MEDIENSPIEGEL 5.3.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (Kino, DS)
- Pnos: Kundgebung am Rand statt Demo
- Razzia BE: Rückblick in der WoZ
- Payerne-Fröntler
- Vor der Progr-Debatte im Stadtrat
- Bewaffnete Bahnpolizei mit weniger Zwangsmitteln
- ZH: Alltagsprobleme der Uniformierten
- Anti-WTO 2003: Paintball-Flic freigesprochen
- GE: Tränengas gegen Roma
- Biometrie-ID kommt schleichend
- Gemeinderat zur Asyl- und Ausländergesetz-Revision
- Heiratsverbot für Sans-Papiers
- Stadtrats-Debatte 12.3.09 zur Burgergemeinde
- Braunburger-Aufarbeitung
- Anti-Atom: AKW Mühleberg + Italiens Atomzukunft
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REITSCHULE
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PROGRAMM:
Mi 04.03.09
19.00 Uhr - SousLePont - Balkan
Spezialitäten
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde
Insel, Küche: Eventmakers mit Texten von Grazia Pergoletti
"FEVER"
20.30 Uhr - Tojo - Rock and Roll ist
hier zum stehn, von Kumpane. Beyeler/Beyeler.
Do 05.03.09
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde
Insel, Küche: Eventmakers mit Texten von Grazia Pergoletti
"FEVER"
19.30 Uhr - Kino - Filmreihe
Intersexualität: Einführung
zum Thema Intersexualität durch die Sozialwissenschafterin
Kathrin Zehnder danach: Die Katze
wäre eher ein Vogel ..., M. Jilg, Deutschland 2007. Mit
anschliessender Diskussion
Fr 06.03.09
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde
Insel, Küche: Eventmakers mit Texten von Grazia Pergoletti
"FEVER"
20.30 Uhr - Tojo - Rock and Roll ist
hier zum stehn, von Kumpane. Beyeler/Beyeler.
21.00 Uhr - Kino - Filmreihe
Intersexualität: Das verordnete Geschlecht, O. Tolmein und
B. Rothermund, Deutschland 2001
22.15 Uhr - Kino - Filmreihe
Intersexualität: Die Katze wäre eher ein Vogel ..., M.
Jilg, Deutschland 2007
23.00 Uhr - Dachstock - Exploited
Label-Tour feat. Shir Khan, Malente, Dex aka Daniel Dexter (DE)
Krunked up/Banging Bastard-Electro-House-Techno
Sa 07.03.09
14.00 Uhr - Frauenraum - AMIE -
Frauenkleidertauschbörse
19.30 Uhr - Grosse Halle - Blinde
Insel, Küche: Eventmakers mit Texten von Grazia Pergoletti
"FEVER"
20.30 Uhr - Tojo - Rock and Roll ist
hier zum stehn, von Kumpane. Beyeler/Beyeler.
21.00 Uhr - Kino - Filmreihe
Intersexualität: Erik(A) - Der Mann der Weltmeisterin wurde,
K. Mayer, Österreich 2005
22.00 Uhr - SousLePont - T.V. Smith
(GB) & DJ‘s - Punkrock
23.00 Uhr - Dachstock - Diskoquake: Yo!
Majesty (US), Support: Dels (GB) & DJ's Radiorifle
-Club/Rap/Elektro
So 08.03.09
20.00 Uhr - Frauenraum - Sex am
Sonntag (mit Barbetrieb ab 19.00 Uhr): THE NAKED FEMINIST von
Louisa
Achille, USA, 2004; one night stand von Emily Jouvet, F. 2006
Infos: www.reitschule.ch
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WoZ 5.3.09
Intersexualität
Ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, wissen viele Eltern schon,
bevor
das kleine Wesen auf der Welt ist. So wird es, noch ungeboren, in unser
duales Geschlechtersystem eingeordnet. Doch immer wieder kommen Kinder
zur Welt, die biologisch weder dem einen noch dem anderen Geschlecht
zugeteilt werden können. Das verunsichert die Gesellschaft, und
meist
werden diese Kinder, noch bevor sie selber entscheiden können,
operativ
einem Geschlecht zugeordnet.
Im Kino in der Reitschule wird eine Reihe von Filmen gezeigt, die sich
mit dem Thema Intersexualität auseinandersetzen. Zu sehen ist
unter
anderem der eindrückliche Spielfilm "XXY" (2007) der
argentinischen
Regisseurin Lucía Puenzo (siehe WOZ Nr. 8/09) oder der
Dokumentarfilm
"Erik(A) - der Mann, der Weltmeisterin wurde" (2005) von Kurt Mayer.
Darin erzählt Erik Schinegger, der 1966 als Bauernmädchen
Erika für
Österreich den Weltmeistertitel in der Abfahrt holte, von seinem
Leben.
süs
Filmreihe Intersexualität in: Bern Kino in der Reitschule, Do, 5.
bis
Sa, 28. März. Do, 5. März, 19.30 Uhr: Einführung von
Kathrin Zehnder,
Sozialwissenschaftlerin. www.reitschule.ch
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Bund 5.3.09
Yo! Majesty
Beastie Girls
Würde man ein Gefühl wie Wut irgendwie konservieren wollen,
dann am
besten so, wie es das amerikanische Frauenduo Yo!Majesty in seinem
Elektro-Rap tut. Gegen Machismo und Chauvi-Hip-Hop schreien Shunda K
und Jwl. B an - und bleiben dabei in Partylaune. Die beiden pressen
ihre feministische Botschaft nämlich in richtig spannende Musik:
Ihr
Hochleistungsrap erinnert an andere Wilde im Musikbusiness und kreuzt
Beastie-Boys-Punk mit Salt-'n'-Pepa-Schnoddrigkeit und dem
Elektro-Furor von Basement Jaxx, die für Yo!Majesty einen Song
produziert haben. (reg)
Dachstock Reitschule
Samstag, 7. März, 23 Uhr.
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PNOS-KUNDGEBUNG
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Indymedia 5.3.09
08.03.09 - 13.30 - Pnos Aufmarsch in Burgdorf verhindern!
AutorIn : antifa
Am 08. März will die Partei national orientierter Schweizer
"für
Meinungsfreiheit und gegen die Antirassismusstrafnorm demonstrieren.
Die Laufdemonstration wurde inzwischen wegen der breiten
Gegenmobilisierung verboten. Jedoch darf die Pnos laut Stadtregierung
dennoch demonstrieren. Nämlich auf der Burgdorfer
Schützenmatte. Und:
Pnosvertreter Markus Martig gibt in der der Berner Zeitung vom 05.03.09
bekannt: "wir werden trotzdem marschieren."
Die Mobilisierung bleibt aufrecht erhalten. Auf nach Burgdorf!
Verhindern wir gemeinsam diesen braunen Aufmarsch!
Spätestens 13.30 Uhr in Burgdorf: Nazi-Aufmarsch verhindern!
Karte von Burgdorf, inkl. Schützenmatte:
http://maps.google.ch/maps?f=q&source=s_q&hl=de&geocode=&q=sch%C3%BCtzenmatte+burgdorf&sll=46.362093,9.036255&sspn=4.617027,9.887695&ie=UTF8&ll=47.059057,7.625821&spn=0.008902,0.019312&t=h&z=16&iwloc=C
Link zum Flyer:
http://ch.indymedia.org/media/2009/02//67448.pdf
Link zum Plaki:
http://ch.indymedia.org/media/2009/02//67449.pdf
Kein Heimspiel für Nazis! Courage gegen Rechts!
Am 8. März 2009 möchte sich, mit dem Okay der Behörden,
ein
Gruselkabinett durch Burgdorf BE bewegen: Die Neonazis der PNOS wollen
für die Abschaffung einer Strafnorm demonstrieren, gegen welche
sie
regelmässig verstossen: das Antirassismusgesetz.
Die Kleinstadt Burgdorf wird ihren Ruf als Tummelplatz für
Rechtsextreme nicht los: Gewalttätige Übergriffe,
Nazirock-Konzerte,
Trauermärsche, (Vernetzungs-)Treffen im eigenen Clublokal - die
Liste
der Vorfälle ist erschreckend lang. Nun will die Partei National
Orientierter Schweizer (PNOS) - nicht wenige ihrer umtriebigsten
Exponentinnen und Exponenten wohnen in der Region - der Gruselstory ein
weiteres Kapitel anfügen: Unter dem Motto "Für
Meinungsfreiheit -
Antirassismusgesetz abschaffen!" soll am Sonntag, 8. März, von 14
bis
16 Uhr ein Umzug durch die Oberstadt stattfinden.
Rassistisch, ausländerfeindlich, antisemitisch
Tatsächlich sind, wie sich der Hammerskin und regionale PNOS-Kopf
Markus Martig in der "Berner Zeitung" vom 27. Februar 2009 zitieren
liess, einige Personen aus dem Umfeld der PNOS "vom Antirassismusgesetz
betroffen" - und haben auch sonst einiges auf dem Kerbholz.
Einige Beispiele: Denise Friederich (aktuelles PNOS-Vorstandsmitglied)
und Michael Haldimann (ehemaliges PNOS-Vorstandsmitglied), die beide
als Paar in Burgdorf leben, wurden jüngst vor dem Bezirksgericht
Aarau
wegen Widerhandlung gegen die Antirassismus-Strafnorm verurteilt: Die
Partei hatte auf ihrer Website ein nationalsozialistisches
Parteiprogramm publiziert, das sich inhaltlich stark an das
25-Punkte-Programm der NSDAP anlehnte, und einen rassistischen Kalender
samt antisemitischer Karikatur vertrieben.
Auch der langjährige Hammerskin und Anführer der
völkisch-heidnischen
Avalon-Gemeinschaft, Adrian Segessenmann, der heute in Kirchberg bei
Burgdorf wohnt und ab und zu Artikel in der PNOS-Monatspostille
"ZeitGeist" veröffentlicht, kam bereits mit der
Antirassismus-Strafnorm
in Konflikt: 1999 organisierte er einen Vortrag über die
Waffen-SS, der
dem Bundesgericht Anlass bot, bei der Anwendung der Strafnorm das
Tatbestandsmerkmal "Öffentlichkeit" neu zu definieren:
Öffentlich ist
alles, was nicht im privaten Rahmen erfolgt.
Die Brüder Alex und Cédric Rohrbach aus Burgdorf, beide
Musiker der
Nazirock-Band "Indiziert" und der PNOS nahe stehend, haben sich 2004
mit ihrem CD-Erstling "Eidgenössischer Widerstand" Ärger in
Deutschland
eingehandelt: Die CD wurde von der Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt, sie darf in
Deutschland
nicht mehr beworben oder über Internet vertrieben werden.
Die Meinungsfreiheit der Antidemokraten
Mit Erlaubnis der Behörden darf in Burgdorf eine rechtsextreme
Partei
demonstrieren, die in ihrem Weltbild zutiefst antidemokratisch und
rassistisch ist und für ein autoritäres Herrschaftssystem
einsteht, das
die Menschenrechte mit Springerstiefeln tritt. Das jahrelange
Verharmlosen und Tolerieren rechtsextremer Umtriebe und halbherzige
Image-Aktionen à la "Courage" haben dazu geführt, dass
Burgdorf immer
wieder Schauplatz rechtsextremer Aktivitäten ist und sein wird.
Eines
ist schon jetzt klar: In der (Medien-)Öffentlichkeit wird die
Stadt ihr
Renommee als Spielwiese für Neonazis nicht abschütteln
können. Da
helfen auch die der PNOS auferlegten Einschränkungen wenig: keine
Internetwerbung, Demo an einem Sonntagnachmittag in der menschenleeren
Oberstadt.
Zeigen wir Courage und stören wir den Neonazi-Aufmarsch.
Manifestieren
wir auf vielfältigste Weise Widerstand gegen Rechts - mit Pfeif-
und
Lärmkonzerten, Mahnwachen, Transpiaktionen und Sitzblockaden.
Wir treffen uns am 8. März um 13.30 Uhr in Burgdorf.
Agrg, Antifa Bern, Antifa Oberland, Antifa Oberwallis, Autonome Antifa
Freiburg im Breisgau, Autonome Gruppen Oberland, Bündnis alle
gegen
Rechts, Libertäres Antifaschistisches Kollektiv Thun, Repro,
(Stand
2.März 2009 um 12Uhr)
---
Bund 5.3.09
Burgdorf nimmt Pnos an die kurze Leine
Pnos-Demonstration Am kommenden Sonntag will die rechtsextreme Pnos mit
einem Umzug durch Burgdorf gegen die Rassismusstrafnorm demonstrieren
("Bund" von gestern). Im Internet mobilisieren sich inzwischen
Rechtsradikale vom Oberland bis Deutschland; linksradikale
Gruppierungen wie die Antifa haben zum Widerstand gegen den
Pnos-Aufmarsch aufgerufen. Aus Sicherheitsgründen hat der
Burgdorfer
Gemeinderat nun aber entschieden, den Umzug zu verbieten und der Pnos
stattdessen nur eine Platzkundgebung ausserhalb des Stadtzentrums auf
der Schützenmatte zu erlauben. Der Gemeinderat reagiert mit dem
Verbot
auch auf verängstigte Bewohner der Oberstadt. "Die Sicherheit
steht
über allem", sagt die Burgdorfer Stadtpräsidentin Elisabeth
Zäch (sp).
Die Pnos habe die Möglichkeit, ihr Anliegen ausserhalb der
Altstadt zu
vertreten. "Wir akzeptieren die Schützenmatte nicht", sagt Markus
Martig, Emmentaler Sektionspräsident der Pnos, auf Anfrage. Eine
Eskalation scheint somit vorprogrammiert. Die Veranstalter der
linksradikalen Gegenkundgebung haben laut Zäch kein
Kundgebungsgesuch
gestellt. Deren Aufmarsch sei nicht bewilligt, sagt sie.Wenige Tage vor
der Demo geht in der Emmestadt langsam die Angst um. Ursprünglich
hatte
die Burgdorfer Exekutive die Pnos-Demo ganz verbieten wollen. Nachdem
der Burgdorfer Regierungsstatthalter Franz Haussener aber eine
Beschwerde der Pnos gutgeheissen hatte, erteilte der Gemeinderat die
Bewilligung für den kommenden Sonntag. Haussener will das Verbot
des
Umzugs auf Anfrage nicht kommentieren. Er kritisiert aber die
Kommunikation des Burgdorfer Gemeinderats: Erst am vergangenem Dienstag
sei er von der Burgdorfer Sicherheitsdirektorin Beatrice Rechner (bdp)
über die Demonstration informiert worden. Das Datum des
Pnos-Umzugs
habe er aus den Medien erfahren. Burgdorf hat im Gegensatz zu anderen
Städten wie Bern kein Kundgebungsreglement. "Wir waren nie mit
solch
einer Demonstration konfrontiert", sagt Elisabeth Zäch. Die Stadt
arbeite im Moment aber an einem Ortspolizeireglement im Hinblick auf
die Reorganisation der Kantonspolizei. Dabei prüfe sie auch die
Einführung eines Demo-Reglements. (tga)
---
BZ 5.3.09
Nur eine Platzdemo
Platzkundgebung statt Demozug: Das verordnen Burgdorfs
Behörden aus Sorge um die Sicherheit. Die Pnos ist verstimmt.
Die Burgdorfer Behörden reagieren auf die breite Debatte über
die für
den Sonntag geplante Demo der rechtsradikalen Partei national
orientierter Schweizer (Pnos): "Auf Grund einer aktuellen gemeinsamen
Beurteilung der Sicherheitslage", teilen sie in Absprache mit der
Kantonspolizei mit, "hat der Gemeinderat entschieden, die Bewilligung
für einen Demonstrationszug aufzuheben und die Veranstaltung nur
als
Platzkundgebung zuzulassen." Zumal mittlerweile von rechts wie von
links im Internet für den Anlass mobilisiert werde - den
Behörden ist
damit das Risiko gewalttätiger Zusammenstösse zu gross
geworden.
Hörbar ungehalten
Auch mit einer Platzdemo gewähre die Stadt der Pnos das Recht auf
freie
Meinungsäusserung, erklärt Stadtpräsidentin Elisabeth
Zäch. Nicht ohne
anzufügen, dass die Polizei an einem einzigen überschaubaren
Ort weit
wirkungsvoller arbeiten könne als entlang einer längeren
Route. Rechte
und Linke seien so von vornherein besser zu trennen, die Gefahr von
Zusammenstössen sinke automatisch - wobei: Sie sei ohnehin
zuversichtlich, dass die Spezialisten der Polizei die Lage unter
Kontrolle halten könnten.
Ob die Stadt auf die Pnos zählen kann? Deren Vertreter Markus
Martig
tönt jedenfalls hörbar ungehalten. Er werde sich sicher nicht
damit
zufrieden geben, "dass sie uns auf die Schützenmatte abschieben,
wo uns
keiner wahrnimmt", sagt er und kündigt spontan an: "Wir werden
trotzdem
marschieren."
Wieder zum Statthalter
Auf die Frage, ob er damit gewalttätige Zusammenstösse in
Kauf nehme,
relativiert Martig. "Natürlich wollen wir keine Gewalt." Notfalls
müsse
die Polizei den Weg freimachen, "damit wir unser Recht wahrnehmen
können". Zuerst erhebe man nun beim Statthalter Beschwerde gegen
den
Gemeinderat. Was genau am Sonntag geschehe, "entscheiden wir dann
spontan vor Ort".
