MEDIENSPIEGEL 26.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Drogenanlaufstelle(n): Berner Rundschau + Schweiz Aktuell
- Anti-WEF-Demo Solothurn: Gummischrot + Polizeiparade
- Wegweisung LU: Machtwort vm Bundesgericht?
- Asyl-Demo auf Lampedusa
- Jusos als Squatters in Baden
- Katholizismus: Reaktionärer Papst schockt Rest der Welt
- Europride 09: Sponsoren zögern
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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der
Vorplatz-Präsenz!!!
PROGRAMM:
Mi 28.01.09
19.00 Uhr - SousLePont - USA/Kanada
Spezialitäten
22.00 Uhr - SousLePont - Offene
Bühne #109
Do 29.01.09
20.30 Uhr - Kino - UNCUT: Was am Ende
zählt, Julia von Heinz, D, 104 Min.
Fr 30.01.09
21.00 Uhr - Frauenraum - Words are
not enough. Sister`s Funky Tounge feat. Die Rosastunde mit Rosa
& Munde.
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: Grundeinkommen, Daniel Häni und
Enno Schmidt, Schweiz 2008. Anschliessend
Diskussion mit den Autoren Daniel Häni, Enno Schmidt sowie
Therese Wüthrich Gewerkschafssekretärin Comedia
Sa 31.01.09
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: La Estrategia del caracól,
Sergio Cabrera, Kolumbien 1993.
22.00 Uhr - SousLePont - Esperanto
#2: Conchez Connected No-Stars: Direct Raption, Collie Herb,
Mer2we, DJ Jango, King Killa SoundBoy Squad (Rap, Hip-Hop, Ragga,
Reggae)
23.00 Uhr - Dachstock - Diskoquake: Radioclit
(UK/SWE) & Round Table Knights (BE)
So 1.2.09
08.00 - Grosse Halle/Vorplatz - Flohmarkt
09.00 - Sous le Pont - Café
& Brunch
Infos: www.reitschule.ch
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DROGENANLAUFSTELLE(N)
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Berner Rundschau 26.1.09
Anlaufstelle: Der Kanton bleibt hart
Bern Angebots-Ausbau sei Sache der Stadt
Der Kanton Bern bleibt sich treu - und zahlt definitiv kein Geld an
eine zweite Drogenanlaufstelle in der Stadt Bern (siehe Ausgabe vom 20.
Januar). Diese hätte zur Entlastung der bisher einzigen
Anlaufstelle an
der Hodlerstrasse beitragen und dieser Tage umgesetzt werden sollen. In
einer Mitteilung vom Freitagabend bekräftigte der Kanton nochmals
die
Haltung seiner Gesundheits- und Fürsorgedirektion.
"Finanzpolitische Gründe"
Der Kanton respektive seine Gesundheits- und Fürsorgedirektion
begründet die Absage mit "finanzpolitischen Gründen"; derzeit
wolle und
könne er keine zusätzliche Betriebsfinanzierung für die
Angebote in
Bern erbringen, stellt Philippe Perrenouds (SP) Direktion
unmissverständlich klar. Er habe seiner Amtskollegin Edith Olibet
(SP)
aber mitgeteilt, dass sich der Kanton weitere zwei Jahre wie bisher am
Betrieb der Drogenanlaufstelle Hodlerstrasse beteilige. Das heisse
"inklusive Notmassnahmen zur Entlastung des Perimeters um die
Hodlerstrasse", so der Kanton. In anderen Worten: Ob die Stadt diese
zusätzlichen Gelder für eine zweite Anlaufstelle verwendet,
überlässt
der Kanton dem Gemeinderat. Allerdings im Wissen, dass dieser Zustupf
niemals reicht für den Betrieb eines zweiten Fixerstüblis.
Weiter nennt der Kanton das Engagement während zweier Jahre
in Thun.
Nach jahrelangem Streit beteiligt er sich dort seit Sommer an einem
Anlaufsstellen-Pilot, der Bern entlaste. (sat)
---
Schweiz Aktuell 23.1.09
Kein Geld vom Kanton
Seit Monaten ist das sogenannte "Fixerstübli" in Bern
überlastet.
Drogensüchtige aus Thun werden deshalb seit dem letzten November
abgewiesen und nach Thun geschickt. Dennoch steht in Bern die Forderung
nach einer zweiten Anlaufstelle im Raum. Heute wurde bekannt, dass der
Kanton ein solches Projekt nicht finanziell unterstützt. Die Stadt
Bern
müsste für eine Erweiterung des Angebots für
Drogensüchtige selbst
aufkommen. Ein Bericht von Urs Wiedmer.
--
Kein Geld vom Kanton
Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF) hat
die
Mitfinanzierung einer zweiten Drogenanlaufstelle für die Stadt
Bern
abgelehnt. Der Stadt wurde jedoch zugesichert, die Finanzierung der
Anlaufstelle an der Hodlerstrasse im bisherigen Umfang für die
zwei
nächsten Jahre fortzuführen. Dies berichtet "Schweiz Aktuell".
http://www.sf.tv/videoplayer/embed/fc6145a7-795a-4c3a-a53a-3e652e8ae457&live=false
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ANTI-WEF-DEMO SOLOTHURN
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BZ 26.1.09
Krawalle an der Anti-WEF-Demonstration
Patrick Studer
Sie wollten gegen die "Kapitalistische Horrorshow" demonstrieren:
Linksaktivisten aus der ganzen Schweiz lieferten sich am Samstag in
Solothurn ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Die Polizei setzte
Gummischrot ein.
Rund 50 Demonstranten, hauptsächlich aus der Region, warten um
19Uhr
auf dem Klosterplatz Noch ist die Stimmung einigermassen friedlich,
keiner der Demonstranten ist vermummt. Kurz darauf kommt vom Bahnhof
her eine grössere Gruppe Demonstranten. Die Polizei kontrolliert
einen
Teil der teilweise vermummten Demonstranten und findet dabei
"waffenähnliche Gegenstände", wie es später in einer
Mitteilung der
Kantonspolizei Solothurn heisst. Polizisten in Kampfmontur blockieren
die Fussgängerbrücke, sodass die vermummten Demonstranten
nicht zu der
Gruppe auf dem Klosterplatz stossen können.
Flaschen vs. Gummischrot
Die Demonstranten, die vom Bahnhof gekommen waren, rennen via Hotel zu
der Rötibrücke. Am nördlichen Ende der Brücke
versucht die Polizei, die
Demonstranten aufzuhalten, was aber trotz des Einsatzes von Gummischrot
nicht gelingt. Die Demonstranten, viele davon vom "Schwarzen Block" aus
Bern, bewerfen die Polizisten mit Bierflaschen und
Feuerwerkskörpern.
Vor der Reithalle und auf der Chantierwiese kommt es zu weiteren
Scharmützeln zwischen Demonstranten und Polizei. Eine Gruppe
posiert
vor dem Eingang der Reithalle mit einem Transparent und verschwindet
darauf in dem Gebäude (siehe Kasten).
Katz-und-Maus-Spiel
Die Stadt- und Kantonspolizei Solothurn wird von Beamten der
Kantonspolizei Bern unterstützt. Wie viele Polizisten im Einsatz
waren,
will Polizei-Mediensprecher Willhelm nicht bekannt geben.
Schätzungen
zufolge halten sich die Anzahl Demonstranten und die Anzahl Polizisten
ungefähr die Waage. Etwa eine halbe Stunde nach Beginn der
unbewilligten Demonstration teilen sich die beiden
Demonstrationszüge
in unzählige Gruppen auf, die danach durch die Stadt ziehen und
sich
mit der Polizei ein Katz-und-Maus-Spiel liefern. Um 20.30 Uhr bespricht
sich eine Gruppe vermummter Teenager, offenbar unpolitische
Krawalltouristen, in einer Gasse: "Komm, wir gehen auf den Zug, es hat
einfach zu viel Polizei", meint einer, worauf er von seinen Kollegen
als "Feigling" beschimpft wird.
"Es war lustig"
Im Verlauf des Abends nimmt die Polizei zwischen 15 und 20
Demonstranten, grösstenteils Berner, in Gewahrsam. Nachdem ihre
Personalien aufgenommen worden sind, werden die Linksaktivisten in die
Züge gesetzt. Diejenigen, die kein Geld dabei haben, kriegen das
Bahnbillett von der Polizei bezahlt. Um 22Uhr hat sich die Situation
weitgehend beruhigt. Am Landhausquai vor dem Restaurant Chutz stehen
noch ein paar Demonstranten herum, trinken Bier und üben
Manöverkritik.
"Die Polizei in Solothurn hat grosse Fortschritte gemacht", meint ein
Punk anerkennend. Sein Kollege fügt hinzu: "Wir haben zwar
verloren, es
war aber trotzdem lustig." Auch die Polizei ist zufrieden: "Im Grossen
und Ganzen ist der Einsatz gut gelungen", meint Polizeisprecher
Willhelm. Zu grossen Sachbeschädigungen kam es nicht. "Uns wurden
zwar
ein paar eingeschlagene Fenster gemeldet, wir wissen aber noch nicht,
ob das mit der Demonstration im Zusammenhang steht", so Willhelm.
Bildstrecke auf:
•www.antiwef.bernerzeitung.ch
--
Filmtage in Solothurn
Schreckenssekunden in der Reithalle
Laut Frank Willhelm von der Kantonspolizei wollte man Störungen
der
Filmtage vermeiden und den schwarzen Block nicht in die Altstadt
hineinlassen - was mehr oder weniger gelang.
Eine Gruppe vermummter Demonstranten posierte jedoch kurz mit einem
Transparent vor dem Eingang der Reithalle und verschwand danach im
Gebäude. "Die Demonstranten betraten das Foyer und fragten eine
Filmtage-Angestellte an der Bar, ob sie in den Saal könnten", so
Peter
Tremp von den Filmtagen. Die völlig überrumpelte junge Frau
ermahnte
die Demonstranten, möglichst leise zu sein, da gerade ein Film
laufe.
"Danach rannten die Demonstranten durch den Saal und verliessen die
Reithalle durch einen Hinterausgang", so Tremp. Die mehreren hundert
Personen in der Reithalle erschraken zwar, der "Besuch" der
Demonstranten dauerte allerdings nur sehr kurz.
Als der Film fertig war, mussten die Filmfreunde kurz in der Reithalle
warten, bis die Situation vor dem Gebäude unter Kontrolle der
Polizei
war.
Ansonsten wurden die Filmvorführungen von den Demonstrationen
nicht gestört.
ps
---
Oltener Tagblatt 26.1.09
Anti-WEF-Demo ist glimpflich abgelaufen
Trotz einiger Scharmützel mit Festnahmen wie hier auf dem Bild vor
der
Reithalle ist die unbewilligte Anti-WEF-Demo vom Samstagabend
glimpflich abgelaufen (vgl. "Sonntag"). Gestern waren alle
Festgenommenen wieder auf freiem Fuss, wie Frank Wilhelm vom
Mediendienst bestätigte. "Die Personen wurden durchsucht und
festgehalten, weil sie Gegenstände mit sich trugen, die an einer
Demo
nichts verloren haben." Bis gestern lagen auch nur Meldungen von
kleineren Sachbeschädigungen wie zwei, drei Fensterbrüchen
vor. Die
Demo sei nach Wissensstand der Polizei "von Bern aus" organisiert
worden. Dank Strassensperren, die Spezialfahrzeuge der aufgebotenen
Berner Kantonspolizei ermöglichten, konnte die Vereinigung der
"Solothurner Gruppe" auf dem Klosterplatz und der vom Bahnhof
anmarschierenden "Berner" vermieden werden. Dazu setzte die Polizei
auch Gummischrot ein. Verhindert wurden so Ausschreitungen in der
Altstadt sowie das Stören der Filmtage. (ww)
---
Regionaljournal DRS Solothurn 25.1.09
rtsp://audio.drs.ch/RegiAarau/einzelne_beitraege/20090125_abend.mp3
---
Indymedia 25.1.09
wef demo solothurn vom 24 .01.2009 ::
AutorIn : crack the wef
Mitteilung zu den Vorkommnissen an der Anti-WEF Demo vom 24.1.09 in
Solothurn.
