MEDIENSPIEGEL 2.2.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Mini-Demo: Reitschule ist wieder mal Sündenbock
- Anti-WEF-Demos Genf + Davos
- Stadtrat: Bahnhofs-PatInnen
- Papstum in der reaktionären Krise

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REITSCHULE
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- Feb 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Mi 04.02.09  
19.00 Uhr - SousLePont - China Spezialitäten
19.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Apéro & Musik mit dem kurdischen Trio Adem, Tarik & Kendal. Anschliessend Begrüssung und Vorstellung der eingeladenen Gäste. Einführung in das kurdische Filmschaffen mit Manu Halil und Claudia Paiano
20.30 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - White Mountain, Taha Karimi, Iran 2006, 30 Min
21.10 Uhr - Kino - The stars of my homeland - Stêrken Welatê Min, Shirin Jihani, Irak 2008, 76 Min. In Anwesenheit der Regisseurin

Do 05.02.09
20.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Hêlîn, Sibel Akkulak, Türkei 2007, 13 Min; Handful of Ash, Nabaz Ahmed, Irak 2007, 33 Min
21.00 Uhr - Kino - Close-up Kurdistan, Yüksel Yavuz, D 2007, 104 Min

Fr 06.02.09
20.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Kevoka Spî, Viyan Mayî, Irakisch-Kurdistan 2008, 30 Min
20.30 Uhr - Kino - Vinterland, Hisham Zaman, Norwegen 2007, 52 Min. In Anwesenheit des Regisseurs
21.45 Uhr - Kino - The land of legend, Rahim Zabihi, Kurdistan/Iran/D 2008, 73 Min
22.00 Uhr - Frauenraum - Popshop special: Frauendisco POPSHOP - Katzenball mit Kami Katzes Mix aus 60ties, R&B, Soul, Beat and Exotica sounds... women only
23.00 Uhr - Dachstock - DJ-Kicks presents !K7 Tour featuring The Glimmers (Bel) & DJ's Dactylola & Ereccan Stil: Postdisco-Punk-Electro-Housetech

Sa 07.02.09
19.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Musikliebe, Yusuf Yesilöz, Schweiz 2008, 53 Min. In Anwesenheit des Regisseurs
20.15 Uhr - Kino - Gözmece, Aydin Sevinc, Türkei 2006, 45 Min. In Anwesenheit des Regisseurs. 2 Türen, Ali Biçer, Schweiz , 7 Min
21.15 Uhr - Kino - Dol - Tal der Trommeln, Hiner Saleem, Autonome Region Kurdistan/F/D, 2006, 94 Min
22.00 Uhr - SousLePont - Guts Pie Earshot (D), Support: L-N/A (CH) Stil: Revolting Breakbeat. Punk live cello and drums
22.00 Uhr - Dachstock - Cool & Deadly: Phenomden & The Scrucialists, jugglin & after show by: Boss Hi-Fi (ZH) ls Moya (More Fire Sound, BE). Stil: Finest Reggae

So 08.02.09
19.00 Uhr - Progr - Kurdischer Filmzyklus: Entwicklung des kurdischen Filmschaffens - Chancen und Risiken: Gespräch und Filme im Gedenken an den Halil Uysal
20.00 Uhr - Frauenraum - Sex am Sonntag (mit Barbetrieb ab 19.00 Uhr): Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel. Rainer Werner Fassbinder, D/F 1982

Infos: www.reitschule.ch & www.grossehalle.ch

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REITSCHULE-BASHING
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BZ 2.2.09

Anti-Wef-Demo

Scharmützel auch in Bern

Anti-WEF-Demonstranten lieferten sich am Samstag auch in Bern Scharmützel mit der Polizei. Diese verhinderte eine Demo.

Die Demonstranten waren von der Anti-WEF-Kundgebung in Genf zurückgekommen und trafen sich in der Berner Reitschule. Dort formierten sich zirka 100 von ihnen neu und wollten gegen 21.30 Uhr in die Innenstadt ziehen. Die Kantonspolizei verhinderte diese unbewilligte Kundgebung. Weil die Demonstranten Steine und Flaschen warfen, setzte die Polizei Tränengas und Gummischrot ein, um die Gruppe wieder zurück in die Reithalle zu drängen.

"Nennenswerte" Sachschäden seien keine bekannt, teilte die Polizei gestern mit. Rund um die Reitschule zeugten Farbflecken und herumliegende Steine von den Auseinandersetzungen.

Für den neuen Berner Polizeidirektor Reto Nause war der Einsatz vom Samstag die erste grosse Bewährungsprobe. Er lobte den Einsatz der Polizei als verhältnismässig und verurteilte die Gewalt der Demonstranten. Nause sagte, die Reitschule müsse nun stärker in die Pflicht genommen werden, weil sich wieder Demonstranten dorthin zurückziehen konnten. mm

Seite 24

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Nachdemo von WEF-Gegnern in Bern verhindert

Reitschule bleibt unter Druck

Mirjam Messerli

Reto Nauses erster heikler Einsatz als Berner Polizeidirektor ging glimpflich aus. Die Polizei drängte gewalttätige Demonstranten zurück in die Reitschule. Diese müsse stärker in die Pflicht genommen werden, findet Nause.

Diese Bilder hat man in Bern schon oft gesehen: Schwarz vermummte Demonstranten formieren sich in der Reitschule und wollen von dort via Bollwerk Richtung Innenstadt ziehen. Sie werfen Steine, Petarden, Flaschen und Farbbeutel gegen die Polizisten, welche die Strassen blockieren (siehe Zweittext).

Personen kontrolliert

Samstagnacht kamen die etwa 100 Demonstranten nicht weit. Die Kantonspolizei drängte sie mit Tränengas und Gummischrot in die Reitschule zurück. Bis auf wenige Meter näherten sich die Beamten dabei dem Eingang des Gebäudes - was bei vergangenen Einsätzen nicht immer der Fall war. Nach Mitternacht führte die Polizei zudem rund um die Reitschule Personenkontrollen durch. Man fragt sich, ob die Kantonspolizei striktere Weisungen vom Berner Gemeinderat erhalten hat.

"Nein, neue Weisungen haben wir nicht herausgegeben", sagt Polizeidirektor Reto Nause (CVP) auf diese Frage. Aber die Haltung der Stadtregierung sei klar: "Wir dulden keine unbewilligten und gewalttätigen Demonstrationen mehr." Und nichts anderes sei dieser "Gewaltausbruch" vom Samstag gewesen, sagt er.

Einsatz "verhältnismässig"

Die Demonstranten seien frustriert aus Genf zurückgekommen, einzeln in die Reitschule gegangen, hätten sich dort vermummt und zu einer Nachdemo formiert. "Dabei ging es ihnen nicht darum, ein politisches Anliegen zu vertreten. Sie wollten bloss zerstören", sagt der politisch Verantwortliche. Nause, der mit der Polizei im telefonischen Kontakt stand, lobt deren Einsatz: "Die Polizei hat einen Saubannerzug durch die Stadt verhindert, und sie tat dies mit verhältnismässigen Mitteln."

Unter der Leitung von Regierungsstatthalterin Regula Mader wird die Stadt in den kommenden Monaten die Gespräche mit der Reitschule weiterführen (wir berichteten).

Er wolle nicht vorgreifen, betont Reto Nause, aber aus seiner Sicht müsse die Reitschule endlich stärker in die Pflicht genommen werden. Abmachungen seien da, damit man sie einhalte. "Nach meinen Informationen hat am Samstag niemand aus der Reitschule gemeldet, dass sich dort gewaltbereite Demonstranten versammeln." Damit hätten sich die Reitschüler einmal mehr nicht an die Vereinbarungen mit der Stadt gehalten.

Reitschüler wehren sich

Dem widersprechen die Verantwortlichen der Reitschule jedoch. "Um 21.20 Uhr hat jemand von uns bei der Polizei angerufen", sagte gestern ein Sprecher der Reitschule. Man habe mit dem Einsatzleiter sprechen wollen, dieser sei aber nicht erreichbar gewesen.

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Polizei verhinderte Umzug durch die Stadt

Anti-Wef-Demonstranten, die von Genf zurückkamen, wollten am Samstag durch Bern ziehen. Die Polizei verhinderte das.

Über 100 vermummte Demonstranten stürmen am Samstagabend gegen 21.30 Uhr von der Reitschule her über die Schützenmatte Richtung Bollwerk. Doch auf der Höhe der Speichergasse laufen sie auf einen Kordon von Polizisten auf.

 Die zum grossen Teil Vermummten drehen links ab und wollen über den Kleeplatz Richtung Hodlerstrasse in die Innenstadt gelangen. Doch auch hier haben ungefähr 50 Polizisten eine Sperre aufgebaut. Die Demonstranten feuern Petarden ab und werfen Farbbeutel, Steine sowie Flaschen gegen die Polizei. Die Gäste, die in der Brasserie Bollwerk am Fenster sitzen, gehen aus Angst nach hinten.

Einer der Grenadiere wird von einem Stein an der Hand verletzt. Nun setzen die Polizisten Tränengas und Gummischrot ein, rücken über die Schützenmatte vor und drängen die Demonstranten zur Reitschule zurück, wo sich diese zurückziehen. In die Reitschule hinein gehen die Polizisten nicht. Das grosse Polizeiaufgebot wird bis am Sonntagmorgen um ein Uhr aufrechterhalten. Über nennenswerte Sachschäden sei nichts bekannt, teilte die Polizei gestern mit.

Jürg Spori

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Bund 2.2.09

Polizei verhindert Demonstration in Bern

WEF In Bern verhinderte die Polizei am Samstagabend einen Umzug von WEF-Gegnern. Eine Gruppe von mehrheitlich vermummten Personen hatte sich bei der Reithalle versammelt und marschierte Richtung Bollwerk. Ein weiteres Vorrücken in Richtung Bahnhof und Innenstadt wurde von der Polizei unterbunden.

Die Polizisten wurden von den Demonstranten mit Flaschen, Steinen, Farbbeuteln und Petarden beworfen. Dies wurde von der Polizei mit Gummischrot und Reizstoff beantwortet. Später zogen sich die Demonstranten wieder zurück. Nennenswerte Schäden wurden nicht bekannt.

Auseinandersetzungen in Genf

Die WEF-Gegner waren offenbar aus Genf nach Bern zurückgekehrt. Die Genfer Polizei hatte 500 bis 700 Demonstranten eine Platzkundgebung vor der Hauptpost erlaubt,obwohl die Genfer Regierung die Demonstration verboten hatte. Als die Kundgebung zu Ende ging, kam es zu Auseinandersetzungen. Rund 200 schwarz vermummte Demonstranten pfiffen, protestierten und riefen zum Widerstand auf.

Die Polizei setzte Tränengas, Knüppel und Wasserwerfer ein, um den Demonstrationszug aufzulösen. Die Demonstranten warfen ihrerseits Flaschen in Richtung Polizei. In der Folge lieferten sich die Vermummten und die Polizei in der Innenstadt ein Katz-und-Maus-Spiel.

 Neben rund 80 Festnahmen wurden etwa 130 Personen auf ihre Identität hin kontrolliert. Vier der 80 Festgenommenen waren auch am Sonntag noch in Polizeigewahrsam. Ihnen werden Landfriedensbruch, Gewalttätigkeiten sowie Gewalt und Drohung gegenüber den Behörden vorgeworfen.

Friedliche Kundgebung in Davos

 Relativ friedlich verlief am Samstagnachmittag eine Anti-WEF-Demonstration der Grünen in Davos. Rund 120 Personen forderten, dem Sozialen wieder mehr Platz einzuräumen. Die vor allem jugendlichen Demonstranten zogen auf der Talstrasse nach Davos Platz. Dabei schwenkten sie Fahnen, Transparente und Schrifttafeln und skandierten Parolen.

 Auf der Höhe des WEF-Tagungsortes wurde ein 15-minütiger Halt eingelegt. Hier ergriff der grüne Zuger Nationalrat Jo Lang das Wort und kritisierte die Wirtschaftskapitäne aufs Härteste. "Der Berg ist entzaubert", sagte er in Anspielung auf Thomas Manns berühmten, in Davos spielenden Roman.