Stephan Künzi
---
Standpunkt
Die Pnos-Demo und die weite Welt
Stephan Künzi ist Leiter der Redaktion Burgdorf und Emmental
Irgendwie fühlen wir uns alle ohnmächtig vor dieser Demo, die
Burgdorf
am nächsten Sonntag hinnehmen muss. Die Stadtbehörden, die
von Gesetzes
wegen nicht anders konnten, als die Kundgebung der rechtsradikalen
Partei national orientierter Schweizer (Pnos) zu bewilligen, trotz
ihrer berechtigten Angst, dass es zu Zusammenstössen mit den
bereits
mobilisierten Gegendemonstranten aus der links-autonomen Szene kommen
wird. Die Anwohnerinnen und Anwohner sowieso, die Demos gleich welcher
Couleur nicht gewohnt sind und nun ihr beschauliches Städtchen
bereits
in Gewalt und Chaos versinken sehen. Und nicht zuletzt auch wir
Journalistinnen und Journalisten, die zwar über das Geschehen an
diesem
Nachmittag berichten werden, dies aber auch nur mit Beklemmen tun
werden, falls die befürchteten schlimmen Bilder tatsächlich
Realität
werden sollten.
Und so sind Ereignisse, die sonst der grossen Politik vorbehalten sind,
plötzlich ganz nah. Nicht nur mit Blick auf das Thema, wofür
die
Rechtsradikalen auf die Strasse gehen wollen, mit Blick auf das
Antirassismusgesetz also, für dessen Abschaffung die Pnos weibeln
will.
Offenbar als Reaktion darauf, dass in den letzten Monaten mehrere
Exponenten aus ihren Reihen wegen rassistischer Aussagen verurteilt
worden sind - nein, mit dieser Kundgebung rückt das nationale und
internationale Geschehen noch aus einem andern Grund ins lokale
Blickfeld.
Der Demo-Sonntag zeigt nämlich exemplarisch, wie rasch Demokratien
westlichen Zuschnitts an ihre Grenzen stossen, sobald extremistische
Kräfte im Spiel sind. Es ist, wie wenn wir - übrigens von
ähnlichen
Ohnmachtsgefühlen geplagt - mit einem Blick in die weite Welt
über den
Terrorismus oder über den radikalen Islamismus reden: Auf der
einen
Seite stehen gewaltbereite Kräfte, denen die Gesellschaft
eigentlich
mit ähnlich starken Mitteln begegnen müsste. Auf der anderen
Seite
steht der Wert der Freiheit, der einer solch machtvollen, den einzelnen
automatisch einschränkenden Intervention völlig
entgegensteht. Er ist
für den Westen so grundlegend, dass er nicht einfach so
leichtfertig
geopfert wird.
Dies erhellt, warum eine - notabene legale - Gruppe wie die Pnos heute
schlicht das Recht darauf hat, in aller Öffentlichkeit auf sich
aufmerksam zu machen. Unabhängig davon, dass die von ihr
verbreiteten
rassistischen Ansichten höchst problematisch sind. Und
unabhängig
davon, dass ihr Auftreten nichts anderes als eine bewusste Provokation
der links-autonomen Szene ist, die sich ihrerseits nicht davon abhalten
lässt, voll darauf einzusteigen. Gewalt ist für diese Szene
explizit
ein Mittel, wenn es darum geht, missliebige Leute und Meinungen zu
bekämpfen.
Zwei hoffnungsvolle Zeichen gibt es in Burgdorf mit Blick auf den
Sonntag trotz allem. Die Grundlage für das erste hat der
Gemeinderat
gelegt, indem er der Pnos den Zug in die Oberstadt untersagt und die
Demo auf eine Platzkundgebung beschränkt (Text rechts). Die
Polizei
kann so Rechte und Linke besser auseinanderhalten; dass sie dazu in der
Lage ist, hat sie 2006 unter ähnlichen Vorzeichen in Langenthal
bewiesen. Das zweite hoffnungsvolle Zeichen setzt wieder die grosse
Politik. In der reichen Schweiz hatten bisher extremistische
Strömungen
nie lange Bestand und extremistische Forderungen kaum Chancen. Wie
jüngst die Initiative für die Abschaffung des
Antirassismusgesetzes:
Sie scheiterte schon daran, dass nicht genug Leute unterschrieben.
stephan.kuenzi@bernerzeitung.ch
---
punkt.ch 5.3.09
Burgdorf
Doch kein Pnos-Umzug
Die Pnos darf aus sicherheitspolizeilichen Gründen am Sonntag in
Burgdorf nur eine Platzkundgebung ausserhalb des Altstadtbereichs
durchführen.
Gemeinderat und Kantonspolizei haben den eigentlich geplanten
Demonstrationszug doch noch verboten, weil die Sicherheitsbedenken zu
gross seien.
Aufrufe im Internet
Seit öffentlich bekannt ist, dass die Pnos demonstrieren will,
mobilisierten die linksextreme sowie die rechtsextreme Szene via
Internet. Burgdorf solle nicht zum Schauplatz rechts- und linksextremer
Auseinandersetzungen werden. Der Gemeinderat appellierte gestern an die
Pnos, sich an die Auflagen und Anweisungen der Sicherheitskräfte
zu
halten
---
Regionaljournal Bern DRS 4.3.09
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1704032009.rm?start=00:07:46.381&end=00:10:04.489
---
derbund.ch 4.3.09
Nur Kundgebung statt Demozug
Die Partei national orientierter Schweizer (Pnos) wird kommenden
Sonntag in Burgdorf nur eine Platzkundgebung durchführen
dürfen.
Nachdem links- und rechtsextreme Gruppen für einen Aufmarsch
mobilisierten, verbot die Stadt einen Demozug.
Ursprünglich wollte die Stadt die Pnos-Demo überhaupt nicht
bewilligen.
Ein Rekurs der Veranstalter beim Regierungsstatthalter war dann aber
erfolgreich. Burgdorf habe kein einschränkendes
Kundgebungsreglement
wie etwa Bern, argumentierte der Regierungsstatthalter.
Die Pnos will gegen den Antirassismusartikel demonstrieren.
Linksautonome Kreise mobilisieren ihrerseits auf einschlägigen
Internetseiten, um den Pnos-Aufmarsch am Sonntag zu verhindern.
Die Veranstalter der linksautonomen Gegenkundgebung hätten kein
Kundgebungsgesuch gestellt, sagte Stadtpräsidentin Elisabeth
Zäch auf
Anfrage. Deren Aufmarsch sei demnach unbewilligt und werde entsprechend
behandelt.
Burgdorf sei ein friedlicher und demokratischer Ort und die Stadt solle
nicht zum Schauplatz rechts- und linksextremer Auseinandersetzungen
werden, betont der Gemeinderat in einer Mitteilung. Er appelliert
entsprechend an die Kundgebungsverantwortlichen beider Seiten.
Die Region Burgdorf war in den vergangenen Jahren verschiedentlich
wegen rechtsextremen Umtrieben in die Schlagzeilen gekommen. Die Stadt
ihrerseits engagierte sich im Rahmen diverser Projekte gegen Rassismus
und Gewalt. Grössere Bekanntheit erlangte etwa die Aktion "Courage
-
für Menschen gegen Gewalt". (el/sda)
---
20min.ch 4.3.09
Burgdorf
PNOS: Kundgebung statt Demo
Die Partei national orientierter Schweizer (PNOS) wird kommenden
Sonntag in Burgdorf nur eine Platzkundgebung durchführen
dürfen.
Nachdem links- und rechtsextreme Gruppen für einen Aufmarsch
mobilisierten, verbot die Stadt einen Demozug. Ursprünglich wollte
die
Stadt die PNOS-Demo überhaupt nicht bewilligen. Ein Rekurs der
Veranstalter beim Regierungsstatthalter war dann aber erfolgreich.
Burgdorf habe kein einschränkendes Kundgebungsreglement wie etwa
Bern,
argumentierte der Regierungsstatthalter.
Die PNOS will am Sonntag gegen den Antirassismusartikel demonstrieren.
Linksautonome Kreise mobilisieren ihrerseits auf einschlägigen
Internetseiten, um den PNOS-Aufmarsch zu verhindern.
Kein Gesuch der Linksautonomen
Die Veranstalter der linksautonomen Gegenkundgebung hätten kein
Demogesuch gestellt, sagte Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch
auf Anfrage.
Deren Aufmarsch sei demnach unbewilligt und werde entsprechend
behandelt.
Burgdorf sei ein friedlicher und demokratischer Ort und die Stadt solle
nicht zum Schauplatz rechts- und linksextremer Auseinandersetzungen
werden, betont der Gemeinderat in einer Mitteilung. Er appelliert
entsprechend an die Kundgebungsverantwortlichen beider Seiten.
Die Region Burgdorf war in den vergangenen Jahren verschiedentlich
wegen rechtsextremen Umtrieben in die Schlagzeilen gekommen. Die Stadt
ihrerseits engagierte sich im Rahmen diverser Projekte gegen Rassismus
und Gewalt. Grössere Bekanntheit erlangte etwa die Aktion "Courage
-
für Menschen gegen Gewalt".
Quelle: SDA/ATS
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RAZZIA BE
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WoZ 5.3.09
Überfall im Backstage
Von Dinu Gautier
Affäre "Elvis et moi"-Ein Überfall auf eine Bar in Freiburg,
eine Band,
die rückwärtsgewandten Ideologien huldigt, Hausdurchsuchungen
in Berns
"linksextremem Milieu": Suche nach Motiven bei Antifaschisten, einer
Gartenzwergliebhaberin und an einer polizeilichen Waffenausstellung.
Die JournalistInnen scharen sich um einen Tisch im Hauptgebäude
der
Freiburger Kantonspolizei. Da liegen eine Pistole, Schlagringe,
Feuerwerk, ein Halstuch, Messer, eine Gasmaske und noch einiges mehr.
Den anwesenden Polizeikadern ist der Stolz anzumerken. Sie strahlen,
als hätten sie gerade eine Untergrundarmee entwaffnet. Es ist
Mittwoch,
der 18. Februar. Tags zuvor hat die Freiburger Polizei in Bern, genauer
"im linksextremen Milieu", acht Hausdurchsuchungen durchgeführt
und
sieben Personen festgenommen. Den 22-jährigen Alexander (Name
geändert)
hat sie in Untersuchungshaft genommen, die anderen sechs nach
Verhören
wieder freigelassen. Was war passiert?
Vier Monate zuvor, am 11. Oktober 2008, sollte in der Freiburger Bar
"Elvis et moi" die italienische Darkwave-Band Camerata Mediolanense
auftreten. Organisiert hatte den Anlass der des Rechtsextremismus
bezichtigte Konzertveranstalter "Soleil Noir" (vgl. Text unten). Doch
das Konzert sollte nie stattfinden.
Flucht in die Toilette
Valentine Jaquier, die Besitzerin der Bar "Elvis et moi" erinnert sich
gut an jenen Samstagabend: "Die Musiker und der DJ assen gerade
Raclette, als plötzlich das Fenster der Türe barst",
erzählt sie. "Wie
Wilde kamen sie hin eingerannt, zehn bis fünfzehn schwarz
Vermummte.
Sie schrien und begannen alles kaputt zu schlagen, die Instrumente, die
Dekoration, einfach alles." Die Bandmitglieder seien in die
Toilettenräume geflohen. Man habe sie als "Faschistin" beschimpft
und
am Schluss sogar noch eine Tränengaspetarde ins Lokal geworfen.
"Ich
habe nicht verstanden, was sie wollten. Ich bin das Gegenteil einer
Faschistin", so die 34-Jährige. Mit den Blumen in ihren blonden
Zöpfen
und den Tattoos an den Schultern passt sie bestens ins Dekor der Bar.
In einer Ecke steht ein fast lebensgrosses Plastikzebra, und von der
Decke hängen Plastikskelette und -blumen. Jaquier wird auch
Schneewittchen genannt - wegen ihres Auftretens, vor allem aber wegen
ihrer Begeisterung für die grossen und kleinen Gartenzwerge, die
den
Bartresen bevölkern.
Lars Kophal, den Präsidenten von Soleil Noir, kenne sie aus ihrer
Zeit
als Kulturjournalistin bei "24heures", wo sie mit ihm
zusammengearbeitet habe. "Er ist ein sympathischer Typ, und die Band,
die hätte spielen sollen, macht schlicht und einfach schöne
Musik. Ich
kann nicht glauben dass die rechtsextrem ist." Ob sie denn nicht
gewarnt worden sei? "Nein, nie." Jaquier glaubt, die Angreifer seien
"einfach krank und von reinem Hass getrieben".
Die WOZ trifft Phillip (Name geändert), einen jungen Mann aus der
antifaschistischen Szene in Bern, der den Überfall auf die Bar
rechtfertigt, aber betont, er habe selber nicht daran teilgenommen.
Wenn er über Soleil Noir und Valentine Jaquier spricht, wirkt er
eher
distanziert denn hasserfüllt.
"Wir wissen, dass Jaquier selber keine Rechtsextreme ist", sagt er.
"Aber sie veranstaltet solche Konzerte nicht zum ersten Mal. Sie ist
nicht dumm und kennt sich in der Darkwave-Szene aus, weiss, mit wem sie
es zu tun hat - und sie wurde in der Vergangenheit im Vorfeld eines
früheren, ähnlichen Konzertes in ihrer Bar gewarnt. Das
Konzert hat
damals trotzdem stattgefunden."
Und das rechtfertigt einen solchen kommandoartigen Überfall? "In
der
Vergangenheit wurden immer wieder Besitzer von Konzerträumen
angeschrieben mit der Bitte, ihre rechtsextremen Gäste wieder
auszuladen. Es wurden Warnungen verschickt, die Presse informiert und
so weiter." Aber man habe feststellen müssen, dass in der Mehrzahl
der
Fälle der Effekt gleich null sei, dass die Konzerte trotzdem
stattgefunden hätten. Hier habe es sich deshalb auch um eine
"Machtdemonstra tion" gehandelt. Dabei seien bewusst keine Leute
angegriffen worden - "Sachbeschädigung hingegen ist legitim". Denn
die
Musik, Konzerte seien zentral für die Rekrutierung in der
Neonaziszene.
Und Soleil Noir versuche gar, eine ganze Subkultur zu unterwandern.
"Wenn wir ‹wehret den Anfängen› sagen, dann müssen wir auch
dort
ansetzen", sagt der Mann mit dem schwarzen Kapuzenpulli.
Darauf angesprochen, dass die Besitzerin nach dem Überfall
psychologische Behandlung benötigte und einen Gross teil des
Sachschadens (Jaquier spricht von 30 000 Franken) selber berappen
musste, ist Phillip dann doch etwas Kritik zu entlocken: "Man
hätte
Jaquier nochmals explizit warnen können. Und möglicherweise
hätte es
auch gereicht, nur die Instrumente zu zerstören." Nichtsdestotrotz
sei
die Aktion ein Erfolg gewesen, habe sich doch Soleil Noir in der Folge
aufgelöst.
Heterogene Antifa-Szene
In der Regel ist Berns antifaschis tische Szene meist eher indirekt
aktiv. Sogenannte Recherche-Antifas wie die Gruppe Antifa Bern arbeiten
ähnlich wie ein Nachrichtendienst. Sie verfolgen den Werdegang von
Personen in der rechten Szene oder versuchen mit Tricks an vertrauliche
Informationen über anstehende Konzerte und Mobilisierungen zu
gelangen,
um die Presse und mitunter gar die Polizei darüber zu informieren.
Das
etwa in Deutschland übliche Denunzieren von Einzelpersonen im
Internet
und bei ArbeitgeberInnen praktizieren sie nur zurückhaltend -
häufig
sei es nämlich nicht sinnvoll, wenn ein "Fascho" die Arbeitsstelle
verliere und somit mehr Zeit für politische Aktivitäten habe,
ist zu
hören.
Dann gibt es Gruppen, die eher mobilisieren und Aktionen und
Demonstrationen organisieren und auch gerne martialisch gekleidet
auftreten.
Schliesslich gibt es Bündnisse verschiedener antifaschistischer
Gruppen
aus der Region, die grössere Veranstaltungen organisieren, wie
etwa den
Antifaschistischen Abendspaziergang, der seit dem Jahr 2000 praktisch
jeden Frühling stattfindet, in seinen besten Zeiten bis zu 5000
Menschen zu mobilisieren vermochte und in Bern alljährlich zum
sicherheitspolitischen Thema wird. Oder es werden mehrwöchige
Sensibilisierungskampagnen veranstaltet, mit Konzerten, Vorträgen
und
Filmvorführungen.
An solchen Aktivitäten hat sich auch eine kleinere Gruppe
beteiligt,
die nun ins Visier der Freiburger Polizei geraten ist. Ihr hat die
Mehrzahl der Hausdurchsuchungen und der Festnahmen gegolten.
Am Abend des "Elvis et moi"-Überfalls hatte die Polizei beim
Bahnhof
Freiburg nämlich Skimasken und Schlagstöcke gefunden und
diese nach
DNA-Spuren untersucht. In der DNA-Datenbank erzielten sie einen
Treffer. Der nicht vorbestrafte Alexander war noch als
Minderjähriger
in eine Schlägerei verwickelt gewesen, weswegen er eine DNA-Probe
hatte
abgeben müssen. Alexander wurde freigesprochen, sein DNA-Profil
ist
aber in der Datenbank geblieben.
"Die Polizei muss Alexander observiert haben und einfach jene Personen
verhaftet haben, die er an den allwöchentlichen Sitzungen der
Gruppe
getroffen hat", sagt Nicolas (Name geändert). Auch Nicolas wurde
verhaftet, obwohl er über ein "gutes Alibi" verfüge: "Zu
jener Zeit
ging ich wegen einer Kreuzbandoperation an Krücken." In der Gruppe
sei
"Elvis et moi" kein Thema gewesen und er wisse von weiteren Verhafteten
mit Alibi: "Einer war zum Beispiel zu jener Zeit in Istanbul." Nun habe
die Polizei die Protokolle der Gruppe beschlagnahmt. Deren Inhalte
seien zwar "strafrechtlich kaum relevant, vielleicht interessiert sich
aber der Staatsschutz dafür".
Gings nur um DNA-Treffer?
