbelt zu werden. Die Behörden befürchten offenbar, dass dieses Strassenbild dem Image der herausgeputzten Touristen- und weltweit renommierten Musikstadt schaden könnte.

Vorlage nicht rechtens?

Allerdings verquickt die Luzerner Vorlage die Wegweisung mit dem fast unbestrittenen Verbot des Litterings, also der Verunreinigung von Strassen und Plätzen mit Abfällen, sowie des wilden Plakatierens. Dies verletze den juristischen Grundsatz der Einheit der Materie und gehöre so nicht zusammen vors Volks, kritisierten im Kantonsrat auch Bürgerliche. Beim Bundesgericht ist nun prompt eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht worden.

Der Regierungsrat will sich diesbezüglich genauestens kundig gemacht haben und widerspricht: Littering, wildes Plakatierten und unanständiges Verhalten in der Öffentlichkeit seien sehr wohl Erscheinungen, welche die Ordnung störten. Darum sei diese Polizeigesetzänderung durchaus angebracht.

Giusep Nay setzt Fragezeichen

Die Argumentation der Beschwerdeführer, eben die Verletzung der Einheit der Materie, findet Unterstützung von prominenter Seite. Alt Bundesgerichtspräsident Giusep Nay nennt die Kombination des Verbots von Littering und wildem Plakatieren mit der Wegweisung "heikel"; es sei denn, dem Volk würde eine Totalrevision des Polizeigesetzes unterbreitet. Eine Teilrevision hingegen erfordere einen inneren sachlichen Zusammenhang all dieser drei Zielsetzungen.

Zwar lasse sich bezüglich des Litterings und des Plakatierens unter dem Aspekt der öffentlichen Ordnung ein gleiches Ziel annehmen, erklärt Nay. Fraglich hingegen erscheine ihm, ob das auch bei der Wegweisung der Fall sei, zumal sie die Grundrechte in sehr empfindlicher Weise einschränke. Die Luzerner Abstimmungsvorlage verunmögliche es dem Stimmbürger somit, beispielsweise zwar das Littering- und Plakatierverbot anzunehmen, zugleich jedoch die Wegweisung abzulehnen. Dies, obwohl das eine das andere sachlich nicht bedinge, was die Einheit der Materie voraussetzt.

SP-Regierungsrätin in der Kritik

Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so mahnt es auch die federführende Sicherheitsdirektion ab. Sie wird geführt von SP-Regierungsrätin Yvonne Schärli, die sich zur Beschwerde nicht äussert. Schärli steht bereits in der Kritik - aus dem eigenen Lager ebenso wie seitens der Grünen. Sebastian Dissler vom kantonalen Vorstand der Jungsozialisten: "Der Wegweisungsartikel ist nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich. Er öffnet der Polizeiwillkür Tür und Tor. Der Partei fehlt die kritische Distanz zur eigenen Regierungsrätin."

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NLZ 26.1.09

Wegweisung/wildes Plakatieren

SP und SVP sind tief gespalten

Zwei Parteien, die SP und die SVP, beissen sich an zwei Gesetzesänderungen die Zähne aus. Aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Von Karin Winistörfer

Es ist nicht alltäglich, dass die SP und die SVP im selben Dilemma stecken: Bei beiden ist die Basis gespalten wegen der Abstimmungsvorlage vom 8. Februar, mit der das Übertretungsstraf- und das Kantonspolizeigesetz geändert werden sollen. Erlaubt würde nicht nur die Wegweisung von Personen, sondern auch Massnahmen gegen unbefugtes Plakatieren und Littering (achtloses Liegenlassen von Abfall).

· Die SVP sagte im November mit 50 gegen 46 Stimmen knapp Nein zur Vorlage. Umstritten: unbefugtes Plakatieren, Littering. Unumstritten: Wegweisung.

· Die SP fasste vor zwei Wochen mit 22 gegen 14 Stimmen die Ja-Parole. Umstritten: Wegweisung. Unumstritten: Littering, unbefugtes Plakatieren.

SVP-Fraktionschef Guido Müller betont, seine Partei stehe "voll und ganz hinter der Wegweisungsnorm". Die Massnahmen gegen Littering und wildes Plakatieren hingegen würden auf dem Land als städtisches Problem beurteilt.

Plakate auf dem Land verbieten?

Doch es kommt noch etwas anderes hinzu: Auf Feldern entlang der Landstrassen werben vor Abstimmungen und Wahlen oft Plakate für SVP-Anliegen und -Köpfe. Müller: "Es gibt Leute, die befürchten, dass auf dem Land das Plakatieren auf öffentlichem Grund eingeschränkt würde. Diese Plakate sind aber sehr effiziente Mittel, um Präsenz zu markieren, und von den Kosten her vertretbar."

SVP gegen "Päcklilösung"

SVP-Kantonalpräsidentin Yvette Estermann sagt zur knappen Nein-Parole: "Sie zeigt die Meinungsverschiedenheiten, die innerhalb der Partei bestehen." Hauptproblem sei die "Päcklilösung": die Verbindung von Wegweisung, Littering und unerlaubtem Plakatieren in einer Vorlage. "Das ist wie bei der nationalen Abstimmung zur Personenfreizügigkeit", sagt die Nationalrätin. "Die Stimmberechtigten können nur Ja oder Nein sagen  je nachdem, was ihnen am wichtigsten ist."

SP: Zuerst dagegen, dann dafür

Die Sozialdemokraten hatten im Mai 2008 nach langer Diskussion entschieden, das Referendum gegen den Wegweisungsartikel zu unterstützen. Dann, vor zwei Wochen, der gegenteilige Entscheid: Eine Mehrheit der SP-Delegierten lehnte das Referendum ab. Die Juso reagierte empört. Sie kämpft zusammen mit der SP Stadt Luzern im überparteilichen Komitee gegen den Wegweisungsartikel.

Was ist geschehen? SP-Co-Präsidentin Trix Dettling: "Wir diskutieren Sicherheitsfragen intern seit einem Jahr intensiv." Am schweizerischen SP-Parteitag im Herbst fand ein Umdenken statt, sagt sie: "Zwar bleibt Prävention sehr wichtig. Unter gewissen Umständen hält die SP aber repressive Massnahmen für vertretbar." Bei der Wegweisung gebe es zwei gegensätzliche Sichtweisen:

· Die Sicht der Weggewiesenen: Befürchtet wird, dass Grundrechte verletzt und willkürliche Entscheide gefällt würden. Wegweisungen kann die Polizei aussprechen, bevor ein Delikt begangen wurde  eben um es zu verhindern.

· Die Sicht der (potenziellen) Opfer, die Angst haben, nachts den Bahnhof- oder den KKL-Platz zu überqueren. Die designierte neue Kantonalpräsidentin Felicitas Zopfi: "Es geht um den Schutz der Schwächeren, die sich gestört fühlen, wenn andere pöbeln, sich betrinken und Abfall liegen lassen." Jenen, die sich "grob danebenbenehmen", soll mit der Wegweisung bedeutet werden: "Dieses Verhalten tolerieren wir nicht."

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Die Parolen, die die drei anderen Kantonsratsparteien an ihren Delegiertenversammlungen zu Wegweisungsnorm, Massnahmen gegen Littering und unbefugtes Plakatieren gefasst haben:

FDP: Ja (153 zu 25 Stimmen). CVP: Ja (201 zu 45 Stimmen). Grüne: Nein (Vorstandsbeschluss).

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ASYL
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Bund 26.1.09

Protest auf Lampedusa

Nach einer Massenflucht von 1300 Flüchtlingen aus dem Aufnahmezentrum ist auf der italienischen Insel Lampedusa wieder eine gespannte Ruhe eingekehrt. Die Regierung in Rom will hart bleiben.

Dominik Straub, Rom

Die Flüchtlinge waren am Samstagmorgen aus dem - an sich geschlossenen, aber nicht besonders gesicherten - Aufnahmezentrum geflohen, um sich im Hauptort der Insel einer Demonstration der Einheimischen anzuschliessen, die gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung Berlusconi protestierten. Laut Medienberichten nahmen sämtliche 1300 Bewohner des Aufnahmezentrums an der Demonstration teil; gegen Abend kehrten alle zurück. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet; gestern herrschte Ruhe.

Das Aufnahmezentrum ist für 800 Personen konzipiert, in den vergangenen Wochen lebten aber bis zu 1800 dort. Im Lager fehlt es an allem; eine Sprecherin des Uno-Hochkommissariats sprach letzte Woche von einer unhaltbaren Situation: "Sowohl die Sicherheit der Flüchtlinge als auch jene des Personals ist gefährdet."

