MEDIENSPIEGEL 28.1.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipp (DS)
- Voodoo Rhythm in Suisa-Finanznöten
- Wegweisungsboom in Bern
- Demo gegen WEF-Mauer; Tibet-Demo-Eklat
- Arbeitskampf bei Schweizer Robocops
- Farbe gegen UBS Zug + Anschlag-Tipps
- Fake the WEF: die alljährliche 20 Minuten-Beilage ist da
- Anti-WEF-Demo Basel: Widmer-Schlumpf ist auch in der Stadt
- Anti-WEF-Demo Genf: Petition + Gewerbe-Barrikaden
- Anti-WEF-Demo Davos: 2 Demos
- Das andere Davos in Zürich
- Nestlé-Präsident Brabeck am Menschenrechtsforum Luzern
- Antisemitismus: Historisches, Aktuelles Inti, Stellungsnahme aus Ecône
- Fonds für Erhalt von Auschwitz
- PNOS vor Bezirksgericht Aarau
- Squat-Skandal Baden: Juso- und SP-Lampenputzer distanzieren sich
- Big Brother Nokia: GPS-Überwachung
- Anti-Atom: Tschüss Atel - Sälü Alpiq; Atomfürst Sarkozy


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REITSCHULE
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- Jan 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Mi 28.01.09  
19.00 Uhr - SousLePont - USA/Kanada Spezialitäten
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne #109

Do 29.01.09
18.00 Uhr - Heiliggeistkirche - Spontankundgebung für die Wahrung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit
20.30 Uhr - Kino - UNCUT: Was am Ende zählt, Julia von Heinz, D, 104 Min.

Fr 30.01.09
21.00 Uhr - Frauenraum - Words are not enough. Sister`s Funky Tounge feat. Die Rosastunde mit Rosa & Munde.
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: Grundeinkommen, Daniel Häni und Enno Schmidt, Schweiz 2008. Anschliessend Diskussion mit den Autoren Daniel Häni, Enno Schmidt sowie Therese Wüthrich Gewerkschafssekretärin Comedia

Sa 31.01.09
21.00 Uhr - Kino - Gemeinsam verändern, alles gewinnen: La Estrategia del caracól, Sergio Cabrera, Kolumbien 1993.
22.00 Uhr - SousLePont - Esperanto #2: Conchez Connected No-Stars: Direct Raption, Collie Herb, Mer2we, DJ Jango, King Killa SoundBoy Squad (Rap, Hip-Hop, Ragga, Reggae)
23.00 Uhr - Dachstock - Diskoquake: Radioclit (UK/SWE) & Round Table Knights (BE)

So 1.2.09
08.00 - Grosse Halle/Vorplatz - Flohmarkt
09.00 - Sous le Pont - Café & Brunch

Infos: www.reitschule.ch

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Kulturagenda.be 29.1.09

Diskoquake im Dachstock

Sie pflegen einen breiten Stilmix aus Baile Funk, Reggaeton, Urban African Styles und Electro Rave Pop aufzulegen: Radioclit (Bild) aus London. Neben dem Duo, das sich auch schon als M.I.A-Produzententeam hervorgetan hat, legen die Round Table Knights ihre Platten auf die Teller. Dass die Berner wissen, wie man eine Party rockt, ist hinlänglich bekannt. Dachstock der Reitschule, Bern. Sa., 31.1., 23 Uhr

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kulturstattbern.derbund.ch 26.1.09

Frau Feuz empfiehlt
am Samstag die Tanzschuhe aus dem Schrank zu klauben und in den Dachstock zu stiefeln. Dort legt Radioclit auf, ein DJ- und Produktions-Team aus London, welches unter anderem M.I.A. und Santogold produziert hat. Stilistisch bewegt sich das Ganze irgendwo zwischen "Ghettopop, Bongo Dance oder Tropical World Clash". Mit von der Partie: Die unverwüstlichen Round Table Knights.

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VOODOO RHYTHM
voodoorhythm.com
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Bund 28.1.09

"Voodoo Rhythm" in Bedrängnis

Stadt Bern Das kleine Berner Musiklabel Voodoo Rhythm Records von Beat "Beat-Man" Zeller kämpft gegen das unfreiwillige Ende. Der Grund: Die Musik-Urheberrechts-Gesellschaft Suisa fordert 42500 Franken von der Firma, zahlbar innert 30 Tagen. Dies schreibt Zeller auf der Voodoo-Rhythm-Homepage und in einem Mail an die Kundschaft. Zeller: "Ich habe über die Jahre hinweg zu sehr fairen Bedingungen produziert und den Bands die Produktionen, die sie machten, zum Selbstkostenpreis verkauft." Dies habe den Bands ermöglicht, auf ihren Touren trotz kleinen Gagen ein Plus zu erzielen. Leider habe er dies nicht schriftlich mit der Suisa geregelt. Die Gesellschaft fordere nun rückwirkend Gebühren auf alle Produktionen von Voodoo Rhythm. Geld, das den Bands zukommen soll, das diese, so Zeller, aber gar nicht wollten. Mit dieser Argumentation komme Voodoo Rhythm bei der Suisa aber "leider nicht durch". Da es dem Label unmöglich sei, den Betrag aus der eigenen Kasse zu begleichen, ruft Zeller zu einer Spendenaktion auf. "Ansonsten müssen wir in Erwägung ziehen, Voodoo Rhythm zu schliessen." (ige)

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WEGWEISUNG BE
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Bund 28.1.09

Nur kurze Entspannung

Seit Juli 2008 wurden in Bern über 300 Wegweisungen ausgesprochen, im Halbjahr zuvor waren es nur 76

2008 wurden in der Stadt Bern knapp 400 Fernhalteverfügungen ausgesprochen - meistens gegen Drogenabhängige.

Im letzten Sommer hatte es danach ausgesehen, als könne sich die Hauptstadt auf die Schultern klopfen. 76 Wegweisungen hatte die Polizei bis Mitte Jahr nur verfügt - so wenig wie noch nie, seit in Bern Personen weggewiesen werden können, die andere erheblich belästigen, gefährden oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören. Der zusätzliche Einsatz von Pinto, das neue Alkistübli auf dem Kurzparking des Bahnhofs und die Öffnung der Drogenanlaufstelle sonntags hätten zum Rückgang beigetragen, erklärte Sven Baumann, Generalsekretär der Sozialdirektion, im Juli 2008 auf Anfrage.

Ein halbes Jahr sieht sich Baumann mit Zahlen konfrontiert, die ihn nicht wirklich erfreuen. Über 300 Wegweisungen sind im zweiten Halbjahr verfügt worden. Insgesamt seien in der Stadt Bern 2008 knapp 400 Fernhalteverfügungen ausgesprochen worden, sagte Polizeisprecher Jürg Mosimann. In der Mehrzahl seien Drogenabhängige von diesen Massnahmen betroffen gewesen. Laut Mosimann intervenierte die Polizei vor allem rund um die Schützenmatte häufiger. Dies auf Geheiss des Gemeinderates, dem die offene Drogenszene ein Dorn im Auge ist. Keine Angaben konnte Mosimann zur Zahl der angezeigten Personen machen.

Baumann wollte gestern "keine Zahlen kommentieren, ohne sie im Detail zu kennen". Weiter sagt er, ihm seien keine Sachverhalte bekannt, die grössere Wegweisungsaktionen notwendig gemacht hätten. Auf der Schützenmatte habe sich die Situation stabilisiert, seit die Polizei und Pinto ihre Präsenz erhöht hätten. Die stark rückläufige Zahl von Wegweisungen in der ersten Jahreshälfte führt die Polizei auf den Umbau des Bahnhofplatzes zurück. Die Drogenkonsumierenden hätten sich während der Umgestaltung anderweitig getroffen, sagte Mosimann. Einen Einfluss hatte auch die Euro08, die rund 200000 ausländische Besucher nach Bern lockte. Während des dreiwöchigen Grossanlasses war die Polizeipräsenz markant höher. Zudem seien drogenabhängige Personen während der Fussball-EM weniger aufgefallen, was zu deutlich weniger Meldungen aus der Bevölkerung geführt habe, so Mosimann.

Bern ist nicht die einzige Stadt, in der Wegweisungen möglich sind. Die Städte Winterthur und Chur kennen diese Praxis auch. Am 8. Februar wird in Basel und Luzern über die Einführung von Wegweisungsartikeln abgestimmt. (ruk)

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Wegweisungen

Die Stadt Bern nimmt eine Vorreiterrolle ein punkto Wegweisungen. Laut Artikel 29 des bernischen Polizeigesetzes ist es Personen, deren Verhalten zur Wegweisung geführt hat, während der Dauer von drei Monaten verboten, sich an einem bestimmten öffentlichen Ort in Gruppen aufzuhalten.1999-2003 waren jeweils rund 800 Personen von Wegweisungen betroffen. 2004 meldete die Polizei 560 Wegweisungen, ein Jahr später waren es noch 420, 2006 gar nur 297 Verfügungen. 2007 verfügte die Polizei 487 Wegweisungen. (ruk)

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DIE (CHINESISCHE) WEF-MAUER MUSS WEG
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Für die Wahrung der Meinungsfreiheit - auch während dem WEF!

Spontankundgebung Donnerstag, 29.1.09 um 18.00 Uhr bei der Heiligeistkirche in Bern

Wir sind empört über das völlig unverhältnismässige Vorgehen der Polizei gegen tibetische DemonstrantInnen, die heute beim Bundesplatz gegen den Arbeitsbesuch des chinesischen Premierministers protestieren wollten. Die etwa 30 Demonstrierenden, darunter viele Kinder, verhielten sich absolut friedlich, dennoch wurden mehrere Menschen unter spontanem Protest von PassantInnen von der Polizei abgeführt. Einige von ihnen wurden in Polizeihaft genommen, andere erhielten eine 24stündige Wegweisung unter Androhung einer Busse.

Die grossflächige Absperrung der Innenstadt rund um Bundesgasse/-platz, das riesige Polizeiaufgebot und der Einsatz der Polizeikräfte zeigen, dass der Bundesrat seine wirtschaftlichen Interessen höher gewichtet als die Versammlungsfreiheit.

Eine ähnliche Situation präsentiert sich in anderen Schweizer Städten: Einmal mehr wurde den OrganisatorInnen einer Anti-WEF-Demonstration kurzfristig die Bewilligung verwehrt (Genf) und WEF-KritikerInnen, welche sich in Solothurn versammelt haben, wurden letzten Samstag mit Gummischrot an der Durchführung einer Kundgebung gehindert.

Es ist skandalös, dass in unserem Land, welches sich Demokratie und Meinungsfreiheit auf die Fahnen schreibt, die genannten Werte nicht mehr viel gelten, sobald wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen.

Wir fordern:

-    Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit muss zu jeder Zeit gewährleistet werden.
-    Wirtschaftliche Interessen dürfen nicht über demokratische Rechte gestellt werden.
-    Stopp der wirtschaftlichen Beziehungen mit Staaten, welche die Menschenrechte missachten

Folgende Organisationen unterstützen die Spontankundgebung (Stand 28.1.09, 11.25): Junge Alternative JA!, attac Bern, Grünes Bündnis, grundrechte.ch, Grüne Partei Bern GPB-DA, PdA Bern

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BZ 28.1.09

Besuch des chinesischen Premierministers

Der hohe Gast sah nichts vom Protest

Jürg Spori

Tibetische Aktivisten versuchten gestern, den Besuch des chinesischen Premiers zu stören. Der Gast bemerkte davon nichts.

Die Eisbahn auf dem Bundesplatz ist zu. Nachdem am Mittag die letzten Marktfahrer abgezogen sind, stellen Polizisten Absperrgitter auf. Auch die Kochergasse vor dem Hotel Bellevue Palace, wo der Chinesische Premierminister Wen Jiabao logiert, ist bereits abgesperrt. Im Münzgraben stehen Aargauer Polizisten in Bereitstellung. Hundeführer der Kantonspolizei Bern bewachen mit ihren Tieren den Zugang zum Fünfsternehotel vom Casino-Parking her.

Um 13 Uhr kreuzen die ersten tibetischen Demonstranten vor dem Café Fédéral auf; angeführt vom Musiker Loten Namling. Die Männer, Frauen und Kinder schwenken die tibetische Flagge und rufen "Free Tibet!" Zwei Meter hinter den Gittern lächelt eine Polizistin den Exil-Tibetern zu. Die Polizisten lassen die Aktivisten gewähren, obwohl diese keine Bewilligung für eine Kundgebung auf dem Bundesplatz bekommen haben.

Angebot ausgeschlagen

Und jetzt macht die Polizei den Tibetern sogar das Angebot, auf dem belebten unteren Waisenhausplatz zu demonstrieren. Doch die Aktivisten schlagen das Angebot aus. Sie schreien immer lauter "Free Tibet!".

Um 14.30 Uhr stellt die Polizei den Exil-Tibeter das Ultimatum, bis um 15 Uhr abzuziehen. Dieser Aufforderung kommen sie jedoch nicht nach. Als Wen Jiabao auf der Autobahn von Kriegstetten Richtung Bern braust, müssen die Polizisten auf dem Bundesplatz handeln. Noch einmal fordern sie den Anführer Loten Namling auf, den Platz zu verlassen. Ohne Erfolg.