Es fragt sich überhaupt, was die Polizei mit ihrer Strategie genau
bezweckt. Einerseits sagt der Untersuchungsrichter, er gehe in erster
Linie nicht von einer politisch motivierten Tat, sondern von einem
Racheakt persönlicher Natur aus: Vor drei Jahren wurde ein Berner
Antifaschist wegen Körperverletzung gegenüber einem Mitglied
von Soleil
Noir angezeigt und später verurteilt. Andererseits spricht die
Polizei
an derselben Pressekonferenz, mit Verweis auf das beschlagnahmte
"Waffenarsenal", immer vom "linksextremen Milieu" und suggeriert, die
Waffen könnten bei Demonstrationen gegen die Polizei eingesetzt
werden.
Die "Pistole" auf dem Tisch bei der Pressekonferenz stellt sich auf
Nachfrage als Air-Soft-Gun heraus, die Gasmaske als
Militärgasmaske,
die Pfeffersprays als legal erhältlich und die
Feuerwerkskörper als
herkömmliche Billigstprodukte von einem Kaliber, das man auch
Kindern
anvertrauen würde. Eine Guerilla hat die Polizei also nicht
zerschlagen
- es scheint derzeit eher so, als habe sie auf gut Glück
gehandelt,
darauf spekuliert, durch die den Verhafteten abgenommenen DNA-Proben
weitere Treffer zu landen. Bisher hat sie aber keine solchen mitgeteilt.
Nach einer Woche in Untersuchungshaft wurde Alexander wieder entlassen.
Zuvor führte die Polizei weitere Hausdurchsuchungen durch, die sie
nicht kommentieren will. Immerhin musste sie eingestehen, dass sie aus
Versehen auch das Büro einer Menschenrechtsgruppe durchsucht hatte.
Valentine Jaquier vertraut den Behörden dennoch: "Ich werde den
Tätern
im Gerichtssaal begegnen und erwarte, dass sie mir in die Augen
schauen, sich entschuldigen und mir meinen Schaden begleichen."
--
Ist die Schwarze Sonne rechtsextrem?
Der Präsident des Konzertveranstalters Soleil Noir, Lars Kophal,
behauptet, seine Vereinigung sei "apolitisch" und ausschliesslich
kulturell interessiert. Sie distanziere sich von jeder Ideologie, sei
sie "vergangen, aktuell oder zukünftig".
Eine Behauptung, die sich leicht widerlegen lässt, nur schon wenn
man
die Selbstdarstellung auf der inzwischen gelöschten Homepage las:
"Wir
kotzen auf die wurzellose Modernität, den geistlosen Materialismus
und
den zerstörerischen Ultraliberalismus, die Arbeiterausbeutung
durch das
internationale Finanzkapital, die planetweite
Globalisierungsvereinheitlichung, die grosse seichte Suppe des
Multikulturalismus, die Amerikanisierung wie auch die
Dritt-Weltisierung." Das ist zwar keine tagespolitische, jedoch eine
gesellschaftspolitische Einordnung. Soleil Noir lehnt sich damit an das
Gedankengut der rassistisch inspirierten Nouvelle Droite an. Das
pessimistische und europazentrierte Kulturverständnis wird
politisch
verstärkt durch lobende Erwähnungen des faschistischen
Ideologen Julius
Evola. Das allein belegt aber noch nicht, dass bei
Soleil-Noir-Veranstaltungen rechtsextreme politische Inhalte verbreitet
werden.
Eine unpolitische Haltung beansprucht auch die italienische Band
Camerata Mediolanense für sich, die in Fribourg hätte
auftreten sollen
(vgl. Text oben). In der Kritik steht die Band nicht wegen ihrer Musik,
sondern wegen ihrer Auftritte bei rechtsextremen Veranstaltungen
beziehungsweise wegen ihrer sympathisierenden Interviews in
Neonaziblättern, beispielsweise im Blatt der inzwischen verbotenen
deutschen Sektion von Blood and Honour. Nach 2002 lassen sich solche
Auftritte und Interviews allerdings nicht mehr nachweisen (seit 2003
aktualisiert die Gruppe auch ihre Homepage nicht mehr). In der Schweiz
ist die Camerata Mediolanense im Juli 2001 an einem grösseren
Konzert
im Waadtländer Schloss La Sarraz aufgetreten, wo an
Büchertischen
Schriften an der Schnittstelle zwischen rassistisch inspirierter
Nouvelle Droite und Rechtsextremismus angeboten wurden. Selbst dem
La-Sarraz-Veranstalter Yann Courtiau war es nach dem Konzert nicht mehr
geheuer, in einem Mail an Mitbeteiligte schrieb er: "Wenn die Gruppen
in ihrer Kunst zweideutig sind, dann bleibt das Kunst, wenn sich aber
das Publikum uniform kleidet, so verliert die Kunst ihre Funktion
zugunsten der Propaganda." Er kritisierte damit jene vielen
KonzertbesucherInnen, deren Kleidung faschistische oder nazistische
Vorbilder imitierten. Er umschrieb aber auch das
gesellschaftspolitische Spannungsfeld, in dem sich die rechte
Minderheit der Gothic/Dark-Wave-Szene bewegt. Und zu dieser Minderheit
in der Szene gehört auch Soleil Noir.
Dieser Teil der Szene nimmt ästhetisierend Symbole und
Ausdrucksformen
aus dem grossen Fundus rückwärtsgewandter Ideologien
(Konservative
Revolution, Italienischer Faschismus, Rumänische Eiserne Garde)
auf und
behauptet, durch die Ästhetisierung ironisiere sie die
gesellschaftspolitische Botschaft. Dies tut auch die Camerata
Mediolanense. Mit den ungehobelten Tiraden und der
Knüppeltaktmusik der
Naziskinszene allerdings hat dies alles nichts zu tun.
Hans Stutz
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PAYERNE-FRÖNTLER
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WoZ 5.3.09
"Un Juif pour l'Exemple"-Mit seinem neuen Roman erinnert der in Payerne
lebende Jacques Chessex an ein trauriges Kapitel der Schweizer
Geschichte und sorgt in der Region La Broye für Aufregung.
"Gott weiss warum"
Von Raphael Zehnder
"Einen Juden als Exempel" wollten der Möchtegern-Gauleiter Fernand
Ischi und seine Bande 1942 in Payerne töten. Sie lockten den
sechzigjährigen Berner Viehhändler Arthur Bloch am 16. April
1942 unter
einem Vorwand vom Marktplatz in einen Stall. Dort erschlugen sie ihn,
zerstückelten seine Leiche und versenkten sie im Neuenburgersee.
Wenige
Tage danach wurden sie gefasst, im Februar 1943 fand der Prozess statt:
Zuchthaus lebenslänglich für Fernand Ischi, den
Anführer,
lebenslänglich für zwei weitere Angeklagte, zwanzig Jahre
für einen
minderjährigen Komplizen, fünfzehn für einen anderen
Mittäter. Den
Ideologen dieser Nazibande, den pfarreilosen Pfarrer Philippe Lugrin,
schleusten deutsche Diplomaten über die Grenze ins Reich, wo ihn
US-Soldaten 1945 festnahmen.
Nicht besser als die NachbarInnen
Das Verbrechen dieser fanatischen Figuren hat Chessex sein Leben lang
beschäftigt: 1967 etwa veröffentlichte er den Text "Un crime
en 1942",
und die Figur des Georges Mollendruz im 1973 mit dem Prix Goncourt
ausgezeichneten Roman "L'Ogre" (deutsch "Der Kinderfesser") erinnert
stark an den hasszerfressenen Antisemiten Lugrin. Der Reminiszenzen ans
Verbrechen von Payerne gäbe es noch etliche mehr in Chessex' Werk.
Es
geschah in seiner Heimatstadt, als der nachmalige Autor acht Jahre alt
war.
Aus dem Fall, der auch verschiedentlich journalistisch aufgearbeitet
wurde, macht Jacques Chessex mit "Un Juif pour l'exemple" einen kurzen,
präzisen, scharfen Roman. Minutiös schildert er das Milieu,
in dem das
Gedankengut virulent war, das zu diesem Mord führte. Die
Wirtschaftskrise als Nährboden für extremes Gedankengut,
Antisemitismus, die Frontenbewegung: Es gibt erfreulichere Kapitel der
Schweizer Geschichte.
Chessex' Roman ist ein Erfolg: 10 000 verkaufte Exemplare innert dreier
Wochen in der Westschweiz, wo sonst Auflagen von unter 1500 Exemplaren
die Regel sind, 30 000 bereits in Frankreich, Lob von "Le Monde"
über
"Paris-Match" bis zur Westschweizer Tagesschau. Das Nazithema ist ein
Dauerbrenner. Das widerspiegelte unlängst etwa Jonathan Littells
SS-Roman "Die Wohlgesinnten", das belegt zurzeit Peter Longerichs
Himmler- Biografie. Nur sind bei Jacques Chessex die Bösen nicht
im
Ausland zu Hause, sondern mitten unter uns. In manchem Schweizer Dorf
wissen die Älteren noch heute, wer der Nazi-Ortsgruppenleiter
geworden
wäre. Der Gedanke kann auch heute noch wehtun, denn er zwingt
einen zu
erkennen, dass "wir" nicht besser gewesen wären als unsere
NachbarInnen.
"Dieses Buch ist zum Kotzen, nichts weiter", schreibt ein Journalist in
der Regionalzeitung "La Broye", die in Payerne erscheint. Er wirft
Chessex vor, das Verbrechen von 1942 nie verarbeitet zu haben und "fast
sein ganzes Leben lang" Gift und Galle gegen seine Heimatstadt gespuckt
zu haben. Und der Autor habe - in der Tat sind dies konstante Themen in
Chessex' Werk - "ernsthafte Probleme mit Sex und Blut", was der
Journalist mit blutigen Zitaten aus dem Buch zu belegen sucht. Der
Stadtarchivar und ehemalige Lehrer Michel Vauthey, eigentlich ein
Freund von Chessex' Stil, fühlte sich von diesem Buch verletzt:
Payerne
sei eine angenehme Stadt, in der es sich gut lebe, sagte er der Zeitung
"24 heures". Es habe da nicht mehr Nazis gegeben als anderswo. "Wenn
Jacques Chessex nicht von Zeit zu Zeit mit diesem Thema käme,
spräche
man nicht mehr davon."
Eine Strasse für Bloch
Auch Michel Roulin, Stadtpräsident des 8500-Einwohner-Orts
Payerne,
stört sich daran, dass diese 67 Jahre alte Geschichte
zurückkehrt: "Ich
denke an die Nachfahren der Schuldigen, die oft zitiert werden. Sie
sehen ein weiteres Mal dieses Drama auftauchen, für das sie nicht
verantwortlich sind. Wenn ich zur Familie gehören würde,
würde mir das
missfallen ... Payerne ist eine friedliche Stadt im Aufschwung. Wir
sind weit entfernt von jenen Zeiten, auch wenn wir das Gedächtnis
an
das Opfer und seine Familie respektieren", sagte er gegenüber "24
heures".
Die Emotionen gehen also hoch in der Region La Broye. Man solle die
Geschichte ruhen lassen, sagen vor allem Ältere. Andere
äussern sich
positiv über "Un Juif pour l'exemple", loben, dass Chessex dieses
unangenehme Kapitel der Geschichte nicht unter den Teppich kehrt,
erinnern - wie Christelle Luisier, die Präsidentin der
Waadtländer
Freisinnigen - an die Pflicht, diese Untat nicht zu vergessen. Sie
unterstützen Chessex bei seinem Begehren, eine Strasse oder einen
Platz
in Payerne nach dem ermordeten Viehhändler zu benennen.
"Gott weiss warum", liess Arthur Blochs Witwe auf den Grabstein ihres
Mannes schreiben. Arthur Bloch habe keine Ruhe gefunden unter der
Grabplatte mit dieser Inschrift, knüpft Jacques Chessex an dieses
Epitaph an, "das ironisch das Vertrauen und Misstrauen" der Witwe
"gegenüber den Entschlüssen des Allmächtigen
ausdrückt". Noch jetzt,
als alter Schriftsteller, der diese Geschichte als kleiner Junge
miterlebt habe, wache er manchmal nachts auf, verfolgt und verletzt
davon, "und er glaubt, er sei das Kind, das er damals war und das die
Seinen ausfragte. Es fragte, wo der Mann sei, den man ganz in der
Nähe
ermordet und in Stücke geschnitten hatte. Es fragte, ob er
zurückkäme.
Und wie man ihn empfangen würde. - Ist es wahr, dass er heute
Abend
umgeht? - Du sprichst von Arthur Bloch, antwortete man ihm sehr leise.
Arthur Bloch, von ihm spricht man nicht. Arthur Bloch, das war vorher.
Eine alte Geschichte. Schnee von gestern."
"Alles ist Wunde"
Chessex gibt deutlich zu verstehen, dass er diese Ansicht nicht teilt,
denn er erinnert an die Verzweiflung der Hügel von Auschwitz und
(mit
dieser Erwähnung in einem Atemzug schiesst er allerdings weit
übers
Ziel hinaus) Payerne, an die Nazischande in Treblinka und den
Schweinezüchterdörfern der Broye: "Alles ist Wunde. Alles ist
Golgatha.
Und die Vergebung ist so fern. Aber gibt es eine Wiederauferstehung?
Gnade, Gott, bei der Rose des offenen Bauches. Gnade, bei der
Dornenkrone und dem Stacheldraht der Lager. Erbarme Dich, Herr, unserer
Verbrechen. Herr, erbarme Dich unser". Da lesen wir - angesichts des
vom Menschen angerichteten Grauens - nackte Verzweiflung. Ein grosses,
ein menschliches Buch.
Jacques Chessex: "Un Juif pour l'exemple". Grasset. Paris 2009. 104
Seiten. 28 Franken.
Journalistische Bücher zum selben Thema:
Hans Stutz: "Der Judenmord von Payerne". Rotpunktverlag. Zürich
2000. 137 Seiten. 29 Franken.
Jacques Pilet: "Le Crime nazi de Payerne". Editions Pierre M. Favre.
Lausanne 1977. Antiquarisch.
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PROGR
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Bund 5.3.09
Progr: SVP prüft Beschwerde
Stadt Bern Gesundheitszentrum oder Künstlerprojekt? Falls der
Stadtrat
heute Abend beschliesst, dem Volk eine Variante zur künftigen
Nutzung
des Progr vorzulegen, droht die SVP mit einer Verwaltungsbeschwerde.
Sie will nur dann auf den Rechtsweg verzichten, wenn in der
Abstimmungsbotschaft darauf hingewiesen werde, dass das
Künstlerprojekt
die Wettbewerbsbedingungen nicht erfülle. "Wenn dem Volk schon
Varianten vorgelegt werden, dann sollen diese wenigstens sauber
deklariert werden", begründet Stadtrat Peter Bernasconi (svp) das
Vorgehen. An einem Podium im Kornhausforum kreuzten gestern
Befürworter
und Gegner des Künstlerprojekts die Klingen. (bob)
Seite 21
--
Progr droht zum Rechtsfall zu werden
Die SVP prüft eine Verwaltungsbeschwerde, falls der Berner
Stadtrat heute eine Progr-Variantenabstimmung beschliesst
Gesundheitszentrum oder Künstlerprojekt? Die Stimmbürger
sollen
zumindest in der Botschaft zu einer Variantenabstimmung darüber
informiert werden, dass das Künstlerprojekt die
Wettbewerbsbedingungen
nicht erfülle, fordert die SVP.
Bernhard Ott
Wie soll das einstige Progymnasium künftig genutzt werden? Heute
Abend
dürfte sich die Mehrheit im Stadtrat dafür entscheiden, den
Stimmbürgern die Wahl zwischen dem Gesundheits- und Schulzentrum
und
dem Künstlerprojekt zu lassen. Ursprünglich hätte Mitte
Mai aber nur
über das erste Projekt abgestimmt werden sollen, das aus einem
Architektur- und Investorenwettbewerb als Sieger hervorgegangen ist.
Mit dem wahrscheinlichen Entscheid für eine Variantenabstimmung
sind
jedoch beträchtliche Unsicherheiten verknüpft: Erstens
schliesst die
Firma Allreal als Investorin des Gesundheits- und Schulzentrums nicht
aus, beim Entscheid für eine Variantenabstimmung ihr Projekt
zurückzuziehen ("Bund" vom 3. März). Und zweitens droht die
SVP mit
einer Verwaltungsbeschwerde, da mit einer Variantenabstimmung
womöglich
übergeordnetes Recht verletzt würde. Eine solche Beschwerde
hätte
aufschiebende Wirkung, was den Entscheid über die Zukunft des
Progr für
mindestens ein Jahr vertagen würde.
Offene "Deklaration" verlangt
Gegen eine Variantenabstimmung sprach sich auch die Mehrheit der
Finanzkommission aus. Das Projekt eines Gesundheits- und Schulzentrums
habe sich in einem offenen Wettbewerb durchgesetzt. Es gebe keine
plausiblen Gründe, davon abzuweichen, teilte die Kommission mit.
Die
Mehrheit der Kommissionsmitglieder zweifelte zudem daran, ob die
Progr-Künstler den Betrieb des Zentrums längerfristig sichern
können.
Laut der SVP kommt nun auch ein juristischer Vorbehalt ins Spiel. Mit
einer Variantenabstimmung würden die Bestimmungen der
interkantonalen
Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen verletzt,
sagt
Stadtrat Peter Bernasconi. Der Gemeinderat habe gemäss diesen
Bestimmungen dem Siegerprojekt der Allreal in Form einer Verfügung
den
Zuschlag gegeben. In diesem Fall könnten die Stimmberechtigten als
"zuständiges, übergeordnetes Organ" nur über einen
Vertragsabschluss
mit den Initianten des Siegerprojekts befinden. Dies allein wäre
in den
Augen der SVP bereits Grund genug für eine Verwaltungsbeschwerde.