Ungebetene Gäste

Die meisten Inselbewohner solidarisieren sich nicht wirklich mit den Flüchtlingen; sie wollen einzig, dass die ungebetenen Gäste von der Regierung auf das Festland gebracht werden. In diesem Punkt decken sich ihre Forderungen mit jenen der Flüchtlinge. "Wir wollen hier nicht zu einer Gefängnisinsel wie Alcatraz werden", betont Bürgermeister Bernardino De Rubeis.

Innenminister Roberto Maroni von der Lega Nord jedoch bleibt hart: "Die Flüchtlinge bleiben in Lampedusa bis zur Abschiebung in ihr Herkunftsland", bekräftigte er. Die Situation sei "unter Kontrolle".

Derzeit befinden sich fast nur Tunesier im Aufnahmezentrum. Maroni hofft, mit ihrem Herkunftsland in Kürze ein Rückübernahmeabkommen abschliessen zu können; am Dienstag reist er dafür nach Tunis. Das einzige Land, mit dem Italien bisher über ein derartiges Abkommen verfügt, ist Ägypten.

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SQUAT BADEN
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AZ 26.1.09

"Besetzt!" › Juso am Werk

Baden Das leerstehende Haus "zum Ochsen" ist für eine Nacht besetzt worden.

Fabienne Huber

Mit einem Transformator, Scheinwerfer, einer Musikanlage und einem Schraubenzieher bewaffnet, machen sich am Samstag in der Abenddämmerung ein paar unscheinbare Gestalten auf den Weg in das Bäderquartier, im Schlepptau einen Kameramann von Tele M1 und eine Journalistin der Aargauer Zeitung. Am Gebäude der Dependance "zum Ochsen", das bald abgerissen werden soll, machen sie sich ans Werk. Über den Hintereingang verschaffen sie sich mit dem Schraubenzieher Zugang zu den Innenräumen. Schnell installieren sie den Transformator, schliessen Scheinwerfer und die Musikanlage an und hängen ein Schild an den Vordereingang des Gebäudes, auf dem in grossen Lettern "Besetzt" geschrieben steht. Als sie anschliessend noch eine rote Fahne am Fenster befestigen, wird klar: Hier sind die Juso am Werk.

Für mehr günstigen Wohnraum

Im Minutentakt betreten junge Leute das Gebäude, holen sich am Eingang eine Flasche Bier oder eine Cola und begeben sich in den mit dunstigen Rauchschwaden gefüllten Raum. Sie alle sind aus einem Grund hierher gekommen: "Damit Wohnraum nicht Baden geht." Der Gedanke an den gemeinsamen Kampf für mehr günstigen Wohnraum in der Stadt erwärmt die Herzen und lässt die eisige Kälte etwas erträglicher erscheinen. Bald sind es gut hundert Hausbesetzer, die sich versammelt haben. Mit so regem Interesse haben die Organisatoren nicht gerechnet, so auch nicht beim Getränkekauf. Der Schreck sitzt tief, als bereits vor Mitternacht die letzte Bierflasche getrunken ist. Zum Glück zeigt sich die benachbarte Beiz BarKur solidarisch und verkauft ein paar Harasse Bier an die durstige Meute.

Musikalische Untermalung

Kurz nach Mitternacht geht das Licht aus und auch die Musik verstummt. Ein Stromausfall? Nein, nur ein paar Sekunden später leuchtet eine Lichterkette auf, melodische Gitarrenklänge erfüllen den Raum und Benji Bonus, ein regional bekannter und geschätzter Musiker, fängt an zu singen. Auch wenn er wegen technischer Schwierigkeiten ohne Verstärker auftreten muss, schafft er es mit seinen teils einstudierten, teils improvisierten Songs, die Leute zu animieren, sodass bald alle gemeinsam singen: "Mer bsetzed das Huus." In diesem Moment scheint das Gefühl der Solidarität seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Bis in die frühen Morgenstunden feiert, tanzt und trinkt die fröhliche Gemeinschaft weiter. Doch irgendwann wird es dann Zeit, die Zelte abzubrechen und den "Ochsen" wieder zu verlassen. Denn es soll eine Besetzung der soften Art sein. Eine Besetzung von einer einzigen Nacht, in der die Juso gemeinsam mit all jenen, die ihrem Aufruf gefolgt sind, ein Zeichen setzen wollen. Und das haben sie getan.

Vandalen blieben nicht fern

Dass unter den Besetzern nicht nur friedliche und politisch interessierte Menschen waren, ist am nächsten Morgen sichtbar geworden. Wandschmierereien, Einbrüche und Diebstähle haben sich parallel zu der friedlichen Hausbesetzung ereignet (siehe Aargau). "Wir distanzieren uns ganz klar von diesen Vandalen", äussert sich Lea Schmidmeister (Juso) zu den negativen Vorfällen. Sie hätten das Quartier um 5 Uhr morgens geräumt und verlassen und bis dahin nichts davon mitbekommen. Seitens der Juso sei man zutiefst enttäuscht darüber, dass Einzelne den Anlass für solche Zwecke missbraucht hätten.

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KATHOLIZISMUS
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Bund 26.1.09

Papst erntet massive Kritik

Holocaust-Leugner wieder im Schoss der Kirche

Die Aufhebung der Exkommunikation von vier erzkonservativen Bischöfen durch Papst Benedikt XVI. kommt schlecht an. Der Grund: Gegen einen von ihnen, Richard Williamson, wird wegen Leugnung des Holocaust ermittelt.

In einem Fernsehinterview hatte der Brite gesagt, historische Fakten sprächen gegen die Existenz von Gaskammern. Es seien nicht sechs Millionen Juden von den Nazis ermordet worden, sondern höchstens 300000 - aber keiner von ihnen in Gaskammern.

Ein Vatikansprecher betonte, bei der Entscheidung des Papstes, die vier Bischöfe wieder in den Schoss der Kirche aufzunehmen, gehe es ausschliesslich darum, die Anhänger der Bruderschaft St. Pius X. wieder zu integrieren. Über die Äusserungen Williamsons zum Holocaust müsse auf anderer Ebene gerichtet werden.

Jüdische Organisationen entsetzt

 Vor allem bei jüdischen Organisationen sorgte Benedikts Entscheidung für Entsetzen. Die Schweizer Juden sind besorgt darüber, dass Williamson wieder der katholischen Kirche angehören soll. Der Vatikan würde damit revisionistische Meinungen "symbolisch decken".

 Bei einem solch symbolischen Akt wie der Aufhebung der Exkommunikation dürfe die katholische Kirche revisionistische Äusserungen nicht einfach ignorieren, sagte Sabine Simkhovitch-Dreyfus, vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG).

 Die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen Williamson, weil er das Interview, in dem er die Existenz der Nazi-Gaskammern leugnet, bei einem Besuch im Priesterseminar der Bruderschaft St.Pius X. in Zaitzkofen bei Regensburg gegeben hatte. Das Leugnen des Holocaust steht in Deutschland unter Strafe.

Dankbare Bruderschaft

Die in Menzingen (Zug) ansässige Priesterbruderschaft St. Pius X., die ihre Zentrale in Ecône (Wallis) hat, drückte dem Papst ihre Dankbarkeit für die Annullation aus. Diese sei für die gesamte Kirche eine Wohltat, erklärte Bernard Fellay, einer der Bischöfe und der Superior der streng-konservativen Bruderschaft.

 Der Grund für die Spaltung der Bruderschaft St. Pius X. vom Vatikan und die Exkommunikation der Geistlichen 1988 war, dass der 1991 gestorbene Lefebvre und seine Anhänger die Kirchenreformen des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnten.

In dem Streit ging es um die Liturgiereform wie der Feier der Messe in den Landessprachen und um die Religionsfreiheit. Die Lefebvre- Anhänger kritisierten die vom Konzil angestrebte Versöhnung mit den Juden. (sda)

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Holocaust-Leugner zurück in der Kirche

Der Vatikan rehabilitiert erzkonservative Lefebvre-Anhänger

Dominik Straub, Rom

Papst Benedikt hat die Exkommunikation der vier erzkonservativen Lefebvre-Bischöfe aufgehoben. Einer von ihnen hat vor wenigen Tagen den Holocaust geleugnet. Liberale Katholiken und jüdische Organisationen sind konsterniert.

Der Bischof, der nun wieder in den Schoss der katholischen Kirche zurückkehrt und damit in Kürze wohl auch ausserhalb seiner fundamentalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. wieder die Sakramente erteilen und Priester weihen darf, ist der Brite Richard Williamson. Er ist seit Langem für seine antisemitischen Ansichten bekannt und hat erst vor Kurzem in einem Interview einmal mehr den Holocaust und die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich bestritten.

