MEDIENSPIEGEL 25.2.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Progr: Parteien positionieren sich
- Bonsoir Aarbergergasse
- GastroBern gegen Rauchverbot-Schikanen
- Rechtsextremismus-Studie
- BRD: Nazirocker kauft "Hardcore"
- Gipfelsoli-News 25.2.09
- Stadtrat 29.1.09: Gitterzaun Neuengasse - Wagenplätze

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REITSCHULE
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- Feb 09: Beteiligt Euch an der Vorplatz-Präsenz!!!

PROGRAMM:

Di 24.02.09  
20.30 Uhr - Tojo - Lustiger Dienstag # 38. Mehr als Variété. LuDi-Crew und Gäste.

Mi 25.02.09
19.00 Uhr - SousLePont - Appenzeller Spezialitäten
19.30 Uhr - Kino - "Neustart Schweiz" Buchvorstellung und Diskussion mit P.M.
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel; Küche: Restaurant Dampfzentrale mit Texten von Endo Anaconda "Nasse Füsse"
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne Nr. 110

Do 26.02.09
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel; Küche: Restaurant Dampfzentrale mit Texten von Endo Anaconda "Nasse Füsse"
20.00 Uhr - Frauenraum - Hinterhoflounge goes Karaoke Vol.2
20.30 Uhr - Kino - UNCUT: The World Unseen, Shaim Sarif, Südafrika 2007

Fr 27.02.09
19.15 Uhr - Frauenraum - Crashkurs für Tanzbar
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel; Küche: Restaurant Dampfzentrale mit Texten von Endo Anaconda "Nasse Füsse"
21.00 Uhr - Frauenraum - TanzBar mit DJ Grisumel. Gesellschaftstänze und Disco für Frau und Frau, Mann und Mann und friends.
21.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus: Rawestgah - The Stop, Haco Cheko, Grossbritannien 2006, 18 Min. The stars of my homeland - Stêrken Welatê Min, Shirin Jihani, Irak 2008, 76 Min
22.00 Uhr - SousLePont - Flieger (BE) Plattentaufe & Pirol (BE). Stil: Rock und Stoner PostRock
23.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East Mini-Festival: Shantel (DJ Set). Stil: Balkan Beats

Sa 28.02.09
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde Insel; Küche: Restaurant Dampfzentrale mit Texten von Endo Anaconda "Nasse Füsse"
21.00 Uhr - Kino - Kurdischer Filmzyklus: Hersey Bembeyaz, Sabite Kaya, Türkei 2006, 20 Min. Close-up Kurdistan, Yüksel Yavuz, D 2007, 104 Min.
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East Mini-Festival: !Dela Dap (HUN), Support: DJ Silence. Stil: Balkan, World, Electronica

So 01.03.09
19.00 Uhr - Frauenraum - Sex am Sonntag-Bar
20.00 Uhr - Frauenraum - Sex am Sonntag:-Film: "Je t'aime, moi non plus", von Serge Gainsbourg, F, 1976, 87min, dt.

Infos: www.reitschule.ch

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PROGR
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BZ 25.2.09

Progymnasium

Parteien beziehen Position

SP, GB/JA!, CVP und GLP wollen Pro Progr eine Chance geben, die SVP nicht. Die FDP beschloss Stimmfreigabe.

Peter Aerschmann und seine Mitstreiter von Pro Progr hatten in den letzten Tagen viel zu tun. Sie führten Gespräche mit allen Stadtratsfraktionen - bis auf jene der SVP. Dort sei kein direkter Kontakt zu Stande gekommen. Aerschmann kämpft für eine Variantenabstimmung. Das Projekt "Pro Progr" als Nachfolgelösung für die Zwischennutzung im Progymnasium soll dem Stimmvolk am 17.Mai zur Beurteilung vorgelegt werden. Denn die im November vom Stadtrat geforderten Bedingungen seien erfüllt worden. Auch der Gemeinderat sieht in seinem Vortrag eine Variantenabstimmung vor, unterstützt wird er von den Fraktionen SP und GB/JA!. Die Grünliberalen (GLP) knüpfen ihr Ja zu einer Variantenabstimmung am 5.März an Bedingungen, wie sie gestern in einem Communiqué schrieben: Das Gebäude müsse an die Stadt zurückfallen, falls die Stiftung ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könne. Zudem verlangt sie, Personen, die zusammen mindestens zwei Millionen Franken ans Projekt leihen oder spenden würden, müssten sich namentlich dazu bekennen. Schliesslich sei der Baurechtszins für zwei Jahre als Sicherheit zu hinterlegen.

Die Rückfallklausel und der hinterlegte Baurechtszins kann Pro Progr laut Aerschmann bereits zusichern. Über fünfzig der unterstützenden Einzelparteien seien zudem bereit, sich mit Namen nennen zu lassen. Die CVP ist unter ähnlichen Vorbehalten ebenfalls für eine Variantenabstimmung. Die SVP schliesst sich der Haltung der vorberatenden Kommission an, die dem Volk nur das Siegerprojekt "Doppelpunkt" vorlegen will. Die Fraktion GFL/EVP und die BDP entscheiden sich in einer Woche.

FDP-Parteipräsident Thomas Balmer, selber im Immobiliengeschäft tätig, attestiert dem Pro-Progr-Projekt, dass es "seriös zusammengestellt" sei. Er kommt zum Schluss: "Es geht." Problematisch sei einfach, dass die Stadt mit einem zwar unglücklich angesetzten Wettbewerb quasi "ein Versprechen" an die Siegerin Allreal abgegeben habe. Die FDP beschloss laut Dolores Dana gestern Abend als Konsequenz dieses Dilemmas Stimmfreigabe.

cab

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bern.grunliberale.ch 24.2.09

Grünliberale Partei Stadt Bern

Medienmitteilung

Progr: glp-Fraktion stellt Bedingungen für die Zustimmung zu einer Variantenabstimmung

Die glp-Fraktion wird an der Stadtratssitzung vom 5.März einer Variantenabstimmung nur dann zustimmen, wenn die Progr-Künstler/-innen bis dann mehr Sicherheiten und Transparenz bezüglich der Finanzierung bieten können. Dazu müssen sie Anforderungen an die Zusammensetzung des Stiftungsrates erfüllen, sowie einer Rückfallklausel und einem Vorkaufsrecht für die Stadt zustimmen.

Am 17. Mai befinden die Berner Stimmberechtigten über einen möglichen Verkauf des Progr. Der Berner Stadtrat entscheidet bereits am 5. März darüber, ob am 17. Mai einzig das Projekt Doppelpunkt vor das Volk kommt oder ob es zu einer Variantenabstimmung mit dem Doppelpunkt-Projekt und dem Projekt der Progr- Künstler/-innen kommt.

Die glp-Fraktion wird einer Variantenabstimmung nur zustimmen, wenn die Progr-Künstler/-innen für das Künstlerprojekt bis zum 5. März mehr Sicherheiten und Transparenz bezüglich Finanzierung (Kauf-, Sanierungs- und Betriebskosten) und Führung (Stiftungsrat) bieten können. Auch soll die Stadt ein Vorkaufsrecht haben, falls die Künstler/-innen das Gebäude wieder verkaufen möchten. Dadurch soll verhindert werden, dass der Progr zu einem Spekulationsobjekt mit ungewisser künftiger Nutzung verkommt.

1. Rückfallklausel

Die Künstler/-innen müssen einer Rückfallklausel für das Gebäude zur Stadt zustimmen, welche dann wirksam wird, wenn sie die Betriebskosten nicht mehr selbstständig tragen können oder wenn sie vereinbarte Termine (bspw. bezüglich der Sanierungsarbeiten) aus eigenem Verschulden nicht einhalten können. Der Kaufpreis muss in dem Fall so festgesetzt werden, dass für die Stadt keine zusätzlichen Kosten anfallen und einzig der Zeitwert der getätigten Sanierungsarbeiten abgegolten wird.

2. Vorkaufsrecht für die Stadt

Mit der Stadt muss ein Vorkaufsrecht vereinbart werden, welches dann wirksam wird, wenn die Künstler/- innen das Gebäude verkaufen möchten. Der Vorkaufspreis darf sich ausschliesslich aus dem von den Künstler/-innen getätigten Kaufpreis und dem Zeitwert der Sanierungsarbeiten zusammensetzen.

3. Stiftungsrat

Der Stiftungsrat ist bezüglich seiner Fachkompetenz breit auszugestalten. Konkret darf er nicht nur aus Künstler/-innen bestehen, sondern es müssen auch die Bereiche Betriebswirtschaft, Immobilien und Recht vertreten sein.

4. Mehr Transparenz bei den Absichtserklärungen

Von den eingegangen Absichtserklärungen sollen mind. 2 Millionen Franken (also annähernd die Hälfte der Absichtserklärungen) auf ein Sperrkonto eingezahlt werden. Unter Berücksichtigung der knappen Zeit bis zum 5. März, ist die glp-Fraktion auch einverstanden, wenn Personen, welche zusammen einen Betrag von mind. 2 Millionen Franken zugesichert haben, ihren Namen der Öffentlichkeit bekannt geben und die Gesamtsumme dieser Absichtserklärungen notariell beglaubigt und veröffentlicht wird.

5. Hinterlegung einer "Kaution" von mindestens zwei Jahressätzen des Baurechtszinses auf ein Sperrkonto

Wie von den Künster/-innen versprochen, muss bis zum 5. März ein Sperrkonto mit zwei Jahressätzen des Baurechtszinses eingerichtet werden. Dies für den Fall, dass die Künstler/-innen den Betrieb nicht mehr finanzieren können. Dies soll verhindern, dass anfallende Betriebskosten auf die Stadt abgewälzt werden.

Sämtliche dieser Forderungen wurden den Progr-Künstler/-innen von der glp-Fraktion bereits mitgeteilt.

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BONSOIR
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BZ 25.2.09

Christoph Haller, Club "Bonsoir"

"Grosse Namen reizen mich nicht"

Interview: Sarah Pfäffli

Am 13.März eröffnet in Bern ein neuer Club: das "Bonsoir" an der Aarbergergasse. Christoph Haller macht das Programm im neuen Ausgehlokal. Der DJ der Round Table Knights will Stars von morgen nach Bern holen.

Zum "Bonsoir" gelangt man über eine Treppe, die von der Passage an der Aarbergergasse 35 in den Untergrund führt. Noch bedeckt Staub die Bar, die Soundanlage fehlt, und die künftige Lounge, ein separater Raum, ist mit Möbeln zugestellt. Doch lässt sich bereits vor der Eröffnung am 13.März erahnen, dass Berns neue Disco kein Standardclub sein wird: Entlang der dunkelroten Wand steht eine Reihe alter Kommoden; die Brockenstubenmöbel dienen, mit einer Verschalung versehen, als Sitzbänke. Auch Flohmi-Lampen und zwei mit alten Zeitungsannoncen und Plakaten tapezierte Wände sollen in den renovierten Räumen für coolen Trash-Chic sorgen.

Christoph Haller (25), Programmverantwortlicher des Clubs, betritt sein neues Reich in leuchtend farbigen Turnschuhen. Haller alias DJ Biru Bee der Round Table Knights bleibt kurz stehen und schaut sich um. "Jedes Mal, wenn ich herkomme, steht wieder etwas Neues", sagt er. Dann lächelt er. "Ich freue mich extrem."

