MEDIENSPIEGEL 2.2.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Mini-Demo: Reitschule ist wieder mal Sündenbock
- Anti-WEF-Demos Genf + Davos
- Stadtrat: Bahnhofs-PatInnen
- Papstum in der reaktionären Krise
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REITSCHULE
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- Feb 09: Beteiligt Euch an der
Vorplatz-Präsenz!!!
PROGRAMM:
Mi 04.02.09
19.00 Uhr - SousLePont - China
Spezialitäten
19.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Apéro & Musik mit dem kurdischen
Trio Adem, Tarik & Kendal.
Anschliessend Begrüssung und Vorstellung der eingeladenen
Gäste.
Einführung in das kurdische Filmschaffen mit Manu Halil und
Claudia
Paiano
20.30 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - White Mountain, Taha Karimi, Iran
2006, 30 Min
21.10 Uhr - Kino - The stars of my
homeland - Stêrken Welatê Min, Shirin Jihani, Irak
2008, 76 Min. In Anwesenheit der Regisseurin
Do 05.02.09
20.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Hêlîn, Sibel Akkulak,
Türkei 2007, 13 Min; Handful of Ash, Nabaz Ahmed, Irak 2007, 33 Min
21.00 Uhr - Kino - Close-up Kurdistan,
Yüksel Yavuz, D 2007, 104 Min
Fr 06.02.09
20.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Kevoka Spî, Viyan Mayî,
Irakisch-Kurdistan 2008, 30 Min
20.30 Uhr - Kino - Vinterland,
Hisham Zaman, Norwegen 2007, 52 Min. In Anwesenheit des Regisseurs
21.45 Uhr - Kino - The land of legend,
Rahim Zabihi, Kurdistan/Iran/D 2008, 73 Min
22.00 Uhr - Frauenraum - Popshop
special: Frauendisco POPSHOP - Katzenball mit Kami Katzes Mix
aus 60ties, R&B, Soul, Beat and Exotica sounds... women only
23.00 Uhr - Dachstock - DJ-Kicks
presents !K7 Tour featuring The Glimmers (Bel) & DJ's
Dactylola & Ereccan Stil: Postdisco-Punk-Electro-Housetech
Sa 07.02.09
19.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Musikliebe, Yusuf Yesilöz,
Schweiz 2008, 53 Min. In Anwesenheit des Regisseurs
20.15 Uhr - Kino - Gözmece,
Aydin Sevinc, Türkei 2006, 45 Min. In Anwesenheit des Regisseurs.
2 Türen, Ali Biçer, Schweiz , 7 Min
21.15 Uhr - Kino - Dol - Tal der
Trommeln, Hiner Saleem, Autonome Region Kurdistan/F/D, 2006, 94
Min
22.00 Uhr - SousLePont - Guts Pie
Earshot (D), Support: L-N/A (CH) Stil: Revolting Breakbeat. Punk
live cello and drums
22.00 Uhr - Dachstock - Cool & Deadly: Phenomden & The
Scrucialists, jugglin & after show by: Boss Hi-Fi (ZH) ls Moya
(More Fire Sound, BE). Stil: Finest Reggae
So 08.02.09
19.00 Uhr - Progr - Kurdischer Filmzyklus: Entwicklung des kurdischen Filmschaffens -
Chancen und Risiken: Gespräch und Filme im Gedenken an den
Halil Uysal
20.00 Uhr - Frauenraum - Sex am Sonntag (mit Barbetrieb ab 19.00 Uhr): Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel.
Rainer Werner Fassbinder, D/F 1982
Infos: www.reitschule.ch
& www.grossehalle.ch
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REITSCHULE-BASHING
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BZ 2.2.09
Anti-Wef-Demo
Scharmützel auch in Bern
Anti-WEF-Demonstranten lieferten sich am Samstag auch in Bern
Scharmützel mit der Polizei. Diese verhinderte eine Demo.
Die Demonstranten waren von der Anti-WEF-Kundgebung in Genf
zurückgekommen und trafen sich in der Berner Reitschule. Dort
formierten sich zirka 100 von ihnen neu und wollten gegen 21.30 Uhr in
die Innenstadt ziehen. Die Kantonspolizei verhinderte diese
unbewilligte Kundgebung. Weil die Demonstranten Steine und Flaschen
warfen, setzte die Polizei Tränengas und Gummischrot ein, um die
Gruppe
wieder zurück in die Reithalle zu drängen.
"Nennenswerte" Sachschäden seien keine bekannt, teilte die Polizei
gestern mit. Rund um die Reitschule zeugten Farbflecken und
herumliegende Steine von den Auseinandersetzungen.
Für den neuen Berner Polizeidirektor Reto Nause war der Einsatz
vom
Samstag die erste grosse Bewährungsprobe. Er lobte den Einsatz der
Polizei als verhältnismässig und verurteilte die Gewalt der
Demonstranten. Nause sagte, die Reitschule müsse nun stärker
in die
Pflicht genommen werden, weil sich wieder Demonstranten dorthin
zurückziehen konnten. mm
Seite 24
--
Nachdemo von WEF-Gegnern in Bern verhindert
Reitschule bleibt unter Druck
Mirjam Messerli
Reto Nauses erster heikler Einsatz als Berner Polizeidirektor ging
glimpflich aus. Die Polizei drängte gewalttätige
Demonstranten zurück
in die Reitschule. Diese müsse stärker in die Pflicht
genommen werden,
findet Nause.
Diese Bilder hat man in Bern schon oft gesehen: Schwarz vermummte
Demonstranten formieren sich in der Reitschule und wollen von dort via
Bollwerk Richtung Innenstadt ziehen. Sie werfen Steine, Petarden,
Flaschen und Farbbeutel gegen die Polizisten, welche die Strassen
blockieren (siehe Zweittext).
Personen kontrolliert
Samstagnacht kamen die etwa 100 Demonstranten nicht weit. Die
Kantonspolizei drängte sie mit Tränengas und Gummischrot in
die
Reitschule zurück. Bis auf wenige Meter näherten sich die
Beamten dabei
dem Eingang des Gebäudes - was bei vergangenen Einsätzen
nicht immer
der Fall war. Nach Mitternacht führte die Polizei zudem rund um
die
Reitschule Personenkontrollen durch. Man fragt sich, ob die
Kantonspolizei striktere Weisungen vom Berner Gemeinderat erhalten hat.
"Nein, neue Weisungen haben wir nicht herausgegeben", sagt
Polizeidirektor Reto Nause (CVP) auf diese Frage. Aber die Haltung der
Stadtregierung sei klar: "Wir dulden keine unbewilligten und
gewalttätigen Demonstrationen mehr." Und nichts anderes sei dieser
"Gewaltausbruch" vom Samstag gewesen, sagt er.
Einsatz "verhältnismässig"
Die Demonstranten seien frustriert aus Genf zurückgekommen,
einzeln in
die Reitschule gegangen, hätten sich dort vermummt und zu einer
Nachdemo formiert. "Dabei ging es ihnen nicht darum, ein politisches
Anliegen zu vertreten. Sie wollten bloss zerstören", sagt der
politisch
Verantwortliche. Nause, der mit der Polizei im telefonischen Kontakt
stand, lobt deren Einsatz: "Die Polizei hat einen Saubannerzug durch
die Stadt verhindert, und sie tat dies mit verhältnismässigen
Mitteln."
Unter der Leitung von Regierungsstatthalterin Regula Mader wird die
Stadt in den kommenden Monaten die Gespräche mit der Reitschule
weiterführen (wir berichteten).
Er wolle nicht vorgreifen, betont Reto Nause, aber aus seiner Sicht
müsse die Reitschule endlich stärker in die Pflicht genommen
werden.
Abmachungen seien da, damit man sie einhalte. "Nach meinen
Informationen hat am Samstag niemand aus der Reitschule gemeldet, dass
sich dort gewaltbereite Demonstranten versammeln." Damit hätten
sich
die Reitschüler einmal mehr nicht an die Vereinbarungen mit der
Stadt
gehalten.
Reitschüler wehren sich
Dem widersprechen die Verantwortlichen der Reitschule jedoch. "Um 21.20
Uhr hat jemand von uns bei der Polizei angerufen", sagte gestern ein
Sprecher der Reitschule. Man habe mit dem Einsatzleiter sprechen
wollen, dieser sei aber nicht erreichbar gewesen.
--
Polizei verhinderte Umzug durch die Stadt
Anti-Wef-Demonstranten, die von Genf zurückkamen, wollten am
Samstag durch Bern ziehen. Die Polizei verhinderte das.
Über 100 vermummte Demonstranten stürmen am Samstagabend
gegen 21.30
Uhr von der Reitschule her über die Schützenmatte Richtung
Bollwerk.
Doch auf der Höhe der Speichergasse laufen sie auf einen Kordon
von
Polizisten auf.
Die zum grossen Teil Vermummten drehen links ab und wollen
über den
Kleeplatz Richtung Hodlerstrasse in die Innenstadt gelangen. Doch auch
hier haben ungefähr 50 Polizisten eine Sperre aufgebaut. Die
Demonstranten feuern Petarden ab und werfen Farbbeutel, Steine sowie
Flaschen gegen die Polizei. Die Gäste, die in der Brasserie
Bollwerk am
Fenster sitzen, gehen aus Angst nach hinten.
Einer der Grenadiere wird von einem Stein an der Hand verletzt. Nun
setzen die Polizisten Tränengas und Gummischrot ein, rücken
über die
Schützenmatte vor und drängen die Demonstranten zur
Reitschule zurück,
wo sich diese zurückziehen. In die Reitschule hinein gehen die
Polizisten nicht. Das grosse Polizeiaufgebot wird bis am Sonntagmorgen
um ein Uhr aufrechterhalten. Über nennenswerte Sachschäden
sei nichts
bekannt, teilte die Polizei gestern mit.
Jürg Spori
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Bund 2.2.09
Polizei verhindert Demonstration in Bern
WEF In Bern verhinderte die Polizei am Samstagabend einen Umzug von
WEF-Gegnern. Eine Gruppe von mehrheitlich vermummten Personen hatte
sich bei der Reithalle versammelt und marschierte Richtung Bollwerk.
Ein weiteres Vorrücken in Richtung Bahnhof und Innenstadt wurde
von der
Polizei unterbunden.
Die Polizisten wurden von den Demonstranten mit Flaschen, Steinen,
Farbbeuteln und Petarden beworfen. Dies wurde von der Polizei mit
Gummischrot und Reizstoff beantwortet. Später zogen sich die
Demonstranten wieder zurück. Nennenswerte Schäden wurden
nicht bekannt.
Auseinandersetzungen in Genf
Die WEF-Gegner waren offenbar aus Genf nach Bern zurückgekehrt.
Die
Genfer Polizei hatte 500 bis 700 Demonstranten eine Platzkundgebung vor
der Hauptpost erlaubt,obwohl die Genfer Regierung die Demonstration
verboten hatte. Als die Kundgebung zu Ende ging, kam es zu
Auseinandersetzungen. Rund 200 schwarz vermummte Demonstranten pfiffen,
protestierten und riefen zum Widerstand auf.
Die Polizei setzte Tränengas, Knüppel und Wasserwerfer ein,
um den
Demonstrationszug aufzulösen. Die Demonstranten warfen ihrerseits
Flaschen in Richtung Polizei. In der Folge lieferten sich die
Vermummten und die Polizei in der Innenstadt ein Katz-und-Maus-Spiel.
Neben rund 80 Festnahmen wurden etwa 130 Personen auf ihre
Identität
hin kontrolliert. Vier der 80 Festgenommenen waren auch am Sonntag noch
in Polizeigewahrsam. Ihnen werden Landfriedensbruch,
Gewalttätigkeiten
sowie Gewalt und Drohung gegenüber den Behörden vorgeworfen.
Friedliche Kundgebung in Davos
Relativ friedlich verlief am Samstagnachmittag eine
Anti-WEF-Demonstration der Grünen in Davos. Rund 120 Personen
forderten, dem Sozialen wieder mehr Platz einzuräumen. Die vor
allem
jugendlichen Demonstranten zogen auf der Talstrasse nach Davos Platz.
Dabei schwenkten sie Fahnen, Transparente und Schrifttafeln und
skandierten Parolen.
Auf der Höhe des WEF-Tagungsortes wurde ein
15-minütiger Halt
eingelegt. Hier ergriff der grüne Zuger Nationalrat Jo Lang das
Wort
und kritisierte die Wirtschaftskapitäne aufs Härteste. "Der
Berg ist
entzaubert", sagte er in Anspielung auf Thomas Manns berühmten, in
Davos spielenden Roman.