Am Mittwoch hat er im schwedischen Fernsehen gesagt: "Ich glaube, dass es keine Gaskammern gegeben hat." Zudem behauptete er, in den deutschen Konzentrationslagern seien nicht sechs Millionen Juden getötet worden, sondern lediglich bis zu 300000, "aber keiner von ihnen durch Vergasen in einer Gaskammer". Antijüdische Reflexe sind unter Lefebvre-Anhängern weit verbreitet.

"Väterliche Einfühlsamkeit"

Mit der Aufhebung der Exkommunikation ist das jüngste Schisma (Kirchenspaltung) der katholischen Kirche nach etwas mehr als zwanzig Jahren beendet. Zum Bruch war es im Juli 1988 gekommen, nachdem der französische Erzbischof Marcel Lefebvre ohne den Segen Roms vier Mitglieder seiner Priesterbruderschaft St. Pius X. zu Bischöfen geweiht hatte.

Die fundamentalistische Bruderschaft lehnt alle wichtigen Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils ab: die Ökumene, die Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe, die Liturgiereform. Seit dem Tod von Lefebvre im Jahr 1991 wird die Gemeinschaft von dem von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay geleitet. Sie hat mehr als 200000 Anhänger in rund 40 Staaten; ihre Zentrale befindet sich in Ecône im Kanton Wallis.

Benedikt XVI. habe beschlossen, die kirchenrechtliche Situation der Bischöfe zu überdenken, weil er ihrem "spirituellen Unbehagen" infolge der Exkommunikation mit "väterlicher Einfühlsamkeit" begegne, heisst es in dem Dekret, mit welchem die Exkommunikation aufgehoben wird. Auch glaube er ihren Versicherungen, mit den Autoritäten des Heiligen Stuhles ernsthaft über die bestehenden Differenzen reden zu wollen. Tatsächlich hatte Bischof Bernard Fellay in seinem letzten Brief vom 15. Dezember 2008 an die Päpstliche Kommission "Ecclesia Dei" den Primat des Papstes anerkannt und versichert, "die Lehren der katholischen Kirche" zu akzeptieren. Von einer Akzeptanz der Konzilreformen findet sich in dem Schreiben allerdings keine Zeile.

Die Äusserungen von Bischof Richard Williamson zum Holocaust seien zwar "in keiner Weise akzeptabel", betonte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi am Samstag. Doch die Rücknahme der Exkommunikation stehe mit den Äusserungen des Traditionalistenbischofs "in keinem Zusammenhang". Dabei handle es sich um einen "anderen Vorgang". Doch es scheint, dass es sich der Vatikan damit etwas zu einfach macht: Die Begnadigung der Traditionalisten und insbesondere des Holocaust-Leugners Williamson hat vorab in der jüdischen Gemeinschaft, aber auch bei liberalen Katholiken entrüstete Reaktionen ausgelöst.

Die schärfste Kritik kommt vom Oberrabbiner David Rosen vom Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse Konsultationen. Mit der Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe und insbesondere Williamsons "gefährdet der Vatikan die historische Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen Volk", betont Rosen. Der Oberrabbiner erinnert daran, dass Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. den Antisemitismus als "Sünde gegen Gott" bezeichnet habe. Die Wiederaufnahme Williamsons, betont Rosen, "vergiftet die gesamte Kirche". Der Präsident der jüdischen Gemeinden in Italien, Renzo Gattegna, bezeichnet den Entscheid Ratzingers ganz einfach als "schrecklich".

Bischof Koch: Gute Aussichten

Unbehagen macht sich auch innerhalb der Kirche breit. Der Theologieprofessor der katholischen San-Raffaele-Universität in Mailand, Vito Mancuso, bezeichnet die Milde des Vatikans gegenüber den Konzilkritikern und dem Holocaust-Leugner Williamson auf der einen Seite und die "eisige Härte" beispielsweise bei bioethischen Themen auf der anderen Seite als "völlig unverhältnismässig".

Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Kurt Koch, dagegen enthält sich einer Kritik. In einem Communiqué erklärt Koch, dass der Heilige Vater mit der Aufhebung der Exkommunikation "die Hand zur Versöhnung" anbiete. Benedikt XVI. sei bei seiner Entscheidung von der Überzeugung geleitet gewesen, dass nach der Anerkennung des Lehramtes und der Autorität des Papstes gute Aussichten bestehen, dass die anstehenden Gespräche über die noch ungelösten Fragen zu einem guten Ende gebracht werden.

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Kommentar

Akt gegen die Menschenwürde

Der Papst rudert zurück. Nach der Charme-Offensive zu Beginn seines Pontifikats kommt immer deutlicher zum Ausdruck, wes Geistes Kind Benedikt XVI. ist: Er führt seine Kirche weg von einer halbwegs weltoffenen hin zu einer reaktionären Institution. Dem Bemühen um die Einheit der römisch-katholischen Kirche ordnet der Papst alles unter. Er ist sogar bereit, die Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) aufs Spiel zu setzen. Denn Benedikt schliesst vier Bischöfe der erzkonservativen Priesterbruderschaft St. Pius X. - unter ihnen ein Holocaustleugner - wieder in seine Arme und macht ihre Exkommunikation rückgängig. Die vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre Ende der Sechzigerjahre gegründete Vereinigung lehnte die Beschlüsse des Konzils als zu modernistisch ab.

An dieser Fundamentalopposition hat sich kaum etwas geändert: Bewegt haben sich nicht die nun wieder in den Schoss der Kirche Zurückgekehrten, sondern der Vatikan. Bereits vor rund zwei Jahren hat Benedikt den ersten Schritt auf die Reaktionäre zu gemacht, indem er wieder Messen auch in lateinischer Sprache erlaubte.

Man könnte diesen Prozess als innerkatholische Angelegenheit abhaken. Doch wenn eine Institution vom Gewicht der römisch-katholischen Kirche in ihrem restaurativen Bestreben immer mehr in antisemitisches Fahrwasser gerät, dann ist dies ein gesamtgesellschaftliches Problem. Seit Joseph Ratzinger auf dem Stuhl Petri sitzt, haben sich die Beziehungen zwischen dem Vatikan und den Juden stark verschlechtert. Zu einem ersten Eklat kam es im März 2008, als Benedikt XVI. mit einer Neufassung der Karfreitagsfürbitte alte Wunden aufriss. In dieser lateinischen Fürbitte beten die katholischen Gläubigen, dass Gott die Herzen der Juden erleuchten möge, auf dass auch sie Jesus Christus als Herrn anerkennen. Im Weiteren findet der Papst nur warme Worte für seinen Vorgänger Pius XII., dem vorgeworfen wird, seine Stimme kaum gegen die Massenvernichtung der Juden erhoben zu haben. Ratzinger dagegen betreibt unbeirrt die Seligsprechung Pius' XII.

 Die Wiederaufnahme eines den Holocaust leugnenden Bischofs in die Kirche ist mehr als ein Affront gegen die Jüdinnen und Juden - es ist ein Akt gegen die Menschenwürde.

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BZ 26.1.09

Standpunkt

Der Sündenfall des Papstes

Stefan Ulrich ist Italien-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung"

Vor genau fünfzig Jahren ging ein Ruck durch die katholische Kirche: Johannes XXIII. kündigte ein Konzil an. Es sollte als Zweites Vatikanisches Konzil Geschichte machen. Papst und Kirche öffneten ihre Tore zur modernen Welt. Sie bekannten sich zur Religionsfreiheit und zum Gespräch mit anderen Glaubensgemeinschaften und Religionen. Die Priester wandten sich bei der Messe dem Volk zu und redeten, statt auf Lateinisch, in dessen Sprachen. Sehr viele Katholiken fühlen sich heute in ihrer Kirche heimisch, weil diese vom offenen Geist und weiten Herzen des Konzils geprägt ist.

Nun fährt wieder ein Ruck durch die Kirche, doch es ist ein Ruck zurück. Benedikt XVI., der einst ein reformfreudiger Konziltheologe war, geht weit auf die Anhänger des verstorbenen Kirchenspalters Marcel Lefebvre zu. Er tut dies, obwohl die Lefebvristen den Geist des Konzils verneinen und die Kirchengeschichte um hundert Jahre zurückspulen wollen. Benedikt hebt dennoch die Exkommunikation von vier erztraditionalistischen Bischöfen auf und sichert ihnen seine "väterliche Einfühlsamkeit" zu. Einer der heimkehrenden Hirten verharmlost zwar seit Jahren den Holocaust und leugnet die Gaskammern, zuletzt bei einem Besuch in Bayern. Aber das sitzt der Heilige Stuhl aus.

