MEDIENSPIEGEL 5.2.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Grosse Halle: Blinde Insel für alle Sinne
- Voodoo Rhythm und der Beat-Man-Way
- Ritalin als Kokain-Ersatz
- Anti-WEF-Demo Genf: In die Enge getrieben, Waffen-"Arsenal" als
Ausrede für Polizeibrutalität
- UBS-Gefangene: Verhältnismässige U-Haft-Dauer
- Gifelsoli-News 5.2.09: Berlusconi und der G8-Gipfel 2009
- Neu: Indymedia Linksunten
- Antisemitismus: Kirchenknatsch, Türkei
- CH + Fremdenfeindlichkeit
- Big Brother Google getarnt als Seitensprung-Controlling
- AKW Mühleberg: Risse tiefer und länger
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REITSCHULE
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- Feb 09: Beteiligt Euch an der
Vorplatz-Präsenz!!!
PROGRAMM:
Do 05.02.09
20.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Hêlîn, Sibel Akkulak,
Türkei 2007, 13 Min; Handful of Ash, Nabaz Ahmed, Irak 2007, 33 Min
21.00 Uhr - Kino - Close-up Kurdistan,
Yüksel Yavuz, D 2007, 104 Min
Fr 06.02.09
20.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Kevoka Spî, Viyan Mayî,
Irakisch-Kurdistan 2008, 30 Min
20.30 Uhr - Kino - Vinterland,
Hisham Zaman, Norwegen 2007, 52 Min. In Anwesenheit des Regisseurs
21.45 Uhr - Kino - The land of legend,
Rahim Zabihi, Kurdistan/Iran/D 2008, 73 Min
22.00 Uhr - Frauenraum - Popshop
special: Frauendisco POPSHOP - Katzenball mit Kami Katzes Mix
aus 60ties, R&B, Soul, Beat and Exotica sounds... women only
23.00 Uhr - Dachstock - DJ-Kicks
presents !K7 Tour featuring The Glimmers (Bel) & DJ's
Dactylola & Ereccan Stil: Postdisco-Punk-Electro-Housetech
Sa 07.02.09
19.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus - Musikliebe, Yusuf Yesilöz,
Schweiz 2008, 53 Min. In Anwesenheit des Regisseurs
20.15 Uhr - Kino - Gözmece,
Aydin Sevinc, Türkei 2006, 45 Min. In Anwesenheit des Regisseurs.
2 Türen, Ali Biçer, Schweiz , 7 Min
21.15 Uhr - Kino - Dol - Tal der
Trommeln, Hiner Saleem, Autonome Region Kurdistan/F/D, 2006, 94
Min
22.00 Uhr - SousLePont - Guts Pie
Earshot (D), Support: L-N/A (CH) Stil: Revolting Breakbeat. Punk
live cello and drums
22.00 Uhr - Dachstock - Cool & Deadly: Phenomden & The
Scrucialists, jugglin & after show by: Boss Hi-Fi (ZH) ls Moya
(More Fire Sound, BE). Stil: Finest Reggae
So 08.02.09
19.00 Uhr - Progr - Kurdischer Filmzyklus: Entwicklung des kurdischen Filmschaffens -
Chancen und Risiken: Gespräch und Filme im Gedenken an den
Halil Uysal
20.00 Uhr - Frauenraum - Sex am Sonntag (mit Barbetrieb ab 19.00 Uhr): Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel.
Rainer Werner Fassbinder, D/F 1982
Infos: www.reitschule.ch
& www.grossehalle.ch
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BLINDE INSEL
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Bund 5.2.09
Ein Erlebnis für alle Sinne
In der "Blinden Insel" werden Gäste von Blinden und Sehbehinderten
bedient - und lauschen Texten von Autoren
Julie Brunner
Zum sechsten Mal lädt das Restaurant Blinde Insel in der Grossen
Halle
der Reitschule zu einem Diner in totaler Dunkelheit ein. Neben den
Sinnen sollen in diesem Jahr auch die Gedanken sensibilisiert werden -
durch Texte bekannter Autoren zum Thema Klimawandel.
"Wär redt dänn scho vom Klima, ich redä übers
Wätter." So lautet eine
Zeile des Textes "Tusig Donnerwetter", den Pedro Lenz speziell für
die
"Blinde Insel" verfasst hat. Jedermann rede immerzu und bei jeder
Gelegenheit über das Wetter, doch niemand spreche je über das
Klima.
Diese Beobachtung sei der Ansatz für seinen Text. Pedro Lenz ist
einer
der sechs bekannten Autoren (siehe Box), die für die "Blinde
Insel"
Kurztexte zum Thema Klimawandel geschrieben und auf Band aufgenommen
haben. Während des Nachtessens soll jeweils eine der Aufnahmen
eingespielt werden.
Die Gedanken anregen
Bereits zum sechsten Mal schlägt das Restaurant Blinde Insel sein
Zelt
in der Grossen Halle der Reitschule Bern auf. In völliger
Dunkelheit
wird den Gästen von sehbehinderten und blinden Menschen ein
3-Gang-Menü
serviert. Im abgedunkelten Zelt müssen sich die Gäste
zurechtfinden -
und erleben, wie es ist, nicht sehen zu können. "Wenn das Sehen
wegfällt, sind die anderen Sinne umso mehr gefordert", sagt
Giorgio
Andreoli vom Betriebsteam Grosse Halle der Reitschule. Das Nachtessen
in der "Blinden Insel" werde so zu einem besonderen Erlebnis.
Neu sollen in diesem Jahr auch die Gedanken angeregt werden. "Die
Atmosphäre im Dunkeln bietet die Gelegenheit, sich intensiv mit
einer
Thematik auseinanderzusetzen", sagt Andreoli. Dieser Überlegung
sei die
Idee der vertonten Kurztexte entsprungen. Der Klimawandel eigne sich
als Thema besonders, weil eine Sensibilisierung in diesem Bereich
notwendig sei.
Autoren für das Projekt hat Andreoli schnell gefunden; auch Pedro
Lenz
liess sich überzeugen. Die Herausforderung bestehe darin, ein
politisches Thema literarisch zu verarbeiten, sagt er.
Ausstellung zum Weiterdenken
Vor und nach dem Essen lädt eine interaktive Ausstellung zum Thema
zur
Vorbereitung oder Vertiefung der Gedanken ein. Fotografien führen
dem
Besucher Landschaftsveränderungen vor Augen. Wie viel Energie
für die
Produktion und den Transport diverser Lebensmittel nötig ist, wird
anhand von Gewichten "fühlbar" gemacht. Zudem können Besucher
auf einem
Hometrainer vor dem Zelt einige Minuten in die Pedalen treten. Die
dadurch erzeugte Energie wird für das Abspielen der Tonaufnahmen
verwendet. Auch die Küche steht im Zeichen des Klimawandels. Die
Zutaten, welche die Köche für die Gerichte verwenden, stammen
aus der
Region.
In Bern können die Gäste die "Blinde Insel" nur temporär
geniessen.
Anders als in Zürich und in Basel ist kein fixes Restaurant
geplant.
--
"Blinde Insel"
Vom 13. Februar bis zum 28. März empfängt das Restaurant
Blinde Insel
in der Grossen Halle der Reitschule Bern seine Gäste. Für 44
Franken
wird ein Dreigang-Menü serviert. Die "Blinde Insel" ist jeweils
von
Mittwoch bis Samstag geöffnet. Ab 18.45 ist Barbetrieb, und die
Ausstellung zum Thema Klimawandel kann besucht werden. Das Nachtessen
beginnt jeweils um 19.30. Bekocht werden die Gäste von
Restaurationsbetrieben aus Stadt und Kanton Bern. Mit dabei sind die
Dampfzentrale, die Eventmakers aus Uettligen und der Bio-Hof Heimenhaus
aus Kirchlindach. Jeden Abend wird während des Essens ein Text
eines
bekannten Autors eingespielt. Zu hören sind die Stimmen von Franz
Hohler, Endo Anaconda, Grazia Pergoletti, Pedro Lenz, Greis und Johanna
Lier. Das Detailprogramm findet sich unter www.grossehalle.ch.
Reservationen sind unter 078 854 58 66 oder im Internet möglich.
(jub)
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VOODOO RHYTHM
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WoZ 5.2.09
Voodoo Rhythm Records-Das Berner Label steckt in finanziellen
Nöten. Wegen der Suisa.
Der Beat-Man-Weg
Tom Combo
Unlängst erhielt ich eine Mail vom Label Voodoo Rhythm Records, wo
drin
stand, dass die Suisa nachträglich für die hauseigene
Tonträgerproduktion 42 500 Franken fordert. Voodoo Rhythm
produziert zu
sehr fairen Konditionen und stellt den Bands die Tonträger zum
Selbstkostenpreis zur Verfügung, damit diese sie auf Touren mit
möglichst hohem Gewinn verkaufen können. Tatsächlich ist
der
Direktverkauf - gerade für Bands im Nischenbereich - eine wichtige
Einnahmequelle.
Die Suisa argumentiert nun dahingehend, Voodoo Rhythm habe die
Tonträger nicht angemeldet. Sie handle demnach im Interesse der
Bands,
die teilweise Mitglieder bei der Suisa oder anderen
Urheberrechtsgesellschaften sind. Da sich die Suisa an den von Voodoo
Rhythm im Internet publizierten Preisen orientierte, fiel der
geforderte Betrag zu hoch aus. Er dürfte sich letztlich um rund 20
000
Franken belaufen. Doch auch das kann das Kleinlabel nicht bezahlen.
Labelchef Beat-Man rief deswegen zu einer Spendenaktion auf. Auf
Anfrage sagt er, dass die Suisa rechtlich gesehen richtig handle. Er
betont aber auch, er wolle Musik machen und nicht einen Kampf gegen die
Suisa führen beziehungsweise als Galionsfigur dafür
herhalten. Er sei
Musiker und alleinerziehender Vater und hätte weder die Zeit noch
das
Geld dazu. Ausserdem fände er es sehr sinnvoll, dass die Suisa die
Rechte der KünstlerInnen unterstütze.
Nun aber finden Clubs, Bands und EinzelinterpretInnen, dass die Suisa
ebendiese Unterstützung nicht leistet. Ich mag mich erinnern, dass
es -
als sich die Suisa Ende der neunziger Jahre so richtig für die
alternative Szene zu interessieren und von Clubs Nachzahlungen und
Pauschalen zu verlangen begann - plötzlich weniger Konzerte gab
und ich
dafür zu manchem Benefizabend für das jeweilige Clublokal
eingeladen
wurde. Und ich mag mich an Suisa-Songlisten erinnern, die ich
ausfüllen
musste, ohne Mitglied zu sein und obwohl ich nur Eigenmaterial vortrug.
Ich erinnere mich weiter an russische und US-amerikanische Bands,
für
die Abgaben bezahlt wurden, die nie bei den Bands ankamen. Deshalb
sollte sich die Suisa aus dem alternativen Bereich raushalten, weil
hier der Verwaltungsaufwand zu hoch ist angesichts der kleinen
Beträge,
um die es geht, und weil die Suisa von den Mechanismen im
Low-Budget-Bereich nichts versteht. Udo Jürgens wird es freuen,
wenn
ihm dafür ein wenig mehr Zeit gewidmet wird.
Voodoo-Rhythm-Bands werden künftig wahrscheinlich über die
Suisa etwas
mehr Geld bekommen, insgesamt aber weniger verdienen, weil der
wichtigere Direktverkauf weniger lukrativ wird.
Lustig: Am selben Tag, als der Spendenaufruf kam, stiess ich ebenfalls
auf diese Meldung: Die Suisa-Stiftung für Musik hat an den
Solothurner
Filmtagen den mit 5000 Franken dotierten Publikums preis für den
beliebtesten Musikclip an das Team Adrian Winkler, Mario Winkler und
Nella Lombardi verliehen, und zwar für den Clip "The Beat-Man
Way".
