MEDIENSPIEGEL 15.2.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Grosse Halle: Blinde Insel-BewohnerInnen
- Big Brother: Video-Wildwuchs
- Paul Kruger-Strasse-Debatte SG
- Kein roter Pass für Behinderte
- Gewalt-Debatte Solothurn
- BRD: Neonazis überfallen GewerkschafterInnen

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REITSCHULE
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- Feb 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

So 15.02.09
20.00 Uhr - Frauenraum - Sex am Sonntag (mit Barbetrieb ab 19.00 Uhr): Der kleine Tod - der weibliche Orgasmus, Dokufilm von Sophie Jeaneau, 2006, 46min, dt. Das höchste der Gefühle - Der männliche Orgasmus, Dokufilm von Yvonne Debeaumarché, 2006, 42min, dt.
19.00 Uhr - Tojo - Genossenschaft jetzt! KMUProduktionen. Regie: Tim Zulauf

Mi 18.02.09  
19.00 Uhr - SousLePont - Skandinavien Spezialitäten
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel; Küche: Restaurant Dampfzentrale mit Texten von Franz Hohler "Weltuntergang"
20.30 Uhr - Tojo - Frontex. Compagnie Majacc. Idee/Regie: Roger Binggeli Bernard

Do 19.02.09
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel; Küche: Restaurant Dampfzentrale mit Texten von Franz Hohler "Weltuntergang"
20.30 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus: Bawke, Hisham Zaman, Norwegen 2005, 15 Min. Vinterland, Hisham Zaman, Norwegen 2007, 52 Min
20.30 Uhr - Tojo - Frontex, Compagnie Majacc. Idee/Regie: Roger Binggeli Bernard

Fr 20.02.09
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel; Küche: Restaurant Dampfzentrale mit Texten von Franz Hohler "Weltuntergang"
20.30 Uhr - Tojo - Frontex. Compagnie Majacc. Idee/Regie: Roger Binggeli Bernard
21.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus: Fermîsken Ava Ze - Die Tränen des Zap, Halil Uysal, Kurdistan 2005, 29 Min. The land of legend, Rahim Zabihi, Kurdistan/Iran/D 2008, 73 Min
23.00 Uhr - Dachstock - Groovebox: Galoppiernde Zuversicht (ZH), Trauma Duo (BE), Wildfang (BE), Alex Like & Lelektro (BE). Stil: analoger Elektro

Sa 21.02.09
19.00 Uhr - SousLePont - Afrika Spezialitäten
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel; Küche: Restaurant Dampfzentrale mit Texten von Franz Hohler "Weltuntergang"
20.30 Uhr - Tojo - Frontex. Compagnie Majacc. Idee/Regie: Roger Binggeli Bernard
21.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus: Hêlîn, Sibel Akkulak, Türkei 2007, 13 Min. Handful of Ash, Nabaz Ahmed, Irak 2007, 33 Min. Kevoka Spî, Viyan Mayî, Irakisch-Kurdistan 2008, 30 Min
22.00 Uhr - SousLePont - One Love Jam: Effalum & Friends, Support: DJ's Cide by Side, Angel by Fall Soundsystem, Jonas Selekta, Zion Sounds Int. Stil: Live African Drum Jazz
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: Limewax (UK/NL), Deejaymf, VCA, S.I.P, Sylek. Stil: Drum'n'Bass

So 22.02.09
20.00 Uhr - Frauenraum - Sex am Sonntag (mit Barbetrieb ab 19.00 Uhr): No body is perfect, Raphaël Sibilla, F, 2006, 110 min. Doku über Body Modification und Sex zwischen Lust & Schmerz. Sex, Tattoo & Rock'n'Pain-Show"

Infos: www.reitschule.ch

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BLINDE INSEL
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Sonntag 15.2.09

Für einmal bleibt nichts als die Stimme

Das sinnliche Erlebnis in der Dunkelheit des Restaurants Blinde Insel in der Reitschule Bern regt vor allem Sinn für Klimawandel an

 In einem Zelt in der Grossen Halle der Reitschule Bern servieren blinde und sehbehinderte Menschen ein besonderes Abendessen. Ein Reisebericht von der Blinden Insel, wo sich die "Dunkelprofis" gewandt zurecht finden und die Gäste unbeholfen und fremd fühlen.