 Die Aussöhnung des Papstes mit einem widerwärtigen Antisemiten ist bestürzend. Benedikt beruft sich darauf, die Tiraden des Bischofs hätten nichts mit der Frage der Exkommunikation zu tun. Dabei verkennt er, dass das Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken nicht im luftleeren Raum der Dogmen und des Kirchenrechts operiert. Mit der Rehabilitierung des Bischofs sabotiert Benedikt XVI. vielmehr den christlich-jüdischen Dialog und bestätigt diejenigen, die seinem Pontifikat sehr kritisch gegenüberstehen.

Doch auch ohne den Holocaust-Leugner wäre die Versöhnung mit den Lefebvristen ein falscher Schritt. Gewiss muss dem Papst an der Einheit der Kirche gelegen sein. Doch was Benedikt XVI. am rechten Rand zurückgewinnt, könnte er in der Mitte verlieren. Viele Katholiken sehen es als Aufgabe ihrer Kirche, sich gemeinsam mit Andersgläubigen für eine menschenwürdige Welt einzusetzen. Sie wünschen, dass ihr Pontifex hier Brücken baut, etwa zu den reformierten Kirchen und zum Judentum. Doch hierbei lässt Benedikt oft den Grossmut vermissen, mit dem er nun Reaktionäre umarmt.

 Die Päpste seit Johannes XXIII. haben viel getan, ihrer Kirche Härte und Hochmut auszutreiben und sie mit der Moderne zu versöhnen. Johannes Paul II., einem konservativen Mann, war besonders an der Versöhnung mit dem Judentum und am Gespräch der Religionen gelegen. Seine Friedensgebete in Assisi belegen dies ebenso wie sein Auftritt an der Klagemauer in Jerusalem. Nun wirkt es, als wollte Benedikt XVI. diesen Kurs seines Vorgängers korrigieren. Sein Zugehen auf die Erztraditionalisten mag gut gemeint sein. Doch es ist ein Sündenfall.

ausland@bernerzeitung.ch

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Tagesanzeiger 26.1.09

Der Papst versöhnt sich mit extremen Traditionalisten

Der Papst rehabilitiert vier exkommunizierte Lefebvre- Bischöfe - um seinen Willen zur Versöhnung zu zeigen. Er nimmt dabei deren rechtsextremes, anti- jüdisches Gedankengut in Kauf.

Von Michael Meier

Der auf Schloss Schwandegg in Menzingen (ZG) residierende Generalobere der Pius-Bruderschaft, Bernard Fellay, zeigte sich hoch erfreut über das päpstliche "Geschenk des Friedens". Demütig dankte er Benedikt XVI., dass dieser am Samstag die Exkommunikation der vier Traditionalisten-Bischöfe aufgehoben hat. Fellay selber gehört zu den vier Bischöfen, die Marcel Lefebvre am 30. Juni 1988 im Priesterseminar von Ecône unerlaubt geweiht hatte - was das Schisma mit Rom provozierte.

"Unsere Bruderschaft wünscht sich, dem Papst mehr zu helfen, um die beispiellose Krise, die gegenwärtig die katholische Welt erschüttert, zu beseitigen", so Fellay an Benedikt XVI. Dieser war bisher schon stark auf die Anliegen der Priesterbruderschaft eingegangen. Im August 2005 empfing der Papst den Generaloberen aus der Schweiz in Audienz. Zwei Jahre später liess er die alte lateinische Messe wieder zu - eine Hauptforderung der Lefebvristen. Unter deren Einfluss forcierte Benedikt auch die Rückkehr zu Mundkommunion und Einzelbeichte.

Schweizer Juden sind empört

Es waren vor allem jüdische Verbände und Holocaust-Überlebende, die Benedikt vor der Aufhebung der Exkommunikation gewarnt hatten und sich nun im Nachhinein empört zeigen.

Gemäss dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund deckt der Vatikan damit symbolisch revisionistische Meinungen. Denn nur drei Tage vor der Aussöhnung zeigte das schwedische Fernsehen ein Gespräch mit dem exkommunizierten Lefebvre-Bischof Richard Williamson, in dem dieser den Holocaust leugnet: Es habe in Nazi-Deutschland gar keine Gaskammern gegeben, sagte er. In den KZs seien höchstens 200 000 bis 300 000 Juden umgekommen (TA vom Donnerstag). Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Regensburg gegen Williamson wegen Volksverhetzung.

Als private Meinung deklariert

Anlässlich der Bekanntgabe der aufgehobenen Exkommunikation distanzierte sich Papstsprecher Federico Lombardi von den Äusserungen Williamsons. Der Generalobere Fellay indes hatte sich schon zuvor beim schwedischen Fernsehen über den "abscheulichen Versuch" des Journalisten beklagt, Williamson nicht nur, wie vereinbart, über religiöse Themen zu befragen. Ein Bischof könne nur über Fragen des Glaubens und der Moral mit Autorität sprechen, bei weltlichen Dingen sei es seine private Meinung.

Die Lefebvre-Bruderschaft selber hat sich allerdings immer wieder politisch geäussert und mit ihrem rechten und rechtsextremen Gedankengut für Schlagzeilen gesorgt. Alt-Erzbischof Lefebvre hatte zu Lebzeiten aufgerufen, Le Pen zu wählen. Seine Sympathien für Diktatoren wie Pinochet, Salazar oder Franco hatte er nie verhehlt. Sein Walliser Priesterseminar in Ecône wurde von Anfang an als Denkschule für Rechtsextreme und Demokratieverächter verdächtigt. Der 1995 ermordete Front-National-Politiker Jean Claude Poulet-Dachary beispielsweise war ein Ecône-Zögling. In Frankreich haben die Lefebvristen auch in adligen und royalistischen Kreisen Zulauf.

Auch in der Schweiz irritieren die Priester in schwarzer Soutane bisweilen mit politischen Aktionen. Im Mai 2000 organisierten sie nur kurz vor der Abstimmung über die bilateralen Abkommen eine Sühnewallfahrt gegen den "versteckten Anschluss der Schweiz an die EU". 2005 bliesen sie anlässlich der Gaypride in Luzern zum Gebetssturm gegen die "teuflische homosexuelle Leidenschaft".

Fast gleich lautende Töne sind auf dem von Amerika aus anonym betriebenen deutschsprachigen Internetportal kreuz.net zu vernehmen, das Experten der Priesterbruderschaft zuordnen. Auf dem Portal finden sich immer wieder antisemitische und antiisraelische Pamphlete: Am 12. Januar, mitten im Gazakrieg, veröffentlichte es gar unkommentiert eine Rede von Heinrich Himmler über die "Ausrottung des jüdischen Volkes".

Juden sollen sich zu Jesus bekehren

In Deutschland sorgt derzeit ein Streit des Distriktoberen Franz Schmidberger mit dem Zentralrat der Juden für Aufregung. Vor Weihnachten schrieb Schmidberger den 27 römischen Bischöfen Deutschlands: "Die Juden unserer Tage sind des Gottesmordes mitschuldig", solange sie sich nicht von der Schuld ihrer Vorväter distanzierten. "Auch für die heutigen Juden ist der fleischgewordene Gott, Jesus Christus, der Erlöser und einzige Weg zum Heil."

Diese traditionelle antijudaistische Haltung hat der deutsche Papst - unter dem Einfluss der Lefebvristen - in die wieder zugelassene alte Liturgie aufgenommen. Zur Bestürzung der jüdischen Gemeinschaft betet jetzt auch die offizielle Kirche in der lateinischen Karfreitagsfürbitte wieder für die Bekehrung der Juden zu Jesus Christus.

Zufall oder nicht: Zeitgleich mit der Rehabilitierung der Traditionalisten öffnete im Berliner Schloss Charlottenburg eine vom Vatikan initiierte Ausstellung über Papst Pius XII. ihre Tore. Ihr geht es darum, den Vorwurf zu entkräften, der Pius-Papst habe zum Holocaust geschwiegen. Die Ausstellung, die bereits für Kontroversen sorgt, gilt als Ouvertüre zur Seligsprechung von Pius XII.

Mit der Rehabilitierung der Lefebvristen handelt sich Papst Benedikt auch innerkirchlich Probleme ein. Kreuz.net titelte umgehend: "Nun kommt das Zweite Vatikanum an die Reihe". Marcel Lefebvre war ein Hauptopponent des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und bekämpfte dessen Zentralanliegen - nicht nur die Liturgiereform, sondern auch Religionsfreiheit und Ökumene.