Irgendwie scheint die Suisa vom Beat-Man Way jedoch nicht viel zu
halten. Die Bands und VeranstalterInnen jedoch schon. Beat-Man sagt,
Clubs wie das ISC in Bern hätten schon Benefizveranstaltungen
geplant.
Und die ersten Voodoo-Rhythm-Bands hätten ihm schon einen Tag nach
dem
Aufruf Geld über PayPal zugeschickt. Obwohl ich zwar nicht bei
Voodoo
Rhythm unter Vertrag stehe, aber für das Label immerhin mal einen
Text
für ein Booklet geschrieben habe, geht das Honorar für diesen
Artikel
mit Gruss an die Suisa ebenfalls an Voodoo Rhythm.
Tom Combo ist Autor und Musiker. Weitere Informationen: www.voodoorhythm.com
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DROGENHANDEL
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20min.ch 4.2.09
Billige Dröhnung mit dem Kinder-Medikament Ritalin
von Patrick Marbach
Berner Junkies holen sich dank Ritalin den billigen Kick. Mit dem
Medikament läuft ein Handel, in den offenbar auch Kinder
verwickelt
sind.
"Ritalin ist der beste Koks-Ersatz", schwärmt der Berner
Szenekenner
J.J.*. Vor allem als Cocktail, zusammen mit Heroin, entfalte das
Medikament eine aufputschende Wirkung. Ritalin wird üblicherweise
jungen Patienten mit ADHS (siehe Box) verabreicht. "Es gibt aber genug
Kinder, die wissen, wie sie ihr Sackgeld aufbessern können",
behauptet
J.J. "Weil Ritalin in grossen Mengen verschrieben wird, fällt es
nicht
auf, wenn sie ein paar Packungen weiterverkaufen." So komme man sehr
günstig an den Stoff. Noch billiger geht es laut J.J. über
die
Krankenkasse: "Inzwischen ist bekannt, was man dem Psychiater
vorspielen muss, damit man das Zeug auf Rezept bekommt."
Apothekern und Drogenfachleuten ist das Problem bekannt: "Wir haben
solche Fälle bei uns in der Beratung", sagt Fritz Brönnimann
von
Contactnetz. "Allerdings nicht in Massen", ergänzt Oberarzt
Christoph
Bürki von der Drogenabgabestelle Koda. Hauptdroge bleibe das
Kokain. Im
Rahmen einer Studie habe er versucht, Ritalin als Ersatz dafür
einzusetzen. Es habe sich aber nicht als sinnvolles Ausstiegsmittel
erwiesen.
--
Info-Box
Ritalin wäre für Zappelkids
Die Störung ADHS verunmöglicht Kindern, länger
stillzusitzen oder sich
auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Obwohl nur drei Prozent aller Kinder
darunter leiden, hat die Abgabe des Betäubungsmittels Ritalin
enorm
zugenommen. Kritiker befürchten, dass das Medikament oft
missbraucht
wird - etwa von Studenten als "Hirndoping". Neuste Tierversuche zeigen,
dass Ritalin im Gehirn ähnliche Veränderungen bewirkt wie
Kokain.
--
20min.ch 3.2.09
Gefährlich
Ritalin verändert wie Kokain das Hirn
Hohe Dosen von Ritalin können im Gehirn von Mäusen
Veränderungen
verursachen, die jenen bei Kokainabhängigen ähneln.
US-Forscher warnen
davor, das Medikament als Aufputschmittel zu missbrauchen.
Yong Kim von der Rockefeller Universität in New York und seine
Kollegen
spritzten gesunden Mäusen für zwei Wochen täglich
entweder den
Ritalin-Inhaltsstoff Methylphenidat oder Kokain. Wie sie im Fachmagazin
"PNAS" berichten, waren die durch Ritalin und Kokain verursachten
Veränderungen im Belohnungszentrum des Hirns zum Teil sehr
ähnlich.
Ritalin wird üblicherweise Kindern mit Aufmerksamkeitsproblemen
und
Hyperaktivität verschrieben. Laut den Wissenschaftlern sind
diverse
Studien zum Schluss gekommen, dass die ärztlich verschriebene
Einnahme
bei diesem so genannten ADHS-Syndrom sicher ist.
Ein Bericht zeigte kürzlich aber, dass in den USA mehr als 7
Millionen
Menschen Methylphenidat einnehmen, um sich aufzuputschen und die
geistige Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Studie zeige, dass
dies
gefährlich sei, sagte Nora Volkow, die Direktorin des Nationalen
Instituts für Drogenmissbrauch.
Volkow warnte davor, Kinder und Jugendliche mit ADHS nicht mehr mit
Ritalin oder ähnlichen Präparaten zu behandeln. Studien
hätten gezeigt,
dass die Medikamente in vom Arzt verschriebenen Mengen nicht zu
Abhängigkeit führten. Im Gegenteil: ADHS-Kinder nähmen
später häufiger
Drogen und Ritalin könne dieses Risiko vermindern.
Quelle: SDA/ATS
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ANTI-WEF-DEMO GENF
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WoZ 5.2.09
Anti-Wef-Demo - Die globalisierungskritische Bewegung, polizeilich in
die Enge getrieben, sucht nach Raum für Kreativität.
Demobericht vom
letzten Samstag in Genf.
Vier Meter Papiermaché, abgeführt und weggesperrt
Von Dinu Gautier
Die Polizei bestimmt die Choreografie des Schauspiels, an diesem
Samstag nachmittag in Genf. Hier rast ein Wasserwerfer eine Strasse
runter und putzt en passant die Fensterscheiben einiger Geschäfte.
Dort
explodiert eine Tränengaspetarde, worauf aus allen
Himmelsrichtungen
Kamerateams, DemonstrantInnen und Schaulustige angerannt kommen,
verzweifelt den Ort suchend, wo etwas passiert. Auf dass dann dort, wo
die Polizei gerne eine klare Frontlinie hätte, tatsächlich
ein paar
Flaschen geflogen kommen - und sei es von vermummten Zivilpolizisten,
die ihre KollegInnen in Uniform absichtlich verfehlen. Andernorts
wiederum rennen Greiftrupps an Bushaltestellen, um vermummte
Jugendliche festzunehmen und sich mit deren Kollegen kurz, aber heftig
zu prügeln. Das Tränengas wird vom Wind durch die Strassen
geweht, alle
weinen: Touristen, Demonstrantinnen, Polizisten, Hunde.
Das Ritual nimmt seinen Lauf: die alljährliche Groteske, wenn jene
ihre
Stimme oder gar ihre Fäuste gegen das Treffen der selbsternannten
Weltelite in Davos erheben wollen, die nicht am "kritischen Dialog" mit
dem Weltwirtschaftsforum (Wef) interessiert sind. Da gibt es von
staatlicher Seite eine klare Strategie: Sie heisst Repression. Sie ist
zigfach erprobt. Und sie ist erfolgreich.
Kontrollierte Szenerie
Es ist die Polizei, die bereits am Morgen die Bühne für
diesen Protest
gestaltet. Sie stehen an den Strassen ecken, die Polizeikräfte aus
allerlei Kantonen. Es sind viele (ihr Einsatz wird eineinhalb Millionen
Franken kosten), sie tragen Helme, Beinschoner, manche sind vermummt.
Ihre martialische Präsenz macht deutlich, dass hier ganz böse
Gestalten
auftreten werden, dass es gefährlich sein wird, sich ihnen
anzuschliessen.
Als sich Anfang Nachmittag die gut tausend DemonstrantInnen besammeln,
wird ein Polizeikessel gebildet, der räumlich klar definiert, wer
DemonstrantIn (gefährlich, drinnen) und wer ZuschauerIn
(mühsam,
draussen) ist. Die Kontrolle der Szenerie geht aber noch weiter: Von
ausserhalb des Kessels kommt das Maskottchen der Anti-Wef-Bewegung
angefahren: Mafalda, die argentinische Comicfigur, vier Meter hoch und
aus Papiermaché. Sie grinst zwar fies, passt aber als
polizeilich
unvorhergesehene Requisite nicht wirklich zum medial heraufbeschworenen
Treffen der Steineschmeisser und Schaufensterzerstörerinnen.
Mafalda
wird sofort verhaftet und in den vergitterten Innenhof eines nahe
gelegenen Polizeipostens gesperrt.
Am Rednerpult wird es dann als Erfolg gefeiert, dass man sich
überhaupt
versammeln durfte, angesichts des Demonstrationsverbotes, das die
(linke) Stadtregierung ausgesprochen hatte. In der Kälte stehend,
umzingelt, fühlt sich das aber gar nicht wie ein Erfolg an. Jetzt
spricht Jean Ziegler vom "Tanz der Vampire in Davos", von der sinkenden
Entwicklungshilfe, von hungernden Kindern, von skandalösen
Bankenrettungspaketen in Milliardenhöhe.
Die Krise gibt den Wef-GegnerInnen Recht. Man hat es ja immer gesagt.
Nur: Was hat man nun davon? Ein Demonstrant ruft: "Genug der
Ansprachen, schreiten wir zur Tat." Die Frage ist nur, welche Tat? Was
ist zu tun? Wo sind die Rezepte? Man ist ratlos. Die dort oben in Davos
sind zwar auch ratlos, haben es aber einfacher, weil sie möglichst
bald
zum Courant Normal zurückkehren wollen. Dafür braucht es kaum
Fantasie
(mal abgesehen von der Formulierung reuiger Besserungsgelöbnisse).
Hier
unten muss man sehr kreativ sein, wenn man eine Veränderung, ein
anderes System sich nur schon vorstellen, geschweige denn vermitteln
und einen konkreten Weg dorthin aufzeigen will.
Demonstration der Schwäche
Ein Polizeikessel, freilich, ist kein Ort, wo sich Kreativität
besonders frei entwickeln und erleben lässt. Nur eine Handvoll
Clowns
übt sich gerade vergnügt und recht erfolgreich in der
Umkehrung der
Situation: Mit einer Schnur "fesseln" sie ausserhalb des Kessels einen
Wasserwerfer. Aber es sind Clowns, die kann man ja nicht ernst nehmen.
Immerhin lachen und handyfilmen zahlreiche PassantInnen.
Drinnen, im Kessel, kommt der ehemalige Genfer
Solidarités-Nationalrat
Pierre Vanek gerade vom Rednerpult, wo er ausgebuht worden ist: "Meine
Partei hat den Demoaufruf ursprünglich nicht mitunterzeichnet,
weil der
Aufruf zu platt und zu wenig konkret gewesen ist und ich nicht
verstehe, wieso man so weit von Davos weg demonstriert." (Genf als
Standort der Wef-Stiftung, von Privatbanken und einer globalen
Rohstoff-Handelsbörse befinde sich im Herzen des kapitalistischen
Sys
tems, heisst es im Demoaufruf). Man müsse die Kapitalismuskritik
konkreter an aktuelle soziale Fragen knüpfen: "Das hier ist eine
Demonstration der Schwäche, wir müssten jetzt eigentlich 10
000
Menschen sein, mindestens." Gekommen sei er, weil das Demoverbot nicht
akzeptabel sei und es nun auch um das Recht zur freien
Meinungsäusserung gehe.
In der Menge werden die Sprechchöre lauter. "Demo jetzt! Demo
jetzt!"
Und: "Police partout, justice nulle part" ("Überall Polizei,
nirgends
Gerechtigkeit"). Die Frustration steigt. OrganisatorInnen verhandeln
mit der Polizei. Die se will weiterhin alleine Regie führen, der
Umzug
bleibt verboten.
Jetzt versuchen die Vermummten von "Revolutionär gegen Wef", das
Zepter
zu übernehmen. Eine Demo formiert sich, zwanzig Meter weiter wird
der
Umzug von einer Polizeikette gestoppt. Die Frustrationsfalle schnappt
zu: Es fliegen Flaschen, die Polizisten knüppeln, dann kommt das
Tränengas. Die FotografInnen fotografieren, die Kameras filmen,
die
Bilder sind gemacht. Sie werden zur nachträglichen
behördlichen
Rechtfertigung für die Dutzenden von Präventivverhaftungen
vom Mittag
herhalten müssen. Es folgen die eingangs beschriebenen Szenen.