 Von Jessica Allemann (Text und Bild)

"Willkommen auf der Blinden Insel bei denen, die schon lange hier leben", höre ich Franz Hohler durch die Lautsprecher sagen. Die Klangquelle scheint direkt über meinem Kopf zu schweben, sehen kann ich sie nicht, es ist stockfinster auf der Blinden Insel. Vor wenigen Minuten sind wir Gäste durch einen dünnen Schlitz in das völlig abgedunkelte Zelt und zum Stuhl hingeführt worden. Sofort legt sich die Dunkelheit eng um den Körper, man ist auf einmal nur noch sich selbst gewahr.

Eilig spricht man sich an und stellt sich vor, um das beengende Gefühl der Schwärze abzustreifen. Unbeholfen verzichtet man aber aufs Händeschütteln. Die Tischnachbarn bleiben denn nichts als ihre Stimmen. Angestrengt versuche ich, Untertöne und Schwankungen ihrer Stimmen wahrzunehmen. War das jetzt ernst gemeint oder mit einem Hauch Ironie versehen? Wurde ich da gerade angesprochen und von wem? Wie einfach es im Vergleich doch ist, sich auf Mimik und Gestik zu verlassen!

 Jolanda heisst unsere Bedienung, sie ist ein "Dunkelprofi", so werden die Blinden und Sehbehinderten auf der blinden Insel genannt. Und so professionell sich Jolanda mit Tellern und Getränken durch die Dunkelheit zu bewegen scheint, so ungeschickt ertaste ich das Besteck und hoffe, das Glas nicht umzustossen. Mit einer unaufdringlich zarten Berührung am Oberarm kündigt Jolanda ihre Anwesenheit an und setzt den Suppenteller vor mir auf dem Tisch ab. Die Suppe ist auf jeden Fall "gemüsig", salzig und süss zugleich, mehr lässt sich auch mittels angeregten Spekulierens am ganzen Tisch nicht erraten.

Ein Gong kündigt Franz Hohlers Ballade "Der Weltuntergang" an. In rasantem Tempo schildert der Autor das Aussterben des kleinen, dreckigen Käfers, das eine Kettenreaktion in Gang setzt, der am Ende alles Leben auf der Welt erliegt. Hohler berichtet, er habe sich besonnen: "der Weltuntergang, meine Damen und Herren, hat schon begonnen".

Eine beklemmende Stille hat sich im Zelt ausgebreitet, und die Dunkelheit überlässt uns ihr erbarmungslos. Nur langsam kehrt das Leben in die Finsternis zurück. Doch allmählich und mit dem Hauptgang findet man sich alsdann zurecht. Das Zelt hat sich mit Geräuschen und Stimmen gefüllt und verleiht einem so eine Vorstellung seines Raumes. Man hat aufgegeben, angestrengt nach schemenhaften Umrissen und schwachen Lichtquellen zu suchen, man ist endlich angekommen auf der Blinden Insel.

 Ein schwaches, kaum wahrnehmbares Licht leuchtet kurz auf und löst allgemeines Empören aus. Licht zu machen ist auf der Blinden Insel Frevel. Und dennoch bin ich zuletzt froh, mich an den Schultern einer fremden Frau mit einer fröhlichen Stimme festhaltend, in kleinen Schritten die Dunkelheit hinter mir zu lassen und durch den blendenden Schlitz ins Licht schlüpfen zu können. Mitgenommen denke ich an den kleinen dreckigen Käfer, und die Worte Franz Hohlers kreisen mir in meinem Kopf: "Wo haben wir denn bisher gelebt? Auf einer blinden Insel?"