Mit Bedauern müssen wir feststellen, das trotz unseren Bekundungen
mit
der Demo unter dem Motto: Watch the real Movie - Stop the capitalistic
Horrorshow die Solothurner Filmtage nicht stören zu wollen, unsere
Kundgebung mit einem massiven Polizeiaufgebot verhindert wurde. Nach
unseren Schätzungen waren rund 200 Personen in Solothurn, die an
der
Demonstration teilnehmen wollten.
Die von auswärts angereisten DemonstrantInnen so wie ein Grossteil
der
lokalen AktivistInnen wurden von Anfang an daran gehindert sich an den
Versammlungsort zu begeben. Die Polizei versuchte sogleich Leute
einzukesseln und zu verhaften, dazu wurde Gummischrott eingesetzt und
teilweise brutal gegen DemonstrantInnen vorgegangen. All diesen
Vorkommnissen zum trotz, gelang es immer wieder sich zu
Demonstationszügen zu formieren und Polizeisperren zu umlaufen
oder zu
durchbrechen. Einigen AktivistInnen ist es sogar gelungen kraftvoll und
lautstark durch die Soloturner Altstadt zu ziehen!
Das Ziel unserer Demonstration sollte es sein ein kraftvolles und
lautstarkes Zeichen gegen den zerstörerischen Kapitalismus und
seine
alljährliche Gala in den Bündner Bergen zu setzen. Mit dem
folgenden
Text wollten wir die BesucherInnen der Filmtage auf unsere Anliegen und
unsere Kritik aufmerksam machen:
WATCH THE REAL MOVIE - STOP THE CAPITALISTIC HORRORSHOW!
Alle Jahre wieder finden sich Anfang Jahr die selbsternannten
Global-Leaders am World Economic Forum in Davos ein. VertreterInnen der
grössten Unternehmungen treffen sich mit Abgesandten der
Regierungen
der Welt um Beziehungen zu knüpfen, vor laufender Kamera gute
Miene zum
bösen Spiel zu machen, Geschäfte abzuschliessen und die Welt
unter sich
aufzuteilen.
Zu den strategischen Partnern des WEF, also diejenigen die laut den
Verlautbarungen des Weltwirtschaftsforum für den Wohlstand und den
sozialen Fortschritt der Welt sorgen, gehören solche Perlen der
Bankenwelt wie Merrill Lynch, … und die uns allen wohlbekannte UBS.
Lehmann Brothers, ein weiterer Mitspieler im weltweiten neoliberalen
Monopoly, gehört nicht mehr zum erlauchten Kreis der strategischen
Partner des WEF, nachdem sie sich bekanntlich grausam verzockt haben.
Das Geld, das bei diesem grossen Spiel hin und her verschoben wird,
existiert nur auf dem Papier und stellt nicht mehr einen wirklichen
Wert dar. Trotzdem müssen die Verluste bezahlt werden. Und wer
bezahlt?
Die reale Wirtschaft und alle Menschen, die mit den ganzen
Spekulationen nichts zu tun haben. Ganz nach dem Motto: "Gewinne
privatisieren, Verluste sozialisieren!"
Spätestens mit der momentanen Krise sollte es allen klar geworden
sein,
dass der Lauf der Welt nicht in die Hände einiger weniger
Wirtschaftsexponenten und ihren Freunden gehört. Vielmehr sollte
die
Wirtschaft den Menschen dienen. Das geht nur, wenn wir selber bestimmen
können, was wir brauchen und nicht konsumieren müssen, was
uns überall
angepriesen wird. Wir wollen die Produktion von Gütern,
Dienstleistungen und Wissen selber verwalten. Nur so ist ein
menschenwürdiges Leben frei von Zwang, Not und Elend möglich.
Greifen wir das WEF als Symbol der bestehenden Verhältnisse an!
Setzen wir der kapitalistischen Horrorshow ein Ende!
Nehmen wir unser Leben selbst in die Hand
Die traurige Bilanz des unnötigen Grosseinsatzes der Polizei:
- Rund 20 Personen wurden verhaftet, einige davon wurden
unrechtmässig
direkt bei ihrer Ankunft abgefangen und für mehrere Stunden in
Gewahrsam genommen.
- Verhaftete Leute mussten Fingerabdrücke sowie DNA abgeben!
- Gummigeschosse wurden aus weniger als 5 Meter direkt gegen
DemostrantInnen abgefeuert. Der gesetzliche Mindestabstand für
diese
gefährliche Distanzwaffe beträgt 20 Meter!
- Mindestens eine Person wurde durch Gummischrot schwer verletzt
(direkt unter dem Auge)!
- Die Polizei trat martialisch und brutal auf!
- Rund 40 DemonstrantInnen wurden durch die Polizei aktiv in die
Solothurner Reithalle, einer der Hauptaustragungsorte der Filmtage,
getrieben.
- Mit einer Unmenge an Fahrzeugen und sinnlosen Absperrungen stellte
die Polizei eine massive Störung der Filmtage dar!
Der Staat hat in Solothurn wieder ein mal mit voller Härte
gezeigt, das
friedlicher Protest und Kritik am bestehenden System nicht toleriert
wird. Trotz aller Repression: Ob in Basel, Genf oder direkt in Davos,
wir lassen es uns nicht nehmen unsere Stimme gegen dieses Treffen von
Ausbeutern und Kriegstreibern immer und überall zu erheben!
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WEGWEISUNG LU
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Südostschweiz 26.1.09
Der Luzerner Regierung droht eine Ohrfeige aus Lausanne
Der Luzerner Kantonsrat will im öffentlichen Raum mehr Ordnung und
Sicherheit - mit einem Ja zu Wegweisung und Bussen für
Abfallsünder am
8. Februar an der Urne. Doch möglicherweise sieht das
Bundesgericht
alles ganz anders.
Von Herbert Fischer
Luzern. - Die Regierung und das Parlament des Kantons Luzern wollen der
Polizei erlauben, gewisse Personen wegzuweisen, die an bestimmten Orten
öffentliches Ärgernis erregen. Dies gilt unter anderem
für Plätze beim
Kulturpalast KKL und den Bahnhof, wo offenbar immer wieder
alkoholisierte Personen und Drogenabhängige herumsitzen.
Passanten,
Chauffeure des öffentlichen Verkehrs, Strassenarbeiter, aber auch
Polizisten beklagen sich ständig, von solchen Leuten
angepöbelt zu
werden. Die Behörden befürchten offenbar, dass dieses
Strassenbild dem
Image der herausgeputzten Touristen- und weltweit renommierten
Musikstadt schaden könnte.
Vorlage nicht rechtens?
Allerdings verquickt die Luzerner Vorlage die Wegweisung mit dem fast
unbestrittenen Verbot des Litterings, also der Verunreinigung von
Strassen und Plätzen mit Abfällen, sowie des wilden
Plakatierens. Dies
verletze den juristischen Grundsatz der Einheit der Materie und
gehöre
so nicht zusammen vors Volks, kritisierten im Kantonsrat auch
Bürgerliche. Beim Bundesgericht ist nun prompt eine
Stimmrechtsbeschwerde eingereicht worden.
Der Regierungsrat will sich diesbezüglich genauestens kundig
gemacht
haben und widerspricht: Littering, wildes Plakatierten und
unanständiges Verhalten in der Öffentlichkeit seien sehr wohl
Erscheinungen, welche die Ordnung störten. Darum sei diese
Polizeigesetzänderung durchaus angebracht.
Giusep Nay setzt Fragezeichen
Die Argumentation der Beschwerdeführer, eben die Verletzung der
Einheit
der Materie, findet Unterstützung von prominenter Seite. Alt
Bundesgerichtspräsident Giusep Nay nennt die Kombination des
Verbots
von Littering und wildem Plakatieren mit der Wegweisung "heikel"; es
sei denn, dem Volk würde eine Totalrevision des Polizeigesetzes
unterbreitet. Eine Teilrevision hingegen erfordere einen inneren
sachlichen Zusammenhang all dieser drei Zielsetzungen.
Zwar lasse sich bezüglich des Litterings und des Plakatierens
unter dem
Aspekt der öffentlichen Ordnung ein gleiches Ziel annehmen,
erklärt
Nay. Fraglich hingegen erscheine ihm, ob das auch bei der Wegweisung
der Fall sei, zumal sie die Grundrechte in sehr empfindlicher Weise
einschränke. Die Luzerner Abstimmungsvorlage verunmögliche es
dem
Stimmbürger somit, beispielsweise zwar das Littering- und
Plakatierverbot anzunehmen, zugleich jedoch die Wegweisung abzulehnen.
Dies, obwohl das eine das andere sachlich nicht bedinge, was die
Einheit der Materie voraussetzt.
SP-Regierungsrätin in der Kritik
Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so mahnt es auch die
federführende Sicherheitsdirektion ab. Sie wird geführt von
SP-Regierungsrätin Yvonne Schärli, die sich zur Beschwerde
nicht
äussert. Schärli steht bereits in der Kritik - aus dem
eigenen Lager
ebenso wie seitens der Grünen. Sebastian Dissler vom kantonalen
Vorstand der Jungsozialisten: "Der Wegweisungsartikel ist nicht nur
unnötig, sondern auch gefährlich. Er öffnet der
Polizeiwillkür Tür und
Tor. Der Partei fehlt die kritische Distanz zur eigenen
Regierungsrätin."
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NLZ 26.1.09
Wegweisung/wildes Plakatieren
SP und SVP sind tief gespalten
Zwei Parteien, die SP und die SVP, beissen sich an zwei
Gesetzesänderungen die Zähne aus. Aus ganz unterschiedlichen
Gründen.
Von Karin Winistörfer
Es ist nicht alltäglich, dass die SP und die SVP im selben Dilemma
stecken: Bei beiden ist die Basis gespalten wegen der
Abstimmungsvorlage vom 8. Februar, mit der das Übertretungsstraf-
und
das Kantonspolizeigesetz geändert werden sollen. Erlaubt
würde nicht
nur die Wegweisung von Personen, sondern auch Massnahmen gegen
unbefugtes Plakatieren und Littering (achtloses Liegenlassen von
Abfall).
· Die SVP sagte im November mit 50 gegen 46 Stimmen knapp Nein
zur
Vorlage. Umstritten: unbefugtes Plakatieren, Littering. Unumstritten:
Wegweisung.
· Die SP fasste vor zwei Wochen mit 22 gegen 14 Stimmen die
Ja-Parole.
Umstritten: Wegweisung. Unumstritten: Littering, unbefugtes Plakatieren.