Da
Variantenabstimmungen aber derzeit "in Mode" seien, solle zumindest in
der Abstimmungsbotschaft Transparenz geschaffen werden. "Wenn in der
Abstimmungsbotschaft darauf hingewiesen wird, dass das
Künstlerprojekt
den Wettbewerbsbedingungen widerspricht, verzichten wir auf eine
Beschwerde", sagt Bernasconi. Wenn dem Volk schon eine
Variantenabstimmung vorgelegt werde, "dann sollen wenigstens die
fragwürdigen Voraussetzungen des Künstlerprojekts offen
deklariert
werden", sagt Bernasconi. Sonst werde mit "ungleichen Ellen" gemessen,
und die Stadt mache sich als Organisatorin von Wettbewerben
unglaubwürdig.
Unterschiedliche Berechnungen
Als Unternehmer aus der Baubranche geht es Bernasconi im Wesentlichen
darum, dass die Argumente der Liegenschaftsverwaltung in die
Abstimmungsbotschaft aufgenommen werden. Die Liegenschaftsverwaltung
kam nach einer Prüfung des Kaufangebotes der Progr-Künstler
zu einem
vernichtenden Ergebnis. So bleibe "aufgestauter Unterhalt" im Bereich
Haustechnik von mehreren Millionen Franken bestehen. Die strengen
Grenzwerte für Haustechnik gemäss neuer Energieverordnung
führten dazu,
dass Teilsanierungen rasch zu ganzheitlichen Erneuerungen führten,
"deren Mehrkosten nicht absehbar sind", hielt die Verwaltung fest.
Zudem sei der Bodenpreis an der zentralen Lage für eine kulturelle
Nutzung zu teuer, da der Baurechtszins in der Höhe von 320000
Franken
34 Prozent der budgetierten Mietzinseinnahmen ausmache. Schliesslich
seien die Kosten der Parkplatzersatzabgabe in der Höhe von gegen
800000
Franken im Künstlerprojekt nicht berücksichtigt ("Bund" vom
20.
Februar).
Progr-Finanzchef Günther Ketterer konterte, dass der vorgesehene
Unterhaltsbetrag in der Höhe von 220000 Franken ausreiche, da die
Künstler Oberflächensanierungen meist selber ausführten
und auch eine
sukzessive Sanierung denkbar sei. Er beklagte, dass die Kalkulation der
Liegenschaftsverwaltung "Angaben wie aus der Kalkulationsschulung"
enthalte und auf das konkrete Kaufangebot der Künstler kaum
eingehe.
"Die Stadt glaubt uns einfach nicht, dass wir viel weniger Geld
brauchen als ein Gesundheitszentrum", sagte Ketterer. Er räumte
einzig
ein, die Parkplatzersatzabgabe nicht einberechnet zu haben. "Wir
hoffen, dass wir sie nicht zahlen müssen."
Stadtratsbeschluss angezweifelt
Als Sprecher der Finanzkommission wird Bernasconi heute aber nicht nur
infrage stellen, ob das Künstlerprojekt den Wettbewerbsbedingungen
entspricht. Er bezweifelt zudem, ob sich der Stadtrat am 6. November
tatsächlich dafür ausgesprochen hat, dass der Gemeinderat dem
Stadtrat
das Künstlerprojekt als Variante vorlegen soll. Im
Stadtratsprotokoll
ist dieser Beschluss zwar enthalten. "Es hat jedoch niemand einen
Antrag zur Durchführung einer Variantenabstimmung gestellt."
Über die
einzelnen Punkte des Stadtratsbeschlusses sei auch nicht einzeln
abgestimmt worden. Bernasconi räumt ein, dass das betreffende
Stadtratsprotokoll an einer späteren Sitzung wohl genehmigt worden
ist.
Solche "Ungereimtheiten" seien aber stossend.
--
Argumentativer Häuserkampf um den Progr
Gestern fand im Kornhaus eine Diskussion über die künftige
Progr-Nutzung statt - dabei wurden Fragen aufgeworfen, die schon
länger
unter den Nägeln brennen
Es war die wohl gepflegtere Debatte als jene, die der Stadtrat heute
führen wird: An einem Podium kreuzten gestern Vertreter und
Verfechter
des Siegerprojekts und der Künstlervariante die Klingen, mit
Respekt
füreinander - und unter grossem Publikumsinteresse.
Simon Jäggi
Man könnte sie als ein Gipfeltreffen bezeichnen: die
Podiumsdiskussion,
die gestern im zurzeit leer stehenden Dachstock des Kornhausforums
stattfand. Auf dem Podium sassen nicht weniger als sieben Teilnehmer,
unter ihnen einige, welche die zukünftige Nutzung des ehemalige
Progymnasiums am Waisenhausplatz in einem gewichtigen Masse mitbestimmt
haben - und dies vielleicht auch weiter tun werden.
Da waren zum einen zwei Vertreter von Pro Progr, der
Künstlerinitiative, welche das denkmalgeschützte Gebäude
als
Kulturzentrum erhalten möchte. Und da war zum anderen die
Gegenseite: die Generalunternehmung Allreal, die Investorin des
Siegerprojekts "Doppelpunkt", vertreten durch ihren Vizedirektor Stefan
Creus. Da war Fernand Raval, Abteilungsleiter der städtischen
Liegenschaftsverwaltung, und der Architekt Fritz Schär, der auf
dem
Podium die Planungs- und Baufachverbände vertrat, die um das
Wettbewerbswesen in der Stadt bangen. Und da waren zwei
Stadträtinnen,
die heute entscheiden werden, ob es zu einer Variantenabstimmung zur
künftigen Progr-Nutzung kommen wird.
Eine Million Franken investiert
Und da war der Moderator Bernhard Giger, neuer Leiter des
Kornhausforum, der Fragen stellte, welche interessierten Zeitgenossen
in Bern länger schon unter den Nägeln brennen. Dass dies
offenbar nicht
wenige sind, zeigte der eindrückliche Publikumsaufmarsch: 120
Zuhörer
und Zuhörerinnen kamen ins Kornhaus - vier Mal mehr als beim
Rededuell
vor der Wahl ums Stadtpräsidium an gleicher Stätte. Moderator
Giger
wollte zunächst von der Generalunternehmung Allreal wissen, ob sie
denn
jemals noch an einem Wettbewerb in Bern teilnehme, wenn sich der
Stadtrat für eine Variantenabstimmung entscheide. Vizedirektor
Creus,
der sich im Laufe der Diskussion als scharfzüngiger Redner erwies,
mochte keine definitive Antwort geben. Was er aber gerne preisgab,
waren Zahlen: "Nachdem wir im Wettbewerb den Zuschlag erhalten hatten,
gingen wir voll in die Planung", so Creus. Inzwischen habe Allreal rund
eine Million investiert.
"Wenn ein Wettbewerbsteilnehmer so viel Zeit und Geld investiert, muss
es Sicherheit geben", meinte darauf Architekt Schär. Das
Wettbewerbswesen sei ein hohes kulturelles Gut - und dieses werde durch
einen Entscheid schwer beschädigt, wie ihn der Stadtrat im Herbst
gefällt habe, als er sich dafür entschied, dem
Künstlerprojekt eine
Chance zu geben. "Der Stadtrat hat mitten im Verfahren plötzlich
die
Spielregeln geändert - und hier einen Riesenfehler gemacht",
meinte
Schär, der aber auch betonte, wie es ihn freue, dass die Politik
endlich wahrnehme, was der Progr für Bern bedeute.
Auch ihr liege das Wettbewerbswesen sehr am Herzen, unterstrich
SP-Stadträtin und Raumplanerin Gisela Vollmer. Den Hund sah sie
darin
begraben, dass die Stadt vor dem Wettbewerb keine Nutzung definiert
habe. "Mit der Ausschreibung des Wettbewerbs waren wir in der
Kommission nicht einverstanden, doch damals hiess es nur: Das ist ja
noch alles offen, wir machen jetzt mal." Beim Architekturwettbewerb
hätten die Künstler, hätten sie denn teilgenommen, gar
keine Chance
gehabt, zu reüssieren - etwa weil der Zuschlag an den
Meistbietenden
gehen sollte.
Und auch die Progr-Künstler wehrten sich gegen den Vorwurf, dem
Wettbewerbswesen zu schaden. Der Stadtrat habe keinen Fehler gemacht:
Es sei Ausdruck eines demokratischen Systems, dass ein Entscheid von
einer weiteren Instanz nochmals überdacht werden könne.
"Tatsache ist
nun mal, dass Parlament und Volk auch noch ein Wörtchen mitzureden
haben", so der Dirigent und Musiker Matthias Kuhn. Die
Künstlerinitiative stelle keine Forderung, sondern eine
Offerte: Der
Progr sei kein Experiment, sondern ein Projekt, das heute schon
funktioniere. Dass die Finanzierung seriös sei, bestätige
selbst jemand
wie der abtretende FDP-Präsident Thomas Balmer.
Dessen Parteikollegin Dolores Dana, FDP-Stadträtin, lobte zwar
auch das
Engagement der Progr-Künstler. Sie fragte aber, warum der Progr
nicht
auch an einem andern Ort funktionieren könne und sich die
Künstler
nicht mit derselben Energie für den Kauf eines privaten
Gebäudes
einsetzten - etwa der frei werdenden Schanzenpost.
Dass es wohl kaum eine andere städtische Liegenschaft geben
würde, die
zur Verfügung stünde, räumte Liegenschaftsverwalter
Raval ein. Der
Gemeinderat habe den Auftrag erteilt, nach Ersatzstandorten zu suchen -
fündig sei man aber nicht geworden.
Allreal: "Wir haben noch Platz"
Einen überraschenden Vorschlag zog darauf der Allreal-Vizedirektor
aus
dem Hut: "Wir haben noch leere Flächen - diese könnten sie
mieten",
meinte Creus zu den Künstlern. Diese lehnten dankend ab: Dass der
Progr
in den letzten Jahren über sich hinausgewachsen sei, liege an der
Lage
und der Einzigartigkeit des Projekts. Müsse nach einem
Ersatzstandort
gesucht werden, was Jahre dauern könnte, bestehe die Gefahr, dass
die
Progr-Bewegung versiege - eines von vielen schwarzmalenden Argumenten,
mit denen gestern schon gefochten wurde und die heute im Stadtrat
bestimmt dankbar aufgenommen werden.
---
BZ 5.3.09
Podium zum Progymnasium
"Stadt Bern ist ein Sorgenkind"
Die Künstler wollen ihre Ateliers im ehemaligen Progymnasium
behalten.
Die Wettbewerbssieger bangen um ihr Projekt. An einem gut besuchten
Podium kreuzten sie vor dem heutigen Stadtratsentscheid die Klingen.
"Vergesst es, keine Chance!" Diesen Bescheid kriegte Peter Aerschmann,
Videokünstler und Mieter eines Progr-Ateliers, von verschiedener
Seite,
als er sich vor zwei Jahren am städtischen Investorenwettbewerb
beteiligen wollte. Gestern sass er als Vertreter eines eigenen Projekts
trotzdem auf dem Podium zum Thema "Progr: Künstler versus
Wettbewerbsgewinner". Über 100 Personen kamen ins Kornhaus zum
Schlagabtausch der ungleichen Konkurrenten. Heute entscheidet der
Stadtrat, wie es beim gegenwärtig als Zentrum für
Kulturproduktion
genutzten Progymnasium weitergeht. Stefan Creus, Vizedirektor von
Allreal, nahm als Vertreter des Wettbewerbsgewinners "Doppelpunkt"
Platz. Sein Fürsprecher war in erster Linie Fritz Schär,
Architekt und
Präsident der kantonalen Kommission für Kunst und
Architektur: "Wenn
das Wettbewerbswesen permanent hintergangen wird, stirbt es", sagte er.
Aber es sei seit über 100 Jahren Garant für ein hohes Niveau
beim Bauen.
Wer schoss den Bock?
Allreal hat bereits eine Million Franken ins Projekt gesteckt. Dass
sich Creus auch nach dem Gewinn des Wettbewerbs vor über einem
Jahr
immer noch einem Konkurrenten gegenübersieht, liegt am Stadtrat.
Dieser
blies am 6.November 2008 zum Marschhalt und liess die
Künstlerinitiative Pro Progr, bestehend aus Mietern im
Progymnasium,
eine eigene Offerte ausarbeiten. Sie hatten nämlich realisiert,
dass
Baurechtszins und Kaufpreis in Reichweite liegen und längst nicht
so
hoch sind, wie ursprünglich von der Stadt gefordert. Für
FDP-Stadträtin
Dolores Dana ist klar: "Der Stadtrat hat am 6.November einen Bock
geschossen." Die nachträgliche Zulassung sei "staatspolitisch
fragwürdig". Nun sind zwei Projekte ausgearbeitet worden. Für
Dana "ein
Dilemma".
Dirigent und Pro-Progr-Vertreter Matthias Kuhn sieht das anders: "Wenn
so etwas nicht sein dürfte, könnte man das Parlament und das
Stimmvolk
gleich weglassen." Es gehe hier darum, einen wichtigen Entscheid noch
einmal zu überdenken. Support erhielt er von SP-Stadträtin
Gisela
Vollmer. Der Fehler sei viel früher gemacht worden. Die Stadt
hätte die
Nutzung bereits in der Ausschreibung des Wettbewerbs festlegen sollen.
Fernand Raval, Leiter der Liegenschaftsverwaltung der Stadt, in deren
Besitz sich das Gebäude befindet, mahnte: "Im Nachhinein ist das
leicht
zu sagen." Moderator Bernhard Gyger, Leiter des Kornhausforums, wollte
von ihm wissen, wie sicher die Finanzierung des Projekts Pro Progr denn
sei. Raval erwiderte: "Wir haben Bedenken, dass es mittelfristig nicht
mehr finanzierbar ist." Aerschmann hingegen ist überzeugt, dass es
aufgeht. Das stützten selbst unabhängige Personen wie
FDP-Präsident
Thomas Balmer.
"Progr ist wichtig für Bern"
Creus, darauf bedacht, "Doppelpunkt" nicht einfach als
Gesundheitszentrum darzustellen, offerierte Aerschmann und Kuhn
Mietfläche. Kuhn lehnte dankend ab: "Nur der Progr in seiner
Gesamtheit
hat die Ausstrahlungskraft, um innert sechs Wochen 12 Millionen Franken
aufzutreiben", begründete er. Dort hakte Schär ein: "Die
Institution
Progr ist wichtig für Bern. Sie strahlt sogar über die
Landesgrenzen
hinaus." Aber sie sei nicht ortsgebunden. Raval winkte ab, trotz
gemeinderätlichem Auftrag habe man momentan keinen
Alternativstandort.
Gyger wollte von Schär wissen, wie die Baufachverbände, die
er hier
vertrete, bei einem stadträtlichen Ja zur Variantenabstimmung
reagieren
würden. "Sie würden wohl aktiv lobbyieren", sagte er. Denn
Bern sei im
Wettbewerbswesen "ein Sorgenkind".
Christoph Aebischer
---
Regionaljournal Bern DRS 4.3.09
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe7v705032009.rm?start=00:01:16.776&end=00:03:57.125
---
Radio RaBe 4.3.09
Am runden Tisch duellieren sich heute die Progr-Projekte
rtsp://212.103.67.35:554/20090304.rm?start=11:04:28&cloakport=8080,554,7070
-------------------------
BAHNPOLIZEI
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20min.ch 5.3.09
Weniger Kompetenzen
Polizei "light" für die Schweizer Bahnen
Bahnpolizisten sollen mit einer Schusswaffe ausgerüstet werden
können.
Die gleichen Kompetenzen wie die Kantonspolizei bekommen sie aber
nicht: So können sie etwa keine Verdächtigen durchsuchen und
vorläufig
festnehmen.
Im Rahmen der Bahnreform 2 haben sich die Räte bereits früher
auf den
Grundsatz geeinigt, dass eine private Transportpolizei für die
Sicherheit in Zügen sorgen soll. Der Bundesrat hatte
vorgeschlagen, für
diese Einheit ein Schusswaffenverbot im Gesetz zu verankern. Nach dem
Ständerat hat nun aber auch der Nationalrat das Verbot aus der
Vorlage
gekippt. Entscheiden muss der Bundesrat.
Waffe im Zug
Insbesondere die Linke warnte vor dem Szenario eines
Schussaffeneinsatzes in einem überfüllten Zug. Waffen
trügen nicht zur
Sicherheit, sondern zum Risiko im öffentlichen Verkehr bei, sagte
Jacqueline Fehr (SP/ZH). Ein Polizist ohne Schusswaffe sei kein
Polizist, hielt Max Binder (SVP/ZH) dagegen.
Verkehrsminister Moritz Leuenberger sicherte den Kritikern zu, dass der
Bundesrat ein Schusswaffenverbot in der Verordnung festschreiben werde.
Nur könne er nicht garantieren, dass dieses ewig halten werde. Bei
einer veränderten politischen Situation könnten solche
Grundsätze rasch
ins Wanken geraten.
Keine Festnahmen
Selbst bewaffnet hätte ein Bahnpolizist nicht die gleichen
Kompetenzen
wie ein Kantonspolizist. So soll er etwa keine Verdächtigen
durchsuchen
und vorläufig festnehmen dürfen. Der Nationalrat schwenkte
damit auf
die Linie des Ständerats ein, nachdem er in einer ersten Fassung
der
Bahnpolizei noch weiter gehende Kompetenzen hatte geben wollen.
Eine bürgerliche Minderheit setzte sich weiterhin für diesen
ursprünglichen Beschluss ein. Die Reisenden erwarteten von den
Polizisten Kompetenz und die Möglichkeit zum angemessenem Handeln,
sagte Binder. Für reine Sicherheitsdienste würde sich auch
kein voll
ausgebildeter Polizist rekrutieren lassen.