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"Im Dunkeln sind wir die Behinderten"

Zum ersten Mal findet die blinde Insel unter einem Motto statt. Mit vom Band abgespielten Texten zum Thema Klimawandel werden die Abendessen in Dunkelheit um einen Aspekt erweitert: "Durch den Verzicht auf den Sehsinn lassen wir uns anders auf das Thema ein, von dessen Wahrnehmung wir sonst abgeschnitten sind", erklärt Giorgio Andreoli, der Organisator der blinden Insel. Es sei ein Experiment des Perspektivenwechsels, sowohl in Bezug auf das Thema als auch auf das Sehen: "Im Dunkeln sind wir die Behinderten". Auch die "Dunkelprofis" empfinden die Abende als Perspektivenwechsel. "Es ist ein Rollentausch, im Dunkeln bin ich am längeren Hebel", sagt Jolanda, die vorher zahlreiche Gäste bedient hat. "Hier kann ich mal behilflich sein, wo ich doch sonst oft auf andere angewiesen bin." Selbst nach fünf Jahren sei das Servieren aber keine Routine geworden, "ich habe immer noch Lampenfieber wie beim ersten Mal". (jab)

Weitere Reisen auf die Blinde Insel mit Texten von Endo Anaconda, Grazia Pergoletti, Pedro Lenz und anderen sind bis zum 28. März möglich. Infos und Reservation unter www.grossehalle.ch

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BIG BROTHER
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Sonntag 15.2.09

Nationale Spielregeln für Polizeidaten

Heute hat jeder Kanton seine eigenen Regeln. Das wollen Bundespolitiker nun ändern

In Zürich sind die Überwachungskameras, die für die Fussball-Europameisterschaft montiert wurden, verschwunden. Nächstes Jahr sollen sie aber wieder aufgestellt werden. Denn dann verfügt die Stadt über die nötigen rechtlichen Grundlagen. In Bern können die Kameras schon früher wieder filmen: Das kantonale Parlament hat das Polizeigesetz entsprechend revidiert.

Die Videoüberwachung und die Datenerfassung sind Domäne der Kantone - oder werden allenfalls an die Gemeinden delegiert. Der Bund jedoch hat nichts zu melden. Das will die überparteiliche, IT-affine Interessengruppe E-Power jetzt ändern: Die SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher wird in der Frühlingssession einen entsprechenden Vorstoss einreichen. Darin verlangt sie, dass "auf eidgenössischer Ebene einheitliche Standards im Umgang mit gerichtspolizeilichen Daten geschaffen werden".

 Die Regeln sollen festhalten, wie Daten erfasst und wie lange sie aufbewahrt werden dürfen - unter welchen Umständen sie ausgetauscht werden können und wer sie einsehen darf. "Wir brauchen hier klare Regeln und Transparenz", sagt Graf-Litscher, die sich bei E-Power ums Thema Datenschutz kümmert.

 Schützenhilfe erhält die E-Power-Gruppe von der Polizei-Plattform für Informatik und Cybercrime (Spik). "Es ist doch unsinnig, dass fast jede Stadt ihre eigenen Regeln aufstellt, dass jeder Kanton sein eigenes Regime fährt", sagt Spik-Geschäftsführer Mark Saxer. Die Polizeihoheit soll bei den Kantonen bleiben, doch die Regeln sollten vereinheitlicht und die Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen verbessert werden. "Die Kriminalität macht nicht an der Kantonsgrenze Halt."

Applaus gibts für die Bundespolitiker auch von unerwarteter Seite: von den Kantonen. Der Vorstand der Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) "unterstützt die Stossrichtung des Vorstosses", so Roger Schneeberger, Generalsekretär der KKJPD. Florence Vuichard

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RASSISMUS
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NZZ am Sonntag 15.2.09

Der Rassist kommt ins Altmetall

In St. Gallen soll eine Strasse umbenannt werden, die nach Paul Kruger benannt ist. Nicht alle finden dies richtig.