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Basler Zeitung 26.1.09

Der Papst fällt einen umstrittenen Entscheid

Benedikt XVI. annulliert die Exkommunizierung von Traditionalisten um Marcel Lefebvre

Dominik Straub, Rom

Papst Benedikt hat die Exkommunikation der vier erzkonservativen Lefebvre-Bischöfe aufgehoben, obwohl einer von ihnen jüngst den Holocaust geleugnet hat (vgl. Text oben). Liberale Katholiken und Judenorganisationen sind konsterniert.

Mit der Aufhebung der Exkommunikation ist das jüngste Schisma (Kirchenspaltung) der katholischen Kirche beendet. Zum Bruch war es im Juli 1988 gekommen, nachdem der französische Erzbischof Marcel Lefebvre ohne den Segen Roms vier Mitglieder seiner Priesterbruderschaft St. Pius X. zu Bischöfen geweiht hatte. Die fundamentalistische Bruderschaft lehnt alle wichtigen Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils ab: die Ökumene, die Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe, die Liturgiereform. Seit dem Tod von Lefebvre im Jahr 1991 wird die Gemeinschaft von dem von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay geleitet. Sie hat mehr als 200 000 Anhänger in rund 40 Staaten; ihre Zentrale befindet sich in Ecône im Kanton Wallis.

Benedikt XVI. habe beschlossen, die kirchenrechtliche Situation der Bischöfe zu überdenken, weil er ihrem "spirituellen Unbehagen" infolge der Exkommunikation mit "väterlicher Einfühlsamkeit" begegne, heisst es in dem Dekret, mit welchem die Exkommunikation aufgehoben wird. Auch glaube er ihren Versicherungen, mit den Autoritäten des Heiligen Stuhls ernsthaft über die bestehenden Differenzen reden zu wollen. Tatsächlich hatte Bischof Bernard Fellay in einem Brief vom 15. Dezember 2008 an die Päpstliche Kommission "Ecclesia Dei" den Primat des Papstes anerkannt und versichert, "die Lehren der katholischen Kirche" zu akzeptieren. Von einer Akzeptanz der Konzilreformen findet sich in dem Schreiben allerdings keine Zeile.

"Kein Zusammenhang"

Die Äusserungen von Bischof Richard Williamson zum Holocaust seien zwar "in keiner Weise akzeptabel", betonte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi. Doch die Rücknahme der Exkommunikation stehe mit den Äusserungen des Traditionalistenbischofs "in keinem Zusammenhang". Doch es scheint, dass es sich der Vatikan damit etwas zu einfach macht: Die Begnadigung der Traditionalisten und insbesondere Williamsons hat vorab in der jüdischen Gemeinschaft, aber auch bei liberalen Katholiken, Entrüstung ausgelöst.

Kritiker

Schärfste Kritik kommt vom Oberrabbiner David Rosen vom Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse Konsultationen. Mit der Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe und Williamsons "gefährdet der Vatikan die historische Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und des jüdischen Volkes", so Rosen. Er erinnert daran, dass Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. den Antisemitismus als "Sünde gegen Gott" bezeichnet habe. Der Präsident der jüdischen Gemeinden in Italien, Renzo Gattegna, bezeichnet Ratzingers Entscheid ganz einfach als "schrecklich".

Unbehagen machte sich auch innerhalb der Kirche breit. Der Theologieprofessor der katholischen San-Raffaele-Universität in Mailand, Vito Mancuso, bezeichnet die Milde des Vatikans gegenüber den Konzilkritikern auf der einen Seite und die "eisige Härte" etwa bei bioethischen Themen auf der anderen Seite als "völlig unverhältnismässig". Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Kurt Koch, dagegen enthält sich einer Kritik. In einem Communiqué erklärt Koch, dass der Heilige Vater mit der Aufhebung der Exkommunikation "die Hand zur Versöhnung" anbiete.

Fellay ist froh

"Mutig". Der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X., Bischof Bernard Fellay, hat die Aufhebung der Exkommunikation gegen ihn und drei weitere Bischöfe als "sehr mutig" gewürdigt. Er sei froh, dass die Dinge nun in Ordnung kämen, sagte er im Westschweizer Radio RSR. Zu Richard Williamson sagte Fellay, man dürfe nicht alles vermischen. Er bedaure diesen "unglücklichen" Auftritt. Deswegen könne man aber nicht der ganzen Bruderschaft Antisemitismus vorwerfen.  AP

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Tageskommentar

Gezielte Provokation

Heiner Hiltermann

Papst Benedikt XVI. ist ein erzkonservativer Kirchenfürst. Aus seiner Haltung hat er schon als Präfekt der Glaubenskongregation unter Johannes Paul II. kein Hehl gemacht, als er linke Befreiungstheologen wie Leonardo Boff massregelte und Kirchenkritikern wie Hans Küng die kirchliche Lehrerlaubnis entzog.

Auch nach seiner Wahl zum Pontifex ist sein konservativer Eifer keineswegs einer dem Amt angemessenen päpstlichen Gelassenheit gewichen. Eine Reihe Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils waren Benedikt offensichtlich schon länger ein Dorn im Auge. Das Verbot der tridentinischen Messe - der Priester betet von den Gläubigen abgewandt volksfern in lateinischer Sprache - hat er bereits vor anderthalb Jahren aufgehoben. Die Einwände liberaler Katholiken liessen ihn kalt.

Dass Benedikt nun aber Antisemiten, ja sogar einen derzeit in Deutschland wegen der Leugnung des Holocausts angeklagten Lefebvre-Bischof ohne Skrupel wieder in den Schoss der Kirche aufnimmt, ist ein Affront: gegen die jüdische Gemeinschaft, gegen den Staat Israel, gegen alle Demokraten weltweit. Benedikt XVI. ist ein kluger Kopf, da ist die Annahme erlaubt, dass die Provokation beabsichtigt ist, sie wurde zumindest billigend in Kauf genommen.

Solange seine Worte und Taten nur innerkirchliche Aspekte beleuchten, mögen sich über Benedikts Haltung nur liberale Katholiken erregen. Doch als Oberhirte über 1,1 Milliarden Gläubige ist er auch der Öffentlichkeit verpflichtet. Auf diese Provokation müssen auch unsere Politiker reagieren. Und nicht nur die kritischen Katholiken, die in wachsender Zahl der Kirche den Rücken kehren.

 heiner.hiltermann@baz.ch

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St. Galler Tagblatt 26.1.09

"Ein schrecklicher Entscheid"

Papst Benedikt XVI. hat die Exkommunikation der vier traditionalistischen Lefebvre-Bischöfe aufgehoben, obwohl einer von ihnen vor wenigen Tagen erneut den Holocaust geleugnet hat. Jüdische Organisationen sind entsetzt. Auch Theologen äussern Kritik.

Der Bischof, der nun wieder in den Schoss der katholischen Kirche zurückkehrt und damit in Kürze wohl auch ausserhalb seiner Priesterbruderschaft St. Pius X. wieder die Sakramente erteilen und Priester weihen darf, ist der Brite Richard Williamson. Er ist seit langem für seine antisemitischen Ansichten bekannt und hat vor kurzem in einem Interview einmal mehr den Holocaust und die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich bestritten.

Der Bruch vor 21 Jahren

Mit der Aufhebung der Exkommunikation ist das jüngste Schisma (Kirchenspaltung) der katholischen Kirche nach etwas mehr als zwanzig Jahren beendet. Zum Bruch war es im Juli 1988 gekommen, nachdem der französische Erzbischof Marcel Lefebvre ohne den Segen Roms vier Mitglieder seiner Priesterbruderschaft St. Pius X. zu Bischöfen geweiht hatte.

Die fundamentalistische Bruderschaft lehnt alle wichtigen Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils ab: die Ökumene, die Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe, die Liturgiereform. Seit dem Tod von Lefebvre im Jahr 1991 wird die Gemeinschaft von dem von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay geleitet. Sie hat mehr als 200 000 Anhänger in rund 40 Staaten; ihre Zentrale befindet sich in Ecône im Schweizer Kanton Wallis.

"Eine Geste des Friedens"

Benedikt XVI. habe beschlossen, die kirchenrechtliche Situation der Bischöfe zu überdenken, weil er ihrem spirituellen Unbehagen infolge der Exkommunikation mit väterlicher Einfühlsamkeit begegne, heisst es in dem Dekret, mit welchem die Exkommunikation aufgehoben wird. Auch glaube er ihren Versicherungen, mit den Autoritäten des Heiligen Stuhles ernsthaft über die bestehenden Differenzen reden zu wollen. Tatsächlich hatte Bischof Bernard Fellay in seinem letzten Brief vom 15. Dezember 2008 an die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei den Primat des Papstes anerkannt und versichert, die Lehren der katholischen Kirche zu akzeptieren. Von einer Akzeptanz der Konzilreformen findet sich in dem Schreiben allerdings keine Zeile.