Beim Kongresszentrum flogen auch einige Schneebälle und rund
ein
Dutzend Schuhe in Richtung des WEF-Tagungsortes. Demonstranten
zündeten
Knallkörper, rüttelten am Absperrgitter und rissen die
Abdeckfolie
herunter. (sda)
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ANTI-WEF-DEMOS
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Tagesanzeiger 2.2.09
Anti-WEF-Demos mit Scharmützeln
Genf/Bern/Davos. - Mehrere Hundert Personen sind am Samstag gegen das
Davoser Weltwirtschaftsforum auf die Strasse gegangen. Entgegen dem
Demonstrationsverbot erlaubte die Genfer Polizei 500 bis 700
Demonstranten eine Platzkundgebung vor der Hauptpost. Als diese zu Ende
ging, lieferten sich rund 200 Vermummte und die Polizei in der
Innenstadt ein Katz-und-Maus-Spiel. Verletzte waren laut Jean-Philippe
Brandt, dem Sprecher der Genfer Polizei, nicht zu beklagen, auch
Sachbeschädigungen blieben aus. 4 von 80 Festgenommenen werden
Landfriedensbruch, Gewalttätigkeiten sowie Gewalt und Drohung
vorgeworfen.
In Bern verhinderte die Polizei am Samstagabend einen Umzug von
WEF-Gegnern in die Innenstadt. Eine Gruppe mehrheitlich Vermummter
hatte sich bei der Reithalle versammelt und bewarf die Polizei mit
Flaschen, Farbbeuteln und Petarden, diese setzte Gummischrot ein.
Friedlich verlief am Samstagnachmittag eine Anti-WEF-Demo der
Grünen in
Davos. Rund 120 Personen forderten, dem Sozialen wieder mehr Platz
einzuräumen. Beim Zwischenhalt beim Kongresszentrum flogen auch
einige
Schneebälle, rund ein Dutzend Schuhe und einige Knallkörper
in Richtung
des WEF-Tagungsortes. (SDA)
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NZZ 2.2.09
Erleichterung und Demokratiedebatte in Genf
Grosser Polizeieinsatz bei unbewilligter Anti-WEF-Demonstration
Viel Polizei, viele Gaffer und etwa 700 Demonstranten: Die
Kundgebung
gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos ist am Samstag in Genf ohne
grösseren Schaden abgelaufen. Es herrscht Erleichterung; da und
dort
werden aber Demonstrationsverbot und Polizeieinsatz kritisiert.
C. Bi. Genf, 1. Februar
Genf hat dieses Wochenende keine Neuauflage jener Krawalle
erlebt, die
im Sommer 2003 bei Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel in Evian zur
Verwüstung der Innenstadt geführt hatten. Ein grosses
Polizeiaufgebot,
darunter auffallend viel Berner Polizei, kesselte am Samstagnachmittag
die unbewilligte Anti-WEF-Demonstration weitgehend ein. Zwar erlaubte
die Polizei - trotz Demonstrationsverbot - eine stationäre
Kundgebung
vor der Hauptpost unweit des Bahnhofs Genf Cornavin, liess aber nicht
zu, dass sich die Demonstranten, wie ursprünglich geplant,
über die
Rhone in die Innenstadt und zur Place Plainpalais verschieben konnten.
Jean Ziegler zum "Tanz der Vampire"
Bei der Kundgebung gingen die Redner mit dem Weltwirtschaftsforum
und
den Wirtschaftsführern hart ins Gericht. Die
Generalsekretärin der für
eine "andere Globalisierung" kämpfenden Organisation Attac,
Florence
Proton, erklärte, wegen der Finanzkrise hätten mehr als 50
Millionen
Menschen bereits die Arbeit verloren. Zu rhetorischer Hochform lief
wieder einmal der frühere SP-Nationalrat und Soziologieprofessor
Jean
Ziegler auf. In Anspielung auf einen berühmten Film von Roman
Polanski
nannte er das WEF einen "Tanz der Vampire". Drei Viertel der
WEF-Teilnehmer gehörten ins Gefängnis, forderte der
prominente
Vertreter des Uno-Menschenrechtsrats, und die UBS gehöre
verstaatlicht.
Gegenüber der Korrespondentin der "NZZ am Sonntag" bemerkte er am
Rande, jetzt gehe offenbar auch die NZZ unters Volk - was zeigt, dass
der streitbare Genfer aus Thun auch im Pensionsalter seinen Humor und
seine Chuzpe nicht verloren hat.
Keine Verletzten, kein Sachschaden
Als die Kundgebung zu Ende ging, kam es allerdings doch noch zu
einigen Ausschreitungen. Obwohl die Organisatoren wiederholt zu
friedlichem Verhalten aufgerufen hatten - womit sie ein Pfeifkonzert
hervorriefen -, warfen schwarz vermummte Demonstranten, etwa 200 an der
Zahl, Flaschen auf die Polizisten. Diese setzten Tränengas,
Knüppel und
Wasserwerfer ein. Es gab aber weder Verletzte noch Sachschaden. Dennoch
wurden etwa 130 Personen auf ihre Identität geprüft und 80
vorübergehend festgenommen. Davon befanden sich am Sonntag noch 4
in
Polizeigewahrsam.
Unverhältnismässige Härte?
In Genf herrscht nach dem glimpflichen Verlauf der
Anti-WEF-Demonstration Erleichterung; allerdings ist da und dort auch
Kritik an dem von der Kantonsregierung beschlossenen
Demonstrationsverbot und dem Polizeieinsatz zu hören. Solche
Kritik
wird unter anderem vom früheren linken Nationalrat Pierre Vanek
geäussert, ist aber nicht auf die Linke beschränkt. In der
"Tribune de
Genève" schrieb Vizechefredaktor Denis Etienne am Freitag,
Fussballspiele würden auch nicht verboten, nur weil es Hooligans
gebe;
und Demonstrationen seien für die Demokratie wichtiger als
Fussballmatchs.
Dennoch dürfte das Vorgehen des Polizeidirektors,
SP-Staatsrat Laurent
Moutinot, von der Mehrheit der Genfer gutgeheissen werden. In den
letzten Jahren hat die Stimmung auch in Genf umgeschlagen: Der Schutz
der öffentlichen Ordnung wird jetzt wieder grossgeschrieben. Nicht
zuletzt Moutinot wurde in den letzten Wochen und Monaten wiederholt
dafür kritisiert, dass er beispielsweise gegenüber bettelnden
Roma zu
wenig Härte zeige. Diesen Vorwurf wollte er sich diesmal nicht
machen
lassen.
Die unschönen Bilder aus dem Sommer 2003 sind vielen Genfern
noch in
"bester" Erinnerung. Wäre es am Wochenende zu ähnlichen
Ausschreitungen
gekommen, wären die Behörden in argen Erklärungsnotstand
geraten. Zudem
finden diesen Herbst kantonale Wahlen statt. Gerade im Vorfeld dieser
Wahlen wollte niemand das Risiko von Krawallen auf sich nehmen, selbst
wenn mit dem Demonstrationsverbot ein demokratisches Grundrecht geritzt
wurde.
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Tribune de Genève 2.2.09
Une manif chaude, mais sans dégâts. Grâce à
qui?
Antoine Grosjean
Tant la police que les organisateurs s'attribuent le fait qu'il n'y ait
eu ni blessés ni dégâts samedi après-midi.
130 personnes ont été
contrôlées et quatre jeunes hommes arrêtés
pour violences contre les
autorités. Tout avait commencé calmement. Mais des
cagoulés déterminés
ont fini par déborder les organisateurs.
Au fond, tout le monde semble d'accord: la manifestation anti-WEF de
samedi est un succès. Aussi bien le Conseil d'Etat que la
police, les
organisateurs, et même les autonomes, saluent le fait que,
malgré les
échauffourées, il n'y ait eu ni casse ni blessés.
Les vues divergent
cependant sur la façon d'interpréter les
événements. Le conseiller
d'Etat Laurent Moutinot, en charge de la police, souligne que le
"rassemblement de casseurs" qu'il redoutait n'a pas eu lieu justement
"parce que la police a fait un travail admirable. Il y a eu un gros
effort en amont, qui a permis que seul un minimum de gens
malintentionnés ne viennent. " Le magistrat avait laissé
à la police
une marge de manœuvre pour tolérer un rassemblement avec prises
de
parole, "mais nous ne pouvions pas autoriser un cortège avec des
objectifs trop tentants. De toute évidence cela se serait moins
bien
passé si nous les avions laissés défiler".
Sur ce point, la coordination anti-WEF, organisatrice du rassemblement,
a un avis diamétralement opposé. Pour elle, c'est le
dispositif
policier, agressif et disproportionné, qui a provoqué les
débordements.
Les organisateurs se félicitent néanmoins que les
manifestants n'aient
pas "répondu à la provocation" et aient gardé "une
attitude digne et
calme". Partageant cette analyse, Les communistes demandent
carrément
la démission de Laurent Moutinot et du commandant de la
gendarmerie,
Christian Cudré-Mauroux.
Autonomes satisfaits
Ce dernier estime que l'action de la police est une réussite:
"Nous
avons fait en sorte que les manifestants obtiennent un temps de parole.
Lorsque le cortège a démarré, nous avons pu garder
sur place, rue du
Mont-Blanc, encerclés par nos hommes, les individus qui nous
paraissaient les plus dangereux, explique-t-il. Nous avions
annoncé que
nous serions très visibles, et que nous agirions si on s'en
prenait à
nous. Ce qui a été le cas, ni plus ni moins, dans un
souci de
proportionnalité. "
Même les autonomes sont satisfaits: "Pour nous cette
journée est un
succès, confie Eric, membre d'Action autonome. L'Etat a
dévoilé durant
tout un samedi après-midi au cœur de Genève son vrai
visage d'Etat
policier. Mais nous avons tenu nos promesses: pas de violences
gratuites contre les petits commerces. "
--
Du meeting pacifique aux échauffourées
Antoine Grosjean et Xavier Lafargue
La journée avait démarré sur une incertitude:
combien de personnes
viendront à la manifestation interdite contre le Forum
économique de
Davos (WEF) et que va-t-il se passer? En début
d'après-midi, dans le
secteur Cornavin-Mont-Blanc, on remarque surtout la forte
présence des
journalistes et des policiers. Depuis la fin de la matinée, ces
derniers procèdent à des contrôles
préventifs.
Puis, la rue du Mont-Blanc se noircit petit à petit de monde.
Vers 13 h
45, Eric Decarro, du Forum social lémanique, et Florence Proton,
cosecrétaire générale d'Attac Suisse,
négocient avec les gendarmes au
nom de la coordination anti-WEF, organisatrice de la manifestation.
"Nous ne voulons pas aller à la confrontation", assure Eric
Decarro.
"Alors nous sommes d'accord, note l'officier de police. Après
les
prises de parole, vous annoncez la fin du rassemblement et vous invitez
les gens à se disperser dans le calme. Nous ne tolérerons
aucun défilé.
"
Demande de se disperser
A 14 h, la foule se masse devant la poste du Mont-Blanc. Il y a
là 500
personnes selon la police, 2000 selon les organisateurs. Une population
disparate où se mêlent altermondialistes, gauchistes
grisonnants,
maoïstes turcs, et punks suisses allemands, entre autres.
Les orateurs se succèdent. Pierre Vanek, de Solidarités,
se fait
copieusement huer, son parti ayant dans un premier temps émis
des
réserves sur la manifestation. Le rapporteur de l'ONU Jean
Ziegler,
lui, récolte des vivats quand il lance: "Davos, c'est le Bal des
vampires!" Les discours terminés, Eric Decarro demande aux
manifestants
de se disperser. Il se fait siffler. Personne ne bouge. A 15 h 30,
après un long moment de flou, la décision est prise de
tenter de
défiler malgré tout. "Sinon, il va y avoir des
débordements", explique
Eric Decarro.
"On aura essayé…"
Avec Florence Proton et quelques parlementaires, il se place en
tête du
cortège qui, le haut et le bas de la rue du Mont-Blanc
étant barrés par
des camions de police, tourne dans la rue de Berne. Mais quand il se
retrouve nez à nez avec un cordon de policiers intraitables, des
bouteilles et autres objets commencent à voler en direction de
ces
derniers. Les membres du service d'ordre tentent vainement de raisonner
une poignée d'encagoulés déterminés, qui
semblent être là surtout pour
en découdre avec la police. Florence Proton et Eric Decarro
finissent
par jeter l'éponge, en lâchant, dépités: "On
aura essayé…" Après un
bref mais vigoureux corps à corps, les gendarmes
répliquent à coup de
grenades lacrymogènes.
S'ensuit, pendant deux heures, un jeu du chat et de la souris dans tout
le quartier, avec des affrontements sporadiques ponctuant de longs face
à face entre les cordons de policiers et quelques dizaines de
récalcitrants. Aucun dégât ni blessé
à déplorer. Seule une passante
sera incommodée par les gaz. En tout, la police a
contrôlé 130
personnes, et en a arrêté quatre. A 19 h, le calme
était revenu.