Simone Schmid

"Wir sind keine Rassisten", sagt Pius Jud am Telefon. Dennoch hinterlasse sein Engagement bei vielen einen Nachgeschmack: Der Präsident des St. Galler Quartiervereins Lachen kämpft nämlich dafür, dass die Krügerstrasse Krügerstrasse bleibt. Eine heikle Sache: Die Strasse trägt den Namen von Paul Kruger, dem südafrikanischen Politiker, der als Rassist und Wegbereiter der Apartheid gilt.

Im Quartier ist das zweitrangig. "Die wenigsten wissen, wer Kruger wirklich war", so Jud. Man habe sich einfach an den Namen gewöhnt. Zudem seien die Anwohner nicht gefragt worden, ob sie eine Umbenennung wollten; das lasse man sich nicht gefallen. Der Quartierverein hat schon den zweiten Rückkommensantrag an den Stadtrat gestellt, mit der Forderung, auf die Umbenennung zu verzichten.

Théo Buff von der Strassenbenennungskommission findet den Widerstand seltsam. "Es überrascht mich, wie nachhaltig sich einige nun plötzlich für einen Rassisten einsetzen." Für einen Mann, der die Schwarzen Südafrikas "hinterhältige Häuptlinge" nannte oder "Kaffer" und "Wilde", die den Weissen unterlegen seien.

Schon 1986 forderte die Anti-Apartheid-Bewegung, dass man die Strasse in "Nelson-Mandela-Strasse" umtaufen soll. Der Vorstoss scheiterte daran, dass Nelson Mandela noch lebt: In St. Gallen dürfen Strassen nur nach Verstorbenen benannt werden. Der Tod des St. Galler Altbundesrates Kurt Furgler brachte letzten Herbst Bewegung in den Stadtplan: Der Stadtrat beschloss, Furgler mit einer Strasse zu ehren. Da es nicht mehr viele neue Strassen in St. Gallen gibt, wurde die grosse Strassen-Rochade beschlossen: Die Furglerstrasse kommt anstelle der Dürrenmattstrasse in die Stadtmitte, und die Krügerstrasse wird in Dürrenmattstrasse umbenannt.

Keine gute Lösung, findet Geschichtsprofessor Jörg Fisch von der Uni Zürich. "Man sollte die Krügerstrasse als Zeugnis der Geschichte behalten." Der Name stehe für die Begeisterung, die der Burenkrieg auch hier ausgelöst habe. Nächste Woche teilt der Stadtrat mit, ob die Umbenennung stattfindet. Falls ja, wird laut Théo Buff das Schild abgehängt und "Kruger im Altmetall entsorgt".

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HANDICAP
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NZZ am Sonntag 15.2.09

Kein roter Pass für Behinderte

Einbürgerungspraxis bei Behinderten führt faktisch zu Ausschluss vom Bürgerrecht

Der Fall der geistig behinderten Angolanerin, die den roten Pass vor Bundesgericht erkämpfen musste, ist keine Ausnahme. Beim Bund prüft man nun eine Regelung im Bürgerrecht.

Heidi Gmür

Die Hürden für behinderte Ausländer, die sich einbürgern lassen wollen, sind hoch. Abgewiesene Gesuche aus mehreren Gemeinden zeigen, dass sie aufgrund der aktuellen Praxis meist sogar unüberwindbar sind. Bekannt ist der Fall einer 22-jährigen Frau aus Angola, die geistig behindert ist. Die Zürcher Gemeinde Mettmenstetten wollte sie nicht einbürgern, weil ihr die "Fähigkeit zur wirtschaftlichen Selbsterhaltung" fehle. Das Bundesgericht erachtet dies aber als diskriminierend und hat im Januar zugunsten der Frau entschieden. Es hielt fest, dass die behinderte Frau "kaum je in der Lage sein wird, ihre finanzielle Abhängigkeit aus eigenen Stücken zu beheben". Folglich würde sie im Einbürgerungsverfahren gegenüber gesunden Bewerbern auf unbestimmte Zeit hinaus benachteiligt.