 Zwei Polizisten halten den Anführer fest und führen ihn bei der Kantonalbank vorbei zur Bundesgasse ab. Innert einer Stunde nimmt die Polizei 21 Frauen und Männer fest.

Zahlreiche Schaulustige verfolgen die Festnahmen. Die Mütter mit ihren Kleinkindern lässt die Polizei gewähren. Doch plötzlich fahren fünf Polizei-Mannschaftswagen vor das Grüppchen und schirmt so die Sicht vom Bundeshaus zu den Aktivisten ab. Minuten später fährt der Konvoi mit dem hohen chinesischen Gast am Bundeshaus vorbei zum Bernerhof.

"Wir haben die Aktivisten nicht nur wegen Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen festnehmen müssen, sondern auch weil sie sich nicht ausweisen konnten oder wollten", argumentiert Polizeimediensprecher Jürg Mosimann. Gegen Abend werden alle 21 Angehaltenen freigelassen; sie müssen mit einer Anzeige rechnen. Eingeschritten ist die Polizei wegen des hohen Gefährdungsgrads des ausländischen Gasts.

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Die Gespräche

Freihandel prüfen

Die Schweiz und China wollen die Finanzkrise gemeinsam überwinden und deshalb die Wirtschaftsbeziehungen vertiefen. Dies sagten Bundespräsident Hans-Rudolf Merz und Chinas Premierminister Wen Jiabao gestern nach ihrem Treffen in Bern.

 "Stabile Wirtschaftsbeziehungen setzen stabile Finanzmärkte voraus", sagte Merz. Der Wunsch nach einer Verstärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sei eine logische Folge.

 China erklärte sich beim Arbeitstreffen bereit, noch in diesem Jahr eine Machbarkeitsstudie für ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz abzuschliessen. Dies begrüsse die Schweiz sehr, sagte Merz.

 Zudem unterzeichneten Bundesrätin Doris Leuthard und der chinesische Handelsminister Chen Deming ein Investitionsschutzabkommen.

 Die Schweiz sei für China "ein alter Freund und ein guter Partner", sagte Wen. Sie zeichne sich aus durch strategische Weitsicht und Unternehmergeist. "China und die Schweiz sollten die Krise Hand in Hand überwinden", sagte Wen weiter.

Die Menschenrechte wurden beim Gespräch angesprochen. China und die Schweiz hätten beschlossen, den Menschenrechtsdialog zwischen den beiden Ländern in diesem Sommer fortzusetzen, sagte Merz.
sda

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Bund 28.1.09

Demonstration verhindert

Besuch des chinesischen Premiers: Schweiz und China wollen Handelsbeziehungen vertiefen

Von den Protesten auf dem Bundesplatz bekam der chinesische Premier dank hohem Polizeiaufgebot nichts mit.

Die Schweiz und China wollen die aktuelle Finanzkrise gemeinsam überwinden und deshalb die Wirtschaftsbeziehungen vertiefen. Dies sagten Bundespräsident Hans-Rudolf Merz und Chinas Premierminister Wen Jiabao am Dienstag nach einem Treffen in Bern.

"Stabile Wirtschaftsbeziehungen setzen stabile Finanzmärkte voraus", sagte Merz an einer Medienorientierung, bei der Journalisten keine Fragen stellen durften.

China erklärte sich bei dem Arbeitstreffen bereit, noch in diesem Jahr eine Machbarkeitsstudie für ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz abzuschliessen.

Die Schweiz sei für China "ein alter Freund und ein guter Partner", sagte Wen. Er dankte Bundespräsident Merz für das "offene, tief gehende und fruchtbare Gespräch".

Auch die Menschenrechte wurden bei dem gemeinsamen Gespräch angesprochen. China und die Schweiz hätten beschlossen, den Menschenrechtsdialog zwischen den beiden Ländern in diesem Sommer fortzusetzen, sagte Merz. Die Lage in Tibet kam nicht zur Sprache.

21 Festgenommene

Von den Protesten auf dem Bundesplatz bekam der chinesische Premier nichts mit - dank einem Grosseinsatz der Polizei. Sie löste eine unbewilligte, aber friedliche Demonstration von 50 Exiltibetern auf. 21 Personen wurden festgenommen. (sda/srg)

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Tibet-Demonstration auf dem Bundesplatz

Grossaufgebot gegen Kleindemo

Simon Jäggi, Christoph Lenz

Fünfzig Tibeter trafen sich gestern auf dem Bundesplatz, um für ein freies Tibet zu demonstrieren. Die Polizei machte kurzen Prozess: Die Männer wurden abgeführt, die Frauen wurden durch einen Wagenkordon vom Blickfeld des chinesischen Premiers ferngehalten.

"Wann kommt nun dieser König?", fragt ein alter Mann, der aus der Berner Kantonalbank kommt, einen Polizisten. Der Polizeibeamte mit dem Aargauer Wappen auf dem Oberarm antwortet nur: "Das dauert noch etwas, die werden wohl einiges zu diskutieren haben."

Es ist 14.30 Uhr am gestrigen Dienstag. Der Bundesplatz ist abgesperrt. An den Gittergeländern haben sich rund 40 Tibeter versammelt, darunter viele Frauen und Kinder. Eigentlich dürften sie schon nicht mehr hier sein: Vor fünfzehn Minuten hat ein Polizeibeamter den Demonstranten erklärt, sie müssten ihre Demonstration auf den Waisenhausplatz verlegen. "In Ordnung", hat der tibetische Musiker Loten Namling geantwortet. "Aber nur, wenn Wen Jiabao auch auf den Waisenhausplatz kommt." Man wolle ihm sagen, dass die Folter in Tibet ein Ende haben müsse, sofort. "Deswegen bin ich hier", so Namling. Nun kommt der Polizeibeamte bereits wieder. Er gibt den Demonstranten eine neue Frist: "Um 15 Uhr müsst ihr definitiv weg sein."

Zwischen der Absperrung und dem Bundeshaus bilden zwanzig Aargauer Polizisten einen Kordon. Zwanzig weitere Ordnungshüter stehen bereit. Das Polizeiaufgebot ist beeindruckend. In den Seitengassen stehen weitere Trupps. Es ist offensichtlich: Einen diplomatischen Super-GAU wie vor zehn Jahren wollen die Schweizer Behörden beim Besuch des chinesischen Premiers Wen Jiabao unbedingt verhindern. Bei Jiang Zemins Besuch 1999 gelang es Tibet-Aktivisten, auf das Dach der UBS zu steigen und dort Fahnen zu hissen. Der damalige Premierminister Jiang Zemin soll darob so verärgert gewesen sein, dass er sagte: "Die Schweiz hat einen Freund verloren." Wann Wen Jiabao auf dem Bundesplatz eintrifft, weiss unter den Demonstranten niemand. Um die Zeit totzuschlagen, lernen sie Parolen auswendig. "China raus aus Tibet!" heisst eine, eine andere: "Uno, we want justice!"

Kurz nach 15 Uhr, die zweite Frist ist verstrichen, klingt ein exotischer Singsang über den Bundesplatz. Loten Namling hat zu einem buddhistischen Gebet angehoben, die übrigen Demonstranten stimmen sofort ein. "Frieden und Harmonie für alle Lebewesen auf der Welt", übersetzt Namling das Gebet. Wieder nähert sich der Polizist. "Nun ist auch die zweite Frist abgelaufen", sagt er. "Ab jetzt finden hier Polizeikontrollen statt." Die Demonstranten hören zu und beginnen wieder zu singen. Dann geht alles sehr schnell. Ein Eingreiftrupp von rund 15 Polizisten nähert sich der Demo. Vier Polizisten ergreifen Loten Namling und zerren ihn Richtung Bundesgasse. Namling lässt sich zu Boden fallen, wird aber sofort aufgehoben und durch die Polizisten vom Bundesplatz gestossen, gerissen und schliesslich getragen. Zwei weitere Demonstranten und eine Frau werden ebenfalls gewaltsam wegspediert. Einige der Zaungäste sind empört. "Eine Riesensauerei", schimpft ein älterer Herr, "und so etwas in der Schweiz."

Ein kleines Grüppchen von Frauen und Kindern - das ist alles, was von der Tibet-Demo um 16.15 Uhr übrig ist. Sämtliche Männer wurden in den letzten 60 Minuten sukzessive von der Polizei herausgegriffen und abgeführt. Zuerst die jungen und kräftigen, dann die älteren. Auch die Frauen wurden kontrolliert, gebüsst und weggewiesen. Zum Beispiel Erne Tsewang aus Bern. "Ich verstehe das nicht", sagt Tsewang. Sie habe doch nur gebetet. Aber nach Hause gehen, nein, das wolle sie nicht, trotz Wegweisung. "Die Busse habe ich ja schon. Da kann ich geradeso gut hierbleiben und weiterbeten."

Immer noch hat es beim Bärenplatz und vor dem Café Fédéral viele Schaulustige. Es ist mucksmäuschenstill auf dem Bundesplatz. Vorher haben die Frauen noch Parolen gerufen. Auch das Schluchzen einer dieser Frauen war zu hören. Nun sind sie verstummt.

Das Grüppchen harrt auch eine Viertelstunde später noch auf dem Bundesplatz aus. Schweigend zwar, aber entschlossen. So entschlossen, dass die Frauen noch nicht einmal dann die Segel streichen, als ihnen Polizeibusse unmittelbar vor die Nase gesetzt werden. Ein Polizist bestätigt: "Das gibt einen Sichtschutz." Sechs Kastenwagen, ein Feuerwehrauto und 25 Polizisten riegeln schliesslich den Bundesplatz ab. Gegen sechs Frauen, acht Kinder und ungefähr hundert Schaulustige.

Zwischen zwei Wagen hindurch ist später zu sehen, wie einige Kleinbusse am Bundeshaus vorbeirollen. Kaum zehn Sekunden braucht der Kordon dafür. Kein Ruf erklingt von den Demonstrantinnen, keine Fahne wird geschwenkt. Die Frauen glauben, dass das erst der Auftakt zur Empfangsprozedur gewesen ist. Später werden sie erfahren, dass der chinesische Gast längst bei Hans-Rudolf Merz eingetroffen ist. Wen Jiabao soll sich sehr gefreut haben über den freundlichen Empfang in Bern.

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"Hoher Gefährdungsgrad"

Weil sie der Aufforderung der Polizei, den Bundesplatz zu verlassen, nicht Folge leisteten, wurden gestern 21 Demonstranten vorübergehend festgenommen, meldete die Kantonspolizei gestern am frühen Abend in einem Communiqué. Die Personen hätten wenig später wieder entlassen werden können und müssten mit einer Anzeige rechnen. Wegen Verstoss einer polizeilichen Verfügung wurden fast alle anwesenden Demonstranten angezeigt, wie man vor Ort feststellen konnte. Wie viele Anzeigen aber ausgesprochen wurden, konnte der kantonale Polizeikommandant Stefan Blättler auf Anfrage nicht angeben.

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Verhältnismässiger Einsatz?

Die Frage nach der Verhältnis-mässigkeit des Einsatzes sei im Nachhinein gerechtfertigt, räumte Blättler ein. Zu beachten sei aber, dass ein hoher Gefährdungsgrad der chinesischen Gäste bestanden habe. So hätten sich die Demonstranten in den Sicherheitsperimeter "durchzuschlängeln" versucht - also auf den abgesperrten Bundesplatz. Wie viele Polizisten gestern im Einsatz standen, wollte Blättler nicht beziffern. Es sei ein der Gefährdung angemessenes Aufgebot gewesen. Der Kantonspolizei sei eine "kleine Verstärkung" aus den Korps des Polizeikonkordats Nordwestschweiz zur Seite gestanden. (jäg)

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Kommentar

Gastfreundschaft

Artur K. Vogel

Das Trauma sitzt tief: Im März 1999 kam es beim Besuch des damaligen chinesischen Präsidenten Jiang Zemin zum Eklat, weil dieser auf dem Bundesplatz von Demonstranten empfangen worden war, die auf umliegenden Dächern Transparente schwenkten und Parolen skandierten. "Die Schweiz hat einen Freund verloren", raunzte Jiang Bundespräsidentin Ruth Dreifuss an; Adolf Ogis Beschwichtigungsversuche fruchteten nicht.

Diesmal, zehn Jahre später, beim Arbeitsbesuch einer 130-köpfigen Delegation aus der Volksrepublik mit Premier Wen Jiabao an der Spitze, sollten solche Zwischenfälle unbedingt vermieden werden.

Trotzdem demonstrierten einige Tibeterinnen und Tibeter und ihre Sympathisanten auf dem Bärenplatz, und zwar ohne Bewilligung. Hat die Polizei folglich korrekt und verhältnismässig gehandelt, als sie Demonstranten abführte und die Kundgebung auflöste?

Die Beamten wendeten keine exzessive Gewalt an, und formaljuristisch war ihr Eingriff korrekt. Doch verhältnismässig war er nicht.