 Beim Kongresszentrum flogen auch einige Schneebälle und rund ein Dutzend Schuhe in Richtung des WEF-Tagungsortes. Demonstranten zündeten Knallkörper, rüttelten am Absperrgitter und rissen die Abdeckfolie herunter. (sda)

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ANTI-WEF-DEMOS
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Tagesanzeiger 2.2.09

Anti-WEF-Demos mit Scharmützeln

Genf/Bern/Davos. - Mehrere Hundert Personen sind am Samstag gegen das Davoser Weltwirtschaftsforum auf die Strasse gegangen. Entgegen dem Demonstrationsverbot erlaubte die Genfer Polizei 500 bis 700 Demonstranten eine Platzkundgebung vor der Hauptpost. Als diese zu Ende ging, lieferten sich rund 200 Vermummte und die Polizei in der Innenstadt ein Katz-und-Maus-Spiel. Verletzte waren laut Jean-Philippe Brandt, dem Sprecher der Genfer Polizei, nicht zu beklagen, auch Sachbeschädigungen blieben aus. 4 von 80 Festgenommenen werden Landfriedensbruch, Gewalttätigkeiten sowie Gewalt und Drohung vorgeworfen.

In Bern verhinderte die Polizei am Samstagabend einen Umzug von WEF-Gegnern in die Innenstadt. Eine Gruppe mehrheitlich Vermummter hatte sich bei der Reithalle versammelt und bewarf die Polizei mit Flaschen, Farbbeuteln und Petarden, diese setzte Gummischrot ein.

Friedlich verlief am Samstagnachmittag eine Anti-WEF-Demo der Grünen in Davos. Rund 120 Personen forderten, dem Sozialen wieder mehr Platz einzuräumen. Beim Zwischenhalt beim Kongresszentrum flogen auch einige Schneebälle, rund ein Dutzend Schuhe und einige Knallkörper in Richtung des WEF-Tagungsortes. (SDA)

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NZZ 2.2.09

Erleichterung und Demokratiedebatte in Genf

Grosser Polizeieinsatz bei unbewilligter Anti-WEF-Demonstration

 Viel Polizei, viele Gaffer und etwa 700 Demonstranten: Die Kundgebung gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos ist am Samstag in Genf ohne grösseren Schaden abgelaufen. Es herrscht Erleichterung; da und dort werden aber Demonstrationsverbot und Polizeieinsatz kritisiert.

 C. Bi. Genf, 1. Februar

 Genf hat dieses Wochenende keine Neuauflage jener Krawalle erlebt, die im Sommer 2003 bei Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel in Evian zur Verwüstung der Innenstadt geführt hatten. Ein grosses Polizeiaufgebot, darunter auffallend viel Berner Polizei, kesselte am Samstagnachmittag die unbewilligte Anti-WEF-Demonstration weitgehend ein. Zwar erlaubte die Polizei - trotz Demonstrationsverbot - eine stationäre Kundgebung vor der Hauptpost unweit des Bahnhofs Genf Cornavin, liess aber nicht zu, dass sich die Demonstranten, wie ursprünglich geplant, über die Rhone in die Innenstadt und zur Place Plainpalais verschieben konnten.

 Jean Ziegler zum "Tanz der Vampire"

 Bei der Kundgebung gingen die Redner mit dem Weltwirtschaftsforum und den Wirtschaftsführern hart ins Gericht. Die Generalsekretärin der für eine "andere Globalisierung" kämpfenden Organisation Attac, Florence Proton, erklärte, wegen der Finanzkrise hätten mehr als 50 Millionen Menschen bereits die Arbeit verloren. Zu rhetorischer Hochform lief wieder einmal der frühere SP-Nationalrat und Soziologieprofessor Jean Ziegler auf. In Anspielung auf einen berühmten Film von Roman Polanski nannte er das WEF einen "Tanz der Vampire". Drei Viertel der WEF-Teilnehmer gehörten ins Gefängnis, forderte der prominente Vertreter des Uno-Menschenrechtsrats, und die UBS gehöre verstaatlicht. Gegenüber der Korrespondentin der "NZZ am Sonntag" bemerkte er am Rande, jetzt gehe offenbar auch die NZZ unters Volk - was zeigt, dass der streitbare Genfer aus Thun auch im Pensionsalter seinen Humor und seine Chuzpe nicht verloren hat.

 Keine Verletzten, kein Sachschaden

 Als die Kundgebung zu Ende ging, kam es allerdings doch noch zu einigen Ausschreitungen. Obwohl die Organisatoren wiederholt zu friedlichem Verhalten aufgerufen hatten - womit sie ein Pfeifkonzert hervorriefen -, warfen schwarz vermummte Demonstranten, etwa 200 an der Zahl, Flaschen auf die Polizisten. Diese setzten Tränengas, Knüppel und Wasserwerfer ein. Es gab aber weder Verletzte noch Sachschaden. Dennoch wurden etwa 130 Personen auf ihre Identität geprüft und 80 vorübergehend festgenommen. Davon befanden sich am Sonntag noch 4 in Polizeigewahrsam.

 Unverhältnismässige Härte?

 In Genf herrscht nach dem glimpflichen Verlauf der Anti-WEF-Demonstration Erleichterung; allerdings ist da und dort auch Kritik an dem von der Kantonsregierung beschlossenen Demonstrationsverbot und dem Polizeieinsatz zu hören. Solche Kritik wird unter anderem vom früheren linken Nationalrat Pierre Vanek geäussert, ist aber nicht auf die Linke beschränkt. In der "Tribune de Genève" schrieb Vizechefredaktor Denis Etienne am Freitag, Fussballspiele würden auch nicht verboten, nur weil es Hooligans gebe; und Demonstrationen seien für die Demokratie wichtiger als Fussballmatchs.

 Dennoch dürfte das Vorgehen des Polizeidirektors, SP-Staatsrat Laurent Moutinot, von der Mehrheit der Genfer gutgeheissen werden. In den letzten Jahren hat die Stimmung auch in Genf umgeschlagen: Der Schutz der öffentlichen Ordnung wird jetzt wieder grossgeschrieben. Nicht zuletzt Moutinot wurde in den letzten Wochen und Monaten wiederholt dafür kritisiert, dass er beispielsweise gegenüber bettelnden Roma zu wenig Härte zeige. Diesen Vorwurf wollte er sich diesmal nicht machen lassen.

 Die unschönen Bilder aus dem Sommer 2003 sind vielen Genfern noch in "bester" Erinnerung. Wäre es am Wochenende zu ähnlichen Ausschreitungen gekommen, wären die Behörden in argen Erklärungsnotstand geraten. Zudem finden diesen Herbst kantonale Wahlen statt. Gerade im Vorfeld dieser Wahlen wollte niemand das Risiko von Krawallen auf sich nehmen, selbst wenn mit dem Demonstrationsverbot ein demokratisches Grundrecht geritzt wurde.

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Tribune de Genève 2.2.09

Une manif chaude, mais sans dégâts. Grâce à qui?

Antoine Grosjean

Tant la police que les organisateurs s'attribuent le fait qu'il n'y ait eu ni blessés ni dégâts samedi après-midi. 130 personnes ont été contrôlées et quatre jeunes hommes arrêtés pour violences contre les autorités. Tout avait commencé calmement. Mais des cagoulés déterminés ont fini par déborder les organisateurs.

Au fond, tout le monde semble d'accord: la manifestation anti-WEF de samedi est un succès. Aussi bien le Conseil d'Etat que la police, les organisateurs, et même les autonomes, saluent le fait que, malgré les échauffourées, il n'y ait eu ni casse ni blessés. Les vues divergent cependant sur la façon d'interpréter les événements. Le conseiller d'Etat Laurent Moutinot, en charge de la police, souligne que le "rassemblement de casseurs" qu'il redoutait n'a pas eu lieu justement "parce que la police a fait un travail admirable. Il y a eu un gros effort en amont, qui a permis que seul un minimum de gens malintentionnés ne viennent. " Le magistrat avait laissé à la police une marge de manœuvre pour tolérer un rassemblement avec prises de parole, "mais nous ne pouvions pas autoriser un cortège avec des objectifs trop tentants. De toute évidence cela se serait moins bien passé si nous les avions laissés défiler".

Sur ce point, la coordination anti-WEF, organisatrice du rassemblement, a un avis diamétralement opposé. Pour elle, c'est le dispositif policier, agressif et disproportionné, qui a provoqué les débordements. Les organisateurs se félicitent néanmoins que les manifestants n'aient pas "répondu à la provocation" et aient gardé "une attitude digne et calme". Partageant cette analyse, Les communistes demandent carrément la démission de Laurent Moutinot et du commandant de la gendarmerie, Christian Cudré-Mauroux.

Autonomes satisfaits

Ce dernier estime que l'action de la police est une réussite: "Nous avons fait en sorte que les manifestants obtiennent un temps de parole. Lorsque le cortège a démarré, nous avons pu garder sur place, rue du Mont-Blanc, encerclés par nos hommes, les individus qui nous paraissaient les plus dangereux, explique-t-il. Nous avions annoncé que nous serions très visibles, et que nous agirions si on s'en prenait à nous. Ce qui a été le cas, ni plus ni moins, dans un souci de proportionnalité. "

Même les autonomes sont satisfaits: "Pour nous cette journée est un succès, confie Eric, membre d'Action autonome. L'Etat a dévoilé durant tout un samedi après-midi au cœur de Genève son vrai visage d'Etat policier. Mais nous avons tenu nos promesses: pas de violences gratuites contre les petits commerces. "

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Du meeting pacifique aux échauffourées

Antoine Grosjean et Xavier Lafargue

La journée avait démarré sur une incertitude: combien de personnes viendront à la manifestation interdite contre le Forum économique de Davos (WEF) et que va-t-il se passer? En début d'après-midi, dans le secteur Cornavin-Mont-Blanc, on remarque surtout la forte présence des journalistes et des policiers. Depuis la fin de la matinée, ces derniers procèdent à des contrôles préventifs.

Puis, la rue du Mont-Blanc se noircit petit à petit de monde. Vers 13 h 45, Eric Decarro, du Forum social lémanique, et Florence Proton, cosecrétaire générale d'Attac Suisse, négocient avec les gendarmes au nom de la coordination anti-WEF, organisatrice de la manifestation. "Nous ne voulons pas aller à la confrontation", assure Eric Decarro. "Alors nous sommes d'accord, note l'officier de police. Après les prises de parole, vous annoncez la fin du rassemblement et vous invitez les gens à se disperser dans le calme. Nous ne tolérerons aucun défilé. "

Demande de se disperser

A 14 h, la foule se masse devant la poste du Mont-Blanc. Il y a là 500 personnes selon la police, 2000 selon les organisateurs. Une population disparate où se mêlent altermondialistes, gauchistes grisonnants, maoïstes turcs, et punks suisses allemands, entre autres.

Les orateurs se succèdent. Pierre Vanek, de Solidarités, se fait copieusement huer, son parti ayant dans un premier temps émis des réserves sur la manifestation. Le rapporteur de l'ONU Jean Ziegler, lui, récolte des vivats quand il lance: "Davos, c'est le Bal des vampires!" Les discours terminés, Eric Decarro demande aux manifestants de se disperser. Il se fait siffler. Personne ne bouge. A 15 h 30, après un long moment de flou, la décision est prise de tenter de défiler malgré tout. "Sinon, il va y avoir des débordements", explique Eric Decarro.

"On aura essayé…"

Avec Florence Proton et quelques parlementaires, il se place en tête du cortège qui, le haut et le bas de la rue du Mont-Blanc étant barrés par des camions de police, tourne dans la rue de Berne. Mais quand il se retrouve nez à nez avec un cordon de policiers intraitables, des bouteilles et autres objets commencent à voler en direction de ces derniers. Les membres du service d'ordre tentent vainement de raisonner une poignée d'encagoulés déterminés, qui semblent être là surtout pour en découdre avec la police. Florence Proton et Eric Decarro finissent par jeter l'éponge, en lâchant, dépités: "On aura essayé…" Après un bref mais vigoureux corps à corps, les gendarmes répliquent à coup de grenades lacrymogènes.

