MEDIENSPIEGEL 23.3.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- Tigris: Kommandanten wussten alles
- Angriff auf LaKuz
- Prozess Allpack-Streik

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REITSCHULE
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Mi 25.03.09
19.00 Uhr - SousLePont - Glarus Spezialitäten
20.30 Uhr - Holzwerkstatt - Konzert der anderen Art # 7: Axel Dörner, Trumpet, Electronics; Paed Conca, Clarinet, Bass, Electronics; Jonas Imhof, Drums
21.00 Uhr - Dachstock - Bonaparte (CH/D) - Elektroclash/Poptrash Circus
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne Nr. 111

Do 26.03.09
20.00 Uhr - Frauenraum - HINTERHOF-LOUNGE. Hinterhof-Lounge goes Italo Disco
20.30 Uhr - Tojo - Die Seifin und der Dreck - Objekt-Tanz-Theater von Cécile Keller
20.30 Uhr - Kino - UNCUT - Warme Filme am Donnerstag: OUT AT THE WEDDING, L. Freelander, USA 2007

Fr 27.03.09
20.30 Uhr - Tojo - Die Seifin und der Dreck - Objekt-Tanz-Theater von Cécile Keller
21.00 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: XXY, L. Puenzo, Argentinien 2007
21.00 Uhr - Frauenraum - TanzBar mit DJ Grisumel. Gesellschaftstänze & Disco für Frau & Frau, Mann & Mann und Friends. Mit Crashkurs ab 19.15 Uhr.
22.00 Uhr - SousLePont - The Phonotones (D); The Budget Boozers (CH) - Dirty Rock‘nRoll und Garage Punk

Sa 28.03.09
20.30 Uhr - Tojo - Die Seifin und der Dreck - Objekt-Tanz-Theater von Cécile Keller
21.00 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: Das verordnete Geschlecht, O. Tolmein und B. Rothermund, Deutschland 2001
22.15 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: Die Katze wäre eher ein Vogel ..., M. Jilg, Deutschland 2007
22.00 Uhr - Dachstock - Techstock IV: Traumschallplatten Nacht mit: Piemont (D), Bukaddor & Fishbeck (D), Triple R (D) Support: Bud Clyde (Festmacher), Coleton (live), 2nd Floor: Frango (Sirion/BE), Brian Python, Racker, Minimalist (Festmacher) Techno/Minimal/House

So 29.03.09
18.00 Uhr - Rössli - Piano-Bar

Infos: www.reitschule.ch

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Tagesanzeiger 23.3.09

Wuchern und Wimmeln mit Bonapartes Elektropunk

Als Signorino TJ trällerte er sich in die Schweizer Hitparade. Mit Bonaparte wurde der Berner Tobias Jundt nun zum Darling der Berliner Szene.

Von Markus Schneider

Zugegeben: Bonaparte klingen schon nach Berlin. "Do you wanna party" kreischt es da etwa auf einem Track des Debütalbums "Too Much" aus dem letzten Herbst. Das wird dann in ein rotznasiges "with Bona-partieee" verlängert, bevor der Sänger ein paar Berliner Club-Geheimtipps ausplaudert. Ein bisschen weiter heisst ein Stück sehr grundsätzlich "Anti, Anti", ein anderes läuft nur als "Ego". Dazu bollert ein sehr plakativer, ewig pubertierender, tanztauglicher Elektropunk voll komischer Geräusche, quengelnd verzerrter Stimmen und brachialer Gitarren. Bandfotos zeigen einen bunten Haufen von Leuten, karnevalesk verkleidet, exaltiert und schrill. Irgendwie schrecklich Berlin eben, wo die Band tatsächlich herkommt und seit einiger Zeit gehypt wird.

Dabei sind Bonaparte eigentlich nur das Projekt eines einzelnen Schweizers aus Bern. Der heisst Tobias Jundt und sagt, während er durch Deutschland und die Schweiz tourt, am Telefon: "Berlin war Zufall. Ich war zuerst in Spanien. Ich wollte nicht nach Berlin. Ich dachte: Puh, alle gehen nach Berlin." Am Ende sei er dann hängengeblieben, weil es ihm einfach so viel Freiraum gebe: "Die spezielle Energie ist sicher durch die Stadt gewachsen, durch die Raves, durch die vielen Möglichkeiten zu spielen. Aber wir haben noch nicht mal einen richtigen Berliner dabei. Die Leute sind alle nur hier gestrandet. Was ja aber auch was über die Stadt aussagt."