Die Manifestation war friedlich: weit und breit keine Spur von gewaltbereiten Chaoten wie an der ominösen Anti-SVP-Demonstration vom 6. Oktober 2007 in Bern, kaum Transparente und Sprechchöre wie 1999, nur ein paar Tibet-Flaggen. Einige Tibeterinnen hatten sogar ihre Babys dabei; Ausschreitungen zeichneten sich zu keinem Zeitpunkt ab. Der "hohe Gefährdungsgrad", den der Kommandant der Berner Kantonspolizei als Grund für den Polizeieinsatz nannte, war für Umstehende jedenfalls nicht auszumachen.

Premier Wen hätte die Anwesenheit dieses Häufleins von Tibet-Manifestanten zudem kaum entdeckt, als er vorfuhr: Das Bundeshaus war durch Polizei-Kastenwagen vom Geschehen am Rand des Bundesplatzes abgeschirmt.

Gastfreundschaft in Ehren, vor allem, wenn die Gäste aus einem wirtschaftlich so bedeutenden Land kommen wie China. Doch Meinungsäusserungsfreiheit ist ein Grundrecht. Mehr noch: Sie ist eine Voraussetzung für das Funktionieren jeder Demokratie und darf nicht leichtfertig preisgegeben werden.

Als selbstbewusste Demokratie hätte die Schweiz gestern gerade einer Delegation aus einem Land, wo Grundrechte noch nicht gewährleistet sind, eine Demonstration in homöopathischer Dosis durchaus zumuten können.

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Punkt.ch 28.1.09

Bern

Polizei ging gegen Kinder vor

Die Polizei ging gestern rigoros gegen Tibet-Aktivisten vor - betroffen waren auch Kinder

seiten 4 + 11

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Nur kein Eklat mehr!
Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao besucht die Schweiz
Mit

Wer gestern in Bern war, traute seinen Augen nicht: Der Bundesplatz war abgeriegelt. Seit keine Autos mehr vor dem Bundeshaus parkieren, flanieren dort Menschen - selbst während der Bundesratswahl. Was ist geschehen? Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao ist in Bern. Und weil die diplomatischen Beziehungen beider Länder nach dem letzten China- Besuch 1999 ins Stocken gerieten, will man nun alles richtig machen. Damals hatten tibetische Aktivisten Chinas Präsidenten erschreckt. (mbo)

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Besuch aus China - sogar Kinder sind zu gefährlich

Das gab es noch nie - beim Besuch von Chinas Ministerpräsident kesselte die Polizei Kinder ein

Schon kurz nach Mittag steht eine Hand voll Tibet-Aktivisten vor dem Bundesplatz. Pablo Cherpillod und Loten Namling fragen sich, wann der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao in Bern eintreffen wird. Später kommen einige Tibetanerinnen mit ihren Kindern dazu. So sieht also die Bedrohung aus, vor der sich die Grossmacht China und der Bundessicherheitsdienst fürchten.

Die Last der Bundesstadt

Auch Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause ist vor Ort. Auf die rigiden Sicherheitsmassnahmen angesprochen, meint er: "Das ist die Last der Bundesstadt." Er könne nichts tun. Nause verspricht Cherpillod aber, sich für eine Aussprache bei Bundesrätin Doris Leuthard einzusetzen.
Kurz bevor die 130-köpfige chinesische Delegation im Hotel Bellevue eintrifft, beginnt die Polizei Wegweisungen auszusprechen. "Free Tibet" skandierend wird Namling abgeführt, auch Cherpillod wird ergriffen.

Keine freie Meinungsäusserung

Sogar eine Gruppe Frauen mit Kleinkindern wird eingekesselt. Das erhitzt die Gemüter der Passanten. "Eine Sauerei sei das, die freie Meinungsäusserung zu verhindern ", schimpft einer. Eine Frau sagt: "Ich dachte, wir sind hier in der Schweiz."
Als die chinesische Delegation ins Bundeshaus kommt, sieht Wen Jiabao statt der Berner Altstadt und einigen Demonstranten bloss grüne Kastenwagen, die als Sichtschutz dienen. peter.camenzind@punkt.ch

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Regionaljournal 28.1.09

Polizei rechtfertigt rigoroses Durchgreifen gegen Tibet-Aktivisten in Bern (1:56)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe7v728012009.rm?start=00:01:27.599&end=00:03:24.004

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Regionaljournal 27.1.09

Besuch des Chinesischen Premiers löst grosses Polizeiaufgebot aus und die Abführung von 21 Tibet-Aktivisten (3:56)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1727012009.rm?start=00:02:37.005&end=00:06:33.794

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Telebärn 27.1.09

Tibet Demonstranten abgeführt.
http://www.kyte.tv/ch/84713-telebaern/328320-tibetdemonstranten-abgefuhrt

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ARBEITSKAMPF
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BZ 28.1.09

Polizisten machen Ansprüche geltend

Unzufriedene Polizisten: Der Verband der Schweizer Polizisten fordert landesweit einheitliche Minimalstandards für Unterkünfte, Abgeltungen und Ruhezeiten bei Auswärtseinsätzen wie jenem fürs WEF. Ein Projekt ist lanciert.

Ab heute sorgen Hunderte von Polizisten aus der ganzen Schweiz am World Economic Forum in Davos für Ruhe und Ordnung. Zuweilen bedeuten solche Sonderkommandos für die Beamten lange Einsätze in bitterer Kälte und Übernachtungen in nicht gerade luxuriösen Unterkünften.

Polizisten wehren sich

Viele Polizisten sind nicht mehr zufrieden mit den Arbeitsbedingungen an interkantonalen Grosseinsätzen. Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter VSPB fordert deshalb jetzt verbindliche Minimalstandards. Dies bestätigt VSPB-Generalsekretär Max Hofmann. Hofmann erläutert: "Wir wollen in Sachen Unterkunft, Verpflegung und Mindestruhezeit Minimalstandards, wie sie die Deutsche Bereitschaftspolizei auch hat." Einheitliche Mindestregelungen will der VSPB insbesondere auch für die Abgeltungen solcher Auswärtseinsätze. Der 26-köpfige Zentralvorstand des VSPB hat deshalb beschlossen, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen. Sie soll, so Hofmann, "so rasch als möglich Abklärungen treffen, und den Kantonen ausgearbeitete Standards als Forderung unterbreiten".

Oft müssen die Polizeibeamten laut Hofmann in engen Mehrbettzimmern übernachten. Ein Berner Polizist, der nicht namentlich genannt werden will, bestätigt dies. "Zum Beispiel an der Euro 08, aber auch bei Einsätzen für andere Anlässe mussten viele Polizisten mehrere Tage in zum Teil unterirdischen Massenlagern oder Zivilschutzanlagen übernachten." Für den Generalsekretär des VSPB ist klar: "Polizeibeamte sind nicht Rekruten, sie haben Anspruch auf mehr. So wie dies Aussendienstmitarbeiter in der Privatwirtschaft auch haben."

Mindestens bezüglich Truppenunterkunft haben es die Polizisten beim diesjährigen Einsatz in Davos aber offenbar nicht so schlecht. Die Davoser Zentrale lässt auf Anfrage verlauten, dass alle Polizisten in Herbergen untergebracht würden. Allerdings sagen Polizisten, dass sie in anderen Jahren auch während des WEF-Einsatzes in Massenlagern einquartiert worden seien.

Ungleiches für Gleiches

Unter Polizisten für Zündstoff sorgen alle Jahre wieder die unterschiedlichen Abgeltungen für den Sondereinsatz am WEF. Schulter an Schulter patrouillieren in Davos Polizisten verschiedener Kantone. Einige Kantone bezahlen ihren entsendeten Beamten spezielle Abgeltungen für den Aussendienst im Bündnerland. Andere Kantone kennen solche Zahlungen nicht. So bekommen Berner Polizisten bei Auswärtseinsätzen allenfalls Überstunden und gegebenenfalls Pikettentschädigungen. Wenn es der Kommandant bewilligt, erhalten die Beamten überdies 100 Franken, für besonders gefährliche Demoeinsätze. Das sind allerdings alles Abgeltungen, welche die Polizisten auch bei Einsätzen im Heimkanton bekommen, wo sie zu Hause übernachten können.

Diese ungleichen Zulagen sind auch Markus Meyer, Präsident des Polizeiverbandes Bern, ein Dorn im Auge. Allerdings müsse man sich bewusst sein, dass die Sonderabgeltungen allein nicht entscheidend seien. Entscheidend sei das Gesamtpaket aus Lohn, allgemeinen Zulagen, Ferien und dergleichen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass es auch in anderen Berufen kantonale Lohnunterschiede gebe.

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DIE FARBE DES GELDES
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NLZ 28.1.09

"Revolutionäre" werfen Farbbomben

Unbekannte haben am Montagabend auf den Hauptsitz der UBS einen Anschlag verübt. Die Täter hinterliessen eine Botschaft.

Kurz nach 22.30 Uhr beschmierten die noch unbekannten Täter die westliche Fassade des UBS-Gebäudes an der Baarerstrasse in Zug. Dabei warfen sie rund 20 mit schwarzer und roter Farbe gefüllte Glasgefässe auf die Steinfront der Bank. Der angerichtete Schaden beläuft sich auf mehr als 10 000 Franken.

Linkes Bekennerschreiben

Wenige Stunden später, gegen ein Uhr morgens, wurde im Internet unter indymedia.org ein Bekennerschreiben veröffentlicht. Unter dem Titel "Smash Capitalism" ist zu lesen: "In der Nacht auf den 27. Januar 2009 haben wir, in einer gemeinsamen Aktion verschiedener revolutionärer Kräfte, die Fassade der UBS beim Metalli in Zug eingefärbt." Begründet wird der Farbanschlag mit dem "Kampf für eine befreite Gesellschaft". Die UBS und ihre Adresse seien Symbole der Krise des Kapitalismus, aus der es nur einen revolutionären Ausweg geben könne. Das Schreiben endet mit: "Der Kapitalismus hat keinen Fehler  er ist der Fehler!"

Die Zuger Polizei vermutet, dass es sich bei der Täterschaft um WEF-Gegner handelt. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet. Die Polizei sucht deshalb Zeugen, die das "action painting" beobachtet haben. "Wir gehen nicht davon aus, dass der Farbanschlag etwas mit den Schmierereien in Luzern zu tun hat", so Joe Müller, stellvertretender Kommunikationsbeauftragter der Zuger Strafverfolgungsbehörden, mit Blick auf das verunstaltete Löwendenkmal. Und was meint die Grossbank zu den Schmierereien? "Dazu nehmen wir keine Stellung", meint UBS-Mediensprecher Andreas Kern lapidar.

Wolfgang Holz

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St. Galler Tagblatt 28.1.09

Bunte Proteste im Alltag

Farbanschläge sind wieder in, seit die Finanzwelt bachab geht. Nicht nur die UBS weiss davon ein Lied zu singen. Dabei gäbe es originellere Formen des Protestes.

Roger Berhalter

Die Grossbank UBS muss im Moment für alles herhalten, was in der Finanzwelt schiefläuft. Beziehungsweise in der Welt allgemein. Vor zehn Tagen wüteten erklärte WEF-Gegner mit Farbbeuteln und Bierflaschen am Zürcher Hauptsitz der Bank. Und am Montagabend warfen Unbekannte erneut Farbe, diesmal gegen die Fassade der UBS-Filiale in Zug.

Nur giftfrei gegen Menschen

Farbanschläge? Da zückt der Journalist jenes Ringbuch aus dem Regal, das ihm an einem Seminar der Gewerkschaft Unia in die Hände gefallen ist. "Jugendrevolte 2004 - Proteste im Alltag" heisst es, und es versammelt unzählige Tips und Tricks für effektives Protestieren.

Farbbeutel, so lernen wir auf Seite 44, werden "an Gebäuden/Orten eingesetzt, wo etwas markiert werden soll". Also bei Arbeitsämtern, die "besonders hart mit den Stellensuchenden umgehen". Oder bei staatlichen Institutionen, die "wieder einmal beweisen, wie unsozial sie mit <ihren Bewohnern>, den Randständigen, umgehen". Natürlich könne man auch gezielt Personen bewerfen. Aber Achtung: "Beim Einsatz gegen Menschen ist es wichtig, eine Farbe zu nehmen, welche keine Giftstoffe, Säuren enthält!!!"

Schliesslich wird "ohne Pressecommuniqué kaum jemand begreifen, weshalb eine Fassade <verschönert> wurde". Also sei es wichtig, die Öffentlichkeit zu informieren. Oder ein Filmchen für YouTube zu drehen, wie beim Zürcher UBS-Anschlag geschehen.

Mit Torten, Plakaten und Dosen

Die gewerkschaftliche Protestbibel lehrt uns weiter, dass ein Farbanschlag eine "direkte Aktion" sei und dass es davon weitere Varianten gebe. Besonders einfach: die Tortenattacke. "Informiert euch, wann und wo die gewünschte Person in der Öffentlichkeit auftritt und dann nix wie los." Aufwendiger ist es, Werbe- und Wahlplakate zu verändern. "Man nehme Kleister, Kleber, Buchstaben, Sprechblasen. Bei Nacht kann man bequem eine Plakattour machen." Noch kreativer ist das Besprühen von Hausmauern. Entweder man bastelt mit Karton und Teppichmesser eine Sprühschablone ("Der Aufwand wird sich lohnen!") oder zieht los, um Graffiti zu malen ("Vorher Lage abchecken"). Illegal? Klar. Doch aus Sicht ihrer Macher ist Strassenkunst kein Verbrechen: "Es ist viel geiler, ein schönes Bild zu sehen, als noch so eine hässliche Reklame."