--
Phrases-chocs et discours hué
"Quand on limite les droits populaires, le fascisme est tout proche.
Davos, c'est le Bal des vampires. Les trois quarts des personnes qui y
sont devraient être en prison. " Jean Ziegler, rapporteur
spécial de
l'ONU pour le droit à l'alimentation.
"Je… Hoooouuuuu!… droit de… Hooouuuu!… je vous remercie pour cette
ovation… Hoooouuuu!…" Pierre Vanek, permanent de Solidarité,
hué par la
foule.
"Ils privatisent la planète!" Florence Proton,
cosecrétaire générale d'Attac Suisse.
"Le maintien de l'ordre public n'est pas notre travail, c'est celui de
l'Etat. (…) Ce monde d'après crise sera socialiste, ou ce sera
la
barbarie. " Jean-Luc Ardite, président du Parti du travail
genevois. AnG
---
Le Temps 2.2.09
Reportage dans la manifestation anti-Wef
Aucun blessé ni dégâts importants, la manifestation
qui s'est déroulée
samedi dans les rues de Genève n'avaient rien à voir avec
celles qui
ont eu lieu durant le G8 en 2003.
Christian Lecomte
Nicole est venue avec une copine sensiblement du même âge,
la
soixantaine environ. Toutes deux se sont collées - un pur
hasard,
ont-elles dit - à un groupe de post-ados zurichois se
revendiquant à la
fois de Marx, Engels, Bakounine et Rosa Luxemburg.
"On ne serait pas venues si la manifestation avait été
autorisée, mais
interdire cela, quelle atteinte à notre chère
liberté" s'indigne
Nicole. Elle poursuit: "Je suis contre la haute finance qui a
ruiné la
planète et accumule les bonus. A cause d'elle, j'ai perdu une
partie de
mon second pilier, avant je pouvais vivre jusqu'à 85 ans,
maintenant,
jusqu'à 75 ans."
Il est 14h20 rue du Mont-Blanc. Le bon millier d'anti-Wef
piétine,
chahute, scande "police partout, justice nulle part". Les deux dames
trouvent cela "joyeux". A leur côté, la trentaine de
jeunes Zurichois
opèrent tout à coup une mue rapide. On sort les cagoules
noires, les
lunettes noires, les écharpes noires et les canettes de
bièr
esqui une fois bues voleront jusqu'aux forces de police. Les fameux
Black Block? Nicole, à peine surprise, lâche: "Je
dénonce la violence
mais je les comprends, lorsqu'on est jeune l'insoumission c'est quelque
chose de sain." Les deux dames, tout de même, s'éclipsent.
Sur les marches de la Grande Poste, une prise de parole a
commencé.
Florence Proton, de l'association Attac, a une pensée pour les
100
millions d'affamés sur terre et les 51 millions de
licenciés "par la
faute des leaders de Davos qui ont privatisé la planète".
Fabienne, 41
ans, accompagnée de son fils, applaudit: "Elle a raison, nous on
doit
vivre à deux avec 1200 francs par mois."
Jean Ziegler se saisit du mégaphone, compare Davos à un
bal des
vampires et exige la nationalisation d'UBS. Il est acclamé. Pour
Pierre
Vanek, de SolidariteS, ce sera des huées. La foule ne lui
pardonne pas
son ralliement tardif. Ses militants seront d'ailleurs les premiers
à
quitter le regroupement. Eric Decarro, du Forum social, un peu perdu,
confie: "J'ai eu Cudré-Mauroux (le commandant de la police
genevoise,
ndlr) au téléphone, il demande le dispersement, il ne
veut pas que l'on
marche, on fait quoi?" Moment de flottement. C'est la foule qui
décide:
"Révolution!" "Alors en avant pour la révolution" rigole
un jeune de la
"gauche anticapitaliste".
Ce sont les Zurichois qui, au prix d'une pirouette savante prennent la
tête du cortège. Direction: l'affrontement. Les
organisateurs sont
totalement débordés. Première escarmouche à
l'angle des rues de Berne
et Michel de Rozet. Canettes contre gaz lacrymogène. Premiers
coups de
matraques aussi. Il n'y en aura en fait peu. La manifestation est
complètement disloquée. C'était le but
recherché de la police qui
quadrille tout le quartier de la gare. Un groupe est cerné rue
du
Mont-Blanc. Ceux-là seront "relâchés" vers 18h,
après contrôle des
papiers et fouille au corps. Un autre fuit vers Saint-Gervais. Le
dernier, plus coriace, fait de la résistance rue Chantepoulet.
Les
policiers sont énervés. Une passante et son fils de huit
ans sont
plaqués au sol. Pleurs, cris. Le policier s'excuse presque. Un
caméraman de France 3: "Chez nous, les robocops sont moins doux
qu'ici."
Un long face-à-face s'engage place des 22 cantons. Pierres
contre
lacrymogènes. Beaucoup de monde dont de simples spectateurs.
Alertés
par SMS, des jeunes des quartiers de Genève ont afflué.
"C'est pire que
Gaza", lance l'un d'entre eux qui filme avec son portable. "Ce soir, on
va mater ça avec le quartier, ils vont pas croire!" Place de la
gare,
une poubelle a pris feu, des bicyclettes volent. Une trottinette est
projetée contre le pare-brise d'un véhicule de la police.
Le lanceur
qui n'avait pas vu qu'un colosse casqué le pistait finit
à l'intérieur
du fourgon. Il fait partie des 80 personnes amenées dans les
locaux de
la police. Ils seront tous relâchés sauf quatre individus
arrêtés "pour
émeute ou violence".
Pour le reste, aucun blessé, aucun gros dégât. A
18h, le quartier de la
gare avait retrouvé une activité quasi-normale. Les
voyageurs à la
sortie des quais se demandaient tout de même "qu'est-ce qui
pouvait
bien piquer ainsi dans l'air", en humant les dernières effluves
des gaz
lacrymogènes.
--
Les leçons contrastées d'une manif avortée
A Genève, on tire un bilan positif du rassemblement
Sandra Moro
Hier à Genève, le soulagement dominait après le
rassemblement anti-WEF
de samedi. Malgré les heurts entre la police et les manifestants
dans
le quartier de la gare, l'absence de blessés et de
dégâts avait calmé
les esprits. Premier concerné après que sa
décision d'interdire la
manifestation a alimenté la polémique dix jours durant,
le Conseil
d'Etat n'a pas jugé bon de s'exprimer sur le bilan qu'il tire de
l'événement. Partisans et détracteurs de
l'interdiction campent quant à
eux sur leurs positions. La mesure a permis de limiter les
problèmes
selon les premiers. Elle a au contraire favorisé les
débordements selon
les seconds.
"Les dérapages qui ont eu lieu étaient marginaux, estime
Florence
Proton, secrétaire générale d'Attac Suisse. Alors
que cela aurait pu
virer à la catastrophe, rien n'a été cassé.
Cela montre que nous
pouvons intégrer des groupes radicaux sans que cela
dégénère. Il y
avait une réelle volonté de manifester tranquillement, et
je pense que
les affrontements ne se seraient pas produits si on nous avait
laissé
défiler". La militante dénonce par ailleurs "la
réaction
disproportionnée de la police."
Favorable dans un premier temps à l'interdiction, René
Longet, le
président du PS, a changé d'avis il y a quelques jours:
"Le Conseil
d'Etat aurait dû revenir sur sa décision. Justifié
lorsque la
manifestation n'était le fait que d'organismes extérieurs
à Genève, le
veto aurait dû être levé lorsque des mouvements
locaux l'ont rejointe".
Selon lui, "l'interdiction a compliqué la tâche de la
police qui
évoluait dans un contexte flou entre ce qui avait
été proscrit et ce
qui était toléré. Et elle a a durci les fronts."
Un avis partagé par
les syndicats, qui ont quitté le rassemblement après que
la police a
demandé sa dissolution: "Un cadre autorisé aurait
certainement permis
de mieux maîtriser la situation", estime Alessandro Pelizzari,
secrétaire d'Unia.
"C'est au contraire l'interdiction qui a permis de limiter les
dégâts,
juge Fabienne Gautier, députée libérale et
présidente de la Fédération
du commerce genevois. Les dérapages qui ont eu lieu montrent que
certains n'étaient pas venus pour s'exprimer, mais pour casser."
Même son de cloche du côté du PDC: "Nous pouvons
être reconnaissants à
la police pour son travail", note Fabiano Forte, son président.
Pour
lui, l'interdiction constituait la meilleure solution: "Face à
la
désorganisation patente des organisateurs, les autorités
n'avaient
aucune garantie." Son homologue radical Hugues Hiltpold défend
lui
aussi le veto gouvernemental: "On craignait un nouveau G8, et rien de
tel ne s'est produit. On sait que lorsqu'une manifestation est
interdite, certains casseurs renoncent à s'y rendre parce qu'ils
sont
plus facilement identifiables que dans une foule pacifique."
Faut-il comprendre qu'à l'avenir, ce type de mesures pourraient
se
généraliser à Genève, où elles font
figure d'exception? "J'espère que
non", relève Anne Mahrer, la présidente des Verts. Hugues
Hiltpold n'y
croit pas: "Avant de prendre cette décision, le Conseil d'Etat a
beaucoup hésité."
---
Le Nouvelliste 2.2.09
"Zéro blessé, zéro dégât"
Manif anti-WEF · Le rassemblement de Genève
complètement maîtrisé par la police.
La manifestation anti-WEF non autorisée à Genève a
dégénéré, mais la
catastrophe redoutée n'a pas eu lieu. La police a
toléré un
rassemblement de 500 à 700 personnes, puis l'a dispersé,
déclenchant
des affrontements. Aucun dégât ni blessé ne sont
à déplorer.
Vers 18 heures, la police avait dissous tous les attroupements mais
restait sur le qui-vive. Les agents ont interpellé en tout 80
personnes, mais la plupart ont été rapidement
relâchées. Selon le chef
de la police genevoise Monica Bonfanti, l'objectif a été
atteint: il y
a eu "zéro blessé des deux côtés" et
"zéro dégât". Quelques tentatives
pour commettre des déprédations ont eu lieu, mais sans
succès. Les
forces de l'ordre ont simplement signalé quelques personnes
incommodées
par la fumée dans le centre commercial souterrain de la gare, a
précisé
Mme Bonfanti.
Les autorités genevoises voulaient à tout prix
éviter les débordements
connus lors de la manifestation anti-G8 en 2003. Le Conseil d'Etat
avait donc interdit le cortège de la coordination anti-WEF et
déployé
des agents en masse, renforcés par des troupes d'autres cantons
romands
et de Berne. Le non opposé par les autorités à une
ultime demande de
défiler a mis le feu aux poudres vers 14 heures. Les
manifestants les
plus radicaux, plus d'une centaine, ont commencé à jeter
des bouteilles
sur les policiers et tenté de forcer le barrage. Les agents ont
riposté
à coups de grenades lacrymogènes, entraînant un
reflux des
protestataires vers le quartier de Saint-Gervais.
A Davos aussi
A Davos, quelque 120 personnes, dont une majorité de jeunes, ont
aussi
manifesté samedi après-midi contre le Forum
économique mondial, mais
dans le calme. Autorisé, leur défilé était
aussi sous la surveillance
de la police mais celle-ci est restée discrète. Elle
n'est intervenue
que lorsque des manifestants ont lancé quelques boules de neige
et une
douzaine de chaussures contre le Centre des congrès et
cherché à entrer
dans le périmètre du WEF. ATS
--
Le WEF de tous les records
Le Forum économique mondial (WEF) à Davos, qui a
fermé ses portes
dimanche, a constitué une édition record. Quelque 2500
personnes ont
participé aux discussions cinq jours durant, ainsi que plus de
40 chefs
d'Etat et de gouvernement.
Les déplacements des quelque 2600 participants au total, vers la
station grisonne et retour, ont occasionné des émissions
de CO2 de 8100
tonnes, a fait savoir dimanche l'organisation. Quelque 58% ont
été
compensés par le WEF.
Au début de la manifestation mercredi, quelque 3000
podomètres ont été
distribués. Au final, 39 participants à la 39e
édition affichaient plus
de 20 000 pas. Celui qui a accompli la plus grande distance est Michael
Johnston (70 ans), vice-président de Capital Group, avec
près de 101
000 pas, soit plus de 60 km.
450 journalistes
Du côté des médias, on a dénombré 450
journalistes en provenance du
monde entier. Le premier ministre russe Vladimir Poutine était
accompagné par 60 représentants de la presse de son pays,
de même pour
le premier ministre japonais Taro Aso, et 30 pour le premier ministre
chinois Wen Jiabao.