SVP-Fraktionschef Guido Müller betont, seine Partei stehe "voll
und
ganz hinter der Wegweisungsnorm". Die Massnahmen gegen Littering und
wildes Plakatieren hingegen würden auf dem Land als
städtisches Problem
beurteilt.
Plakate auf dem Land verbieten?
Doch es kommt noch etwas anderes hinzu: Auf Feldern entlang der
Landstrassen werben vor Abstimmungen und Wahlen oft Plakate für
SVP-Anliegen und -Köpfe. Müller: "Es gibt Leute, die
befürchten, dass
auf dem Land das Plakatieren auf öffentlichem Grund
eingeschränkt
würde. Diese Plakate sind aber sehr effiziente Mittel, um
Präsenz zu
markieren, und von den Kosten her vertretbar."
SVP gegen "Päcklilösung"
SVP-Kantonalpräsidentin Yvette Estermann sagt zur knappen
Nein-Parole:
"Sie zeigt die Meinungsverschiedenheiten, die innerhalb der Partei
bestehen." Hauptproblem sei die "Päcklilösung": die
Verbindung von
Wegweisung, Littering und unerlaubtem Plakatieren in einer Vorlage.
"Das ist wie bei der nationalen Abstimmung zur
Personenfreizügigkeit",
sagt die Nationalrätin. "Die Stimmberechtigten können nur Ja
oder Nein
sagen je nachdem, was ihnen am wichtigsten ist."
SP: Zuerst dagegen, dann dafür
Die Sozialdemokraten hatten im Mai 2008 nach langer Diskussion
entschieden, das Referendum gegen den Wegweisungsartikel zu
unterstützen. Dann, vor zwei Wochen, der gegenteilige Entscheid:
Eine
Mehrheit der SP-Delegierten lehnte das Referendum ab. Die Juso
reagierte empört. Sie kämpft zusammen mit der SP Stadt Luzern
im
überparteilichen Komitee gegen den Wegweisungsartikel.
Was ist geschehen? SP-Co-Präsidentin Trix Dettling: "Wir
diskutieren
Sicherheitsfragen intern seit einem Jahr intensiv." Am schweizerischen
SP-Parteitag im Herbst fand ein Umdenken statt, sagt sie: "Zwar bleibt
Prävention sehr wichtig. Unter gewissen Umständen hält
die SP aber
repressive Massnahmen für vertretbar." Bei der Wegweisung gebe es
zwei
gegensätzliche Sichtweisen:
· Die Sicht der Weggewiesenen: Befürchtet wird, dass
Grundrechte
verletzt und willkürliche Entscheide gefällt würden.
Wegweisungen kann
die Polizei aussprechen, bevor ein Delikt begangen wurde eben um
es zu
verhindern.
· Die Sicht der (potenziellen) Opfer, die Angst haben, nachts
den
Bahnhof- oder den KKL-Platz zu überqueren. Die designierte neue
Kantonalpräsidentin Felicitas Zopfi: "Es geht um den Schutz der
Schwächeren, die sich gestört fühlen, wenn andere
pöbeln, sich
betrinken und Abfall liegen lassen." Jenen, die sich "grob
danebenbenehmen", soll mit der Wegweisung bedeutet werden: "Dieses
Verhalten tolerieren wir nicht."
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Die Parolen, die die drei anderen Kantonsratsparteien an ihren
Delegiertenversammlungen zu Wegweisungsnorm, Massnahmen gegen Littering
und unbefugtes Plakatieren gefasst haben:
FDP: Ja (153 zu 25 Stimmen). CVP: Ja (201 zu 45 Stimmen). Grüne:
Nein (Vorstandsbeschluss).
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ASYL
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Bund 26.1.09
Protest auf Lampedusa
Nach einer Massenflucht von 1300 Flüchtlingen aus dem
Aufnahmezentrum
ist auf der italienischen Insel Lampedusa wieder eine gespannte Ruhe
eingekehrt. Die Regierung in Rom will hart bleiben.
Dominik Straub, Rom
Die Flüchtlinge waren am Samstagmorgen aus dem - an sich
geschlossenen,
aber nicht besonders gesicherten - Aufnahmezentrum geflohen, um sich im
Hauptort der Insel einer Demonstration der Einheimischen
anzuschliessen, die gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung
Berlusconi protestierten. Laut Medienberichten nahmen sämtliche
1300
Bewohner des Aufnahmezentrums an der Demonstration teil; gegen Abend
kehrten alle zurück. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet;
gestern
herrschte Ruhe.
Das Aufnahmezentrum ist für 800 Personen konzipiert, in den
vergangenen
Wochen lebten aber bis zu 1800 dort. Im Lager fehlt es an allem; eine
Sprecherin des Uno-Hochkommissariats sprach letzte Woche von einer
unhaltbaren Situation: "Sowohl die Sicherheit der Flüchtlinge als
auch
jene des Personals ist gefährdet."
Ungebetene Gäste
Die meisten Inselbewohner solidarisieren sich nicht wirklich mit den
Flüchtlingen; sie wollen einzig, dass die ungebetenen Gäste
von der
Regierung auf das Festland gebracht werden. In diesem Punkt decken sich
ihre Forderungen mit jenen der Flüchtlinge. "Wir wollen hier nicht
zu
einer Gefängnisinsel wie Alcatraz werden", betont
Bürgermeister
Bernardino De Rubeis.
Innenminister Roberto Maroni von der Lega Nord jedoch bleibt hart: "Die
Flüchtlinge bleiben in Lampedusa bis zur Abschiebung in ihr
Herkunftsland", bekräftigte er. Die Situation sei "unter
Kontrolle".
Derzeit befinden sich fast nur Tunesier im Aufnahmezentrum. Maroni
hofft, mit ihrem Herkunftsland in Kürze ein
Rückübernahmeabkommen
abschliessen zu können; am Dienstag reist er dafür nach
Tunis. Das
einzige Land, mit dem Italien bisher über ein derartiges Abkommen
verfügt, ist Ägypten.
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SQUAT BADEN
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AZ 26.1.09
"Besetzt!" › Juso am Werk
Baden Das leerstehende Haus "zum Ochsen" ist für eine Nacht
besetzt worden.
Fabienne Huber
Mit einem Transformator, Scheinwerfer, einer Musikanlage und einem
Schraubenzieher bewaffnet, machen sich am Samstag in der
Abenddämmerung
ein paar unscheinbare Gestalten auf den Weg in das Bäderquartier,
im
Schlepptau einen Kameramann von Tele M1 und eine Journalistin der
Aargauer Zeitung. Am Gebäude der Dependance "zum Ochsen", das bald
abgerissen werden soll, machen sie sich ans Werk. Über den
Hintereingang verschaffen sie sich mit dem Schraubenzieher Zugang zu
den Innenräumen. Schnell installieren sie den Transformator,
schliessen
Scheinwerfer und die Musikanlage an und hängen ein Schild an den
Vordereingang des Gebäudes, auf dem in grossen Lettern "Besetzt"
geschrieben steht. Als sie anschliessend noch eine rote Fahne am
Fenster befestigen, wird klar: Hier sind die Juso am Werk.
Für mehr günstigen Wohnraum
Im Minutentakt betreten junge Leute das Gebäude, holen sich am
Eingang
eine Flasche Bier oder eine Cola und begeben sich in den mit dunstigen
Rauchschwaden gefüllten Raum. Sie alle sind aus einem Grund
hierher
gekommen: "Damit Wohnraum nicht Baden geht." Der Gedanke an den
gemeinsamen Kampf für mehr günstigen Wohnraum in der Stadt
erwärmt die
Herzen und lässt die eisige Kälte etwas erträglicher
erscheinen. Bald
sind es gut hundert Hausbesetzer, die sich versammelt haben. Mit so
regem Interesse haben die Organisatoren nicht gerechnet, so auch nicht
beim Getränkekauf. Der Schreck sitzt tief, als bereits vor
Mitternacht
die letzte Bierflasche getrunken ist. Zum Glück zeigt sich die
benachbarte Beiz BarKur solidarisch und verkauft ein paar Harasse Bier
an die durstige Meute.
Musikalische Untermalung
Kurz nach Mitternacht geht das Licht aus und auch die Musik verstummt.
Ein Stromausfall? Nein, nur ein paar Sekunden später leuchtet eine
Lichterkette auf, melodische Gitarrenklänge erfüllen den Raum
und Benji
Bonus, ein regional bekannter und geschätzter Musiker, fängt
an zu
singen. Auch wenn er wegen technischer Schwierigkeiten ohne
Verstärker
auftreten muss, schafft er es mit seinen teils einstudierten, teils
improvisierten Songs, die Leute zu animieren, sodass bald alle
gemeinsam singen: "Mer bsetzed das Huus." In diesem Moment scheint das
Gefühl der Solidarität seinen Höhepunkt erreicht zu
haben. Bis in die
frühen Morgenstunden feiert, tanzt und trinkt die fröhliche
Gemeinschaft weiter. Doch irgendwann wird es dann Zeit, die Zelte
abzubrechen und den "Ochsen" wieder zu verlassen. Denn es soll eine
Besetzung der soften Art sein. Eine Besetzung von einer einzigen Nacht,
in der die Juso gemeinsam mit all jenen, die ihrem Aufruf gefolgt sind,
ein Zeichen setzen wollen. Und das haben sie getan.
Vandalen blieben nicht fern
Dass unter den Besetzern nicht nur friedliche und politisch
interessierte Menschen waren, ist am nächsten Morgen sichtbar
geworden.
Wandschmierereien, Einbrüche und Diebstähle haben sich
parallel zu der
friedlichen Hausbesetzung ereignet (siehe Aargau). "Wir distanzieren
uns ganz klar von diesen Vandalen", äussert sich Lea Schmidmeister
(Juso) zu den negativen Vorfällen. Sie hätten das Quartier um
5 Uhr
morgens geräumt und verlassen und bis dahin nichts davon
mitbekommen.
Seitens der Juso sei man zutiefst enttäuscht darüber, dass
Einzelne den
Anlass für solche Zwecke missbraucht hätten.
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KATHOLIZISMUS
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Bund 26.1.09
Papst erntet massive Kritik
Holocaust-Leugner wieder im Schoss der Kirche
Die Aufhebung der Exkommunikation von vier erzkonservativen
Bischöfen
durch Papst Benedikt XVI. kommt schlecht an. Der Grund: Gegen einen von
ihnen, Richard Williamson, wird wegen Leugnung des Holocaust ermittelt.
In einem Fernsehinterview hatte der Brite gesagt, historische Fakten
sprächen gegen die Existenz von Gaskammern. Es seien nicht sechs
Millionen Juden von den Nazis ermordet worden, sondern höchstens
300000
- aber keiner von ihnen in Gaskammern.
Ein Vatikansprecher betonte, bei der Entscheidung des Papstes, die vier
Bischöfe wieder in den Schoss der Kirche aufzunehmen, gehe es
ausschliesslich darum, die Anhänger der Bruderschaft St. Pius X.
wieder
zu integrieren. Über die Äusserungen Williamsons zum
Holocaust müsse
auf anderer Ebene gerichtet werden.
Jüdische Organisationen entsetzt
Vor allem bei jüdischen Organisationen sorgte Benedikts
Entscheidung
für Entsetzen. Die Schweizer Juden sind besorgt darüber, dass
Williamson wieder der katholischen Kirche angehören soll. Der
Vatikan
würde damit revisionistische Meinungen "symbolisch decken".