Christoph Haller, kürzlich hat mit dem "Prestige" wieder ein Club dichtgemacht. Ist Bern ein hartes Pflaster für Discos?

Christoph Haller: Ja, sicher. Aber die Stadt birgt auch ein grosses Potenzial im Bereich Nachtleben. Die Nachfrage nach einem guten Club ist gross.

Was lässt Sie darauf schliessen?

 Ich kriege jedes Wochenende Mails und SMS von Leuten, die nicht wissen, wohin sie in den Ausgang gehen sollen. Seit bekannt ist, dass wir einen Club eröffnen, erhalten wir ein immenses Feedback. Die Newsletterliste ist schon enorm lang. Sogar mit Bewerbungen für die Stellen an Bar, Garderobe und Kasse wurden wir überschüttet.

Wer soll sein Wochenende im "Bonsoir" verbringen?

Wir möchten ein musikinteressiertes Publikum ansprechen, das einen guten Abend verbringen will. Leute, die gerne Konzerte besuchen und bis spät in die Nacht feiern, aber auch solche, die nur in der Lounge einen Single-Malt-Whisky trinken. Das "Bonsoir" soll zu einem kulturellen Treffpunkt werden.

Gibts eine Alterslimite?

Rein kommt man strikt erst ab 20 Jahren. Offenbar geistert aber das Gerücht umher, die Limite läge bei 25 Jahren. Jemand wollte dagegen sogar eine Facebook-Gruppe gründen. Doch das ist Quatsch.

 In derselben Location waren in den letzten Jahren vier Clubs untergebracht, vom "Toni's" über den Gay-Club "Prinz" bis hin zum "Pure". Jetzt steht schon wieder ein Imagewechsel an. Wie kann das funktionieren?

Mit dem "Bonsoir" sprechen wir ein komplett anderes Publikum an als die bisherigen Veranstalter. Deshalb bin ich überzeugt, dass es klappen wird. Klar habe ich auch Respekt vor dem Business. Aber wir haben ein grossartiges Team, alle verfügen über viel Erfahrung. Und der Standort ist perfekt, mitten in der Stadt.

Eine zentrale Lage bedeutet aber auch: Die Konkurrenz ist nur wenige Meter entfernt.

Wir sehen das eher als grossen Vorteil. Wenns gut läuft, trinken die Leute in der "Turnhalle" ein Bier und kommen danach zu uns, um zu tanzen. Direkte Konkurrenz, also einen Club, der ein ähnliches Programm wie wir anbietet, gibt es in unmittelbarer Nähe nicht. Das "Liquid" etwa ist eine andere Welt.

War die Finanzierung einfach?

Na ja. Gerade zurzeit ist natürlich niemand gewillt, grosse Risiken einzugehen. Aber unser Konzept hat offenbar überzeugt.

Haben Sie bei der Stadt für Subventionen angeklopft?

Nein.

Welches ist Ihr Wunschact?

Das Programm für März und April ist genau so, wie ich es mir gewünscht habe: eine Mischung aus Liveacts und DJs, aus Lokalem und Internationalem. Eines unserer Ziele ist es, hiesigen Bands eine Bühne zu bieten. Mit der Plattentaufe von Must Have Been Tokyo beginnen wir.

Grosse Namen fehlen aber.

Es war nie unser Ziel, zur Eröffnung einen Knüller wie zum Beispiel Justice zu bringen. Grosse Namen zu holen reizt mich nicht, mal abgesehen davon, dass sie zu viel kosten. Im "Bonsoir" sollen die Leute neue Acts entdecken können. So wie damals bei M.I.A.: Eines ihrer ersten Konzerte überhaupt gab sie im "Wasserwerk". Neulich trat sie bei den Grammy-Awards auf. So soll es weitergehen: Auch im "Bonsoir" sollen die Leute Stars von morgen entdecken können.

In einem Club mit Möbeln aus der Brockenstube.

Nun, unser Budget ist beschränkt. Zudem wollten wir keinen hypermodernen Club mit krasser Lasershow kreieren, sondern einen Ort, der heimelig ist, an dem man sich wohl fühlt.

Mit den Round Table Knights traten Sie schon in unzähligen Clubs auf. Gibt es Unterschiede? Oder ist Ausgang überall gleich?

Die Clubs funktionieren - mit graduellen Unterschieden - überall ähnlich. Vielleicht ist die Location einmal High Class, anderswo heruntergekommen, aber das macht nicht die Qualität eines Clubs aus. Das Geheimnis ist eine Kombination aus entdeckungs- und tanzfreudigem Publikum und einem guten Programm.

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"bonsoir"

Von Elektro bis Indie

Im Club Bonsoir an der Aarbergergasse 35 wird ab der Eröffnung am 13.März 2009 vor allem zu Elektro getanzt. Aber nicht nur: So tritt am 21.März etwa der Babyshambles-Schlagzeuger Adam Ficek als Indie-DJ auf, und das Duo The Broken Hearts aus London bringt am 27.März tanzbaren 60er-Jahre-Sound.

 Hinter dem "Bonsoir", das donnerstags (Eintritt Fr.5.-), freitags (Fr.15.-) und samstags (Fr.20.-) geöffnet ist, stehen die Eigentümer der Propeller-Bar, die Agentur Rebelmind Syndicate sowie die früheren "Wasserwerk"-Macher Arci Friede und Dave Marshal, die als Yuhzimi GmbH die PR besorgen.

Im Club ist rauchen zunächst erlaubt. Für die Zeit nach dem Rauchverbot (ab 1.Juli) arbeiten die Betreiber ein Konzept aus. Im "Bonsoir" gibts auch ein Membersystem. Die Mitgliedschaft ist nicht käuflich - Member werden "Freunde", die sich "auf besondere Weise einbringen".
sap

www.bonsoir.ch

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RAUCHVERBOT
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Berner Oberländer 25.2.09

Rauchverbot

Wirte bekämpfen "Schikane"

Die Wirte wollen sich nicht vorschreiben lassen, wo sie das Fumoir einrichten können. Und sie wehren sich gegen das Buffetverbot.

Mit zwei Verordnungen will der Regierungsrat das kantonale Rauchverbot in Restaurants und anderen öffentlich zugänglichen Innenräumen bis ins letzte Detail regeln und alle Schlupflöcher von vornherein stopfen (siehe Ausgabe vom 18.Februar). Gestern nun hat sich der Vorstand des kantonalen Branchenverbands GastroBern mit den zwei Verord-nungsentwürfen auseinandergesetzt. Er kommt zum Schluss, dass die Verordnungen "im Grossen und Ganzen verhältnismässig" seien. Doch gegen zwei Bestimmungen wollen sich die Wirte "mit allen zur Verfügung stehenden juristischen und politischen Mitteln" wehren.

Um was geht es? Der Regierungsrat will den Wirten vorschreiben, dass die Gaststube nicht das Fumoir sein darf. Und er will auch festschreiben, dass in den Raucherräumen weder eine Bar noch ein Buffet betrieben werden darf. Geht es nach dem Willen der Regierung, muss das Personal die Getränke und Speisen also von aussen ins Fumoir bringen. Damit werde der Auftrag des Grossen Rats umgesetzt, der keine Raucherbetriebe wolle, argumentiert sie. Es soll keine Angestellten geben, die dauernd im Rauch arbeiten.

"Realitätsfremd"

Für die Wirte hingegen sind diese Auflagen "realitätsfremd und unpraktikabel". "Eine reine Schikane", wie GastroBern-Präsident Casimir Platzer (Bild) sagt. Er spricht gar von einem "einschneidenden Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit". Damit verletze die Regierung den Rechtsgrundsatz, wonach solche Eingriffe einer Grundlage in einem Gesetz und nicht bloss in einer Verordnung bedürfen.

Beschwerde oder Vorstösse

"Die Wirte sollen selber entscheiden können, welchen Raum ihres Betriebes sie als Fumoir betreiben wollen", fordert Platzer. Und die Wirte wollen im Raucherraum auch eine Ausschankeinrichtung wie ein Buffet oder eine Bar betreiben dürfen. GastroBern verlangt deshalb in der laufenden Konsultation, dass die Regierung die zwei Auflagen streicht. "Geschieht dies nicht, werden wir weiter kämpfen", sagt Platzer. Sei es via Beschwerderecht oder via politische Vorstösse.

Dominic Ramel

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bernerzeitung.ch 24.2.09

Wirte wehren sich gegen "unpraktikable" Verordnung

Der Verband GastroBern der Berner Wirte und Hoteliers wehrt sich gegen unverhältnismässige Vorschriften rund um das Rauchverbot, das ab 1. Juli in Berner Restaurants gilt. Auf Kritik stossen vor allem d! ie Auflagen zu den Fumoirs.

GastroBern bekundet in einer Mitteilung vom Dienstag besonders Mühe damit, dass der Regierungsrat in der Verordnung vorschreiben will, Wirte dürften in den Raucherräumen - den Fumoirs - keine Bar oder sonstige Ausschankeinrichtung betreiben. Dies ist laut GastroBern "realitätsfremd" und "unpraktikabel".

Schliesslich habe sich der Grosse Rat deutlich für bediente Fumoirs ausgesprochen. Zudem müssten derart "einschneidende Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit" in einem Gesetz geregelt werden und nicht nur in der Verordnung.

Auch darüber, dass im Verordnungsentwurf steht, gewisse Betriebsräume, etwa die Gaststube, dürften nicht als Fumoir dienen, ist GastroBern empört.

Der Verband werde im Rahmen der Konsultation die Streichung dieser Einschränkungen verlangen, heisst es weiter. GastroBern sei "entschlossen, dieses Anliegen mit allen zur Verfügung stehenden juristischen und politischen Mitteln durchzusetzen".

Der Regierungsrat will die Verordnungen zum Rauchverbot im April beschliessen. Ab dem 1. Juli 2009 ist im Kanton Bern das Rauchen in öffentlich zugänglichen Räumen untersagt. Dazu zählen neben Gastrobetrieben auch Arztpraxen, Spitäler, Schulen und Kinos. Wer das Rauchverbot missachtet, muss mit einer Busse von 40 bis 2000 Franken rechnen. (bs/sda)

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RECHTSEXTREMISMUS
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Radio Rabe 25.2.09

Rechtsextremismus in der Schweiz erstmals erforscht

((ansage))
Zum ersten mal wurde das Thema Rechtsextremismus in der Schweiz erforscht. Während fünf Jahren haben verschiedene Forscherteams 13 Themenbereiche erforscht. Damit habe man eine Datengrundlage geschaffen und könnte nun eigentlich weiterforschen- wie verbreitet Rechtsextremismus in der Schweiz ist.
http://www.freie-radios.net/mp3/20090225-rechtsextrem-26542.mp3

((absage))
Thomas Bernauer, Delegierter des Forschungsrates vom Schweizerischen Nationalfonds.
Das Buch über Rechtsextremismus in der Schweiz ist im Nomos Verlag in der Serie "Studien zur Schweizer Politik" erschienen.
Mehr hören sie im RaBe Info von morgen Donnerstag. Dann beschäftigt uns die Frage, was junge Menschen dazu bringt, Rechtsextrem aktiv zu werden.