Vatikan-Pressechef Lombardi nannte das Dekret des Papstes eine "Geste des Friedens", bei der es allein darum gehe, die Anhänger Lefebvres wieder zu integrieren. Der Vatikan teile in keiner Weise die Äusserungen zum Holocaust, über die auf eine andere Weise gerichtet werde. "Die Exkommunikation hat damit gar nichts zu tun."

"Gefährdete Aussöhnung"

Doch es scheint, dass es sich der Vatikan damit etwas zu einfach macht: Die Begnadigung der Traditionalisten und insbesondere des Holocaust-Leugners Richardson haben vorab in der jüdischen Gemeinschaft, aber auch bei liberalen Katholiken, entrüstete Reaktionen ausgelöst.

Die schärfste Kritik kommt vom Oberrabbiner David Rosen vom Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse Konsultationen. Mit der Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe und insbesondere Richardsons gefährdet der Vatikan die historische Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und des jüdischen Volkes, betont Rosen. Der Oberrabbiner erinnert daran, dass Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. den Antisemitismus als Sünde gegen Gott bezeichnet habe. Die Wiederaufnahme Richard Williamsons, betont Rosen, vergifte die gesamte Kirche.

 Der Präsident der jüdischen Gemeinden in Italien, Renzo Gattegna, bezeichnet den Entscheid des Papstes ganz einfach als schrecklich.

Milde ist "unverhältnismässig"

Unbehagen machte sich auch innerhalb der Kirche breit. Der Theologieprofessor der katholischen San-Raffaele-Universität in Mailand, Vito Mancuso, bezeichnet die Milde des Vatikans gegenüber den Konzilkritikern und dem Holocaust-Leugner Richardson auf der einen Seite und der eisigen Härte beispielsweise bei bioethischen Themen auf der anderen Seite als völlig unverhältnismässig.

Keine Kritik von Bischof Koch

Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Kurt Koch, dagegen enthält sich einer Kritik. In einem Communiqué erklärt Koch, dass der Heilige Vater mit der Aufhebung der Exkommunikation die Hand zur Versöhnung anbiete.

Benedikt XVI. sei bei seiner Entscheidung von der Überzeugung geleitet gewesen, dass nach der Anerkennung des Lehramtes und der Autorität des Papstes gute Aussichten bestehen, dass die anstehenden Gespräche über die noch ungelösten Fragen hinsichtlich der verbindlichen Annahme des Zweiten Vatikanischen Konzils zu einem guten Ende gebracht werden.

Dominik Straub

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"Keine Gaskammern"

In einem Interview mit dem schwedischen Fernsehsender SVT sagte Bischof Richard Williamson unter anderem:

"Ich glaube, dass die historischen Fakten eindeutig dagegen sprechen, dass sechs Millionen Juden in Gaskammern vergast wurden als durchdachte Politik von Adolf Hitler.(. . .) Ich glaube, es hat keine Gaskammern gegeben. (. . .) Die seriösesten Revisionisten kommen zum Schluss, dass 200 000 bis 300 000 Juden in Nazi-Konzentrationslagern umkamen, aber keiner von ihnen durch Vergasen in einer Gaskammer".

Das Interview mit dem Briten Williamson führte der Fernsehsender in Bayern. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat daher in diesen Tagen ihre Ermittlungen gegen Bischof Williamson wegen Volksverhetzung aufgenommen. (red.)

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Landbote 26.1.09

Papst begnadigt Leugner des Holocaust

Papst Benedikt hat die Exkommunikation der vier erzkonservativen Lefebvre-Bischöfe aufgehoben, obwohl einer von ihnen vor wenigen Tagen den Holocaust geleugnet hat. Liberale Katholiken und Judenorganisationen sind konsterniert.

Rom - Der Bischof, der nun wieder in den Schoss der katholischen Kirche zurückkehrt und damit in Kürze wohl auch ausserhalb seiner fundamentalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. wieder die Sakramente erteilen und Priester weihen darf, ist der Brite Richard Williamson. Er ist seit Langem für seine antisemitischen Ansichten bekannt und hat erst vor Kurzem in einem Interview einmal mehr den Holocaust und die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich bestritten. Antijüdische Reflexe sind unter Lefebvre-Anhängern weit verbreitet.

"Väterliche Einfühlsamkeit"

Mit der Aufhebung der Exkommunikation ist das jüngste Schisma (Kirchenspaltung) der katholischen Kirche nach etwas mehr als zwanzig Jahren beendet. Zum Bruch war es im Juli 1988 gekommen, nachdem der französische Erzbischof Marcel Lefebvre ohne den Segen Roms vier Mitglieder seiner Priesterbruderschaft St. Pius X. zu Bischöfen geweiht hatte. Die fundamentalistische Bruderschaft lehnt alle wichtigen Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils ab: die Ökumene, die Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe, die Liturgiereform. Seit dem Tod von Lefebvre im Jahr 1991 wird die Gemeinschaft von dem von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay geleitet. Sie hat mehr als 200 000 Anhänger in rund 40 Staaten; ihre Zentrale befindet sich in Ecône im Schweizer Kanton Wallis. Benedikt XVI. habe beschlossen, die kirchenrechtliche Situation der Bischöfe zu überdenken, weil er ihrem "spirituellen Unbehagen" infolge der Exkommunikation mit "väterlicher Einfühlsamkeit" begegne, heisst es in dem Dekret, mit welchem die Exkommunikation aufgehoben wird. Auch glaube er ihren Versicherungen, mit den Autoritäten des Heiligen Stuhles ernsthaft über die bestehenden Differenzen reden zu wollen. Tatsächlich hatte Bischof Bernard Fellay in seinem letzten Brief vom 15. Dezember 2008 an die Päpstliche Kommission "Ecclesia Dei" den Primat des Papstes anerkannt und versichert, "die Lehren der katholischen Kirche" zu akzeptieren. Von einer Akzeptanz der Konzilreformen findet sich in dem Schreiben allerdings keine Zeile. Die Äusserungen von Bischof Richard Williamson zum Holocaust seien zwar "in keiner Weise akzeptabel", betonte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi am Samstag. Doch die Rücknahme der Exkommunikation mit den Äusserungen des Traditionalistenbischofs "in keinem Zusammenhang". Dabei handle es sich um einen "anderen Vorgang".

Scharfe Kritik an Entscheid

Doch es scheint, dass es sich der Vatikan damit etwas zu einfach macht: Die Begnadigung der Traditionalisten und insbesondere des Holocaust-Leugners Williamson haben vorab in der jüdischen Gemeinschaft, aber auch bei liberalen Katholiken entrüstete Reaktionen ausgelöst. Die schärfste Kritik kommt vom Oberrabbiner David Rosen vom Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse Konsultationen. Mit der Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe und insbesondere Williamsons "gefährdet der Vatikan die historische Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und des jüdischen Volkes", betont Rosen. Der Oberrabbiner erinnert daran, dass Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. den Antisemitismus als "Sünde gegen Gott" bezeichnet habe. Die Wiederaufnahme Williamsons, betont Rosen, "vergiftet die gesamte Kirche". Der Präsident der jüdischen Gemeinden in Italien, Renzo Gattegna, bezeichnet den Entscheid Ratzingers ganz einfach als "schrecklich".

Hand zur Versöhnung bieten

Unbehagen machte sich auch innerhalb der Kirche breit. Der Theologieprofessor der katholischen San-Raffaele-Universität in Mailand, Vito Mancuso, wies bezeichnet die Milde des Vatikans gegenüber den Konzilkritikern und dem Holocaust-Leugner Williamson auf der einen Seite und die "eisige Härte" beispielsweise bei bioethischen Themen auf der anderen Seite als "völlig unverhältnismässig". Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Kurt Koch, dagegen enthält sich einer Kritik. In einem Communiqué erklärt Koch, dass der Heilige Vater mit der Aufhebung der Exkommunikation "die Hand zur Versöhnung" anbiete. Benedikt XVI. sei bei seiner Entscheidung von der Überzeugung geleitet gewesen, dass nach der Anerkennung des Lehramtes und der Autorität des Papstes gute Aussichten bestehen, dass die anstehenden Gespräche über die noch ungelösten Fragen hinsichtlich der verbindlichen Annahme des Zweiten Vatikanischen Konzils zu einem guten Ende gebracht werden.