Aufmerksame Pophörer könnten Tobias Jundt bereits in anderen Inkarnationen kennengelernt haben. Oder erinnern sich vielleicht an "E cosi com'è", einen Sommerhit von 2003, den Jundt, damals 24, als Signorino TJ eingespielt hat. Nebenher schrieb er Songs für Leute wie Carmen Fenk, Philipp Fankhauser und Michael von der Heide. "Das eine bin ich als Künstler, das ist mein Leben. Das andere ist: Wenn mich jemand fragt, ob ich ihm einen Song schreibe, dann schreib ich ihm einen Song. Das interessiert mich, seit ich klein bin, das ist mein Beruf und meine Leidenschaft. Ein Elektrojodelsong mit Countrytouch? Fände ich eine spannende Herausforderung. Man lernt am meisten, je weiter die Sachen von den eigenen entfernt sind."

Bonaparte sind andererseits das Ergebnis einer Art künstlerischer Läuterung. Selbstfindung - als Gegensatz zur Arbeit für andere - ist ein Wort, das oft fällt im Gespräch. So wie Haltung, Dringlichkeit, Energie, die Jundt mit ansteckender Emphase als wesentliches Drehmoment seiner Elektropunk-Burleske anführt. Ansteckend auch für eine ständig wachsende Fangemeinde. Sogar Quentin Tarantino, seit den Babelsberger Dreharbeiten für "Inglourious Basterds" eine Art Berliner Ehrenbürger, hat sich angeblich begeistert geäussert.

80er-Revival und eigene Handschrift

"Warum etwas die Leute berührt", wundert sich Jundt selbst, "oder sich plötzlich eine bestimmte Energie entwickelt hat, darüber kann man natürlich retrospektiv reflektieren. Ich finde es schön, aber wirklich verstehen kann ich es auch nicht. Ich glaube, wenn du bei dem, was du tust, Spass hast und ein gutes Gefühl, das spüren die Leute. Aber Bonaparte bringen schon auch dieses Gefühl: Was machen wir hier eigentlich? Es gibt so viele Dinge, an die wir geglaubt haben, gesellschaftliche Sachen, die wichtig schienen, und dann merkst du: Das ist eigentlich alles Bullshit. ‹Too Much› hat vielleicht auch damit zu tun, dass wir uns selbst überflutet haben mit all den Möglichkeiten und Freiheiten und nun etwas orientierungslos sind."

Der musikalische Stil spielt dabei gar keine so grosse Rolle, auch wenn man ihn selbstverständlich zeitgenössisch verorten kann mit seiner grotesken Zuspitzung diverser 80er-Revival-Modelle zwischen Disco, Elektro und Punk. Fellini-Fan Jundt versteht sich eher als Regisseur, der verschiedene Genres bedienen, dabei reüssieren oder versagen kann, aber am Ende eine ganz eigene Handschrift entwickelt. "Irgendwann", lacht er, "werd ich vielleicht eine Techno-Bigband haben oder wie als Teenager wieder viel mit Streichern arbeiten. Weiss ich nicht. Und ich will es, glaube ich, auch gar nicht wissen."

Reiselust und Selbstfindungstrip

Zu Beginn hatte sich Multiinstrumentalist Jundt die Band im Grunde als Rahmen seiner Reiselust ausgedacht. Sie sollte sich je nach Auftrittsorten immer mit jeweiligen lokalen Musikern neu erfinden. Mittlerweile gibt es (inklusive neuseeländischer Beteiligung) einen Kern, der gleichsam kleben blieb. Aber irgendwie folgerichtig mündeten Bonaparte in den derzeitigen "Trash-Zirkus", wie das Musikmagazin "Intro" die bis zu zwanzig Leute fassende, lose Entourage aus Musikern, Tänzern und Visual Artists nennt, die bei Live-auftritten die Bühne unsicher machen.

Dabei hat der Kopf des Ganzen - dieser offensiven Beweglichkeit, diesem Wimmeln, Wuchern und Ausufern - überzeugend zu sich selbst gefunden: "Je mehr du unterwegs bist, desto mehr merkst du, wo du herkommst und was dich ausmacht, als Mensch mit einer Heimat. Das war eine sehr schöne Erkenntnis. Ich habe ausserdem die Anonymität gebraucht, um Boden zurückzuerobern. Mit Bonaparte war ich eben erst mal: niemand. Das war toll. Jetzt bin ich natürlich wieder Bonaparte." Da lacht er ausgiebig und ergänzt dann: "Aber ich habe einfach gelernt, dass man in den Lebensphasen möglichst eine extreme Version seiner selbst sein sollte. Dann ist das Leben intensiv. Und im Moment bin ich auf drei Jahren Peak-Experience. Es ist wunderbar!"

Bonaparte: Too Much (Staatsakt/Sophie). Konzerte: 24. März im Mascotte, Zürich; 25. März in der Reithalle, Bern.