Am Abend bleibt einmal mehr festzuhalten, dass die
globalisierungskritische Bewegung hierzulande taktisch in einer
Sackgasse steckt. Denn es sind Momente des kollektiven Erfolgs, seien
sie auch nur symbolischer Natur, die eine Bewegung am Leben erhalten,
die Menschen daran glauben lassen, gemeinsam sei etwas zu erreichen.
Und mit Demonstrationen in Schweizer Städten während des Wefs
sind
diese offenbar nach wie vor nicht zu holen. Aber wer weiss schon, in
Zeiten der Krise, was morgen sein wird. Vielleicht strömen sie ja
bereits nächstes Jahr nach Davos und übernehmen die Regie,
die
kreativ-zornigen Massen.
---
Tribune de Genève 5.2.09
La police montre "l'arsenal" saisi lors de la manif anti-WEF
Des sprays au poivre, des bouteilles incendiaires, un piolet,
voilà le genre d'objets trouvés sur des manifestants.
Alors que la police genevoise est accusée de brutalité
lors de la
manifestation anti-WEF de samedi, elle dévoile le
matériel saisi sur
certains manifestants. Petit inventaire à la Prévert: des
sprays au
poivre, des sprays de couleur, une lampe à pétrole, un
piolet de
montagne, des cagoules, des couteaux suisses, des hampes de drapeaux,
des bouteilles vides, des bouteilles pleines (d'essence), des
pétards,
des tracts anticapitalistes, une pince coupante, des lunettes et
masques de protection, des gants, une cannette de bière, un
t-shirt
noir, de la corde et du câble électrique. L'usage de
beaucoup de ces
objets semble évident, que ce soit dans un but offensif ou
défensif
(pour se protéger des gaz lacrymogènes).
De son côté, le Parti du travail a diffusé hier un
communiqué dénonçant
"la violence exercée par la police sur les manifestants
pacifiques" qui
se sont fait encercler et gazer "durant plusieurs heures" devant la
poste du Mont-Blanc. Le PdT prévient les membres du Conseil
d'Etat,
"qui bafoue la liberté d'expression", qu'ils ne seront plus les
bienvenus lors des célébrations du 1er Mai et du 9
Novembre.
Antoine Grosjean
---
La Liberté 5.2.09
Manif à Genève
Une mère matraquée pour rien?
La manifestation anti-WEF samedi dernier à Genève devrait
donner lieu à
une plainte contre les policiers. Une mère, qui ne manifestait
pas,
affirme avoir reçu des coups de matraque. Elle cherchait
à franchir un
cordon policier pour récupérer son garçon de 10
ans. La police nie
toute disproportion dans l'intervention incriminée. ATS
---
Tribune de Genève 4.2.09
Une femme et son fils malmenés: tout le film
Antoine Grosjean
Manif Anti-Wef
Un photographe de la "Tribune" a assisté à la
scène. Il raconte.
La police semble avoir eu la main lourde lors de la manifestation
anti-WEF de samedi dernier. Au moins dans un cas. Comme le
révélait Le
Matin Bleu hier, une femme et son fils de 10 ans se plaignent d'avoir
été matraqués alors qu'ils ne participaient pas au
rassemblement. Le
photographe Patrick Gilliéron Lopreno, qui couvrait
l'événement pour la
Tribune de Genève, a assisté à la scène
(voir photos). Il raconte.
Il est entre 15 h 30 et 16 h samedi. Les affrontements qui ont
commencé
à la rue de Berne quelques instants plus tôt, entre les
forces de
l'ordre et certains manifestants, atteignent le bas de la rue de
Chantepoulet. Des gaz lacrymogènes sont tirés aux
alentours de la
librairie Payot. Les policiers forment un cordon pour barrer la rue.
"J'ai alors remarqué une altercation entre les gendarmes et une
femme
accompagnée d'un homme", raconte Patrick Gilliéron
Lopreno, qui
s'approche à ce moment-là. "Ils voulaient traverser le
cordon, mais les
policiers les en empêchaient. L'homme et la femme poussaient, les
policiers sont devenus de plus en plus violents, des coups partaient.
Je ne pourrais pas l'affirmer à 100%, mais il me semble qu'il y
a eu
des coups de matraque. "
Le photographe "mitraille" la scène. "La femme s'est mise
à pleurer,
poursuit-il. Elle criait: Mon fils! en disant qu'il était chez
Payot et
qu'elle avait peur pour lui à cause des gaz lacrymogènes.
L'homme qui
l'accompagnait, en larmes lui aussi, hurlait. " Finalement, l'enfant a
pu sortir de la librairie et retrouver sa mère.
Notre collègue, croyant l'incident clos, braque un bref instant
son
objectif sur d'autres scènes. Soudain, il constate que la femme
et son
fils fuient devant une charge de police, sur le trottoir opposé
de la
rue de Chantepoulet. "Elle courait, en larmes, avec son fils. Je n'ai
pas compris pourquoi les policiers les poursuivaient. La femme et
l'enfant sont tombés. "
La police ne fait aucun commentaire en l'état
C'est à cet endroit, dans le renfoncement d'une porte où
elle dit avoir
cherché à se mettre à l'abri, que la femme aurait
été molestée. "Quand
un policier a vu que je prenais des photos, il m'a menacé de sa
matraque, et je me suis éloigné", confie notre
photographe. Dans Le
Matin Bleu, la mère raconte qu'elle a les jambes couvertes de
bleus et
que son fils est resté 24 heures en observation à
l'hôpital. Elle
annonce vouloir porter plainte.
Du côté de la police genevoise, à ce stade, on ne
fait aucun
commentaire. "Pour l'instant, nous n'avons pas reçu de plainte,
explique le porte-parole Patrick Pulh. Nous nous prononcerons quand ce
sera fait. Mais nous n'avons pas attendu l'article du Matin Bleu pour
établir ce qui s'est passé, comme nous le faisons chaque
fois dans nos
rapports d'intervention. Pour nous, les éléments sont
clairs. " A
l'Observatoire genevois des pratiques policières, qui assurait
samedi
une permanence juridique, on dénonce un dispositif policier
agressif,
tout en reconnaissant que, dans les actes, les choses ont
été moins
"dramatiques" que lors de précédentes manifestations.
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UBS-GEFANGENE
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WoZ 5.2.09
UBS-Farbkleckse
Kinder im Knast
Am 17. Januar wurde die Fassade des UBS-Hauptsitzes am Zürcher
Paradeplatz rot und grün bekleckst. Zwei Schüler, 15- und
16-jährig,
wurden kurz nach der Aktion in beträchtlicher Entfernung zum
Paradeplatz im Rahmen einer Personenkontrolle festgenommen. Bis am 29.
Januar, zwölf Tage lang, sassen die beiden in Untersuchungshaft.
Die
Jugendanwaltschaft wirft ihnen die Beteiligung an einer
Sachbeschädigung im Umfang von mehreren Zehntausend Franken vor,
nachdem die UBS Strafanklage gegen unbekannt erhoben hat.
Ist dieses Vorgehen verhältnismässig? Oder wollen die
Behörden vielmehr
ein Exempel statuieren? Untersuchungshaft kann nur bei dringendem
Tatverdacht angeordnet werden, aufgrund von Spuren am Tatort oder bei
einem Verdächtigen oder wegen Aussagen Dritter. Grundsätzlich
gelten im
eidgenössischen Jugendstrafrecht dafür dieselben Kriterien
wie bei
Erwachsenen: Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. HaftrichterInnen
könnten
demnach schon Zehnjährige in U-Haft stecken. Sie werden strikt
getrennt
von erwachsenen Häftlingen untergebracht, meist in speziellen
Jugendgefängnissen. Gemäss Silvio Stierli von der
Oberaufsicht der
Jugendstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich kann ein fehlendes
Geständnis die Untersuchungshaft zudem aus technischen
Gründen in die
Länge ziehen: "Es müssen dann Beweismittel gesammelt und
beispielsweise
Gegenüberstellungen veranlasst werden. Besteht in einem
Strafverfahren
Verdunkelungsgefahr, geht es oft nicht ohne U-Haft."
Rosmarie Müller, für den Fall zuständige
Jugendanwältin in der Stadt
Zürich, kann zu einem laufenden Verfahren gar nichts sagen.
UBS-Sprecher Dominique Gerster, FDP-Präsident der Zürcher
Stadtkreise 4
und 5, erklärt: "Wir haben die Kleckse wieder abgewischt." dgr
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GIPFELSOLI-NEWS 5.2.09
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gipfelsoli.org/Newsletter
5.2.09
5.2.2009 La Maddalena
- Strategie der Spannung: Berlusconi singt für G8
- Berlusconi und Frattini produzieren Sicherheit
Mehr. http://www.gipfelsoli.org/Newsletter/6047.html
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INDYMEDIA LINKSUNTEN
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Indmedia 5.2.09
Indymedia linksunten online ::
AutorIn : IMC linksunten
(((i))) linksunten.indymedia.org
ist seit dem 2. Februar 2009 online
und nach anfänglichen Geschwindigkeitsproblemen und einem
temporären
Umzug auf einen anderen Server nun auch benutzbar.
Wie bei DIY-Projekten üblich kam und kommt es noch immer zu
kleineren
Problemen, gerade weil wir Teile der Website selbst programmiert haben.
Bei Fehlern oder Problemen könnt ihr uns gerne per Mail unter
linksunten@indymedia.org
oder im Chat in #linksunten auf
irc.indymedia.org
kontaktieren.
Communiqué vom 02.02.2009
Nach einem knapp einjährigen Organisationsprozess steht
linksunten.indymedia.org
ab sofort als strömungsübergreifende Plattform
für unabhängige Berichterstattung zur Verfügung. Auf
mehreren Treffen
in verschiedenen Städten im Südwesten Deutschlands wurde die
politische
Zielsetzung des Projektes festgelegt und in einem Mission Statement
veröffentlicht. Als Teil der Aufnahme in das Netzwerk der
Independent
Media Centres (IMC) wurden Moderationskriterien verfasst, anhand derer
die Beiträge von den ModeratorInnen sortiert werden. In den
letzten
Wochen haben wir unsere Homepage aufgebaut.
MedienaktivistInnen können ModeratorInnen werden, wenn sie von
einem/einer ModeratorIn auf der internen Mailingliste vorgeschlagenen
wurden und es innerhalb einer Woche keinen Widerspruch gab.
Außerdem
sollten sie regelmäßig an den Treffen von Indymedia
linksunten
teilnehmen.
Es gibt auf linksunten.indymedia.org
die Möglichkeit sich anonym
anzumelden, um einen Account-Namen zu registrieren und dadurch
Kontinuität und Wiedererkennung zu ermöglichen. Alle Inhalte
können
natürlich auch ohne Anmeldung und ohne vorherige Moderation
veröffentlicht werden. Zusätzlich können angemeldete
NutzerInnen den
Status von GenossInnen erhalten, wenn mindestens eine moderierende
Person ihnen vertraut. Innerhalb eines Tages teilt dieseR ModeratorIn
die Freischaltung auf der internen Mailingliste mit. GenossInnen
können
eigene Inhalte nachträglich ändern, sowie Kollektivartikel
mit
autonomer Rechteverwaltung erstellen. Weiter gibt es verschiedene
Rollen für die technische Wartung und Entwicklung der Website.
Zukünftige Techies müssen an mindestens einem Treffen von IMC
linksunten teilnehmen und sich schon zuvor als ModeratorInnen engagiert
haben.
Indymedia linksunten soll eine Plattform für emanzipatorische
Berichterstattung zu politischen Ereignissen und Themen sein. Sie soll
lokale Vernetzung fördern und ist gleichzeitig ins globale
Indynetz
integriert. Bereits im Entstehungsprozess hat uns die Solidarität
anderer IMCs bei der Suche nach Servern außerhalb Europas
geholfen.