Au total, quelque 500 collaborateurs se sont occupés des
participants à
l'intérieur et à l'extérieur.
L'interprétation a mobilisé 21
traducteurs qui ont travaillé dans huit langues (arabe, chinois,
anglais, français, allemand, japonais, russe et espagnol).
Sur l'internet, le WEF a suscité aussi passablement
d'intérêt. Les 56
débats ont généré plus de 300 000
connections sur Youtube. Quelque 250
vidéos ont été enregistrées dans lesquelles
130 participants ont laissé
un commentaire.
Hors WEF, 4500 militaires de l'armée suisse ont assuré
des tâches de
sécurité pour les organisateurs et le canton des Grisons.
Environ 90%
d'entre eux était des miliciens. ATS
--
Sécurité
On respire
Les autorités genevoises ne sont pas seules à pousser un
ouf de
soulagement au terme du Forum économique mondial de Davos (WEF).
Tant
les autorités et la police de la station grisonne que
l'armée dressent
un bilan positif sur le plan de la sécurité. Il n'y a eu
aucune
arrestation, s'est félicité le commandant de la police
cantonale
grisonne. Seul un léger incident s'est produit dans la nuit de
jeudi à
vendredi. Un engin a explosé devant l'entrée d'un
immeuble sis sur la
Promenade de Davos. Il n'y a pratiquement pas eu de
dégâts. Une enquête
a été ouverte.
Hélico intercepté L'armée aussi tire un bilan
positif de son engagement
de soutien au WEF. Aucun incident grave n'est survenu et les quelque
4500 militaires se sont acquittés à la satisfaction des
autorités de
leur tâche de surveillance. Cette édition du WEF a
confronté l'armée
suisse à une première. Pour la première fois en
effet les Forces
aériennes ont été amenées à
contraindre un hélicoptère à atterrir.
Découvert samedi matin alors qu'il volait au-dessus de Zernez
(GR),
l'engin a été intercepté dans la région de
Thusis et contraint à
atterrir à Samedan. Le pilote a ignoré dans un premier
temps les
signaux du PC-7 de l'armée. Deux F/A-18 ont alors
été dirigés vers
l'intrus. Vu la faible altitude de vol, le bang supersonique a
été
perçu loin à la ronde dans la région du
Gothard-Sedrun. A aucun moment
le WEF n'a été mis en danger. Le ministre de la
Défense Ueli Maurer
était tenu au courant, précisent les Forces
aériennes. L'Office fédéral
de l'aviation civile a ouvert une enquête. Une procédure
similaire a
été ouverte pour les quatre autres
pénétrations dans l'espace aérien
non autorisé depuis le début de l'engagement de
l'armée. Deux des cas
sont survenus durant la phase d'entraînement, avant même
l'ouverture du
WEF.
La facture La facture des mesures destinées à assurer la
sécurité
s'élève à 7 millions de francs. La
Confédération prend à sa charge
trois huitièmes de la somme. Le canton et la fondation du WEF
paient
chacun deux huitièmes, le dernier étant supporté
par la commune de
Davos. ATS
---
24heures 2.2.09
A Genève, débordements limités en marge de la
manifestation interdite
ANTI-DAVOS - Tout le monde semble d'accord: la démonstration de
samedi
est un succès. Mais les interprétations des
événements divergent.
Tant le Conseil d'Etat que la police, les organisateurs et même
les
autonomes saluent le fait que, malgré les
échauffourées, il n'y a eu ni
casse ni blessés. Pour le conseiller d'Etat Laurent Moutinot, en
charge
de la Police, le "rassemblement de casseurs" qu'il redoutait n'a pas eu
lieu grâce au "travail admirable de la police". Il ajoute: "Cela
se
serait moins bien passé si nous les avions laissés
défiler. "
Avis diamétralement opposé du côté de la
coordination anti-WEF,
organisatrice du rassemblement. Pour elle, c'est le dispositif policier
qui a provoqué les débordements. Les organisateurs se
félicitent
néanmoins que les manifestants n'aient pas "répondu
à la provocation".
Partageant cette analyse, les communistes vont plus loin et demandent
la démission de Laurent Moutinot et du commandant de la
gendarmerie.
Même les autonomes sont satisfaits: "Pour nous, cette
journée est un
succès, confie Eric, membre d'Action Autonome. L'Etat a
dévoilé durant
tout un samedi après-midi au cœur de Genève son vrai
visage d'Etat
policier. Mais nous avons tenu nos promesses: pas de violences
gratuites contre les petits commerces. "
Bilan policier: sur les 500 participants, 80 personnes ont
été
contrôlées dans des locaux de police. Il a
été procédé à 4
arrestations. Si aucun dégât n'est à
déplorer, un blessé léger a
toutefois été conduit à l'hôpital.
Antoine Grosjean et Xavier Lafargue
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STADTRAT
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Stadtratssitzung 12.2.09
Traktandum 16
08.000199 (08/326)
Reg. 20/-00
Interpellation Luzius Theiler (GPB): "Verfreiwilligung" der Polizei im
Bahnhofgebiet?
Gemäss Medienmitteilung vom 29. Mai 2008 hat der Gemeinderat der
Beteiligung der Träger-schaft des Projekts "Bahnhof-Patenschaft"
Bahnhof Bern der SBB zugestimmt.
"Bahnhofpatinnen und Bahnhofpaten arbeiten freiwillig. Sie verbessern
mit ihrer Präsenz das subjektive Sicherheitsgefühl der
Passantinnen und
Passanten und sensibilisieren gegebenen-falls Personen für
anständiges
und verantwortungsbewusstes Verhalten. Das Einsatzgebiet umfasst neben
dem eigentlichen Bahnhofgebäude den Busbahnhof PostAuto, die
Passerelle, die Unterführungen und Aufgänge sowie den
Bahnhofplatz
(Baldachin). Nach gutem Erfolg in mittelgrossen Bahnhöfen wird das
Projekt erstmals in einem Grossbahnhof getestet."
1. Die Medienmitteilung lässt den Schluss zu, dass die Patinnen
nicht
nur Hilfsleistungen (wie vornehmlich in Liestal) sondern auch
Sicherheitsaufgaben (wie in Thun) übernehmen sollen. Zudem soll
das
Tätigkeitsgebiet über den Bahnhof hinaus ausgedehnt werden.
Damit
sollen unbezahlte "Freiwillige" heutige Aufgaben der Securitrans und
der Stadtpoli-zei übernehmen. Ist der Gemeinderat wirklich der
Meinung,
dass öffentliche Aufgaben an unbezahlte "Freiwillige" die sich oft
aus
einer Notlage in der ungewissen Hoffnung auf Verbesserung ihrer
Perspektiven melden, übertragen werden sollen?
2. Wie ist die in der Medienmitteilung erwähnte Trägerschaft
zusammengesetzt?
3. Wem sind die "BahnhofpatInnen" unterstellt? Wer trägt die
Verantwortung für deren Ein-satz?
4. Welche weiteren Punkte enthält der Vertrag mit der
Trägerschaft bzw.
mit der SBB? Wie ist der Auftrag umschrieben, wie wird das Projekt
finanziert? Was erhalten die Sponsoren des Projektes als Gegenleistung?
5. Wer bildet die "PatInnen" aus, wie lange dauert die Ausbildungszeit?
Was genau beinhal-tet diese Ausbildung und insbesondere wie sollen die
"PatInnen" auf die "Verbesserung des subjektiven
Sicherheitsgefühls"
und auf Interventionen bei "unanständigem Verhalten" ausgebildet
werden?
6. Ist der Gemeinderat bereit, den Einsatz der "PatInnen" auf reine
Hilfeleistungen (ähnlich der Bahnhofhilfe) zu beschränken und
für diese
Arbeit ortsübliche Löhne zu bezahlen?
Begründung der Dringlichkeit:
Die "Patinnen" sollen ihre Tätigkeit in Kürze aufnehmen. Bei
der
Übertragung von öffentlichen Aufgaben an unbezahlte
"Freiwillige"
handelt es sich um einen Grundsatzentscheid von gros-ser Tragweite.
Bern, 29. Mai 2008
Interpellation Luzius Theiler (GPB), Rolf Zbinden, Lea Bill, Anne
Wegmüller, Christof Berger, Ruedi Keller, Emine Sariaslan,
Margrith
Beyeler-Graf, Andreas Flückiger, Miriam Schwarz, Corinne Mathieu,
Guglielmo Grossi
Die Dringlichkeit wird vom Stadtrat abgelehnt.
Antwort des Gemeinderats
Das Projekt der "Bahnhof-Patenschaften" wird von den SBB in
Zusammenarbeit mit den Standortgemeinden in verschiedenen
Bahnhöfen
(u.a. Thun, Liestal, Yverdon, Frauenfeld) seit längerer Zeit mit
gutem
Erfolg durchgeführt. Mit dem Bahnhof Bern soll das Projekt
erst-mals in
einem sechsmonatigen Pilotversuch in einem Grossbahnhof getestet
werden. Der Pilotversuch soll im Herbst 2008 beginnen.
Zu den einzelnen Fragen:
Zu Frage 1:
Bahnhofpatinnen und -paten sollen mit ihrer Präsenz das
Wohlbefinden
und das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen im Bahnhof
erhöhen
sowie die Identifikation der Bevölkerung mit dem Bahnhof
verbessern.
Sie sollen den Passantinnen und Passanten Hilfestellungen anbieten und
falls nötig und möglich Personen auf Fehlverhalten aufmerksam
machen.
Sie übernehmen keine Aufgaben der Securitrans und der Polizei. Die
Kompetenzen sind klar ab-gegrenzt.
Zu Frage 2:
Die SBB und die Stadt Bern führen das Projekt gemeinsam durch,
wobei
die SBB die Haupt-verantwortung tragen. Eng beteiligt sind zudem
BERNMOBIL, die bls, der RBS, Postauto und die Securitrans. Eine
Trägerschaft im rechtlichen Sinn besteht nicht.
Zu Frage 3:
Die Bahnhofpatinnen und -paten sind den SBB unterstellt. Fachleute der
SBB, der Stadt Bern (Jugendamt, PINTO) und der Securitrans
gewährleisten eine enge fachliche Begleitung.
Zu Frage 4:
Es besteht kein Vertrag. Das Projekt wird durch die SBB sowie die
beteiligten öffentlichen Verkehrsmittel (BERNMOBIL, Postauto, bls
und
RBS) finanziert. Sponsoren hat es keine.
Zu Frage 5:
Die Ausbildung ist in 4 Module unterteilt und dauert 6 Tage:
• Modul "chili" des Schweiz. Roten Kreuzes: Kommunikationsformen und
Konfliktvermittlung (3 Tage);
• Modul "Bahn" mit SBB, bls und RBS: betriebliche Kenntnisse,
Kundendienst (1 Tag);
• Modul "Bus und Tram" mit BERNMOBIL: Betriebliche Kenntnisse,
Kundendienst (1/2 Tag);
• Modul "Objektschutz" mit Securitrans: Zusammenarbeit, operative
Betreuung, Ortskennt-nisse, Bahnhofordnung (1 Tag);
• Modul Zielgruppen mit PINTO: Umgang mit schwierigen Personengruppen
(1/2 Tag).
Zudem besteht die Möglichkeit nach ca. drei Monaten ein Modul
"chili
Refresher" zu besuchen und den Nothelferkurs des Samariterverbands zu
absolvieren.
Zu Frage 6:
Das Grundkonzept des Projekts "Bahnhofpatinnen und -paten", das von den
SBB erarbeitet wurde, beruht auf der freiwilligen Tätigkeit. Der
Gemeinderat kann und will hier die grundsätz-lichen
Rahmenbedingungen
nicht ändern. Der sechsmonatige Versuch wird zeigen, ob sich das
Modell
auch für einen Grossbahnhof wie Bern eignet. Der Gemeinderat wird
nach
dem Vorliegen der Auswertung über das weitere Vorgehen
entscheiden.
Bern, 17. September 2008
Der Gemeinderat
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PAPSTUM
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Spiegel 2.2.09
"So bitter, so traurig"
Viele Katholiken verstehen ihren Papst nicht mehr
Die Entscheidung von Benedikt XVI., Traditionalisten und Antisemiten
wieder in den Schoß der Kirche zu holen, vergiftet das
Verhältnis
zwischen dem Vatikan und den Juden. Auch unter Katholiken wächst
inzwischen der Zweifel an der Amtsführung des Pontifex aus Bayern.