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Bund 25.2.09

"Keine akute Bedrohung"

Rechtsextremismus in der Schweiz wird abgelehnt - fremdenfeindliche Haltungen dennoch verbreitet

Rechtsextremismus in der Schweiz hat ein Potenzial von 4 Prozent der Bevölkerung. Er tritt primär bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. Prävention ist schwierig. Zu diesen Schlüssen kommt ein Nationales Forschungsprogramm.

Die Schweiz sei nicht weniger rechtsextrem als vergleichbare Länder, sagte der Strafrechtler Marcel Niggli gestern bei der Präsentation des Schlussberichts zum Nationalen Forschungsprogramm NFP 40+ "Rechtsextremismus - Ursachen und Gegenmassnahmen". Eine sachliche Auseinandersetzung sei schwierig: Rechtsextremismus werde entweder ignoriert oder aufgebauscht, sagte Niggli.

Eine der 13 Studien des Programms hat versucht, das rechtsextremistische Potenzial in der Schweiz zu ermitteln. Dabei wurden verschiedene Haltungen einbezogen und auch die Gewaltbereitschaft berücksichtigt. Das rechtsextreme Potenzial - also nicht der offene Rechtsextremismus - wurde so auf rund vier Prozent veranschlagt, das linksextreme auf zwei Prozent.

Jeder Zweite hat Fremdenangst

Laut Niggli ist das aktuelle Ausmass des Rechtsextremismus nicht akut bedrohlich für den demokratischen Rechtsstaat. Rechtsextreme Jugendgewalt und rechtsradikale politische Strömungen dienten zur individuellen Abgrenzung in einer Übergangsphase im Prozess der Sozialisation. Fremdenfeindliche Haltungen sind aber verbreitet. Laut der Befragung haben über 50 Prozent der Schweizer Bevölkerung Fremdenangst. Islamophobie zeigte sich bei 30 Prozent, antisemitische Einstellungen bei rund 20 Prozent und sexistische Haltungen bei rund 40 Prozent. Laut den Autoren entspricht dies mehr oder weniger den Ergebnissen in Deutschland.

Nicht Randständige

Offener Rechtsextremismus tritt primär bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. Eine der Studien hat den Einfluss der Familie auf die Entwicklung rassistischer und rechtsextremer Einstellungen und Handlungen analysiert. Der Autor stellte in den Lebenswelten der Untersuchten "ein grosses Mass an ,Normalität‘" fest. Gesellschaftliche Randständigkeit spiele entgegen der theoretischen Erwartung keine bedeutende Rolle.

Er beschrieb verschiedene Beweggründe der Jugendlichen, rechtsextrem zu werden. Bei den einen handle es sich um eine Überanpassung mit einer Radikalisierung der Werte ihres Herkunftsmilieus, was ihnen Anerkennung und Zustimmung einbringe. Bei anderen stünden mehr Ohnmachtserfahrungen oder mangelnde Aufmerksamkeit als Auslöser im Vordergrund.

Rechtspopulisten

Untersucht wurde auch der Rechtspopulismus, der ebenfalls zum Umfeld des Rechtsextremismus gehört. Laut den Forschern spielt die Schweiz hier seit den 1960er-Jahren im internationalen Vergleich eine Pionierrolle, wobei bis Anfang der 1990er-Jahre Splitterparteien das Feld besetzten. Nach 1991 verdrängte dann die wachsende SVP diese Parteien nach und nach. Sie führte die Problematisierung des Fremden als Dauerthema ins politische Zentrum, wie es hiess. Laut den Forschern wachsen die Aufmerksamkeitschancen für den Rechtsextremismus, je grösser die Bedeutung des Rechtspopulismus ist. Die Aktionen rechtsextremistischer Jugendlicher fänden aber unabhängig von rechtspopulistischer Politik statt, sagte Niggli. Politisch organisierte, aktiv rechtsextreme Jugendliche seien rar.

In den Stadien weniger präsent

Eine Studie untersucht die Rekrutierung militanter Fussballfans. Seit 1990 sei die Präsenz von Jugendlichen mit rassistischen und rechtsextremen Haltungen zurückgegangen. Heute dominierten die "Ultras" von an sich sozial integrierten jugendlichen Klubfans die Szene und nicht mehr die gewaltbereiten Hooligans.

Das NFP 40+ wurde 2003 gestartet und mit vier Millionen Franken unterstützt. Es sollte neue Einsichten über Entstehung, Erscheinungsformen, Verbreitung und Konsequenzen von rechtsextremen Aktivitäten und Einstellungen in der Schweiz bringen. Nun sollen die Ergebnisse als Grundlage für Strategien im Umgang mit Rechtsextremismus auf kommunaler, kantonaler sowie auf Bundesebene dienen. Prävention sei schwierig, halten die Forschenden fest. Ein Anliegen ist ihnen, ein regelmässiges Monitoring zum Rechtsextremismus einzurichten, wie das der Bundesrat beschlossen hat. Die Sensibilisierung der Schweizer Bevölkerung gegenüber Rechtsextremismus würde durch eine regelmässige Erhebung von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus gefördert, hiess es. (ap/sda)

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BZ 25.2.09

Neuer Sammelband

Drei Wege in den Rechtsextremismus

Thomas Gabriel hat im Rahmen eines Nationalen Forschungsprogramms Biografien junger Rechtsextremer studiert. Seine Erkenntnisse sind nun in einem Sammelband über Rechtsextremismus publiziert worden.

Gibt es die klassische Biografie eines Rechtsradikalen?

Thomas Gabriel: Nein, nach unseren Erkenntnissen nicht. Es gibt unterschiedliche Verlaufsformen, und man muss sehr genau schauen, wie sich verschiedene Einflüsse in einer Biografie niederschlagen. Sie können sich verstärken, relativieren oder gegenseitig aufheben.

Sie haben aber drei Wege in den Rechtsextremismus gefunden?

Ja, die eine Verlaufsform besteht darin, dass Jugendliche traditionelle und konservative Werte ihrer Umgebung aufnehmen und radikalisieren. Sie erleben die Familie als heile Welt, die sie bewahren wollen. Es sind Jugendliche, die sich sagen: Wir sind die Generation, die es noch schaffen kann, unsere Eltern haben nur die Faust im Sack gemacht.

Welches ist der zweite Weg?

Bei der zweiten Verlaufsform haben die Jugendlichen zum Teil massive Gewalt in der Familie oder im familiären Umfeld erlebt. Auffallend ist, dass sie diese Gewalt völlig unvorbereitet und für sie nicht nachvollziehbar traf. Für einen Jugendlichen, der Gewalt ohnmächtig ausgeliefert war, hat eine Gruppe hohe Bedeutung, in der er Solidarität und Schutz erlebt. Die Bindung an die Gruppe kann noch verstärkt werden, wenn intervenierende Behörden oder soziale Dienste die Motive nicht erkennen. Ein Jugendlicher, bei dem der Vater Gewalt angewendet hat, erzählte, er sei ins Heim eingeliefert worden: Nicht der gewalttätige Vater wurde entfernt, sondern der Jugendliche. Das hat ihn noch viel stärker an die rechte Gruppierung gebunden.

Der dritte Verlauf?

Da geht es darum, Sichtbarkeit zu erlangen oder zu provozieren. Es gibt den Fall eines Jugendlichen mit jüdischer Familiengeschichte, der sich einer rechten Gruppierung anschloss. Dahinter steckte die Frage: Welche Bedeutung habe ich in unserem Familiensystem?

Sind den Jugendlichen die historischen Hintergründe bewusst?

Jugendliche der ersten Verlaufsform sind eloquent, geschult, intelligent und angenehme Gesprächspartner, die ihre eigene Sicht auf die Geschichte haben und denen mit Geschichtsbelehrungen nicht beizukommen ist. Im Gegenteil, sie neigten dazu, die Interviewer von ihren politischen Inhalten überzeugen zu wollen. Ein grosses Wissen im Geschichtsbereich kann sogar einen Kontraeffekt haben.

Wie kommen Jugendliche mit Rechtsextremen in Kontakt?

Meist durch Zufall. Kein Zufall ist aber, dass sie dabei bleiben. In den Gruppen finden sie etwas, wonach sie gesucht haben.

Spielt Bildung eine Rolle?

Nein. Auch die politische Orientierung der Eltern nicht.

In welchem Alter werden solche Themen aktuell?

Das kann sehr früh sein. Eine Mutter erzählte, sie habe ihr Kind schon im Mutterleib gehasst. Auch die erste Verlaufsform beginnt früh. Jugendliche berichteten, sie hätten als Kind lieber mit Kühen gespielt, als in die Schule zu gehen. Alles, was von aussen in die traditionelle Welt einbrach, wurde als bedrohlich wahrgenommen.

Dr. Thomas Gabriel ist Leiter Forschung und Entwicklung an der ZHAW Soziale Arbeit.

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Rechtsextreme

Die Studie

Thomas Gabriel und sein Team haben 26 ausgesuchte junge Menschen (Durchschnittsalter 18 Jahre) befragt. Mehr als die Hälfte sind Mitglied in einer politischen Organisation (etwa Pnos), rund 70 Prozent haben einen subkulturellen Hintergrund (etwa Skinheads). In ihren Lebenswelten lasse sich ein grosses Mass an "Normalität" nachweisen, kommt Gabriel zum Schluss. Gesellschaftliche Randständigkeit spiele entgegen der Erwartung keine bedeutsame Rolle.

bw

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Aargauer Zeitung 25.2.09

Wer die Kurve nicht kriegt, landet oft bei den Nazis

Nationalfondsstudie Rechtsextreme Gruppen sind attraktiv für Jugendliche

Neue Erkenntnis zum Rechtsextremismus: Besonders Jugendliche sind anfällig für das gefährliche Gedankengut.

Die Nationalfondsstudie macht klar: Rechtsextreme Einstellungen und auch Verhaltensweisen sind in der Schweiz häufiger, als man glaubt. Das Potenzial wird auf vier Prozent geschätzt. Unser Rechtsstaat ist deswegen aber nicht bedroht.

Vor allem Jugendliche fallen durch rechtsextreme Aktionen auf. Die Gründe dafür sind überraschend. Natürlich tritt Rechtsextremismus vor allem in Zeiten politischer Orientierungslosigkeit und sozialer Probleme auf, aber für die Jugendlichen attraktiver als die Inhalte ist die Geborgenheit, die sie in rechtsextremen Gruppen offenbar finden. Der Sozialpädagoge Thomas Gabriel hat die Biografien jugendlicher Rechtsextremer untersucht. Das Verbindende fand er in der Familiensituation der Jugendlichen. Was das Problem war und wo die Konflikte lagen, war nicht einmal so wichtig. Häusliche Gewalt oder Überanpassung ans Herkunftsmilieu › alles Mögliche kann Jugendliche in die Arme rechtsradikaler Gruppen treiben. Es kann jede Familie treffen. (chb) Seite 2

 Kommentar rechts

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Kommentar

Gefährliche Gefühle

Christoph Bopp

Rechtsextremismus? Doch nicht bei uns. Die unschönen Aufmärsche und Pöbeleien auf dem Rütli › das sind ein paar verirrte Jugendliche, nicht die Schweiz, wie wir sie kennen.