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Bund 23.3.09

Zwei Seelen in einer Stadt

Soul mit und ohne Tränen: Die Konzerte von Seven und Little Dragon

Während Seven im Bierhübeli mit Soulmusik nach amerikanischem Strickmuster beeindruckte, wurde von der hinreissenden Gruppe Little Dragon im Dachstock der Reitschule eine mögliche Zukunft des Genres präsentiert.

Ane Hebeisen

Es ist bald klar, welcher Form der Soulmusik hier gefrönt werden soll. Die eigens ins Bierhübeli gekarrten Beleuchtungskörper blinken in den Farben Blau, Weiss, Rot, die Backgroundsängerinnen bewegen sich nach einer einstudierten Choreografie, der Hauptdarsteller des Abends trägt eine dunkle Sonnenbrille, wirft sich schon bald in die grossen amerikanischen Show-Posen, und selbst wenn er seine Bandkollegen freundschaftlich abklatscht, macht das bei ihm rhythmisch irgendwie Sinn.

Seven heisst der Mann, und der hat allen Grund, mit der grossen Kelle anzurühren. In diesen Wochen hat in diesem Land nur die Gruppe U2 mehr Tonträger abgesetzt als der Soulbruder aus dem Aargau; in der ersten Woche hat sein Album "Like a Rocket" Goldstatus eingespielt, und das Bierhübeli ist bereits seit einer Woche ausverkauft - es scheint, dass die Schweiz für diesen Mann langsam zu klein wird.

Auf gefährlich schmalem Grat

Produktionstechnisch hat Seven deshalb bereits bilaterale Beziehungen zu den USA aufgenommen - auf seinem neuen Album kommen Berühmtheiten wie Omar, Talib Kweli, Larry Gold oder Beverley Knight zu Gastauftritten. Die tun dies zwar gegen Bezahlung, doch sie täten es nicht, wenn ihnen ein Projekt ganz und gar zuwider wäre. Und dies wäre denn auch verwunderlich. Denn Seven bewegt sich stilsicher durch die Gefühlstopografie des verpoppten amerikanischen Souls, unternimmt zuweilen Ausflüge in den Disco-Distrikt oder in Randgebiete des Funks. Im Bierhübeli tut er dies in einer Perfektion, die allen Respekt verdient. Es ist staunenswert, wie aus einem solch schmalen Mann so viel Soul entweichen kann, kommt hinzu, dass Seven seiner Reputation, wohl der begnadetste Sänger dieses Landes zu sein, vollauf gerecht wird; von ihm ist ein Konzert lang kein wackliger Ton zu vernehmen, obwohl er sich zuweilen in Höhen vorwagt, die jedem vernünftigen Mann den Angstschweiss aus den Poren treiben täte.

 Und dennoch bewegt sich Seven in der Ausgabe 2009 auf einem gefährlich schmalen Grat, auf dessen unschöner Flanke Larmoyanz und Glitschigkeiten glitzern. Auf der anderen Seite ist da der groovige Seven, der live noch markanter zu Tage tritt, der Sympathieträger, der sich seinen Erfolg hart erarbeitet hat, der allen Unkenrufen zum Trotz an seiner musikalischen Orientierung festgehalten hat, auch in Zeiten, in denen in diesem Land kaum jemand an heimischem Soul-Schaffen interessiert war. Zwei Stunden dauert seine perfekte Revue, das Publikum ist enthusiasmiert, es ist Schweiss geflossen - aber keine Tränen.

Gold für Nagano

Tränen der Freude fliessen wenig später einige Häuserzeilen entfernt, als im Dachstock der Reitschule die Gruppe Little Dragon ihre Arbeit aufnimmt. Gevatter Soul steht auch der Musik dieser Gruppe aus Göteborg Pate, allerdings wird hier keinen amerikanischen Vorbildern gehuldigt, dieses Quartett hat sich daran gemacht, einen ganz eigenen Soul-Dialekt zu formulieren. Dazu reicht ihm ein kantiges Schlagzeug, ein elektronisch unterstützter, fast schon obszön groovender Bass und zwei Keyboards, die dem Ganzen charmant-fragile Melodieführungen beisteuern. Und es braucht diese staunenswerte Sängerin Yukimi Nagano, die zwar gesanglich keine Salti und Pirouetten zu vollführen imstande ist, die dafür mit einem gehauchten Vibrato bezirzt und Melodien erfindet, die einem in ihrer bizarren Schönheit oder verwirrenden Ungeläufigkeit beinah den Verstand rauben.

Die Lieder nehmen in Groove und Struktur immer wieder ungewohnte Wendungen und bleiben doch stets tanzbar und sinnlich. Eine Sinnlichkeit, die eben auch mit dem grösstem Perfektionismus nicht zu erzielen ist, sondern mit musikalischen Ideen, die sich vom Gängigen und Vertrauten abheben, mit Musik, die in Sphären vorstösst, die noch weitgehend unerforscht sind. Little Dragon hat dieses Kunststück vollführt. Ein Bierhübeli hätten sie damit nicht gefüllt, Gold gibt es dafür allemal.