Bei einem solch symbolischen Akt wie der Aufhebung der
Exkommunikation
dürfe die katholische Kirche revisionistische Äusserungen
nicht einfach
ignorieren, sagte Sabine Simkhovitch-Dreyfus, vom Schweizerischen
Israelitischen Gemeindebund (SIG).
Die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen Williamson,
weil er
das Interview, in dem er die Existenz der Nazi-Gaskammern leugnet, bei
einem Besuch im Priesterseminar der Bruderschaft St.Pius X. in
Zaitzkofen bei Regensburg gegeben hatte. Das Leugnen des Holocaust
steht in Deutschland unter Strafe.
Dankbare Bruderschaft
Die in Menzingen (Zug) ansässige Priesterbruderschaft St. Pius X.,
die
ihre Zentrale in Ecône (Wallis) hat, drückte dem Papst ihre
Dankbarkeit
für die Annullation aus. Diese sei für die gesamte Kirche
eine Wohltat,
erklärte Bernard Fellay, einer der Bischöfe und der Superior
der
streng-konservativen Bruderschaft.
Der Grund für die Spaltung der Bruderschaft St. Pius X. vom
Vatikan
und die Exkommunikation der Geistlichen 1988 war, dass der 1991
gestorbene Lefebvre und seine Anhänger die Kirchenreformen des
Zweiten
Vatikanischen Konzils ablehnten.
In dem Streit ging es um die Liturgiereform wie der Feier der Messe in
den Landessprachen und um die Religionsfreiheit. Die Lefebvre-
Anhänger
kritisierten die vom Konzil angestrebte Versöhnung mit den Juden.
(sda)
Seite 3
--
Holocaust-Leugner zurück in der Kirche
Der Vatikan rehabilitiert erzkonservative Lefebvre-Anhänger
Dominik Straub, Rom
Papst Benedikt hat die Exkommunikation der vier erzkonservativen
Lefebvre-Bischöfe aufgehoben. Einer von ihnen hat vor wenigen
Tagen den
Holocaust geleugnet. Liberale Katholiken und jüdische
Organisationen
sind konsterniert.
Der Bischof, der nun wieder in den Schoss der katholischen Kirche
zurückkehrt und damit in Kürze wohl auch ausserhalb seiner
fundamentalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. wieder die
Sakramente erteilen und Priester weihen darf, ist der Brite Richard
Williamson. Er ist seit Langem für seine antisemitischen Ansichten
bekannt und hat erst vor Kurzem in einem Interview einmal mehr den
Holocaust und die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich bestritten.
Am Mittwoch hat er im schwedischen Fernsehen gesagt: "Ich glaube, dass
es keine Gaskammern gegeben hat." Zudem behauptete er, in den deutschen
Konzentrationslagern seien nicht sechs Millionen Juden getötet
worden,
sondern lediglich bis zu 300000, "aber keiner von ihnen durch Vergasen
in einer Gaskammer". Antijüdische Reflexe sind unter
Lefebvre-Anhängern
weit verbreitet.
"Väterliche Einfühlsamkeit"
Mit der Aufhebung der Exkommunikation ist das jüngste Schisma
(Kirchenspaltung) der katholischen Kirche nach etwas mehr als zwanzig
Jahren beendet. Zum Bruch war es im Juli 1988 gekommen, nachdem der
französische Erzbischof Marcel Lefebvre ohne den Segen Roms vier
Mitglieder seiner Priesterbruderschaft St. Pius X. zu Bischöfen
geweiht
hatte.
Die fundamentalistische Bruderschaft lehnt alle wichtigen
Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils ab: die
Ökumene, die
Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe, die
Liturgiereform.
Seit dem Tod von Lefebvre im Jahr 1991 wird die Gemeinschaft von dem
von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay geleitet. Sie hat mehr als
200000 Anhänger in rund 40 Staaten; ihre Zentrale befindet sich in
Ecône im Kanton Wallis.
Benedikt XVI. habe beschlossen, die kirchenrechtliche Situation der
Bischöfe zu überdenken, weil er ihrem "spirituellen
Unbehagen" infolge
der Exkommunikation mit "väterlicher Einfühlsamkeit" begegne,
heisst es
in dem Dekret, mit welchem die Exkommunikation aufgehoben wird. Auch
glaube er ihren Versicherungen, mit den Autoritäten des Heiligen
Stuhles ernsthaft über die bestehenden Differenzen reden zu
wollen.
Tatsächlich hatte Bischof Bernard Fellay in seinem letzten Brief
vom
15. Dezember 2008 an die Päpstliche Kommission "Ecclesia Dei" den
Primat des Papstes anerkannt und versichert, "die Lehren der
katholischen Kirche" zu akzeptieren. Von einer Akzeptanz der
Konzilreformen findet sich in dem Schreiben allerdings keine Zeile.
Die Äusserungen von Bischof Richard Williamson zum Holocaust seien
zwar
"in keiner Weise akzeptabel", betonte Vatikansprecher Pater Federico
Lombardi am Samstag. Doch die Rücknahme der Exkommunikation stehe
mit
den Äusserungen des Traditionalistenbischofs "in keinem
Zusammenhang".
Dabei handle es sich um einen "anderen Vorgang". Doch es scheint, dass
es sich der Vatikan damit etwas zu einfach macht: Die Begnadigung der
Traditionalisten und insbesondere des Holocaust-Leugners Williamson hat
vorab in der jüdischen Gemeinschaft, aber auch bei liberalen
Katholiken
entrüstete Reaktionen ausgelöst.
Die schärfste Kritik kommt vom Oberrabbiner David Rosen vom
Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse
Konsultationen.
Mit der Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe
und
insbesondere Williamsons "gefährdet der Vatikan die historische
Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen
Volk",
betont Rosen. Der Oberrabbiner erinnert daran, dass Benedikts
Vorgänger
Johannes Paul II. den Antisemitismus als "Sünde gegen Gott"
bezeichnet
habe. Die Wiederaufnahme Williamsons, betont Rosen, "vergiftet die
gesamte Kirche". Der Präsident der jüdischen Gemeinden in
Italien,
Renzo Gattegna, bezeichnet den Entscheid Ratzingers ganz einfach als
"schrecklich".
Bischof Koch: Gute Aussichten
Unbehagen macht sich auch innerhalb der Kirche breit. Der
Theologieprofessor der katholischen San-Raffaele-Universität in
Mailand, Vito Mancuso, bezeichnet die Milde des Vatikans gegenüber
den
Konzilkritikern und dem Holocaust-Leugner Williamson auf der einen
Seite und die "eisige Härte" beispielsweise bei bioethischen
Themen auf
der anderen Seite als "völlig unverhältnismässig".
Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Kurt Koch,
dagegen enthält sich einer Kritik. In einem Communiqué
erklärt Koch,
dass der Heilige Vater mit der Aufhebung der Exkommunikation "die Hand
zur Versöhnung" anbiete. Benedikt XVI. sei bei seiner Entscheidung
von
der Überzeugung geleitet gewesen, dass nach der Anerkennung des
Lehramtes und der Autorität des Papstes gute Aussichten bestehen,
dass
die anstehenden Gespräche über die noch ungelösten
Fragen zu einem
guten Ende gebracht werden.
--
Kommentar
Akt gegen die Menschenwürde
Der Papst rudert zurück. Nach der Charme-Offensive zu Beginn
seines
Pontifikats kommt immer deutlicher zum Ausdruck, wes Geistes Kind
Benedikt XVI. ist: Er führt seine Kirche weg von einer halbwegs
weltoffenen hin zu einer reaktionären Institution. Dem
Bemühen um die
Einheit der römisch-katholischen Kirche ordnet der Papst alles
unter.
Er ist sogar bereit, die Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen
Konzils (1962-65) aufs Spiel zu setzen. Denn Benedikt schliesst vier
Bischöfe der erzkonservativen Priesterbruderschaft St. Pius X. -
unter
ihnen ein Holocaustleugner - wieder in seine Arme und macht ihre
Exkommunikation rückgängig. Die vom französischen
Erzbischof Marcel
Lefebvre Ende der Sechzigerjahre gegründete Vereinigung lehnte die
Beschlüsse des Konzils als zu modernistisch ab.
An dieser Fundamentalopposition hat sich kaum etwas geändert:
Bewegt
haben sich nicht die nun wieder in den Schoss der Kirche
Zurückgekehrten, sondern der Vatikan. Bereits vor rund zwei Jahren
hat
Benedikt den ersten Schritt auf die Reaktionäre zu gemacht, indem
er
wieder Messen auch in lateinischer Sprache erlaubte.
Man könnte diesen Prozess als innerkatholische Angelegenheit
abhaken.
Doch wenn eine Institution vom Gewicht der römisch-katholischen
Kirche
in ihrem restaurativen Bestreben immer mehr in antisemitisches
Fahrwasser gerät, dann ist dies ein gesamtgesellschaftliches
Problem.
Seit Joseph Ratzinger auf dem Stuhl Petri sitzt, haben sich die
Beziehungen zwischen dem Vatikan und den Juden stark verschlechtert. Zu
einem ersten Eklat kam es im März 2008, als Benedikt XVI. mit
einer
Neufassung der Karfreitagsfürbitte alte Wunden aufriss. In dieser
lateinischen Fürbitte beten die katholischen Gläubigen, dass
Gott die
Herzen der Juden erleuchten möge, auf dass auch sie Jesus Christus
als
Herrn anerkennen. Im Weiteren findet der Papst nur warme Worte für
seinen Vorgänger Pius XII., dem vorgeworfen wird, seine Stimme
kaum
gegen die Massenvernichtung der Juden erhoben zu haben. Ratzinger
dagegen betreibt unbeirrt die Seligsprechung Pius' XII.
Die Wiederaufnahme eines den Holocaust leugnenden Bischofs in die
Kirche ist mehr als ein Affront gegen die Jüdinnen und Juden - es
ist
ein Akt gegen die Menschenwürde.
---
BZ 26.1.09
Standpunkt
Der Sündenfall des Papstes
Stefan Ulrich ist Italien-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung"
Vor genau fünfzig Jahren ging ein Ruck durch die katholische
Kirche:
Johannes XXIII. kündigte ein Konzil an. Es sollte als Zweites
Vatikanisches Konzil Geschichte machen. Papst und Kirche öffneten
ihre
Tore zur modernen Welt. Sie bekannten sich zur Religionsfreiheit und
zum Gespräch mit anderen Glaubensgemeinschaften und Religionen.
Die
Priester wandten sich bei der Messe dem Volk zu und redeten, statt auf
Lateinisch, in dessen Sprachen. Sehr viele Katholiken fühlen sich
heute
in ihrer Kirche heimisch, weil diese vom offenen Geist und weiten
Herzen des Konzils geprägt ist.
Nun fährt wieder ein Ruck durch die Kirche, doch es ist ein Ruck
zurück. Benedikt XVI., der einst ein reformfreudiger
Konziltheologe
war, geht weit auf die Anhänger des verstorbenen Kirchenspalters
Marcel
Lefebvre zu. Er tut dies, obwohl die Lefebvristen den Geist des Konzils
verneinen und die Kirchengeschichte um hundert Jahre zurückspulen
wollen. Benedikt hebt dennoch die Exkommunikation von vier
erztraditionalistischen Bischöfen auf und sichert ihnen seine
"väterliche Einfühlsamkeit" zu. Einer der heimkehrenden
Hirten
verharmlost zwar seit Jahren den Holocaust und leugnet die Gaskammern,
zuletzt bei einem Besuch in Bayern. Aber das sitzt der Heilige Stuhl
aus.