Zugleich waren der Testserver von Indymedia linksunten indirekt von der
Repression gegen Indymedia UK betroffen. Auch IMC linksunten hat durch
die Veröffentlichung von Modulen für das von vielen IMCs
genutzten
Content Management Systems Drupal unter einer freien Software-Lizenz
das Netzwerk solidarisch unterstützt.
Bei der technischen Realisierung der Website haben wir uns an den
Bedürfnissen politischer Medienarbeit orientiert. Anonymes
Veröffentlichen wird durch das OpenPosting-Prinzip realisiert. Die
Sicherheit von AutorInnen und LeserInnen soll durch ein freies
https-Zertifikat verbessert werden, für welches das
Root-Zertifikat von
CaCert importiert werden muss. IP-Adressen werden wir
selbstverständlich nicht speichern.
Transparenz der Moderation soll durch Versionsgeschichten, einsehbare
Listen versteckter und zensierter Inhalte und öffentliche
Mailinglisten
gewährleistet werden. Die Mobilisierungsfähigkeit soll durch
einen
Kalender und eine Terminliste zusätzlich unterstützt sowie
deren
Vernetzungsaspekt hervorgehoben werden. Gleichzeitig wird so auch ein
chronologisches Archiv aufgebaut. Technische Hürden beim Verfassen
von
Inhalten sollen durch einen HTML-Editor mit menügeführter
Integration
von Fotos abgebaut werden. Bildergalerien und Audioplayer sollen
Präsentation und Wiederverwendung von Fotos und Audiodateien
ermöglichen.
Viel Zeit haben wir auf die Darstellung und Moderation von
Ergänzungen
und Kommentaren verwendet. Ergänzungen werden hervorgehoben, indem
nicht-inhaltliche Kommentare eingeklappt dargestellt werden.
Diskussionen werden durch die Möglichkeit auf Ergänzungen und
Kommentare zu antworten gefördert und übersichtlicher.
Kommentare
können dynamisch ausgeklappt und die Sortierung in
Ergänzungen und
Kommentare kann aufgehoben werden.
Besonderes Augenmerk haben wir auf die Mehrsprachigkeit von
linskunten.indymedia.org
gelegt. Sowohl Inhalte als auch Menüs können
leicht übersetzt werden. Dies ist im mehrsprachigen Dreyeckland
die
Voraussetzung für grenzüberschreitende Medienarbeit. Gerade
in Hinblick
auf den NATO-Gipfel Anfang April 2009 wird linksunten auch in
Frankreich genutzt werden. Wir laden euch vom 25. bis zum 31. März
ins
Convergence Center im Autonomen Zentrum KTS Freiburg ein, um mit uns
das Medienzentrum aufzubauen und für den Protest gegen den Gipfel
zu
nutzen.
¡Venceremos!
IMC linksunten
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ANTISEMITISMUS
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Newsnetz 5.2.09
Der Zorn der christlichen Fundis gegen die Juden
Antijudaismus und Antizionismus haben in den christlichen Kirchen eine
lange Tradition. Es hat Methode, dass Papst Benedikt XVI. den
Holocaustleugner und Bischof Richard Williamson rehabilitiert hat.
Papst Benedikt XVI. ist in wenigen Tagen von der umjubelten Pop-Ikone
zum reaktionären Fundi mutiert. Mit der Rehabilitierung des
Holocaustleugners und Antisemiten Richard Williamson als Bischof
löste
er weltweit einen Sturm der Entrüstung aus. Die Juden sind
geschockt,
Deutschland ist geschockt, sogar weite Teile der katholischen Welt sind
geschockt. Ausgerechnet ein deutscher Papst nimmt einen Leugner der
Gaskammern an seine Brust. Und dieser Williamson ist obendrein
Vertreter der sektenhaften katholischen Lefebvre-Fraktion, der
Pius-Priesterbruderschaft.
Der Antijudaismus in der katholischen Kirche und im Abendland hat tiefe
religiöse und politische Wurzeln. Er begann mit der Kreuzigung von
Jesus. Ausgerechnet die Juden, das auserwählte Volk Gottes,
schlugen
den Messias ans Kreuz. Und: Die Juden liessen sich nicht zum
Christentum - dem angeblich einzig wahren Glauben - bekehren. Ein
religiöser Widerspruch, der für Traditionalisten und
Fundamentalisten
unter den Christen kaum auszuhalten ist. Seit 2000 Jahren warten sie
vergeblich darauf, dass die Juden in den Schoss der christlichen Kirche
finden und Jesus als Messias anerkennen. Diese Kränkung sitzt im
Vatikan tief, zumal sich die Heilsgeschichte laut Bibel erst dann
erfüllen kann, wenn sich die Juden haben bekehren lassen.
Die Juden als Sündenböcke
Die Ausgrenzung der Juden fand auch in weltlichen und politischen
Belangen ihre Fortsetzung. Im Mittelalter durften sie in unseren
Breitengraden beispielsweise kein Handwerk ausüben - damals der
goldene
Boden für die bessere Gesellschaft. So waren Juden gezwungen,
ihren
Lebensunterhalt mit Handel zu verdienen. Als die Handelswege an
Bedeutung gewannen, gelangten sie zu Reichtum. Bald leihten sie Geld
gegen Zins aus und gründeten Banken.
Damit zogen sie den Neid auf sich, wurden beargwöhnt und bald als
geizig charakterisiert. Für totalitäre und reaktionäre
Regimes gaben
sie die idealen Sündenböcke ab. Sie wurden immer wieder
verfolgt,
geächtet und ausgegrenzt. Ein Höhepunkt dieser Hetzkampagne
waren die
Protokolle der Weisen von Zion. In geheimen Zusammenkünften sollen
die
einflussreichsten Juden einen Plan entwickelt haben, wie sie heimlich
eine Weltregierung bilden und die Weltherrschaft übernehmen
könnten.
Die Protokolle der geheimen Weltverschwörung der Juden sollen
Geheimdienstleuten in die Hände gefallen sein. In Wirklichkeit
wurden
die Protokolle von Antisemiten zu politischen Propagandazwecken
erfunden, wie Gerichte einwandfrei festgestellt haben.
Der Neid auf das von Gott auserwählte Volk schwingt nach
Trotzdem hat sich Hitler auf diese gefälschten Protokolle
gestützt, um
den Holocaust zu legitimieren. Er begründete den Zweiten Weltkrieg
unter anderem damit, er müsse die geheime Weltregierung der Juden
zerschlagen und sie ausrotten, um die Welt endlich vom Bösen zu
befreien.
Fundamentalistische Christen konnten ihre Ressentiments gegenüber
den
Juden bis heute nicht überwinden. Der Neid auf das von Gott
auserwählte
Volk schwingt immer noch nach. Er wird genährt vom Zorn, dass
dieses
angeblich unbelehrbare Volk Jesus gekreuzigt hat und bis heute noch
nicht als den Sohn Gottes und Messias anerkennt.
Es ist deshalb kein Zufall, dass die Gläubigen in den katholischen
Kirchen bis in die Neuzeit in den Gottesdiensten dafür gebetet
haben,
dass sich die Juden zum Christentum bekehren und Jesus anerkennen
mögen.
Benedikt XVI. zeigt sein reaktionäres Gesicht
Dieser politische und rassistische Affront wurde erst durch das 2.
Vatikanische Konzil in den 1960-er Jahren beseitigt. Doch der
erzkonservative Erzbischof Marcel Lefebvre schluckte den Beschluss
nicht, weshalb er sich mit seinen reaktionären Bischöfen und
Priestern
der Pius-Priesterbruderschaft von der katholischen Kirche trennte.
2007 hat Papst Benedikt, der früher als radikaler
Sittenwächter der
katholischen Kirche gefürchtet war, die lateinische Messe wieder
zugelassen. Hatte er sich am Anfang seines Pontifikates
versöhnlich und
gemässigt geben, zeigt er nun wieder sein wahres reaktionäres
Gesicht.
Ausdruck davon ist eben auch die Rehabilitierung der
Lefebvre-Bischöfe.
Er verbrüdert sich damit mit einem Holocaustleugner und nimmt es
in
Kauf, dass er die katholische Kirche in eine Krise stürzt. Seine
reaktionäre Gesinnung und die Wahrung der Reinheit der
katholischen
Lehre sind ihm offensichtlich wichtiger als der Friede in seiner Kirche.
---
Bund 5.2.09
Papst gibt dem Druck nach
Vatikan Nach tagelangem öffentlichem Druck hat der Vatikan den
erzkonservativen Bischof Richard Williamson zum Widerruf seiner
Holocaust-Leugnung aufgefordert. Williamson müsse seine Aussagen
widerrufen, bevor er als Bischof wieder eingesetzt werden könne.
Zugleich müsse die Priesterbruderschaft Pius X. das II.
Vatikanische
Konzil und die Lehren der folgenden Päpste anerkennen, bevor ihre
Mitglieder vollständig rehabilitiert werden könnten. (sda)
Seite 3
--
Verspätete Schadensbegrenzung
Papst Benedikt XVI. fordert Holocaust-Leugner Williamson auf, seine
Äusserungen zurückzunehmen
Dominik Straub, Rom
Nach wochenlangen weltweiten Protesten unternimmt der Papst erstmals
einen ernsthaften Versuch der Schadensbegrenzung.
"Die Äusserungen von Monsignore Williamson sind absolut
inakzeptabel
und werden vom Papst streng abgelehnt", heisst es in einer gestern
verbreiteten Mitteilung des Vatikans. Um zu seinen bischöflichen
Aufgaben zugelassen zu werden, müsse sich dieser "in absolut
unmissverständlicher Weise öffentlich von seinen Positionen
zur Schoah
distanzieren". Williamson hatte in einem Interview die Existenz von
Gaskammern im Dritten Reich und die Ermordung von Millionen Juden in
deutschen Konzentrationslagern bestritten.
Von diesen Äusserungen Williamsons habe Papst Benedikt XVI. bei
seinem
Entscheid, die Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe aufzuheben,
"keine
Kenntnis gehabt", heisst es weiter im Communiqué.
Es ist das erste Mal seit der Aufhebung der Exkommunikation Williamsons
und dreier weiterer Lefebvre-Bischöfe am 24. Januar, dass der
Vatikan
Williamson beim Namen nennt; in der Vergangenheit hatte Papst Benedikt
XVI. bloss allgemein die Leugnung des Holocausts als inakzeptabel
bezeichnet und dem jüdischen Volk seine Solidarität bekundet.
Auf eine
konkrete Aufforderung an Williamson, seine menschenverachtenden
Äusserungen zurückzunehmen, hat der Pontifex bisher
verzichtet - was
innerhalb und ausserhalb des Vatikans und der katholischen Kirche
für
Kopfschütteln gesorgt und zu harscher Kritik geführt hatte.
Überraschende Kehrtwende
Welche Konsequenzen es hätte, sollte Williamson sich weigern,
seine
Aussagen zu widerrufen, ist nicht klar. Mit der Aufhebung der
Exkommunikation sei für die vier Lefebvre-Bischöfe lediglich
"eine
äusserst schwerwiegende kanonische Strafe" beseitigt und die
Tür zum
Dialog geöffnet worden; die rechtliche Situation der
Pius-Bruderschaft
habe sich damit nicht geändert, präzisiert der Vatikan in der
gestrigen
Mitteilung. Dies bedeute, dass die Gemeinschaft bis auf weiteres
"keinerlei kirchenrechtliche Anerkennung durch die katholische Kirche"
geniesse. Auch deren Bischöfe hätten trotz der Aufhebung der
Exkommunikation keine kanonische Funktion und könnten in der
katholischen Kirche kein Amt ausüben.
Um die volle Anerkennung als Gemeinschaft zu erlangen und um offiziell
ein Bischofsamt ausüben zu können, verlangt der Papst nun
nicht nur den
Widerruf von Williamson, sondern auch - als unabdingbare Bedingung -
die "volle Anerkennung des II. Vatikanischen Konzils und der Lehren der
Päpste Johannes XXIII., Johannes Paul I., Johannes Paul II. und
Benedikt XVI." durch alle vier Lefebvre-Bischöfe. Der Vatikan
zeigt
sich in der Mitteilung weiterhin bereit, die "offenen Fragen" zu
diskutieren, um zu einer "vollen und zufriedenstellenden Lösung
der
Probleme zu gelangen, aus denen die schmerzhafte Trennung" entstanden
sei.