S'ensuit, pendant deux heures, un jeu du chat et de la souris dans tout le quartier, avec des affrontements sporadiques ponctuant de longs face à face entre les cordons de policiers et quelques dizaines de récalcitrants. Aucun dégât ni blessé à déplorer. Seule une passante sera incommodée par les gaz. En tout, la police a contrôlé 130 personnes, et en a arrêté quatre. A 19 h, le calme était revenu.

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Phrases-chocs et discours hué

"Quand on limite les droits populaires, le fascisme est tout proche. Davos, c'est le Bal des vampires. Les trois quarts des personnes qui y sont devraient être en prison. " Jean Ziegler, rapporteur spécial de l'ONU pour le droit à l'alimentation.

"Je… Hoooouuuuu!… droit de… Hooouuuu!… je vous remercie pour cette ovation… Hoooouuuu!…" Pierre Vanek, permanent de Solidarité, hué par la foule.

"Ils privatisent la planète!" Florence Proton, cosecrétaire générale d'Attac Suisse.

"Le maintien de l'ordre public n'est pas notre travail, c'est celui de l'Etat. (…) Ce monde d'après crise sera socialiste, ou ce sera la barbarie. " Jean-Luc Ardite, président du Parti du travail genevois. AnG

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Le Temps 2.2.09

Reportage dans la manifestation anti-Wef

Aucun blessé ni dégâts importants, la manifestation qui s'est déroulée samedi dans les rues de Genève n'avaient rien à voir avec celles qui ont eu lieu durant le G8 en 2003.

Christian Lecomte

Nicole est venue avec une copine sensiblement du même âge, la soixantaine environ. Toutes deux se sont collées - un pur hasard, ont-elles dit - à un groupe de post-ados zurichois se revendiquant à la fois de Marx, Engels, Bakounine et Rosa Luxemburg.

"On ne serait pas venues si la manifestation avait été autorisée, mais interdire cela, quelle atteinte à notre chère liberté" s'indigne Nicole. Elle poursuit: "Je suis contre la haute finance qui a ruiné la planète et accumule les bonus. A cause d'elle, j'ai perdu une partie de mon second pilier, avant je pouvais vivre jusqu'à 85 ans, maintenant, jusqu'à 75  ans."

Il est 14h20 rue du Mont-Blanc. Le bon millier d'anti-Wef piétine, chahute, scande "police partout, justice nulle part". Les deux dames trouvent cela "joyeux". A leur côté, la trentaine de jeunes Zurichois opèrent tout à coup une mue rapide. On sort les cagoules noires, les lunettes noires, les écharpes noires et les canettes de bièr

esqui une fois bues voleront jusqu'aux forces de police. Les fameux Black Block? Nicole, à peine surprise, lâche: "Je dénonce la violence mais je les comprends, lorsqu'on est jeune l'insoumission c'est quelque chose de sain." Les deux dames, tout de même, s'éclipsent.

Sur les marches de la Grande Poste, une prise de parole a commencé. Florence Proton, de l'association Attac, a une pensée pour les 100 millions d'affamés sur terre et les 51 millions de licenciés "par la faute des leaders de Davos qui ont privatisé la planète". Fabienne, 41 ans, accompagnée de son fils, applaudit: "Elle a raison, nous on doit vivre à deux avec 1200 francs par mois."

Jean Ziegler se saisit du mégaphone, compare Davos à un bal des vampires et exige la nationalisation d'UBS. Il est acclamé. Pour Pierre Vanek, de SolidariteS, ce sera des huées. La foule ne lui pardonne pas son ralliement tardif. Ses militants seront d'ailleurs les premiers à quitter le regroupement. Eric Decarro, du Forum social, un peu perdu, confie: "J'ai eu Cudré-Mauroux (le commandant de la police genevoise, ndlr) au téléphone, il demande le dispersement, il ne veut pas que l'on marche, on fait quoi?" Moment de flottement. C'est la foule qui décide: "Révolution!" "Alors en avant pour la révolution" rigole un jeune de la "gauche anticapitaliste".

Ce sont les Zurichois qui, au prix d'une pirouette savante prennent la tête du cortège. Direction: l'affrontement. Les organisateurs sont totalement débordés. Première escarmouche à l'angle des rues de Berne et Michel de Rozet. Canettes contre gaz lacrymogène. Premiers coups de matraques aussi. Il n'y en aura en fait peu. La manifestation est complètement disloquée. C'était le but recherché de la police qui quadrille tout le quartier de la gare. Un groupe est cerné rue du Mont-Blanc. Ceux-là seront "relâchés" vers 18h, après contrôle des papiers et fouille au corps. Un autre fuit vers Saint-Gervais. Le dernier, plus coriace, fait de la résistance rue Chantepoulet. Les policiers sont énervés. Une passante et son fils de huit ans sont plaqués au sol. Pleurs, cris. Le policier s'excuse presque. Un caméraman de France 3: "Chez nous, les robocops sont moins doux qu'ici."

Un long face-à-face s'engage place des 22 cantons. Pierres contre lacrymogènes. Beaucoup de monde dont de simples spectateurs. Alertés par SMS, des jeunes des quartiers de Genève ont afflué. "C'est pire que Gaza", lance l'un d'entre eux qui filme avec son portable. "Ce soir, on va mater ça avec le quartier, ils vont pas croire!" Place de la gare, une poubelle a pris feu, des bicyclettes volent. Une trottinette est projetée contre le pare-brise d'un véhicule de la police. Le lanceur qui n'avait pas vu qu'un colosse casqué le pistait finit à l'intérieur du fourgon. Il fait partie des 80 personnes amenées dans les locaux de la police. Ils seront tous relâchés sauf quatre individus arrêtés "pour émeute ou violence".

Pour le reste, aucun blessé, aucun gros dégât. A 18h, le quartier de la gare avait retrouvé une activité quasi-normale. Les voyageurs à la sortie des quais se demandaient tout de même "qu'est-ce qui pouvait bien piquer ainsi dans l'air", en humant les dernières effluves des gaz lacrymogènes.

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Les leçons contrastées d'une manif avortée

A Genève, on tire un bilan positif du rassemblement

Sandra Moro

Hier à Genève, le soulagement dominait après le rassemblement anti-WEF de samedi. Malgré les heurts entre la police et les manifestants dans le quartier de la gare, l'absence de blessés et de dégâts avait calmé les esprits. Premier concerné après que sa décision d'interdire la manifestation a alimenté la polémique dix jours durant, le Conseil d'Etat n'a pas jugé bon de s'exprimer sur le bilan qu'il tire de l'événement. Partisans et détracteurs de l'interdiction campent quant à eux sur leurs positions. La mesure a permis de limiter les problèmes selon les premiers. Elle a au contraire favorisé les débordements selon les seconds.

"Les dérapages qui ont eu lieu étaient marginaux, estime Florence Proton, secrétaire générale d'Attac Suisse. Alors que cela aurait pu virer à la catastrophe, rien n'a été cassé. Cela montre que nous pouvons intégrer des groupes radicaux sans que cela dégénère. Il y avait une réelle volonté de manifester tranquillement, et je pense que les affrontements ne se seraient pas produits si on nous avait laissé défiler". La militante dénonce par ailleurs "la réaction disproportionnée de la police."

Favorable dans un premier temps à l'interdiction, René Longet, le président du PS, a changé d'avis il y a quelques jours: "Le Conseil d'Etat aurait dû revenir sur sa décision. Justifié lorsque la manifestation n'était le fait que d'organismes extérieurs à Genève, le veto aurait dû être levé lorsque des mouvements locaux l'ont rejointe". Selon lui, "l'interdiction a compliqué la tâche de la police qui évoluait dans un contexte flou entre ce qui avait été proscrit et ce qui était toléré. Et elle a a durci les fronts." Un avis partagé par les syndicats, qui ont quitté le rassemblement après que la police a demandé sa dissolution: "Un cadre autorisé aurait certainement permis de mieux maîtriser la situation", estime Alessandro Pelizzari, secrétaire d'Unia.

"C'est au contraire l'interdiction qui a permis de limiter les dégâts, juge Fabienne Gautier, députée libérale et présidente de la Fédération du commerce genevois. Les dérapages qui ont eu lieu montrent que certains n'étaient pas venus pour s'exprimer, mais pour casser."

Même son de cloche du côté du PDC: "Nous pouvons être reconnaissants à la police pour son travail", note Fabiano Forte, son président. Pour lui, l'interdiction constituait la meilleure solution: "Face à la désorganisation patente des organisateurs, les autorités n'avaient aucune garantie." Son homologue radical Hugues Hiltpold défend lui aussi le veto gouvernemental: "On craignait un nouveau G8, et rien de tel ne s'est produit. On sait que lorsqu'une manifestation est interdite, certains casseurs renoncent à s'y rendre parce qu'ils sont plus facilement identifiables que dans une foule pacifique."

Faut-il comprendre qu'à l'avenir, ce type de mesures pourraient se généraliser à Genève, où elles font figure d'exception? "J'espère que non", relève Anne Mahrer, la présidente des Verts. Hugues Hiltpold n'y croit pas: "Avant de prendre cette décision, le Conseil d'Etat a beaucoup hésité."

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Le Nouvelliste 2.2.09

"Zéro blessé, zéro dégât"

Manif anti-WEF · Le rassemblement de Genève complètement maîtrisé par la police.

La manifestation anti-WEF non autorisée à Genève a dégénéré, mais la catastrophe redoutée n'a pas eu lieu. La police a toléré un rassemblement de 500 à 700 personnes, puis l'a dispersé, déclenchant des affrontements. Aucun dégât ni blessé ne sont à déplorer.

Vers 18 heures, la police avait dissous tous les attroupements mais restait sur le qui-vive. Les agents ont interpellé en tout 80 personnes, mais la plupart ont été rapidement relâchées. Selon le chef de la police genevoise Monica Bonfanti, l'objectif a été atteint: il y a eu "zéro blessé des deux côtés" et "zéro dégât". Quelques tentatives pour commettre des déprédations ont eu lieu, mais sans succès. Les forces de l'ordre ont simplement signalé quelques personnes incommodées par la fumée dans le centre commercial souterrain de la gare, a précisé Mme Bonfanti.

Les autorités genevoises voulaient à tout prix éviter les débordements connus lors de la manifestation anti-G8 en 2003. Le Conseil d'Etat avait donc interdit le cortège de la coordination anti-WEF et déployé des agents en masse, renforcés par des troupes d'autres cantons romands et de Berne. Le non opposé par les autorités à une ultime demande de défiler a mis le feu aux poudres vers 14 heures. Les manifestants les plus radicaux, plus d'une centaine, ont commencé à jeter des bouteilles sur les policiers et tenté de forcer le barrage. Les agents ont riposté à coups de grenades lacrymogènes, entraînant un reflux des protestataires vers le quartier de Saint-Gervais.

A Davos aussi

A Davos, quelque 120 personnes, dont une majorité de jeunes, ont aussi manifesté samedi après-midi contre le Forum économique mondial, mais dans le calme. Autorisé, leur défilé était aussi sous la surveillance de la police mais celle-ci est restée discrète. Elle n'est intervenue que lorsque des manifestants ont lancé quelques boules de neige et une douzaine de chaussures contre le Centre des congrès et cherché à entrer dans le périmètre du WEF. ATS

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Le WEF de tous les records

Le Forum économique mondial (WEF) à Davos, qui a fermé ses portes dimanche, a constitué une édition record. Quelque 2500 personnes ont participé aux discussions cinq jours durant, ainsi que plus de 40 chefs d'Etat et de gouvernement.

Les déplacements des quelque 2600 participants au total, vers la station grisonne et retour, ont occasionné des émissions de CO2 de 8100 tonnes, a fait savoir dimanche l'organisation. Quelque 58% ont été compensés par le WEF.

Au début de la manifestation mercredi, quelque 3000 podomètres ont été distribués. Au final, 39 participants à la 39e édition affichaient plus de 20 000 pas. Celui qui a accompli la plus grande distance est Michael Johnston (70 ans), vice-président de Capital Group, avec près de 101 000 pas, soit plus de 60 km.