Die Via Urbana ist eine Gasse der Huren und Handwerker von Rom, nicht
weit vom Hauptbahnhof entfernt und doch, wie alles in Rom, dem Himmel
so nah: "Regina angelorum ora pro nobis ...", dringt es aus dem
Erdgeschoss des Hauses Nr. 85, eines mit Kristalllüstern und
Damasttapete ausgestatteten Ladenlokal.
Hier treffen sie sich, jeden Donnerstag um 18.30 Uhr, besonders fromme
Katholiken, die sich als Hüter der ewigen Wahrheit verstehen, die
sich
geschmeichelt fühlen, wenn man sie beschimpft, sie seien
päpstlicher
als der Papst. Sie sind es ja auch, die Frommen der FSSPX.
Was wie eine neue Software klingt oder wie der Name eines
Gangsta-Rappers, ist das Kürzel für die "Fraternitas
Sacerdotalis
Sancti Pii X.", die Bruderschaft des allerheiligsten Pius X., in der
sich die traditionalistischen Anhänger des Erzbischofs Marcel
Lefebvre
gesammelt haben.
Das sind sie also, die Piusbrüder. Neun Anhänger der alten,
lateinisch
gefeierten Messe sitzen oder knien hier, in ihrer Kapelle der heiligen
Katharina von Siena. Zwei Matronen mit Hütchen sind darunter, drei
sehr
apostolisch wirkende Jünglinge, ein Mädchen mit Schleier. Der
Priester
steht mit dem Rücken zur Gemeinde.
Kein größerer Gegensatz ist denkbar als der zwischen dieser
archaischen
Veranstaltung auf 50 Quadratmetern und dem mächtigen Petersdom auf
der
anderen Seite des Tiber. Und doch hat einer dieser Gralshüter
eines
untergegangenen Katholizismus den Vatikan vergangene Woche in eine
Krise gezogen, die geeignet ist, das Verhältnis von Katholiken und
Juden, aber auch von Christen untereinander ernsthaft zu belasten, und
deren Auswirkungen sich noch nicht abschätzen lassen.
Die einsame Entscheidung von Papst Benedikt XVI., vier im Jahr 1988
exkommunizierte Bischöfe dieser Piusbruderschaft wieder in die
Kirche
aufzunehmen, hat innerhalb und außerhalb des Vatikans für
Erstaunen,
Ernüchterung, Empörung gesorgt. Und dann auch tiefe
Verzweiflung über
das künftige Verhältnis der Religionen zueinander
ausgelöst. Dass es
dabei eigentlich nur um eine innerkirchliche Frontbegradigung ging -
die Ultras, die in Gnaden wieder aufgenommen wurden, waren
unrechtmäßig
geweiht worden -, war egal. Was den Skandal auslöste, und
darüber hatte
der SPIEGEL schon vor 14 Tagen berichtet, war die Tatsache, dass einer
der wieder heimgekehrten Söhne, der Bischof Richard Williamson,
ein
notorischer Holocaust-Leugner ist.
Der Brite hatte erst vor zwei Wochen bei einem Deutschland-Besuch dem
schwedischen Fernsehen erklärt: "Kein einziger Jude ist in einer
Gaskammer umgekommen." Dann redete der 68-jährige
Cambridge-Absolvent
noch viel über technisch ungeeignete Schornsteinhöhen und
undichte
Türen in Auschwitz. Als er nach seinem Antisemitismus gefragt
wurde,
antwortete Williamson: "Wenn Antisemitismus schlecht ist, ist er gegen
die Wahrheit. Wenn etwas wahr ist, ist es nicht schlecht. Mich
interessiert das Wort Antisemitismus nicht."
Und ausgerechnet dieser Unbelehrbare soll nun nach dem Willen des
Papstes wieder der Kirche angehören?
Mit einer einzigen, womöglich unbedachten Geste hat Benedikt XVI.
bei
Juden in aller Welt alte Ängste wieder geweckt, dass die
katholische
Kirche eben doch ihren alten Antisemitismus nie wirklich abgelegt hat.
Er hat das Versöhnungswerk seines Vorgängers Johannes Paul
II., der
sich erstmals für die Verbrechen seiner Kirche entschuldigt hatte,
wieder in Frage gestellt. Und er hat bei seinen eigenen Anhängern
die
Befürchtung aufkommen lassen, dass der deutsche Papst wirklich ein
Papst der Restauration sein könnte, der seine Kirche, die
vorsichtig in
die moderne Welt aufgebrochen war, wieder zurückführt in den
Elfenbeinturm des theologischen Dogmas.
Und dazu die Frage, die bereits die ganze Welt umtreibt: Wie kann es
sein, dass ausgerechnet ein deutscher Papst einen Holocaust-Leugner
begnadigt? Hat der Papst die Wirkung seiner Geste unterschätzt?
Wusste
er nicht, was er tat? Hatte Benedikt XVI. einen Plan, oder folgte seine
Entscheidung der manchmal obskuren theologischen Logik vatikanischer
Klerikal-Bürokraten? Versteht der Papst, der zeit seines Lebens
ein
Mann der Bücher war, noch die Welt außerhalb seiner
Palastmauern?
Juden in aller Welt reagierten empört. Das israelische
Oberrabbinat
setzte umgehend den interreligiösen Dialog mit dem Vatikan aus.
Jizchak
Cohen, israelischer Minister für Religionsangelegenheiten,
empfahl,
"die Verbindungen mit einer Körperschaft, in der Holocaust-Leugner
und
Antisemiten Mitglied sind, vollständig abzubrechen" - und meint
damit
die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Rabbi Israel Meir Lau,
Überlebender des KZ Buchenwald und ehemaliger Oberrabbiner
Israels,
fragt fassungslos: "Wie kann ein solcher Lügner den Schutz und die
Rehabilitierung des Führers der katholischen Kirche bekommen?"
Es ist eine Frage, die sich auch viele Katholiken stellen, vor allem in
Deutschland, der Heimat des Papstes. "Hier herrscht helles Entsetzen",
sagt der Jesuitenpater Klaus Mertes. Er ist Rektor der Gedenkkirche
für
die Opfer des Nationalsozialismus, "Maria Regina Martyrum", in Berlin-
Charlottenburg. Allein deswegen könne er zu dem Vorgang nicht
schweigen: "Entsetzen über Bischof Williamson sowieso. Aber auch
über
die Entscheidung aus Rom. Es mag sein, dass die Gründe noch nicht
kommuniziert wurden. Aber welche Gründe könnten das sein, um
Himmels
willen?"
Bischof Gerhard Müller aus Regensburg, selbst ein Freund der
Tradition,
kritisierte, der Papst habe "einer randständigen Gruppierung beide
Hände gereicht", und erteilte Bischof Williamson, der "idiotisch
und
infam herumfabulierte", Hausverbot für alle Kirchen und
Einrichtungen
seines Bistums.
In Münster, wo der Theologieprofessor Joseph Ratzinger einst
lehrte,
unterschrieb fast die gesamte katholische Fakultät eine scharf
formulierte Protestnote und kritisierte die Wende im Vatikan. Der
katholische Stadtdechant Ferdinand Schuhmacher entschuldigte sich
öffentlich beim Vorsitzenden der örtlichen
christlich-jüdischen
Gemeinschaft, Sharon Fehr, für das Verhalten Benedikts XVI.: "Ich
kann
den Akt des Papstes beim besten Willen nicht verstehen."
Die ersten Katholiken haben sich schon auf den Weg zu den
Standesämtern
gemacht, um aus der Kirche auszutreten, denn bei vielen ist die
Stimmung so, wie es der Münchner Katholik Helmut Reinhard, 62, auf
den
Punkt bringt: "Jetzt reicht's!"
Seine Familie hat in Auschwitz-Birkenau 15 Mitglieder verloren, "alles
Zigeuner", sagt er, "und alles Katholiken". Sein Cousin lebt in
Köln.
Markus Reinhard, 50, ist am Holocaust-Gedenktag letzte Woche Dienstag
mit seiner Frau und vier Schwestern aus der katholischen Kirche
ausgetreten.
Zahlreiche andere religiös Engagierte machen ihren Ärger seit
Anfang
letzter Woche im Internet Luft. In Religionsforen wie "mykath"
schwellen die Diskussionsbeiträge explosionsartig an. "Wer nimmt
seit
letzten Samstag eine Exkommunikation denn noch ernst?", fragt da ein
Autor. Ein anderer resümiert empört: "Williamson begeht in
Deutschland
eine Straftat (Holocaust-Leugnung), seine Schäfchen gucken weg,
und er
wird vom Papst dafür mit der Erhebung zum Bischof der katholischen
Kirche belohnt. Was passiert, wenn Williamson in einer Synagoge eine
Bombe zündet? Ernennt ihn der Papst dann zum Kardinal?"
Selbst Heiner Geißler, der ehemalige Generalsekretär der
CDU, bedauert,
"dass der Papst sich abschottet gegenüber Frauen,
Andersgläubigen,
Geschiedenen, Homosexuellen" (siehe Kasten Seite 43).
Knapp vier Jahre nach dem Amtsantritt des ersten deutschen Papstes der
Neuzeit ist das Verhältnis der beiden großen Weltreligionen
zerrüttet.
Die Aussöhnung der Katholiken mit den Juden ist womöglich auf
Jahre
hinaus beschädigt.
Natürlich versuchte Benedikt zu retten, was zu retten war. Bei
seiner
Mittwochsansprache in der Audienzhalle sprach er das Thema vergangene
Woche deutlich an: "In diesen Tagen, in denen wir der Schoa gedenken,
kommen mir Bilder meiner wiederholten Besuche in Auschwitz wieder in
Erinnerung (...) Während ich erneut aus ganzem Herzen meine volle
und
unbestreitbare Solidarität mit unseren Brüdern, den
Trägern des ersten
Bundes, zum Ausdruck bringe, wünsche ich, dass die Schoa die
Menschheit
dazu anstiftet, nachzudenken über die unvorhersehbare Macht des
Bösen,
wenn es das Herz des Menschen ergreift."
Klare Worte. Aber der Papst las sie mit kaum wahrnehmbarer Anteilnahme
vor. Ein persönliches Wort, jenseits des Manuskripts, hätte
dem
Konflikt die Schärfe genommen. Vom Ausmaß der weltweiten
Empörung
scheint der Papst in der vergangenen Woche ohnehin wenig mitbekommen zu
haben. "Er machte einen heiteren Eindruck und wirkte in keinerlei Weise
besorgt. Wir haben uns übers Essen unterhalten", sagt ein
Vertrauter,
der Benedikt am Donnerstag im päpstlichen Palast traf. Der Papst,
fürchten selbst viele Katholiken, scheint der Welt
abhandengekommen zu
sein.
Als jener Mann, der einmal Joseph Ratzinger war, die deutschen Pilger
erstmals als Papst Benedikt XVI. begrüßte, am 25. April
2005, entfuhr
ihm das Geständnis: "Ich habe mit tiefer Überzeugung zum
Herrn gesagt:
Tu mir dies nicht an!"
Das Stoßgebet ist nicht erhört worden, und am Anfang war die
Begeisterung über den neuen Papst, zumindest in Deutschland,
riesengroß. "Wir sind Papst", jubelte die "Bild"-Zeitung
über die
Karriere des bayerischen Theologieprofessors, der zuletzt jahrelang als
Chef der Glaubenskongregation über wenig mehr als die Reinheit der
Lehre gewacht hatte. Inzwischen wächst die Skepsis an der
Amtsführung
dieses Papstes. Manch eines seiner Schäfchen fürchtet
bereits, dass der
so gelehrte Oberhirte als Fehlbesetzung in die Annalen der Kirche
eingehen könnte, als Pontifex der Pannen und der Fettnäpfchen.
Dass die Begeisterung der Öffentlichkeit so schnell verflogen ist,
scheint den Papst selbst allerdings am wenigsten zu beunruhigen. Joseph
Ratzinger war der Massenjubel schon immer suspekt. Den Wallfahrten der
Jugend zu seinem Vorgänger Johannes Paul II. hat er zutiefst
misstraut.
So stört es ihn vielleicht nicht, dass die Pilgerzahlen auf dem
Petersplatz kontinuierlich zurückgegangen sind. Vergangenes Jahr
kamen
noch 2,2 Millionen Menschen zu den Mittwochsaudienzen, das sind eine
Million weniger als zwei Jahre zuvor.
Der erwartete neuerliche Aufbruch seiner Kirche ist ausgeblieben. Auch
deshalb ist die Enttäuschung über die jüngste
Entscheidung des Papstes
so groß.
Bei Radio Vatikan gingen letzte Woche ununterbrochen wütende
E-Mails
ein. Einige wurden im päpstlichen Sender verlesen. So etwa:
"Schande
über den Vatikan, der angeblich von den Aussagen von Bischof
Williamson
nichts gewusst hat. Papst Johannes Paul II. hätte die im Vatikan
Verantwortlichen hinausgeworfen."