Widerstand bis zur Atombombe

Die Protestbibel zeigt noch viele weitere Widerstandsformen, bis zur nicht ganz ernst gemeinten Checkliste "Wir bauen eine Atombombe" auf Seite 102. Ab heute werden wir in Davos und anderswo sehen, welche "direkten Aktionen" die WEF-Gegner diesmal vorbereitet haben.

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FAKE THE WEF
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20min.ch 28.1.09

We are not amused

WEF-Gegner verbreiten gefälschtes 20 Minuten

Seit heute morgen ist in der Deutschschweiz eine getürktes WEF-Spezial als Beilage im 20 Minuten im Umlauf. 20 Minuten distanziert sich davon.

Wie die Webseite der linken Politorganisation Revolutionärer Aufbaus meldet, wurden in Zürich, Bern, Basel und Winterthur 50 000 Exemplare des gefälschten WEF-Blattes in die Pendlerzeitung gelegt. "Die fetten Jahre sind vorbei", titelt die vierseitige Beilage, die im 20-Minuten-Layout aufgemacht ist.

"Wir distanzieren uns in aller Form von der gefälschten Beilage", sagt Marco Boselli, Chefredaktor von 20 Minuten. Man behalte sich rechtliche Schritte vor. Es ist nicht das erste Mal, dass mit 20 Minuten für politische Propaganda missbraucht wird.

Auch für Hacker scheint 20 Minuten zurzeit die ultimative Plattform für Aktionen zu sein. In den vergangenen Tagen flitzten Spam-Mails mit dem Absender von 20 Minuten im Internet herum.

(job)

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aufbau.org 28.1.09

20min-Fake zum WEF

Fälschung der Gratis-Zeitung 20min

In einer Aktion wurden heute in Zürich, Basel, Bern und Winterthur diese Fälschungen in einer Auflage von 50'000 Exemplaren über die offizielle Ausgabe der 20Minuten gestülpt. Die "Extra-Blätter" zur Eröffnung des WEF 09 könnt ihr hier anschauen, indem ihr auf die Bilder klickt.

http://www.aufbau.org/index.php?option=com_content&task=view&id=514&Itemid=3

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ANTI-WEF-DEMO BASEL
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Baslerstab 28.1.09

Widmer-Schlumpf und Anti-WEF-Demo

Grosskampftag für die Basler Polizei

Basel - Während Bundesrätin Widmer-Schlumpf an der Uni einen Vortrag hält, demonstrieren WEF-Gegner in der Stadt. Die Polizei ist gerüstet.

Es ist einiges los heute in der Stadt: Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf äussert sich um 18.15 Uhr an der Universität Basel zur Personenfreizügigkeit. Gleichzeitig findet die Anti-WEF-Demonstration durch die Innerstadt statt.

Die Organisatoren rechnen mit rund 500 Demonstranten. Trotzdem sieht die Basler Polizei dem Ganzen gelassen entgegen. Rolf Meyer, Polizeikommandant ad interim: "Es ist keine grosse Herausforderung. Der Besuch von Bundesrätin Widmer-Schlumpf ist nichts Aussergewöhnliches. Und die Demonstration ist bewilligt. Wir sind vorbereitet - eine gute Ausgangslage." Und Polizei-Mediensprecher Klaus Mannhart fügt an: "Das eine Ereignis hat auf das andere keinen Einfluss." Zahlen zum Polizeiaufgebot wollte Mannhart aber keine nennen. Und Philippe Piatti, Pressesprecher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes, will nur soviel verraten: "Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf wird in Basel Personenschutz haben."

Gelassen sieht man auch an der Uni dem Event entgegen. Doris Robert (47), Sekretärin der Statistisch-Volkswirtschaftliche Gesellschaft: "Wir haben die Sicherheitsfragen mit der Polizei angeschaut und keine speziellen zusätzlichen Massnahmen getroffen. Die Polizei wird mit erhöhter Aufmerksamkeit vor Ort sein."

Als Vermittler zwischen den Behörden und den Demo-Organisatoren steht BastA-Grossrat Urs Müller: "Alle Abklärungen zwischen der Polizei und den Demonstranten haben in einem konstruktiven Klima stattgefunden. Die äusseren Umstände lassen auf keine bevorstehende Eskalation schliessen." Auch Arthur Marti, Präsident der IG Kleinbasel, rechnet nicht mit Ausschreitungen: "Trotzdem werde ich persönlich die Clarastrasse auf- und abgehen, damit wir nicht unangenehm überrascht werden." Und sein Kollege Urs Welten, Präsident Pro Innerstadt, fügt hinzu: "Zum Glück schliessen die meisten Läden um 18.30 Uhr. So tangiert uns die Demonstration nicht allzu stark."

Zwischen 18.30 und 20 Uhr muss man aber mit starken Einschränkungen im BVB-Netz rechnen.

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Basellandschaftliche Zeitung 28.1.09

Demo gegen das WEF

Anti-WEF Bewilligte Kundgebung in Basel

Die unbewilligte Anti-WEF-Demo vor einem Jahr hatte Konsequenzen für die Basler Polizei. Nach einem übertriebenen Einsatz hat sie ihre Einsatzregeln angepasst (bz berichtete). Ein Jahr später kommt es heute zu Beginn des Anti-WEF-Forums 2009 erneut zu einer Demonstration in Basel. Diesmal liegt aber eine Bewilligung vor. Zudem hat sich Basta-Grossrat Urs Müller bereit erklärt, zwischen der Polizei und dem Revolutionären Anti-WEF-Bündnis, das zur Demo aufruft, zu vermitteln.

Die Kundgebung beginnt um 18 Uhr auf dem Barfüsserplatz und endet am Claraplatz. Die Basler Verkehrsbetriebe rechnen laut einer Medienmitteilung mit starken Einschränkungen des BVB-Betriebes und empfehlen, Durchsagen und Anzeigetafeln zu beachten. (daw)

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ANTI-WEF-DEMO GENF
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Genfer Staatsrat verbietet Anti-WEF Demo - Petition

Petition gegen die Verletzung der demokratischen Rechte

Am Mittwoch, 21. Januar 2009 hat der Genfer Staatsrat entschieden, die Demonstration gegen das Weltwirtschaftsforum (WEF) zu verbieten. Diese Demonstration, organisiert durch verschiedene Organisationen des linken und globalisierungskritischen Umfelds, soll am Samstag, dem 31. Januar 2009 in Genf stattfinden.

Die unterstützenden Organisationen rufen dazu auf, die Petition gegen die Verletzung der demokratischen Rechte zu unterschreiben. Wir fordern den Genfer Staatsrat dazu auf, seinen Entscheid zu überdenken und die Demonstration vom 31. Januar 2009 definitiv zu bewilligen.

Link zur Petition
Petition gegen die Verletzung der demokratischen Rechte
http://www.suisse.attac.org/phpPetitions/index.php?petition=4
Aufruf zur Demonstration in Genf
http://www.suisse.attac.org/spip.php?article=1982

Unterstützende Organisationen (Stand 10.12.): Action Autonome, ATTAC Suisse, Gauche anticapitaliste, Organisation socialiste libertaire (OSL) Lausanne, Parti du Travail Genève, Parti suisse du travail, POP & Gauche en mouvement, Revolutionärer Aufbau Schweiz, Revolutionäres Bündnis Region Zürich, Révolutionnaire contre le WEF


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Tribune de Genève 28.1.09

Manifestation anti-WEF: les commerçants sereins

Défilé Alors que Solidarités a protesté hier contre l'interdiction, peu d'arcades vont se barricader samedi.

Ils ne sont pas nombreux à avoir répondu à l'appel de Solidarités. Hier, à 17 h 30, une trentaine de personnes se sont réunies au Bourg-de-Four pour protester contre l'interdiction du rassemblement anti-Davos prévu samedi à Genève. Il faut dire qu'en se distanciant de celui-ci, Solidarités s'est mis à dos une partie de la gauche ainsi que les organisateurs de la manifestation contre le Forum économique de Davos (WEF), lequel débute aujourd'hui. Mais la formation politique tenait à dénoncer cette suspension d'un droit fondamental.

Un droit dont les organisateurs de la manifestation ont bien l'intention de faire usage samedi, malgré l'interdiction du Conseil d'Etat. A moins que la police ne les en empêche, ils vont donc défiler le long du parcours qui était prévu: rue du Mont-Blanc, quai des Bergues, Bel-Air, rue de la Corraterie, rue de l'Athénée, ex-squat Rhino, Plainpalais. Et si manifester n'est pas possible, certains ont appelé à des actions décentralisées dans les rues commerçantes, comme des sit-in ou des blocages.

Pourtant, les commerces se trouvant sur le parcours ne sont pas vraiment inquiets. A la rue de la Corraterie, on a l'habitude de voir passer des manifestations. "Il y a encore dix jours, il y en avait une contre la guerre à Gaza, il n'y a pas eu de problème", note Valérie Chabord, de l'armurerie Ernest Mayor. "D'ordinaire, quand il y a un risque, la police nous avertit, d'autant que nous vendons des armes. Mais là, rien. " Même sérénité à la papeterie Brachard: "Nous n'allons pas barricader nos vitrines, confie le patron Pascal Vuarnier, cela pourrait être perçu comme une provocation. " Le joaillier Gilbert Albert, lui, fera des heures supplémentaires: "Lors du G8, mes vitrines avaient été complètement taguées. Samedi, je serai là, avec tous mes employés. Si nécessaire, nous baisserons les grilles. "

Les Accords de Schengen suspendus?

Les associations de commerçants, qui avaient réclamé l'interdiction du défilé, ne recommandent pas à leurs membres de barricader leurs arcades comme lors du G8 en 2003. Elles leur demandent seulement d'être vigilants. Même son de cloche de la part de la police, qui leur a envoyé une circulaire allant dans ce sens. Quoi qu'il se passe samedi, Olivier Zbinden, horloger et bijoutier à la rue du Mont-Blanc, fermera boutique: "Nous allons protéger nos vitrines avec des panneaux en bois. Je ne peux pas prendre de risques. L'assurance ne couvre pas ce genre de dégâts. "

Selon l'ATS, la police genevoise a de son côté demandé à la Confédération de suspendre les Accords de Schengen le temps du Forum de Davos, afin de pouvoir rétablir les contrôles systématiques à la frontière. Une mesure dont l'Autriche avait fait usage pendant l'Euro 08. La Confédération n'a pas encore répondu.

Antoine Grosjea

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ANTI-WEF-DEMO DAVOS
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Südostschweiz 28.1.09

Tibeter-Protest in Davos bewilligt

Die Tibeter-Gemeinschaft kann heute während des Besuchs des chinesischen Ministerpräsidenten in Davos eine Kundgebung durchführen. Zudem hat der Davoser Kleine Landrat die WEF-Demo der Grünen Partei am nächsten Samstag bewilligt.

Von Béla Zier

Davos. - Die Tibeter-Gemeinschaft in der Schweiz und Liechtenstein kann heute von 14 bis 16 Uhr auf einem Areal beim Bahnhof Davos Platz eine Protestkundgebung durchführen. Der Davoser Kleine Landrat hat gestern ihr entsprechendes Gesuch bewilligt. Dass der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao beim Besuch des World Economic Forum (WEF) von ihrem Protest etwas mitbekommen wird, ist allerdings unwahrscheinlich: Unbestätigten Quellen zufolge will Jiabao zwar mit dem Zug anreisen. Doch werde er bereits in Davos Dorf aussteigen, heisst es. Wie viele Personen zur Tibet-Kundgebung erwartet werden, wissen die Davoser Behörden nicht.

Aktionstag der Grünen Partei

Wie bereits in den Vorjahren hat die Davoser Exekutive auch das WEF-Demonstrationsgesuch der Grünen Partei Davos bewilligt. Der Protestmarsch samt Aktionstag findet am kommenden Samstag statt. Die Demonstrationsroute beginnt beim Bahnhof in Davos Dorf und führt über die Talstrasse bis zum Bahnhof in Davos Platz. Schlusskundgebung findet keine statt. Der Protestmarsch beginnt um 12 Uhr. Nach der Demonstration - erwartet werden etwa 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer - organisieren die Grünen im Evangelischen Kirchgemeindehaus in Davos Platz einen Abend mit Referaten und Diskussionen. Daran teilnehmen werden unter anderen Cédric Wermuth, Vizepräsident der SP Schweiz, und Jo Lang, Nationalrat der Grünen Partei.

An Demo in Genf wird festgehalten

Der wahrscheinlich grösste Anti-WEF-Protest soll in diesem Jahr in Genf stattfinden. Die Genfer Regierung hat zwar die für nächsten Samstag angesetzte Demonstration verboten, doch ihre Organisatoren halten weiterhin an der Mobilisierung fest. In Genf hat auch das World Economic Forum seinen Hauptsitz.