Die Aufforderung an Williamson kommt angesichts der bisherigen
defensiven Haltung des Vatikans in dieser Sache eher überraschend.
Noch
am Tag zuvor hatte der Papst auf eine Intervention der deutschen
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die eine "sehr eindeutige"
päpstliche
Erklärung zur Leugnung des Holocausts gefordert hatte, sehr
pikiert
reagiert: In einem kühl gehaltenen Communiqué erwiderte der
Vatikan,
dass der Papst seine Meinung "mehrfach" und "unmissverständlich"
zum
Ausdruck gebracht habe und dass die Verurteilung von Aussagen, die den
Holocaust leugneten, "nicht klarer" hätte ausfallen können.
Mit anderen
Worten: Für den Papst ist die Sache erledigt, weitere
Erklärungen sind
überflüssig.
Stattdessen begannen im Vatikan, zumindest laut Medienberichten,
Verschwörungstheorien zu blühen: Indem das von Williamson
bereits im
November geführte Interview erst am 21. Januar - also nach der
Unterzeichnung des Dekrets zur Aufhebung der Exkommunikation -
ausgestrahlt wurde, habe man den Papst absichtlich ins Messer laufen
lassen, um die Versöhnung mit der Fundamentalisten-Sekte zu
hintertreiben. Die Hintermänner dieses Komplotts befänden
sich im
Vatikan, es handle sich um Gegner Benedikts XVI., schreibt die von
Silvio Berlusconis Bruder Paolo herausgegebene Zeitung "Il Giornale".
Das rechtsgerichtete Revolverblatt nennt freilich keine Quellen.
Abenteuerliche Behauptung
Etwas abenteuerlich mutet auch die Behauptung des vatikanischen
Presseamts an, wonach Benedikt XVI. von den Äusserungen
Williamsons
nichts gewusst habe: Die antisemitische Einstellung nicht nur
Williamsons, sondern der meisten Mitglieder dieser Bruderschaft ist
seit Jahren bekannt; noch im Jahr 1989 hatte Sektengründer Marcel
Lefebvre für Schlagzeilen gesorgt, weil er einen Kriegsverbrecher
in
seinem Kloster versteckt hatte. Normalerweise prüft Benedikt XVI.
jede
einzelne Bischofsernennung sehr genau - dass er dies ausgerechnet bei
der Rückgängigmachung der Exkommunikation der äusserst
umstrittenen
Traditionalisten-Bischöfe unterlassen haben könnte,
würde doch sehr
erstaunen.
---
Basellandschaftliche Zeitung 5.2.09
CJA kritisiert den Papst
Grosser Unmut über die Entscheidung von Papst Benedikt herrscht
bei der
Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft (CJA) beider Basel. In
einer
Presseerklärung kritisiert die Gruppierung, dass der
exkommunizierte
Bischof Williamson durch den Papst wieder in die Kirche aufgenommen
worden ist. Williamson habe öffentlich geleugnet, dass Millionen
von
Juden in Gaskammern ermordet wurden, kritisiert die CJA. "Es besteht
kein Zweifel, dass Bischof Williamson ein notorischer Antisemit und
Holocaustleugner ist", schreibt die CJA in ihrer Mitteilung. Die
Arbeitsgemeinschaft weist daraufhin, dass sich der Bischof in der
Schweiz mit seinen Äusserungen strafbar machen würde und dass
jede Form
von Antisemitismus eine "Sünde gegen Gott und die Menschlichkeit
ist".
Die CJA könne nicht verstehen, "wie der Vatikan seine
Rehabilitierung
und die Absage an den Antisemitismus moralisch miteinander vereinbaren
kann." (bz)
---
punkt.ch 5.2.09
Papst Benedikt XVI.
Schweizer Juden besorgt
Die Aufregung über den Papst lässt nicht nach. Seit Benedikt
XVI. einen
Holocaust-Leugner rehabilitiert hat, machen sich auch die Schweizer
Juden Sorgen um den religiösen Frieden. Wenn die katholische
Kirche
Holocaust-Leugner dulde, werde der Dialog mit ihr zur Farce, heisst es
etwa.
Unterdessen versucht der Vatikan, den Papst aus dem Schussfeld zu
nehmen. Der Pontifex sei Opfer einer Verschwörung geworden, hiess
es.
Gleichzeitig aber forderte Rom Holocaust-Leugner Richard Williamson
auf, seinen Aussagen abzuschwören. seite 4
--
Papst-Debatte: Schweizer Juden sind in Aufruhr
Benedikt XVI. und die unsägliche Rehabilitierung eines
Holocaust-Leugners. Die Schweizer Juden fürchten um den
religiösen
Frieden.
Schon von Amtes wegen befasst sich Herbert Winter mit dem
Verhältnis
Katholiken - Juden. Winter ist Präsident des Israelitischen
Gemeindebu
nde s (SIG). Und er macht sich Sorgen.
Seit der Papst Holocaust-Leugner Richard Williamson rehabilitiert hat,
sieht Winter den Dialog der Religionen gefährdet. Gelinde gesagt.
Auch die katholische Basis ist unzufrieden mit dem Papst. Christen
melden sich bei Winter, entschuldigen sich für Benedikt XVI. Das
würde
der Papst besser selber tun. Sich erklären, wie das die Kanzlerin
Angela Merkel verlangt. Immerhin. Auch die Schweizer Bischofskonferenz
hat die Holocaust-Leugnung verurteilt. "Eigentlich eine
Selbstverständlichkeit ", sagt Winter. Im Interesse des
religiösen
Friedens wolle der SIG den Dialog mit der Bischofskonferenz
weiterführen . "Wenn auch kritisch ", sagt Winter.
Als Leiter des Zürcher Lehrhauses fördert Michel Bollag den
interreligiösen Austausch. Bollag sagt: "Der Dialog mit der
katholischen Kirche wird zur Farce, wenn Deklarationen wie jene von
Bischof Williamson gemacht werden."
Ohne jede Sensibilität
Offiziell will der Papst keinen Fehler eingestehen. Der Vatikan
versucht glauben zu machen, der Pontifex sei Opfer einer
Verschwörung.
Aber: Holocaust- Leugner Williamson wurde gestern aufgefordert, seine
Aussagen zu widerrufen.
Doch der Schaden ist da. Yves Kugelmann, Chefredaktor der
jüdischen
Zeitung "Tacheles ", sagt: "Der Papst handelt ohne jede
Sensibilität".
Gerade die Kirche habe eine Verantwortung, weil sie half,
antijüdische
Stereotypen in der Gesellschaft zu implementieren. "Holocaust-Leugnung
ist ein Straftatbestand und die Kirche darf sich da nicht zum Komplizen
machen." (blu)
---
20min.ch 5.2.09
Holocaust-Debatte
Bischöfe begrüssen Aufruf des Vatikans
Die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) begüsst die Forderung
des
Vatikans an den erzkonservativen Bischof Richard Williamson, seine
Äusserungen zum Holocaust zu widerrufen.
Wie SBK-Sprecher Walter Müller am Donnerstag gegenüber "Heute
Morgen"
von Radio DRS erklärte, habe der Vatikan mit seiner Erklärung
"noch
einmal Klarheit schaffen können über Dinge, die der Vatikan
schon
einmal gesagt hatte".
Der Vatikan habe offensichtlich ein Problem, eine Sprache zu sprechen,
die gehört werde. Mit der Erklärung aus Rom sei man nun einen
Schritt
weiter. Die Reaktionen der Gläubigen in der Schweiz gingen von Lob
bis
zu Drohungen des Kirchenaustrittes, sagte Müller weiter. Es gebe
aber
mehr Kritik.
Nach tagelangem öffentlichem Druck hatte der Vatikan Bischof
Williamson
aufgefordert, sich "eindeutig und öffentlich" von seinen
Äusserungen zu
distanzieren. Wie das Staatssekretariat des Vatikans am Mittwoch
mitteilte, muss er die Leugnung widerrufen, bevor er als Bischof wieder
eingesetzt werden kann.
Williamson hatte in einem Interview mit dem schwedischen Fernsehen
gesagt, er denke, dass "200 000 bis 300 000 Juden in den
Konzentrationslagern gestorben" seien, aber "nicht ein einziger von
ihnen in Gaskammern".
Quelle: SDA/ATS
---
20min.ch 5.2.09
Vatikan in der Defensive
Kritik am Papst reisst nicht ab
Nach langem Schweigen hat Benedikt XVI. den Holocaust-Leugner
Williamson endlich zum Widerruf aufgefordert. Doch das reicht nicht,
meinen Kritiker.
Die Kritik an Papst Benedikt XVI. reisst nicht ab: Die Aufforderung des
Kirchenoberhaupts vom Mittwoch an Bischof Richard Williamson, sich von
seinen Äusserungen zum Holocaust zu distanzieren, reicht nach
Ansicht
des Zentralrats der Juden und zahlreicher Geistlicher nicht aus.
Vielmehr müsse der Vatikan sich vollständig von den
ultrakonservativen
Pius-Brüdern abwenden, zu denen auch Williamson gehört,
erklärte etwa
Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer.
Kramer erklärte bei handelsblatt.com,
mit einer Kirche, der auch die
Bruderschaft angehöre, könne es von Seiten der Juden keinen
partnerschaftlichen Dialog geben. "Der Papst muss sich entscheiden, auf
welcher Hochzeit er tanzen will", sagte der
Zentralrats-Generalsekretär.
Entweder stehe Benedikt XVI. für die Kirche der Aufklärung
mit dem
Zweiten Vatikanischen Konzil oder für die Kirche des
Traditionalismus
mit den Pius-Brüdern. "Beides geht nicht", sagte Kramer. Es stehe
zu
befürchten, dass der Papst einen Kurswechsel der gesamten Kirche
hin
zum Fundamentalismus vollziehen wolle "auch unter Inkaufnahme hoher
Verluste bei liberalen katholischen Kirchenmitgliedern".
Huber besorgt über Ökumene
Die evangelische Kirche in Deutschland (EKD) äusserte sich besorgt
um
die Zukunft der Ökumene. Die Leugnung des Holocausts durch
Williamson,
die man überhaupt nicht verharmlosen dürfe, sei "bei weitem
nicht das
einzige Problem, das wir in diesem Zusammenhang zu bedenken haben",
sagte der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber im Bayerischen
Rundfunk.
Jeder wisse, dass die Pius-Bruderschaft das Zweite Vatikanische Konzil
und das "Kirche sein" aller anderen christlichen Kirchen weit radikaler
leugne als das in päpstlichen Äusserungen in letzter Zeit der
Fall
gewesen sei, sagte Huber. Im aktuellen Dekret des Vatikans werde eine
Änderung dieser Haltung jedoch nicht verlangt.
Der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber kritisierte im
ARD-Morgenmagazin, dass der Papst die Generalaudienz am Mittwoch nicht
zum Anlass genommen habe, sich persönlich zur Holocaust-Leugnung
zu
äussern. "Das wäre ein deutliches Signal gewesen, dass der
Papst zu den
Ergebnissen des zweiten Vatikanums steht. Vor allen Dingen zu der
Grundüberzeugung, die die katholische Kirche und ich denke jeder
Christ
teilen, dass es keinen Antisemitismus geben darf und dass der mit dem
christlichen Glauben unvereinbar ist", sagte der evangelische
Geistliche.
Deutliche Worte des Papstes "früher gewünscht"
Der St. Galler Bischof Markus Büchel begrüsst die deutlichen
Worte
Papst Benedikts XVI. an Williamson. Er hätte sich die Aufforderung
zum
Widerruf allerdings "früher gewünscht".
Büchel und die Bistumsleitung äusserten sich am Donnerstag in
einem
offenen Brief kritisch zur Aufhebung der Exkommunikation von vier
Bischöfen der erzkonservativen Pius- Bruderschaft und zur
"unsäglichen
Leugnung des Holocaust durch den Lefebvre-Bischof Richard Williamson".