Oder: "Ich bin unsagbar wütend auf Herrn Ratzinger. Hier wird der
Boden
für neue Pogrome gelegt." Ein Hörer der international
empfangbaren
Radiowelle forderte gar, der Vatikan müsse den Holocaust-Leugner
und
Bischof "durch eine Zwangswallfahrt nach Auschwitz bekehren". Und ein
anderer wollte statt Ratzinger wieder seinen Vorgänger
zurückhaben:
"Mit der Rehabilitierung des offen antisemitischen Lefebvre-Bruders
verhöhnt Benedikt das Erbe seines Vorgängers, der sich
unermüdlich für
die Versöhnung zwischen Christentum und Judentum eingesetzt hat."
Auch im direkten Umfeld des Papstes sind viele bestürzt über
die neue
Antisemitismus-Debatte. Selbst der treue "Osservatore Romano" erteilte
vergangene Woche dem päpstlichen Management eine Rüge. Das
Blatt
bedauerte, die Aufhebung der Exkommunikation der vier
Piusbruder-Bischöfe sei im Vatikan schlicht "nach einem falschem
Drehbuch" abgelaufen.
Wie konnte so etwas passieren?
Das Dekret zur Aufhebung der Exkommunikation hatte Benedikt
beschlossen, ohne sich mit den betroffenen Kurienstellen abzusprechen.
Im Vatikan heißt es, der Päpstliche Rat zur Förderung
der Einheit der
Christen sei vor dem Schritt nicht gefragt worden. "Es war die
Entscheidung des Papstes", erklärte der deutsche Kardinal Walter
Kasper, Vorsitzender dieses Gremiums. Kasper, einst ein
Weggefährte des
Papstes und nun ein eher trauriger Freund, reichte inzwischen seine
reguläre Demission ein.
Das Dekret, das die Traditionalisten wieder mit ihrer Kirche
aussöhnen
sollte, sollte, so erzählt es einer aus der zuständigen
Bischofskongregation, erlassen werden am 50. Jahrestag der Einberufung
des Zweiten Vatikanischen Konzils durch den reformfreudigen Papst
Johannes XXIII. Das wäre der 25. Januar gewesen, ein guter Termin
für
eine Richtungsentscheidung eines nach dem Kirchenkalender und für
die
Kirchengeschichte handelnden Papstes.
Dass der 27. Januar der Auschwitz-Gedenktag sein würde und dass
einer
der Begnadigten ein notorischer Holocaust-Leugner war, war dem Papst
offenbar nicht bewusst. Und niemand aus seinem näheren Umfeld
schien es
für nötig zu halten, ihn daran zu erinnern.
Am 21. Januar, einem Mittwoch, unterzeichnete Kardinal Giovanni
Battista Re, als Präfekt der Bischofskongregation, das Schreiben,
und
schon kurz darauf war ihm offenbar bewusst, was er da angestellt hatte.
Da waren die Zeitungen bereits voll von Williamsons Weltanschauungen.
Es wäre klug gewesen, ein paar Wochen mit der Publikation zu
warten.
Die Wirtschaftszeitung "Italia Oggi" berichtet unter Berufung auf
Ohrenzeugen von einem Wutanfall des besagten Kardinals Re. "Welch ein
Pfuscher!", habe der gebrüllt, am heiligen Sonntagmorgen im Bus
auf dem
Weg zur Messe in der Basilika St. Paul vor den Mauern. Und er meinte
nicht den Heiligen Vater, sondern seinen Kardinalkollegen, den
Kolumbianer Darío Castrillón Hoyos, der ihn zur
Unterzeichnung gedrängt
hatte.
Und nach der Panne gab es nirgendwo ein effizientes Krisenmanagement,
schon gar nicht im Pressebüro des Vatikans. Während sich die
Auslassungen von Bischof Williamson über alle Medien verbreiteten,
beschäftigten sich die Pressemitteilungen des Heiligen Stuhls
anfänglich mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Mariazell
und der
Kommunion des Patriarchen von Antiochien.
Erst Mitte der Woche wurde den Kurialen klar, dass hier gerade eine
Katastrophe passiert war. Schnell stellten Helfer einige Videos bei
YouTube ein, mit der Rede des Papstes in Auschwitz, seinen Besuchen in
Synagogen und freundlichen Treffen mit jüdischen
Würdenträgern. Bis
Freitag wurde die Seite ganze 1900-mal angeklickt.
Wusste der Vatikan nun von Williamson? "Hier ist das Problem", sagte
Pater Eberhard von Gemmingen letzte Woche in einem Kommentar auf Radio
Vatikan: "Was ist schon gemeint mit dem Begriff: der Vatikan? Der
Vatikan ist groß, er hat viele Büros. Sicher haben einige
Büros, die
sich mit Politik befassen, seine antisemitischen Äußerungen
gekannt.
Vielleicht aber wussten diese nicht rechtzeitig, dass seine
Exkommunikation zurückgenommen wird."
Auch die zweite Abteilung des Staatssekretariats, die für die
Beziehungen zwischen den Staaten zuständig ist, hätte sich
mit dem
Dekret befassen müssen. "In ihr müsste es Personen geben, die
Bischof
Williamson kannten. Und über allen Behörden schwebt als Chef
Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, und darüber ist der
Papst."
Alles also Schuld der Schlamperei in der römischen
Kurienbürokratie? Schön wäre es.
Aber die Panne mit den Piusbrüdern hätte nicht zum Skandal
werden
können, wenn sie nicht auch zwei Grundprobleme dieses Pontifikats
beleuchten würde, die beide eng miteinander verknüpft sind.
Da ist die zunehmende Isolation von Benedikt XVI. Und da ist seine
Ängstlichkeit im Umgang mit der Moderne, eine tief konservative
Grundeinstellung, die immer wieder zu einer "Ökumene nach rechts"
führt, wie der Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz dieser Tage
dem
Papst vorgeworfen hat.
Der Papst habe sich, so ein Kurialer, mit einer Mannschaft von Jasagern
umgeben. Ihm fehle jegliches kritische Korrektiv. Sie verschone den
81-Jährigen sogar vor Ärgernissen in den Medien. "Er bekommt
in der
Regel nur Auszüge der internationalen Presse vorgelegt. Oft
heißt es
vorher: Nein, nein, den Artikel kann man ihm doch nicht zeigen."
Anders als sein Vorgänger Angelo Sodano gilt die Nummer eins des
päpstlichen Staatssekretariats als wenig politischer Kopf.
Benedikt hat
den Kardinal ernannt,
weil er sich "seelsorglich umsichtig" gezeigt hat und mit ihm aus der
gemeinsamen Arbeit in der Glaubenskongregation vertraut war.
Rund um den Papst hat sich im Vatikan über die Jahre eine
konservative
Lobby etabliert, mit erheblichem Einfluss und Möglichkeiten zur
Manipulation. Dazu zählen die Mitglieder von Gruppen wie dem Opus
Dei,
den Legionären Christi, den Petrus- und eben den Piusbrüdern.
Wenn es etwa um die Annäherung an andere Religionen geht,
verzögern und
zerreden sie nicht nur anstehende Entscheidungen, sie organisieren auch
nach außen hin sichtbare Zeichen ihrer Gesinnung.
Als ein Beispiel dafür gilt die Taufe eines Muslims durch den
Papst im
Petersdom in der Osternacht 2008. Dahinter steckte die konservative, in
Italien sehr einflussreiche Laienbewegung "Comunione e Liberazione".
Die demonstrative Konversion eines Muslims zum Katholiken brachte dem
Papst sofort neue Verärgerung bei Muslimen in aller Welt ein.
Arabische
Tageszeitungen schrieben, das Wasser, das Papst Benedikt auf den Kopf
des Konvertiten gegossen habe, sei "wie Benzin auf das Feuer des
Zusammenpralls der Zivilisationen". Osama Bin Laden verbreitete im
Internet fast zeitgleich eine Botschaft gegen den Papst im Vatikan und
beschuldigte ihn, eine herausragende Rolle in einem neuen Kreuzzug
gegen den Islam zu spielen.
Kleine Akte, in den Hinterzimmern des Vatikans von rechtgläubigen
Lobbyisten ausgeheckt, können große politische Wirkung
haben. Benedikt
hatte die Brisanz dieser Taufe offenbar nicht erkannt. Es war schon das
zweite Mal, dass er für schwere Irritationen in der islamischen
Welt
gesorgt hat.
Zum ersten Mal hatte seine Regensburger Rede von 2006 für
Ärger unter
den Muslimen zwischen Jakarta und Casablanca gesorgt. Damals, im
September 2006, hatte Papst Benedikt XVI. ohne jegliche
Rückversicherung mit den kurialen Gremien eine Vorlesung zum
Verhältnis
von Glaube und Vernunft gehalten und unwillentlich einen globalen
Religionsstreit ausgelöst. "Zeig mir doch, was Mohammed Neues
gebracht
hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden", zitierte er
einen byzantinischen Kaiser, und wenig später loderte überall
helle
Empörung. Islamische Fundamentalisten forderten in Indonesien den
Tod
des Papstes, in Somalia wurde eine Nonne erschossen, die in einer
Kinderklinik gearbeitet hatte. Ein Papst hatte einer anderen
Weltreligion offen einen Hang zur Gewalttätigkeit unterstellt, und
ein
Papst hatte einen islamkritischen Satz zitiert, ohne sich deutlich
genug davon zu distanzieren.
Die Rede hatte der Doktor der Theologie Ratzinger damals allein
verfasst, und offenbar hat der Heilige Vater Schwierigkeiten, die
öffentliche Wirkung seines Handelns zu überschauen. Benedikt
hat kaum
ein Gespür für Stimmungen, er ist kein Politiker, sein
Handeln folgt
anderen Maximen, es speist sich aus theologischen Lehrsätzen,
dogmatischen Erkenntnissen und kirchenrechtlichen Zwängen.
Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse, ein Katholik, sieht hinter den
Pannen die Einsamkeit eines Kirchenfürsten, der wie ein
Außerirdischer
im Raumschiff Vatikan lebt: "Die Fehlgriffe und Ungeschicklichkeiten
des Papstes zeigen, dass er einsam entscheidet. Theologisch lebt er in
einer eigenen Welt, in der Welt der alten Kirchenväter, die ihn
geprägt
haben. Er nimmt historisch-politische Bezüge deshalb kaum wahr. Er
beharrt auf dem Wahrheitsanspruch, das ist nicht verkehrt. Aber er muss
ihn verbinden mit dem Respekt vor anderen Wahrheiten."
Ein Schwachpunkt in seiner Biografie ist, dass Ratzinger praktisch nie
über eine streng klerikale Umgebung hinausgekommen ist, sein
Kontakt
mit der Welt und ihren Menschen war stets reduziert. Die Kirche von
innen, die alten Traditionen, das ist seine Welt, und nur, was in
Büchern steht, ist darin noch wichtig. Nun will er im hohen Alter,
dass
diese Welt nicht zerbricht.
"Sein jetziges Leben", sagt ein deutscher Theologe, "erinnert an Ludwig
XVI.: Er hört ein bisschen was von der Welt, er unterschreibt
etwas, er
erledigt seine Pflichten, studiert die Akten und hat sich und sein
Leben am Hofe komfortabel eingerichtet. Aber er ist nicht der Herr des
Apparats, der ihn umgibt."
Der Papst aus Bayern ist von einer manchmal amüsant-kauzigen,
manchmal
erschreckenden Weltfremdheit. Er will vor allem Kirchenlehrer sein,
unablässig die Glaubenswahrheiten darlegen. Mit der Positionierung
seiner Kirche in dieser Welt hat er wenig im Sinn.
Der Theologenpapst blüht auf, wenn er bei den Mittwochsaudienzen
die
Apostel Stück für Stück abarbeiten kann, auch so
unbekannte
Kirchenväter wie den heiligen Andreas von Kreta.
Womöglich rührt daher auch die klammheimliche Sympathie, mit
der
Benedikt all den Ultrapuristen gegenübersteht, den
Piusbrüdern und
anderen Don Quijotes eines angeblich reinen Katholizismus. Er ist ihnen
ähnlich in seinem tiefen Pessimismus über den Gang der Welt.
In seiner
fast insektenkundlerischen Leidenschaft für Doktrinalabweichungen
im
Mikrobereich. In seiner Auffassung, dass die Welt im Kern aus
Lehrsätzen gemacht ist.
In seinen autobiografischen "Erinnerungen" hat auch Joseph Ratzinger
schon Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil geübt. Der harte
Bruch mit
Traditionen wie der tridentinischen Messe, dem Gottesdienst im alten
Stil, schreibt er, war ein Fehler. "Ich bin überzeugt, dass die
Kirchenkrise, die wir heute erleben, weitgehend auf dem Zerfall der
Liturgie beruht."