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DAS ANDERE DAVOS
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Limmattaler Tagblatt 28.1.09

Auf der Suche nach Alternativen von unten

Das andere Davos Globalisierungskritiker tagen auf Einladung von Attac Schweiz im Zürcher Kongresshaus

Bereits zum neunten Mal findet am kommenden Freitag die WEF-Gegenveranstaltung "Das andere Davos" statt. Im Zürcher Kongresshaus wollen Globalisierungskritiker Alternativen zum "neoliberalen Desaster" diskutieren.

Im Zentrum der diesjährigen Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum (WEF) unter der Federführung der globalisierungskritischen Organisation Attac Schweiz steht die Frage, ob in Zeiten der Krise eine Reparatur des Systems reiche oder ein grundlegender Wechsel nötig sei. In diesem Jahr sei zudem die Frage nach der Legitimität des WEF berechtigter denn je, hält Attac fest. Nach der Zunahme des weltweiten Hungers sei auch die Finanzkrise ein interessanter "Erfolg". Das WEF sei schlicht nicht interessiert, die Spielregeln der Wirtschaft und des Sozialen zu ändern, um Ungleichheiten zu bekämpfen. Deshalb habe das Forum auch keine Legitimität.

Mit der Konferenz im Kongress-haus Zürich wollen die Organisatoren eine Plattform bieten, um Alternativen "von unten" zu debattieren. Neben der Finanzkrise steht der Nahrungsmittelmulti Nestle im Fokus. Dies nicht nur wegen der im vergangenen Sommer bekannt gewordenen Affäre, wonach Securitas-Angestellte im Auftrag von Nestle Attac ausspioniert haben sollen. Auch wird die Tätigkeit Nestles in Kolumbien unter die Lupe genommen.

Protest auch in Genf und Basel

In Genf wollen die WEF-Gegner trotz Demonstrationsverbot am kommenden Samstag auf die Strasse gehen. "Die widrigen Umstände der Repression werden uns nicht den Mut nehmen, in Genfs Strassen unsere Kritik zu äussern", teilte ein Anti-WEF-Bündnis mit und drohte mit dezentralen Aktionen in den Einkaufsstrassen, falls die Polizei die Demonstration zu verhindern versuche. Das Kundgebungsverbot sei absurd und unhaltbar.

 Bewilligt ist hingegen eine Demonstration gegen das WEF in Basel am heutigen Mittwochabend. Die Route führt vom Barfüsserplatz via Steinenberg, Bankverein, Freie Strasse, Schifflände und Mittlere Brücke an den Claraplatz. Nach Angaben der Basler Verkehrs-Betriebe hat die Kundgebung, die von 18 bis etwa 20 Uhr stattfindet, starke Auswirkungen auf den Tram- und Busbetrieb. (ap)

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NESTLÉ
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NLZ 28.1.09

Menschenrechtsforum Luzern

Nestlé-Präsident spricht in Luzern

ff. Das Programm des 6. Internationalen Menschenrechtsforums in Luzern steht fest: Zum Thema "Menschenrechte und Religionen" werden am 5. und 6. Mai 2009 über 70 Redner in der Swiss Life Arena auftreten. Darunter sind Persönlichkeiten wie Micheline Calmy-Rey, die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, Nestlé-Präsident Peter Brabeck und Tariq Ramadan, Präsident des Europäischen Muslimischen Netzwerks. Zudem wird der Vertreter des Dalai Lama in der Schweiz eine Grussbotschaft des Dalai Lama vortragen.

Benefiz-Star ist noch offen

Der Co-Leiter des Internationalen Menschenrechtsforums, Peter Kirchschläger, ist zufrieden: "Wir haben unser Ziel erreicht, dass Vertreter aller fünf Weltreligionen teilnehmen." Das Forum ist für jedermann zugänglich: "Wir wollen eine breite Diskussion anstossen", sagt Kirchschläger.

Förderpreis

Das Forum besteht aus Vorträgen, Workshops und Podiumsgesprächen. Zudem wird ein Förderpreis an ein Menschenrechtsprojekt vergeben. Am 6. Mai findet zudem ein Benefizkonzert zu Gunsten der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch statt. Vergangenes Jahr spielte der Reggae-Star Jimmy Cliff  wer es dieses Jahr sein wird, steht noch nicht fest.

Weitere Informationen: www.ihrf.ch

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ANTISEMITISMUS
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Bund 28.1.09

"Leuchtendes Zeugnis für Idealismus"

Der sechste Band der Loosli-Reihe dokumentiert den Kampf des Autors gegen den Antisemitismus in der Schweiz

Charles Cornu

Als Carl Albert Loosli (1877-1959) den Kampf aufnahm gegen den Antisemitismus, war das nicht Ausdruck einer kurzen Empörung, sondern der Beginn einer jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem Judentum oder genauer: mit den Feinden des Judentums.

Nachdem sein bester Freund, der in Bern lehrende - und auf unwürdige Weise angefeindete - polnisch-jüdische Literaturwissenschaftler Jonas Fränkel, Looslis Schrift "Die schlimmen Juden!" gelesen hatte, schrieb er dem Verfasser: "Das Buch ist ein Zeugnis, ein leuchtendes Zeugnis für Deinen schönen Idealismus - ein nicht minder gültiges Zeugnis wie Deine Kampagne gegen die Erziehungsanstalten."

Jetzt hat man Gelegenheit, Looslis Kampfschrift gegen die Antisemiten im eigenen Land und die "Hakenkreuzler" in Deutschland - der Titel "Die schlimmen Juden!" ist ironisch gemeint - neuerlich zu lesen. Sie ist zusammen mit andern Texten und verschiedenen Briefen zum selben Thema als Band 6 der von Fredi Lerch und Erwin Marti betreuten Werkausgabe neu erschienen.

Man hat sie als historisches Dokument und als Hinterlassenschaft eines Menschen, der zeitlebens nicht mit den Wölfen heulte, zu verstehen, eines gesinnungsstarken Kämpfers, der im Grunde nicht angefeuert wurde durch eine besondere Sympathie für die Juden oder auch nur durch vertiefte Kenntnis des Judentums, sondern vielmehr durch seine lautere Gesinnung. Loosli wollte und konnte nicht zulassen, dass eine Minderheit, welcher Art auch immer, verfemt und verfolgt wird. Loosli war ein Anti-Antisemit.

Als seine Schrift 1927 erschien, löste sie unterschiedliche Reaktionen aus, gerade auch auf jüdischer Seite. Begreiflich: Zu unkritisch, zu unreflektiert verwendet er selber Ausdrücke wie "rassisch" und "völkisch", meint sogar - doch davon hat er sich Jahre später ausdrücklich distanziert -, es sei eine jüdische Mitbevölkerung "heranzuzüchten", die sich rein gar nicht von den "arischen" Schweizern unterscheide, und unangenehm berührt auch, dass er immer wieder "der Jude" sagt, wenn er die jüdische Gesamtheit meint. Sprachlich war Loosli - jedenfalls empfindet man das heute so - ein Sohn seiner Zeit. Seiner Tapferkeit, seinem Eifer und der gut gemeinten Streitlust tut das indessen kaum Abbruch.

Zwei Publikationen in erster Linie haben Loosli auf die Barrikaden gebracht. Erstens die widerliche Fälschung "Protokolle der Weisen von Zion" (als es 1934/35 in Bern zu einem Prozess um dieses Pamphlet kam, amtete Loosli als Experte), und zweitens Henry Fords Buch "Der internationale Jude": Hetzschriften beide, die von einer jüdisch-freimaurerischen Verschwörung und einer internationalen Geheimregierung schwafeln. Zu einer Zeit - Ende der Zwanzigerjahre -, als man hierzulande das aufkommende Nazitum in seiner Bedrohlichkeit noch kaum ernst nahm, war Loosli bereits hellsichtig genug, die Gefahr zu erkennen und mit Verve den Standpunkt zu vertreten, dass die Bedrängung und Verfolgung der Juden nicht von den allgemeinen Kultur- und Menschheitsfragen herausgelöst werden dürfen. In diesem Sinne ist Fränkels Urteil nach wie vor gültig, das zeitgeschichtliche Gewicht von Looslis kämpferischem Schreiben bleibt bestehen.

[i]

Das Buch


Carl Albert Loosli: Judenhetze. Werke Band 6: Judentum und Antisemitismus. Herausgegeben von Fredi Lerch und Erwin Marti. Rotpunktverlag, Zürich 2008. 540 Seiten, Fr. 56.-

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Tagblatt der Stadt Zürich 28.1.09

"Die jüdische Bevölkerung ist sehr besorgt"

Von Isabella Seemann

Yves Kugelmann, 38, ist seit 2001 Chefredaktor des jüdischen Wochenmagazins "Tachles". Im Gespräch mit dem "Tagblatt" äussert er sich über Israel-Kritik, Antisemitismus und jüdisches Leben in Zürich.

Tagblatt der Stadt Zürich: Herr Kugelmann, immer wenn Israel in der Kritik steht, werden Sie von Medien um Stellungnahme gebeten. Stehen Sie unter einem Rechtfertigungsdruck?

Yves Kugelmann: Nein, ich habe grosses Verständnis, wenn die Menschen Fragen haben. Kein Verständnis habe ich, wenn Schweizer, die ja eine grosse Demokratiekompetenz besitzen, wenig Wissen mitbringen und keine Unterschiede zwischen jüdischen Schweizern und Israeli machen.

Wie haben Sie die Kritik wahrgenommen, die Israels Krieg gegen die radikal-islamische Hamas in Gaza ausgelöst hat?

Yves Kugelmann: Es ist ein guter Reflex, wenn man bei Ausbruch eines Krieges zuerst einmal eine kritische Haltung einnimmt. Dies beweist eine hohe Sensibilität für die Opfer. Leider fehlt vielen Leuten die Sensibilität für Ursache und Wirkung, und sie wenden unterschiedliche Massstäbe für die palästinensische und die israelische Zivilbevölkerung an. Wer sich mit diesem Konflikt befasst, muss sich mit beiden Seiten auseinandersetzen.

In Zürichs Strassen sieht man derzeit vermehrt antisemitische Schmierereien. Nehmen Sie Antisemitismus auch in anderer Form wahr?

Kugelmann: In Krisenzeiten gibt es immer ein Bedürfnis nach Manifestation, einige davon sind dumm, einige intelligent. Dumm ist die Gleichstellung zwischen Israel und Nazis oder das Verbrennen von Israel-Fahnen. Auch wir auf der Redaktion erhalten massiv mehr Reaktionen, darunter antisemitische und beleidigende Leserbriefe und Telefonate. Die jüdische Bevölkerung ist sehr besorgt über den anschwellenden Antisemitismus.

Wie stark ist der Antisemitismus heute in Zürich?

Kugelmann: Rund 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind gemäss einer Studie "harte" Antisemiten und rund 30 Prozent haben punktuell antijüdische Einstellungen, vor allem Menschen in ländlichen Gebieten oder ohne höhere Bildung. In Städten ist der Durchschnittswert kleiner. Während Nahostkrisen manifestiert sich dieser Antisemitismus öffentlich. Das heisst nicht, dass die kritische Haltung gegenüber Israel automatisch in Antisemitismus übergeht, aber in der Regel sind Antisemiten antiisraelisch eingestellt.

Wie steht es um die Befindlichkeit der Juden in Zürich allgemein?

Kugelmann: Seit die Israelitische Cultusgemeinde Zürich und die Jüdische Liberale Gemeinde vor drei Jahren staatlich anerkannt wurden, hat sich vieles verändert, vor allem im Selbstbewusstsein der Juden. Es ist ein Zeichen der Integration und eine Anerkennung dessen, dass unsere Gemeinschaft zur zürcherischen Bevölkerung gehört. Die offiziellen Beziehungen verlaufen sehr positiv, und es findet reger Austausch statt.

Wie gut ist der Kontakt zu anderen Religionsgemeinschaften?

Kugelmann: Unter den Amtsträgern ist der Kontakt sehr gut. Aber an der Basis gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Sowohl Muslime wie auch Juden müssen ihre Feindbilder abbauen, aber das geht nur, wenn man sich auch begegnet. Der Zugang zu anderen Kulturen und Religionen müsste schon in der Schule gelehrt werden. Grundsätzlich herrscht hierzulande eine grosse Neugier gegenüber anderen Kulturen, kulturelle Veranstaltungen ziehen immer viele unterschiedliche Menschen an. Aber vor allem sollten jüdische Stimmen auch in öffentlichen Debatten stärker zur Geltung kommen.

Können Sie Beispiele nennen?

Kugelmann: Wir Juden werden nur um Stellungnahmen gebeten, wenn es um den Nahostkonflikt oder Antisemitismus geht. Aber jüdische Stimmen, und natürlich auch die anderer Kulturen und Religionen oder atheistische, sollten auch erhört werden, wenn es um kulturelle, medizin-ethische oder naturschützerische Fragen geht, um den Diskurs zu bereichern und andere Perspektiven zu ermöglichen. Heute ist es doch so, dass beispielsweise im Fernsehen ständig die gleichen Leute das Gleiche sagen.