 Natürlich ist das wahr. Oder besser: nicht falsch. In unserem Selbstverständnis sind wir eine liberale Demokratie mit einem Rechtsstaat, der die Menschenrechte achtet und schützt. Das sind die Werte und Errungenschaften der Aufklärung, der Französischen Revolution und unserer Staatsgründung von 1848.

 Dinge, die im Kopf so sein mögen. Der Bauch spricht manchmal anders. Zwar ist der Mensch ein soziales Wesen, aber er liebt und schätzt in der Regel nicht die Menschheit, sondern seinen Nächsten. Und das deshalb, weil er zur gleichen Gruppe gehört. Vertrauen und Vertrautheit gehören zusammen. Man kann niemandem befehlen, Gefühle nicht zu haben.

 Mehr als die Hälfte der Schweizer haben Angst vor dem Fremden, stellt die Nationalfonds-Studie zum Rechtsextremismus fest. Die nackte Zahl erschreckt zuerst. Aber sie erinnert uns auch daran, was die grossen Werte eben sind: Errungenschaften. Sie sind nicht einfach da, sondern man muss sich um sie bemühen › täglich.

 Wir dürfen Schweizer sein und bleiben, aber das erlaubt uns nicht, uns besser zu finden als andere. Die Schweiz dürfen wir als unsere Heimat ansehen, wo man uns akzeptiert, aber das erlaubt uns nicht, andere auszuschliessen. Hier liegt die Schwelle zum Rechtsextremismus. Schmal, aber unübersehbar.

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Auch hier sind wir kein Sonderfall

Rechtsextremismus Nationalfonds-Studie zeigt auch bei uns bedenkliche Einstellungen

Fremdenfeindliche Einstellungen gibt es auch in der Schweiz. Das rechtsextreme Potenzial wird gar auf vier Prozent der Bevölkerung geschätzt. Unser Rechtsstaat ist aber deswegen nicht bedroht.

Christoph Bopp

Seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts nehmen auch in der Schweiz rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten kontinuierlich zu. Im Juni 2001 beschloss daher der Bundesrat, das Nationale Forschungsprogramm "Gewalt im Alltag und organisierte Kriminalität" (NFP 40) um 4 Millionen Franken aufzustocken. Das NFP 40+ soll die Ursachen des und Gegenmassnahmen zum Rechtsextremismus untersuchen.

Die Ergebnisse liegen vor, jetzt auch "als konsolidierter Output", wie ETH-Professor Thomas Bernauer, Delegierter des Forschungsrats des Nationalfonds, an der gestrigen Medienpräsentation sagte. Das heisst, die Ergebnisse der Studien sind jetzt weitgehend international vergleichbar. Auch wenn das nicht einfach ist, weil der Rechtsextremismus-Begriff abhängig ist von den nationalen Verfassungen.

Vor allem bei jungen Erwachsenen

"Rechtsextreme Einstellungen gibt es tatsächlich in der Schweiz", sie ist beileibe kein Sonderfall im europäischen Kontext, das war die Bad News von Rechtsprofessor Marcel Niggli. Aber es gilt zu relativieren: "Unsere Demokratie ist deswegen nicht bedroht." Auf rund 4 Prozent der Bevölkerung schätzt das NFP 40+ das Potenzial.

Es sind vor allem junge Erwachsene, bei denen rechtsextreme Einstellungen und Verhaltensweisen auftreten. Auch wenn in Krisenphasen rechtsextreme Gruppierungen eher mehr Aufmerksamkeit erhalten, ist es nicht der gesellschaftliche Wandel, der die Jugendlichen in die Arme rechtsextremer Gruppierungen treibt, sondern es sind innerfamiliäre Probleme. Wobei es Konflikte aller Schattierungen sein können, häusliche Gewalt, Eltern-Konflikte oder gar Überbehütet-Sein.

Wenn die Ursachen so diffus sein können, ist es schwierig, gezielt Prävention zu betreiben. Über die Wirksamkeit von Präventionsprogrammen gibt es wenig empirische Daten. Auf Gemeindeebene "spielt der Schulterschluss aller wesentlichen Akteure eine wichtige präventive Rolle", wenigstens soweit wissen wir, was etwas nützt.

Im Windschatten des Rechtspopulismus

Politische organisierte und politisch aktive rechtsextreme Jugendliche sind eher selten. Ihre Aktionen haben mit rechtspopulistischer Politik, wofür bei uns die SVP steht, nichts zu tun. Sie sind insofern miteinander verknüpft, als es einen Zusammenhang in der öffentlichen Wahrnehmung gibt. Der Rechtsextremismus erhält mehr Aufmerksamkeit, je präsenter der Rechtspopulismus in der Öffentlichkeit ist.

Die Medien spielen dabei eine Verstärkerrolle. Sie würden "moralisierend und hysterisch" auf einzelne rechtsextreme Provokationen reagieren. Die "Rütli-Schande" wurde in den Medien gross abgehandelt, ohne dass das Thema eine fundierte Analyse bekommen hätte. Die Medien reagieren auf einzelne Phänomene und berichten nicht über das Problem.

Die Wahrnehmung und die Realität

Die Schweiz versteht sich als aufgeklärte, liberale Demokratie. Sie achtet die Menschenrechte und will keine Diskriminierungen. In den Seelen der Bürger sieht es aber oft ganz anders aus (siehe Grafik). Unterschwellige fremdenfeindliche Einstellungen sind eben das, "was die Demokratie auch ausmacht", wie Niggli sagte. Umso wichtiger ist die Zivilgesellschaft. Und das vorgesehene Monitoring, die periodische Überprüfung der Einstellungen, ist ein eminent wichtiges Instrument für unsere Demokratie.

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Rechtsextreme Vorfälle 2008 - eine Auswahl

Bern-Bümpliz, 2. August

250 Leute besuchen ein Konzert der Band Indiziert. Als Vorgruppe spielt die Schweizer Gruppe Amok, die den Holocaust leugnet und zur Tötung von Schwarzen aufruft.

Rütli, 3. August

300 Rechtsextreme treffen sich auf dem Rütli. Wie im Vorjahr hält Holocaust-Leugner Philippe Brennenstuhl eine Ansprache.

Erstfeld UR, 13. August

Tele Tell berichtet, eine Hotelbesitzerin werde am Telefon ("Saujugo, ich mache dir den Sauladen schon zu") und per Brief ("Hau ab, Jugohure") bedroht.

Saxon VS, 16. August 2008

Die Polizei löst ein Treffen rechtsextremer Skinheads auf. Die Teilnehmer stammen grösstenteils aus der Deutschschweiz.

Sempach LU, 2. November

Im Lokal der rechtsextremen Organisation "Morgenstern" führt die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) ihren Parteitag durch. Unter den 100 Besuchern sind u. a. der Willisauer Ortsgruppenleiter Michael Vonaesch, der Langenthaler Stadtparlamentarier Timotheus Winzenried und das Bundesvorstandsmitglied Denise Friedrich.

Zürich, 2. November

Beim Fussballspiel der Junioren von Racing Club ZH und FC Industrie Turicum stellt sich ein Industrie-Spieler vor die Racing-Ersatzbank, lässt die Hosen runter und skandiert: "Wir sind nicht beschnitten › und das ist auch schöner." Die Racing-Spieler gehören dem jüdischen Klub FC Hakoah an und tragen den Davidstern auf dem Trikot. Später wird der Racing-Trainer attackiert und ein Spieler berichtet, man habe ihm "Vergasung im KZ" nachgerufen.

Basel, 10. November

Unbekannte kleben Zettel mit gelbem Judenstern und der Aufschrift "Schweizer wehrt euch! Kauft nicht bei Juden" an ein jüdisches Geschäft.

Näfels GL, 28. November

Unbekannte dringen ins islamische Zentrum ein, wüten im Gebetsraum, verwüsten den Koran und Gebetsteppiche und ritzen ein Hakenkreuz einen Schrank.

Eglisau ZH, 15. Dezember

Der "Tages-Anzeiger" berichtet, dass ein elfjähriger dunkelhäutiger Schüler von Rechtsextremisten angegriffen wurde. Der Junge lief mit einem Freund auf dem Trottoir, als zwei Autos anhielten und er mit einem Stock geschlagen und beschimpft wurde.

Quelle: Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA: WWW.GRA.ch

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Die Bindungskraft ist sehr stark"

Thomas Gabriel Der Sozialpädagoge erforscht rechtsradikale Karrieren von Jugendlichen

Herr Doktor Gabriel, Sie haben die Biografien erforscht von Jugendlichen, die in die rechtsextreme Szene abgerutscht sind. Konnten Sie Unterschiede ausmachen zwischen Jugendlichen, die einfach Mitläufer waren, und solchen, die sich eine Führerrolle gesucht haben?

Thomas Gabriel: Es waren eigentlich keine Mitläufer dabei, alle gehörten in ihren Gruppen zum härteren Kern. Es waren für sie nicht Episoden, sondern sie waren alle über längere Zeit dabei. Diejenigen, die sich dann politisch engagiert haben, gehörten fast alle zum gleichen Typus. Sie fühlten sich zum Handeln berufen, weil sie sich als "Exekutive einer breiten Kultur" sahen.

Was waren das für "kulturelle Werte"?

Gabriel: Sie brauchen zum Beispiel keine Anglizismen, empfinden die Moderne als Bedrohung und neigen zur Naturverehrung. Sie fühlen sich als Verteidiger einer "heilen Welt", als Bewahrer von Kultur und Tradition. Dafür bekommen sie von ihrer sozialen Umgebung durchaus auch Anerkennung.

Welche anderen Typen haben Sie noch gefunden?

Gabriel: Einige haben aus einer massiven Ohnmachtserfahrung mitgemacht. Man kann das als Bewältigungshandeln verstehen. Sie haben zum Beispiel willkürliche Gewalt erlebt von ihrem Vater. In der rechtsradikalen Gruppe erfahren sie dann die Eindeutigkeit, soziale Nähe und Anerkennung, die sie in der Familie nie erlebt hatten. In diesem Fall ist auch klar, dass eine Heimeinweisung keine geeignete Massnahme war. Zumal der Jugendliche an der Entscheidung nicht beteiligt war, verdoppelte es seine Erfahrung von Ohnmacht und Fremdbestimmung. Er wurde aus seiner Sicht ins Heim "eingeliefert".

Kann man denn alles den familiären Umständen zuschreiben?

Gabriel: Nicht so eindeutig, wie man denkt. Die Jugendlichen sind keine "Modernisierungsverlierer". Aber was in ihren Familien passiert ist, hat deutlich mehr Einfluss als der gesellschaftliche Wandel. Den obigen Typus könnte man charakterisieren als "Abgrenzung durch Überanpassung". Es gibt aber auch das Umgekehrte: Der Jugendliche will Sichtbarkeit und Bedeutung im Familiensystem provozieren. Ein Jugendlicher, dessen Familie seit Generationen in der Suchtkrankenhilfe engagiert war, nahm Heroin, um wahrgenommen zu werden. Aber seine Eltern haben "so getan, als würden sie es nicht sehen". Dann schloss er sich einer rechtsradikalen Gruppe an und provozierte die jüdische Familiengeschichte durch das Anbringen eines Hakenkreuzes. Hier ist der rechtsextreme Inhalt viel funktionaler eingesetzt als in anderen Verläufen.

Gibt es eine Möglichkeit, pädagogisch gegen Fremdenfeindlichkeit anzugehen, und in welchem Alter wären Jugendliche dafür empfänglich?