Andere Fälle zeigen, dass Behinderte auch an anderen Kriterien als der fehlenden wirtschaftlichen Unabhängigkeit scheitern können. Im August 2008 hat eine Zuger Gemeinde einem zwölfjährigen Kind den Schweizer Pass verweigert. Im Protokoll hielt der Bürgerrat fest: "Beim Gesuch um Einbürgerung handelt es sich um eine Willenserklärung des Bewerbers, das Bürgerrecht zu erwerben. Dies setzt voraus, dass der Bewerber bezüglich des Einbürgerungswillens urteilsfähig ist." Das müsse hier verneint werden, weil das Kind "geistig behindert ist"; es "erkennt weder die Tragweite noch Auswirkung einer Einbürgerung".

Ähnlich argumentierte eine Zürcher Gemeinde 2005 im Fall eines ebenfalls zwölfjährigen Kindes. Der Gemeinderat hatte es zu einer "Aussprache" eingeladen, über die er später schrieb: "Es hat sich gezeigt, dass mit X. ein Gespräch in Mundart kaum geführt werden kann. Ebenso hat X. wenig Interesse am Bürgerrecht gezeigt bzw. weiss kaum, um was es dabei geht. Unter diesen Umständen ist die Eignung/soziale Integration nicht gegeben und das Gesuch abzulehnen." Die Gemeinde geht davon aus, dass "von Gesuchstellenden, welche hier die Schule absolvieren, erwartet und vorausgesetzt werden kann, dass sie einwandfrei Mundart sprechen." Allein: Das Kind hat einen Intelligenzquotienten von 50, gilt als behindert und wird wohl nie "einwandfrei Mundart" sprechen können.

Ebenfalls in einer Zürcher Gemeinde ersuchte letztes Jahr eine 24-jährige Türkin um den Schweizer Pass, vertreten durch ihren Amtsvormund. Sie lebt seit ihrer Geburt in der Schweiz, leidet an einer "mittelgradigen Intelligenzminderung mit Invalidität". Der Gemeinderat lehnte ihr Gesuch ab. Die Begründung lautete: "Aus den Ausführungen geht hervor, dass X. nicht aus eigenem Ersuchen das Einbürgerungsgesuch stellte und auch ihre eigene Staatsbürgerschaft nicht deuten kann."

Solche Fälle treiben die Behindertenverbände um. Dass das Bundesgericht zugunsten der Angolanerin entschieden hat, sei "sehr erfreulich", sagt Caroline Hess-Klein, die die Fachstelle Egalité Handicap leitet. Sie glaubt aber nicht, "dass dies bei allen Gemeinden zu einer Praxisänderung führen wird". Wichtig wäre daher ein politisches Signal aus Bern oder eine Empfehlung der Kantone, wonach bei Einbürgerungsgesuchen von Behinderten "den besonderen Umständen Rechnung getragen werden muss". Olga Manfredi vom Gleichstellungsrat sagt: "Wir wählen unsere Behinderung nicht selber - sie kann kein Grund sein, uns zentrale Rechte abzusprechen."

Beim Bundesamt für Migration ist man sich der Problematik bewusst. Laut Vizedirektor Mario Gattiker wird derzeit eine neue Vorschrift im Rahmen der Revision des Bürgerrechtsgesetzes geprüft, um der speziellen Situation von Behinderten gerecht zu werden: "Man kann jemanden nicht a priori vom Bürgerrecht ausschliessen, weil er objektiv daran gehindert ist, die Kriterien zu erfüllen." Gattiker betont aber, dass eine Regelung im eidgenössischen Bürgerrechtsgesetz primär der Klarstellung der Rechtslage für das Verfahren beim Bund dienen könnte und für die Kantone und die Gemeinden nicht bindend wäre - "sie könnte jedoch eine Signalwirkung haben".