Die Aussöhnung des Papstes mit einem widerwärtigen
Antisemiten ist
bestürzend. Benedikt beruft sich darauf, die Tiraden des Bischofs
hätten nichts mit der Frage der Exkommunikation zu tun. Dabei
verkennt
er, dass das Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken nicht im
luftleeren Raum der Dogmen und des Kirchenrechts operiert. Mit der
Rehabilitierung des Bischofs sabotiert Benedikt XVI. vielmehr den
christlich-jüdischen Dialog und bestätigt diejenigen, die
seinem
Pontifikat sehr kritisch gegenüberstehen.
Doch auch ohne den Holocaust-Leugner wäre die Versöhnung mit
den
Lefebvristen ein falscher Schritt. Gewiss muss dem Papst an der Einheit
der Kirche gelegen sein. Doch was Benedikt XVI. am rechten Rand
zurückgewinnt, könnte er in der Mitte verlieren. Viele
Katholiken sehen
es als Aufgabe ihrer Kirche, sich gemeinsam mit Andersgläubigen
für
eine menschenwürdige Welt einzusetzen. Sie wünschen, dass ihr
Pontifex
hier Brücken baut, etwa zu den reformierten Kirchen und zum
Judentum.
Doch hierbei lässt Benedikt oft den Grossmut vermissen, mit dem er
nun
Reaktionäre umarmt.
Die Päpste seit Johannes XXIII. haben viel getan, ihrer
Kirche Härte
und Hochmut auszutreiben und sie mit der Moderne zu versöhnen.
Johannes
Paul II., einem konservativen Mann, war besonders an der
Versöhnung mit
dem Judentum und am Gespräch der Religionen gelegen. Seine
Friedensgebete in Assisi belegen dies ebenso wie sein Auftritt an der
Klagemauer in Jerusalem. Nun wirkt es, als wollte Benedikt XVI. diesen
Kurs seines Vorgängers korrigieren. Sein Zugehen auf die
Erztraditionalisten mag gut gemeint sein. Doch es ist ein
Sündenfall.
ausland@bernerzeitung.ch
---
Tagesanzeiger 26.1.09
Der Papst versöhnt sich mit extremen Traditionalisten
Der Papst rehabilitiert vier exkommunizierte Lefebvre- Bischöfe -
um
seinen Willen zur Versöhnung zu zeigen. Er nimmt dabei deren
rechtsextremes, anti- jüdisches Gedankengut in Kauf.
Von Michael Meier
Der auf Schloss Schwandegg in Menzingen (ZG) residierende Generalobere
der Pius-Bruderschaft, Bernard Fellay, zeigte sich hoch erfreut
über
das päpstliche "Geschenk des Friedens". Demütig dankte er
Benedikt
XVI., dass dieser am Samstag die Exkommunikation der vier
Traditionalisten-Bischöfe aufgehoben hat. Fellay selber
gehört zu den
vier Bischöfen, die Marcel Lefebvre am 30. Juni 1988 im
Priesterseminar
von Ecône unerlaubt geweiht hatte - was das Schisma mit Rom
provozierte.
"Unsere Bruderschaft wünscht sich, dem Papst mehr zu helfen, um
die
beispiellose Krise, die gegenwärtig die katholische Welt
erschüttert,
zu beseitigen", so Fellay an Benedikt XVI. Dieser war bisher schon
stark auf die Anliegen der Priesterbruderschaft eingegangen. Im August
2005 empfing der Papst den Generaloberen aus der Schweiz in Audienz.
Zwei Jahre später liess er die alte lateinische Messe wieder zu -
eine
Hauptforderung der Lefebvristen. Unter deren Einfluss forcierte
Benedikt auch die Rückkehr zu Mundkommunion und Einzelbeichte.
Schweizer Juden sind empört
Es waren vor allem jüdische Verbände und
Holocaust-Überlebende, die
Benedikt vor der Aufhebung der Exkommunikation gewarnt hatten und sich
nun im Nachhinein empört zeigen.
Gemäss dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund deckt der
Vatikan damit symbolisch revisionistische Meinungen. Denn nur drei Tage
vor der Aussöhnung zeigte das schwedische Fernsehen ein
Gespräch mit
dem exkommunizierten Lefebvre-Bischof Richard Williamson, in dem dieser
den Holocaust leugnet: Es habe in Nazi-Deutschland gar keine Gaskammern
gegeben, sagte er. In den KZs seien höchstens 200 000 bis 300 000
Juden
umgekommen (TA vom Donnerstag). Inzwischen ermittelt die
Staatsanwaltschaft Regensburg gegen Williamson wegen Volksverhetzung.
Als private Meinung deklariert
Anlässlich der Bekanntgabe der aufgehobenen Exkommunikation
distanzierte sich Papstsprecher Federico Lombardi von den
Äusserungen
Williamsons. Der Generalobere Fellay indes hatte sich schon zuvor beim
schwedischen Fernsehen über den "abscheulichen Versuch" des
Journalisten beklagt, Williamson nicht nur, wie vereinbart, über
religiöse Themen zu befragen. Ein Bischof könne nur über
Fragen des
Glaubens und der Moral mit Autorität sprechen, bei weltlichen
Dingen
sei es seine private Meinung.
Die Lefebvre-Bruderschaft selber hat sich allerdings immer wieder
politisch geäussert und mit ihrem rechten und rechtsextremen
Gedankengut für Schlagzeilen gesorgt. Alt-Erzbischof Lefebvre
hatte zu
Lebzeiten aufgerufen, Le Pen zu wählen. Seine Sympathien für
Diktatoren
wie Pinochet, Salazar oder Franco hatte er nie verhehlt. Sein Walliser
Priesterseminar in Ecône wurde von Anfang an als Denkschule
für
Rechtsextreme und Demokratieverächter verdächtigt. Der 1995
ermordete
Front-National-Politiker Jean Claude Poulet-Dachary beispielsweise war
ein Ecône-Zögling. In Frankreich haben die Lefebvristen auch
in adligen
und royalistischen Kreisen Zulauf.
Auch in der Schweiz irritieren die Priester in schwarzer Soutane
bisweilen mit politischen Aktionen. Im Mai 2000 organisierten sie nur
kurz vor der Abstimmung über die bilateralen Abkommen eine
Sühnewallfahrt gegen den "versteckten Anschluss der Schweiz an die
EU".
2005 bliesen sie anlässlich der Gaypride in Luzern zum Gebetssturm
gegen die "teuflische homosexuelle Leidenschaft".
Fast gleich lautende Töne sind auf dem von Amerika aus anonym
betriebenen deutschsprachigen Internetportal kreuz.net zu vernehmen,
das Experten der Priesterbruderschaft zuordnen. Auf dem Portal finden
sich immer wieder antisemitische und antiisraelische Pamphlete: Am 12.
Januar, mitten im Gazakrieg, veröffentlichte es gar unkommentiert
eine
Rede von Heinrich Himmler über die "Ausrottung des jüdischen
Volkes".
Juden sollen sich zu Jesus bekehren
In Deutschland sorgt derzeit ein Streit des Distriktoberen Franz
Schmidberger mit dem Zentralrat der Juden für Aufregung. Vor
Weihnachten schrieb Schmidberger den 27 römischen Bischöfen
Deutschlands: "Die Juden unserer Tage sind des Gottesmordes
mitschuldig", solange sie sich nicht von der Schuld ihrer Vorväter
distanzierten. "Auch für die heutigen Juden ist der
fleischgewordene
Gott, Jesus Christus, der Erlöser und einzige Weg zum Heil."
Diese traditionelle antijudaistische Haltung hat der deutsche Papst -
unter dem Einfluss der Lefebvristen - in die wieder zugelassene alte
Liturgie aufgenommen. Zur Bestürzung der jüdischen
Gemeinschaft betet
jetzt auch die offizielle Kirche in der lateinischen
Karfreitagsfürbitte wieder für die Bekehrung der Juden zu
Jesus
Christus.
Zufall oder nicht: Zeitgleich mit der Rehabilitierung der
Traditionalisten öffnete im Berliner Schloss Charlottenburg eine
vom
Vatikan initiierte Ausstellung über Papst Pius XII. ihre Tore. Ihr
geht
es darum, den Vorwurf zu entkräften, der Pius-Papst habe zum
Holocaust
geschwiegen. Die Ausstellung, die bereits für Kontroversen sorgt,
gilt
als Ouvertüre zur Seligsprechung von Pius XII.
Mit der Rehabilitierung der Lefebvristen handelt sich Papst Benedikt
auch innerkirchlich Probleme ein. Kreuz.net titelte umgehend: "Nun
kommt das Zweite Vatikanum an die Reihe". Marcel Lefebvre war ein
Hauptopponent des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und
bekämpfte dessen Zentralanliegen - nicht nur die Liturgiereform,
sondern auch Religionsfreiheit und Ökumene.
---
Basler Zeitung 26.1.09
Der Papst fällt einen umstrittenen Entscheid
Benedikt XVI. annulliert die Exkommunizierung von Traditionalisten um
Marcel Lefebvre
Dominik Straub, Rom
Papst Benedikt hat die Exkommunikation der vier erzkonservativen
Lefebvre-Bischöfe aufgehoben, obwohl einer von ihnen jüngst
den
Holocaust geleugnet hat (vgl. Text oben). Liberale Katholiken und
Judenorganisationen sind konsterniert.
Mit der Aufhebung der Exkommunikation ist das jüngste Schisma
(Kirchenspaltung) der katholischen Kirche beendet. Zum Bruch war es im
Juli 1988 gekommen, nachdem der französische Erzbischof Marcel
Lefebvre
ohne den Segen Roms vier Mitglieder seiner Priesterbruderschaft St.
Pius X. zu Bischöfen geweiht hatte. Die fundamentalistische
Bruderschaft lehnt alle wichtigen Errungenschaften des 2. Vatikanischen
Konzils ab: die Ökumene, die Religionsfreiheit, die
Kollegialität der
Bischöfe, die Liturgiereform. Seit dem Tod von Lefebvre im Jahr
1991
wird die Gemeinschaft von dem von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay
geleitet. Sie hat mehr als 200 000 Anhänger in rund 40 Staaten;
ihre
Zentrale befindet sich in Ecône im Kanton Wallis.
Benedikt XVI. habe beschlossen, die kirchenrechtliche Situation der
Bischöfe zu überdenken, weil er ihrem "spirituellen
Unbehagen" infolge
der Exkommunikation mit "väterlicher Einfühlsamkeit" begegne,
heisst es
in dem Dekret, mit welchem die Exkommunikation aufgehoben wird. Auch
glaube er ihren Versicherungen, mit den Autoritäten des Heiligen
Stuhls
ernsthaft über die bestehenden Differenzen reden zu wollen.
Tatsächlich
hatte Bischof Bernard Fellay in einem Brief vom 15. Dezember 2008 an
die Päpstliche Kommission "Ecclesia Dei" den Primat des Papstes
anerkannt und versichert, "die Lehren der katholischen Kirche" zu
akzeptieren. Von einer Akzeptanz der Konzilreformen findet sich in dem
Schreiben allerdings keine Zeile.