Gabriel: Wir mussten einsehen, dass die Verläufe völlig unterschiedlich sind. Kognitive Appelle bewirken in der Regel nicht viel. Programme, die angelegt waren, das moralische Urteil zu stärken, hatten teilweise eher kontraproduktive Wirkungen.

Und über das richtige Alter für Massnahmen kann man nichts sagen?

Gabriel: Es gibt bestimmte Knotenpunkte in den Biografien. Aber die sind sehr individuell. Darum ist es wichtig, dass die Betreuungspersonen solche Punkte und vor allem Themen in den Biografien erkennen und richtig darauf reagieren. Allgemeine Rezepte gibt es nicht. In der Regel sind die biografischen Probleme der Jugendlichen stark verwoben mit der Gruppenzugehörigkeit. Ich denke, es ist dann auch sehr schwierig, an diese Jugendlichen heranzukommen. Die Bindungskraft solcher rechtsradikaler Gruppen ist sehr stark. (chb)

Thomas Gabriel ist Leiter der sozialpädagogischen Forschungsstelle am Pädagogischen Institut der Universität Zürich. Er betreute im Rahmen des NFP 40+ die "Analyse der biografischen Genese rassistischer Deutungs- und Handlungsmuster junger Menschen".

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Basler Zeitung 25.2.09

Schweiz "kein Sonderfall" beim Rechtsextremismus

BERN. In der Schweiz gibt es nicht weniger Rechtsextreme als in anderen europäischen Staaten. Dies ist eine wichtige Erkenntnis des Nationalen Forschungsprogramms "Rechtsextremismus - Ursachen und Gegenmassnahmen". Der Schlussbericht wurde gestern in Bern vorgestellt. "Die Schweiz ist kein Sonderfall", betont Programmleiter Marcel Niggli im BaZ-Interview. > Seite 5

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"Die Schweiz ist kein Sonderfall"

Fremdenfeindlichkeit ist so verbreitet wie in Europa, bilanziert Marcel Niggli neue Studien

Interview: Timm Eugster

Strafrechtsprofessor Marcel Niggli (48) sagt als Leiter des Nationalen Forschungsprogramms Rechtsextremismus, warum er gerne auch Linksextreme untersucht hätte.

BaZ: Herr Niggli, die wichtigste Erkenntnis des Forschungsprogramms lautet schlicht: Es gibt auch in der Schweiz Rechtsextremismus. Wie merken wir das in unserem Alltag?

Marcel Niggli: Wenn Sie jung sind, machen Sie in der Freizeit mit relativ grosser Wahrscheinlichkeit Erfahrungen mit Rechtsextremen: In einer Befragung in der Region Basel berichten zehn Prozent der Schüler, dass sie schon mit rechtsextremer Gewalt in Berührung gekommen sind. Ein grosser Teil dieser Auseinandersetzungen findet allerdings zwischen Rechtsextremen und anderen Jugendgruppen statt - vor allem mit Hip-Hoppern und linken Gruppen. Hier verschwimmen bisweilen Täter- und Opferrollen.

Warum hat das Programm nicht genauso Gewalt von Linksextremen und von Migrantengangs untersucht?

Diese Frage müssen Sie dem Bundesrat stellen: Er hat das Thema Rechtsextremismus vorgegeben. Der Auslöser des Forschungsprojekts war ja der Vorfall vom 1. August 2000 auf dem Rütli, als Skinheads die Rede des damaligen Bundesrats Kaspar Villiger störten: Da wurde offensichtlich, dass man viel zu wenig über Rechtsextremismus in der Schweiz weiss.

Hätten Sie gerne auch andere Extremismen in die Untersuchung einbezogen?

Ich wäre tatsächlich sehr glücklich gewesen über einen umfassenderen Auftrag. Erstens müssten wir uns dann nicht vorwerfen lassen, wir seien auf dem linken Auge blind. Und zweitens hätte man untersuchen können, wie stark die verschiedenen radikalen Jugendgruppen mit der etablierten Gesellschaft verknüpft sind. Man hätte wohl gesehen, dass der Linksextremismus nicht so stark in der Mitte der Gesellschaft verankert ist wie der Rechtsextremismus.

Wie meinen Sie das?

Laut einer Umfrage im Rahmen des Projekts haben über 50 Prozent der Schweizer Angst vor Fremden und 30 Prozent vor dem Islam. 40 Prozent haben sexistische und 20 Prozent antisemitische Einstellungen. Solche Werte sind europäischer Durchschnitt; die Schweiz ist kein Sonderfall. Fremdenfeindlichkeit ist kein Randphänomen - was uns zeigt, dass unser Selbstbild der Schweiz als offenes, demokratisches, auf Gleichheit orientiertes Land nicht mit der Realität übereinstimmt.

Ihr Projekt hat auch die SVP untersucht. Halten Sie die Partei für rechtsextrem?

Nein. SVP-Anhänger sind eindeutig keine Rechtsextremen: Sie agieren innerhalb des Rahmens der Verfassung und sind nicht gewaltbereit.

Es gibt also keine Verbindung zwischen SVP und Rechtsextremen?

Keine direkte - aber eine indirekte: Wenn etablierte Parteien den Gleichheitsgrundsatz unserer demokratischen Ordnung angreifen, wenn sie aggressiv versuchen, gewisse Gruppen auszugrenzen, dann sehen sich Rechtsextreme nicht abgelehnt oder sogar insgeheim legitimiert. Umgekehrt hat das Projekt über Prävention gezeigt: Wenn alle gesellschaftlichen Institutionen von Politik über Schule, Polizei und Jugendarbeit sich dem Rechtsextremismus aktiv entgegenstellen, hat dies eine Wirkung.

Was fordern Sie nun? Wollen Sie das idealisierte Bild der Schweiz als besonders offene Gesellschaft ändern - oder die Leute mit rechten Einstellungen?

In einer Demokratie kann man ja die Leute nicht erziehen - die einzige Möglichkeit, etwas zu bewirken, ist Reden. Die Diskussion darüber, was die Schweiz ausmacht, wird heute von rechts besetzt. Die SVP hat auch deshalb so grossen Erfolg, weil die Linke so tut, als gäbe es gar keine Schweiz mehr: Wir sind multikulti, jeder, der bei uns ist, ist gleich. Das stimmt so natürlich auch nicht.

Was macht denn die Schweiz aus?

Wir haben zum Beispiel vier Landessprachen - und nicht sechs oder sieben. Wir legen grossen Wert auf Pünktlichkeit: Wer oft zu spät kommt, wird nicht als Schweizer anerkannt. Eine breite Diskussion, was die Schweiz ausmacht, würde aber vor allem auch Unterschiede zeigen: zwischen Basel und Zürich, Deutschschweiz und Romandie und so weiter. Es würde klar, dass es kein zu enges Identitätskorsett geben kann - und das würde die Offenheit fördern.

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"Grosses Mass an Normalität"

Nicht randständig

Das Nationale Forschungsprogramm 40+ "Rechtsextremismus - Ursachen und Gegenmassnahmen" ist beendet. Zum Abschluss des vier Millionen Franken teuren Projekts wurde gestern die englischsprachige Publikation "Right-wing Extremism in Switzerland" präsentiert, welche die Resultate der 13 Teilprojekte zusammenfasst und teils im internationalen Kontext verortet. Hier sticht ein Unterschied zu Studien aus Deutschland heraus, wo Rechtsextreme als benachteiligte, randständige "Modernisierungsverlierer" beschrieben werden. Die Schweizer Studie kommt anhand von Interviews mit 26 der geschätzten 1200 Schweizer Rechtsextremen zum gegenteiligen Schluss: "Wir haben ein grosses Mass an Normalität angetroffen", so Forscher Thomas Gabriel.

Karriere. Gabriel beschreibt drei typische Gründe für eine rechtsextreme Karriere:

> Überanpassung. Der Rechtsextreme ist in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem fremdenfeindliche Einstellungen verbreitet sind. Der Junge sucht sich Anerkennung, indem er die Werte seines Milieus radikalisiert - und handelt.

> Ohnmacht. Der Rechtsextreme wurde vom Vater misshandelt und bewältigt diese Ohnmachtserfahrung in einer rechtsextremen Gruppe.

> Provokation. Der Rechtsextreme will seine Eltern provozieren, die er als desinteressiert und abwesend erlebt.  te

> www.nfp40plus.ch

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Tagesanzeiger 25.2.09

Das Elternhaus prägt die Skinheadkarriere

Eine Viertelmillion Schweizer äussert rechtsextreme Ansichten. Doch fast nur junge Leute leben ihrer Gesinnung nach - bestärkt durch ihr Umfeld. Irgendwann werden auch sie erwachsen.

Von Thomas Knellwolf, Bern

Neonazi wird, wer schlechte Aussichten auf ein gutes Leben hat. Dieses Bild kultivieren nicht nur filmerische und schriftstellerische Annäherungen an Rechtsradikale, sondern auch Ideologen der Glatzenszene selbst: Rechtsradikale sehen sich gerne als Underdogs im Kampf gegen das Übel der Welt. Doch Fremdbilder wie edle Selbstüberhöhung sind - bezogen auf die Schweiz - falsch. Ein Forschungsprojekt des Schweizerischen Nationalfonds (NF) zeigt, dass sich hierzulande "keine Modernisierungsverlierer" im ultrarechten Milieu tummeln.

Der Einstieg: In der Waldhütte

Was aber bewegt Schweizer Jugendliche aus Lebenswelten mit einem "hohen Mass an Normalität" dazu, rechtsextrem zu werden? Der Einstieg in die Szene erfolgt oft über einschlägige Waldhüt-tenfeste oder klandestine Konzerte von Rechtsrockbands. Skinheadgruppierungen wie Blood and Honour organisieren solche Anlässe bewusst zur Werbung neuer Mitstreiter. Kollegen und Bekannte schleppen Teenager dorthin.

Die Gründe für den Szeneeintritt liegen jedoch tiefer: Die NF-Forscher nennen als "erste Verlaufsform" eine "Überanpassung an das Herkunftsmilieu": D.* beispielsweise ist 20, kaufmännischer Angestellter, stammt aus einem kleinen Dorf und lebt bei seinen Eltern. Sein Vater betreibt ein Sanitärgeschäft, seine Mutter arbeitet dort. D., Selbstbezeichnung "Nationalsozialist", idealisiert das Familienleben und sieht die heile Welt durch die Moderne und durch Ausländer bedroht. Rechtsextreme wie er verstehen sich laut den NF-Autoren als "Exekutive einer breit verankerten Gesinnung". Wo Eltern und Grosseltern die Faust im Sack machen, wollen sie handeln - radikal, wenn nötig mit Gewalt. Darin bestärkt fühlen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch die rechten Ansichten älterer Generationen. Die Angst vor Überfremdung, das Verlangen nach einem autoritären Staat und die Gewaltbereitschaft sind verbreitet: Die NF-Wissenschafter bezeichnen 4 Prozent der Schweizer Bevölkerung als "potenziell rechtsextrem".

Von befragten Jugendlichen ordnen sie sogar 10 Prozent den "patriotisch-national orientierten, Gewalt befürwortenden Partyjugendlichen" zu. Jeder Dritte bezeichnet sich selbst als "rechtsextrem".