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GEWALTDEBATTE SO
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Sonntag 15.2.09

Nicht mehr Delikte, dafür heftigere

Prügeleien an Wochenenden in der Region

Scheinbar grundlos waren am letzten Wochenende drei junge Männer bei der Kulturfabrik Kofmehl in Solothurn in eine Schlägerei verwickelt worden. Gegenüber dieser Zeitung erzählen sie, wie es ist, wenn man zum "Prügelopfer" wird. "Ich fragte nach, was los sei", erzählt ein 20-Jähriger, der letzten Samstagabend sah, dass seine Kollegen vor der Halle in einen Streit verwickelt waren. "Als Antwort bekam ich eine Faust mitten in die Fresse."

Prügeleien haben sich in der Region zum Wochenendphänomen entwickelt. Für die Kantonspolizei Solothurn bildet das Quartier rund ums Kofmehl eines der "Schwerpunktgebiete" in Solothurn. Finde dort ein Anlass statt, würden regelmässig Patrouillen vorbeigeschickt, sagt Frank Wilhelm, Sprecher der Kantonspolizei Solothurn. Dabei werde Hand in Hand mit der Stadtpolizei sowie dem Sicherheitsdienst der Kulturfabrik, Van Geen Security, zusammengearbeitet. Der Betreiber Patrick Vangeen hält fest, dass sich die Verhältnisse in Solothurn gegenüber anderen Kantonen nicht unterscheiden. "Es gibt unter den Jugendlichen eine kleine Minderheit, die immer wieder negativ auffällt." Gewaltdelikte kämen heute nicht häufiger vor als vor zehn Jahren, "die Heftigkeit hat aber zugenommen", so Vangeen. Oft spiele Gruppendynamik eine Rolle. (nie) > Seite 53

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"Die Polizei tut, was in ihrer Macht steht"

Für die Kantons- und die Stadtpolizei Solothurn bildet das Quartier Obach rund um die Kulturfabrik Kofmehl vor allem am Wochenende eines der "Schwerpunktgebiete" in Solothurn. Wenn dort Anlässe stattfinden, werde dem Gebiet erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. "Wir schicken regelmässig Patrouillen vorbei und arbeiten Hand in Hand mit der Stadtpolizei und dem Sicherheitsdienst der Kulturfabrik Kofmehl (Van Geen-Security)", sagt Frank Wilhelm, Sprecher der Kantonspolizei Solothurn. Zum Vorfall vom letzten Wochenende finden derzeit weitere Abklärungen statt. Zwei der Tatverdächtigen wurden am Sonntagmorgen von der Polizei angehalten und vorübergehend in Gewahrsam genommen. "Nach Identitätsfeststellung und Befragung wurden die Beschuldigten in diesem Fall entlassen", so Wilhelm. "Unsere Arbeit besteht bei einer Schlägerei darin, den Sachverhalt abzuklären und der Staats- resp. Jugendanwaltschaft zu rapportieren. Dazu gehören Befragungen von Opfern und Tatverdächtigen, Beweise sichern etc." Die Kantonspolizei erfasst Delikte, Opfer und Tatverdächtige und nicht Umschreibungen wie "Schlägerei". Die Sicherheitslage wird jedoch laufend in der Kriminalanalysestelle beurteilt. "Zudem stellen wir fest, dass der Alkoholkonsum bei Jugendlichen bei Schlägereien oft eine Rolle spielt", so Wilhelm. (abs)

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"Das Problem betrifft nicht nur Sicherheitsdienste"