Das wird jeder Piusbruder unterschreiben. Ebenso wie die
programmatische Ansprache, die Ratzinger im April 2005 gehalten hat,
unmittelbar vor dem Konklave: "Einen klaren Glauben nach dem Credo der
Kirche zu haben wird oft als Fundamentalismus abgestempelt. Wohingegen
der Relativismus, das sich vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung
Hin-und-hertreiben-Lassen, als die heutzutage einzige
zeitgemäße
Haltung erscheint. Es entstehe eine Diktatur des Relativismus, die
nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das
eigene Ich
und seine Gelüste gelten lässt."
Vielleicht ist der Stuhl Petri tatsächlich der einzige
Arbeitsplatz, wo
sich derartige Auffassungen noch mit dem Jobprofil vereinbaren lassen.
Allerdings kommt es dann in schöner Regelmäßigkeit zu
Kollisionen mit
der real existierenden Welt jenseits der Leonischen Mauer um den
Vatikan. Denn die mediale Globalgesellschaft hört alles, sieht
alles,
weiß alles und vergisst gar nichts. Das hat die Rede von
Regensburg
gezeigt, das zeigt die aktuelle Affäre Williamson. Und beten hilft
da
auch nicht.
Der Vatikan muss gewusst haben, welche Gedanken die
Lefebvre-Jünger
hegten. Bischof Williamsons Anhänger in Schweden haben einen
Vortrag
bei YouTube eingestellt, wo Williamson mit Verve den Syllabus als
Lackmustest des wahren Katholizismus preist. Für Nichtkatholiken:
Der
"Syllabus Errorum" ist eine Liste der angeblichen Grundirrtümer
der
Moderne. Dazu zählen Demokratie, Rechtsstaat, Religionsfreiheit,
Trennung von Staat und Kirche, Menschenrechte, Liberalismus und
Rationalismus. (Die Homo-Ehe wird noch nicht explizit genannt.)
Papst Benedikt lässt sich mit diesen rückwärtsgewandten
Frommen ein,
weil er sich als "Diener an der Einheit" sehe, erklärte er am
Mittwoch.
Sein Schritt sei als "Akt der väterlichen Barmherzigkeit" zu
verstehen:
"Weil diese Prälaten mir wiederholt ihr tiefes Leiden an der
Situation
bekundeten, in der sie sich befanden." Er wollte ein Kirchenschisma
überwinden.
Die Piusbrüder haben weltweit knapp 500 Priester, in Deutschland
haben
sie an über 50 Orten Kapellen und Kirchen und rund 10 000
Anhänger,
weltweit gibt es keine genaue Zahl. Man schätzt sie auf eine
Größenordnung von 100 000 bis 200 000 Anhänger. Sie
sind jedenfalls in
30 Ländern weltweit verteilt. Im Höchstfall folgen ihnen 0,02
Prozent
aller Katholiken.
Doch für sie riskiert Benedikt das Ansehen seiner Kirche. Ein
Fundamentaltheologe wie Joseph Ratzinger kann offenbar viel vertragen,
aber Nebenwahrheiten nicht. "Der Papst hat das Wohl der Kirche
über den
Respekt vor der Wahrheit und dem Andenken der Toten gestellt", sagt der
katholische Theologieprofessor Vito Mancuso aus Mailand.
Tatsächlich ist ein gewisses Ungleichgewicht festzustellen. Der
Papst
tritt regelmäßig in die Fettnäpfchen auf der
liberaleren Seite, nie in
die auf der rechten. Dafür gibt es viele Beispiele: Bei der
Eröffnung
der lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Aparecida, in Brasilien,
stieß der Papst aus Bayern im Mai 2007 sämtliche Indios vor
den Kopf.
Sie erfuhren erstmals, dass die Christianisierung ihrer Ahnen keine
Oktroyierung einer fremden Kultur gewesen, sondern von den Ureinwohnern
unbewusst herbeigesehnt worden sei.
"Zu sagen, dass die kulturelle Dezimierung unserer Volkes eine
Reinigung darstellt, ist beleidigend und - offen gesagt -
beängstigend", meinte damals der Indio-Vertreter Sandro
Tuxá.
Selbst den Protestanten in seinem Heimatland Deutschland kann Benedikt
vor den Kopf stoßen, wenn es ihm um die rechte Lehre seiner
Kirche
geht. Im Juli 2007 autorisierte Benedikt ein Dokument der
Glaubenskongregation, wonach die Protestanten "nicht Kirchen im
eigentlichen Sinn" bildeten. Das war in katholischer Sicht nichts
Neues. Für Rom gibt es nur eine Kirche, die eigene, auf die
Apostel
zurückgehende "Una Sancta Catholica Ecclesia". Alles andere sind
Sekten, christliche Gemeinschaften, Laienveranstaltungen.
Insofern hatte der Papst recht. Aber war er klug beraten, das nochmals
zu betonen? Im Verhältnis der Konfessionen hat er jedenfalls
Schaden
angerichtet. "Manche haben gehofft, ein Papst, der aus Deutschland
stammt und die evangelische Kirche gut kennt, würde die
Beziehungen
verbessern. Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt", sagt die
Bischöfin Margot Käßmann aus Hannover. Offizielle
Beziehungen zwischen
Protestanten und Katholikenspitze sind derzeit eher frostig.
Im vergangenen November verfasste Benedikt XVI. dann das Vorwort
für
ein Buch des ehemaligen italienischen Senatspräsidenten und
Philosophen
Marcello Pera. Darin lobt der Papst besonders die Absage an ein
"kosmopolitisches" Europa, ohne Verortung im christlichen Menschenbild.
"Sie erklären mit großer Klarheit, dass ein
interreligiöser Dialog im
engen Wortsinn nicht möglich ist, wohingegen der interkulturelle
Dialog
umso dringender wird, bei dem die kulturellen Konsequenzen der
religiösen Grundentscheidung untersucht werden." Über
Religion könne es
keinen "wahren Dialog" geben, "ohne den eigenen Glauben auszuklammern".
Was für einige Papstkritiker lediglich Blauäugigkeit ist und
Unbeholfenheit im Umgang mit der Welt, ist für andere weit mehr.
Irgendwann wird die Serie von Missgeschicken zu einem Muster von
Verstocktheit.
Besonders empfindlich reagieren auf die Pannen jene, denen in ihrer
Geschichte zu viele angebliche Ausnahmen und Missgeschicke widerfahren
sind, so lange, bis es sie fast nicht mehr gab. Die Juden.
Das Ausstrecken der päpstlichen Segenshand zum rechtesten Rand des
Christentums, der Gnadenakt für einen wie Williamson sei, "kein
bedauerlicher Einzelfall", sagt Walter Homolka, Rektor des Abraham
Geiger Kollegs in Potsdam. Der Rabbiner sieht vielmehr "eine Kaskade
von Vorfällen", die nur den Schluss zuließen, dass "für
den Papst das
jüdischchristliche Verhältnis ohne Wert ist".
Daraus spricht tiefe Verbitterung. Joseph Ratzinger ist alles andere
als ein Antisemit. Die gemeinsamen Quellen von Judaismus und
Christentum sind ein Kern seines theologischen Denkens. Schon in seiner
"Einführung ins Christentum" zitiert er zustimmend den Satz des
"großen
jüdischen Theologen Leo Baeck", wonach alle Frommen, nicht nur die
Israeliten, "an der ewigen Seligkeit" teilhaben werden.
Man kann dem Papst allerdings vorhalten, die innere Geschlossenheit
seiner Kirche höher zu halten als das Verhältnis zu anderen
Religionen.
Das wurde jüdischen Religionswissenschaftlern wieder klar, als
Benedikt
am 7. Juli 2007 eine höchstpäpstliche Entscheidung ("Motu
Proprio") zur
Liturgie traf.
Seit 1570 wurde an jedem Karfreitag für die Bekehrung der
"treulosen
Juden" gebetet, um sie aus ihrer "Verblendung" zu befreien. Vierhundert
Jahre lang, wenn auch ohne größeren Erfolg. Dann wurde in
der Folge des
Zweiten Vatikanischen Konzils der Ritus modifiziert, und es hieß
in der
Fürbitte nun etwas höflicher: "Lasst uns auch beten für
die Juden, zu
denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der
Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das
Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will."
Mit dem Erlass ließ Benedikt zur Freude von Traditionalisten (und
manchem deutschen Feuilleton) den tridentinischen Ritus als Sonderform
wieder zu. Und zwar in allen seinen Sätzen, wie er im Jahre 1962
im
römischen Messbuch, dem "Missale Romanum", festgeschrieben war.
Einschließlich der Bitte für die Juden?
Nach entsprechenden kritischen Nachfragen ordnete der Papst dann Anfang
Februar 2008 an, dass von nun an im Karfreitagsgebet folgender Text zu
beten sei: "Oremus et pro Iudaeis ut Deus et Dominus noster illuminet
corda eorum ..."
Auf Lateinisch klingt das feierlich, weil es keiner versteht. In der
deutschen Übersetzung ist der Missionsauftrag dagegen ziemlich
deutlich: "Lasst uns auch beten für die Juden. Dass unser Gott und
Herr
ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter
aller Menschen. Allmächtiger, ewiger Gott, der du willst, dass
alle
Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.
Gewähre gnädig, dass beim Eintritt der Fülle der
Völker in deine Kirche
ganz Israel gerettet wird. Durch Christus, unseren Herrn. Amen."
Für den Historiker Michael Wolffsohn war das "Motu Proprio" der
"größte
theologische Rückschritt in Bezug auf das Judentum seit 1945". Die
jüdischen Vertreter im Arbeitskreis Juden und Christen beim
Zentralkomitee der Katholiken boykottierten daraufhin den Katholikentag.
Ein ernstes Problem für geschichtsbewusste Juden in Israel und in
der
Diaspora ist auch der von Benedikt XVI. betriebene
Seligsprechungsprozess von Papst Pius XII. Der italienische Papst
hatte, aus diplomatischer Vorsicht oder aus schlichter
Furcht, zum Holocaust öffentlich geschwiegen.
Im September stellte sich Papst Benedikt deutlich hinter seinen
"geschätzten Vorgänger". Auf einem Kongress der
jüdisch-christlichen
Stiftung "Pave the Way" sprach der Papst von den "vielen
Interventionen, die im Verborgenen und in aller Stille geschahen, weil
es angesichts der konkreten Situation in diesem schwierigen
historischen Augenblick nur auf diese Weise möglich war, das
Schlimmste
zu verhindern und eine größtmögliche Zahl von Juden zu
retten". Die
Leistungen des Pacelli-Papstes seien nicht immer "im rechten Licht
untersucht worden".
Obwohl Pius XII. insgeheim zahlreichen Juden das Leben gerettet hat,
wird sein Name in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Waschem noch
immer als
Beispiel für das Versagen der Kirche genannt.
Für den ehemaligen italienischen Staatspräsidenten Francesco
Cossiga
kommen die immer wieder erkennbaren Spannungen nicht überraschend:
"Man
darf nicht vergessen, dass im Katholizismus ein starkes
antijüdisches
Gefühl verwurzelt ist. Und gewiss reichen zwei Päpste -
Wojtyla und
Ratzinger - nicht, um das auszureißen."
Schon der Apostel Paulus schrieb von den Juden: "Diese haben sogar
Jesus, den Herrn, und die Propheten getötet; auch uns haben sie
verfolgt. Sie missfallen Gott und sind Feinde aller Menschen."
Für die Christen waren die Juden fast zweitausend Jahre lang die
angeblichen "Gottesmörder". Wie ein roter Faden zieht sich der
Antijudaismus durch die Kirchengeschichte - oft auch als Blutspur.
Nachdem Papst Urban II. Ende des 11. Jahrhunderts zur Eroberung des
Heiligen Landes aufgerufen hatte, brachen Tausende Kreuzfahrer in
Frankreich und Deutschland auf. Statt aber gen Jerusalem zu ziehen,
suchten sie zuerst die benachbarten Juden heim. An einem Tage ermordete
christlicher Pöbel mit dem Schlachtruf "Lasset uns das Blut des
Gekreuzigten rächen" fast die gesamte rund 1000 Köpfe starke
jüdische
Gemeinde in Mainz.
Regelmäßig kam es zu Pogromen. Im Jahr 1298 zogen
"Judenschläger",
angeführt von einem Ritter namens Rintfleisch aus Röttingen,
durch
Franken und ermordeten rund 5000 Juden. Besonders gefährlich
lebten
Juden am Karfreitag, wenn Christen von frommer Mordlust ergriffen den
"Gottesmördern" nachsetzten. Ende des 15. Jahrhunderts hatten die
Christen mit Mord und Vertreibung dafür gesorgt, dass in West- und
Südeuropa kaum mehr Juden lebten.