In der Szene: Auseinandersetzungen

"Gewalt, Missachtung und Suche nach Anerkennung" in Elternhaus und Freizeit können laut den NF-Forschern ebenfalls eine Rolle spielen für den Eintritt in die Szene. Bei einem Teil der Jugendlichen ist die Radikalisierung ein unbeholfener Schrei nach Liebe. Mit ihrem Auftreten, beispielsweise mit Glatze, Bomberjacke und nationalsozialistischen Symbolen, wollen sich Neo-Skinheads Aufmerksamkeit, Annerkennung und Respekt verschaffen.

Viele der Eltern stören sich nicht so sehr an der Gesinnung ihrer Kinder, sondern am Outfit: Der Vater von D. beispielsweise fürchtete einzig, dass die Kleidung des Sohnemanns dem Sanitärgeschäft nicht förderlich sei.

In der Szene erfahren die Neuen ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, gerade im Dauerkampf gegen andere Jugendsubkulturen. Dem Feindbild der Rechtsradikalen entsprechen nicht nur Ausländer, sondern auch "Hiphopper", "Kiffer" und "Linksalternative". Konfrontationen und Übergriffe sind häufig: Jeder zehnte Jugendliche in der Schweiz hat in seinem Leben rechtsextremistische Gewalt erfahren. Über die Hälfte der Opfer wurde verletzt, bei der anderen Hälfte blieb es bei verbalen Drohungen. "Mit der Zeit gewöhnst du dich daran, dass dir das völlig egal ist, wenn einer am Boden liegt und aus dem Mund blutet", sagt Täter N.*, "dann kannst du ohne mit der Wimper zu zucken noch ein paar Mal reintreten."

Der Ausstieg: Freundin statt Glatze

Mit zunehmendem Alter erfolgt bei den meisten der Austritt - was nicht zwingend linksum kehrt heisst. Viele legen zwar die Bomberjacke ab, die Ideologie jedoch nicht. Oft stellt auch die Freundin ihren nach rechts abdriftenden Partner vor die Wahl: Hakenkreuz und Springerstiefel oder ich.

Zum Abgang motivieren zudem gute Erfahrungen mit Repräsentanten von "Feindgruppierungen" - also mit Ausländern und Linken. Weitere Ausstiegsfaktoren sind laut der Nationalfondsstudie "Übersättigung aufgrund ausgelebter Bedürfnisse", "Burnout" und "als belastend wahrgenommene Strafverfahren". Die meisten Rechtsextremen distanzieren sich zwar räumlich, aber nicht im Kopf von ihren Cliquen oder Kameradschaften.


Die Beispiele stammen aus der Broschüre "Jugendliche und Rechtsextremismus: Opfer, Täter, Aussteiger", herausgegeben von der Eidgenössischen Fachstelle für Rassismusbekämpfung.

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NZZ 25.2.09

Kern und Umfeld des Rechtsextremismus

Differenzierungen durch das Nationale Forschungsprogramm

Das Forschungsprogramm über Rechtsextremismus hat bestätigt, dass die gewaltbereiten Kreise ein eng begrenztes Phänomen sind, dessen gesellschaftliche Ursachen durch familiäre Faktoren relativiert werden. Intoleranz gegenüber Andersartigen ist indes verbreitet.

 C. W. Bern, 24. Februar

 Einzelne rechtsextreme Vorfälle erhielten in Boulevardmedien enorme Aufmerksamkeit, liest man in dem Buch zum Nationalen Forschungsprogramm über Rechtsextremismus. Ein derartiges Ereignis, die Störung der Rütli-Rede Bundespräsident Villigers durch Skinheads am 1. August 2000, dürfte indirekt - vor dem Hintergrund eines Wachstums rechtsextremer Gruppierungen - das Programm ausgelöst haben, das der Bundesrat 2001 beschloss. Mit 4 Millionen Franken wurden 13 Projekte durchgeführt. Resultate wurden laufend bekanntgemacht. Eine (wohl im Zeichen multikultureller Toleranz rein englischsprachige) Sammelpublikation des Freiburger Strafrechtlers Marcel Niggli für eher wissenschaftlich Interessierte war nun Anlass für eine Medienkonferenz.

 Verbreitete "Menschenfeindlichkeit"

 Die Definition von Rechtsextremismus war nicht von Anfang an gegeben, sondern teilweise selber Thema der Forschungen. Dabei waren einerseits schweizerische Besonderheiten zu beachten, anderseits internationale Vergleiche zu ermöglichen. Eine repräsentative Befragung ergab nach dem Kriterium einer antidemokratischen, autoritären und gewaltbereiten Haltung ein "Potenzial" von 4 Prozent der Bevölkerung (der Linksextremismus wurde auf 2 Prozent beziffert). In anderen Projekten zeigte sich, dass sich rechtsextremistische Aktivität meist auf die Lebensphase Jugendlicher und junger Erwachsener beschränkt und Gewalt zu einem grossen Teil innerhalb von Jugendsubkulturen ausgeübt wird. Bei den militanten Fussballfans spielen übrigens "politische" Kräfte seit längerem keine wichtige Rolle mehr.

 Durchaus in der Mitte der Gesellschaft werden aber aufgrund der Befragung "misanthropische" Einstellungen geortet. Darunter subsumieren Sozialforscher um Sandro Cattacin Antisemitismus (20 Prozent), Islamfeindlichkeit (30 Prozent), Fremdenangst ("eine Mehrheit"), aber auch ein konservatives Bild der Frau. Untersucht wurde zudem der Rechtspopulismus, wobei den schweizerischen Bewegungen gegen die Überfremdung eine europäische "Pionierrolle" attestiert wird. Je bedeutsamer der Rechtspopulismus, desto grösser die Aufmerksamkeit für Rechtsextremismus, lautet einer der Befunde. Erfolge etablierter Rechtsparteien und verstärkte ausserparlamentarische Aktivitäten fielen zeitlich teilweise zusammen. Interviews mit aktiven SVP-Mitgliedern brachten vereinzelt extreme Ansichten zutage. Ein generelles Misstrauen gegen Fremde verbindet die Parteiangehörigen, die sich allerdings nach sozialer Herkunft und Perspektive, nach Alter und Einstellung zum Liberalismus erheblich unterscheiden. Ausgrenzende Haltungen beschränkten sich aber, wird eingeräumt, vielleicht nicht auf die SVP.

 Unterschätzte Rolle der Familie

 Mit Blick auf die Ursachen rechtsextremistischer Betätigung kritisiert der Sozialpädagoge Thomas Gabriel rein gesellschaftliche Erklärungen, wonach die Aktivisten "Modernisierungsverlierer" seien. In den untersuchten Fällen zeige das familiäre Umfeld wenig Randständigkeit, vielmehr ein grosses Mass an Normalität. Ein Teil der Heranwachsenden radikalisiere in Überanpassung die Werte des Herkunftsmilieus. Andere hätten in der Familie Konflikte, Gewalt und eigene Ohnmacht erlebt, seien unfähig zu Empathie und suchten im Extremismus Anerkennung. Bei einem dritten Typ fehle es an Kommunikation mit den Eltern oder an deren Präsenz, so dass die Jugendlichen aus der Isolation ausbrächen und sich bemerkbar machen wollten. Diese Feststellungen sollen keine mechanischen Wirkungen suggerieren, sondern angemessene Reaktionen zum Beispiel in der Sozialarbeit erleichtern.

 Bedingungen für Gegenmassnahmen

 Einzelne rechtsextremistische Vorfälle lösen immer wieder Gegenmassnahmen aus, vor allem Sensibilisierungskampagnen oder Programme für Schulen. Ob und wie sich eine Wirkung messen lässt, beschäftigte mehrere Forscher. In Tests liess sich ein Einfluss auf die Kenntnisse und allenfalls auf das Problembewusstsein, aber kaum auf die Grundhaltung erkennen. Zum Beispiel führte eine Reihe von Lektionen über Themen wie Feindbilder, Ungleichheit und Konfliktbewältigung vor allem zu Veränderungen bei Schülern in der politischen Mitte; auch nahmen in einzelnen Klassen die konkreten Unstimmigkesiten noch zu. Daraus wird der Schluss gezogen, die Prävention müsse jedenfalls die Lehrpersonen einbeziehen, dürfe aber nicht nur der Schule überlassen werden.

 Als griffig erscheinen Massnahmen in besonders betroffenen Gemeinden, wenn Politik, Schule, Polizei und Jugendarbeit zusammenwirken. In ländlichen Regionen könne das konservative Milieu rechtsextremen Tendenzen zwar den Boden bereiten, mit Konformitätsdruck aber auch entgegenwirken, heisst es in einer Information über das Projekt. Die Fachstelle für Rassismusbekämpfung im EDI hat eine Art Arbeitshilfe für Gemeinden herausgegeben. Eine andere Broschüre fasst die Befunde über die Herkunft von Rechtsextremen, die Gewaltszene und den "Ausstieg" aus ihr zusammen. Eine weitere Folge des Forschungsprogramms soll, wie der Bundesrat 2007 beschloss, die regelmässige Erhebung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sein. Über weitere Schritte wird aber erst in der zweiten Jahreshälfte entschieden. Dabei wird es unter anderem um die Fragen gehen, welches Gewicht diesem Problem wirklich zukommt und wie weit der Staat auf persönliche Einstellungen einwirken soll.


 Marcel Alexander Niggli (ed.): Right-wing Extremism in Switzerland. National and international Perspectives. Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2009. 301 S., Fr. 51.-, € 30.-.

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NAZIROCKER
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Radio Corax (Halle) 24.2.09

Hardcore - vom Nazi als Marke gekauft

Timo Schubert - hören Sie den Namen jetzt einmal und dann ab damit in den Müll - ist ein ganz gewitzter! Er hat sich nämlich geschäftstüchtig, wie die neue Rechte eben auch ist, eine ganze Subkulturströmung gekauft! Sollte das so bleiben, hat er die Verwendungsrechte des Begriffes "Hardcore" gesichert. Bad Brains, Black Flag, Circle Jerks und wie sie alle hießen und heißen nahmen den Punkrock und packten noch ein zwei Schippen an Härte und Geschwindigkeit drauf und da war er, der Großstadtsound Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Jahre. Und wenn das Spektrum sowohl vom Klang als auch von den Inhalten recht breit gefächert war - es war schon eher die Musik der linken Subkultur, bald fast weltweit! Seit geraumer Zeit hat sich die rechte Szene nach und nach den Style auch von Hardcore angeeignet. Die Aktion des Nazigeschäftsmannes und Nazirockers jetzt hat allerdings eine neue Qualität.