"Kein Zusammenhang"
Die Äusserungen von Bischof Richard Williamson zum Holocaust seien
zwar
"in keiner Weise akzeptabel", betonte Vatikansprecher Pater Federico
Lombardi. Doch die Rücknahme der Exkommunikation stehe mit den
Äusserungen des Traditionalistenbischofs "in keinem Zusammenhang".
Doch
es scheint, dass es sich der Vatikan damit etwas zu einfach macht: Die
Begnadigung der Traditionalisten und insbesondere Williamsons hat vorab
in der jüdischen Gemeinschaft, aber auch bei liberalen Katholiken,
Entrüstung ausgelöst.
Kritiker
Schärfste Kritik kommt vom Oberrabbiner David Rosen vom
Internationalen
Jüdischen Komitee für interreligiöse Konsultationen. Mit
der Rücknahme
der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe und Williamsons
"gefährdet
der Vatikan die historische Versöhnung zwischen der katholischen
Kirche
und des jüdischen Volkes", so Rosen. Er erinnert daran, dass
Benedikts
Vorgänger Johannes Paul II. den Antisemitismus als "Sünde
gegen Gott"
bezeichnet habe. Der Präsident der jüdischen Gemeinden in
Italien,
Renzo Gattegna, bezeichnet Ratzingers Entscheid ganz einfach als
"schrecklich".
Unbehagen machte sich auch innerhalb der Kirche breit. Der
Theologieprofessor der katholischen San-Raffaele-Universität in
Mailand, Vito Mancuso, bezeichnet die Milde des Vatikans gegenüber
den
Konzilkritikern auf der einen Seite und die "eisige Härte" etwa
bei
bioethischen Themen auf der anderen Seite als "völlig
unverhältnismässig". Der Präsident der Schweizer
Bischofskonferenz,
Bischof Kurt Koch, dagegen enthält sich einer Kritik. In einem
Communiqué erklärt Koch, dass der Heilige Vater mit der
Aufhebung der
Exkommunikation "die Hand zur Versöhnung" anbiete.
Fellay ist froh
"Mutig". Der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X., Bischof
Bernard Fellay, hat die Aufhebung der Exkommunikation gegen ihn und
drei weitere Bischöfe als "sehr mutig" gewürdigt. Er sei
froh, dass die
Dinge nun in Ordnung kämen, sagte er im Westschweizer Radio RSR.
Zu
Richard Williamson sagte Fellay, man dürfe nicht alles vermischen.
Er
bedaure diesen "unglücklichen" Auftritt. Deswegen könne man
aber nicht
der ganzen Bruderschaft Antisemitismus vorwerfen. AP
--
Tageskommentar
Gezielte Provokation
Heiner Hiltermann
Papst Benedikt XVI. ist ein erzkonservativer Kirchenfürst. Aus
seiner
Haltung hat er schon als Präfekt der Glaubenskongregation unter
Johannes Paul II. kein Hehl gemacht, als er linke Befreiungstheologen
wie Leonardo Boff massregelte und Kirchenkritikern wie Hans Küng
die
kirchliche Lehrerlaubnis entzog.
Auch nach seiner Wahl zum Pontifex ist sein konservativer Eifer
keineswegs einer dem Amt angemessenen päpstlichen Gelassenheit
gewichen. Eine Reihe Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils
waren Benedikt offensichtlich schon länger ein Dorn im Auge. Das
Verbot
der tridentinischen Messe - der Priester betet von den Gläubigen
abgewandt volksfern in lateinischer Sprache - hat er bereits vor
anderthalb Jahren aufgehoben. Die Einwände liberaler Katholiken
liessen
ihn kalt.
Dass Benedikt nun aber Antisemiten, ja sogar einen derzeit in
Deutschland wegen der Leugnung des Holocausts angeklagten
Lefebvre-Bischof ohne Skrupel wieder in den Schoss der Kirche aufnimmt,
ist ein Affront: gegen die jüdische Gemeinschaft, gegen den Staat
Israel, gegen alle Demokraten weltweit. Benedikt XVI. ist ein kluger
Kopf, da ist die Annahme erlaubt, dass die Provokation beabsichtigt
ist, sie wurde zumindest billigend in Kauf genommen.
Solange seine Worte und Taten nur innerkirchliche Aspekte beleuchten,
mögen sich über Benedikts Haltung nur liberale Katholiken
erregen. Doch
als Oberhirte über 1,1 Milliarden Gläubige ist er auch der
Öffentlichkeit verpflichtet. Auf diese Provokation müssen
auch unsere
Politiker reagieren. Und nicht nur die kritischen Katholiken, die in
wachsender Zahl der Kirche den Rücken kehren.
heiner.hiltermann@baz.ch
---
St. Galler Tagblatt 26.1.09
"Ein schrecklicher Entscheid"
Papst Benedikt XVI. hat die Exkommunikation der vier
traditionalistischen Lefebvre-Bischöfe aufgehoben, obwohl einer
von
ihnen vor wenigen Tagen erneut den Holocaust geleugnet hat.
Jüdische
Organisationen sind entsetzt. Auch Theologen äussern Kritik.
Der Bischof, der nun wieder in den Schoss der katholischen Kirche
zurückkehrt und damit in Kürze wohl auch ausserhalb seiner
Priesterbruderschaft St. Pius X. wieder die Sakramente erteilen und
Priester weihen darf, ist der Brite Richard Williamson. Er ist seit
langem für seine antisemitischen Ansichten bekannt und hat vor
kurzem
in einem Interview einmal mehr den Holocaust und die Existenz von
Gaskammern im Dritten Reich bestritten.
Der Bruch vor 21 Jahren
Mit der Aufhebung der Exkommunikation ist das jüngste Schisma
(Kirchenspaltung) der katholischen Kirche nach etwas mehr als zwanzig
Jahren beendet. Zum Bruch war es im Juli 1988 gekommen, nachdem der
französische Erzbischof Marcel Lefebvre ohne den Segen Roms vier
Mitglieder seiner Priesterbruderschaft St. Pius X. zu Bischöfen
geweiht
hatte.
Die fundamentalistische Bruderschaft lehnt alle wichtigen
Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils ab: die Ökumene, die
Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe, die
Liturgiereform.
Seit dem Tod von Lefebvre im Jahr 1991 wird die Gemeinschaft von dem
von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay geleitet. Sie hat mehr als 200
000 Anhänger in rund 40 Staaten; ihre Zentrale befindet sich in
Ecône
im Schweizer Kanton Wallis.
"Eine Geste des Friedens"
Benedikt XVI. habe beschlossen, die kirchenrechtliche Situation der
Bischöfe zu überdenken, weil er ihrem spirituellen Unbehagen
infolge
der Exkommunikation mit väterlicher Einfühlsamkeit begegne,
heisst es
in dem Dekret, mit welchem die Exkommunikation aufgehoben wird. Auch
glaube er ihren Versicherungen, mit den Autoritäten des Heiligen
Stuhles ernsthaft über die bestehenden Differenzen reden zu
wollen.
Tatsächlich hatte Bischof Bernard Fellay in seinem letzten Brief
vom
15. Dezember 2008 an die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei den
Primat
des Papstes anerkannt und versichert, die Lehren der katholischen
Kirche zu akzeptieren. Von einer Akzeptanz der Konzilreformen findet
sich in dem Schreiben allerdings keine Zeile.
Vatikan-Pressechef Lombardi nannte das Dekret des Papstes eine "Geste
des Friedens", bei der es allein darum gehe, die Anhänger
Lefebvres
wieder zu integrieren. Der Vatikan teile in keiner Weise die
Äusserungen zum Holocaust, über die auf eine andere Weise
gerichtet
werde. "Die Exkommunikation hat damit gar nichts zu tun."
"Gefährdete Aussöhnung"
Doch es scheint, dass es sich der Vatikan damit etwas zu einfach macht:
Die Begnadigung der Traditionalisten und insbesondere des
Holocaust-Leugners Richardson haben vorab in der jüdischen
Gemeinschaft, aber auch bei liberalen Katholiken, entrüstete
Reaktionen
ausgelöst.
Die schärfste Kritik kommt vom Oberrabbiner David Rosen vom
Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse
Konsultationen.
Mit der Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe
und
insbesondere Richardsons gefährdet der Vatikan die historische
Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und des jüdischen
Volkes,
betont Rosen. Der Oberrabbiner erinnert daran, dass Benedikts
Vorgänger
Johannes Paul II. den Antisemitismus als Sünde gegen Gott
bezeichnet
habe. Die Wiederaufnahme Richard Williamsons, betont Rosen, vergifte
die gesamte Kirche.
Der Präsident der jüdischen Gemeinden in Italien, Renzo
Gattegna,
bezeichnet den Entscheid des Papstes ganz einfach als schrecklich.
Milde ist "unverhältnismässig"
Unbehagen machte sich auch innerhalb der Kirche breit. Der
Theologieprofessor der katholischen San-Raffaele-Universität in
Mailand, Vito Mancuso, bezeichnet die Milde des Vatikans gegenüber
den
Konzilkritikern und dem Holocaust-Leugner Richardson auf der einen
Seite und der eisigen Härte beispielsweise bei bioethischen Themen
auf
der anderen Seite als völlig unverhältnismässig.
Keine Kritik von Bischof Koch
Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Kurt Koch,
dagegen enthält sich einer Kritik. In einem Communiqué
erklärt Koch,
dass der Heilige Vater mit der Aufhebung der Exkommunikation die Hand
zur Versöhnung anbiete.
Benedikt XVI. sei bei seiner Entscheidung von der Überzeugung
geleitet
gewesen, dass nach der Anerkennung des Lehramtes und der Autorität
des
Papstes gute Aussichten bestehen, dass die anstehenden Gespräche
über
die noch ungelösten Fragen hinsichtlich der verbindlichen Annahme
des
Zweiten Vatikanischen Konzils zu einem guten Ende gebracht werden.
Dominik Straub
--
"Keine Gaskammern"
In einem Interview mit dem schwedischen Fernsehsender SVT sagte Bischof
Richard Williamson unter anderem:
"Ich glaube, dass die historischen Fakten eindeutig dagegen sprechen,
dass sechs Millionen Juden in Gaskammern vergast wurden als durchdachte
Politik von Adolf Hitler.(. . .) Ich glaube, es hat keine Gaskammern
gegeben. (. . .) Die seriösesten Revisionisten kommen zum Schluss,
dass
200 000 bis 300 000 Juden in Nazi-Konzentrationslagern umkamen, aber
keiner von ihnen durch Vergasen in einer Gaskammer".
Das Interview mit dem Briten Williamson führte der Fernsehsender
in
Bayern. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat daher in diesen Tagen
ihre Ermittlungen gegen Bischof Williamson wegen Volksverhetzung
aufgenommen. (red.)
---
Landbote 26.1.09
Papst begnadigt Leugner des Holocaust
Papst Benedikt hat die Exkommunikation der vier erzkonservativen
Lefebvre-Bischöfe aufgehoben, obwohl einer von ihnen vor wenigen
Tagen
den Holocaust geleugnet hat. Liberale Katholiken und
Judenorganisationen sind konsterniert.