Drohende Rechstunsicherheit
Mehrere Rednerinnen und Redner, darunter Leuenberger, wiesen auf
drohende Rechtsunsicherheiten hin. Offen sei etwa die Frage, was
"vorläufig festnehmen" genau bedeute und wann Verdächtige an
die
Polizei übergeben werden müssten. Zudem sei unklar, bei
Verletzung
welcher Gesetze die Bahnpolizei einschreiten könne.
Das Gesetz über die Sicherheitsorgane in Transportunternehmen
gehört zu
den rasch realisierbaren Teilen der Bahnreform 2, die das Parlament
2005 zurückgewisen hatte. Ebenfalls zu dem Paket gehört das
Personenbeförderungsgesetz.
Auch bei dieser Vorlage gab der Nationalrat der kleinen Kammer nach,
indem er die Konzessionvergabe an die Einhaltung arbeitsrechtlicher
Vorschriften und branchenüblicher Arbeitsbedingungen knüpfte.
Zustimmung fand auch der Vorschlag des Ständerats, dass
rückzahlbahre
Darlehen an Bahnunternehmen in bedingt rückzahlbare Darlehen
umgewandelt werden können oder die Rückzahlung ausgesetzt
werden kann.
Von einer solchen Regelung profitiert bereits die SBB.
Zwischen den Räten bleibt dagegen strittig, welchen Teil eines
Gewinns
die Bahnunternehmen einer Spezialreserve zuweisen müssen. Der
Nationalrat hielt an Rücklagen von 12 Millionen Franken oder eines
halben Jahresumsatzes fest, während der Ständerat eine
tiefere Limite
von 10 Prozent beschlossen hatte.
Quelle: SDA/ATS
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UNIFORM
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20min.ch 5.3.09
Angriffe auf Polizei
"Die Uniform zieht den Hass der Gesellschaft an"
von David Torcasso
Angriffe gegen Ordnungshüter haben im Kanton Zürich um 20
Prozent
zugenommen. Sogar Sanitäter werden bei ihren Einsätzen
regelmässig
bedroht.
Zwei Winterthurer Stadtpolizisten versuchten kürzlich einen
13-jährigen
Türken zu verhaften, als sie plötzlich von dessen
Familienangehörigen
mit Pfefferspray attackiert wurden. Nur dank Verstärkung
konnte die
Lage unter Kontrolle gebracht werden.
Der Angriff auf die Polizisten ist kein Einzelfall. Gemäss
Kriminalstatistik haben 2008 Gewalt und Drohungen gegen Beamte im
Kanton Zürich um 20 Prozent zugenommen.
"Der Alltag ist rauer geworden, die Gewaltbereitschaft nimmt zu",
bestätigt Marcel Strebel, Infochef der Kantonspolizei. Auch
Michael
Wirz, Sprecher der Stadtpolizei Zürich, sagt: "Der Respekt vor der
Polizei geht immer mehr verloren."
Besonders bei familiären Problemen oder im Nachtleben werden
Polizisten
verbal attackiert oder gar verletzt. "Die Aggression ist so gross, dass
wir bei Streitereien nur noch mit mehreren Patrouillen ausrücken."
Inzwischen müsse die Stapo sogar der Sanität Polizeischutz
bieten.
Allein im letzten halben Jahr wurden sechs Rettungssanitäter bei
ihren
Einsätzen mutwillig verletzt. "Sie möchten helfen, und werden
dabei mit
Füssen getreten oder ins Gesicht geschlagen", sagt Urs Eberle,
Sprecher
von Schutz & Rettung. "Alles was Uniform trägt - egal ob
Polizei,
Sanität oder Zugbegleiter - zieht heute den Hass der Gesellschaft
auf
sich."
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Info-Box
Prozessieren schwierig
Viele Beamte melden Übergriffe auf ihre Person gar nicht. Wen
wunderts:
Wird ein Polizist oder Sanitäter beschimpft, kann er meist nur
Zivilklage einreichen. Entgegen der weit verbreiteten Meinung existiert
"Beamtenbeleidigung" in der Schweiz nicht. Deshalb verzichten viele
Polizisten auf eine Klage, schätzt Peter Gull von der Stapo
Winterthur.
Anders in Deutschland: Dort gibt es für jede Art von
Beamtenbeleidigung
einen eigenen Bussentarif.
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ANTI-WTO 2003
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WoZ 5.3.09
Polizeioffizier freigesprochen
Der Hauptmann der Genfer Polizei, der während einer
Anti-WTO-Demonstration den Einsatz der Paintball-Waffe FN 303
angeordnet hatte, ist unschuldig. So das Verdikt in einer Sache, die
die Genfer Justiz seit sechs Jahren beschäftigt.
Im März 2003 war Gewerkschafts sekretärin Denise Chervet
durch Splitter
eines Paintball-Geschosses im Gesicht verletzt worden und hatte wegen
fahrlässiger Körperverletzung geklagt. Das erste Urteil
sprach den
schiessenden Polizisten frei: Er habe lediglich Befehle
ausgeführt. Nun
wäscht die Justiz auch den verantwortlichen Offizier weiss: Die
Waffe
stelle bei richtigem Einsatz kein "übermässiges" Risiko dar,
der
Angeklagte könne deshalb trotz "unentschuldbar fahrlässigen"
Handelns
nicht als schuldig betrachtet werden.
Die Paintball-Waffe FN 303, die die Anführer einer Demonstration
"markieren" sollte, war den Kantonen für eine Testphase zur
Verfügung
gestellt worden. Sie ist zwar schuld daran, dass Denise Chervet noch
heute Geschosssplitter im Gesicht hat, und führte zum
Rücktritt des
damaligen Genfer Polizeichefs und zur Abwahl der Polizeidirektorin,
doch schuldig ist gemäss Justiz niemand - auch wenn die Waffe
seither
in allen Kantonen ausser Gebrauch ist. Denise Chervet überlegt
sich
einen Rekurs. "Ich weiss nicht, ob es die Sache eines Gerichts ist,
über die Gefährlichkeit einer Waffe zu urteilen." hb
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TRÄNENGAS
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Tribune de Genève 5.3.09
La police a-t-elle lancé des lacrymogènes contre les Roms?
Intervention - La cheffe de la police a demandé l'ouverture
d'une enquête interne.
Fedele Mendicino
L'association Mesemrom demande des comptes à la police
genevoise. Selon
Me Dina Bazarbachi, présidente du mouvement de soutien aux
mendiants
roumains de Genève, les forces de l'ordre ont
dérapé la nuit du 17 au
18 février dernier lors d'une intervention à Vernier:
"Deux policiers
ont lancé deux bombes lacrymogènes dans un bâtiment
désaffecté du
chemin de la Renfile afin de déloger des Roms qui dormaient sur
place.
Parmi eux, deux enfants de 11 et 12 ans. " Interpellée par
l'avocate de
Mesemrom, la cheffe de la police, Monica Bonfanti, a d'ores et
déjà
confié une enquête à l'Inspection
générale des services (IGS) afin de
faire la lumière sur cette affaire.
"Ces accusations ne tiennent pas la route"
Le courrier adressé à la police est
particulièrement précis. Lieu,
heure, nombre de policiers, numéro de plaque du véhicule
d'intervention. D'après Me Bazarbachi, "deux personnes
apeurées ont
sauté hors du bâtiment depuis le 1er étage et se
sont blessées. Ces
faits se sont déroulés sous le regard hilare des deux
policiers. "
Contacté hier, Jean-Philippe Brandt, porte-parole de la police,
estime
que "si c'est vrai, c'est très grave, si c'est faux aussi…" Fait
curieux, lorsque le responsable de communication jette un œil à
la main
courante, il ne retrouve aucune trace de l'intervention ce
jour-là.
S'agissait-il d'une opération de la police judiciaire? De faux
policiers? Une invention des Roms, qui se sentent
persécutés par les
forces de l'ordre? Quoi qu'il en soit, l'IGS a du pain sur la planche.
"Ces accusations ne tiennent pas la route, estime un policier sous le
couvert de l'anonymat. On ne lance jamais des lacrymos dans un endroit
fermé. A l'intérieur, on utilise un spray au poivre s'il
le faut. "
Seule certitude, les interventions des policiers se multiplient dans
les lieux désaffectés occupés par des Roms ou des
sans-papiers.
"Avant, les mendiants dormaient sous les ponts, poursuit Jean-Philippe
Brandt. Les agents de sécurité municipale nous le
signalent et les Roms
sont alors éloignés de ces lieux. Résultat: ils
cherchent refuge sur
des sites comme celui de Vernier, où se trouvent des
entrepôts vides
appelés à disparaître. C'est d'ailleurs là
qu'Ikea compte s'installer
dans le canton. "
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BIOMETRIE
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WoZ 5.3.09
Biometrie-Verharmlosungen von der Abstimmung
Erst der Pass, dann die ID
Wenn die Stimmberechtigten am 17. Mai "Ja" sagen zu den biometrischen
Pässen, beginnt die Zeit der ernsten Mienen. Die neuen Pässe,
die der
Bundesrat ab 2010 einführen will, sollen mit einem Chip versehen
sein,
auf dem Fingerabdrücke und ein digitalisiertes Foto des Inhabers
oder
der Inhaberin - die biometrischen Daten - gespeichert sind.
Lächelnde
Gesichter im Halbprofil entsprechen nicht internationalen Vorgaben.
Vage Beteuerungen
Die Aufnahme eines "guten Fotos" sei eine "reichlich komplexe
Angelegenheit", sagte Roman Vanek, Leiter der Abteilung
Ausweisschriften des Bundesamts für Polizei (Fedpol) kürzlich
an einem
Hintergrundgespräch. Andere Probleme nannte er nicht. Ernste
Mienen
macht man beim Fedpol trotzdem, denn von den Bundesratsparteien stehen
nur noch die FDP und die CVP hinter dem Projekt. SP und Grüne
wollen es
dem Bundesrat nicht mehr abnehmen, dass ein Ja am 17. Mai notwendig
sei, damit die Schweiz weiterhin bei Schengen mitmachen kann.
Das Fedpol betreibt in dieser Situation einen amtlichen
Vorabstimmungskampf. Die Botschaft lautet: Es gehe ja nur um die
biometrischen Pässe - und die seien erstens harmlos und zweitens
notwendig. Nur so könne die Reisefreiheit der SchweizerInnen und
die
Fälschungssicherheit des Passes gesichert werden. Eigentliche
Passfälschungen, so mussten die Vertreter des Amtes am Donnerstag
einräumen, sind zwar schon seit der Einführung des
maschinenlesbaren
und mit diversen drucktechnischen Sicherungen versehenen Passes 2003
"praktisch unmöglich". Würden nun die Fingerabdrücke im
zentralen
Informationssystem Ausweisschriften (ISA) des Bundesamts für
Polizei
gespeichert, liessen sich aber die Passerschleichungen (65
dokumentierte Fälle seit 2003 - bei insgesamt 3,9 Millionen
Pässen) in
Zukunft definitiv verhindern, heisst es. Das System ermögliche es
zudem, den Erfassten rasch und unkompliziert neue Ausweise auszustellen.
Nationalrat kuscht vor Verwaltung
Datenschutzprobleme sieht man beim Fedpol nicht. Das Amt selbst, die
ausstellenden Behörden, das Grenzwachtkorps und die kantonalen
Polizeien dürften das ISA nur zur Identitätsfeststellung,
aber nicht
zur Fahndung abfragen.
Der Zürcher Rechtsanwalt und Präsident von grundrechte.ch,
Viktor
Györffy, aber warnt: "Wenn die technischen Grundlagen erst einmal
da
sind, lässt sich das Recht schnell ändern." Er traut auch den
Beteuerungen nicht, dass es weiterhin bei den bisherigen
konventionellen Identitätskarten bleibe. Im Entwurf der
Ausweisverordnung, mit dem Fedpol-Sprecher Guido Balmer am
Hintergrundgespräch argumentierte, hat der Bundesrat
tatsächlich nur
den biometrischen Pass vorgesehen. "Die Verordnung kann er aber
jederzeit ändern", sagt Györffy. "Entscheidend ist das
Gesetz, und das
lässt die bio metrische ID klar zu." Noch im März 2008 habe
der
Nationalrat auf einem Zusatz bestanden, wonach "alle Schweizer
Staatsangehörigen in jedem Fall Anspruch auf eine
herkömmliche,
nichtbiometrische ID-Karte ohne Chip haben". Im Juni habe sich die
grosse Parlamentskammer aber dem Druck der Verwaltung gebeugt und auf
diesen Passus verzichtet. Györffy empfiehlt mit heiterer Miene, am
17.
Mai ein Nein in die Urne zu legen.
Heiner Busch
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ASYL
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bern.ch 4.3.09
Revision des Asyl- und Ausländergesetzes:
Der Gemeinderat der Stadt Bern nimmt im Rahmen des
Ver-nehmlassungsverfahrens Stellung zur anstehenden Revision des Asyl-
und Aus-ländergesetzes und zur Änderung des
Ausländergesetzes als
indirekter Gegen-vorschlag zur "Ausschaffungsinitative".
Der Bundesrat will die Asylverfahren beschleunigen und konsequenter
gegen Missbräuche vorgehen. Er hat deshalb im Januar ein
Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Asyl- und des
Ausländergesetzes eröffnet. Der Gemeinderat der Stadt
Bern zeigt sich
zwar erstaunt, dass nur kurze Zeit nach Inkrafttreten der Teilrevision
des Asylgesetzes am 1. Januar 2008 erneut eine Revision ansteht. Er
begrüsst aber die im Gesetzesentwurf gemachten Verbesserungen im
Verfahrensbereich, insbesondere die Beschleunigung und Vereinfachung
der Verfahrensabläufe.
Wichtigste Änderungen
Der Gemeinderat nimmt zu den wichtigsten Änderungen wie folgt
Stellung:
* Flüchtlingsbegriff: Personen, die einzig wegen
Wehrdienstverweigerung
oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind, sollen in der
Schweiz nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt werden und daher kein
Asyl
erhalten. Der Gemeinderat empfiehlt, diese Änderung abzulehnen. Er
empfindet es als fragwürdig, wenn auf Gesetzesstufe
Ausschlussgründe
bezüglich der Flüchtlingseigenschaft festgelegt werden.
Gerade die
Nachteile, die einer Person durch Dienstverweigerung oder Desertion
entstehen können, sind massgeblich für eine
Flüchtlingsanerkennung.
* Aufhebung der Möglichkeit, im Ausland ein Asylgesuch
einzureichen:
Bis anhin konnten auf Schweizer Botschaften im Ausland Asylgesuche
eingereicht werden. Diese Möglichkeit soll aufgehoben werden. Der
Gemeinderat empfiehlt, diese Änderung abzulehnen. Die alte
Regelung
ermöglicht es Asylsuchenden, vor Ort angehört zu werden.
Damit müssen
sie nicht zwingend den Weg bis an die Schweizergrenze auf sich nehmen.
Der Gemeinderat ist der Ansicht, dass dadurch die Zahl der Personen,
die später unter Umständen als abgewiesene Asylsuchende in
den Städten
leben, reduziert werden kann.
* Ausgestaltung der vorläufigen Aufnahme / Wohnsitznahme:
Vorläufig
aufgenommene Personen, die Sozialhilfe beziehen, sollen neu einem
Wohnort oder einer Unterkunft im Kanton zugewiesen werden. Der
Gemeinderat vertritt den Grundsatz der Gleichbehandlung von
vorläufig
aufgenommenen und anderen Ausländern und Ausländerinnen. Mit
der
Einschränkung der freien Wohnsitzwahl schränkt man nach
seiner Meinung
auch die Integration dieser Personengruppe ein. Der Gemeinderat
empfiehlt diese Änderung abzulehnen.
"Ausschaffungsinitative": Gemeinderat begrüsst indirekten
Gegenvorschlag
Gleichzeitig mit dem Revisionsentwurf des Asyl- und
Ausländergesetzes
befindet sich der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates zur
sogenannten "Ausschaffungsinitative" in der Vernehmlassung. Dieser
sieht vor, dass Ausländergesetz in zwei Bereichen zu ändern:
Einerseits
soll ein konsequenter Widerruf von ausländerrechtlichen
Bewilligungen
bei schwerwiegenden Straftaten erfolgen. Andererseits soll die
Niederlassungsbewilligung nur bei erfolgreicher Integration erteilt
werden. Der Gemeinderat befürwortet grundsätzlich diese
Änderung des
Ausländergesetzes. Er hält jedoch fest, dass sie für die
Vollzugsorgane
einen enormen personellen Mehraufwand bedeutet.
Informationsdienst der Stadt Bern
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HEIRATSVERBOT
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Bund 5.3.09
Heiratsverbot für Sans-Papiers
Nationalrat beschliesst Massnahmen gegen Scheinehen - Heirat nur bei
rechtmässigem Aufenthalt
Ausländern, die sich mit einer Heirat den Aufenthalt in der
Schweiz
sichern wollen, soll ein doppelter Riegel geschoben werden: Der
Nationalrat will die Ehe vom legalen Bleiberecht abhängig machen
und
die Frist zur Wiederausbürgerung verlängern.
Jürg Sohm
Bei ihrem "Kampf gegen Scheinehen" wollte die SVP ursprünglich von
ausländischen Ehepartnern zwingend eine Aufenthaltsbewilligung
oder ein
Visum verlangen. So forderte es der heutige Parteipräsident Toni
Brunner 2005 in einer parlamentarischen Initiative. Nicht nur wäre
damit gegen das in Verfassung und Menschenrechtskonvention verankerte
Recht auf Ehe verstossen worden. Konsequenz davon wäre ebenso
gewesen,
dass auch eine Schweizerin hierzulande keinen in München oder
Hamburg
wohnhaften Deutschen mehr hätte heiraten dürfen. Und dass
sich
japanische Touristen nicht mehr vor romantischer Schweizer Bergkulisse
das Jawort hätten geben dürfen - der heimischen
Tourismusbranche wäre
ein attraktives Angebot abhandengekommen.