450 journalistes

Du côté des médias, on a dénombré 450 journalistes en provenance du monde entier. Le premier ministre russe Vladimir Poutine était accompagné par 60 représentants de la presse de son pays, de même pour le premier ministre japonais Taro Aso, et 30 pour le premier ministre chinois Wen Jiabao.

Au total, quelque 500 collaborateurs se sont occupés des participants à l'intérieur et à l'extérieur. L'interprétation a mobilisé 21 traducteurs qui ont travaillé dans huit langues (arabe, chinois, anglais, français, allemand, japonais, russe et espagnol).

Sur l'internet, le WEF a suscité aussi passablement d'intérêt. Les 56 débats ont généré plus de 300 000 connections sur Youtube. Quelque 250 vidéos ont été enregistrées dans lesquelles 130 participants ont laissé un commentaire.

Hors WEF, 4500 militaires de l'armée suisse ont assuré des tâches de sécurité pour les organisateurs et le canton des Grisons. Environ 90% d'entre eux était des miliciens. ATS

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Sécurité

On respire

Les autorités genevoises ne sont pas seules à pousser un ouf de soulagement au terme du Forum économique mondial de Davos (WEF). Tant les autorités et la police de la station grisonne que l'armée dressent un bilan positif sur le plan de la sécurité. Il n'y a eu aucune arrestation, s'est félicité le commandant de la police cantonale grisonne. Seul un léger incident s'est produit dans la nuit de jeudi à vendredi. Un engin a explosé devant l'entrée d'un immeuble sis sur la Promenade de Davos. Il n'y a pratiquement pas eu de dégâts. Une enquête a été ouverte.

Hélico intercepté L'armée aussi tire un bilan positif de son engagement de soutien au WEF. Aucun incident grave n'est survenu et les quelque 4500 militaires se sont acquittés à la satisfaction des autorités de leur tâche de surveillance. Cette édition du WEF a confronté l'armée suisse à une première. Pour la première fois en effet les Forces aériennes ont été amenées à contraindre un hélicoptère à atterrir. Découvert samedi matin alors qu'il volait au-dessus de Zernez (GR), l'engin a été intercepté dans la région de Thusis et contraint à atterrir à Samedan. Le pilote a ignoré dans un premier temps les signaux du PC-7 de l'armée. Deux F/A-18 ont alors été dirigés vers l'intrus. Vu la faible altitude de vol, le bang supersonique a été perçu loin à la ronde dans la région du Gothard-Sedrun. A aucun moment le WEF n'a été mis en danger. Le ministre de la Défense Ueli Maurer était tenu au courant, précisent les Forces aériennes. L'Office fédéral de l'aviation civile a ouvert une enquête. Une procédure similaire a été ouverte pour les quatre autres pénétrations dans l'espace aérien non autorisé depuis le début de l'engagement de l'armée. Deux des cas sont survenus durant la phase d'entraînement, avant même l'ouverture du WEF.

La facture La facture des mesures destinées à assurer la sécurité s'élève à 7 millions de francs. La Confédération prend à sa charge trois huitièmes de la somme. Le canton et la fondation du WEF paient chacun deux huitièmes, le dernier étant supporté par la commune de Davos. ATS

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24heures 2.2.09

A Genève, débordements limités en marge de la manifestation interdite

ANTI-DAVOS - Tout le monde semble d'accord: la démonstration de samedi est un succès. Mais les interprétations des événements divergent.

Tant le Conseil d'Etat que la police, les organisateurs et même les autonomes saluent le fait que, malgré les échauffourées, il n'y a eu ni casse ni blessés. Pour le conseiller d'Etat Laurent Moutinot, en charge de la Police, le "rassemblement de casseurs" qu'il redoutait n'a pas eu lieu grâce au "travail admirable de la police". Il ajoute: "Cela se serait moins bien passé si nous les avions laissés défiler. "

Avis diamétralement opposé du côté de la coordination anti-WEF, organisatrice du rassemblement. Pour elle, c'est le dispositif policier qui a provoqué les débordements. Les organisateurs se félicitent néanmoins que les manifestants n'aient pas "répondu à la provocation". Partageant cette analyse, les communistes vont plus loin et demandent la démission de Laurent Moutinot et du commandant de la gendarmerie.

Même les autonomes sont satisfaits: "Pour nous, cette journée est un succès, confie Eric, membre d'Action Autonome. L'Etat a dévoilé durant tout un samedi après-midi au cœur de Genève son vrai visage d'Etat policier. Mais nous avons tenu nos promesses: pas de violences gratuites contre les petits commerces. "

Bilan policier: sur les 500 participants, 80 personnes ont été contrôlées dans des locaux de police. Il a été procédé à 4 arrestations. Si aucun dégât n'est à déplorer, un blessé léger a toutefois été conduit à l'hôpital.

Antoine Grosjean et Xavier Lafargue

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STADTRAT
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Stadtratssitzung 12.2.09

Traktandum 16
08.000199 (08/326)
Reg. 20/-00

Interpellation Luzius Theiler (GPB): "Verfreiwilligung" der Polizei im Bahnhofgebiet?

Gemäss Medienmitteilung vom 29. Mai 2008 hat der Gemeinderat der Beteiligung der Träger-schaft des Projekts "Bahnhof-Patenschaft" Bahnhof Bern der SBB zugestimmt.
"Bahnhofpatinnen und Bahnhofpaten arbeiten freiwillig. Sie verbessern mit ihrer Präsenz das subjektive Sicherheitsgefühl der Passantinnen und Passanten und sensibilisieren gegebenen-falls Personen für anständiges und verantwortungsbewusstes Verhalten. Das Einsatzgebiet umfasst neben dem eigentlichen Bahnhofgebäude den Busbahnhof PostAuto, die Passerelle, die Unterführungen und Aufgänge sowie den Bahnhofplatz (Baldachin). Nach gutem Erfolg in mittelgrossen Bahnhöfen wird das Projekt erstmals in einem Grossbahnhof getestet."

1. Die Medienmitteilung lässt den Schluss zu, dass die Patinnen nicht nur Hilfsleistungen (wie vornehmlich in Liestal) sondern auch Sicherheitsaufgaben (wie in Thun) übernehmen sollen. Zudem soll das Tätigkeitsgebiet über den Bahnhof hinaus ausgedehnt werden. Damit sollen unbezahlte "Freiwillige" heutige Aufgaben der Securitrans und der Stadtpoli-zei übernehmen. Ist der Gemeinderat wirklich der Meinung, dass öffentliche Aufgaben an unbezahlte "Freiwillige" die sich oft aus einer Notlage in der ungewissen Hoffnung auf Verbesserung ihrer Perspektiven melden, übertragen werden sollen?
2. Wie ist die in der Medienmitteilung erwähnte Trägerschaft zusammengesetzt?
3. Wem sind die "BahnhofpatInnen" unterstellt? Wer trägt die Verantwortung für deren Ein-satz?
4. Welche weiteren Punkte enthält der Vertrag mit der Trägerschaft bzw. mit der SBB? Wie ist der Auftrag umschrieben, wie wird das Projekt finanziert? Was erhalten die Sponsoren des Projektes als Gegenleistung?
5. Wer bildet die "PatInnen" aus, wie lange dauert die Ausbildungszeit? Was genau beinhal-tet diese Ausbildung und insbesondere wie sollen die "PatInnen" auf die "Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls" und auf Interventionen bei "unanständigem Verhalten" ausgebildet werden?
6. Ist der Gemeinderat bereit, den Einsatz der "PatInnen" auf reine Hilfeleistungen (ähnlich der Bahnhofhilfe) zu beschränken und für diese Arbeit ortsübliche Löhne zu bezahlen?

Begründung der Dringlichkeit:
Die "Patinnen" sollen ihre Tätigkeit in Kürze aufnehmen. Bei der Übertragung von öffentlichen Aufgaben an unbezahlte "Freiwillige" handelt es sich um einen Grundsatzentscheid von gros-ser Tragweite.

Bern, 29. Mai 2008

Interpellation Luzius Theiler (GPB), Rolf Zbinden, Lea Bill, Anne Wegmüller, Christof Berger, Ruedi Keller, Emine Sariaslan, Margrith Beyeler-Graf, Andreas Flückiger, Miriam Schwarz, Corinne Mathieu, Guglielmo Grossi

Die Dringlichkeit wird vom Stadtrat abgelehnt.

Antwort des Gemeinderats
Das Projekt der "Bahnhof-Patenschaften" wird von den SBB in Zusammenarbeit mit den Standortgemeinden in verschiedenen Bahnhöfen (u.a. Thun, Liestal, Yverdon, Frauenfeld) seit längerer Zeit mit gutem Erfolg durchgeführt. Mit dem Bahnhof Bern soll das Projekt erst-mals in einem sechsmonatigen Pilotversuch in einem Grossbahnhof getestet werden. Der Pilotversuch soll im Herbst 2008 beginnen.

Zu den einzelnen Fragen:
Zu Frage 1:
Bahnhofpatinnen und -paten sollen mit ihrer Präsenz das Wohlbefinden und das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen im Bahnhof erhöhen sowie die Identifikation der Bevölkerung mit dem Bahnhof verbessern. Sie sollen den Passantinnen und Passanten Hilfestellungen anbieten und falls nötig und möglich Personen auf Fehlverhalten aufmerksam machen. Sie übernehmen keine Aufgaben der Securitrans und der Polizei. Die Kompetenzen sind klar ab-gegrenzt.

Zu Frage 2:
Die SBB und die Stadt Bern führen das Projekt gemeinsam durch, wobei die SBB die Haupt-verantwortung tragen. Eng beteiligt sind zudem BERNMOBIL, die bls, der RBS, Postauto und die Securitrans. Eine Trägerschaft im rechtlichen Sinn besteht nicht.

Zu Frage 3:
Die Bahnhofpatinnen und -paten sind den SBB unterstellt. Fachleute der SBB, der Stadt Bern (Jugendamt, PINTO) und der Securitrans gewährleisten eine enge fachliche Begleitung.

Zu Frage 4:
Es besteht kein Vertrag. Das Projekt wird durch die SBB sowie die beteiligten öffentlichen Verkehrsmittel (BERNMOBIL, Postauto, bls und RBS) finanziert. Sponsoren hat es keine.

Zu Frage 5:
Die Ausbildung ist in 4 Module unterteilt und dauert 6 Tage:
• Modul "chili" des Schweiz. Roten Kreuzes: Kommunikationsformen und Konfliktvermittlung (3 Tage);
• Modul "Bahn" mit SBB, bls und RBS: betriebliche Kenntnisse, Kundendienst (1 Tag);
• Modul "Bus und Tram" mit BERNMOBIL: Betriebliche Kenntnisse, Kundendienst (1/2 Tag);
• Modul "Objektschutz" mit Securitrans: Zusammenarbeit, operative Betreuung, Ortskennt-nisse, Bahnhofordnung (1 Tag);
• Modul Zielgruppen mit PINTO: Umgang mit schwierigen Personengruppen (1/2 Tag).

Zudem besteht die Möglichkeit nach ca. drei Monaten ein Modul "chili Refresher" zu besuchen und den Nothelferkurs des Samariterverbands zu absolvieren.

Zu Frage 6:
Das Grundkonzept des Projekts "Bahnhofpatinnen und -paten", das von den SBB erarbeitet wurde, beruht auf der freiwilligen Tätigkeit. Der Gemeinderat kann und will hier die grundsätz-lichen Rahmenbedingungen nicht ändern. Der sechsmonatige Versuch wird zeigen, ob sich das Modell auch für einen Grossbahnhof wie Bern eignet. Der Gemeinderat wird nach dem Vorliegen der Auswertung über das weitere Vorgehen entscheiden.

Bern, 17. September 2008
Der Gemeinderat

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PAPSTUM
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Spiegel 2.2.09

"So bitter, so traurig"

 Viele Katholiken verstehen ihren Papst nicht mehr

Die Entscheidung von Benedikt XVI., Traditionalisten und Antisemiten wieder in den Schoß der Kirche zu holen, vergiftet das Verhältnis zwischen dem Vatikan und den Juden. Auch unter Katholiken wächst inzwischen der Zweifel an der Amtsführung des Pontifex aus Bayern.