Rom - Der Bischof, der nun wieder in den Schoss der katholischen Kirche
zurückkehrt und damit in Kürze wohl auch ausserhalb seiner
fundamentalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. wieder die
Sakramente erteilen und Priester weihen darf, ist der Brite Richard
Williamson. Er ist seit Langem für seine antisemitischen Ansichten
bekannt und hat erst vor Kurzem in einem Interview einmal mehr den
Holocaust und die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich bestritten.
Antijüdische Reflexe sind unter Lefebvre-Anhängern weit
verbreitet.
"Väterliche Einfühlsamkeit"
Mit der Aufhebung der Exkommunikation ist das jüngste Schisma
(Kirchenspaltung) der katholischen Kirche nach etwas mehr als zwanzig
Jahren beendet. Zum Bruch war es im Juli 1988 gekommen, nachdem der
französische Erzbischof Marcel Lefebvre ohne den Segen Roms vier
Mitglieder seiner Priesterbruderschaft St. Pius X. zu Bischöfen
geweiht
hatte. Die fundamentalistische Bruderschaft lehnt alle wichtigen
Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils ab: die Ökumene, die
Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe, die
Liturgiereform.
Seit dem Tod von Lefebvre im Jahr 1991 wird die Gemeinschaft von dem
von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay geleitet. Sie hat mehr als 200
000 Anhänger in rund 40 Staaten; ihre Zentrale befindet sich in
Ecône
im Schweizer Kanton Wallis. Benedikt XVI. habe beschlossen, die
kirchenrechtliche Situation der Bischöfe zu überdenken, weil
er ihrem
"spirituellen Unbehagen" infolge der Exkommunikation mit
"väterlicher
Einfühlsamkeit" begegne, heisst es in dem Dekret, mit welchem die
Exkommunikation aufgehoben wird. Auch glaube er ihren Versicherungen,
mit den Autoritäten des Heiligen Stuhles ernsthaft über die
bestehenden
Differenzen reden zu wollen. Tatsächlich hatte Bischof Bernard
Fellay
in seinem letzten Brief vom 15. Dezember 2008 an die Päpstliche
Kommission "Ecclesia Dei" den Primat des Papstes anerkannt und
versichert, "die Lehren der katholischen Kirche" zu akzeptieren. Von
einer Akzeptanz der Konzilreformen findet sich in dem Schreiben
allerdings keine Zeile. Die Äusserungen von Bischof Richard
Williamson
zum Holocaust seien zwar "in keiner Weise akzeptabel", betonte
Vatikansprecher Pater Federico Lombardi am Samstag. Doch die
Rücknahme
der Exkommunikation mit den Äusserungen des
Traditionalistenbischofs
"in keinem Zusammenhang". Dabei handle es sich um einen "anderen
Vorgang".
Scharfe Kritik an Entscheid
Doch es scheint, dass es sich der Vatikan damit etwas zu einfach macht:
Die Begnadigung der Traditionalisten und insbesondere des
Holocaust-Leugners Williamson haben vorab in der jüdischen
Gemeinschaft, aber auch bei liberalen Katholiken entrüstete
Reaktionen
ausgelöst. Die schärfste Kritik kommt vom Oberrabbiner David
Rosen vom
Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse
Konsultationen.
Mit der Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe
und
insbesondere Williamsons "gefährdet der Vatikan die historische
Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und des jüdischen
Volkes",
betont Rosen. Der Oberrabbiner erinnert daran, dass Benedikts
Vorgänger
Johannes Paul II. den Antisemitismus als "Sünde gegen Gott"
bezeichnet
habe. Die Wiederaufnahme Williamsons, betont Rosen, "vergiftet die
gesamte Kirche". Der Präsident der jüdischen Gemeinden in
Italien,
Renzo Gattegna, bezeichnet den Entscheid Ratzingers ganz einfach als
"schrecklich".
Hand zur Versöhnung bieten
Unbehagen machte sich auch innerhalb der Kirche breit. Der
Theologieprofessor der katholischen San-Raffaele-Universität in
Mailand, Vito Mancuso, wies bezeichnet die Milde des Vatikans
gegenüber
den Konzilkritikern und dem Holocaust-Leugner Williamson auf der einen
Seite und die "eisige Härte" beispielsweise bei bioethischen
Themen auf
der anderen Seite als "völlig unverhältnismässig". Der
Präsident der
Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Kurt Koch, dagegen enthält
sich
einer Kritik. In einem Communiqué erklärt Koch, dass der
Heilige Vater
mit der Aufhebung der Exkommunikation "die Hand zur Versöhnung"
anbiete. Benedikt XVI. sei bei seiner Entscheidung von der
Überzeugung
geleitet gewesen, dass nach der Anerkennung des Lehramtes und der
Autorität des Papstes gute Aussichten bestehen, dass die
anstehenden
Gespräche über die noch ungelösten Fragen hinsichtlich
der
verbindlichen Annahme des Zweiten Vatikanischen Konzils zu einem guten
Ende gebracht werden.
Nicht die erste Provokation von Papst Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI. gab nur zwei Tage nach seiner Wahl bekannt, dass er
"den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Söhnen und
Töchtern des
jüdischen Volkes weiterführen und verstärken" wolle. Von
der
versprochenen Weiterführung oder gar Verstärkung des Dialogs
kann
jedoch keine Rede sein, im Gegenteil: Seit Ratzinger als Benedikt XVI.
auf dem Stuhl Petri sitzt, haben sich die Beziehungen zwischen dem
Vatikan und der jüdischen Gemeinschaft immer mehr verschlechtert.
Zu
einem ersten Eklat kam es im März vergangenen Jahres, als Benedikt
XVI.
mit einer Neufassung der Karfreitagsfürbitte alte Wunden
aufgerissen
hatte. In dieser lateinischen Fürbitte beten die katholischen
Gläubigen, dass Gott die Herzen der Juden erleuchten möge,
auf dass
auch sie Jesus Christus als Herrn anerkennen. Der Bekehrungswunsch
für
die Juden war 1970 abgeschafft worden, unter anderem, weil er im
Mittelalter zu Demütigungen und Ausschreitungen gegen die
"perfiden"
und "verblendeten" Juden geführt hatte. Der Zentralrat der Juden
in
Deutschland forderte den Papst umgehend auf, das Gebet
zurückzunehmen.
Das tat der Pontifex jedoch nicht, womit er deutlich machte, zu welchen
Konzessionen er gegenüber den Fundamentalisten in der katholischen
Kirche bereit war.
Zu erheblichen Irritationen in der jüdischen Welt und in Israel
führt
auch das laufende Seligsprechungsverfahren für Pius XII. Der 1957
verstorbene Pacelli-Papst war während des Zweiten Weltkriegs
Oberhaupt
der römisch-katholischen Kirche; die Juden werfen ihm
Untätigkeit und
Gleichgültigkeit angesichts des Holocausts vor. Ratzinger hat
seinen
umstrittenen Vorgänger im November mit warmen Worten gelobt und
weigert
sich standhaft, das Seligsprechungsverfahren auf Eis zu legen. Für
viele Juden und Holocaust-Überlebende wäre eine
Seligsprechung Pius
XII. eine weitere Provokation, welche die fehlende Sensibilität
des
deutschen Papstes bei diesem ungemein heiklen Thema belegen würde.
---
Le Temps 26.1.09
La décision du Vatican de lever la sanction frappant les
évêques
lefebvristes a suscité un tollé dans les
communautés juives, à la suite
des propos négationnistes tenus par un des prélats
Ecône: le pape annule l'excommunication
Samedi, le Vatican a publié le décret annulant
l'excommunication des
quatre évêques ordonnés en 1988 à
Ecône par Mgr Lefebvre. Cette
décision a soulevé l'indignation de plusieurs
communautés juives. En
effet, la publication du décret intervient après que l'un
des évêques
lefebvristes, Mgr Richard Williamson, eut tenu des propos
négationnistes lors d'une émission diffusée
mercredi par la télévision
suédoise. Au cours d'une interview, il a affirmé qu'il ne
croyait pas à
l'existence des chambres à gaz, et que seuls 200 000 à
300 000 Juifs
avaient péri dans les camps de concentration durant la Seconde
Guerre
mondiale. Vendredi, le parquet de Ratisbonne, en Allemagne, a ouvert
une enquête sur lui (LT du 24.01.09).
La publication du décret est "un signal négatif,
angoissant et
incompréhensible". Renzo Gattegna, le président de
l'Union des
communautés juives italiennes, n'a pas mâché ses
mots pour dire son
indignation à l'agence Ansa. "C'est terrible qu'un
évêque niant la
Shoah, un fait historique incontestable, soit réhabilité
et légitimé."
Riccardo Di Segni, le grand rabbin de Rome, s'est montré aussi
inquiet:
"Des nuages menaçants semblent s'amonceler sur le dialogue entre
juifs
et chrétiens", a-t-il dit à la même agence. Le
rabbin David Rosen,
président du Comité juif international engagé dans
le dialogue
interreligieux, a confié de son côté que
l'annulation de
l'excommunication de Mgr Williamson "contamine l'Eglise tout
entière".
En Israël, l'institut Yad Vashem de commémoration de la
Shoah a exprimé
son indignation, tout comme le centre Simon Wiesenthal. En France, la
Ligue internationale contre le racisme et l'antisémitisme a
également
fait part de son inquiétude. Dans une déclaration
à l'ATS, la
Fédération suisse des communautés
israélites s'est dite préoccupée,
estimant que l'Eglise catholique "couvre symboliquement" les propos
négationnistes de Mgr Williamson.
Le geste du pape n'a "rien à voir" avec ces propos, a
affirmé le père
Federico Lombardi, porte-parole du Vatican. De fait, l'interview a
été
enregistrée plusieurs semaines avant sa diffusion, et
visiblement le
Vatican n'a pas voulu retarder la publication du décret,
daté du 21
janvier. De son côté, Mgr Bernard Fellay, supérieur
général de la
Fraternité Saint-Pie X, explique que celle-ci ne partage pas les
opinions de Mgr Williamson (lire ci-dessous).
Signé par le cardinal Giovanni Battista Re, préfet de la
Congrégation
pour les évêques, le décret exprime la
volonté du Vatican de
"promouvoir l'unité dans la charité universelle et, par
là, enlever le
scandale de la division". Il cite une lettre de Mgr Bernard Fellay
datée du 15 décembre 2008 et adressée au cardinal
Dario Castrillon
Hoyos, responsable du dossier des lefebvristes au Vatican. Dans cette
lettre, Mgr Fellay sollicitait la levée de l'excommunication et
manifestait son attachement à l'Eglise catholique: "Nous
acceptons ses
enseignements dans un esprit filial. Nous croyons fermement au primat
de Pierre et à ses prérogatives, c'est pourquoi la
situation actuelle
nous fait tant souffrir", précise le décret. Confiant
dans "leur
engagement" à "n'épargner aucun effort pour approfondir
dans des
colloques nécessaires les questions encore ouvertes avec les
autorités
du Saint-Siège", Benoît XVI a donc décidé
d'annuler l'excommunication.
En espérant que ce pas "soit suivi sans tarder de la pleine
communion
avec l'Eglise de toute la Fraternité Saint-Pie X".