Das will auch die SVP nicht. Und so befand der Nationalrat gestern
über
eine etwas moderatere Fassung des Vorstosses, welche die vorberatende
Kommission ausgearbeitet hatte. Konkret werden ausländische
Brautleute
verpflichtet, vor der Heirat ihren rechtmässigen Aufenthalt in der
Schweiz nachzuweisen. Und die Zivilstandsbeamten sollen den
Ausländerbehörden mitteilen, wenn sich illegal Anwesende das
Jawort
geben wollen. Mit 104 zu 68 Stimmen wurde der Vorstoss angenommen.
1000 Scheinehen jährlich
Mit dieser Verschärfung soll verhindert werden, dass sich
Ausländer mit
einer Ehe der verfügten Ausreise entziehen. Gegen 1000 Ehen
jährlich
werden laut einer nicht mehr ganz aktuellen Schätzung des
eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen allein zur Umgehung
von
Bestimmungen des Ausländerrechts geschlossen. Zum Beispiel von
abgewiesenen Asylbewerbern. Wenn diese die gesetzte Ausreisefrist haben
verstreichen lassen, sind sie nicht mehr "rechtmässig" in der
Schweiz
und sind somit künftig vom Heiratsverbot betroffen. In Europa
kennen
Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Grossbritannien
ähnliche
Regelungen.
Betroffen sind ebenso Sans-Papiers - und zwar auch dann, wenn sie eine
Landsfrau heiraten und somit nicht das Bleiberecht erwirken wollen.
Laut Schätzungen gibt es rund 100000 Frauen und Männer, die
ohne
Bewilligung (aber von den Behörden meist unbehelligt) in der
Schweiz
leben, arbeiten und sogar ihre Kinder in die Schule schicken. Heiraten
dürfen sie fortan nicht mehr.
SP und Grüne kritisierten dies scharf. Das Heiratsverbot
ändere nichts
an der Realität der Sans-Papiers, sagte Marlies Bänziger
(grüne, ZH).
"Sie ändern nichts daran, dass diese Leute in unserem Land leben
und
arbeiten; aber Sie sorgen für eine zusätzlich
Diskriminierung." Damit
werde die Verfassung verletzt. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf
verneinte dies. Die Vorlage sei vereinbar mit Verfassung und
Menschenrechten.
Einbürgerung widerrufen
Gleichzeitig macht sich der Nationalrat daran, auch im Bürgerrecht
den
"Kampf gegen Scheinehen" zu verschärfen. Konkret soll die Frist
verlängert werden, während der eine Einbürgerung
widerrufen werden
kann. Wird das Bürgerrecht mit "falschen Angaben" oder
"Verheimlichung
erheblicher Tatsachen" erschlichen, kann es heute innert fünf
Jahren
rückgängig gemacht werden. Neu soll dies während acht
Jahren möglich
sein. Zudem soll die Verjährungsfrist während eines
Beschwerdeverfahrens stillstehen. Der Nationalrat hat die Behandlung
dieser parlamentarischen Initiative des Luzerner CVP-Nationalrats Ruedi
Lustenberger gestern aus Zeitgründen verschoben. Die Annahme durch
den
Rat ist aber absehbar.
Einbürgerungen erschlichen werden vor allem über das
erleichterte
Einbürgerungsverfahren für Ehegatten von Schweizern. Sie
müssen sich
nur fünf (statt wie bei der ordentlichen Einbürgerung
zwölf) Jahre in
der Schweiz aufhalten und drei Jahre verheiratet sein. Wie viele Ehen
effektiv nur geschlossen werden, um die Schweizer
Staatsbürgerschaft zu
erlangen, ist indes nicht klar. Jährlich werden rund 100 Verfahren
eröffnet - rund ein Prozent der 100000 erleichterten
Einbürgerungen pro
Jahr. Es fehlt bisher aber eine statistische Auswertung dieser
Verfahren. Die vorberatende Kommission hält fest, dass es sich
somit
"nicht um ein Massenphänomen" handle. Die Kommissionsmehrheit will
die
Fristverlängerung trotzdem - vor allem, weil es sehr aufwendig
sei,
Scheinehen zu beweisen.
--
Bürgerrechts-Revision
Das Bürgerrechtsgesetz soll revidiert werden. Das schreibt der
Bundesrat in seiner Antwort auf einen Vorstoss im Nationalrat, der gute
Kenntnisse und erfolgreiche Integration als Bedingung für die
Einbürgerung konkreter festschreiben will. Der Bundesrat will die
Revision "rasch vorantreiben" und bis Ende Jahr einen Gesetzesentwurf
vorlegen. Geplant ist ein "verbessertes und zeitgemässes"
Einbürgerungsverfahren. Einen Schwerpunkt soll die Frage der
Integration darstellen. Offen ist, ob auch die Einbürgerung auf
Antrag
(und damit ohne Verfahren) der dritten Ausländergeneration
aufgenommen
wird, wie dies der Nationalrat im Grundsatz wünscht. (soh)
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STADTRAT 12.3.09
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11 Interpellation Rolf Zbinden (PdA): Berner Burgergemeinde mit der
Einwohnerge-meinde vereinigen!
Geschäftsnummer 08.000286 / 08/436
Schon vor der Publikation von Katrin Rieders Buch "Netzwerke des
Konservatismus" hat sich die PdA Bern in einer Medienmitteilung vom 15.
Juli 2008 mit folgender Begründung für eine Vereinigung der
Burger- mit
der Einwohnergemeinde eingesetzt.
In der Stadt Bern ist genug Geld für eine humane
Sozialfürsorge
vorhanden. Dazu müssen wird nicht einmal die grossen Firmen
heranziehen. Es reicht, wenn die Burgergemeinde mit der
Einwohnergemeinde vereinigt wird.
Die Burgergemeinde weist ein Vermögen von 800 Mio. Franken aus;
wenn
ihr Grundbesitz richtig bewertet wird, sind es weit über eine
Milliarde
Franken Diesem Vermögen steht eine einzige gesetzliche
Verpflichtung
gegenüber: Die Burgergemeinde muss für die
Fürsorgeleis-tungen ihrer
Mitglieder aufkommen. Bei den Bernburgern haben im Jahr 2006 84
Menschen Fürsorgeleistungen bezogen, dies ist ein halbes Prozent
der
Bernburger. Bei der städtischen Bevölkerung sind 5 Prozent
auf
Fürsorgeleistungen angewiesen.
Die Burgergemeinde Bern ist ein Überbleibsel aus der Zeit vor der
französischen Revolution. Das Vermögen der Burgergemeinde ist
kein
Privateigentum, es ist das Vermögen der Stadt Bern vor dem
Einmarsch
der Franzosen. Die politische Macht ist auf alle Einwohnerinnen und
Einwohner der Stadt Bern übergegangen, genau gleich muss endlich
auch
das Vermögen an die Einwohnergemeinde gehen.
Alle Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Bern sollen demokratisch
entscheiden, wie das Vermögen der Burgergemeinde und seine
Erträge nach
der Vereinigung zu verwenden sind. Es spottet jeder Demokratie, wenn
nur die Nachkommen der Gnädigen Herren von Bern ent-scheiden
können,
welche Museen und welche Kulturveranstaltungen mit den Erträgen
aus dem
Vermögen gefördert werden sollen. Es spottet auch jeder
sozialen
Gerechtigkeit, wenn die Burgergemeinde wie bei der kommenden
Überbauung
Baumgarten Ost jede Wohnung um 50'000 Franken verbilligt. Leute mit
kleinem Einkommen, die sich eine solche Wohnung trotz Verbilligung
nicht leisten können, wären dringender auf
Mietzinsreduktionen
angewiesen.
Katrin Rieders Buch liefert noch ein weiteres Argument. In den 1930er
Jahren war die Bur-gergemeinde eine Gefahr für die Demokratie. Sie
hat
vermögende burgerliche Faschisten über die Zünfte
finanziell
unterstützt und den Faschisten ihre Lokale (Zunftsäle und
Casino) für
Versammlungen zur Verfügung gestellt. Da die Burgergemeinde die
braunen
Flecken in ihrer Vergangenheit nur unter äusserem Druck
aufarbeitet,
muss man für kommende härtere Zeiten Schlimmes
befürchten. Die
Burgergemeinde könnte ihre Sympathie für undemokrati-sches,
autoritäres
Gedankengut wieder entdecken und ihr Vermögen für dessen
Förderung
einsetzen.
Aus diesen Gründen fragt die PdA Bern den Gemeinderat an:
1. Teilt der Gemeinderat die Auffassung, dass es im Interesse der
Einwohnergemeinde Bern liegt, das historische Relikt der Burgergemeinde
aufzulösen und mit der politischen Ge-meinde zu vereinigen?
2. Welche Möglichkeiten hat die Stadt Bern, um diese Vereinigung
voranzutreiben?
3. Ist der Gemeinderat bereit, beim Kanton auf diese Vereinigung
hinzuwirken?
Bern, 4. September 2008
Antwort des Gemeinderats
Einleitend weist der Gemeinderat die Unterstellung der Interpellanten
und Interpellantinnen gegen die Burgergemeinde Bern, wonach diese eine
Gefahr für unseren demokratischen Rechtsstaat darstellen
könnte, in
aller Schärfe zurück. Er empfindet solche €usserungen im
höchsten Masse
als unqualifiziert.
Zu Frage 1:
Nein. Die Burgergemeinde Bern ist eine durch die Verfassung des Kantons
Bern garantierte öffentlich-rechtliche Körperschaft.
Bezüglich der
Verwendung des Vermögens ist die Burger-gemeinde nicht frei. Die
Burgergemeinden haben bei der Verwaltung und Verwendung ihres
Vermögens
und dessen Erträge die Bedürfnisse der Einwohnergemeinde zu
beachten
(Art. 114 Gemeindegesetz, BSG 170.11). Die Burgergemeinde hat klare
Aufgaben und wichtige Funktionen für die Öffentlichkeit zu
erfüllen. Im
Bereich der Waldpflege, der Kulturförderung, der Sozialhilfe und
des
Vormundschaftswesens ist die Burgergemeinde für die
Öffentlichkeit
tätig. Viele der gemeinnützigen und kulturellen Beiträge
kommen der
gesamten bernischen Öffentlichkeit zugute. Der Gemeinderat ist
nicht
der Ansicht, dass es im Interesse der Stadt Bern läge, die
Burgergemeinde aufzulösen und mit der Stadt Bern zu vereinigen.
Zu Frage 2:
Die Burgergemeinde ist eine der vier in der kantonalen Verfassung vom
6. Juni 1993 (KV, BSG 101.1) vorgesehenen Gemeindearten. Für alle
Gemeindearten gilt eine Bestandesga-rantie, welche das Gebiet wie auch
das Vermögen umfasst (Art. 108 Abs. 1 KV).
Die Aufhebung der Burgergemeinde bräuchte aufgrund der
Bestandesgarantie deren Zustim-mung (Art. 108 Abs. 3 KV).
Zwangsfusionen sind im Kanton Bern nach geltendem Verfas-sungsrecht
unzulässig. Die Burgergemeinden können somit ohne
Verfassungsänderung
nicht abgeschafft werden und ohne deren Zustimmung auch nicht mit der
Einwohnergemeinde vereinigt werden. Die Stadt Bern hätte demnach
keine
Möglichkeit ohne Einverständnis der Bur-gergemeinde eine
Fusion
voranzutreiben.
Zu Frage 3: Der Gemeinderat ist nicht bereit auf eine Vereinigung
hinzuwirken.
Bern, 17. Dezember 2008
- Auf Antrag des Interpellanten beschliesst der Rat Diskussion. -
Interpellant Rolf Zbinden (PdA): Vorerst möchte ich festhalten,
dass
mich die Antwort des Gemeinderats zumindest in einem Punkt mit einer
gewissen Freude erfüllt hat. Der Gemein-derat streitet immerhin
nicht
explizit ab, dass die Burgergemeinde in den 30er-Jahren des letzten
Jahrhunderts eine Gefahr für die Demokratie darstellte. Die innere
Struktur der Bur-gergemeinde hat sich seither nicht verändert, ihr
Vermögen hat sich auch nicht reduziert. Dass die momentane Krise
bereits mit der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre verglichen wird,
ist wohl auch dem Gemeinderat nicht entgangen. Unqualifiziert ist wohl
die Ansicht, mit der die Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass
sich die
Burgergemeinde in der heutigen Zeit wieder wie damals verhalten und auf
die autoritäre Karte setzen könnte.
Bei der Haltung des Gemeinderats kann es die Burgergemeinde gut
verschmerzen, dass mit Stephan Hügli einer der ihren
abgewählt wurde.
Wenn der Gemeinderat der Meinung ist, eine Vereinigung der
Burgergemeinde mit der Einwohnergemeinde sei nicht im Interesse der
Stadt Bern, so heisst dies Folgendes: Die Burgergemeinde kann
gemäss
Gemeinderat besser als die Einwohnergemeinde beurteilen, wie sich die
Stadt in vielen Bereichen entwickeln soll. Dem Gemeinderat ist es
anscheinend recht, dass nicht er, der Stadtrat und schliesslich die
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entscheiden können,
welche Kultur mit
wie viel Geld ge-fördert werden soll, wo Wohnungen für die
arme und die
reiche Bevölkerung gebaut werden sollen, ob wie heute Wohnungen
für
Reiche oder ob neue Wohnungen auch für Arme subven-tioniert werden
sollen. Offenbar hat der Gemeinderat in die auserlesenen Bernburger
grösse-res Vertrauen als in die gemeine Stadtbevölkerung.
Jedenfalls
wissen die Wählerinnen und Wähler jetzt, wo sie stehen. Wenn
sie RGM
wählen, dürfen sie sich über zahlreiche partizipa-tive
Rhetorik freuen;
wenn sie jedoch demokratisch über die Verwendung des
Burgervermö-gens
entscheiden und die bürgerliche Revolution endlich zu Ende bringen
möchten, haben sie von RGM leider gar nichts zu erwarten.
Fraktionserklärungen
Natalie Imboden (GB) für die GB/JA!-Fraktion: Die Diskussion
über die
Burgergemeinde hat im letzten August zu emotionalen Debatten Anlass
gegeben. Anstoss gab die umfassende Studie über die Berner
Burgergemeinde im 19. und 20. Jahrhundert: "Netzwerke des
Konser-vatismus" der Historikerin Katrin Rieder, die das Buch
öffentlich auflegte. Die GB/JA!-Fraktion ist der Ansicht, dass es
legitim ist, im Parlament mit seiner politischen Verantwortung
über die
Zusammenlegung der Einwohnergemeinde und der Burgergemeinde zu
diskutieren, und sie unterstützt die Forderung der Interpellation.
Es
ist der Fraktion durchaus bewusst, dass der politische Entscheid auf
der kantonalen Ebene gefällt wird, weil es sich um die Frage der
Kan-tonsverfassung handelt. Trotzdem können wir dazu Position
beziehen.
Die Burgergemeinde ist unseres Erachtens demokratiepolitisch ein
Anachronismus. Auch im schweizerischen Vergleich mit andern
Städten ist
die Berner Burgergemeinde ein Sonderfall.
Zur Vergangenheitsbewältigung: Der Umgang mit der eigenen
Geschichte
verlangt von jeder Gesellschaft und jedem Gemeinwesen - auch von einer
politischen Gemeinde - den Willen zur Reflexion und auch zur
Selbstkritik. Dies gilt auch für die frontistischen
nazifreundlichen
Tendenzen, die es auch in der Stadt Bern in den 30er- und 40er-Jahren
gegeben hat, wie auch für die Aktivitäten und Vernetzungen
einzelner
Personen, unter anderem auch Bernbur-ger, wie jene des späteren
Burgerratspräsidenten Georges Thormann. Dies ist in der Studie
erwähnt.
Die kritische Aufarbeitung der Geschichte ist fortwährend
notwendig.
Die Diskussion um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg haben wir
in den letzten Jahren stets wieder erfahren. Dies gilt auch für
die
Burgergemeinde und sie hat es bis anhin sträflich
vernachlässigt, sich
selber mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es ist der
Verdienst der grundliegenden Arbeit, endlich die Fakten auf den Tisch
gelegt zu haben und es ist zu hoffen, dass weitere Studien folgen
werden, die Forschung dabei unterstützt und nicht behindert wird
sowie
alle Archive geöffnet werden.
Die Diskussion um den Status der Burgergemeinde und die Forderung nach
der Auflösung der Burgergemeinde ist nicht neu. "Es ist wohl keine
Frage des öffentlichen Rechts im Kanton Bern so gründlich
verpfuscht
worden wie die Frage der Organisation unserer Gemeinden und der damit
zusammenhängenden Bestimmung der Gemeindegüter", klagte im
Jahr 1884
der freisinnige Politiker Rudolf Brunner-Stettler, ein Kritiker der
damaligen Burgergemeindeorga-nisation. Nicht nur liberale und radikale
Politiker, Politikerinnen gab es damals noch kaum, sondern auch
Vertretungen der Arbeiterschaft haben den sogenannten
"Gemeindedualismus" als Problem erachtet.
Die Burgergemeinden standen damals in der Phase der Gründung der
modernen Eidgenos-senschaft im grundsätzlichen Widerspruch zu
einer
liberalen Grundgesinnung eines moder-nen Staatsaufbaus und den
Grundsätzen des modernen Bundesstaats. Im Jahr 1848, als die
Gleichheit
aller Bürger, ohne jegliche Zurücksetzungen nach Geburt oder
Stand, im
Zentrum stand, stand bereits damals das aristokratische Prinzip einer
Burgergemeinde in Widerspruch mit dem demokratischen Prinzip.
Was vom Ancien RŽgime von Bern übrig blieb, sind die Priviliegien
der
alten Ordnung. Wir sind der der Meinung, dass dies diskutiert und
geändert werden muss.