Die Via Urbana ist eine Gasse der Huren und Handwerker von Rom, nicht weit vom Hauptbahnhof entfernt und doch, wie alles in Rom, dem Himmel so nah: "Regina angelorum ora pro nobis ...", dringt es aus dem Erdgeschoss des Hauses Nr. 85, eines mit Kristalllüstern und Damasttapete ausgestatteten Ladenlokal.

Hier treffen sie sich, jeden Donnerstag um 18.30 Uhr, besonders fromme Katholiken, die sich als Hüter der ewigen Wahrheit verstehen, die sich geschmeichelt fühlen, wenn man sie beschimpft, sie seien päpstlicher als der Papst. Sie sind es ja auch, die Frommen der FSSPX.

Was wie eine neue Software klingt oder wie der Name eines Gangsta-Rappers, ist das Kürzel für die "Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X.", die Bruderschaft des allerheiligsten Pius X., in der sich die traditionalistischen Anhänger des Erzbischofs Marcel Lefebvre gesammelt haben.

Das sind sie also, die Piusbrüder. Neun Anhänger der alten, lateinisch gefeierten Messe sitzen oder knien hier, in ihrer Kapelle der heiligen Katharina von Siena. Zwei Matronen mit Hütchen sind darunter, drei sehr apostolisch wirkende Jünglinge, ein Mädchen mit Schleier. Der Priester steht mit dem Rücken zur Gemeinde.

Kein größerer Gegensatz ist denkbar als der zwischen dieser archaischen Veranstaltung auf 50 Quadratmetern und dem mächtigen Petersdom auf der anderen Seite des Tiber. Und doch hat einer dieser Gralshüter eines untergegangenen Katholizismus den Vatikan vergangene Woche in eine Krise gezogen, die geeignet ist, das Verhältnis von Katholiken und Juden, aber auch von Christen untereinander ernsthaft zu belasten, und deren Auswirkungen sich noch nicht abschätzen lassen.

Die einsame Entscheidung von Papst Benedikt XVI., vier im Jahr 1988 exkommunizierte Bischöfe dieser Piusbruderschaft wieder in die Kirche aufzunehmen, hat innerhalb und außerhalb des Vatikans für Erstaunen, Ernüchterung, Empörung gesorgt. Und dann auch tiefe Verzweiflung über das künftige Verhältnis der Religionen zueinander ausgelöst. Dass es dabei eigentlich nur um eine innerkirchliche Frontbegradigung ging - die Ultras, die in Gnaden wieder aufgenommen wurden, waren unrechtmäßig geweiht worden -, war egal. Was den Skandal auslöste, und darüber hatte der SPIEGEL schon vor 14 Tagen berichtet, war die Tatsache, dass einer der wieder heimgekehrten Söhne, der Bischof Richard Williamson, ein notorischer Holocaust-Leugner ist.

Der Brite hatte erst vor zwei Wochen bei einem Deutschland-Besuch dem schwedischen Fernsehen erklärt: "Kein einziger Jude ist in einer Gaskammer umgekommen." Dann redete der 68-jährige Cambridge-Absolvent noch viel über technisch ungeeignete Schornsteinhöhen und undichte Türen in Auschwitz. Als er nach seinem Antisemitismus gefragt wurde, antwortete Williamson: "Wenn Antisemitismus schlecht ist, ist er gegen die Wahrheit. Wenn etwas wahr ist, ist es nicht schlecht. Mich interessiert das Wort Antisemitismus nicht."

Und ausgerechnet dieser Unbelehrbare soll nun nach dem Willen des Papstes wieder der Kirche angehören?

Mit einer einzigen, womöglich unbedachten Geste hat Benedikt XVI. bei Juden in aller Welt alte Ängste wieder geweckt, dass die katholische Kirche eben doch ihren alten Antisemitismus nie wirklich abgelegt hat. Er hat das Versöhnungswerk seines Vorgängers Johannes Paul II., der sich erstmals für die Verbrechen seiner Kirche entschuldigt hatte, wieder in Frage gestellt. Und er hat bei seinen eigenen Anhängern die Befürchtung aufkommen lassen, dass der deutsche Papst wirklich ein Papst der Restauration sein könnte, der seine Kirche, die vorsichtig in die moderne Welt aufgebrochen war, wieder zurückführt in den Elfenbeinturm des theologischen Dogmas.

Und dazu die Frage, die bereits die ganze Welt umtreibt: Wie kann es sein, dass ausgerechnet ein deutscher Papst einen Holocaust-Leugner begnadigt? Hat der Papst die Wirkung seiner Geste unterschätzt? Wusste er nicht, was er tat? Hatte Benedikt XVI. einen Plan, oder folgte seine Entscheidung der manchmal obskuren theologischen Logik vatikanischer Klerikal-Bürokraten? Versteht der Papst, der zeit seines Lebens ein Mann der Bücher war, noch die Welt außerhalb seiner Palastmauern?

Juden in aller Welt reagierten empört. Das israelische Oberrabbinat setzte umgehend den interreligiösen Dialog mit dem Vatikan aus. Jizchak Cohen, israelischer Minister für Religionsangelegenheiten, empfahl, "die Verbindungen mit einer Körperschaft, in der Holocaust-Leugner und Antisemiten Mitglied sind, vollständig abzubrechen" - und meint damit die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Rabbi Israel Meir Lau, Überlebender des KZ Buchenwald und ehemaliger Oberrabbiner Israels, fragt fassungslos: "Wie kann ein solcher Lügner den Schutz und die Rehabilitierung des Führers der katholischen Kirche bekommen?"

Es ist eine Frage, die sich auch viele Katholiken stellen, vor allem in Deutschland, der Heimat des Papstes. "Hier herrscht helles Entsetzen", sagt der Jesuitenpater Klaus Mertes. Er ist Rektor der Gedenkkirche für die Opfer des Nationalsozialismus, "Maria Regina Martyrum", in Berlin- Charlottenburg. Allein deswegen könne er zu dem Vorgang nicht schweigen: "Entsetzen über Bischof Williamson sowieso. Aber auch über die Entscheidung aus Rom. Es mag sein, dass die Gründe noch nicht kommuniziert wurden. Aber welche Gründe könnten das sein, um Himmels willen?"

Bischof Gerhard Müller aus Regensburg, selbst ein Freund der Tradition, kritisierte, der Papst habe "einer randständigen Gruppierung beide Hände gereicht", und erteilte Bischof Williamson, der "idiotisch und infam herumfabulierte", Hausverbot für alle Kirchen und Einrichtungen seines Bistums.

In Münster, wo der Theologieprofessor Joseph Ratzinger einst lehrte, unterschrieb fast die gesamte katholische Fakultät eine scharf formulierte Protestnote und kritisierte die Wende im Vatikan. Der katholische Stadtdechant Ferdinand Schuhmacher entschuldigte sich öffentlich beim Vorsitzenden der örtlichen christlich-jüdischen Gemeinschaft, Sharon Fehr, für das Verhalten Benedikts XVI.: "Ich kann den Akt des Papstes beim besten Willen nicht verstehen."

Die ersten Katholiken haben sich schon auf den Weg zu den Standesämtern gemacht, um aus der Kirche auszutreten, denn bei vielen ist die Stimmung so, wie es der Münchner Katholik Helmut Reinhard, 62, auf den Punkt bringt: "Jetzt reicht's!"

Seine Familie hat in Auschwitz-Birkenau 15 Mitglieder verloren, "alles Zigeuner", sagt er, "und alles Katholiken". Sein Cousin lebt in Köln. Markus Reinhard, 50, ist am Holocaust-Gedenktag letzte Woche Dienstag mit seiner Frau und vier Schwestern aus der katholischen Kirche ausgetreten.

Zahlreiche andere religiös Engagierte machen ihren Ärger seit Anfang letzter Woche im Internet Luft. In Religionsforen wie "mykath" schwellen die Diskussionsbeiträge explosionsartig an. "Wer nimmt seit letzten Samstag eine Exkommunikation denn noch ernst?", fragt da ein Autor. Ein anderer resümiert empört: "Williamson begeht in Deutschland eine Straftat (Holocaust-Leugnung), seine Schäfchen gucken weg, und er wird vom Papst dafür mit der Erhebung zum Bischof der katholischen Kirche belohnt. Was passiert, wenn Williamson in einer Synagoge eine Bombe zündet? Ernennt ihn der Papst dann zum Kardinal?"

Selbst Heiner Geißler, der ehemalige Generalsekretär der CDU, bedauert, "dass der Papst sich abschottet gegenüber Frauen, Andersgläubigen, Geschiedenen, Homosexuellen" (siehe Kasten Seite 43).

Knapp vier Jahre nach dem Amtsantritt des ersten deutschen Papstes der Neuzeit ist das Verhältnis der beiden großen Weltreligionen zerrüttet. Die Aussöhnung der Katholiken mit den Juden ist womöglich auf Jahre hinaus beschädigt.

Natürlich versuchte Benedikt zu retten, was zu retten war. Bei seiner Mittwochsansprache in der Audienzhalle sprach er das Thema vergangene Woche deutlich an: "In diesen Tagen, in denen wir der Schoa gedenken, kommen mir Bilder meiner wiederholten Besuche in Auschwitz wieder in Erinnerung (...) Während ich erneut aus ganzem Herzen meine volle und unbestreitbare Solidarität mit unseren Brüdern, den Trägern des ersten Bundes, zum Ausdruck bringe, wünsche ich, dass die Schoa die Menschheit dazu anstiftet, nachzudenken über die unvorhersehbare Macht des Bösen, wenn es das Herz des Menschen ergreift."

Klare Worte. Aber der Papst las sie mit kaum wahrnehmbarer Anteilnahme vor. Ein persönliches Wort, jenseits des Manuskripts, hätte dem Konflikt die Schärfe genommen. Vom Ausmaß der weltweiten Empörung scheint der Papst in der vergangenen Woche ohnehin wenig mitbekommen zu haben. "Er machte einen heiteren Eindruck und wirkte in keinerlei Weise besorgt. Wir haben uns übers Essen unterhalten", sagt ein Vertrauter, der Benedikt am Donnerstag im päpstlichen Palast traf. Der Papst, fürchten selbst viele Katholiken, scheint der Welt abhandengekommen zu sein.

Als jener Mann, der einmal Joseph Ratzinger war, die deutschen Pilger erstmals als Papst Benedikt XVI. begrüßte, am 25. April 2005, entfuhr ihm das Geständnis: "Ich habe mit tiefer Überzeugung zum Herrn gesagt: Tu mir dies nicht an!"

Das Stoßgebet ist nicht erhört worden, und am Anfang war die Begeisterung über den neuen Papst, zumindest in Deutschland, riesengroß. "Wir sind Papst", jubelte die "Bild"-Zeitung über die Karriere des bayerischen Theologieprofessors, der zuletzt jahrelang als Chef der Glaubenskongregation über wenig mehr als die Reinheit der Lehre gewacht hatte. Inzwischen wächst die Skepsis an der Amtsführung dieses Papstes. Manch eines seiner Schäfchen fürchtet bereits, dass der so gelehrte Oberhirte als Fehlbesetzung in die Annalen der Kirche eingehen könnte, als Pontifex der Pannen und der Fettnäpfchen.

Dass die Begeisterung der Öffentlichkeit so schnell verflogen ist, scheint den Papst selbst allerdings am wenigsten zu beunruhigen. Joseph Ratzinger war der Massenjubel schon immer suspekt. Den Wallfahrten der Jugend zu seinem Vorgänger Johannes Paul II. hat er zutiefst misstraut.

So stört es ihn vielleicht nicht, dass die Pilgerzahlen auf dem Petersplatz kontinuierlich zurückgegangen sind. Vergangenes Jahr kamen noch 2,2 Millionen Menschen zu den Mittwochsaudienzen, das sind eine Million weniger als zwei Jahre zuvor.

Der erwartete neuerliche Aufbruch seiner Kirche ist ausgeblieben. Auch deshalb ist die Enttäuschung über die jüngste Entscheidung des Papstes so groß.