Worin sehen Sie die wichtigste Herausforderung für die Juden heute in Zürich?

Kugelmann: Wegen der Heterogenität der Juden bestehen Ängste, dass die jüdische Solidarität und Identität schwindet. Es gilt, Säkulare und Religiöse unterschiedlichster Strömungen, Progressive, Liberale und Konservative, Alteingesessene, Neuzuzüger und Angeheiratete unter einen Hut zu bringen. Es ist einfacher, gemeinsam gegen Antisemiten zu kämpfen, als die eigene Gemeinschaft zu einen und den Zusammenhalt zu stärken.

Auffallend im Strassenbild sind diejenigen Juden, die sich in der osteuropäischer Tradition kleiden, zu denen die nichtjüdische Bevölkerung aber fast keinen Kontakt hat. Gibt es von beiden Seiten her Berührungsängste?

Kugelmann: Ich habe dazu eine sehr dezidierte Meinung: Orthodoxe Gruppierungen, seien diese jüdisch, muslimisch oder christlich, stehen in einer Bringschuld. Sie müssen sich 100 Prozent integrieren, die hiesigen Gesetze akzeptieren und die nichtreligiöse Welt respektieren. Natürlich müssen sie sich nicht aufgeben, aber sie dürfen sich auch nicht abschotten. Jeder Bürger hat sowohl Rechte wie auch Pflichten. Und die staatlichen Behörden, wie auch die jüdische Gemeinde müssen sie in die Pflicht nehmen. In den USA beispielsweise bringen sich orthodoxe Juden viel stärker und unverkrampfter in die Öffentlichkeit ein. Das halte ich für vorbildlich.

Als Lackmustest für Schweizer Juden gilt die Frage: "Falls Israel gegen die Schweiz Fussball spielt - für welches Land sind Sie?"

Kugelmann: Als echter Fussballkenner bin ich weder für die Schweiz, noch für Israel, sondern für Brasilien.

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Le matin 28.1.09

Mgr Fellay demande pardon

Antisémitisme

Le supérieur d'Ecône a présenté ses excuses au pape pour les propos négationnistes de MgrWilliamson.

La réintégration samedi par le pape Benoît XVI de quatre évêques intégristes excommuniés il y a vingt ans, parmi lesquels un négationniste, a provoqué des remous hier dans l'Eglise catholique tandis que les critiques des représentants juifs ne faiblissaient pas.

Face à ce tollé, le supérieur général de la communauté intégriste de la Fraternité Saint Pie X à Ecône (VS), Mgr Bernard Fellay, a demandé pardon au pape hier soir après les propos négationnistes de Mgr Richard Williamson.

"Les affirmations de Mgr Williamson ne reflètent en aucun cas la position de notre société. C'est pourquoi je lui ai interdit, jusqu'à nouvel ordre, toute prise de position publique sur des questions politiques ou historiques", écrit-il dans un communiqué transmis par le Vatican. "Nous demandons pardon au souverain pontife et à tous les hommes de bonne volonté, pour les conséquences dramatiques d'un tel acte", ajoute-t-il.

Radio Vatican et l'Osservatore Romano, le journal du Vatican, ont aussi fermement condamné les déclarations de Mgr Williamson, rappelant le pèlerinage accompli par Benoît XVI à Auschwitz en mai 2006 et son attachement au dialogue avec le judaïsme.

Dans la journée, les évêques suisses s'étaient distanciés de la décision du Vatican. Les prélats helvétiques appellent la Fraternité Saint Pie X à adopter une "attitude positive envers le judaïsme". La Fédération suisse des communautés israélites a pris acte avec satisfaction de cette déclaration.

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AUSCHWITZ
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Basler Zeitung 28.1.09

Wenn nicht mehr Geld fliesst, droht Auschwitz der Zerfall

Ein Fonds soll helfen, das Vernichtungslager als Museum zu erhalten und weiterhin zugänglich zu machen

Knut Krohn, Warschau

Auschwitz ist das Synonym für den Massenmord der Nazis. 64 Jahre nach der Befreiung nagen Regen, Frost und Wind an dem bereits 1947 zum Museum umgestalteten deutschen Konzentrationslager.

"Wenn wir jetzt nicht mit grundlegenden Konservierungsmassnahmen beginnen, wird man uns vorwerfen, dieses Weltsymbol des Holocaust zerstört zu haben", warnt Wladyslaw Bartoszewski. Er war selbst einst Lagerhäftling in Auschwitz und ist heute Vorsitzender des Internationalen Auschwitzrates. Doch es fehlt das Geld. Rund 100 Millionen Euro müssten in den kommenden 20 Jahren investiert werden, schätzt Piotr Cywinsk, Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau. Im Moment wird das Museum vor allem vom polnischen Staat finanziert. Über drei Millionen Euro fliessen dafür jedes Jahr, hinzu kommt noch einmal dieselbe Summe aus Einnahmen aus Bücherverkäufen und Führungen.

Rund 190 Hektar misst der gesamte Komplex Auschwitz-Birkenau. Doch an den Ruinen der Gaskammern und den Baracken nagen Regen, Frost und Wind. Vor allem aber das Grundwasser setzt den Gebäuden zu. In Birkenau stehen die Fundamente der dort 45 Baracken im ständig feuchten Untergrund.

Teile schon geschlossen. Einige der Baracken des von den Nationalsozialisten errichteten Vernichtungslagers mussten aus Sicherheitsgründen bereits für Besucher geschlossen werden. Zudem greifen Überschwemmungen die Bausubstanz immer wieder an. Die Erhöhung und Verlängerung des Dammes zur nahen Weichsel ist seit Jahren geplant, scheiterte bisher allerdings vor allem an der Finanzierung.

Deutsche Unterstützung

"Wir werden das Museum weiter unterstützen", sagt Tomasz Merta, stellvertretender polnischer Kulturminister. Aber er weist darauf hin, dass sich in Zukunft alle Nationen für den Erhalt des Museums engagieren müssten. Aus diesem Grund schlägt der Internationale Auschwitzrat die Bildung eines Fonds in Höhe von 120 Millionen Euro vor. Museumsdirektor Piotr Cywinsk rechnet mit Zinserträgen von rund fünf Millionen Euro pro Jahr. Das allein würde bereits eine solide Basis darstellen, um die notwendigen Renovierungsarbeiten zu finanzieren.

Die deutsche Regierung habe dieser Initiative bereits öffentlich ihre Unterstützung zugesagt, erklärt Cywinsk. Den Initiatoren schwebt vor, dass sich neben der polnischen Regierung auch die EU-Partner an dem Fonds beteiligen. Bartoszewski erinnert daran, dass das Lager auf der Liste der Weltkulturerben der Unesco steht und darin Menschen aus vielen Ländern Europas ermordet worden sind.

Die Idee eines Fonds wird auch von Michael Schudrich gutgeheissen, dem obersten Rabbiner in Polen. "Es ist unmoralisch, dass die gesamte Verantwortung für den Erhalt von Auschwitz auf Polen fällt." Seiner Meinung nach müsse sich vor allem Deutschland um die Rettung des Museums kümmern, das jedes Jahr von rund einer Million Menschen besucht wird. Die können diese Stätte der Mahnung gratis betreten, was auch so bleiben soll.

Eklat am Gedenktag

Protest. In der Gedenkstätte Auschwitz wurde gestern der Befreiung des Vernichtungslagers durch Sowjettruppen vor 64 Jahren gedacht. Der Zentralrat der Juden in Deutschland blieb jedoch demonstrativ fern. Zentralrat-Generalsekretär Stephan J. Kramer erklärte, Vertreter wie die amtierende Präsidentin Charlotte Knobloch und deren Vorgänger seien noch nie als Überlebende des Holocaust auf der Tribüne des Bundestags begrüsst worden. Dieser Behandlung wolle man sich nicht mehr aussetzen. Er beklagte zudem wachsenden Antisemitismus in Deutschland.  AP

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PNOS
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Aargauer Zeitung 28.1.09

Bekommt die Pnos-Spitze heute kalte Füsse?

Bezirksgericht Aarau Ehemalige und aktuelle Mitglieder des Parteivorstandes wehren sich gegen Strafbefehl

Gegen einen 2007 verhängten Strafbefehl wegen Verletzung der Antirassismus-Strafnorm führt die damalige Spitze der Partei National Orientierter Schweizer Beschwerde. Die Frage ist: Wird sie heute vor Gericht wieder zurückgezogen?

Michael Spillmann

Fünf ehemalige und aktuelle Vorstandsmitglieder der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) treffen sich heute vor dem Bezirksgericht Aarau. Grund: Sie wehren sich gegen einen Strafbefehl wegen Verletzung der Antirassismus-Strafnorm. Das Bezirksamt Aarau hatte die Frau und die vier Männer im Herbst 2007 zu einer Geldstrafe von 20 bis 30 Tagessätzen verknurrt.

Am heutigen Prozessausgang besonders interessiert ist der Fricktaler "Neonazi-Jäger" Heinz Kaiser, Projektleiter der Gruppierung Schweizer WeltbürgerInnen. Er war es, der vor über drei Jahren Strafanzeige gegen die damalige Parteispitze eingereicht hatte. Vorwurf: Das Parteiprogramm und ein von der Partei vertriebener Taschenkalender verstossen gegen die Antirassismus-Strafnorm. Rund zwei Jahre später erfolgte der Entscheid des zuständigen Bezirksamts Aarau. Die fünf Pnos-Mitglieder reichten umgehend Beschwerde ein.

Zwei noch immer im Vorstand

Drei Personen traten bereits vor dem Urteilsspruch aus "privaten" Gründen aus dem Vorstand aus. Zu diesem Trio gehörte auch der Solothurner Dominic Bannholzer, der von 2005 bis zu seinem Rücktritt Anfang 2008 als Gemeinderat von Günsberg SO amtete. Mit der Bernerin Denise Friedrich und dem Freiburger André Gauch sind heute auch zwei aktuelle Vorstandsmitglieder beim Prozess mit von der Partie.

Fällt der Prozess ins Wasser?

Die Befürchtung von Heinz Kaiser ist nun aber: Die Pnos-Exponenten könnten die Beschwerde zu Prozessbeginn kurzfristig zurückziehen und den alten Strafbefehl akzeptieren. "Bereits im Sommer 2006 fiel ein Gerichtsprozess kurzfristig ins Wasser", erinnert sich Kaiser. Rückblick: Der Fricktaler hatte bereits Mitte 2003 den kompletten Pnos-Vorstand wegen des 20-Punkte-Parteiprogramms und eines Plakats angezeigt. Gegen den Erlass des Bezirksamts Aarau führten die vier Mitglieder Beschwerde. Angesetzt war der Gerichtstermin auf Ende Mai 2006, die vier Parteimitglieder zogen die Beschwerde einen Monat vorher zurück. Findet der Prozess heute tatsächlich statt, entscheidet das Gericht über die Tatbestände und die Geldstrafen.

"Partei muss verboten werden"

Heinz Kaiser ist überzeugt: "Wenn es tatsächlich zum Prozess kommt, werden die Urteile durch das Bezirksgericht bestätigt. Ob die fünf diese dann akzeptieren oder vor das Obergericht weiterziehen: Es ist ein deutliches Zeichen im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus." Komme, was wolle: Den nächsten Schritt hat Projektleiter Kaiser bereits geplant. Er will seine langjährigen Anstrebungen, die Partei endgültig verbieten zu lassen, vorantreiben. "Es gibt zahlreiche verurteilte Vorstands- und Parteimitglieder. Die Behörden müssten erkennen können, dass diese Partei rassistisch, volksverhetzend, extremistisch und menschenverachtend ist."

Um seinen Plan umsetzen zu können, will er nun den Kontakt zu den Anklagebehörden suchen und mit den gesammelten Fakten einen Antrag zur Auflösung der Partei stellen. "Ich fordere von den Behörden härteres Durchgreifen und von Politikern und der Bevölkerung mehr Widerstand in dieser Sache", erklärt Heinz Kaiser.

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Basler Zeitung 28.1.09

Pnos-Funktionäre stehen wieder vor Gericht

Heute wird in Aarau entschieden, ob das Parteiprogramm von 2007 tatsächlich ausländerfeindlich war

Franziska Laur

Fünf Funktionäre der Partei National orientierter Schweizer (Pnos) wurden im Herbst 2007 zu Geldstrafen verurteilt, weil Punkte in ihrem Parteiprogramm gegen die Rassismus-Strafnorm verstiessen. Heute findet der Berufungsprozess statt.

Rechtsextremismus- und Antirassismusexperten auf der einen Seite, ihre Gegner auf der anderen. Dieses Bild könnte sich einem heute früh vor dem Bezirksgericht in Aarau bieten. Hier soll ab 8 Uhr ein Geschworenengericht entscheiden, ob das 20-Punkte-Parteiprogramm der Pnos aus dem Jahr 2007 tatsächlich diskriminierend und ausländerfeindlich war.