Letztmals wurde die Frage anlässlich der Revision der
Kantonsverfassung
1993 diskutiert, die sowohl der Grossrat wie auch das Stimmvolk
angenommen haben. Aber bereits damals haben die Linken (SP, Grüne
und
Gewerkschaften) die Aufhebung der Burgergemeinden gefordert. Leider
ohne Erfolg. Wir gehen mit dem Gemeinderat einig - und dies ist fast
die einzige Über-einstimmung mit seiner Antwort -, dass hier ein
demokratischer Prozess auf kantonaler Ebe-ne notwendig ist.
Neben diesen demokratie-politischen Aspekten geht es auch um
vermögensrechtliche Be-trachtungsweisen. Hat man den Brief vor
Augen,
den der heutige Burgerratspräsident anläss-lich der letzten
Diskussion
im August 2008 verfasst hat, und worin er die damalige
Güteraus-scheidung aus dem Jahr 1852 als richtig betrachtet,
finden wir
in der vorliegenden Dissertati-on doch etwas andere Aspekte und
Einschätzungen.
Ich zitiere wieder den Freisinnigen Brunner: "Ich nenne es ein abnormes
Verhältnis, wenn in einer Stadt von mehr als 40 000 Einwohnern nur
circa 4000 Burger sich befinden, welche den Ertrag eines Gemeindeguts
von vielen Millionen allein beziehen, während die Gesamtheit der
Einwohner die öffentlichen Lasten der Gemeinde zu tragen hat".
Dieser
Analyse ist auch 150 Jahre später wenig beizufügen.
Die Verhältnisse haben sich geändert, Inzwischen gibt es 17
000
Burgerinnen und Burger in der Stadt Bern und ca. 120 000 Einwohnerinnen
und Einwohner. Wird dieses Verhältnis auf-geteilt, müsste es
hier im
Saal ungefähr ein Sechstel Burgerinnen und Burger geben.
Die Vermögenssausscheidung aus dem Jahr 1852 ist aus heutiger
Sicht
mehr als nur asym-metrisch. Sie führte dazu, dass das
Vermögen aus dem
alten Bern sehr einseitig der Burger-schaft zugeteilt wurde und die
Einwohnergemeinde Bern und der Kanton Bern als politischen Kanton
erhielten nur relativ geringe Anteile. So bilanzierte der Kanton als
Oberaufsicht zu einem späteren Zeitpunkt, dass "die
Burgergemeinden
beinahe durchgehends den Löwenanteil an den gemeinen Gütern
an sich zu
bringen wussten". Dies ist aus der Sicht des GB und der JA! eines der
Probleme.
Die Burgergemeinde darf unseres Erachtens keine heilige Kuh sein.
Selbstverständlich sind viele kulturelle, gesellschaftliche und
soziale
Aktivitäten der Burgergemeinde begrüssenswert und
verdienstvoll.
Angesichts der ungerechten Vermögensausscheidung ist diese
Spendentä-tigkeit doch ein bisschen erstaunlich. Einerseits kann
die
Burgergemeinde entscheiden, wel-che Projekte zu unterstützen sind,
sie
kann also Kür machen, die politische Einwohnerge-meinde dagegen
hat den
Pflichtteil zu erfüllen, und es ist doch interessanter, Preise an
Künst-lerinnen und Künstler zu vergeben als Kanalisationen
und
dergleichen zu finanzieren.
Fazit: Die GB/JA!-Fraktion unterstützt die Forderung, dass der
Gemeindedualismus endlich zu bereinigen ist sowie Einwohnergemeinde und
Burgergemeinde zusammenzuführen sind. Da-für ist ein
demokratischer
Prozess auf kantonaler Ebene unerlässlich. Wir unterstützen
diesen und
fordern, dass der alte Zopf aus dem Ancien RŽgime endlich abgeschnitten
wird.
Jacqueline Gafner Wasem (FDP) für die FDP-Fraktion: Die
FDP-Fraktion
hat sich überlegt, ob sie sich zu diesem mehr als befremdlichen
Vorstoss überhaupt äussern soll, nachdem die ablehnende
Antwort des
Gemeinderats an Eindeutigkeit eigentlich nichts zu wünschen
übrig
lässt. Wenn ich namens der FDP-Fraktion nun trotzdem eine kurze
Stellungnahme abgebe, so einzig aus dem Grund, auch nicht die Spur
eines Zweifels an ihrer Haltung in dieser Angele-genheit aufkommen zu
lassen.
Was Herrn Zbinden offenbar vorschwebt, ist nichts weniger als eine
Konfiskation des Vermö-gens der Burgergemeinde Bern, also eine
Enteignung der Burgergemeinde Bern ohne Ent-schädigung, wie man
sie
unter anderem aus der Praxis der Unrechtsstaaten auf dem
europäi-schen
Kontinent in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennt.
Geschichtskenntnisse scheinen aber ohnehin nicht die starke Seite des
Interpellanten zu sein, sonst könnte er sich nicht zu der in
gleich
mehrfacher Hinsicht abstrusen Behauptung versteigen, dass das
Vermögen
der Burgergemeinde Bern kein Privateigentum sei, sondern das
Vermögen
der Stadt Bern vor dem Einmarsch der Franzosen.
Nachdem Herr Zbinden die offizielle Geschichtsschreibung vermutlich
nicht als für sich ver-bindlich taxieren wird, aber doch
möglicherweise
die in seiner Interpellation erwähnte Buchau-torin Katrin Rieder
als
Expertin gelten lassen wird, empfehle ich ihm, zur
Entstehungsge-schichte von Kanton, Einwohnergemeinde und Burgergemeinde
in ihrer heutigen Form doch einmal die entsprechenden Passagen im
Interview nachzulesen, das Frau Rieder der WOZ am 14. August 2008
gewährt hat, wonach das Vermögen des alten Stadtstaats Bern
seiner-zeit
zwischen drei Parteien aufgeteilt worden ist, dem Kanton Bern, der
Einwohnergemeinde Bern und der Burgergemeinde Bern.
Wenn die Burgergemeinde Bern es dabei verstanden hat, aus dem Teil, den
sie im Rahmen dieser Vermögensausscheidung vor über 150
Jahren erhalten
hat, etwas zu machen und ih-ren Besitz zu erhalten und zu mehren, dann
spricht das nicht gegen, sondern für sie und ist zudem für
die Stadt
wie den Kanton Bern eine höchst erfreuliche Tatsache, wenn man
sich vor
Augen führt, was an Institutionen und Projekten im Bereich Kultur,
Soziales und Wissen-schaft nicht existieren würde und nicht
möglich
wäre, wenn die Allgemeinheit dabei nicht re-gelmässig auf die
Burgergemeinde Bern zählen könnte.
Mit einem Schatzmeister vom Zuschnitt des Interpellanten wäre
dagegen
von der Substanz, mit deren Ertrag diese Leistungen finanziert werden,
wohl bereits in wenigen Jahren nichts mehr da.
Ich gestatte mir noch einige kurze Bemerkungen zu den Ausführungen
meiner Vorrednerin: Es floss relativ viel Wasser durch die Aare seit
dieser seinerzeitige Exponent der radikalen Freisinnigen seine
Ausführungen getätigt hat, die Natalie Imboden vorgängig
zitiert hat.
Aus heutiger Sicht verhält sich die Sache anders, als ein paar
Jahre
nach Entstehen der Eidgenossenschaft. Wenn sich die Stadt Bern, oder
vielleicht besser gesagt, die Einwohnergemein-de Bern und der Kanton
Bern damals allenfalls von der Burgergemeinde Bern über den Tisch
ziehen liessen - ich kann es nicht beurteilen -, ist dies
wahrscheinlich nicht unser heutiges Problem. Ich messe die heutige
Burgergemeinde an dem, was sie heute für das Allgemein-wohl macht
und
in dieser Hinsicht bleibt zu hoffen, dass sie noch lange existiert.
Peter Wasserfallen (SVP) für die SVPplus-Fraktion: Die
Burgergemeinde
ist weder anachro-nistisch noch irgendein altes Vehikel. Da kann lange
moniert werden, es sei damals bei der Güterausscheidung zwischen
1833
und 1852 undemokratisch zu und her gegangen. Wichtig ist doch zu sehen,
dass es mehr oder weniger diejenigen Menschen waren, die später
auch
unseren Bundesstaat mitgestalteten. Es waren natürlich nur die
Männer,
sie waren die be-stimmende Kraft; die Frauen erhielten erst im Jahr
1971 das Stimmrecht.
Die Verfassung von 1848 würde heute auch niemand als
undemokratisch
einstufen. Genau diese Personen, die damals demokratisch legitimiert
entscheiden konnten, haben sich ent-schieden, in der Stadt Bern die
Gütertrennung durchzuführen. Es darf nicht vergessen wer-den,
die
Gütertrennung umfasste damals das Burgerspital, die Bibliotheken,
das
Burgerwai-senhaus etc. sowie Forst- und Allmendgüter. Letztere
wurden
erst interessant, als man nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem im
Tscharnergut zu bauen begann. Hätten sich diese Güter
irgendwo im
Oberland befunden, wäre die Burgergemeinde wahrscheinlich nicht in
die-sem Umfang reich geworden. Sie besässe zwar einige schöne
Gebäude
in der Stadt, aber bei Weitem nicht dieses Grundeigentum, worauf heute
gewohnt wird und dank den Mieterträgen entsprechend Gewinn erzielt
werden kann. Im Jahr 1852 konnte man sich nicht vorstellen, dass dort
weit ausserhalb der Stadt - da war Wald und Landwirtschaft - vielleicht
in hundert Jahren Häuser gebaut würden.
Zur Vergangenheitsbewältigung: Es gibt zahlreiche Institutionen,
die stammen aus einer Zeit, die brutal war.
Nun wird der Burgergemeinde aufgrund ein paar wenigen Exponenten zum
Vorwurf gemacht, die ganze Institution sei nicht in Ordnung und sie
stelle eine Gefahr für die Demokratie dar. Wir haben auch keine
Sippenhaftung bei uns und die Burger waren garantiert nie eine Gefahr
für unsere Demokratie. Dies wäre so, wie wenn wir sagen
würden, die
Amerikaner seien mit ihrer Sklaverei stets eine Gefahr gewesen für
die
Menschenrechte.
Jede Organisation hat ihre Hochs und Tiefs; einige Exponentinnen und
Exponenten betrach-ten stets nur das Tief. Damals gab es faschistische
Tendenzen in Europa, vor und während der Zeit des Ersten
Weltkriegs
waren es sozialistische. Tendenzen wird es immer geben und es gibt
keine Vereinigung, die sich diesen entziehen kann. Nun hat es halt von
der Burgerge-meinde einige getroffen.
Weshalb wünschen heute viele die Auflösung der
Burgergemeinde? Ganz
einfach, weil die Milchkuh geschlachtet werden könnte. Die
Burgergemeinde hat jedoch in den letzten Jahr-zehnten bewiesen, dass
sie das Vermögen sehr gut verwalten und die Gelder auch sinnvoll
einsetzen kann. Über die Auflösung der Burgergemeinde an
einen Geldtopf
zu kommen - da macht die SVPplus-Fraktion nicht mit. Lassen wir das
Ganze, wie es ist. Die Burgergemeinde ist weder anachronistisch noch
schlecht, sondern schlicht eine traditionelle Institution, die wie die
Aare und das Münster zur Stadt Bern gehört.
Peter Bernasconi (SVP): Um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin Bernburger
und stolz darauf. Ich möchte mich noch zur damals stattgefundenen
Güterausscheidung äussern. Die Burger-gemeinde hat über
die
Jahrhunderte sehr gut gewirtschaftet und hat sich ein finanziell
solides Fundament erarbeitet. Der Vorwand, gewisse Verbindungen in der
Geschichte, die heute teil-weise aufgearbeitet ist, als Anlass zu
nehmen, eine Vereinigung durchzuführen, ist voll und ganz ein
Scheinargument. Es geht hier grundsätzlich um finanzielle Anreize.
Bei
der Güterausscheidung hatte man den Burgern damals das Land und
diejenigen Güter zugewiesen, die keinen Wert besassen. Man hat
ihnen
nämlich die Landwirtschaftsgüter ausserhalb der Stadt
zugeschrieben. Es
ist heute bekannt, wie der Baulandpreis und die Attraktivität
ausserhalb und im Zentrum der Stadt aussieht. Wenn man sich nun durch
die stattgefundene Entwicklung wohlhabend machen konnte, war dies
gewiss keine ungerechte Aufteilung, so wie es hier zur-zeit dargestellt
wird. Diese Darstellung möchte ich in aller Form
zurückweisen. Die
Burgerge-meinde übernimmt beim Sozialwesen für die Stadt sehr
grosse
Beiträge. Die Burgergemeinde schaut zu denjenigen Menschen, die
ihren
Lebensunterhalt nicht selber bestreiten können. Diese - und nicht
wenige - würden ansonsten von der Sozialhilfe der Stadt
unterstützt.
Kürz-lich ist ein Flugzeug aus Argentinien in Belp gelandet, weil
einer
festgestellt hat, dass er noch Burger ist. 20 Personen sind
ausgestiegen und in der Almoserei der Burgergemeinde gelan-det.
Ich habe den Eindruck, dass diejenigen Personen, die den Vorstoss
unterstützen, nicht wis-sen, wie sie beim Volk ankommen. Ich kann
verstehen, dass es hier einzelne Exponenten gibt, die überhaupt
nicht
nachvollziehen können, wie es früher lief. Aber die
Auflösung der
Burgergemeinde ist mit Gewissheit nicht der richtige Weg.
Die Burgergemeinde leistet jedes Jahr für mehrere Millionen
Franken
Beiträge für den kultu-rellen Bereich. Wenn Sie nun auf diese
Art und
Weise an der Sache knabbern wollen, könnte dies vielleicht sogar
zum
Bumerang werden und negative Auswirkungen auf die Stadt haben. Bedenken
Sie dies bitte.
Stadtpräsident Alexander Tschäppät für den
Gemeinderat: Um Peter
Bernasconi zu antwor-ten: Ich bin nicht Bernburger und bin auch stolz
darauf. Der Gemeinderat ist froh, dass die Burger das erhaltene
Vermögen sinnvoll einsetzen - sei dies nun im sozialen oder
kulturellen
Bereich - und damit sehr sorgfältig umgehen. Eine Sache, die sie
damals
"contre coeur" - da war eben Geld wichtiger als Wald und Land -
übernommen haben.
Die Stadt Bern hat ein gutes Verhältnis mit der Burgergemeinde. In
zahlreichen Fragen sind wir glücklich über ihre Existenz.
Weshalb wird das Thema diskutiert? Es kam eine kritische Dissertation
auf den Markt, die zu Recht Fragen stellt, die gestellt werden sollen
und dürfen. Ich erachte es als richtig, dass man sich nun
ernsthaft,
auch als Burger, selbstkritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzt.
Es ist auch richtig, dass einerseits die Burgergemeinde, andererseits
die Stadt Bern Aufträge erteilt hat in der Absicht, die
Vergangenheit
näher unter die Lupe zu nehmen und aus den zum Vorschein kommenden
Fehlern zu lernen. Aus den Fehlern, die vor 50 oder 60 Jahren begangen
wurden, den Schluss zu ziehen, die Burgergemeinde sei irgendwie ein
Relikt, das abgeschafft gehört, ist meines Erachtens ein allzu
kühner
Schluss.
Der Stadtarchivar wurde beauftragt, die in der Dissertation
auftauchenden Fragen in Zusam-menhang mit der Stadt Bern kritisch zu
beleuchten. Dabei wollen wir wissen,
- wie das Verhältnis der Stadt zur Burgergemeinde aussieht,
beispielsweise wie die Güter-ausscheidung im Jahr 1852 und ihre
Folgen
zu betrachten sind;
- wie das Burger- und das Bürgerrecht verknüpft sind; da gab
es Vorwürfe an Chefbeamte der Stadt Bern;
- welche Zusammenhänge zwischen Angehörigen in
Spitzenpositionen der
Verwaltung und gleichzeitig in Spitzenpositionen der Burgergemeinde
bestehen, die in irgendwelcher Form nicht korrekt sind;
- wie es mit der Überbauung Villette und
- dem Verkauf der Felsenburg lief.
Die Antworten, seien sie nun angenehm oder nicht, sollen thematisiert
werden. Dies legiti-miert schliesslich dazu, eine Aussage zur
Institution Burgergemeinde Bern zu machen - bei-spielsweise ob sie
allenfalls aufgelšst werden soll; wir sprechen dann vielleicht nicht
nur von der Burgergemeinde der Stadt, sondern auch von anderen
Burgergemeinden im Kanton Bern. Das Ergebnis kann in der Folge
politisch diskutiert werden.
Ich kann als Stadtpräsident nur sagen, während meiner
Zusammenarbeit
mit der Burgerge-meinde haben wir in zahlreichen Fragen sehr gute
Ergebnisse erzielt. Dies ermöglichte es auch, zu ausgeschiedenem
Vermögen Sorge zu tragen, und deshalb ist heute Substanz
vor-handen,
auf die beim naturhistorischen Museum, bei Kulturinstitutionen, bei
Sozialinstitutio-nen zurückgegriffen werden kann.
In Anbetracht all dieser Punkte sage ich: Es ist Vorsicht geboten,
ableitend aus einer Disser-tation zu glauben, wir müssten Schritte
einleiten, die letztlich historische Dimensionen an-nehmen würden.
Für
mich persönlich besteht kein wirklicher Handlungsbedarf,
gestützt auf
eine Dissertation unsere Kantonsverfassung in ihren Grundfesten
abzuändern.
Beschluss
Der Interpellant ist mit der Antwort nicht zufrieden.
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BRAUNE BERNBURGER
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Solothurner Zeitung 5.3.09
Durchzogenes Abbild der Burger
In Bernburger-Schriften finden sich "durchaus Sympathien" für
frontistische Organisationen
Die Burgergemeinde Bern hat ihre Archive durchforstet - und Hinweise
auf Nazifreundlichkeit einiger früherer Exponenten gefunden. Sie
bestätigen Aussagen einer Dissertation aus dem letzten Sommer. Die
Einordnung und Bewertung der neuen Quellen wollen die Bernburger nun
aber externen Historikern überlassen.