Man erwarte, dass die Bischöfe und Priester der Pius- Bruderschaft
glaubwürdig zum Zweiten Vatikanischen Konzil bekennten,
insbesondere
zur positiven Einstellung zum Judentum, wie sie in der Erklärung
"Nostra aetate" festgeschrieben sei.
Marx nimmt Papst gegen Merkel-Kritik in Schutz
Derweil nahm der Erzbischof von München und Freising, Reinhard
Marx,
Papst Benedikt XVI. gegen die Kritik von Kanzlerin Angela Merkel in
Schutz. Merkel hatte den Papst aufgefordert, sich deutlich von
Williamson zu distanzieren. "Mich hat diese Äusserung gewundert",
sagte
Marx der "Süddeutschen Zeitung" und fügte an: "Der Papst hat
deutlich
Stellung genommen gegen jede Leugnung des Holocaust. Er hat
klargemacht, dass Antisemitismus bei uns in der Kirche keinen Platz
hat. Meiner Ansicht nach ist damit alles gesagt."
Der CDU-Politiker Georg Brunnhuber sagte der "Financial Times
Deutschland", im Vatikan sei man über die Diskussion in
Deutschland
entsetzt. "Es herrscht der Eindruck, dass alle antikatholischen
Ressentiments, die in Deutschland schlummern, jetzt an die
Oberfläche
kommen", wurde Brunnhuber zitiert.
(AP/SDA)
--
Info-Box
Priesterbruderschaft St. Pius X.
Die Bruderschaft hat ihre Zentrale seit 1971 in Ecône im
Unterwallis;
der offizielle Sitz befindet sich in Menzingen ZG. Gegründet wurde
die
Bruderschaft Ende der 1960er Jahre vom französischen Erzbischof
Marcel
Lefebvre.
Der Grund für die Abspaltung vom Vatikan und die Exkommunikation
der
Geistlichen 1988 war, dass der 1991 gestorbene Lefebvre und seine
Anhänger die Kirchenreformen des Zweiten Vatikanischen Konzils der
1960er Jahre ablehnten. Die Traditionalisten, die die Messe im
lateinischen Ritus feiern, vertreten ein antiliberales Weltbild, das
sich an der Zeit des Ancien Régime (vor der Französischen
Revolution
von 1789) orientiert.
---
WoZ 5.2.09
Türkei-Israels Kriegspolitik im Gazastreifen stösst in der
türkischen
Bevölkerung auf grosse Ablehnung. Das ruft auch AntisemitInnen auf
den
Plan.
Spiel mit dem Feuer
Jetzt werden sich die Juden rächen, mutmassen türkische
Zeitungen. Nach
der heftigen Kritik des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip
Erdogan
am Vorgehen des israelischen Militärs im Gazastreifen werden die
TouristInnen aus Israel ausbleiben, fürchten die einen. Die
Buchungen
von Türkeireisen seien in den letzten Wochen in Israel um bis zu
siebzig Prozent gesunken. Dabei war die Türkei bislang eines der
beliebtesten Urlaubsziele der Israelis. Andere glauben, dass nun die
jüdische Lobby in den USA auf eine Resolution im Kongress
drängen wird,
in der Ankara wegen des Völkermordes an den ArmenierInnen Anfang
des
20. Jahrhunderts verurteilt werden soll.
Fünf jüdische Organisationen unter Federführung des
American Jewish
Committee (AJC) haben inzwischen einen offenen Brief an Tayyip Erdogan
geschrieben, in dem sie ihn auffordern, gegen den zunehmenden
Antisemitismus in seinem Land vorzugehen. Auch der Radiosender des
israelischen Militärs berichtet von Antisemitismus am Bosporus:
JüdInnen würde der Zugang zu türkischen Hotels verwehrt.
Auf den landesweiten Demonstrationen in der Türkei gegen die
Einsätze
des israelischen Militärs im Gazastreifen waren antisemitische
Parolen
tatsächlich keine Seltenheit. Am Geschäft eines Juden nahe
der
Istanbuler Universität sei ein Schild angebracht worden: "Kauft
hier
nicht ein - solange der Laden einem Juden gehört!", beklagt sich
das
AJC in Ankara.
Erdogans Nahoststrategie
Erdogan verfolgt mit seiner Israelkritik zwei Ziele: Zum einen will
sich Ankara in seiner Rolle als Regionalmacht zum neuen Sprecher der
arabischen Welt im Nahostkonflikt aufschwingen. Vor allem aber liess
wohl der Blick auf die Kommunalwahlen im kommenden Monat den
Ministerpräsidenten zum lautstarken Verteidiger der Sache der
PalästinenserInnen im Gazastreifen werden. Umfragen im Auftrag
seiner
Partei, der AKP, bestätigen ihm: Über neunzig Prozent der
TürkInnen
sympathisieren mit den PalästinenserInnen - und nur ein Prozent
sehen
sich an der Seite Israels. Das Erziehungsministe rium liess denn auch
während des Gazakonfliktes täglich alle
SchülerInnen an den
öffentlichen Schulen zu einer Schweigeminute für die Opfer
der
israelischen Aggression antreten. Erdogan erklärte Israel zum
Hauptschuldigen an der Eskalation des Konfliktes. Für seinen
Justizminister Mehmet Sahin ist das Land gar der "grösste
Provokateur
des internationalen Terrorismus". Fast drei Viertel der türkischen
Wähler Innen halten solche scharfen Sprüche für
angemessen. Doch es ist
ein Spiel mit dem Feuer. Niemand weiss, ob damit nicht auch viele
antisemitische Geis ter geweckt werden.
Offenes Konstantinopel
Antisemitismus war am Bosporus viele Jahrhunderte ein Fremdwort. Juden
und Jüdinnen gab es hier schon im vierten Jahrhundert vor
Christus. Die
jüdische Gemeinde wuchs vor allem unmittelbar nach der Eroberung
Konstantinopels durch Sultan Mehmet II. Mitte des 15. Jahrhunderts. In
Spanien hatte damals der König seine jüdischen UntertanInnen
vor die
Alternative gestellt, entweder zum christlichen Glauben
überzutreten
oder das Land zu verlassen. Der osmanische Sultan Bayezit II. dagegen
lud die Vertriebenen nach Konstantinopel ein. Für ihn waren die
Juden
so etwas wie Teil eines Konjunkturprogrammes für die Stadt. Er
benötigte Händler und Handwerker für den Wiederaufbau
Konstantinopels -
und viele JüdInnen zogen an den Bos porus.
Eine "Judenfrage" gab es - im Gegensatz zur "Griechenfrage", der
"Armenierfrage" oder der "Kurdenfrage" - bislang nie in der
Türkei.
Dann, 2003, töteten islamistische Terroristen mit
Bombenanschlägen auf
zwei Synagogen in Istanbul 24 Menschen und verletzten 250 weitere.
Seither warnen Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Istanbul wie
der
erfolgreiche Geschäftsmann Ischak Alaton vor Antisemitismus auch
in der
Türkei.
Bekannte Muster
Alaton verweist auf eine ansonsten liberale Zeitung, die vor einiger
Zeit von einem "Garnhändler und Wucherer mosaischer Herkunft" und
einem
"im Ausland flüchtigen jüdischen Geschäftsmann"
berichtete. Unvergessen
ist auch die "Ehrung" eines ermordeten jüdischen Unternehmers
durch
einen türkischen Industriellen: "Er war Jude, aber er war ein
guter
Mensch."
Es gibt weitere Beispiele: Unliebsame Personen oder politische Gegner
Innen werden neuerdings als "Kryptojuden" bezeichnet. Vor wenigen Tagen
erst präsentierte sich der Vorstand eines Kulturvereins in der
sehr
westlich ausgerichteten StudentInnenstadt Eskisehir der Presse mit
Schildern vor seinem Vereinshaus, auf denen stand: "Juden und Armenier
haben hier keinen Zutritt - Hunde dürfen rein." Und vergangene
Woche
schliesslich wurde in Istanbul die Zelle einer islamistischen
Organisation ausgehoben. In deren Unterkunft fand sich der Plan
für
einen Mordanschlag auf einen ortsansässigen Rabbi, wie die Zeitung
"Hürriyet" berichtete.
Die türkische Regierung rudert inzwischen zurück, nicht
zuletzt
zurechtgewiesen vom Generalstab, der in einer knappen Erklärung
versicherte, er habe keine Probleme mit Israel. Immerhin bezieht die
türkische Armee israelische Rüstungsgüter im Wert von
rund einer
Milliarde US-Dollar. Nun hat das offizielle Ankara auch das Amt
für
Religionsangelegenheiten auf Trab gebracht. In einem ersten Schritt
werden alle Imame im Land offiziell davor gewarnt, Reden zu halten, die
als antisemitische Stimmungsmache verstanden werden könnten.
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RASSISMUS
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WoZ 5.2.09
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - Die Schweiz hat sich als Nation
erschaffen, indem sie Minderheiten ausgegrenzt hat. Das prägt
unser
nationales Selbstverständnis bis heute. Wie ist dieser Mechanismus
zu
brechen?
"Anarchie überzieht uns"
Von Hans Ulrich Jost
Ich weiss, es ist banal, auf die Barbaren zurückzugreifen, um das
Problem Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung anzugehen.
Dennoch ist diese alte Geschichte aufschlussreich, weil sie zeigt, wie
unsere westliche Kultur bei der Suche nach ihrem Selbstverständnis
schon in ihren Anfängen der Logik der Ausgrenzung verfiel.
In der Tat wurde der Begriff Barbar im alten Griechenland
anfänglich
nur zur Bezeichnung all jener Menschen eingesetzt, die nicht Griechisch
sprachen. Sehr rasch fand jedoch insofern eine wertende Aufladung
statt, als Barbar auch in abwertendem Sinne das kulturelle Gefälle
in
Bezug auf die griechische Zivilisation bezeichnete. Seither haben sich
alle Zivilisa tionen, die sich gegenüber den andern, den Fremden,
zu
situieren versuchten, dieser Ausgrenzungsstrategie bedient.
Dieses Denkmuster ist auch den SchweizerInnen nicht fremd. Der Basler
Historiker Jacob Burckhardt, viel gepriesen für seine Verteidigung
des
Humanismus, spricht vom "Königsrecht der Kultur zur Eroberung und
Knechtung der Barbarei, welche nun blutige innere Kämpfe und
scheussliche Gebräuche aufgeben und sich den allgemeinen
sittlichen
Normen des Kulturstaates fügen" müsse. Und Gonzague de
Reynold, ein
Freiburger Aristokrat und enger Berater von drei
katholisch-konservativen Bundesräten, schrieb 1909: "Aber wir
werden
zudem auch noch von Barbaren überfallen […] Diese Slaven, diese
Griechen, diese Südamerikaner, diese Orientalen sind alles grosse,
unzivilisierte Kinder, die mit geschmacklosem Tand und grossem Luxus,
mit nebulösen Philosophien, mit subversiven Ideen und mit
moralischen
und physischen Krankheiten zu uns kommen. Wenn wir nur stark genug
wären, ihnen unsere Kultur aufzuzwingen! Aber nein: Sie sind es,
die
bei uns Propaganda machen, und was für eine und mit welchen
Mitteln!
Und die Anarchie überzieht unsere Städte. Das ‹Asylrecht›
hatte seine
Berechtigung zu einer Epoche, als man für die wesentlichsten
Freiheitsrechte kämpfte - es ist heute zu einer Gefahr geworden."
Man
könnte diesen kleinen Text geradezu als Magna Charta jener seit
einem
Jahrhundert immer wieder aufkommenden fremdenfeindlichen, rassistischen
und rechtsradikalen Bewegungen der Schweiz bezeichnen.