Patrick Vangeen ist mit seiner Sicherheitsfirma Van Geen-Security für mehrere Veranstalter in der Region Solothurn tätig. Er hält fest, dass sich die Verhältnisse in Solothurn gegenüber anderen Kantonen nicht unterscheiden: "Auch in Solothurn gibt es neben den rund 98 Prozent zuvorkommenden und engagierten Jugendlichen eine kleine Minderheit, die leider immer wieder negativ auffällt. Ich stelle fest, dass sich die Art und Häufigkeit der Gewaltdelikte im Laufe der letzten zehn Jahren nicht verändert haben. Die Heftigkeit von einzelnen Gewaltdelikten hat aber zugenommen." Der kleinen Minderheit an gewaltbereiten Jugendlichen fehle es an einer gesunden Portion Respekt, und es sei oft ausserordentlich schwierig, mit diesen Jugendlichen das Gespräch zu suchen. "Sehr oft spielt Gruppendynamik eine entscheidende Rolle". Der Sicherheitsfachmann findet es notwendig, dass Opfer vermehrt Anzeige erstatten: "Die kleine Minderheit, die solche Delikte verübt, muss bestraft werden". Nur so lernen die Täter, Eigenverantwortung und einen gesunden Menschenverstand zu entwickeln. "In dieser Thematik sind nicht nur wir Sicherheitsleute und die Veranstalter gefordert - sondern auch Eltern, Kollegen, Lehrer, Lehrmeister, Arbeitgeber - wir alle eben!" (abs)

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"Eine Faust mitten in die Fresse"

Schlägereien entwickeln sich in der Region zum Wochenendphänomen - drei Opfer berichten

Erst flogen die Fäuste, später auch Steine. Fünf junge Männer waren am Wochenende offenbar grundlos in eine Schlägerei verwickelt worden. Schockiert erzählen drei von ihnen wie es ist, wenn man zum "Prügel- opfer" wird.

von Astrid Bucher

"Ich hatte Glück, dass der Stein nicht spitziger war", sagt Tristan B.*. Er war eines der Opfer, das am vergangenen Wochenende in eine Schlägerei bei der Kulturfabrik Kofmehl in Solothurn verwi- ckelt war (wir berichteten). Tristan und seine vier Freunde wurden von zwei Ausländern und einem Schweizer angegriffen. Der Rädelsführer ist bei den Opfern bekannt als Schläger. Nennen wir ihn in diesem Bericht Farit.

Zusammen mit Robin A.* und Fabian Z.* spazierte Tristan am Samstagabend nach 23 Uhr in die Kulturfabrik Kofmehl. Jonas Z.* und Sandro P.* wa-ren vor der Halle bereits in ein "Gstürm" mit Sascha verwickelt. "Ich fragte nach, was los sei", sagt Tristan: "Als Antwort bekam ich von Farit eine Faust mitten in die Fresse." Robin erinnert sich: "Er hatte sofort Nasenbluten." Alle fünf Männer seien in die Defensive gegangen. Niemand kann einen plausiblen Grund für eine Schlägerei nennen.