Samuel Thomi
Das Echo war gross, als die Berner Historikerin Katrin Rieder letzten
Sommer in ihrer Dissertation Sympathien und Verstrickungen
früherer
Exponenten der Burgergemeinde Bern mit frontistischen Verbänden
aufdeckte (vgl. Text unten). Burgergemeindepräsident Franz von
Graffenried bekräftigte, die Aufarbeitung der Geschehnisse
innerhalb
der Gemeindestrukturen zu Beginn des letzten Jahrhunderts an die Hand
zu nehmen und die eigenen Quellen durch Mitarbeiter der
Burgerbibliothek auswerten zu lassen. Angefragte externe Historiker
hätten abgelehnt.
"Durchgeschüttelt" im Glashaus
Bei der Präsentation dieser Quellenforschung räumte von
Graffenried
ein, dass es "tatsächlich Nazifreundlichkeiten" einiger
Burger-Exponenten gab. Dagegen sei es nicht belegt, die Burgergemeinde
als Ganzes mit fron-tistischen Bewegungen der 1930er-Jahre in
Verbindung zu bringen: "Wir fanden keine Hinweise darauf, dass sich die
Institution je dahingehend geäussert hätte." Er kommentierte:
"Sicher
hat es gewisse Veranstaltungen gegeben, die wir unter heutigen
Umständen nicht bewilligen würden." Doch sei die
Burgergemeinde damals
"ein durchschnittlicher Verein wie jeder andere" gewesen. Für die
Zukunft sei es "vielleicht gut, dass wir nun ein bisschen im Glashaus
sitzen und gerade etwas <durchgeschüttelt> werden".
Über die Resultate der Dissertation Rieder wie auch diejenigen der
nun
selbst in Auftrag gegebenen Quellenforschung sei er "insgesamt schon
etwas erstaunt". Allerdings hätte er sich auch "gut vorstellen
können,
dass es noch schlimmer kommt".
Aufgrund ausgewerteter Quellen präsentierte Christophe von Werdt
Beispiele aus Burger-Zeitdokumenten der Jahre 1930 bis 1945. Demnach
finden sich ...
- verschiedentlich antisemitisch-rassistische, eugenische oder
fremdenfeindliche Argumentationsweisen. Diese seien "im Kontext der
Zeit betrachtet wohl durchaus mit Dokumenten aus dem Stadt- oder
Regierungsrat vergleichbar", so der Vertreter des Kleinen Burgerrats.
- 12 Prozent der 202 im gleichen Zeitraum behandelten
Einburgerungsgesuche wurden abgelehnt. Darunter einige auch mit
"eugenisch-gesundheitshygienischen Bedenken"; Bedenken dieser Art seien
nicht immer ein Hinderungsgrund gewesen. Bürger seien auch
deswegen als
Burger aufgenommen worden.
Umstrittene Geldspenden
- Im genannten Zeitraum bewilligte der Kleine Burgerrat insgesamt 700
Franken (bei totalen Ausgaben von 78 000 Franken) Beiträge an
rechtskonservative Organisationen. Das "beweist durchaus eine gewisse
Sympathie für deren Zielsetzungen" - die Abstimmung war aber
umstritten, wie das Resultat zeigt.
- Aus den gesichteten Quellen lasse sich der Schluss ziehen, so von
Werdt, dass die Gemeinde "aus dem Blickwinkel unserere Zeit nicht immer
angemessen" gehandelt habe. Die Quellen gäben jedoch "keine
dahingehenden Hinweise, dass die Burgergemeinde oder ihre Exponenten
überwiegend und in aussergewöhnlicher Weise einem der
politischen
Extreme zuneigten".
Auswerten und später einordnen
Von Graffenried bilanzierte: "Damals sind Dinge geschehen, die wir aus
heutiger Sicht nicht verstehen und billigen können." Er könne
sich
dagegen "nicht vorstellen, wie ich reagiert hätten." Daher sei es
wichtig, die Resultate "in einem angemessenen Vergleich" zu betrachten.
Da es bis jetzt aber kaum historische Aufarbeitungen von Geschichten
vergleichbarer Institutionen gebe, sei die Einordnung der Resultate
"vorerst leider nicht möglich".
Der Entscheid darüber, wie die Quellen weiter aufgearbeitet werden
sollen, falle demnächst.
--
Ex-Frontist an der Burgerrats-Spitze
"Auffallend ist, dass in den 30er-Jahren den meisten Berner Sektionen
frontistischer oder rechtskonservativer Organisationen während
kürzerer
oder längerer Zeit ein Obmann oder ein Gauführer vorstand,
der aus dem
Berner Patriziat stammte", schreibt Katrin Rieder im Buch "Netzwerke
des Konservatismus" (vgl. Text unten). Als überraschendstes
Beispiel
zeigte die Historikerin an der Biografie Georges Thormanns,
Burgerratspräsident 1968-84, Verflechtungen von Burgern mit der
nazinahen Kampforganisation auf. Der Sohn des damaligen Rektors der Uni
Bern wurde 1935 zum Gauführer der Nationalen Front Bern
gewählt. Dazu
ist polizeilich beispielsweise fesgehalten, dass er in der Nacht auf
den 7. Mai 1937 mithalf beim Beschmieren der Berner Synagoge mit "Juda
Verrecke"-Slogans und Hakenkreuzen. Dafür, und für eine
frühere
Schmierattacke an Hausfassaden, Trottoirs und Strassen mit
kommunistischen Parolen, kam er vor Gericht.
Dennoch wurde der Architekt 1968 mit der "ausserordentlich hohen Zahl
von 594 Stimmen" einstimmig vom Vize- zum Burgerratspräsidenten
gewählt. Die Berner Tageszeitungen berichten darüber in der
Folge
ausgesprochen wohlwollend.
All das bestätigt nun auch die Quellenforschung der
Burgergemeinde:
"Keine Spur einer Diskussion" sei zur Wahl oder Thormann überhaupt
in
den Archiven auszumachen; in diesem Zusammenhang von Einzelpersonen auf
die gesamte Burgergemeinde zu schliessen, greife trotzdem zu kurz,
kommentierte gestern der aktuelle Burgerratspräsident Franz von
Graffenried.
---
NZZ 5.3.09
In Nazi-Zeit nicht immer angemessen reagiert
Quellensuche der Burgergemeinde Bern
kfr. Im August 2008 setzte die Historikerin Katrin Rieder mit
ihrer
Dissertation zur Rolle der Bernburger in der Nazi-Zeit die
Burgergemeinde in Zugzwang. Ein Hauptvorwurf lautete, man habe dieses
düstere Kapitel der Geschichte nie aufgearbeitet. Rieder deckte
insbesondere auf, dass Georges Thormann, 1968 zum Präsidenten des
Burgerrats gewählt, als Gauführer der Nationalen Front Bern
gewirkt und
als solcher das Zunfthaus zum Distelzwang gemietet hatte.
"Weniger als 1 Prozent Frontisten"
Inzwischen hat die Burgergemeinde die Quellen der Jahre 1930 bis
1945
untersuchen lassen. Sie bewerte das geprüfte Material bewusst
vorsichtig, wird in einer Stellungnahme betont. Sie räumt aber
ein, der
Bericht lasse den Befund zu, die Burgergemeinde und ihre Exponenten
seien den Herausforderungen "aus dem Blickwinkel unserer Zeit nicht
immer angemessen begegnet". Die vorhandenen Materialien gäben
anderseits keine Hinweise darauf, dass sie "überwiegend und in
aussergewöhnlicher Weise einem der politischen Extreme der Zeit
zuneigten". Eine Auswertung der in der Dissertation rechtskonservativen
oder frontistischen Organisationen zugeordneten Personen habe ergeben,
dass in der fraglichen Zeit weniger als 1 Prozent der
Behördenmitglieder frontistisch und etwa 10 bis 15 Prozent in
rechtskonservativen oder rechtsbürgerlichen Gruppierungen aktiv
gewesen
seien.
Zum frontistischen Wirken von Thormann wird angemerkt, dieses sei
bei
seiner Wahl nicht aktenkundig thematisiert worden. "Das
Verdrängen/Totschweigen dieses unrühmlichen Kapitels der
Schweizer
Geschichte dürfte bis dahin für weite Teile der
Nachkriegsgesellschaft
kennzeichnend gewesen sein." Bestätigung findet die Aussage der
Historikerin, dass die Gesellschaft zum Distelzwang mit Thormann ab
März 1936 einen Mietvertrag für die Benützung des
Zunftsaals als
Geschäftsstelle der Nationalen Front abgeschlossen hatte. Kritisch
vermerkt wird hingegen, dass nicht auch dessen Auflösung nach nur
einem
Jahr erwähnt worden sei, und zwar als Folge einer Aktion der
Frontisten
vom Mai 1937, welche die Grenzen der Legalität überschritt.
Fragwürdiges Verhalten in Einzelfällen
Wie die Quellen weiter zeigten, argumentierten nach 1930 Organe
der
Burgergemeinde oder einzelne Kommissionsmitglieder
antisemitisch-rassistisch, eugenisch und fremdenfeindlich. Das sei zwar
befremdlich, es lasse sich aber ohne weitergehende Einbettung in das
zeitgenössische Umfeld nicht bewerten. Burgerratspräsident
Franz von
Graffenried sagte an der Medienorientierung, "die mit einem gewissen
Tamtam" präsentierte Dissertation versuche, die Burgergemeinde als
Hort
frontistischer Sympathisanten darzustellen. Die offengelegten Quellen
ergäben indes ein anderes Bild; jedenfalls sei der Versuch,
über
Einzelpersonen auf das Ganze zu schliessen, misslungen.
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ANTI-ATOM
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BZ 5.3.09
AKW Mühleberg
Gegner insistieren
Anwohner des AKW Mühleberg lassen nicht locker: Jetzt fordern sie
beim Bundesverwaltungsgericht sofortige Akteneinsicht.
14 Anwohner des Atomkraftwerks Mühleberg doppeln beim
Bundesverwaltungsgericht mit einer Beschwerdeergänzung nach: Sie
fordern im laufenden Verfahren um die Aufhebung der Befristung der
Betriebsbewilligung für das AKW "sofortige Einsicht in die
vollständigen Akten". Das teilte die Anti-AKW-Bewegung Fokus
Anti-Atom
gestern mit.
Um was geht es? Die AKW-Gegner verlangten im Juni 2008 beim Bund
Einsicht in die Sicherheitsberichte des AKW. Den abschlägigen
Bescheid
fochten sie im Dezember beim Bundesverwaltungsgericht an. Die
Atomgegner begründen ihre Forderung damit, dass sie Einsicht in
die
Dokumente bräuchten, um ihre Einsprache gegen das AKW
begründen zu
können.
Die jetzt eingereichte Beschwerdeergänzung untermauern die
AKW-Gegner
gemäss ihren Angaben mit "brisanten Informationen" zu den vor 20
Jahren
entdeckten Rissen im Kernmantel. Die Zeitschrift "Beobachter" hatte im
Februar den vertraulichen Jahresbericht 2007 der BKW zum AKW
Mühleberg
publik gemacht und berichtet, dass die Risse länger und tiefer
seien
als noch vor 10 Jahren.
drh
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WoZ 5.3.09
Italien - Die Regierung Berlusconi setzt wieder auf Atomenergie. Doch
die Bevölkerung wird dem Bau von neuen AKWs kaum zustimmen, und
bereits
haben mehrere Regionen als Standort entschieden abgesagt.
Ausstieg aus dem Ausstieg
Von Michael Braun, Rom
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy strahlte nach Kräften,
als er
letzte Woche das Ergebnis des bilateralen Gipfels mit Italiens
Regierungschef Silvio Berlusconi in Rom bekannt gab. "Unbegrenzte
Zusammenarbeit" werde in Zukunft zwischen den beiden Ländern
herrschen
- unbegrenzte Partnerschaft beim Bau von vier Atomkraftwerken in
Italien.
Und auch Berlusconi freute sich mächtig, verkündet er doch
schon seit
Jahren, dass die Zukunft der italienischen Energiepolitik nuklear ist.
An der Pressekonferenz mit Sarkozy feierte er die gerade abgeschlossene
"strategische Partnerschaft" als "Schlusspunkt für den
ideologischen
Fanatismus der Linken", der vor gut zwanzig Jahren Italien den
völligen
Ausstieg aus der Kernkraft beschert habe. Jetzt sollen südlich der
Alpen vier AKWs mit einer Kapazität von je 1600 Megawatt errichtet
werden. Die Technologie der Druckwasserreaktoren - auch AKWs der
"dritten Generation" genannt - kommt aus Frankreich, und als
Betreibergesellschaft ist eine Zusammenarbeit des französischen
Energieriesen EDF mit Italiens grösstem Stromanbieter Enel
vorgesehen.
Verfehlte Energiepolitik
Beide Gesellschaften - bei denen die jeweiligen Staaten die
Hauptaktionäre sind - haben die Vereinbarung schon unterschrieben.
Und
auch gesetzlich ist Italiens "Ausstieg aus dem Nuklearausstieg" schon
weit fortgeschritten: Der Minister für wirtschaftliche Entwicklung
Claudio Scajola hat ein Gesetz zur Schaffung der Nationalen Atomagentur
ins Parlament eingebracht, das nun mit der soliden Mehrheit der
Berlusconi-Rechten rasch verabschiedet werden soll. "Noch in dieser
Legislaturperiode", so Scajola, soll die Grundsteinlegung für das
erste
Kraftwerk erfolgen, das dann etwa im Jahr 2020 ans Netz ginge,
während
die andren drei AKWs "zügig folgen" sollen.
Schluss wäre so mit dem energiepolitischen Sonderweg Italiens, das
als
einer der wenigen Staaten Europas seit 1987 keine AKWs mehr betreibt.
Nicht der "ideologische Fanatismus der Linken" stand jedoch hinter
dieser Entscheidung, sondern ein Referendum vom November 1987, als ein
Jahr nach der Katastrophe von Tschernobyl etwa achtzig Prozent der
Abstimmenden für den Ausstieg votierten. Das Nein zur Nuklear
energie
wurde auch von den beiden damaligen Regierungsparteien, den
Christdemokrat Innen und den Sozialist Innen, verfochten.
Damals hiess es aus allen politischen Lagern, Italien solle auf
alternative Energien setzen. Gerade in diesem Bereich passierte dann
aber jahrelang praktisch nichts. Entsprechend hat Italien heute bei der
Stromerzeugung eine ungünstige Energiemischung, in der Gas und
Öl
dominieren und die das Land von den Schwankungen der Weltmarktpreise
abhängig macht. Schlimmer noch: Italien kann seinen Strombedarf
nicht
selbst decken. Bis zu fünfzehn Prozent müssen vor allem aus
Frankreich
und der Schweiz, aber auch aus Griechenland importiert werden.
Unvergessen ist im Land der totale Blackout vom September 2003, als
wegen Leitungsproblemen in der Schweiz in ganz Italien für bis zu
24
Stunden die Lichter ausgingen.
Italiens bisherige Energiepolitik - kaum erneuerbare Energien, kaum
Engagement für Energieeffizienz - heisst auch, dass das Land
dramatisch
im Hintertreffen ist, was die Ziele des Kio to-Protokolls und die
Vorgaben der EU angeht. Laut diesen sollte das Land inzwischen seinen
CO2-Ausstoss gegen über 1990 um 6,5 Prozent gesenkt haben.
Stattdessen
liegt er trotz leicht fallender Tendenz etwa sechs Prozent über
dem
Wert von 1990.
Die Kernenergie soll es jetzt richten. Doch da ist vorneweg das
Problem, dass AKWs, wenn sie denn nach 2020 ans Netz gehen, das
aktuelle Problem der zu hohen CO2-Emissionen gar nicht lösen
können.
Zweitens monieren Kritiker Innen, die Frage der Kosten sei völlig
ungeklärt. Laut Hochrechnungen belaufen die sich für die vier
Meiler
auf zwanzig Milliarden Euro. "Die Privaten" würden das
finanzieren,
sagt dazu die Regierung in Rom - und das mitten in der Finanzkrise.
Absagen aus allen Ecken
Offen sind zudem die Standorte für die neuen AKWs. Ausgerechnet
aus
Sardinien, wo Berlusconis Rechte gerade erst die Regionalwahlen
gewonnen hat, kam die erste Absage: Auf der Insel will die
Regionalregierung kein AKW sehen. Absagen kommen aber auch aus allen
anderen Ecken des Landes. Energieexperten wie der frühere
Industrieminister Alberto Clo meinen deshalb, in einem Land, "in dem
sich nicht einmal ein Mülldepot gegen den lokalen
Bürgerprotest
durchsetzen lässt", werde die Regierung spätestens hier
scheitern. Ein
Negativbeispiel hat Berlusconi gewiss noch in Erinnerung: Im Jahr 2003
wollte er der süditalienischen Region Basilicata ein nukleares
Endlager
bescheren, gab aber angesichts der heftigen Proteste seitens der
Bevölkerung schnell wieder auf.
Kaum Gegenwind bekam Italiens Regierungschef dagegen vom
oppositionellen Partito Democratico (PD). Der war damit
beschäftigt,
unmittelbar nach der Wahlniederlage in Sardinien und dem Rücktritt
des
Vorsitzenden Walter Veltroni seine Wunden zu lecken. Der PD machte
gleich dort weiter, wo der als Politiker des Sowohl-als-auch
verspottete Veltroni aufgehört hatte: Einige seiner VertreterInnen
stellten sich gegen den Wiedereinstieg in die Kernenergie, während
andere, wie der prominente frühere Präsident der Region
Toscana und
heutige Senator Vannino Chiti, ihn offen begrüssten.