Plusieurs questions, de nature juridique et théologique, doivent
encore
être discutées avant que l'unité soit
réalisée. Notamment le statut de
la Fraternité et celui de ses évêques. Sur le plan
doctrinal, la
Fraternité n'a jamais caché son opposition au Concile
Vatican II. Dans
une lettre aux fidèles datée du 24 janvier, Mgr Fellay
rappelle "que
nous acceptons et faisons nôtres tous les conciles jusqu'à
Vatican II
au sujet duquel nous émettons des réserves". Celles-ci
concernent
essentiellement la liberté religieuse et l'œcuménisme.
Dans un communiqué, Mgr Koch, président de la
Conférence des évêques,
estime qu'"avec la levée de l'excommunication des quatre
évêques, le
pape offre une main tendue pour la réconciliation". Selon le
Père
Albert Longchamp, provincial des jésuites de Suisse, la
décision de
Benoît XVI constitue cependant "un problème pastoral".
Elle "pourrait
provoquer d'autres divisions, y compris au sein de la
Fraternité. La
volonté de réintégrer celle-ci est honorable, mais
on ne peut pas dire
"bravo, la famille est réconciliée".
--
Mgr Fellay se dit confiant dans l'avenir
"Je crois à l'infaillibilité de l'Eglise"
Propos recueillis par P. Br.
- Condamnez-vous les propos négationnistes de Mgr Williamson?
- Ce n'est pas à moi de les condamner. Je n'ai pas de
compétences pour
cela. Mais je déplore qu'un évêque ait pu donner
l'impression d'engager
la Fraternité dans un avis qui n'est absolument pas le
nôtre.
- Selon des observateurs, la décision du pape pourrait
créer des
divisions au sein de la Fraternité. Tous les fidèles et
les prêtres ne
seraient pas prêts à l'unité.
- Je ne crains rien. Il peut toujours y avoir une voix discordante ici
ou là. Mais le zèle que les fidèles ont mis
à prier le chapelet pour
demander la levée des excommunications en dit long sur notre
union;
1 700 000 rosaires ont été dits en deux mois et demi.
- Dans votre lettre aux fidèles du 24 janvier, vous manifestez
votre
souhait d'examiner avec Rome les causes profondes de "la crise sans
précédent qui secoue l'Eglise aujourd'hui". Quelles sont
ces causes?
- Pour l'essentiel, cette crise est due à une nouvelle approche
du
monde, une nouvelle vue de l'homme, à savoir un
anthropocentrisme qui
consiste en une exaltation de l'homme et un oubli de Dieu.
L'arrivée
des philosophies modernes, avec leur langage moins précis, a
amené une
confusion dans la théologie.
- Le Concile Vatican II est-il aussi responsable de la crise de
l'Eglise selon vous?
- Tout ne vient pas de l'Eglise. Mais il est vrai que nous rejetons une
partie du concile. Benoît XVI lui-même a condamné
ceux qui revendiquent
l'esprit de Vatican II pour demander une évolution de l'Eglise
en
rupture avec son passé.
- Au centre des critiques que vous faites à Vatican II, il y a
l'œcuménisme et la liberté religieuse.
- La recherche de l'unité de tous dans le corps mystique de
l'Eglise
est notre désir le plus cher. Cependant, la méthode
utilisée n'est pas
adéquate. Aujourd'hui, on insiste tellement sur les points qui
nous
unissent aux autres confessions chrétiennes qu'on oublie ceux
qui nous
séparent. Nous pensons que ceux qui ont quitté l'Eglise
catholique,
c'est-à-dire les orthodoxes et les protestants, doivent y
revenir. Nous
concevons l'œcuménisme comme un retour à l'unité
de la Vérité.
Concernant la liberté religieuse, il convient de distinguer deux
situations: la liberté religieuse de l'individu, et les
relations entre
l'Eglise et l'Etat. La liberté religieuse implique la
liberté de
conscience. Nous sommes d'accord avec le fait qu'on n'a pas le droit de
forcer quelqu'un à accepter une religion. Quant à notre
réflexion sur
les relations entre l'Eglise et l'Etat, elle se base sur le principe de
tolérance. Il nous paraît évident que là
où il y a plusieurs religions,
l'Etat doit veiller à leur bonne entente et à la paix.
Reste qu'il n'y
a qu'une religion qui est vraie, et les autres ne le sont pas. Mais
nous tolérons cette situation pour le bien de tous.
- Que se passera-t-il si les négociations échouent?
- Je suis confiant. Si l'Eglise dit quelque chose aujourd'hui en
contradiction avec ce qu'elle a enseigné hier, et qu'elle nous a
obligés à accepter ce changement, alors elle doit en
expliquer la
raison. Je crois à l'infaillibilité de l'Eglise, et je
pense que nous
arriverons à une solution vraie.
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EUROPRIDE
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NZZ 26.1.09
"Viele wollen mit uns Geld machen, aber nicht zu uns stehen"
Die Euro-Pride, das Fest der lesbisch-schwulen Gemeinschaft,
stösst bei Sponsoren auf Zurückhaltung
Die Austragung der Euro-Pride, des europäischen Festivals von
Homosexuellen, findet diesen Frühling in Zürich statt und
dürfte gegen
100 000 Menschen anlocken. Obwohl Schwule und Lesben ein lukratives
Werbe-Zielpublikum sind, scheuen sich Firmen davor, den Anlass zu
sponsern. Nun muss das Festival den Gürtel enger schnallen.
ami. Ähnlich wie bei den Europameisterschaften im
Fussball ringen
jeweils mehrere Städte um die Austragung der Euro-Pride. Dass sich
Zürich gegen Tel Aviv und Mannheim habe durchsetzen können,
sei darauf
zurückzuführen, dass die Schweiz als erstes Land das
Partnerschaftsgesetz mit der Zustimmung des Volkes eingeführt
habe,
erzählen Karin Grundböck und Jürg Koller. Sie
präsidieren den Verein
Euro-Pride 09, der sich um die Organisation des Anlasses kümmert.
Geholfen habe für den Zuschlag auch die tatkräftige
Unterstützung von
der Stadt und den Tourismusbehörden. Das Festival, das aus
kulturellen
und politischen Anlässen, Partys und einer bunten Parade als
Höhepunkt
besteht, findet vom 2. Mai bis zum 7. Juni statt und dürfte bis zu
100
000 Menschen nach Zürich locken.
Graues Bankenimage aufpeppen
Die Euro-Pride ist ein Event mit internationaler Ausstrahlung,
Anlässe
dieser Art wünschen sich der Zürcher Tourismusverband sowie
der
scheidende Stadtpräsident Elmar Ledergerber für die
Limmatstadt. Um die
Euro-Pride in Zürich zu bewerben, investiert Zürich Tourismus
rund 100
000 Franken. Der Fokus dieser Investitionen liegt dabei vor allem auf
Deutschland, England und den USA, wo Zürich etwa auf Websites und
in
Magazinen der Gay-Community als "Gay Capital of Switzerland"
angepriesen wird.
Maurus Lauber, Marketingleiter bei Zürich Tourismus,
erwartet, dass
die Euro-Pride Zürichs bunte und weltoffene Seite in der Welt
bekannt
machen wird. Trotz Street Parade, vielseitigem Nachtleben und
Kulturangebot klebe an Zürich nach wie vor das graue Image einer
Finanzmetropole. Zürich, so hofft Lauber, werde nach der
Austragung zu
den Top-Reisedestinationen auf der Landkarte der reise- und
kauffreudigen Schwulen und Lesben werden. "Gleichgeschlechtliche Paare
sind sogar lebens- und ausgabefreudiger als kinderlose heterosexuelle
Paare. Sie wollen das Leben geniessen und gönnen sich Lifestyle
und
Luxus", sagt Lauber. Dass Zürich als Schwulenstadt andere
Touristen -
etwa aus Saudiarabien - abschrecken könnte, hält der
Marketingleiter
für unwahrscheinlich. "Saudis schätzen an Zürich die
Offenheit und
Toleranz - auch ihnen und ihren Kleidernormen gegenüber."
Obwohl Homosexuelle als Kundschaft begehrt sind, haben die
Organisatoren des Festivals Mühe, Sponsoren zu finden. Einen
Strich
durch die Rechnung machte ihnen zwar auch die Finanzkrise - das Problem
liegt jedoch tiefer. "Die Firmen haben Vorbehalte. Sie wollen sich
nicht in diesem Markt positionieren", sagt Jürg Koller,
Co-Präsident
des Euro-Pride-Trägervereins. Die Unternehmen fürchteten,
durch die
Bewerbung von Schwulen und Lesben heterosexuelle Kunden zu vergraulen.
"Viele Firmen wollen mit uns Geld verdienen, nicht aber zu uns stehen",
sagt Koller. So störten sich einige Unternehmen auch am Umstand,
dass
das Fest auf dem Münsterhof und dem Stadthausareal im Herzen
Zürichs
stattfindet, sagt Koller. Hier sehe eine breite Öffentlichkeit,
wer für
Homosexuelle werbe. Diese Publicity geht den Firmen offenbar zu weit.
Noch sei man mit einigen Firmen am Verhandeln. Als Sponsoren haben
bisher unter anderem Nivea, Coca-Cola, Compass-Group, British Airlines
und SBB Railaway zugesagt.
Abstriche beim Programm
Aufgrund der tiefen Sponsoringeinnahmen werde das Festival ein
paar
Abstriche beim Programm machen müssen, sagt Koller, einigen Bands
und
Künstlern habe abgesagt werden müssen. Die Finanzierung sei
jedoch
grundsätzlich nicht gefährdet. Die Organisatoren sind
enttäuscht über
die Wirtschaft, zumal die letzten beiden Austragungen der Euro-Pride in
Stockholm und Madrid dank starken Sponsoren sehr gut finanziert waren.
Das Verhalten der hiesigen Firmen zeige jedoch, dass Schwule und Lesben
nach wie vor für ihre Rechte kämpfen müssten. Man habe
seit dem ersten
Schwulen-und-Lesben-Aufstand in der Christopher Street in New York 1969
- an den auch in Zürich jährlich mit dem Christopher Street
Day (CSD)
erinnert wird - politisch viel erreicht, sagt Co-Präsidentin Karin
Grundböck. Und dafür wolle man der Bevölkerung danken.
Nach wie vor
müssten Schwule und Lesben allerdings gerade am Arbeitsplatz gegen
Vorurteile und Diskriminierungen kämpfen. In der Schule gelte
"schwul"
noch immer als Schimpfwort. Im Rahmen des Festivals wolle man deshalb
an Workshops und Podien auch Themen wie Diversity in Unternehmen oder
im Militär diskutieren. Die Euro-Pride-Veranstalter wollen zudem
im
Stadtzentrum Zürichs den Dialog mit der Bevölkerung suchen,
um Fragen
und Ängsten zu begegnen, aber auch um gemeinsam 40 Jahre
Pride-Bewegung
zu feiern.
--
Euro-Pride in Zürich
ami. Die Euro-Pride dauert normalerweise bloss 10 Tage. In
Zürich
wurde der Event mit dem schwul-lesbischen Kultur-Monat Warmer Mai und
dem Filmfestival Pink Apple verbunden und dauert deshalb über vier
Wochen. Höhepunkt wird die Parade am 6. Juni mit dem Fest in der
"Euro-Pride-Village" auf dem Münsterhof. Bestandteil des Festivals
sind
auch Fachtagungen zu juristischen, politischen und wirtschaftlichen
Themen rund um die Homosexualität. Informationen unter
www.europride09.eu.