Juden, Zigeuner, Arbeiterinnen
Die wohl folgenreichste Instrumentalisierung von Ausgrenzung und
Rassismus geschah - und geschieht heute leider wieder - im Namen der
Nationalstaaten. Dabei ist wichtig, klarzustellen: Nation und Volk sind
Fiktionen, mit denen sich in der Moderne Macht und Herrschaft
organisierten. Nehmen wir uns zuerst das Problem "Volk" vor. Bei der
konkreten Schaffung der Nationalstaaten ist es praktisch nie gelungen,
das Volk einfach als die Gesamtheit der EinwohnerInnen eines
Staatsgebietes zu organisieren und zu integrieren. Es fanden sich immer
Minderheiten, die, aus welchen Gründen auch immer, formell oder
informell ausgegrenzt und diskriminiert wurden. In der Schweiz waren
dies 1848 die Juden und Jüdinnen. Die Bundesverfassung anerkannte
bekanntlich nur Bürger christlicher Konfessio nen. Später
kamen die
ZigeunerInnen faktisch in eine ähnliche Lage.
Ähnliche Auswirkungen ergaben sich beim Aufbau der Nation. Die
Nation
rechnet von Anfang an mit Feinden. Feinde sind dabei nicht nur die
AusländerInnen und die Fremden, sondern eben auch jene
Bevölkerungsteile, die sich angeblich nicht loyal zum Staat
verhalten.
So diskriminierte man die sozialistische Arbeiterschaft jahrzehntelang
als vaterlandslose Gesellen. Und wie wenn dies nicht genügt
hätte,
wurden die Sozialisten kriminalisiert, indem man sie mit den
anarchistischen Attentaten in Verbindung brachte. Terrorismus war schon
damals ein beliebtes Schlagwort zur Mobilisierung der Masse mit dem
Ziel, Zustimmung zur vorherrschenden Politik und Loyalität gegen
über
dem Staat zu sichern.
"Ein gesondertes Volk Gottes"
Der deutsche Philosoph und Sozio loge Georg Simmel (1858-1918) hat in
einem 1908 unter dem Titel "Der Streit" veröffentlichten Aufsatz
einige
interessante Überlegungen zur Frage von Ausgrenzung, Aggression
und
Konflikten vorgetragen. Folgende Gedanken sind dabei zentral: Erstens
hat Simmel festgehalten, dass der Zusammenhalt einer Gruppe, das heisst
der Aufbau gemeinsamer innerer Werte und Interessen, ein sehr
schwieriger Prozess ist. Dasselbe Resultat wird leichter erreicht, wenn
die Gruppe auf ein Feindbild hin gesteuert wird. Zweitens: Spannungen
und Konflikte innerhalb einer Gruppe entladen sich oft nicht in Bezug
auf die Ursache, sondern als Ersatzhandlung gegenüber einem
sogenannten
Sündenbock.
Solche Mechanismen findet man allenthalben in der Geschichte. Im Kampf
der Freisinnigen für den Bundesstaat erwies sich beispielsweise
die
"Jesuiten hatz" als eine der erfolgreichsten Strategien zur
Mobilisation der eigenen Anhängerschaft. "Hussa! Hussa! Die Hatz
geht
los!", hat selbst Gottfried Keller für ein massenhaft verteiltes
antijesuitisches Flugblatt gedichtet. Und bei der Abstimmung zur neuen
Bundesverfassung von 1874 hatte ein Aargauer Fabrikant eine
lebensgrosse Jesuitenpuppe - an einem Galgen aufgehängt - von
seinen
Arbeitern durch die Stadt führen und verbrennen lassen.
In den Jahren der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam es zur ersten
Welle rechtsradikaler Bewegungen, bei denen Nationalismus,
Fremdenfeindlichkeit, Antisozialismus, Antisemitismus,
Antifeminismus
und Rassismus eine zentrale Rolle spielten. Der Erfolg solcher
radikaler Bewegungen liegt nicht zuletzt in einer engen
Wahlverwandtschaft zur vorherrschenden politischen Kultur. Um 1900
setzte sich auch in den gemäs sigten bürgerlichen
Oberschichten ein
nationales Selbstverständnis durch, das Ausgrenzungen oder
Fremdenfeindlichkeit beförderte. So schrieb etwa der freisinnige
Staatsrechtler und Publizist Carl Hilty 1897: "Die schweizerische
Eidgenossenschaft ist nach unserer Auffassung ein von Gott gewolltes
und mit einem ganz besonderen Berufe ausgestattetes staatliches
Gebilde, ein gesondertes Volk Gottes." Ein Jahrhundert später hat
Christoph Blocher eine ähnliche Wahnvorstellung vorgetragen, als
er
sagte: "Es ist nicht wichtig, ob ich an den lieben Gott glaube. Wichtig
ist nur, ob der liebe Gott an mich glaubt."
Man kann die Strategie der Ausgrenzung in ihrer historischen
Entwicklung bis zum heutigen Tage weiterverfolgen. Die Fichierung der
politischen Opposition beispielsweise begann schon vor dem Ersten
Weltkrieg. Der Arbeitgeberverband der schweizerischen Maschinen- und
Metallindustriellen verfügte damals über eine Kartei mit 70
000
Eintragungen, die es möglich machte, gewerkschaftlich aktive
Arbeiter
zu isolieren und ihnen die Arbeitsmöglichkeit im ganzen Lande zu
sperren. Die dann nach dem Zweiten Weltkrieg im Zeichen eines
hysterischen Antikommunismus angefertigten Fichen der Bundespolizei
führten zu ähnlichen Resultaten.
Antisemitismus nicht legitimieren
Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit, das uns heute in starkem Masse
beschäftigt, ist die Fremdenfeindlichkeit. Sie hatte 1970 zu einer
heftig umstrittenen Abstimmung geführt, an der 46 Prozent der
Stimmenden die fremdenfeindliche Initiative von James Schwarzenbach
befürworteten. Von der SVP übernommen, bestimmt dieses
Programm nun
seit über dreissig Jahren die politische Agenda. Wie um 1900
verbindet
sich diese Strategie mit einem Nationalismus, der sich kaum gewandelt
hat. Ausserdem wird in gleichem Sinne wie vor hundert Jahren das
Ausland als Barbarei verketzert. So hatte Christoph Blocher
beispielsweise 1992 die Euro päische Union mit einem Schwall von
abwertenden Assoziationen zu stigmatisieren versucht. Unter anderem,
indem er sagte: "Anpassung ist das Gebot der Stunde. Man muss sich der
gesteigerten Kriminalität anpassen. Man muss sich der misslichen
Asylpolitik anpassen. Dann muss sich die Schweiz vor allem Europa
anpassen."
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung sind tief im
kulturellen Bewusstsein der heutigen Gesellschaft eingegraben. Das
heisst nicht, dass es sich um quasi anthropologische Konstanten
handelt. Kultur wird vom Menschen gemacht und ist veränderbar.
Deshalb
braucht es einen permanenten kritischen Einsatz in den
öffentlichen
Debatten, wobei es nicht nur darum geht, sich den Exzessen der
Rechtsradikalen und NationalistInnen entgegenzustellen. Ebenso wichtig
ist die Kritik des vorherrschenden kulturellen Verständnisses der
gesellschaftlichen und politischen Eliten. Man darf einen latenten,
sogenannt salonfähigen Antisemitismus oder andere Praktiken der
Ausgrenzung nicht einfach damit entschuldigen, dass dies in einer
bestimmten Epoche zum Gemeingut gehört habe. Dass General Henri
Guisan
offenbar auch antisemitische Vorurteile pflegte, versuchte man zu
verniedlichen, indem man sie als allgemeine, damals weit verbreitete
Zeiterscheinung banalisierte. Damit legitimierte man jedoch eine nicht
akzeptierbare rassistische Haltung im Nachhinein. Und da es sich bei
General Guisan um eine geradezu mythische nationale Leitfigur handelte,
machte man aus dem Antisemitismus eine beinahe salonfähige
Geisteshaltung.
Religion als Minenfeld
Nur mit einer wachen Kritik dieser sogenannt "gewöhnlichen"
Haltungen
in Bezug auf Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
können die
kulturellen Perspektiven einer Gesellschaft überprüft und,
falls not
wenig, verändert werden. Denn gerade mit einer zwiespältigen
Haltung
der selbst ernannten Meinungsmacher wird jene Grauzone geschaffen, in
der sich die fremdenfeindlichen und rassistischen Gruppen erst richtig
entfalten können.
Der Kampf gegen die Praktiken von Ausgrenzung und Rassismus hat aber
auch seine Tücken. Wie verhält man sich, wenn eine
gesamtgesellschaftlich diskriminierte Gruppe selber solche
Ausgrenzungen, und dies vielleicht in radikaler Weise, praktiziert? Vor
diesem Problem stehen wir beispielsweise bei der Frage der Minarette.
Kann man sich für diese Sache einsetzen, wenn die betreffende
Gemeinschaft selbst schwer tolerierbare Diskriminierungen,
beispielsweise den Frauen gegenüber, pflegt?
Wir befinden uns hier im Minenfeld der Religionen und der
Glaubensfreiheit. Persönlich bin ich der Ansicht - und meine
historischen Studien haben mich diesbezüglich bestätigt -
dass man
Religionen insgesamt eher mit Skepsis begegnen sollte. Betrachtet man
die gesellschaftliche und politische Praxis der Religionen in der
Geschichte, so stellt man fest, dass deren im Glauben verwurzelter
Wahrheitsanspruch nicht selten zu aggressiven Ausgrenzungen der
sogenannt Nichtgläubigen, zu blutigen Kriegen und Massakern
geführt
hat. Und Amerikas Gesellschaft, die heute mit einer Kirche auf rund 900
EinwohnerInnen die grösste Dichte an Religionsstätten hat,
brilliert
nicht gerade mit einer konflikt- und gewaltfreien Gesellschaft. Auch
wenn Religionen zum innersten Gehalt von Kulturen zählen, kann man
diese nicht ausnahmslos als humane Errungenschaft der Gesellschaft
akzeptieren.
Allerdings sollte man in dieser heiklen Situation nicht mit Aggression
und Ausgrenzung vorgehen, sondern versuchen, mit einem kritischen
Dialog den nicht akzeptierbaren Haltungen ent gegenzutreten. Unser
Problem ist, dass wir selbst immer wieder, ohne dass wir es wirklich
realisieren, der Barbarei verfallen. So wie die Griechen die Barbaren
zu Sklaven machten, so unterwirft heute die kapitalistische Weltordnung
die Erwerbstätigen dem Profitstreben. Dabei werden
Arbeitslosigkeit und
Verarmung - und damit auch gnadenlose gesellschaftliche Ausgrenzungen -
bewusst in Kauf genommen.
--
Hans Ulrich Jost
Fremdenfeindlichkeit ist wieder einmal aktuell: Die erweiterte
Personenfreizügigkeit wird mit rassis tischen Argumenten
bekämpft, und
im März wird das Parlament über die Minarettverbotsinitiative
debattieren. Der Text auf dieser Seite basiert auf einem Referat, das
der Lausanner Historiker Hans Ulrich Jost im November 2008 an einer
Tagung von Amnesty International und den Demokratischen Jurist Innen
gehalten hat.
Mehr historische Hintergrundinfor mationen zum Thema sind zu finden in:
Hans Ulrich Jost: "Die reaktionäre Avantgarde. Die Geburt der
neuen
Rechten in der Schweiz um 1900". Chronos Verlag. Zürich 1992. 176
Seiten. 36 Franken.
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BIG BROTHER GOOGLE
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punkt. 5.2.09
Ab sofort nimmt Google die Seitenspringer an die Leine
Der Dienst ortet jeden Handy-Nutzer, den man will - Paartherapeut Klaus
Heer sieht die Affäre vor dem Aus
Wissen Sie, ob Ihre Frau wirklich beim Coiffeur ist? Sind Sie sicher,
dass Ihr Mann tatsächlich Überstunden macht?
Google zeigts Ihnen! Direkt auf dem Handy.
Der Suchmaschinengigant hat gestern seinen neuen Dienst "Latitude"
lanciert. Dieser macht das Fremdgehen zwar nicht unmöglich. Aber
viel,
viel riskanter. Denn "Latitude " zeigt auf dem Handy den Standort von
allen Leuten an, die einem nahestehen - oder weiterhin nahestehen
sollen.