Dieser Meinung war vor zwei Jahren der Aarauer Untersuchungsrichter und verurteilte die fünf Angeschuldigten zu einer Geldstrafe. Strittige Aussage im Parteiprogramm war zum Beispiel: "Ein gesunder Staat vertritt die Rechte des Volkes und nicht, wie heute, die Interessen von Randgruppen oder fremden Eindringlingen." Zudem verlangte die Pnos die "Rückführung kulturfremder Ausländer".

Abgeändert

Das Parteiprogramm wurde mittlerweile geändert und kommt heute bieder daher. Viel ist von Förderung der alternativen Energien und des öffentlichen Verkehrs die Rede. Nur hin und wieder blitzen auffällige Positionen auf, wie etwa die Forderung, dass das Schächten streng verfolgt und ausserfamiliäre Kindererziehung verurteilt werden soll.

Ruedi Brassel, Baselbieter Landrat und Historiker, hat die Pnos im Auge, seit sie im Jahr 2000 in Liestal von Jonas Gysin und Sacha Kunz gegründet wurde. Dass sich die Pnos mit ihrem abgeänderten Parteiprogramm inzwischen seriös gibt, beunruhigt ihn - das sei Teil eines strategischen Konzepts. "Dass sie sich nicht mehr derart gewaltbereit geben, heisst, dass man ihnen umso mehr auf die Finger schauen muss." Aber es sei nicht nur die Pnos, die ihm Sorgen mache - sondern allgemein der sinkende Respekt, mit dem man sich auf politischer Ebene begegne.

Neue Sektion

Vor zehn Tagen hat die Pnos in Gelterkinden eine neue Sektion Baselland und Basel-Stadt gegründet. Wie Dieter Leutwyler, Pressesprecher der Baselbieter Sicherheitsdirektion, sagt, habe man die öffentlich zugänglichen Unterlagen der Partei im Vorfeld der Vereinsgründung geprüft und diese seien rechtlich in Ordnung gewesen. "Doch wir werden ihre Tätigkeiten genau beobachten."

Fricktaler Bezug

Die Pnos hat nicht wenig Bezug zum Fricktal. So wohnt Jonas Gysin seit Jahren in Bözen. Und auch sein Kumpel Sacha Kunz ist im Fricktal kein unbeschriebenes Blatt, seit er in Rheinfelden einen Laden für Hooligankleidung aufmachen wollte. Die Behörden wussten es zu verhindern. Beide sind mittlerweile aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen.

Ihr Erzfeind Heinz Kaiser aus Frick hat allerdings immer noch ein scharfes Auge auf die Tätigkeiten der Pnos. Der ehemalige Karatelehrer ist in seinen Kursen immer wieder dem Rechtsextremismus begegnet und hat sich deshalb dem Kampf gegen Rassismus und Gewalt verschrieben. Auf seine Kappe gehen auch die Verurteilungen gegen den Pnos-Vorstand. "Ich freue mich auf den Prozess heute. Das ist für mich als Einzelkämpfer ein grosser Erfolg", sagt er. Dass das Urteil heute bestätigt wird, daran zweifelt er keine Sekunde. Und danach geht sein Kampf weiter: Er will bei der Staatsanwaltschaft die Auflösung der Pnos beantragen.

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SQUAT BADEN
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Tagesanzeiger 28.1.09

Polizei ermittelt gegen SP-Vize

Wegen der Hotelbesetzung in Baden droht Cédric Wermuth jetzt ein Strafverfahren. Auch SP-Chef Christian Levrat findet, sein Vize sei zu weit gegangen.

Von Patrick Kühnis

Baden. - Die Besetzung im Bäderquartier hat für den Vizepräsidenten der SP Schweiz, Cédric Wermuth, und andere Juso-Aktivisten ein Nachspiel. Nach ihrer Aktion in Baden, die völlig aus dem Ruder lief, hat die Grundeigentümerin Strafanzeige eingereicht - wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahl. Die Kantonspolizei Aargau ermittelt seither nicht nur gegen die unbekannten Täter, die am frühen Sonntagmorgen im Hotel gewütet und Lebensmittel gestohlen haben (TA von gestern). Ins Visier nimmt sie auch Wermuth und seine Mitstreiter, die zuvor in den Hotels Bären und Verenahof mit über 70 Personen eine Protestparty gefeiert haben. "Die Urheber dieser Aktion sind unerlaubt in Gebäude eingedrungen. Wir werden sie deshalb zu den Vorfällen befragen", bestätigt ein Polizeisprecher. Wer für eine oder mehrere Straftaten verantwortlich sei, müsse mit einer Verzeigung beim Bezirksamt rechnen.

Christine Zehnder von der Verenahof AG fände es nichts als recht, wenn sich der Juso-Chef vor dem Untersuchungsrichter für den Hausfriedensbruch verantworten müsste. Gerade ein Politiker sollte wissen, was legal und was illegal sei, findet die Vertreterin der Grundeigentümer. "Uns wurde Schaden zugefügt. Dafür soll der Urheber der Aktion geradestehen." Noch schärfere Töne kommen vom politischen Gegner: "Wermuth gehört vor den Richter und nicht in den Grossen Rat", liess die Aargauer FDP gestern verlauten. Der 22-Jährige denkt aber nicht daran, seine Kandidatur für die Wahl zurückzuziehen.

Levrat: "Das war ein Unfall"

Dass der SP-Vize eine Straftat in Kauf nahm, um politisch zu punkten, kommt auch bei Parteipräsident Christian Levrat nicht gut an: "In Baden ist ein Unfall passiert - und Cédric Wermuth hat inzwischen eingesehen, dass die Aktion ein Fehler war." Hausbesetzungen seien der falsche Weg, um auf das Problem der Wohnungsnot aufmerksam zu machen. Der Vorfall werde darum im SP-Präsidium besprochen. "Als Gewerkschafter weiss ich, dass gerade spontane Aktionen gut abgesichert sein müssen", sagt Levrat. Die Juso habe mehrmals mit witzigen und gelungenen Aktionen wie der UBS-Sitzblockade für Aufsehen gesorgt. "Diesmal ging sie aber etwas naiv zur Sache." 100 000 Franken pro Jahr überweist die SP ihrer Tochterpartei. Levrat: "Ich hoffe, dass sie das Geld nicht in solche Aktionen, sondern in ihre erfolgreiche politische Arbeit investiert, mit der wir sehr zufrieden sind."

Rückendeckung erhält der Hausbesetzer dagegen von der Winterthurer Vizepräsidentin der SP Schweiz, Jacqueline Fehr. Man habe gewusst, dass man mit Wermuth keinen "Braven" ins Vizepräsidium wähle, sagt die Nationalrätin. "Die Juso ist eine Jungpartei, die auf sich aufmerksam zu machen weiss. Und das ist gut so. Wir wollen eine Juso, die provoziert." Dass dabei auch Fehler gemacht würden, sei normal. 22-Jährige müssten nicht gleich politisieren wie 60-Jährige. Fehr rät, "cool zu bleiben". "Wenn ein leeres Hotel besetzt wird, um auf den Mangel an günstigen Wohnungen hinzuweisen, gerät damit die Gesellschaft nicht aus den Fugen."

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NZZ 28.1.09

Neuerlicher "Wermuthstropfen" für die SP

SP-Vizepräsident Wermuth entschuldigt sich für Hausbesetzung

 Am Wochenende hat eine von Jungsozialisten organisierte Hausbesetzung im aargauischen Baden in einem Vandalenakt geendet. Die Gruppe um Juso-Präsident und SP-Vizepräsident Cédric Wermuth wollte die Wohnungsnot thematisieren. Mit der missglückten Aktion hat Wermuth seine Genossen nicht zum ersten Mal vor den Kopf gestossen.

 se. Er wird längst schon als das Enfant terrible der Sozialdemokraten schlechthin gehandelt, der Juso-Chef und Vizepräsident der SP Schweiz, Cédric Wermuth. Der 23-jährige Aargauer Politologie-Student und Grossratskandidat hat unter den Genossen bereits verschiedentlich für Irritation gesorgt - etwa, als er unlängst in einem Zeitungsinterview die "Dinosaurier" in seiner Partei offen zum Rückzug aus der Politik aufgefordert hat oder als er an vorderster Front das heikle Sicherheitspapier seiner Parteileitung medial zerfetzt hat. Zumindest bei welschen Sozialdemokraten sorgte Wermuth auch für Konsternation, als er anlässlich der SP-Parolenfassung zur Drogenpolitik am Rednerpult einen Joint angezündet hat; auch die Aufrufe Jugendlicher zu "Botellón"-Massenbesäufnissen hat der Juso-Präsident verteidigt. Als Wermuth schliesslich im Zusammenhang mit einem Demonstrations-Sit-in am Zürcher Paradeplatz gegenüber einer Gratiszeitung festhielt, man möge die UBS Bankrott gehenlassen, sah sich SP-Präsident Christian Levrat zur Distanzierung genötigt: Wermuth vertrete da keineswegs die Position der SP, stellte Levrat klar.

 Zu einer echten Juso-Panne ist es nun am vergangenen Wochenende im Aargau gekommen. Wermuth und seine Jungsozialisten drangen in leerstehende Hotels im Badener Bäderquartier ein, um (in wohlwollender Begleitung lokaler Medien) auf den "eklatanten Mangel an günstigem Wohnraum für Familien und Junge" aufmerksam zu machen. Die Juso haben ihre gutgemeinten Festlichkeiten in der Früh in Minne beendet, einige Vandalen aber blieben und warfen mit Farbkübeln um sich. Zerknirscht haben sich Wermuth und seine Getreuen inzwischen bei den Besitzern entschuldigt (vgl. Kasten), und erneut muss SP-Präsident Christian Levrat den Jungspund in seinem Führungsteam zurechtweisen: "Ich habe Schwierigkeiten zu verstehen, was sich die Juso von dieser Aktion erhofft haben", sagt Levrat auf Anfrage, "sie war kaum dazu geeignet, die Bevölkerung für das Problem der Wohnungsnot zu sensibilisieren." Offensichtlich seien bei der spontanen Aktion zudem die wichtigsten Regeln missachtet worden, sagt der erprobte Gewerkschafts-Aktionist und zählt drei Punkte auf: strikte Organisation, kein Alkoholausschank, eigener Sicherheitsdienst.

 Man dürfe die Badener Angelegenheit nun aber nicht dramatisieren, stellt Levrat auch klar. Wermuth habe seinen Fehler rasch eingesehen und bemühe sich bereits um Wiedergutmachung. Der SP-Vizepräsident habe ausserdem in seiner Rolle als Juso-Chef agiert, versucht Levrat den Schaden für die SP Schweiz wegzureden. Wermuths Posten im Parteipräsidium sei keineswegs in Frage gestellt: "Er ist ein sehr talentierter Politiker. Die SP muss ihren Bewegungscharakter stärken, und das macht Cédric Wermuth sehr gut." Er gehe davon aus, dass die Aktion vom Wochenende ein einmaliger Unfall bleibe, sagt Levrat; auch hoffe er, dass sein Vizepräsident vorsichtig genug sei, um an bevorstehenden WEF-Kundgebungen nicht erneut negative Schlagzeilen zu machen.

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Polizei ermittelt gegen Wermuth

 -yr.  Im Anschluss an eine Hausbesetzung in leerstehenden Bäderhotels in Baden war es in der Nacht auf Sonntag zu Sachbeschädigungen in Form von Schmierereien und Sprayereien gekommen. Zur Hausbesetzung aufgerufen hatte die Juso des Kantons Aargau, an der illegalen Party war auch Cédric Wermuth beteiligt. In der Zwischenzeit hat sich Wermuth persönlich bei der Geschäftsleiterin der Bäderhotels entschuldigt. Er ärgere sich gewaltig über die idiotische Aktion, von der er nichts mitbekommen habe, sagte Wermuth auf Anfrage. Die Geschäftsleiterin hatte bereits am Sonntag Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht. Ermittelt wird wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahl. In diesem Zusammenhang soll laut Angaben eines Sprechers der Kantonspolizei Aargau auch Wermuth befragt werden. Zumindest was den Tatbestand des Hausfriedensbruchs anbelangt, könnte es für den Vizepräsidenten der SP Schweiz heikel werden. Schwer zu beziffern ist der entstandene Sachschaden. Weil die betroffenen Bäderhotels auch in naher Zukunft leer bleiben werden, ist laut Angaben der Geschäftsleiterin Christine Zehnder vorläufig keine Wiederinstandstellung geplant. Arg in Mitleidenschaft gezogen wurde aber auch mindestens eine denkmalgeschützte Säule. Trotz der negativen Erfahrung vom vergangenen Wochenende will Wermuth am kommenden Samstag an die Anti-WEF-Kundgebung nach Davos reisen, die von der lokalen Juso-Sektion mitorganisiert wird. Wermuth sagte, er hoffe auf eine effiziente Kontrolle der Polizei, damit potenziell Militante gar nicht erst nach Davos reisen könnten.