Bei Radio Vatikan gingen letzte Woche ununterbrochen wütende E-Mails ein. Einige wurden im päpstlichen Sender verlesen. So etwa: "Schande über den Vatikan, der angeblich von den Aussagen von Bischof Williamson nichts gewusst hat. Papst Johannes Paul II. hätte die im Vatikan Verantwortlichen hinausgeworfen."

Oder: "Ich bin unsagbar wütend auf Herrn Ratzinger. Hier wird der Boden für neue Pogrome gelegt." Ein Hörer der international empfangbaren Radiowelle forderte gar, der Vatikan müsse den Holocaust-Leugner und Bischof "durch eine Zwangswallfahrt nach Auschwitz bekehren". Und ein anderer wollte statt Ratzinger wieder seinen Vorgänger zurückhaben: "Mit der Rehabilitierung des offen antisemitischen Lefebvre-Bruders verhöhnt Benedikt das Erbe seines Vorgängers, der sich unermüdlich für die Versöhnung zwischen Christentum und Judentum eingesetzt hat."

Auch im direkten Umfeld des Papstes sind viele bestürzt über die neue Antisemitismus-Debatte. Selbst der treue "Osservatore Romano" erteilte vergangene Woche dem päpstlichen Management eine Rüge. Das Blatt bedauerte, die Aufhebung der Exkommunikation der vier Piusbruder-Bischöfe sei im Vatikan schlicht "nach einem falschem Drehbuch" abgelaufen.

Wie konnte so etwas passieren?

Das Dekret zur Aufhebung der Exkommunikation hatte Benedikt beschlossen, ohne sich mit den betroffenen Kurienstellen abzusprechen. Im Vatikan heißt es, der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen sei vor dem Schritt nicht gefragt worden. "Es war die Entscheidung des Papstes", erklärte der deutsche Kardinal Walter Kasper, Vorsitzender dieses Gremiums. Kasper, einst ein Weggefährte des Papstes und nun ein eher trauriger Freund, reichte inzwischen seine reguläre Demission ein.

Das Dekret, das die Traditionalisten wieder mit ihrer Kirche aussöhnen sollte, sollte, so erzählt es einer aus der zuständigen Bischofskongregation, erlassen werden am 50. Jahrestag der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch den reformfreudigen Papst Johannes XXIII. Das wäre der 25. Januar gewesen, ein guter Termin für eine Richtungsentscheidung eines nach dem Kirchenkalender und für die Kirchengeschichte handelnden Papstes.

Dass der 27. Januar der Auschwitz-Gedenktag sein würde und dass einer der Begnadigten ein notorischer Holocaust-Leugner war, war dem Papst offenbar nicht bewusst. Und niemand aus seinem näheren Umfeld schien es für nötig zu halten, ihn daran zu erinnern.

Am 21. Januar, einem Mittwoch, unterzeichnete Kardinal Giovanni Battista Re, als Präfekt der Bischofskongregation, das Schreiben, und schon kurz darauf war ihm offenbar bewusst, was er da angestellt hatte.

Da waren die Zeitungen bereits voll von Williamsons Weltanschauungen. Es wäre klug gewesen, ein paar Wochen mit der Publikation zu warten. Die Wirtschaftszeitung "Italia Oggi" berichtet unter Berufung auf Ohrenzeugen von einem Wutanfall des besagten Kardinals Re. "Welch ein Pfuscher!", habe der gebrüllt, am heiligen Sonntagmorgen im Bus auf dem Weg zur Messe in der Basilika St. Paul vor den Mauern. Und er meinte nicht den Heiligen Vater, sondern seinen Kardinalkollegen, den Kolumbianer Darío Castrillón Hoyos, der ihn zur Unterzeichnung gedrängt hatte.

Und nach der Panne gab es nirgendwo ein effizientes Krisenmanagement, schon gar nicht im Pressebüro des Vatikans. Während sich die Auslassungen von Bischof Williamson über alle Medien verbreiteten, beschäftigten sich die Pressemitteilungen des Heiligen Stuhls anfänglich mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Mariazell und der Kommunion des Patriarchen von Antiochien.

Erst Mitte der Woche wurde den Kurialen klar, dass hier gerade eine Katastrophe passiert war. Schnell stellten Helfer einige Videos bei YouTube ein, mit der Rede des Papstes in Auschwitz, seinen Besuchen in Synagogen und freundlichen Treffen mit jüdischen Würdenträgern. Bis Freitag wurde die Seite ganze 1900-mal angeklickt.

Wusste der Vatikan nun von Williamson? "Hier ist das Problem", sagte Pater Eberhard von Gemmingen letzte Woche in einem Kommentar auf Radio Vatikan: "Was ist schon gemeint mit dem Begriff: der Vatikan? Der Vatikan ist groß, er hat viele Büros. Sicher haben einige Büros, die sich mit Politik befassen, seine antisemitischen Äußerungen gekannt. Vielleicht aber wussten diese nicht rechtzeitig, dass seine Exkommunikation zurückgenommen wird."

Auch die zweite Abteilung des Staatssekretariats, die für die Beziehungen zwischen den Staaten zuständig ist, hätte sich mit dem Dekret befassen müssen. "In ihr müsste es Personen geben, die Bischof Williamson kannten. Und über allen Behörden schwebt als Chef Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, und darüber ist der Papst."

Alles also Schuld der Schlamperei in der römischen Kurienbürokratie? Schön wäre es.

Aber die Panne mit den Piusbrüdern hätte nicht zum Skandal werden können, wenn sie nicht auch zwei Grundprobleme dieses Pontifikats beleuchten würde, die beide eng miteinander verknüpft sind.

Da ist die zunehmende Isolation von Benedikt XVI. Und da ist seine Ängstlichkeit im Umgang mit der Moderne, eine tief konservative Grundeinstellung, die immer wieder zu einer "Ökumene nach rechts" führt, wie der Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz dieser Tage dem Papst vorgeworfen hat.

Der Papst habe sich, so ein Kurialer, mit einer Mannschaft von Jasagern umgeben. Ihm fehle jegliches kritische Korrektiv. Sie verschone den 81-Jährigen sogar vor Ärgernissen in den Medien. "Er bekommt in der Regel nur Auszüge der internationalen Presse vorgelegt. Oft heißt es vorher: Nein, nein, den Artikel kann man ihm doch nicht zeigen."

Anders als sein Vorgänger Angelo Sodano gilt die Nummer eins des päpstlichen Staatssekretariats als wenig politischer Kopf. Benedikt hat den Kardinal ernannt,

weil er sich "seelsorglich umsichtig" gezeigt hat und mit ihm aus der gemeinsamen Arbeit in der Glaubenskongregation vertraut war.

Rund um den Papst hat sich im Vatikan über die Jahre eine konservative Lobby etabliert, mit erheblichem Einfluss und Möglichkeiten zur Manipulation. Dazu zählen die Mitglieder von Gruppen wie dem Opus Dei, den Legionären Christi, den Petrus- und eben den Piusbrüdern.

Wenn es etwa um die Annäherung an andere Religionen geht, verzögern und zerreden sie nicht nur anstehende Entscheidungen, sie organisieren auch nach außen hin sichtbare Zeichen ihrer Gesinnung.

Als ein Beispiel dafür gilt die Taufe eines Muslims durch den Papst im Petersdom in der Osternacht 2008. Dahinter steckte die konservative, in Italien sehr einflussreiche Laienbewegung "Comunione e Liberazione".

Die demonstrative Konversion eines Muslims zum Katholiken brachte dem Papst sofort neue Verärgerung bei Muslimen in aller Welt ein. Arabische Tageszeitungen schrieben, das Wasser, das Papst Benedikt auf den Kopf des Konvertiten gegossen habe, sei "wie Benzin auf das Feuer des Zusammenpralls der Zivilisationen". Osama Bin Laden verbreitete im Internet fast zeitgleich eine Botschaft gegen den Papst im Vatikan und beschuldigte ihn, eine herausragende Rolle in einem neuen Kreuzzug gegen den Islam zu spielen.

Kleine Akte, in den Hinterzimmern des Vatikans von rechtgläubigen Lobbyisten ausgeheckt, können große politische Wirkung haben. Benedikt hatte die Brisanz dieser Taufe offenbar nicht erkannt. Es war schon das zweite Mal, dass er für schwere Irritationen in der islamischen Welt gesorgt hat.

Zum ersten Mal hatte seine Regensburger Rede von 2006 für Ärger unter den Muslimen zwischen Jakarta und Casablanca gesorgt. Damals, im September 2006, hatte Papst Benedikt XVI. ohne jegliche Rückversicherung mit den kurialen Gremien eine Vorlesung zum Verhältnis von Glaube und Vernunft gehalten und unwillentlich einen globalen Religionsstreit ausgelöst. "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden", zitierte er einen byzantinischen Kaiser, und wenig später loderte überall helle Empörung. Islamische Fundamentalisten forderten in Indonesien den Tod des Papstes, in Somalia wurde eine Nonne erschossen, die in einer Kinderklinik gearbeitet hatte. Ein Papst hatte einer anderen Weltreligion offen einen Hang zur Gewalttätigkeit unterstellt, und ein Papst hatte einen islamkritischen Satz zitiert, ohne sich deutlich genug davon zu distanzieren.

Die Rede hatte der Doktor der Theologie Ratzinger damals allein verfasst, und offenbar hat der Heilige Vater Schwierigkeiten, die öffentliche Wirkung seines Handelns zu überschauen. Benedikt hat kaum ein Gespür für Stimmungen, er ist kein Politiker, sein Handeln folgt anderen Maximen, es speist sich aus theologischen Lehrsätzen, dogmatischen Erkenntnissen und kirchenrechtlichen Zwängen.

Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse, ein Katholik, sieht hinter den Pannen die Einsamkeit eines Kirchenfürsten, der wie ein Außerirdischer im Raumschiff Vatikan lebt: "Die Fehlgriffe und Ungeschicklichkeiten des Papstes zeigen, dass er einsam entscheidet. Theologisch lebt er in einer eigenen Welt, in der Welt der alten Kirchenväter, die ihn geprägt haben. Er nimmt historisch-politische Bezüge deshalb kaum wahr. Er beharrt auf dem Wahrheitsanspruch, das ist nicht verkehrt. Aber er muss ihn verbinden mit dem Respekt vor anderen Wahrheiten."

Ein Schwachpunkt in seiner Biografie ist, dass Ratzinger praktisch nie über eine streng klerikale Umgebung hinausgekommen ist, sein Kontakt mit der Welt und ihren Menschen war stets reduziert. Die Kirche von innen, die alten Traditionen, das ist seine Welt, und nur, was in Büchern steht, ist darin noch wichtig. Nun will er im hohen Alter, dass diese Welt nicht zerbricht.

"Sein jetziges Leben", sagt ein deutscher Theologe, "erinnert an Ludwig XVI.: Er hört ein bisschen was von der Welt, er unterschreibt etwas, er erledigt seine Pflichten, studiert die Akten und hat sich und sein Leben am Hofe komfortabel eingerichtet. Aber er ist nicht der Herr des Apparats, der ihn umgibt."

Der Papst aus Bayern ist von einer manchmal amüsant-kauzigen, manchmal erschreckenden Weltfremdheit. Er will vor allem Kirchenlehrer sein, unablässig die Glaubenswahrheiten darlegen. Mit der Positionierung seiner Kirche in dieser Welt hat er wenig im Sinn.

Der Theologenpapst blüht auf, wenn er bei den Mittwochsaudienzen die Apostel Stück für Stück abarbeiten kann, auch so unbekannte Kirchenväter wie den heiligen Andreas von Kreta.

Womöglich rührt daher auch die klammheimliche Sympathie, mit der Benedikt all den Ultrapuristen gegenübersteht, den Piusbrüdern und anderen Don Quijotes eines angeblich reinen Katholizismus. Er ist ihnen ähnlich in seinem tiefen Pessimismus über den Gang der Welt. In seiner fast insektenkundlerischen Leidenschaft für Doktrinalabweichungen im Mikrobereich. In seiner Auffassung, dass die Welt im Kern aus Lehrsätzen gemacht ist.