Auch Martin Luther, der Reformator, war kein Judenfreund. Er empfahl:
"Erstlich, dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und
was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und
beschütte, dass kein
Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Zum andern, dass
man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre."
Im Laufe des 19. Jahrhunderts ersetzte und verdrängte der
rassistisch
begründete Antisemitismus den Antijudaismus. Der Theologe Hans
Küng
meint: "Der Nationalsozialismus wäre unmöglich gewesen ohne
den
jahrhundertealten Antisemitismus der Kirchen." Zwar kam es während
der
Nazi-Herrschaft rasch zu Konflikten zwischen katholischer Doktrin und
dem allumfassenden Machtanspruch der Parteigenossen. Zwar steuerten
einige Bischöfe einen klaren Konfrontationskurs zu den
Machthabern,
aber es war keineswegs die Judenvernichtung, die dem deutschen
Episkopat die größte Sorge bereitete.
Erst im Jahr 1965 vollzog Papst Paul VI. in der Erklärung "Nostra
aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils eine endgültige Absage
an den
Antijudaismus. Die Kirche beklage, hieß es in dem bahnbrechenden
Dokument, "alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen
des
Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem
gegen die Juden gerichtet haben".
Genau dieses Dokument ist von den Anhängern Lefebvres bis heute
nicht
anerkannt worden. Die Piusbruderschaft sieht das Konzil im Wesentlichen
als "einen Spalt in der Kirche", "durch den der Rauch Satans in die
Kirche eingedrungen ist".
Der Vertreter der Ultras in Deutschland heißt Pater Franz
Schmidberger,
Distriktoberer der Piusbruderschaft in Stuttgart. Nach einigem
Zögern
hat er sich von den Aussagen seines Mitbruders Williamson distanziert:
"Die Verharmlosung der Judenmorde des NS-Regimes und dessen Greueltaten
sind für uns inakzeptabel. Ich möchte mich für dieses
Verhalten
entschuldigen und mich von jedweder Aussage dieser Art distanzieren."
Doch noch kurz vor Weihnachten hatten Schmidberger und die seinen an
die deutschen Bischöfe geschrieben und sie an die angeblich
jüdische
Ursünde erinnert: "Mit dem Kreuzestod Christi ist der Vorhang des
Tempels zerrissen, der Alte Bund abgeschafft. Damit sind aber die Juden
unserer Tage nicht nur nicht unsere älteren Brüder im
Glauben. Sie sind
vielmehr des Gottesmordes mitschuldig, solange sie sich nicht durch das
Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer
Vorväter distanzieren."
Dieses uralte atavistische Denken, das Juden von Schuld befleckt
begreift, ist seit dem Dekret Benedikts wieder Teil der Kirche. Das ist
es, was am 24. Januar 2009 in Wahrheit passiert ist und was sich mit
keiner Erklärung, keinem Synagogenbesuch rückgängig
machen lässt.
Von einem "Fiasko, einem absoluten Desaster" spricht Dieter Graumann,
Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Ausgerechnet
ein Deutscher habe den christlich-jüdischen Dialog um Jahrzehnte
zurückgeworfen. "Das macht es so bitter", sagt Graumann, "so
traurig,
so unverständlich."
Oded Wiener, der im israelischen Oberrabbinat für
interreligiösen
Dialog zuständige Generaldirektor, berichtet von den dramatischen
Telefonaten zwischen Jerusalem und Rom, um zu retten, was noch zu
retten ist. Aber die Enttäuschung ist groß. Venedigs
Oberrabbiner Elia
Enrico Ri-
chetti hat der katholischen Kirche vorerst die Zusammenarbeit
aufgekündigt, da der Papst es "am einfachsten Respekt"
gegenüber den
Juden fehlen lasse. Er sieht "die Auslöschung von 50 Jahren
Kirchengeschichte".
Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. war der Dialog mit den Juden
ein
zentrales Anliegen. Er hatte als junger Mann den Judenmord der Nazis in
Polen erlebt und als Papst den Antisemitismus als "Sünde wider
Gott und
den Menschen" gebrandmarkt. Für ihn waren die Juden "unsere
älteren
Brüder".
Der Rabbiner Walter Homolka sprach mit Joseph Ratzinger vor seiner Wahl
zum Papst über den christlich-jüdischen Dialog. "Er fand ihn
richtig",
erinnert sich Homolka, "aber er schien nicht mit Herzblut dabei zu
sein." Walter Homolka, der für die Ausbildung von Rabbinern in
Deutschland verantwortlich ist, glaubt nicht mehr an eine Entspannung
der Beziehungen zwischen Juden und der katholischen Kirche, solange
Benedikt XVI. an ihrer Spitze steht: "Wir warten auf den nächsten
Papst."
Wie die Juden mit dem schweren Affront durch den Vatikan fertig werden,
hängt aber nicht nur von der Führung in Rom ab, sondern auch
von den
Gläubigen in aller Welt. Der Deutsche Graumann wünscht sich,
"dass die
Katholiken aufstehen. Es sollten viele zeigen: Wir lassen die Juden
nicht alleine."
Wie geht es nun weiter?
David Rosen aus Jerusalem ist Vorsitzender des internationalen
jüdischen Komitees für interreligiöse Konsultationen. Er
war dabei, als
Benedikt in der Gedenkstätte Auschwitz eine bewegende Rede hielt:
"An
diesem Ort versagen die Worte, kann eigentlich nur erschüttertes
Schweigen stehen - Schweigen, das ein inwendiges Schreien zu Gott ist:
Warum hast du geschwiegen? Warum konntest du dies alles dulden? In
solchem Schweigen verbeugen wir uns inwendig vor der ungezählten
Schar
derer, die hier gelitten haben und zu Tode gebracht worden sind." Und:
"Es war und ist eine Pflicht der Wahrheit, dem Recht derer
gegenüber,
die gelitten haben, eine Pflicht vor Gott, als Nachfolger von Johannes
Paul II. und als Kind des deutschen Volkes, hier zu stehen."
Die erneute klare, wenngleich erschrocken nachgeschobene Verurteilung
des Antisemitismus durch Papst Benedikt XVI. gibt Rosen Hoffnung, dass
die Versöhnung zwischen Juden und Christen nicht dauerhaft Schaden
leiden wird.
Dennoch hat Rabbi Rosen das für Anfang März geplante
jährliche Treffen
mit Vertretern des Vatikans abgesagt. "Die Kirche muss jetzt
klären",
sagt der einflussreiche Rabbiner, "ob die Piusbrüder die Lehren
zum
Antisemitismus teilen"; zum Beispiel das Wort von Johannes Paul II.,
der Antisemitismus sei "eine Sünde wider Gott und den Menschen".
Auch katholische Kirchenrechtler meinen, das Schisma werde vollends nur
dann beendet, wenn die Traditionalisten deutlich die Autorität des
Papstes und die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils
anerkennen. Falls nicht, sagt etwa der Trierer Kirchenrechtler Peter
Krämer, bliebe "die Suspendierung vom Amt bestehen". Das
schließt er
aus der Erklärung Benedikts vom Mittwoch.
"Ich wünsche", hat der Papst da gemeint, "dass auf diese meine
Geste
das umgehende Bemühen von ihrer Seite folgt, die weiteren
notwendigen
Schritte zu setzen, um die volle Einheit mit der Kirche zu realisieren.
Auf diese Art sollen sie echte Treue und echtes Anerkennen des
Lehramtes und der Autorität des Papstes und des Zweiten
Vatikanischen
Konzils bezeugen."
Zumindest einer denkt gar nicht daran, irgendetwas anzuerkennen.
Bischof Williamson sitzt in seinem Priesterseminar "Unserer lieben Frau
Miterlöserin" in La Reja, einem selbstbewussten Neobarockbau 50
Kilometer westlich von Buenos Aires. Journalisten werden abgewiesen. Es
seien Ferien, und der Bischof wünsche niemanden zu empfangen.
Immerhin:
Zum Wochenende bezeichnete er seine Äußerungen zum Holocaust
als
"unvorsichtig" und bedauerte, dass sie für Benedikt "unnötige
Sorgen"
hervorgerufen hätten. Wirkliche Reue hört sich anders an.
Kurz bevor Williamson vom Schweizer FSSPX-Hauptquartier ein
Schweigegebot auferlegt bekam, schrieb er noch einen Brief an die
Getreuen, durchaus triumphierend: "Dieser Beschluss ist für die
Kirche
ein großer Schritt voran, ohne dass die FSSPX sich verraten
hätte.
Lasst uns danken und beten für Benedikt XVI. und alle seine
Mitarbeiter, die geholfen haben, dieses Dekret durchzudrücken
gegen
einen punktgenau orchestrierten Aufschrei der Medien."
Das ist deutlich. Und in einem haben die Traditionalisten auch wirklich
recht: Sie haben Grund zu feiern. Ihnen ist ein weiterer Schritt
zurück
in die Unam et Sanctam gelungen, und dies ohne jegliche
Zugeständnisse.
Joseph Ratzinger, der gelehrte Theologieprofessor, hat sich dieses Amt
offenbar nie gewünscht. Der Heilige Geist habe ihn auf den Stuhl
Petri
gehoben, meinte er nach dem Konklave, er sei nur ein Arbeiter im
Weinberg des Herrn.
Doch aus der Arbeit im Weinberg ist inzwischen ein Kreuzweg geworden.
Trotz aller Bemühungen zum Dialog mit China, den Ostkirchen, dem
Islam
- immer wieder stolpert dieser Papst über das Thema Holocaust, als
wäre
er verdammt dazu. Die Affäre um die Wiederaufnahme der
Traditionalisten
ist eine weitere Station seines Kreuzwegs.
Benedikt XVI. wird wohl der letzte Papst sein, der die Hölle des
Nationalsozialismus noch bewusst miterlebt hat. Es ist vielleicht kein
Zufall, sondern eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der
ehemalige Hitlerjunge Joseph Ratzinger aus Marktl am Inn die Last
dieser Geschichte immer wieder schultern muss. Ob er will oder nicht.
STEFAN BERG, CHRISTOPH SCHULT, ALEXANDER SMOLTCZYK, MICHAEL SONTHEIMER,
PETER WENSIERSKI
--
Zitate
Hans Küng Theologe aus Tübingen "Das zentrale Problem ist der
Papst
selbst, dem es primär um die sogenannte Wahrheit und Macht der
eigenen
Kirche geht. Dadurch richtet er schweren Schaden in den Beziehungen zu
den anderen christlichen Religionen an. Er hat zuerst die Muslime
beleidigt und jetzt auch noch die Juden gründlich verärgert.
Dass das
alles durch einen deutschen Papst geschieht, ist doppelt schwerwiegend.
Die nachträglichen Entschuldigungen können das zerbrochene
Porzellan
nicht mehr kitten." Heiner Geißler Ex-Generalsekretär der
CDU "Es ist
bedauerlich, dass der Papst sich theologisch abschottet gegenüber
Frauen, Andersgläubigen, Geschiedenen, Homosexuellen. Er ist ein
Dogmatiker, aufs theologische Dogma fixiert und auf die eigene
Institution. Das Jesus-Bild dieses Papstes ist total spiritualisiert.
Er sieht alles unter einem vertikalen Aspekt. Die Verpflichtung dem
Menschen gegenüber tritt zurück. Sein Vorgänger hat die
Gemeinsamkeiten
mit andersgläubigen Menschen gesucht, er nicht. Man kann fast den
Eindruck bekommen, ihm sei ein rechtsradikaler, antisemitischer
katholischer Bischof lieber als eine evangelische Bischöfin, die
er in
Köln nicht empfangen hat." Norbert Lammert
Bundestagspräsident
"Natürlich stehen die unglaublichen Einlassungen des englischen
Bischofs Williamson zum Holocaust in keinem Zusammenhang mit der
Entscheidung des Papstes. Dass er seine Entscheidung gleichwohl zu
einem Zeitpunkt verkündet hat, als die Äußerungen
bereits öffentlich
bekannt waren, ist mir wegen der absehbaren Wirkungen völlig
unverständlich. Solche Äußerungen und Vorkommnisse
gefährden den vom
heutigen Papst und seinem Vorgänger ausdrücklich für
unverzichtbar
erklärten Dialog mit den jüdischen Organisationen, deren
Irritationen
und Betroffenheit ich gut verstehe." Richard Schröder Theologe
"Jesus
von Nazaret hat einmal gesagt: Seid klug wie die Schlangen, aber ohne
Falsch wie die Tauben. Papst Benedikt XVI. sollte den ersten Teil des
Satzes stärker beachten, sonst glaubt man ihm nicht, dass er den
zweiten Teil beherzigt."