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Aargauer Zeitung 28.1.09

Druck auf Cédric Wermuth steigt

Forderung Er soll sich nach Hausbesetzung zurückziehen

Nachdem der Fraktionschef der SVP im Grossen Rat, Andreas Glarner, schon am Tag nach der Badener Häuserbesetzung und den Vandalenakten im Bäderquartier gefordert hatte, Juso-Präsident und SPS-Vizepräsident Cédric Wermuth soll die Konsequenzen aus seinem Fehlverhalten ziehen und seine Kandidatur für die Grossratswahlen vom 8. März zurückziehen, stösst die FDP Aargau nun nach. "Wermuth gehört vor den Richter und nicht in den Grossen Rat", halten die Freisinnigen fest. "Rädelsführer war klar und unmissverständlich der Vizepräsident der SP Schweiz, er hat für diese Aktion geradezustehen und zu büssen", sagt Parteipräsidentin Doris Fischer-Taeschler. "Eine billige Entschuldigung nützt da nichts", steht für die FDP fest. Daran ändert auch nichts, dass selbst die SP Baden und ihr Präsident Martin Groves die Vandalenakte verurteilten und forderten, die Täterschaft sei zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. (bbr.)

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BIG BROTHER NOKIA
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St. Galler Tagblatt 28.1.09

Nokia will Schwedens Bürger über GPS bewachen

Skandinavische Handybenutzer können bald rund um die Uhr überwacht werden. Nokia plant gemeinsam mit einem privaten Sicherheitsdienst einen Kontrollservice.

André Anwar

Stockholm. Nokia hat angekündigt, mit dem privaten Sicherheitsdienst Securitas zusammenzuarbeiten, damit Familienmitglieder und Freunde stets ausfindig gemacht werden können. Der neue umstrittene Überwachungsdienst trägt den Namen "safe-2-go".

Wo ist gerade die Freundin?

"Der Dienst wird sich vor allem an Familien und an alleine arbeitende Personen richten", sagt Magnus Friberg, Entwicklungschef bei Securitas Alert Services in Schweden. Das Programm "safe-2-go" soll bei der Markteinführung in Schweden zunächst vier Dienste umfassen. Die Funktion "Assist" soll es dem Handybenutzer ermöglichen, die Securitas-Notrufzentrale zu erreichen. Über den im Handy eingebauten GPS-Sender erhält Securitas den Standort des Kunden, und kurze Zeit später ist entweder der Sicherheitsdienst, die Polizei oder das Krankenauto unterwegs. Der Vorteil zum gewöhnlichen Notruf ist, dass ohne mühselige Aufenthaltsbeschreibung sofort bekannt ist, wo der Hilfesuchende ist.

Die zweite Funktion "Zone" soll Eltern eine Überwachung ihrer Kinder ermöglichen. Individuell lassen sich geographische Zonen wie "Zuhause" oder "Schule" einrichten. Sobald sich ein Kind bewegt, erhalten die Eltern ein SMS. Mit den Funktionen "Friends" und "Find" soll der Kunde jederzeit die exakte Position der an das System angeschlossenen Freunde und Familienmitglieder und später auch Arbeitnehmer aufrufen können.

Wird die Integrität verletzt?

In Schweden hagelt es Kritik: Das System verletze die persönliche Integrität. Manche fragen sich: "Was, wenn eifersüchtige Ehemänner so ihre Ehefrauen überwachen?" Magnus Friberg von Securitas glaubt jedoch nicht, dass der Dienst die Persönlichkeitsrechte einschränke. Anwender könnten selbst entscheiden, wann sie sich aus dem Ortungsnetz ausklinken wollten, um unsichtbar zu werden. Bei Nokia sieht man für den Dienst gute Marktchancen. "Ich glaube, dass das Ortungssystem GPS in einem Jahr bei Handys genauso wie die Kamerafunktion verbreitet sein wird", sagt ein Sprecher.

Der Dienst soll bereits in den kommenden Monaten eingeführt werden. Der schwedische Datenschutzbeauftragte Pär Ström betrachtet die Entwicklung besorgt. Dass Eltern wüssten, wo ihre Kinder sich herumtreiben, sei in Ordnung. Aber Ström befürchtet, dass Arbeitnehmer von ihren Chefs gezwungen würden, der Überwachung zuzustimmen. Auch warnt er davor, dass schwedische Politiker in einigen Jahren gar fordern könnten, dass die Aufenthaltsdaten jedes Bürgers gespeichert und von der Polizei aufgerufen werden könnten.

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ANTI-ATOM
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Oltener Tagblatt 28.1.09

Die Atel gibts nicht mehr

Olten Generalversammlung sagt Ja zur Überführung in die Alpiq Holding

Die Atel wird zur Alpiq, der Hauptsitz nach Neuenburg verlegt. Dies beschlossen die Atel-Aktionäre an ihrer letzten GV gestern in der Oltner Stadthalle.

Philipp Wyss

Die Sache war lange vorgespurt, Überraschungen blieben an der Atel-Generalversammlung aus. Die Aktionäre beschlossen grossmehrheitlich die Umfirmierung des Unternehmens, was den Weg zum Zusammenschluss mit der EOS und zur Gründung des Stromriesen Alpiq frei macht. Der Hauptsitz des Unternehmens wird nach Neuenburg verlagert - ein Kompromiss zwischen Atel (Olten) und EOS (Lausanne); die Alpiq-Geschäftsleitung wird ihren Sitz weiterhin in Olten haben. Die GV war gleichzeitig der Abschied von Atel-Verwaltungsratspräsident Rainer Schaub. Seiten 14/19

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Adieu Atel, bonjour Alpiq

Olten Letzte Generalversammlung der Atel in der Stadthalle

Die ausserordentliche GV der Atel Holding hat gestern die Umfirmierung zur Alpiq Holding AG sowie die Verlegung des Hauptsitzes von Olten nach Neuenburg beschlossen.

Philipp Wyss

Natürlich wars bereits im Vorfeld beschlossene Sache. Die gestrige Abstimmung in der Oltner Stadthalle hatte mehr symbolischen Vollzugscharakter. Trotzdem: Gestern Dienstag kurz vor halb zwölf Uhr mittags wurde definitiv der Schlussstrich unter die 115-jährige erfolgreiche Geschichte der Atel Holding AG gezogen. Eine einzige Hand (eines Aktionärvertreters) hob sich bei den Gegenstimmen zum Traktandum der Umfirmierung der Atel zur Alpiq Holding AG.

Etwas zahlreicher erwiesen sich die Gegenstimmen bei der Abstimmung zur Verlegung des Hauptsitzes des neuen Unternehmenskonstrukts nach Neuenburg. Aber auch hier erfolgte grossmehrheitlich eine Zustimmung. Die Geschäftsleitung bleibt zwar weiterhin in Olten, die Zeiten, als Aktionäre aus der ganzen Schweiz und darüber hinaus nach Olten an die Generalversammlung strömten, sind aber nun endgültig vorbei. Da passte es, dass bereits gestern das traditionelle Bierzelt vor der Stadthalle nicht mehr vorhanden war.

Der orange Phönix

Stolz und Wehmut erfülle ihn am heutigen Tag, liess Atel-VR-Präsident Rainer Schaub die Versammelten wissen. Aber: Sozusagen als "oranger Phönix" steige die Alpiq als neues Unternehmen empor. Der Zusammenschluss von Atel und EOS sei auch ein Zeichen gegen die aktuelle Finanzkrise, schaffe neue Werte und Arbeitsplätze. Schaub verheimlichte seinen Unmut nicht, dass die Protagonisten der Stromwirtschaft in den letzten Wochen "mit Bankern und Abzockern in einen Topf geworfen wurden." Er appellierte an die Politik, nicht übereilt zu reagieren. "Gewinne sind nichts Anstössiges, sondern Anreiz für kontinuierlichen Fortschritt und Basis für nachhaltige Investitionen." Heikel sei, wenn der Staat definiere, was "angemessene" Gewinne seien.

 Rainer Schaub wird im neuen Alpiq-Verwaltungsrat nicht mehr vertreten sein. Der solothurnische Regierungsrat Chris-tian Wanner (Vizepräsident des Atel-VRs) würdigte Schaubs Verdienste - insbesondere natürlich auch um die steuerlichen Regelungen zwischen den "Alpiq-Kantonen" Neuenburg, Waadt und Solothurn. Es war dann am designierten Alpiq-VR-Präsidenten Hans E. Schweickardt und CEO Giovanni Leonardi, der Versammlung das neue Alpiq-Logo zu präsentieren - welches man in Olten doch schon seit einigen Tagen kennt.

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Kommentar

Der orange Phönix

Beat Nützi

Seit gestern ist die Atel Geschichte. Mit der Zustimmung zur Alpiq haben die Atel-Aktionäre ein 115-jähriges erfolgreiches Kapitel der Schweizer Industriegeschichte abgeschlossen und gleichzeitig ein neues Kapitel aufgeschlagen. So war die Stimmung an der gestrigen Aktionärsversammlung in der Oltner Stadthalle geprägt von Stolz, Wehmut und Hoffnung: Stolz über das Erreichte, Wehmut über das Verschwinden der Atel und Hoffnung, dass die Erfolgsstory des Oltner Traditionsunternehmens in der Alpiq fortgeschrieben werden kann. Daran haben insbesondere auch die Stadt Olten und der Kanton Solothurn ein Interesse, denn sie partizipieren über das Steuerwesen direkt am Unternehmenserfolg.

 Offenbar steht die Alpiq unter einem guten Stern. Denn rückblickend muss es als Glücksfall bezeichnet werden, dass sich die UBS rechtzeitig von Motor Columbus (MC) und damit von der Atel trennte, was den Fusionsprozess in Gang setzte. Denn heute darf man sich fragen, was wohl unter dem Einfluss der Finanzkrise bei der UBS mit MC bzw. Atel passiert wäre.

 Auf jeden Fall ist aus der Asche von Atel und EOS ein grosser, starker, oranger Phoenix entstiegen. Allerdings garantieren Grösse und Stärke alleine keinen Erfolg. Die Ascom, die vor rund 20 Jahren aus der Fusion der damals beiden grössten Schweizer Telekommunikationsfirmen, Autophon (Solothurn) und Hasler (Bern), hervorging, lässt grüssen. Doch Alpiq ist nicht Ascom. Deshalb ist Zuversicht angebracht. Die Atel ist tot - lang lebe die Alpiq!

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Südostschweiz 28.1.09

Sarkozy steht der Sinn nach einem eigenen Atom-Riesen

Nach dem Ausstieg von Siemens aus dem französischen Nuklearkonzern Areva will Präsident Nicolas Sarkozy einen nationalen "Atom- Champion" schmieden.

Von Stefan Brändle

Paris. - Die sich abzeichnende Renaissance der Atomenergie löst eine industrielle Kettenreaktion aus. Der deutsche Siemens-Konzern gab am Montagabend bekannt, er werde den strategischen, 34 Prozent umfassenden Anteil an Areva NP abstossen. Das Tochterunternehmen des französischen Atomkonzerns Areva baut Kernkraftwerke. Das Mutterunternehmen dürfte rund 2,1 Milliarden Euro für den Rückkauf des deutschen Minderheitsanteils zahlen. Dieses Geld könnte Siemens laut Zeitungsmeldungen für eine Allianz mit der russischen Atomenergoprom einsetzen. Das Moskauer Unternehmen ist neben Areva das Einzige, das ganze AKWs liefern kann.

Politisch brisant ist der Ausstieg von Siemens, weil er kaum freiwillig erfolgt ist. Die Münchner begründeten den Schritt selbst mit der mangelnden Mitsprache bei Areva NP. Bisher war diese Kooperation bei den deutsch-französischen Gipfeltreffen regelmässig als vorbildlich gelobt worden. Noch im letzten Sommer hatte Frankreichs Staatschef Sarkozy im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich erklärt: "Wir wollen auch bei der neuen Generation des Nuklearbereichs mit den Deutschen zusammenarbeiten." Damit meinte er insbesondere den neuartigen Druckwasserreaktor EPR, den Areva und Siemens gemeinsam entwickelten.

Doch hinter den Kulissen arbeiteten Sarkozys Berater an einem rein nationalen Szenario - ohne deutsche Kapitalbeteiligung. Diese galt in Paris, auch wenn das niemand offen sagte, zunehmend als Hemmschuh für Sarkozys hoch fliegende Industriepläne. Auch der technische Beitrag der Siemens-Ingenieure wird nicht mehr gebraucht, nachdem in Finnland und Frankreich die ersten EPR-Kraftwerke im Bau sind.

Nationale Versorgung im Hinterkopf

Sarkozy geht es aber weniger um eine gesamteuropäische Forschung als um die nationale Energieversorgung. Areva ist einer ihrer drei Grundpfeiler, neben Electricité de France und dem Erdölkonzern Total. Der Atomkonzern entstand 2001, als ihn die ehemalige Mitterrand-Beraterin Anne Lauvergeon aus Framatome und der Cogéma fusionierte. Unter Lauvergeon gewährleistet Areva den gesamten Atomkreislauf: Produktion von Uran - namentlich in Westafrika -, Herstellung von Atomkraftwerken, Wiederaufbereitung von Brennstäben.

Der kaum kaschierte Rauswurf von Siemens durch die Franzosen zeigt, dass die Bildung "nationaler Energie-Champions" in der EU Vorrang geniesst. Die politischen Rufe nach einer geschlossenen Energiepolitik sind kaum mehr als Lippenbekenntnisse.