In seinen autobiografischen "Erinnerungen" hat auch Joseph Ratzinger schon Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil geübt. Der harte Bruch mit Traditionen wie der tridentinischen Messe, dem Gottesdienst im alten Stil, schreibt er, war ein Fehler. "Ich bin überzeugt, dass die Kirchenkrise, die wir heute erleben, weitgehend auf dem Zerfall der Liturgie beruht."

Das wird jeder Piusbruder unterschreiben. Ebenso wie die programmatische Ansprache, die Ratzinger im April 2005 gehalten hat, unmittelbar vor dem Konklave: "Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben wird oft als Fundamentalismus abgestempelt. Wohingegen der Relativismus, das sich vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung Hin-und-hertreiben-Lassen, als die heutzutage einzige zeitgemäße Haltung erscheint. Es entstehe eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt."

Vielleicht ist der Stuhl Petri tatsächlich der einzige Arbeitsplatz, wo sich derartige Auffassungen noch mit dem Jobprofil vereinbaren lassen. Allerdings kommt es dann in schöner Regelmäßigkeit zu Kollisionen mit der real existierenden Welt jenseits der Leonischen Mauer um den Vatikan. Denn die mediale Globalgesellschaft hört alles, sieht alles, weiß alles und vergisst gar nichts. Das hat die Rede von Regensburg gezeigt, das zeigt die aktuelle Affäre Williamson. Und beten hilft da auch nicht.

Der Vatikan muss gewusst haben, welche Gedanken die Lefebvre-Jünger hegten. Bischof Williamsons Anhänger in Schweden haben einen Vortrag bei YouTube eingestellt, wo Williamson mit Verve den Syllabus als Lackmustest des wahren Katholizismus preist. Für Nichtkatholiken: Der "Syllabus Errorum" ist eine Liste der angeblichen Grundirrtümer der Moderne. Dazu zählen Demokratie, Rechtsstaat, Religionsfreiheit, Trennung von Staat und Kirche, Menschenrechte, Liberalismus und Rationalismus. (Die Homo-Ehe wird noch nicht explizit genannt.)

Papst Benedikt lässt sich mit diesen rückwärtsgewandten Frommen ein, weil er sich als "Diener an der Einheit" sehe, erklärte er am Mittwoch. Sein Schritt sei als "Akt der väterlichen Barmherzigkeit" zu verstehen: "Weil diese Prälaten mir wiederholt ihr tiefes Leiden an der Situation bekundeten, in der sie sich befanden." Er wollte ein Kirchenschisma überwinden.

Die Piusbrüder haben weltweit knapp 500 Priester, in Deutschland haben sie an über 50 Orten Kapellen und Kirchen und rund 10 000 Anhänger, weltweit gibt es keine genaue Zahl. Man schätzt sie auf eine Größenordnung von 100 000 bis 200 000 Anhänger. Sie sind jedenfalls in 30 Ländern weltweit verteilt. Im Höchstfall folgen ihnen 0,02 Prozent aller Katholiken.

Doch für sie riskiert Benedikt das Ansehen seiner Kirche. Ein Fundamentaltheologe wie Joseph Ratzinger kann offenbar viel vertragen, aber Nebenwahrheiten nicht. "Der Papst hat das Wohl der Kirche über den Respekt vor der Wahrheit und dem Andenken der Toten gestellt", sagt der katholische Theologieprofessor Vito Mancuso aus Mailand.

Tatsächlich ist ein gewisses Ungleichgewicht festzustellen. Der Papst tritt regelmäßig in die Fettnäpfchen auf der liberaleren Seite, nie in die auf der rechten. Dafür gibt es viele Beispiele: Bei der Eröffnung der lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Aparecida, in Brasilien, stieß der Papst aus Bayern im Mai 2007 sämtliche Indios vor den Kopf. Sie erfuhren erstmals, dass die Christianisierung ihrer Ahnen keine Oktroyierung einer fremden Kultur gewesen, sondern von den Ureinwohnern unbewusst herbeigesehnt worden sei.

"Zu sagen, dass die kulturelle Dezimierung unserer Volkes eine Reinigung darstellt, ist beleidigend und - offen gesagt - beängstigend", meinte damals der Indio-Vertreter Sandro Tuxá.

Selbst den Protestanten in seinem Heimatland Deutschland kann Benedikt vor den Kopf stoßen, wenn es ihm um die rechte Lehre seiner Kirche geht. Im Juli 2007 autorisierte Benedikt ein Dokument der Glaubenskongregation, wonach die Protestanten "nicht Kirchen im eigentlichen Sinn" bildeten. Das war in katholischer Sicht nichts Neues. Für Rom gibt es nur eine Kirche, die eigene, auf die Apostel zurückgehende "Una Sancta Catholica Ecclesia". Alles andere sind Sekten, christliche Gemeinschaften, Laienveranstaltungen.

Insofern hatte der Papst recht. Aber war er klug beraten, das nochmals zu betonen? Im Verhältnis der Konfessionen hat er jedenfalls Schaden angerichtet. "Manche haben gehofft, ein Papst, der aus Deutschland stammt und die evangelische Kirche gut kennt, würde die Beziehungen verbessern. Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt", sagt die Bischöfin Margot Käßmann aus Hannover. Offizielle Beziehungen zwischen Protestanten und Katholikenspitze sind derzeit eher frostig.

Im vergangenen November verfasste Benedikt XVI. dann das Vorwort für ein Buch des ehemaligen italienischen Senatspräsidenten und Philosophen Marcello Pera. Darin lobt der Papst besonders die Absage an ein "kosmopolitisches" Europa, ohne Verortung im christlichen Menschenbild. "Sie erklären mit großer Klarheit, dass ein interreligiöser Dialog im engen Wortsinn nicht möglich ist, wohingegen der interkulturelle Dialog umso dringender wird, bei dem die kulturellen Konsequenzen der religiösen Grundentscheidung untersucht werden." Über Religion könne es keinen "wahren Dialog" geben, "ohne den eigenen Glauben auszuklammern".

Was für einige Papstkritiker lediglich Blauäugigkeit ist und Unbeholfenheit im Umgang mit der Welt, ist für andere weit mehr. Irgendwann wird die Serie von Missgeschicken zu einem Muster von Verstocktheit.

Besonders empfindlich reagieren auf die Pannen jene, denen in ihrer Geschichte zu viele angebliche Ausnahmen und Missgeschicke widerfahren sind, so lange, bis es sie fast nicht mehr gab. Die Juden.

Das Ausstrecken der päpstlichen Segenshand zum rechtesten Rand des Christentums, der Gnadenakt für einen wie Williamson sei, "kein bedauerlicher Einzelfall", sagt Walter Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kollegs in Potsdam. Der Rabbiner sieht vielmehr "eine Kaskade von Vorfällen", die nur den Schluss zuließen, dass "für den Papst das jüdischchristliche Verhältnis ohne Wert ist".

Daraus spricht tiefe Verbitterung. Joseph Ratzinger ist alles andere als ein Antisemit. Die gemeinsamen Quellen von Judaismus und Christentum sind ein Kern seines theologischen Denkens. Schon in seiner "Einführung ins Christentum" zitiert er zustimmend den Satz des "großen jüdischen Theologen Leo Baeck", wonach alle Frommen, nicht nur die Israeliten, "an der ewigen Seligkeit" teilhaben werden.

Man kann dem Papst allerdings vorhalten, die innere Geschlossenheit seiner Kirche höher zu halten als das Verhältnis zu anderen Religionen. Das wurde jüdischen Religionswissenschaftlern wieder klar, als Benedikt am 7. Juli 2007 eine höchstpäpstliche Entscheidung ("Motu Proprio") zur Liturgie traf.

Seit 1570 wurde an jedem Karfreitag für die Bekehrung der "treulosen Juden" gebetet, um sie aus ihrer "Verblendung" zu befreien. Vierhundert Jahre lang, wenn auch ohne größeren Erfolg. Dann wurde in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils der Ritus modifiziert, und es hieß in der Fürbitte nun etwas höflicher: "Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will."

Mit dem Erlass ließ Benedikt zur Freude von Traditionalisten (und manchem deutschen Feuilleton) den tridentinischen Ritus als Sonderform wieder zu. Und zwar in allen seinen Sätzen, wie er im Jahre 1962 im römischen Messbuch, dem "Missale Romanum", festgeschrieben war. Einschließlich der Bitte für die Juden?

Nach entsprechenden kritischen Nachfragen ordnete der Papst dann Anfang Februar 2008 an, dass von nun an im Karfreitagsgebet folgender Text zu beten sei: "Oremus et pro Iudaeis ut Deus et Dominus noster illuminet corda eorum ..."

Auf Lateinisch klingt das feierlich, weil es keiner versteht. In der deutschen Übersetzung ist der Missionsauftrag dagegen ziemlich deutlich: "Lasst uns auch beten für die Juden. Dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen. Allmächtiger, ewiger Gott, der du willst, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Gewähre gnädig, dass beim Eintritt der Fülle der Völker in deine Kirche ganz Israel gerettet wird. Durch Christus, unseren Herrn. Amen."

Für den Historiker Michael Wolffsohn war das "Motu Proprio" der "größte theologische Rückschritt in Bezug auf das Judentum seit 1945". Die jüdischen Vertreter im Arbeitskreis Juden und Christen beim Zentralkomitee der Katholiken boykottierten daraufhin den Katholikentag.

Ein ernstes Problem für geschichtsbewusste Juden in Israel und in der Diaspora ist auch der von Benedikt XVI. betriebene Seligsprechungsprozess von Papst Pius XII. Der italienische Papst hatte, aus diplomatischer Vorsicht oder aus schlichter

Furcht, zum Holocaust öffentlich geschwiegen.

Im September stellte sich Papst Benedikt deutlich hinter seinen "geschätzten Vorgänger". Auf einem Kongress der jüdisch-christlichen Stiftung "Pave the Way" sprach der Papst von den "vielen Interventionen, die im Verborgenen und in aller Stille geschahen, weil es angesichts der konkreten Situation in diesem schwierigen historischen Augenblick nur auf diese Weise möglich war, das Schlimmste zu verhindern und eine größtmögliche Zahl von Juden zu retten". Die Leistungen des Pacelli-Papstes seien nicht immer "im rechten Licht untersucht worden".

Obwohl Pius XII. insgeheim zahlreichen Juden das Leben gerettet hat, wird sein Name in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Waschem noch immer als Beispiel für das Versagen der Kirche genannt.

Für den ehemaligen italienischen Staatspräsidenten Francesco Cossiga kommen die immer wieder erkennbaren Spannungen nicht überraschend: "Man darf nicht vergessen, dass im Katholizismus ein starkes antijüdisches Gefühl verwurzelt ist. Und gewiss reichen zwei Päpste - Wojtyla und Ratzinger - nicht, um das auszureißen."

Schon der Apostel Paulus schrieb von den Juden: "Diese haben sogar Jesus, den Herrn, und die Propheten getötet; auch uns haben sie verfolgt. Sie missfallen Gott und sind Feinde aller Menschen."

Für die Christen waren die Juden fast zweitausend Jahre lang die angeblichen "Gottesmörder". Wie ein roter Faden zieht sich der Antijudaismus durch die Kirchengeschichte - oft auch als Blutspur.

Nachdem Papst Urban II. Ende des 11. Jahrhunderts zur Eroberung des Heiligen Landes aufgerufen hatte, brachen Tausende Kreuzfahrer in Frankreich und Deutschland auf. Statt aber gen Jerusalem zu ziehen, suchten sie zuerst die benachbarten Juden heim. An einem Tage ermordete christlicher Pöbel mit dem Schlachtruf "Lasset uns das Blut des Gekreuzigten rächen" fast die gesamte rund 1000 Köpfe starke jüdische Gemeinde in Mainz.

Regelmäßig kam es zu Pogromen. Im Jahr 1298 zogen "Judenschläger", angeführt von einem Ritter namens Rintfleisch aus Röttingen, durch Franken und ermordeten rund 5000 Juden. Besonders gefährlich lebten Juden am Karfreitag, wenn Christen von frommer Mordlust ergriffen den "Gottesmördern" nachsetzten. Ende des 15. Jahrhunderts hatten die Christen mit Mord und Vertreibung dafür gesorgt, dass in West- und Südeuropa kaum mehr Juden lebten.