Ein Gespräch mit dem OX-Fanzine-Macher Joachim Hiller.
Art     Interview
http://www.freie-radios.net/mp3/20090224-angefragtha-26521.mp3

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GIPFELSOLI-NEWS 25.2.09
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gipfelsoli.org/Newsletter 252.09

25.2.2009 Strasbourg/ Baden-Baden -- London -- La Maddalena

- Strasbourg: Security zones
- Staatsschutz ermittelt nach verhindertem Anschlag auf Bundeswehrdepot
- Straßburg: Hausdurchsuchungen nicht ausgeschlossen
- Frankreich verschärft Auflagen für Protestcamp
- Britische Polizei bereitet sich auf "heißen Sommer" vor
- G8 2009 vs Mondiali Antirazzisti
Mehr: http://www.gipfelsoli.org/Newsletter/6162.html

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STADTRAT 29.1.09
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http://www.bern.ch/stadtrat/sitzungen/termine/2009/2009-01-16.6712367736/gdbDownload

1 Postulat Luzius Theiler (GPB): Weg mit dem Gitterzaun beim Eingang zur Neuen-gass-Unterführung!
Geschäftsnummer 08.000207 / 08/402

Wohl zur Feier der Abstimmung über das Bahnhofreglement wurde in den letzten Tagen der Eingang zur Neuengass-Unterführung mit einem engmaschigen Drahtgitter von gut 2 m Höhe umzäunt. Zweck des Gitters ist es, die bisher zum öffentlichen Raum gehörigen Sitzgelegen-heiten entlang der Aussenseite des Baus abzusperren und damit z.B. den Leuten auf der Gasse die letzte bescheidene Möglichkeit zum Ausruhen wegzunehmen. Diese kleinliche, selbstverständliche Bedürfnisse von Menschen verachtende Massnahme ist auch durch das neue Bahnhofreglement, welches sich auf ein Verbot von "Sitzen und Liegen auf Boden und Treppen" beschränkt, nicht abgedeckt. Logischerweise müssten nun alle Brüstungen, Vor-sprünge und Mauerchen, die evtl. einmal als Sitzgelegenheiten dienen könnten, mit einem Drahtmaschenzaun abgesperrt werden - eine absurde Vorstellung!
Der Zaun ist m.E. zudem widerrechtlich, weil nie ein Baugesuch eingereicht wurde und die für Zäune über 1,20 m nötige Baubewilligung fehlt.
Unabhängig von diesen rein rechtlichen Erwägungen wird der Gemeinderat ersucht, den einer offenen und menschenfreundlichen Stadt unwürdigen Gitterzaun bei der Neuengass Unterfüh-rung zu entfernen.

Bern, 5. Juni 2008

Antwort des Gemeinderats

Der Bahnhof Bern gilt als Mobilitätsdrehscheibe der Stadt und als Durchgangszentrum für mehr als 150 000 Personen am Tag. Wo jeden Tag Fussgängerinnen und Fussgänger zirku-lieren und Tausende von Bussen, Trams, Velos und Autos verkehren, ist der zur Verfügung stehende Raum notgedrungen beschränkt. Viele Reisende verlassen den Bahnhof über die Unterführungen, entweder Richtung Tram via Christoffel-Unterführung oder Richtung Innen-stadt via Neuengass-Unterführung. Beide Unterführungen haben in erster Linie die Funktion von Verkehrswegen zu erfüllen und sind nur schon aus diesem Grund als von der Öffentlich-keit stark frequentierte Durchgangswege zu betrachten.
Bei der Neuengassunterführung dient nicht nur die Treppe beim Eingang als vielbegangener Durchgangsweg, sondern auch das Trottoir an der Rückseite und der Gehweg an der Süd-seite der Überdachung des Eingangs. Tausende von Fussgängerinnen und Fussgängern nut-zen täglich diese Wege und sind darauf angewiesen, sie ungehindert begehen zu können. An der Nordseite der Überdachung des Eingangs zur Neuengassunterführung befindet sich ein Veloständer. Auch hier herrscht täglich ein grosses Kommen und Gehen und ist deshalb ein freier Zugang wichtig. Bevor das Drahtgeflecht an der Überdachung der Neuengassunterfüh-rung angebracht wurde, waren die erwähnten Wege nicht immer ungehindert passierbar, weil das Mauerfundament für die Überdachung der Neuengassunterführung als Sitzgelegenheit benutzt wurde und sich in der Folge teilweise grössere Personengruppen bis auf die Gehwege bildeten. Zudem wurden die seitlichen Glasflächen der Überdachung täglich illegal mit Plaka-ten beklebt. Um die illegale Plakatierung zu unterbinden und den freien Durchgang der Geh-wege rund um den Eingang zur Neuengassunterführung zu gewährleisten, wurde als kurzfris-tige Massnahme und als Übergangslösung ein Drahtgeflecht installiert. Seither hat sich die Lage deutlich verbessert.
Dem Gemeinderat ist bewusst, dass die Frage der Sitzgelegenheiten viele Bürgerinnen und Bürger betrifft und beschäftigt. Er ist gewillt, klare Rahmenbedingungen zu definieren und den öffentlichen Raum zu organisieren. Er hat daher ein Projekt gestartet, das zum Ziel hat, den öffentlichen Raum auf seine Nutzungsmöglichkeiten hin zu analysieren und in einem Gesamt-konzept entsprechend zu strukturieren. Das Thema Sitzgelegenheiten wird im Rahmen dieser Konzeptarbeit untersucht. Das angesprochene Nutzungskonzept soll im Jahr 2009 erarbeitet werden. Dabei wird es punkto Sitzgelegenheiten darum gehen, deren Standorte und die An-zahl in Koordination mit den verschiedenen anderen Nutzungsbedürfnissen festzulegen. Als Beispiele für weitere Nutzungen, die dabei eine Rolle spielen, seien erwähnt: Markt- und Ver-kaufsstände, Strassencafés, Plakatständer, Anlieferung, Verteilkästen für Zeitungen, Stelen des Fussgängerleitsystems und Parkplätze (insbesondere Veloparkplätze).
Das Drahtgeflecht an der Neuengassunterführung versteht sich als Provisorium, für das am 15. September 2008 ein Baugesuch eingereicht wurde. Die Bewilligung steht noch aus. Mit einem von der Bauherrschaft beauftragten Architekturbüro wird bis Ende 2008 ein Projekt für die definitive Umgestaltung des Abgangs der Unterführung ausgearbeitet und ein entspre-chendes Baugesuch eingereicht, so dass im Frühsommer 2009 bauliche Massnahmen mit dem Ziel einer Harmonisierung der Abgänge zur Christoffel-Unterführung gestartet werden können.

Antrag
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, das Postulat abzulehnen.
Bern, 19. November 2008

Luzius Theiler (GPB-DA), Postulant: Trotz der Ablehnung durch den Gemeinderat gibt es gute Argumente, meinem Postulat zuzustimmen: 1. Es gab Leute, die sich auf dem Mäuerchen beim Eingang zur Neuengass-Unterführung niedergelassen haben, was das touristische Bild der Stadt etwas gestört haben soll. Das scheint mir eine kleinliche Haltung und der Aufwand dagegen unverhältnismässig. Die Stadt muss auch Vorbild sein und sollte die Leute zu keinen solchen Hässlichkeiten anleiten. 2. Dieser Eingang fällt noch in den Perimeter des Altstadtbe-reichs des UNESCO-Weltkulturgutes. Er sollte deshalb ästhetisch mit besonderer Sorgfalt gestaltet werden, was man bei seiner Neugestaltung ums Jahr 2000 auch getan hat. 3. Die Stadt ist mit einer illegalen Anwendung des Baurechts vorgegangen. Dieser Zaun würde eine Baubewilligung erfordern, das ist unbestritten. Es ist aber kein Baugesuch eingereicht wor-den. Auf unsere Intervention hin hat dann der Bauinspektor bestätigt, es brauche dazu eine Baubewilligung, aber erst nach drei Monaten. In dieser Frist ist aber kein Baugesuch einge-reicht worden, also hätte der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden müssen. Das ist aber nicht geschehen. Nach weiteren Rückfragen wurde dann doch noch ein Baugesuch ein-gereicht, aber zweieinhalb Monate zu spät. Es wird wiederum gesagt, es handle sich nur um ein Provisorium bis Juni 2009, es liege ein Projekt vor, was aber nicht der Fall zu sein scheint. So dürfte sich das Ganze weiter dahinziehen. Um das zu vermeiden, bitte ich Sie, meinem Postulat zuzustimmen.

Fraktionserklärungen

Lea Bill (JA!) für die Fraktion GB/JA!: Es geht nicht einfach um den Gitterzaun, sondern dar-um, wie die Stadt mit dem öffentlichen Raum umgeht. In den letzten Jahren ist ein Trend weg von einer lebendigen Stadt für alle hin zu einer genormten Schaufenster-Stadt feststellbar. Dazu gehören die Entfernung der Sitzgelegenheiten in der Innenstadt, die Wegweisung der sogenannt Randständigen, das Bahnhofsreglement und das Verbot von Kleinplakaten. Was mit den Leuten geschieht, die nicht in dieses neue Stadtbild passen, wird ignoriert. Die Ant-wort des Gemeinderates ist immer dieselbe, so auch jetzt: Er verstehe das Anliegen und sei daran, ein Konzept zu erarbeiten. Die GB/JA!-Fraktion möchte wissen, was über das Proviso-rium, von dem der Gemeinderat spricht, hinaus geplant ist. Sie nimmt das Postulat an.

Sue Elsener (GFL) für die Fraktion GFL/EVP: Besagte Unterführung ist ein echtes Nadelöhr. Seit das Bahnhofsreglement angenommen ist, kennt man den Willen der Berner/-innen, einen möglichst ungestörten Zugang zum öffentlichen Verkehr zu haben. Der Durchgang zur Neu-engass-Unterführung ist für die Pendler/-innen jetzt viel angenehmer. Dass ein Baugesuch so lange dauert und erst im September eingereicht wurde, ist ungeschickt. Wir sind gespannt auf das Nutzungskonzept und hoffen auf genügend Sitzgelegenheiten im und um den Bahnhof herum. Die Fraktion GFL/EVP teilt die Meinung des Gemeinderates und lehnt das Postulat ab.

Bernhard Eicher (FDP) für die Fraktion FDP: Wir werden das Postulat ablehnen. Der Bahnhof wird von sehr verschiedenen Gruppen stark beansprucht; kein Wunder, dass es seit längerer Zeit Ausbaupläne gibt. Wenn ein Platz knapp ist, muss man Prioritäten setzen. Erste Priorität haben die 150'000 täglichen Pendler/-innen. Entsprechend muss man andere Gruppen z.T. einschränken. Wir begrüssen es, dass der Gemeinderat für Ordnung sorgt. Der Gitterzaun ist dabei nur eine Massnahme und erst noch eine provisorische. Wir hoffen, dass der Gemeinde-rat auch in Zukunft so konsequent vorgeht, was die Ordnung anbelangt.

Manfred Blaser (SVP) für die Fraktion SVPplus: Höchste Zeit, dass Ordnung im und um den Bahnhof herum angestrebt wird. Wir haben Absperrungen veranlasst, weil sich eine bestimm-te Schicht über sämtliche Ordnungsgrenzen und Regeln hinwegsetzt. Sämtliche Sitzgelegen-heiten werden nicht von älteren Personen oder müden Passanten genutzt, sondern von Bet-telnden und Alkis. Die auf den Treppen sich Niederlassenden dürfen wir auch nicht dulden. Was sollen ältere Personen tun, wenn sie solche Hindernisse überwinden müssen und kein RedBull mit sich führen? Wir müssen uns auf das zurückbesinnen, was man uns in der Kind-heit beigebracht hat: Ordnung, Anstand, Ehrfurcht und Respekt. Die SVPplus-Fraktion unter-stützt die Ablehnung des Postulats.