 Die jungen Männer sind sich einig, dass sie "grundlos angepöbelt" worden sind. "Farit war am durchdrehen", erinnert sich Jonas. "Seine beiden Kollegen haben ihn zurückgehalten und gesagt, dass wir die Falschen seien." Offenbar war er auf einem Rachefeldzug. "Es war da etwas wegen einer Uhr", weiss Robin. Die Freunde wichen also vom Eingang zum Kofmehl-Areal unter die Westumfahrungs-Brücke aus. Worauf Robin von Farit angegriffen und geschlagen wurde und schliesslich zu Boden ging. Dabei erlitt er ein kurzes Blackout und weiss heute nicht mehr alles. "Als ich wieder zu mir kam, sind plötzlich die Steine geflogen", erzählt Robin. Auch Jonas hat Prügel abbekommen. Ausser ein paar Schürfungen sei zum Glück nichts weiteres passiert: "Farit ist extrem schnell und aggressiv auf mich losgegangen", erinnert sich Jonas. "Ich schützte mit den Armen meinen Kopf, ging dann zu Boden, worauf mich die Angreifer zu zweit mit den Füssen traten."  Die Angreifer stuft auch Robin als "absolut aggressiv" ein. "Ich bin scho- ckiert ob deren Brutalität. Alles ging sehr schnell", sagt er. Am härtesten trafen die Angreifer Tristan. Sie verletzten ihn unterhalb des Auges und am Arm. Robin und Tristan mussten sich im Spital verarzten lassen. "Ich habe niemanden provoziert", versichert Tristan. Weil Tristan den Anführer Farit kennt, möch- te er seine eigene Identität nicht preis- geben. "Ich habe Angst, dass er mir irgendwo auflauert und sich an mir rächen will", sagt er. Trotzdem hat er am letzten Donnerstag bei der Polizei Anzeige erstattet. Was im Falle einer Gerichtsverhandlung später so oder so zu einer Gegenüberstellung mit dem Täter führen wird. Robin werde noch Anzeige erstatten: "Ich habe nächste Woche einen Termin auf dem Polizeiposten, da werde ich aussagen", sagt er. Das Erlebte sitzt noch immer tief im Nacken. "Ich frage mich, ob ich künftig am Wochenende überhaupt noch aus- gehen soll", sagt Tristan. Robin plagen ähnliche Gedanken: "Ich hatte unheimliches Glück. Es hätte viel Schlimmer kommen können", sagt er im Nachhinein. Der Unterkiefer schmerze ihn zwar noch ein wenig, aber viel tiefer sitzt der Schock: "Ich war zum ersten Mal in eine Schlägerei verwickelt, das ist schon ein komisches Gefühl", sagt Robin fassungslos. Tristan, der 195 Zentimeter grossgewachsene 20-Jährige, bemerkt: "Eigentlich müsste man meiner Grösse wegen Respekt vor mir haben." Trotzdem komme es immer wieder vor, dass er an Wochenenden ungewollt in Pöbeleien gerate.  * Alle Namen der Redaktion bekannt

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NEONAZIS BRD
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20min.ch 15.2.09

Nach Anti-Nazi-Demo

Neonazis überfallen Gewerkschafts-Bus

Auf einem Autobahnparkplatz bei Jena haben Neonazis am Samstagabend eine Bus des Deutschen Gewerkschaftsbundes gestürmt. Sie verletzten mehrere Personen.

Bei den Opfern handelt es sich um Teilnehmer der Dresdner Grossdemonstration gegen Rechts aus Nordhessen, wie die Polizei in Jena mitteilte. Ein Sprecher der Linkspartei erklärte, auch mehrere Mitglieder seiner Partei seien darunter gewesen. Die Gruppe war mit einem Bus des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf dem Rückweg von Dresden und legte gerade eine Pause ein, als sie von den Neonazis angegriffen wurde.

Laut Polizei erlitten fünf Demonstranten leichte Verletzungen an Oberkörper und Gesicht. Zwei von ihnen wurden im Uniklinikum Jena ambulant behandelt, die anderen wurden von Ärzten vor Ort versorgt. Die Linkspartei sprach in einer Mitteilung von zwei Schwer- und drei Leichtverletzten. Die Neonazis konnten mit ihrem Bus zunächst entkommen, wurden aber später von der Polizei gestellt. "Erste Schritte der Strafverfolgung" seien eingeleitet, teilte die Polizei mit. Der Staatsschutz ist eingeschaltet.

Der Vorsitzende der hessischen Linkspartei, Ulrich Wilken, erklärte: "Die immer häufiger und brutaler werdenden Gewalttaten von Neonazis erschrecken mich." Er hoffe, dass die Täter schnell gefasst würden. Alle Verantwortlichen müssten endlich wirksam gegen die Neonazi-Szene vorgehen. In Dresden hatten am Samstag nach Veranstalterangaben rund 12 500 Menschen aus ganz Deutschland gegen einen Aufmarsch von etwa 5000 Neonazis in der Stadt demonstriert.

Quelle: AP