Auch Martin Luther, der Reformator, war kein Judenfreund. Er empfahl: "Erstlich, dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Zum andern, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre."

Im Laufe des 19. Jahrhunderts ersetzte und verdrängte der rassistisch begründete Antisemitismus den Antijudaismus. Der Theologe Hans Küng meint: "Der Nationalsozialismus wäre unmöglich gewesen ohne den jahrhundertealten Antisemitismus der Kirchen." Zwar kam es während der Nazi-Herrschaft rasch zu Konflikten zwischen katholischer Doktrin und dem allumfassenden Machtanspruch der Parteigenossen. Zwar steuerten einige Bischöfe einen klaren Konfrontationskurs zu den Machthabern, aber es war keineswegs die Judenvernichtung, die dem deutschen Episkopat die größte Sorge bereitete.

Erst im Jahr 1965 vollzog Papst Paul VI. in der Erklärung "Nostra aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils eine endgültige Absage an den Antijudaismus. Die Kirche beklage, hieß es in dem bahnbrechenden Dokument, "alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet haben".

Genau dieses Dokument ist von den Anhängern Lefebvres bis heute nicht anerkannt worden. Die Piusbruderschaft sieht das Konzil im Wesentlichen als "einen Spalt in der Kirche", "durch den der Rauch Satans in die Kirche eingedrungen ist".

Der Vertreter der Ultras in Deutschland heißt Pater Franz Schmidberger, Distriktoberer der Piusbruderschaft in Stuttgart. Nach einigem Zögern hat er sich von den Aussagen seines Mitbruders Williamson distanziert: "Die Verharmlosung der Judenmorde des NS-Regimes und dessen Greueltaten sind für uns inakzeptabel. Ich möchte mich für dieses Verhalten entschuldigen und mich von jedweder Aussage dieser Art distanzieren."

Doch noch kurz vor Weihnachten hatten Schmidberger und die seinen an die deutschen Bischöfe geschrieben und sie an die angeblich jüdische Ursünde erinnert: "Mit dem Kreuzestod Christi ist der Vorhang des Tempels zerrissen, der Alte Bund abgeschafft. Damit sind aber die Juden unserer Tage nicht nur nicht unsere älteren Brüder im Glauben. Sie sind vielmehr des Gottesmordes mitschuldig, solange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren."

Dieses uralte atavistische Denken, das Juden von Schuld befleckt begreift, ist seit dem Dekret Benedikts wieder Teil der Kirche. Das ist es, was am 24. Januar 2009 in Wahrheit passiert ist und was sich mit keiner Erklärung, keinem Synagogenbesuch rückgängig machen lässt.

Von einem "Fiasko, einem absoluten Desaster" spricht Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ausgerechnet ein Deutscher habe den christlich-jüdischen Dialog um Jahrzehnte zurückgeworfen. "Das macht es so bitter", sagt Graumann, "so traurig, so unverständlich."

Oded Wiener, der im israelischen Oberrabbinat für interreligiösen Dialog zuständige Generaldirektor, berichtet von den dramatischen Telefonaten zwischen Jerusalem und Rom, um zu retten, was noch zu retten ist. Aber die Enttäuschung ist groß. Venedigs Oberrabbiner Elia Enrico Ri-

chetti hat der katholischen Kirche vorerst die Zusammenarbeit aufgekündigt, da der Papst es "am einfachsten Respekt" gegenüber den Juden fehlen lasse. Er sieht "die Auslöschung von 50 Jahren Kirchengeschichte".

Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. war der Dialog mit den Juden ein zentrales Anliegen. Er hatte als junger Mann den Judenmord der Nazis in Polen erlebt und als Papst den Antisemitismus als "Sünde wider Gott und den Menschen" gebrandmarkt. Für ihn waren die Juden "unsere älteren Brüder".

Der Rabbiner Walter Homolka sprach mit Joseph Ratzinger vor seiner Wahl zum Papst über den christlich-jüdischen Dialog. "Er fand ihn richtig", erinnert sich Homolka, "aber er schien nicht mit Herzblut dabei zu sein." Walter Homolka, der für die Ausbildung von Rabbinern in Deutschland verantwortlich ist, glaubt nicht mehr an eine Entspannung der Beziehungen zwischen Juden und der katholischen Kirche, solange Benedikt XVI. an ihrer Spitze steht: "Wir warten auf den nächsten Papst."

Wie die Juden mit dem schweren Affront durch den Vatikan fertig werden, hängt aber nicht nur von der Führung in Rom ab, sondern auch von den Gläubigen in aller Welt. Der Deutsche Graumann wünscht sich, "dass die Katholiken aufstehen. Es sollten viele zeigen: Wir lassen die Juden nicht alleine."

Wie geht es nun weiter?

David Rosen aus Jerusalem ist Vorsitzender des internationalen jüdischen Komitees für interreligiöse Konsultationen. Er war dabei, als Benedikt in der Gedenkstätte Auschwitz eine bewegende Rede hielt: "An diesem Ort versagen die Worte, kann eigentlich nur erschüttertes Schweigen stehen - Schweigen, das ein inwendiges Schreien zu Gott ist: Warum hast du geschwiegen? Warum konntest du dies alles dulden? In solchem Schweigen verbeugen wir uns inwendig vor der ungezählten Schar derer, die hier gelitten haben und zu Tode gebracht worden sind." Und: "Es war und ist eine Pflicht der Wahrheit, dem Recht derer gegenüber, die gelitten haben, eine Pflicht vor Gott, als Nachfolger von Johannes Paul II. und als Kind des deutschen Volkes, hier zu stehen."

Die erneute klare, wenngleich erschrocken nachgeschobene Verurteilung des Antisemitismus durch Papst Benedikt XVI. gibt Rosen Hoffnung, dass die Versöhnung zwischen Juden und Christen nicht dauerhaft Schaden leiden wird.

Dennoch hat Rabbi Rosen das für Anfang März geplante jährliche Treffen mit Vertretern des Vatikans abgesagt. "Die Kirche muss jetzt klären", sagt der einflussreiche Rabbiner, "ob die Piusbrüder die Lehren zum Antisemitismus teilen"; zum Beispiel das Wort von Johannes Paul II., der Antisemitismus sei "eine Sünde wider Gott und den Menschen".

Auch katholische Kirchenrechtler meinen, das Schisma werde vollends nur dann beendet, wenn die Traditionalisten deutlich die Autorität des Papstes und die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils anerkennen. Falls nicht, sagt etwa der Trierer Kirchenrechtler Peter Krämer, bliebe "die Suspendierung vom Amt bestehen". Das schließt er aus der Erklärung Benedikts vom Mittwoch.

"Ich wünsche", hat der Papst da gemeint, "dass auf diese meine Geste das umgehende Bemühen von ihrer Seite folgt, die weiteren notwendigen Schritte zu setzen, um die volle Einheit mit der Kirche zu realisieren. Auf diese Art sollen sie echte Treue und echtes Anerkennen des Lehramtes und der Autorität des Papstes und des Zweiten Vatikanischen Konzils bezeugen."

Zumindest einer denkt gar nicht daran, irgendetwas anzuerkennen.

Bischof Williamson sitzt in seinem Priesterseminar "Unserer lieben Frau Miterlöserin" in La Reja, einem selbstbewussten Neobarockbau 50 Kilometer westlich von Buenos Aires. Journalisten werden abgewiesen. Es seien Ferien, und der Bischof wünsche niemanden zu empfangen. Immerhin: Zum Wochenende bezeichnete er seine Äußerungen zum Holocaust als "unvorsichtig" und bedauerte, dass sie für Benedikt "unnötige Sorgen" hervorgerufen hätten. Wirkliche Reue hört sich anders an.

Kurz bevor Williamson vom Schweizer FSSPX-Hauptquartier ein Schweigegebot auferlegt bekam, schrieb er noch einen Brief an die Getreuen, durchaus triumphierend: "Dieser Beschluss ist für die Kirche ein großer Schritt voran, ohne dass die FSSPX sich verraten hätte. Lasst uns danken und beten für Benedikt XVI. und alle seine Mitarbeiter, die geholfen haben, dieses Dekret durchzudrücken gegen einen punktgenau orchestrierten Aufschrei der Medien."

Das ist deutlich. Und in einem haben die Traditionalisten auch wirklich recht: Sie haben Grund zu feiern. Ihnen ist ein weiterer Schritt zurück in die Unam et Sanctam gelungen, und dies ohne jegliche Zugeständnisse.

Joseph Ratzinger, der gelehrte Theologieprofessor, hat sich dieses Amt offenbar nie gewünscht. Der Heilige Geist habe ihn auf den Stuhl Petri gehoben, meinte er nach dem Konklave, er sei nur ein Arbeiter im Weinberg des Herrn.

Doch aus der Arbeit im Weinberg ist inzwischen ein Kreuzweg geworden.

Trotz aller Bemühungen zum Dialog mit China, den Ostkirchen, dem Islam - immer wieder stolpert dieser Papst über das Thema Holocaust, als wäre er verdammt dazu. Die Affäre um die Wiederaufnahme der Traditionalisten ist eine weitere Station seines Kreuzwegs.

Benedikt XVI. wird wohl der letzte Papst sein, der die Hölle des Nationalsozialismus noch bewusst miterlebt hat. Es ist vielleicht kein Zufall, sondern eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der ehemalige Hitlerjunge Joseph Ratzinger aus Marktl am Inn die Last dieser Geschichte immer wieder schultern muss. Ob er will oder nicht.

STEFAN BERG, CHRISTOPH SCHULT, ALEXANDER SMOLTCZYK, MICHAEL SONTHEIMER, PETER WENSIERSKI

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 Zitate

Hans Küng Theologe aus Tübingen "Das zentrale Problem ist der Papst selbst, dem es primär um die sogenannte Wahrheit und Macht der eigenen Kirche geht. Dadurch richtet er schweren Schaden in den Beziehungen zu den anderen christlichen Religionen an. Er hat zuerst die Muslime beleidigt und jetzt auch noch die Juden gründlich verärgert. Dass das alles durch einen deutschen Papst geschieht, ist doppelt schwerwiegend. Die nachträglichen Entschuldigungen können das zerbrochene Porzellan nicht mehr kitten." Heiner Geißler Ex-Generalsekretär der CDU "Es ist bedauerlich, dass der Papst sich theologisch abschottet gegenüber Frauen, Andersgläubigen, Geschiedenen, Homosexuellen. Er ist ein Dogmatiker, aufs theologische Dogma fixiert und auf die eigene Institution. Das Jesus-Bild dieses Papstes ist total spiritualisiert. Er sieht alles unter einem vertikalen Aspekt. Die Verpflichtung dem Menschen gegenüber tritt zurück. Sein Vorgänger hat die Gemeinsamkeiten mit andersgläubigen Menschen gesucht, er nicht. Man kann fast den Eindruck bekommen, ihm sei ein rechtsradikaler, antisemitischer katholischer Bischof lieber als eine evangelische Bischöfin, die er in Köln nicht empfangen hat." Norbert Lammert Bundestagspräsident "Natürlich stehen die unglaublichen Einlassungen des englischen Bischofs Williamson zum Holocaust in keinem Zusammenhang mit der Entscheidung des Papstes. Dass er seine Entscheidung gleichwohl zu einem Zeitpunkt verkündet hat, als die Äußerungen bereits öffentlich bekannt waren, ist mir wegen der absehbaren Wirkungen völlig unverständlich. Solche Äußerungen und Vorkommnisse gefährden den vom heutigen Papst und seinem Vorgänger ausdrücklich für unverzichtbar erklärten Dialog mit den jüdischen Organisationen, deren Irritationen und Betroffenheit ich gut verstehe." Richard Schröder Theologe "Jesus von Nazaret hat einmal gesagt: Seid klug wie die Schlangen, aber ohne Falsch wie die Tauben. Papst Benedikt XVI. sollte den ersten Teil des Satzes stärker beachten, sonst glaubt man ihm nicht, dass er den zweiten Teil beherzigt."