Giovanna Battagliero (SP) für die Fraktion SP/JUSO: Unsere Fraktion hat die Bahnhofsord-nung befürwortet. Wir haben den 150'000 Pendler/-innen den Vorrang eingeräumt. Der Gitter-zaun ist keine ästhetische Meisterleistung; der Gemeinderat verspricht uns aber eine bessere Lösung. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass im Raum Bahnhof neue Sitzgelegenheiten für alle geschaffen werden; wir hätten sie auch in der Christoffel-Unterführung gerne gehabt. Wir sind gespannt auf das neue Nutzungskonzept und lehnen das Postulat ab.

Michael Köpfli (GLP) für die Fraktion GLP: Wir schliessen uns grundsätzlich der Argumentati-on von GFL, FDP und SP an: Die Bevölkerung hat das neue Bahnhofsreglement klar ange-nommen. Sie hat damit den Willen geäussert, der Zugang zum Bahnhof müsse ungehindert möglich sein. In der Antwort des Gemeinderates vermissen wir den Mut, die Tatsachen beim Namen zu nennen. Das Problem war, dass der Eingang zur Unterführung mit Bettlern und Randständigen besetzt war. Wenn es Studenten oder Lehrlinge gewesen wären, wäre der Zaun nicht nötig gewesen. Für uns sind Gitterzäune keine Lösung für Probleme mit Rand-ständigen. Wir lehnen zwar das Postulat ab, bitten aber in Zukunft um eine klarere Stellung-nahme. Es wird einzelne Enthaltungen geben. Wir schliessen uns zudem der Meinung an, dass es mehr Sitzgelegenheiten im und um den Bahnhof geben muss.
Direktorin BSS, Edith Olibet: Der Gemeinderat vertritt die Haltung, der öffentliche Raum müs-se für alle zugänglich sein. Der Ausgang zur Neuengass-Unterführung ist aber kein Ort für Ansammlungen, sondern ein Nadelöhr. Der Gitterzaun ist ein Provisorium, keine ästhetische Meisterleistung, die Baubewilligung ist immer noch hängig. Wie es weitergehen soll, hat der Gemeinderat im letzten Abschnitt seiner Antwort ausgeführt. Es gab auch einen Briefverkehr zwischen Herrn Theiler und der Direktion FPI. Das Projekt zur architektonischen Aufwertung ist aus Arbeitsüberlastung noch nicht so weit gediehen, wie es im Vorstoss in Aussicht ge-stellt wird. Der Gemeinderat nimmt seine soziale Verantwortung durchaus wahr, um Rand-ständigen oder Alkoholkranken eine Alternative zu bieten. Mit dem Alki-Stübli auf der Bahn-hofplattform hat er eine solche Alternative geboten. Dort wollte man sie aber nicht mehr. Dar-um hat man im Stadtrat das breit abgestützte Alki-Stübli geschaffen und bei der Anlaufstelle die Konsumationsplätze erhöht. Da die Beizen, in denen sich diese Leute früher aufhalten konnten, langsam verschwinden, hat die öffentliche Hand ein eigenes Angebot entwickeln müssen.

Ich bitte den Stadtrat, das Postulat abzulehnen.

Beschluss
Der Stadtrat lehnt das Postulat Theiler ab (10 Ja, 49 Nein, 4 Enthaltungen).

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20 Interpellation Fraktion SVP/JSVP (Peter Bühler/Manfred Blaser, SVP): Wie lange schaut der Gemeinderat dem Katz- und Mausspiel der Stadtnomaden und Stadt-tauben noch zu?
Geschäftsnummer 08.000198 / 08/302

Regelmässig kann man in den Printmedien davon lesen, dass sich die illegalen alternativen Wohngruppen wie Stadttauben und Stadtnomaden wieder irgendwo niedergelassen haben und dies ohne Erlaubnis der jeweiligen Landbesitzer. Es ist jedes Mal ein Glück für diese Gruppierungen, wenn die Stadt, respektive der Gemeinderat die Federführung hat. Dann wird zum wiederholten Male verhandelt und Ultimaten gestellt, welche dann doch nicht eingehalten werden. Dann wird ein Aufschub gewährt und dann wieder einer und wieder einer, bis endlich mit der Räumung gedroht wird. Ab diesem Zeitpunkt stellen diese Gruppen noch ein bis zwei Forderungen und ziehen dann in einer "Nacht und Nebel Aktion" weiter und das Spiel beginnt von vorne!

Aus der oben geschilderten Situation ergeben sich folgende Fragen:

1. Was versteht der Gemeinderat unter "Glaubwürdigkeit"?
2. Wie erklärt der Gemeinderat den Satz, vor dem Gesetz sind alle gleich?
3. Wie lange akzeptiert der Gemeinderat dieses Katz und Mausspiel noch?
4. Wie lange spielt er es noch mit, bis er endlich handelt?
5. Wann greift der Gemeinderat einmal durch ohne lange Verhandlungen und Ultimaten?
6. Warum werden diese illegalen Gruppierungen nicht wegen ihrer Vergehen angeklagt und verurteilt?
7. Wieso sorgt der Gemeinderat nicht dafür, dass diese illegal, alternativen Gruppierungen aufgelöst werden?

Bern, 29. Mai 2008

Antwort des Gemeinderats

Zu Frage 1: Glaubwürdigkeit bedeutet für den Gemeinderat, dass für bestehende Probleme gute, dauerhafte Lösungen gesucht werden. Diese haben sowohl den rechtsstaatlichen Prin-zipien zu entsprechen wie auch verhältnismässig zu sein. Eine gute Lösung muss bei allen Beteiligten Akzeptanz finden. Damit in der Frage der Stadttauben bzw. Stadtnomaden eine Lösung gefunden werden kann, wurde unter der Leitung des Stadtpräsidenten vor den Som-merferien ein runder Tisch mit Beteiligung der betroffenen Grundeigentümerinnen und Grund-eigentümer einberufen. Der zweite runde Tisch wird im Herbst stattfinden und soll erste kon-krete Ergebnisse bringen.

Zu Frage 2: Nach dem in Artikel 8 Absatz 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV, SR 101) verankerten allgemeinen Rechtsgleichheitsgebot ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Für die Verwaltung bedeutet dies insbesondere, dass das Gesetz in allen gleichgelagerten Fällen in gleicher Weise angewendet wird. Gerade aufgrund des Gleichbehandlungsgebots gelten die rechtsstaatlichen Prinzipien auch für die Gruppen, welche in einer alternativen Wohnform leben wollen.

Zu Frage 3 und 4: Die Verwaltung geht heute konsequent gegen die Besetzung stadteigener Parzellen vor. Die öffentliche Hand verlangt die Räumung jeweils umgehend. Bei Parzellen im Privateigentum kann bei Ordnungswidrigkeiten nur eingeschritten werden, wenn eine Anzeige vorliegt. Geht dann tatsächlich eine Anzeige ein, sind die Gruppen oft schon weitergezogen.
Der Gemeinderat ist sich aber bewusst, dass die von den verschiedenen Gruppen gelebte Wohnform, so wie sie heute ausgeübt wird, von vielen als störend empfunden wird. Daher versucht der Gemeinderat mit dem Instrument des runden Tischs eine Lösung zu finden, die von allen Beteiligten mitgetragen werden kann.

Zu Frage 5: Die Verwaltung hat sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Diese sehen unter anderem vor, dass auch für Räumungen gewisse Fristen einzuhalten sind.

Zu Frage 6: Rechtlich betrachtet verstossen die Gruppen gegen viele Bestimmungen, die aber in den meisten Fällen als Ordnungswidrigkeiten einzustufen sind, so z.B. im Bereich Gewäs-serschutz, Abfall und andere. Der Handlungsspielraum der Behörden ist somit klein. Die Poli-zei kann nur einschreiten, wenn ein entsprechender Strafantrag vorliegt. Zudem muss das fehlbare Verhalten einer bestimmten Person zugeordnet werden können.

Zu Frage 7: In der Schweiz ist es gestattet, Gruppen zu bilden. Eine Gruppenbildung ist nur dann wegen Landfriedensbruch strafbar, wenn die Gruppe den Zweck verfolgt, gegen Men-schen und Sachen Gewalt auszuüben. Der Gemeinderat ist der Ansicht, dass die Hilfe und Vermittlung zur Standortfindung für alternative Wohn- und Lebensformen keine städtische Aufgabe ist. Dass in der Stadt Bern in dieser Sache ein Ausnahmefall (Zaffaraya) besteht, ist aus der damaligen Situation erklärbar, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Haltung des Gemeinderats.

Bern, 27. August 2008

- Auf Antrag der Interpellantin Fraktion SVP/JSVP beschliesst der Rat Diskussion. -

Interpellant Peter Bühler (SVP): Wie lange schaut der Gemeinderat dem Spielchen noch zu? Die erhaltene Antwort und Erklärung sind ja schön und gut, man sucht das Gespräch und sitzt mit ihnen zusammen an einen Tisch. Aber wann wird endlich gehandelt und durchgegriffen? Mittlerweile wissen wir, dass all dies "erlaubt" ist. Es geht aber nicht an, dass so eine Vereini-gung auf ein Grundstück eindringt und man zuwartet, bis jemand reklamiert, dann langsam wird man aktiv und putzt sie weg. Sie gehen danach auf das nächste Grundstück und das gleiche Theater beginnt erneut. Wir diskutieren darüber im Rat seit Jahren und seit Jahren wird uns eine Lösung versprochen. Wann endlich haben wir eine Lösung? Die Fraktion SVPplus ist der Meinung, der Punkt ist erreicht, an dem endlich durchgegriffen und etwas unternommen werden muss.

Sue Elsener (GFL): Der Groll der Interpellanten ist verständlich. Es gibt da Leute, die anders als normal leben wollen und sich Rechte herausnehmen, wofür steuerzahlende Bürger und Bürgerinnen schon lange eine Busse bekommen hätten. Es ist nicht Aufgabe der Stadt, eine alternative Wohnform zu organisieren. In Deutschland gibt es ähnliche Ideen, an der Gesell-schaft vorbei zu existieren, um sich zu verwirklichen. Aber diese Leute kauften Land und ver-wirklichen ihre Träume auf eigenem Boden. Unsere Stadtnomaden und Stadttauben erschei-nen mir wie trotzende verwöhnte Kinder, die ohne eigene Gegenleistung immer bekamen, was sie wollten. Sie fordern und verlangen, aber bieten nichts. Bei aktiver Mitgestaltung könnten sie, wie vor etwa zehn Jahren, die Initiative für experimentelle Wohnformen neu lancieren. Der Wunsch nach alternativen Lebensformen in unserem urbanen Umfeld ist verständlich. Wir hoffen, der Gemeinderat findet schnell eine gute Lösung für die Situation, denn das Spielchen geht allen an die Substanz und für die temporären Nachbarn ist es auch nicht angenehm. Ein runder Tisch ist sicher eine nette Angelegenheit, aber es ist ungewiss, ob dabei etwas he-rauskommt. Der Gemeinderat kann nicht einfach naturnahes Land in Stadtnähe verschenken, darüber verfügt er nicht. Die Forderung dieser Leute ist unrealistisch. Träume müssen erar-beitet werden, man kann sie nicht erbetteln oder einfordern.

Beschluss
Die Interpellantin Fraktion SVP/JSVP ist mit der Antwort des Gemeinderates nicht zufrieden.