Liebesfalle Handy
"Im Szenario des Misstrauens stellt der neue Google-Dienst fürs
Handy
eine Perfektion dar", sagt Paartherapeut Klaus Heer. Das Handy ist das
häufigste Hilfsmittel beim Fremdgehen, etwa für heimliche
Verabredungen. Aber es ist auch der häufigste Grund dafür,
dass
Fremdgehen auffliegt. "Das Handy ist ein offen zugängliches
Spiegelbild
des Lebens ", sagt Heer. "Die meisten Leute haben wenig Skrupel, das
Partner- Handy durchzusehen, wenn es unbeaufsichtigt herumliegt." Doch
mit dem neuen Google- Dienst wird das Handy noch gefährlicher.
Denn mit
"Latitude " kann man sich "per Handy gegenseitig überwachen und
gegebenenfalls sogar überführen", sagt Heer. So funktioniert
der
Google- Dienst "Latitude" seite 7
--
Google weiss, wo sich Ihre Freunde befi nden
Der neue Google-Dienst Latitude zeigt die Position befreundeter
Handy-Nutzer
Google hat gestern seinen Karten- Dienst Google Maps um die neue
Funktion Latitude erweitert. Über das Google-Konto aktiviert, kann
man
Freunde einladen und wenn diese akzeptieren, erscheint deren Profilbild
auf der Google-Karte im Handy-Display. So weiss man schnell, welche
Freunde sich in der Nähe befinden. Und will man sich spontan
verabreden, liefert Latitude die Wegbeschreibung zu deren Standort.
Datenschutzbedenken
"Aus der Sicht des Datenschutzes ist wesentlich, dass alle Beteiligten
freiwillig der Nutzung des Google-Dienstes Latitude einwilligen", sagt
Bruno Baeriswyl, Präsident der Vereinigung der schweizerischen
Datenschutzbeauftragten. Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes will
Google zerstreuen: "Bei Google Latitude hat der Nutzer die volle
Kontrolle darüber, ob und wem er seinen Standort mitteilen
möchte",
sagt Google-Sprecher Matthias Meyer. So kann man beispielsweise
für
jeden seiner Kontakte individuell einstellen, wie viele Informationen
dieser sehen kann.
Google Latitude steht ab sofort kostenlos für die meisten
BlackBerry-Handys und für Mobiltelefone zur Verfügung, die
Windows
Mobile 5.0 oder Symbian S60 nutzen. In Kürze soll der Dienst auch
auf
dem iPhone funktionieren.
www.google.ch/latitude
bartosz.wilczek@punkt.ch
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ANTI-ATOM
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20min.ch 4.2.09
Mühleberg
Risse am AKW immer länger und tiefer
Die Risse im AKW Mühleberg sind offenbar viel länger und
tiefer als
noch vor zehn Jahren. Doch die Eidgenössische
Aufsichtsbehörde sagt,
dass diese die Sicherheit des AKWs nicht beeinflussen.
Insgesamt neun Risse zieren die am stärksten betroffene
Schweissnaht
der Reaktorhülle des Kernkraftwerks Mühleberg. Der
längste ist 91
Zentimeter lang, der tiefste 2,4 Zentimeter tief. Das sind mehr als
zwei Drittel der 3,1 Zentimeter dicken Wand, wie der "Beobachter"
schreibt.
Diese Zahlen stammen aus einem unveröffentlichten
Sicherheitsbericht
aus dem Jahr 2007, der der Zeitschrift vorliegt. Publizieren wollte die
Betreiberin des Atomkraftwerks, die BKW, den Sicherheitsbericht jedoch
nicht.
Erstaunlich, da der letzte Bericht anscheinend noch öffentlich
zugänglich war. Bei der BKW wollte man gegenüber 20 Minuten
keine
Stellung nehmen. Die Risse im Atomkraftwerk wurden vor 20 Jahren
entdeckt und in den Neunzigerjahren entsprechend saniert. Nur werden
die Risse laut "Beobachter" trotzdem immer länger: Vor zehn Jahren
waren die Risse erst halb so lang wie heute.
Derzeit wartet das fast 40-jährige AKW Mühleberg auf eine
unbefristete
Betriebsbewilligung vom Bund. Diese könnte in den nächsten
Monaten
erteilt werden. Die besorgten Anwohner des Kernkraftwerks verlangen nun
komplette Akteneinsicht.
---
beobachter.ch 03/09 6.2.09
AKW
Von Rissen darf keiner wissen
Text: Otto Hostettler
Die Risse im Kernmantel des bald 40-jährigen AKW Mühleberg
werden immer
grösser. Trotzdem will man eine unbefristete Betriebsbewilligung -
und
hält die Sicherheitsberichte unter dem Deckel.
massgebliche Sicherheitsfragen des Atomkraftwerks Mühleberg.
Obschon
sie für das fast 40-jährige AKW derzeit vom Bund eine
unbefristete
Betriebsbewilligung verlangt, bleibt ein umfassender Sicherheits
bericht unter Verschluss. Eigenartig: Der letzte solche Bericht ("SIB
89") war noch öffentlich, genauso wie die entsprechenden Berichte
anderer Schweizer Atomanlagen.
Dabei birgt eine vertrauliche Expertise der BKW von 2007, die dem
Beobachter vorliegt, brisante Details zu den Rissen an den
Schweissnähten des Kernmantels. Diese waren vor bald 20 Jahren
entdeckt
worden. In einer aufwendigen Reparatur wurden Mitte der neunziger Jahre
vier Zuganker als Klammern um den Kernmantel gebaut. Als die BKW vor
zehn Jahren eine unbefristete Bewilligung verlangte (und nur eine
befristete erhielt), liess Bundesrat Moritz Leuenberger bei der
deutschen Prüfanstalt TÜV eine Expertise über
mögliche Folgen der Risse
erstellen. Der TÜV kam - damals - zum Schluss, die Risse seien
kein
Sicherheitsrisiko.
Den riesigen Klam mern zum Trotz - der 157 Seiten starke vertrauliche
BKW-Bericht belegt das Ausmass einer beunruhigenden Entwick lung: Die
am stärksten betroffene hori zon tale Schweissnaht Nummer elf
weist
inzwischen neun Risse auf, die sich gesamthaft über 2,4 Meter
erstrecken - also fast über einen Viertel des Umfangs des
Kernmantels.
Der längste dieser Risse misst 91 Zentimeter. Vor zehn Jahren war
der
längste noch 48 Zentimeter lang, die Gesamtlänge aller Risse
nicht
einmal halb so gross wie heute. Der tiefste Spalt misst gemäss der
nie
ver öffentlichten Expertise 2,4 Zentimeter. Er durchdringt die 3,1
Zentimeter dicke Wand des Kernmantels um mehr als zwei Drittel.
Anzeige:
Ein Blechteil fällt in den Reaktorkern
Nuklearsicherheitsinspektorat) hält in ihrem Jahresbericht
summarisch
fest, die Risse hätten "keinen Ein fluss auf den sicheren Betrieb
der
Anlage".
Doch im AKW Mühleberg gibt es noch andere Probleme. Auch an der
Kernsprüh leitung sind Risse aufgetaucht. Und aus der
Pendenzenliste
der Aufsichts behörde geht hervor, dass sogar der Ablauf der
Morgen
sitzung im AKW zu wünschen übrig lässt.
Die Hintergründe der Vorfälle im AKW muss man sich aus den
verschiedenen Publikationen der Aufsichtsbehörde zusammentragen:
So
ereignete sich beispielsweise während der Jahresrevision im August
2007
bei der sogenannten Brennelement-Wechselmaschine (einer Art Kran im
Reaktorgebäude) eine denkwürdige Panne. Bei einem Test
öffnete sich
fälschlicherweise ein Greifer, so dass ein Kasten mit gebrauchten
Brennelementen auf den Boden des Brennelement beckens "abrutschte". Im
Aufsichtsbericht heisst es dazu lapidar, zwei Luftschläuche seien
vertauscht angeschlossen - und das Versehen bei der Funktionskontrolle
über sehen worden.
Wenige Tage später Phase zwei im Wechselmaschinendebakel: Das
frisch
sanierte Gerät wird über dem offenen Reaktor ausprobiert.
Just zum
Zeitpunkt, da mit dem Kran die Brennelemente in den Reaktorkern
eingesetzt werden, löst sich ein Blechteil von der Maschine - das
gute
Stück entschwindet im Reaktorkern. Im Aufsichtsbericht heisst es
beschwichtigend: "Das Teil konnte nicht geborgen werden. Es wurde
jedoch nach gewiesen, dass der Verlust dieses Kleinteils die Sicherheit
der Anlage nicht gefährdet."
Sabotageschutz und andere Geheimnisse
Über die Sicherheit von Mühleberg ist ausser den
gebetsmühlenartigen
Äusserungen, das Werk erfülle alle sicherheitsrelevanten
Anforderungen,
wenig zu erfahren. Die sogenannte periodische Sicherheits
überprüfung
(PSÜ), die eine sicherheitstechnische Gesamtschau über das
AKW
aufzeigen soll und die die BKW auf Geheiss der Aufsichtsbehörde
für das
Bewilligungsverfahren schon vor drei Jahren erstellen musste,
rückt die
BKW nicht heraus - angeblich aus Gründen des Sabotageschutzes.
"Zudem
unterliegen diese Dokumente dem Geschäfts- und
Fabrikationsgeheimnis",
behauptet BKW-Sprecher Sebastian Vogler.
Anwohner des AKW verlangen nun vor Bundesverwaltungsgericht die
Herausgabe der Akten. Jürg Joss, Aktivist von Fokus Anti-Atom und
unermüdlicher Kritiker von Mühle berg: "Es ist
offensichtlich, dass die
BKW mit Investitionen in die Sicherheit zuwartet, weil sie nicht weiss,
wie lange Mühleberg noch betrieben werden kann. Ich finde diese
ökonomische Abwägung angesichts des Risikos fatal." Der
Basler
SP-Nationalrat und Atomkritiker Rudolf Rechsteiner doppelt nach: "Ich
finde diese Geheimniskrämerei angesichts der Risiken vollkommen
verfehlt."
Während der Sicherheitsbericht vorderhand unter dem Deckel bleibt,
ist
die Stellungnahme der Aufsichtsbehörde Ensi dazu im Internet
nachzulesen. Gemäss dieser muss die BKW eine ganze Reihe
sicherheitstechnischer Analysen und Konzepte nachliefern, um die Folgen
möglicher Hochwasser, Brände, Erdbeben oder
Flugzeugabstürze
abzuschätzen.
Zu spät für den Entscheid des Bundes
Etliche dieser Hausaufgaben muss die BKW erst Ende 2009 oder noch
später erledigen. Das Sicherheitskonzept für den rissigen
Kernmantel
etwa muss sie erst bis Ende 2010 überarbeiten. Eigenartig: Bis die
Betreiberin damit ihren Sicherheitsbericht vervollständigt hat,
dürfte
der Bund die Betriebsbewilligung längst erneuert haben.
Entscheiden
wird das Bundesamt für Energie nämlich bereits in den
kommenden Monaten.
Unabhängig davon führt die Aufsichts behörde ihre
Pendenzenliste
weiter. Was die BKW noch nicht erledigt hat, war darin bisher mit
"offen" bezeichnet. Neuerdings hat die Kontrollbehörde für
diese Rubrik
aber eine neue Bezeichnung gefunden: Sie heisst jetzt "in Bearbeitung"
- was nicht ganz so nachlässig klingt.
--
Artikel zum Thema (Ausgabe: 18/08):
Atomkraftwerke: Die Kosten werden schöngerechnet
http://www.beobachter.ch/konsum/technologien/artikel/die-kosten-werden-schoengerechnet/
Heinz Karrer: "Unsere finanzielle Lage ist solide"
http://www.beobachter.ch/konsum/technologien/artikel/unsere-finanzielle-lage-ist-solide-1/