Nicht die erste Provokation von Papst Benedikt XVI.

Papst Benedikt XVI. gab nur zwei Tage nach seiner Wahl bekannt, dass er "den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Söhnen und Töchtern des jüdischen Volkes weiterführen und verstärken" wolle. Von der versprochenen Weiterführung oder gar Verstärkung des Dialogs kann jedoch keine Rede sein, im Gegenteil: Seit Ratzinger als Benedikt XVI. auf dem Stuhl Petri sitzt, haben sich die Beziehungen zwischen dem Vatikan und der jüdischen Gemeinschaft immer mehr verschlechtert. Zu einem ersten Eklat kam es im März vergangenen Jahres, als Benedikt XVI. mit einer Neufassung der Karfreitagsfürbitte alte Wunden aufgerissen hatte. In dieser lateinischen Fürbitte beten die katholischen Gläubigen, dass Gott die Herzen der Juden erleuchten möge, auf dass auch sie Jesus Christus als Herrn anerkennen. Der Bekehrungswunsch für die Juden war 1970 abgeschafft worden, unter anderem, weil er im Mittelalter zu Demütigungen und Ausschreitungen gegen die "perfiden" und "verblendeten" Juden geführt hatte. Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte den Papst umgehend auf, das Gebet zurückzunehmen. Das tat der Pontifex jedoch nicht, womit er deutlich machte, zu welchen Konzessionen er gegenüber den Fundamentalisten in der katholischen Kirche bereit war.

Zu erheblichen Irritationen in der jüdischen Welt und in Israel führt auch das laufende Seligsprechungsverfahren für Pius XII. Der 1957 verstorbene Pacelli-Papst war während des Zweiten Weltkriegs Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche; die Juden werfen ihm Untätigkeit und Gleichgültigkeit angesichts des Holocausts vor. Ratzinger hat seinen umstrittenen Vorgänger im November mit warmen Worten gelobt und weigert sich standhaft, das Seligsprechungsverfahren auf Eis zu legen. Für viele Juden und Holocaust-Überlebende wäre eine Seligsprechung Pius XII. eine weitere Provokation, welche die fehlende Sensibilität des deutschen Papstes bei diesem ungemein heiklen Thema belegen würde.

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Le Temps 26.1.09

La décision du Vatican de lever la sanction frappant les évêques lefebvristes a suscité un tollé dans les communautés juives, à la suite des propos négationnistes tenus par un des prélats

Ecône: le pape annule l'excommunication

Samedi, le Vatican a publié le décret annulant l'excommunication des quatre évêques ordonnés en 1988 à Ecône par Mgr Lefebvre. Cette décision a soulevé l'indignation de plusieurs communautés juives. En effet, la publication du décret intervient après que l'un des évêques lefebvristes, Mgr Richard Williamson, eut tenu des propos négationnistes lors d'une émission diffusée mercredi par la télévision suédoise. Au cours d'une interview, il a affirmé qu'il ne croyait pas à l'existence des chambres à gaz, et que seuls 200 000 à 300 000 Juifs avaient péri dans les camps de concentration durant la Seconde Guerre mondiale. Vendredi, le parquet de Ratisbonne, en Allemagne, a ouvert une enquête sur lui (LT du 24.01.09).

La publication du décret est "un signal négatif, angoissant et incompréhensible". Renzo Gattegna, le président de l'Union des communautés juives italiennes, n'a pas mâché ses mots pour dire son indignation à l'agence Ansa. "C'est terrible qu'un évêque niant la Shoah, un fait historique incontestable, soit réhabilité et légitimé." Riccardo Di Segni, le grand rabbin de Rome, s'est montré aussi inquiet: "Des nuages menaçants semblent s'amonceler sur le dialogue entre juifs et chrétiens", a-t-il dit à la même agence. Le rabbin David Rosen, président du Comité juif international engagé dans le dialogue interreligieux, a confié de son côté que l'annulation de l'excommunication de Mgr Williamson "contamine l'Eglise tout entière". En Israël, l'institut Yad Vashem de commémoration de la Shoah a exprimé son indignation, tout comme le centre Simon Wiesenthal. En France, la Ligue internationale contre le racisme et l'antisémitisme a également fait part de son inquiétude. Dans une déclaration à l'ATS, la Fédération suisse des communautés israélites s'est dite préoccupée, estimant que l'Eglise catholique "couvre symboliquement" les propos négationnistes de Mgr Williamson.

Le geste du pape n'a "rien à voir" avec ces propos, a affirmé le père Federico Lombardi, porte-parole du Vatican. De fait, l'interview a été enregistrée plusieurs semaines avant sa diffusion, et visiblement le Vatican n'a pas voulu retarder la publication du décret, daté du 21 janvier. De son côté, Mgr Bernard Fellay, supérieur général de la Fraternité Saint-Pie X, explique que celle-ci ne partage pas les opinions de Mgr Williamson (lire ci-dessous).

Signé par le cardinal Giovanni Battista Re, préfet de la Congrégation pour les évêques, le décret exprime la volonté du Vatican de "promouvoir l'unité dans la charité universelle et, par là, enlever le scandale de la division". Il cite une lettre de Mgr Bernard Fellay datée du 15 décembre 2008 et adressée au cardinal Dario Castrillon Hoyos, responsable du dossier des lefebvristes au Vatican. Dans cette lettre, Mgr Fellay sollicitait la levée de l'excommunication et manifestait son attachement à l'Eglise catholique: "Nous acceptons ses enseignements dans un esprit filial. Nous croyons fermement au primat de Pierre et à ses prérogatives, c'est pourquoi la situation actuelle nous fait tant souffrir", précise le décret. Confiant dans "leur engagement" à "n'épargner aucun effort pour approfondir dans des colloques nécessaires les questions encore ouvertes avec les autorités du Saint-Siège", Benoît XVI a donc décidé d'annuler l'excommunication. En espérant que ce pas "soit suivi sans tarder de la pleine communion avec l'Eglise de toute la Fraternité Saint-Pie X".

Plusieurs questions, de nature juridique et théologique, doivent encore être discutées avant que l'unité soit réalisée. Notamment le statut de la Fraternité et celui de ses évêques. Sur le plan doctrinal, la Fraternité n'a jamais caché son opposition au Concile Vatican II. Dans une lettre aux fidèles datée du 24 janvier, Mgr Fellay rappelle "que nous acceptons et faisons nôtres tous les conciles jusqu'à Vatican II au sujet duquel nous émettons des réserves". Celles-ci concernent essentiellement la liberté religieuse et l'œcuménisme.

Dans un communiqué, Mgr Koch, président de la Conférence des évêques, estime qu'"avec la levée de l'excommunication des quatre évêques, le pape offre une main tendue pour la réconciliation". Selon le Père Albert Longchamp, provincial des jésuites de Suisse, la décision de Benoît XVI constitue cependant "un problème pastoral". Elle "pourrait provoquer d'autres divisions, y compris au sein de la Fraternité. La volonté de réintégrer celle-ci est honorable, mais on ne peut pas dire "bravo, la famille est réconciliée".

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Mgr Fellay se dit confiant dans l'avenir

"Je crois à l'infaillibilité de l'Eglise"

Propos recueillis par P. Br.

- Condamnez-vous les propos négationnistes de Mgr Williamson?

- Ce n'est pas à moi de les condamner. Je n'ai pas de compétences pour cela. Mais je déplore qu'un évêque ait pu donner l'impression d'engager la Fraternité dans un avis qui n'est absolument pas le nôtre.

- Selon des observateurs, la décision du pape pourrait créer des divisions au sein de la Fraternité. Tous les fidèles et les prêtres ne seraient pas prêts à l'unité.

- Je ne crains rien. Il peut toujours y avoir une voix discordante ici ou là. Mais le zèle que les fidèles ont mis à prier le chapelet pour demander la levée des excommunications en dit long sur notre union; 1 700 000 rosaires ont été dits en deux mois et demi.

- Dans votre lettre aux fidèles du 24 janvier, vous manifestez votre souhait d'examiner avec Rome les causes profondes de "la crise sans précédent qui secoue l'Eglise aujourd'hui". Quelles sont ces causes?

- Pour l'essentiel, cette crise est due à une nouvelle approche du monde, une nouvelle vue de l'homme, à savoir un anthropocentrisme qui consiste en une exaltation de l'homme et un oubli de Dieu. L'arrivée des philosophies modernes, avec leur langage moins précis, a amené une confusion dans la théologie.

- Le Concile Vatican II est-il aussi responsable de la crise de l'Eglise selon vous?

- Tout ne vient pas de l'Eglise. Mais il est vrai que nous rejetons une partie du concile. Benoît XVI lui-même a condamné ceux qui revendiquent l'esprit de Vatican II pour demander une évolution de l'Eglise en rupture avec son passé.

- Au centre des critiques que vous faites à Vatican II, il y a l'œcuménisme et la liberté religieuse.

- La recherche de l'unité de tous dans le corps mystique de l'Eglise est notre désir le plus cher. Cependant, la méthode utilisée n'est pas adéquate. Aujourd'hui, on insiste tellement sur les points qui nous unissent aux autres confessions chrétiennes qu'on oublie ceux qui nous séparent. Nous pensons que ceux qui ont quitté l'Eglise catholique, c'est-à-dire les orthodoxes et les protestants, doivent y revenir. Nous concevons l'œcuménisme comme un retour à l'unité de la Vérité.

Concernant la liberté religieuse, il convient de distinguer deux situations: la liberté religieuse de l'individu, et les relations entre l'Eglise et l'Etat. La liberté religieuse implique la liberté de conscience. Nous sommes d'accord avec le fait qu'on n'a pas le droit de forcer quelqu'un à accepter une religion. Quant à notre réflexion sur les relations entre l'Eglise et l'Etat, elle se base sur le principe de tolérance. Il nous paraît évident que là où il y a plusieurs religions, l'Etat doit veiller à leur bonne entente et à la paix. Reste qu'il n'y a qu'une religion qui est vraie, et les autres ne le sont pas. Mais nous tolérons cette situation pour le bien de tous.

- Que se passera-t-il si les négociations échouent?

- Je suis confiant. Si l'Eglise dit quelque chose aujourd'hui en contradiction avec ce qu'elle a enseigné hier, et qu'elle nous a obligés à accepter ce changement, alors elle doit en expliquer la raison. Je crois à l'infaillibilité de l'Eglise, et je pense que nous arriverons à une solution vraie.

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EUROPRIDE
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NZZ 26.1.09

"Viele wollen mit uns Geld machen, aber nicht zu uns stehen"

Die Euro-Pride, das Fest der lesbisch-schwulen Gemeinschaft, stösst bei Sponsoren auf Zurückhaltung

Die Austragung der Euro-Pride, des europäischen Festivals von Homosexuellen, findet diesen Frühling in Zürich statt und dürfte gegen 100 000 Menschen anlocken. Obwohl Schwule und Lesben ein lukratives Werbe-Zielpublikum sind, scheuen sich Firmen davor, den Anlass zu sponsern. Nun muss das Festival den Gürtel enger schnallen.

 ami.  Ähnlich wie bei den Europameisterschaften im Fussball ringen jeweils mehrere Städte um die Austragung der Euro-Pride. Dass sich Zürich gegen Tel Aviv und Mannheim habe durchsetzen können, sei darauf zurückzuführen, dass die Schweiz als erstes Land das Partnerschaftsgesetz mit der Zustimmung des Volkes eingeführt habe, erzählen Karin Grundböck und Jürg Koller. Sie präsidieren den Verein Euro-Pride 09, der sich um die Organisation des Anlasses kümmert. Geholfen habe für den Zuschlag auch die tatkräftige Unterstützung von der Stadt und den Tourismusbehörden. Das Festival, das aus kulturellen und politischen Anlässen, Partys und einer bunten Parade als Höhepunkt besteht, findet vom 2. Mai bis zum 7. Juni statt und dürfte bis zu 100 000 Menschen nach Zürich locken.

 Graues Bankenimage aufpeppen

 Die Euro-Pride ist ein Event mit internationaler Ausstrahlung, Anlässe dieser Art wünschen sich der Zürcher Tourismusverband sowie der scheidende Stadtpräsident Elmar Ledergerber für die Limmatstadt. Um die Euro-Pride in Zürich zu bewerben, investiert Zürich Tourismus rund 100 000 Franken. Der Fokus dieser Investitionen liegt dabei vor allem auf Deutschland, England und den USA, wo Zürich etwa auf Websites und in Magazinen der Gay-Community als "Gay Capital of Switzerland" angepriesen wird.

 Maurus Lauber, Marketingleiter bei Zürich Tourismus, erwartet, dass die Euro-Pride Zürichs bunte und weltoffene Seite in der Welt bekannt machen wird. Trotz Street Parade, vielseitigem Nachtleben und Kulturangebot klebe an Zürich nach wie vor das graue Image einer Finanzmetropole. Zürich, so hofft Lauber, werde nach der Austragung zu den Top-Reisedestinationen auf der Landkarte der reise- und kauffreudigen Schwulen und Lesben werden. "Gleichgeschlechtliche Paare sind sogar lebens- und ausgabefreudiger als kinderlose heterosexuelle Paare. Sie wollen das Leben geniessen und gönnen sich Lifestyle und Luxus", sagt Lauber. Dass Zürich als Schwulenstadt andere Touristen - etwa aus Saudiarabien - abschrecken könnte, hält der Marketingleiter für unwahrscheinlich. "Saudis schätzen an Zürich die Offenheit und Toleranz - auch ihnen und ihren Kleidernormen gegenüber."

 Obwohl Homosexuelle als Kundschaft begehrt sind, haben die Organisatoren des Festivals Mühe, Sponsoren zu finden. Einen Strich durch die Rechnung machte ihnen zwar auch die Finanzkrise - das Problem liegt jedoch tiefer. "Die Firmen haben Vorbehalte. Sie wollen sich nicht in diesem Markt positionieren", sagt Jürg Koller, Co-Präsident des Euro-Pride-Trägervereins. Die Unternehmen fürchteten, durch die Bewerbung von Schwulen und Lesben heterosexuelle Kunden zu vergraulen. "Viele Firmen wollen mit uns Geld verdienen, nicht aber zu uns stehen", sagt Koller. So störten sich einige Unternehmen auch am Umstand, dass das Fest auf dem Münsterhof und dem Stadthausareal im Herzen Zürichs stattfindet, sagt Koller. Hier sehe eine breite Öffentlichkeit, wer für Homosexuelle werbe. Diese Publicity geht den Firmen offenbar zu weit. Noch sei man mit einigen Firmen am Verhandeln. Als Sponsoren haben bisher unter anderem Nivea, Coca-Cola, Compass-Group, British Airlines und SBB Railaway zugesagt.

 Abstriche beim Programm

 Aufgrund der tiefen Sponsoringeinnahmen werde das Festival ein paar Abstriche beim Programm machen müssen, sagt Koller, einigen Bands und Künstlern habe abgesagt werden müssen. Die Finanzierung sei jedoch grundsätzlich nicht gefährdet. Die Organisatoren sind enttäuscht über die Wirtschaft, zumal die letzten beiden Austragungen der Euro-Pride in Stockholm und Madrid dank starken Sponsoren sehr gut finanziert waren. Das Verhalten der hiesigen Firmen zeige jedoch, dass Schwule und Lesben nach wie vor für ihre Rechte kämpfen müssten. Man habe seit dem ersten Schwulen-und-Lesben-Aufstand in der Christopher Street in New York 1969 - an den auch in Zürich jährlich mit dem Christopher Street Day (CSD) erinnert wird - politisch viel erreicht, sagt Co-Präsidentin Karin Grundböck. Und dafür wolle man der Bevölkerung danken. Nach wie vor müssten Schwule und Lesben allerdings gerade am Arbeitsplatz gegen Vorurteile und Diskriminierungen kämpfen. In der Schule gelte "schwul" noch immer als Schimpfwort. Im Rahmen des Festivals wolle man deshalb an Workshops und Podien auch Themen wie Diversity in Unternehmen oder im Militär diskutieren. Die Euro-Pride-Veranstalter wollen zudem im Stadtzentrum Zürichs den Dialog mit der Bevölkerung suchen, um Fragen und Ängsten zu begegnen, aber auch um gemeinsam 40 Jahre Pride-Bewegung zu feiern.

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 Euro-Pride in Zürich

ami.  Die Euro-Pride dauert normalerweise bloss 10 Tage. In Zürich wurde der Event mit dem schwul-lesbischen Kultur-Monat Warmer Mai und dem Filmfestival Pink Apple verbunden und dauert deshalb über vier Wochen. Höhepunkt wird die Parade am 6. Juni mit dem Fest in der "Euro-Pride-Village" auf dem Münsterhof. Bestandteil des Festivals sind auch Fachtagungen zu juristischen, politischen und wirtschaftlichen Themen rund um die Homosexualität. Informationen unter www.europride09.eu.