[i]

Die CDs

Seven: "Like A Rocket" (Nation). Little Dragon: "Little Dragon" (Peacefrog/Irrascible), im Juni wird das zweite Album der Band erscheinen.

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BZ 23.3.09

Neue CD der Kummerbuben

Kinderkanon und Anarchopolka

Die Kummerbuben entstauben wieder altes Schweizer Liedgut: Am Wochenende feierte die Berner Band das Erscheinen ihres Zweitlings "Schattehang". Gegenüber dem Debüt legt das Sextett an Tempo zu.

Die Geburtsstunde der Kummerbuben liegt noch nicht lange zurück. Im März 2007 haben die sechs Herren ihren Namen und ihr Repertoire geändert. Bis zu diesem Zeitpunkt nannten sie sich Dean Moriarty&The Dixie Dicks und spielten Tom-Waits-Covers. Obwohl auch Dean und seine Mannen beachtliche Erfolge feierten, gings erst als Kummerbuben so richtig los. Mit ihrem Erstling "Liebi u anderi Verbräche" auf dem sie altes Schweizer Liedgut vom Staub der Zeiten befreiten und es mit Rock, Polka und Folklore-Elementen unterlegten, wurden sie zu einer enorm gefragten Band und konnten landauf, landab Konzerte geben.

Ausgelassene Premiere

Und nun soll "Schattehang" an den Erfolg anknüpfen. Am Freitagabend, einen Tag vor der offiziellen Plattentaufe, luden die Kummerbuben Freunde, Helfer und auch Medien in ihren wunderschönen Bandraum im Progr. Das "Release-Apéro" war nicht nur ein Dankeschön an alle Mitbeteiligten und Helfer der CD, sondern auch eine kleine Premierenfeier für ihr neues Video "Has".

Die Stimmung ist ausgelassen, fast ein bisschen aufgekratzt. Die Herren mit der Vorliebe für Kleider aus vergangener Zeit freuen sich sehr, dass es nun endlich so weit ist und sie ihre zweite CD taufen können. "Es ist super, dass wir endlich wieder spielen können. Wir haben eine sehr intensive und strenge Zeit der Aufnahmen hinter uns." sagt Urs Gilgen, Gitarrist der Kummerbuben. Sie sind auch sehr gespannt auf die Reaktionen auf das neue Werk. "Natürlich hoffen wir, dass ‹Schattehang› ebenso erfolgreich wird wie sein Vorgänger", meint Saxofonist Daniel Durrer.

Scherenschnitt fürs Cover

Gerne erzählen die Musiker über ihre Zusammenarbeit mit dem Scherenschnittkünstler Ernst Oppliger, welcher den Scherenschnitt fürs CD-Cover geliefert hat. Auf Oppliger stiessen die Kummerbuben über den Dichter Jürg Halter (auch bekannt als Rapper Kutti MC). Oppliger und die Kummerbuben waren sich sogleich sympathisch, denn beide nähern sich den Schweizer Traditionen auf eine subversive Art und Weise. So entstand eine generationenübergreifende Zusammenarbeit für die CD. Leider war die Zeit zu knapp, dass extra ein neuer Scherenschnitt fürs Cover gemacht werden konnte. Deshalb ziert nur ein bereits vorhandener das Cover, welcher trotzdem sehr gut zu ihrem Sound passt.

Himmeltraurige Dinge

"Schattehang" erzählt Geschichten von unglücklichen Helden, von Liebeskummer, Tod und anderen himmeltraurigen Dingen. Die dunkle Seite des Schweizer Liedgutes wird zelebriert. Wie schon auf ihrem Erstling haben sich die Kummerbuben wieder stilsicher dem tradierten Liedgut bedient und es für ihre Zwecke umgeschrieben. Auf die Volkslieder gestossen ist Sänger Simon Jäggi durch den Spieleerfinder, Autor und Liedermacher Urs Hostettler, der selbst alte Volkslieder interpretiert.

Auch auf "Schattehang" spielen die ausgezeichneten Musiker eine Mischung zwischen Rock, Polka und Folklore, welche wunderbar zu den Texten passt. Damit beweisen die Kummerbuben erneut, dass Volkslieder nicht unbedingt mit Jodel und Hackbrett unterlegt werden müssen. "Schattehang" legt gegenüber seinem Vorgänger sogar noch an Tempo zu.

Dass auch der Spass nicht fehlt, beweist "Le Coq est mort". Die Kummerbuben verwandeln den Kinderkanon in eine so wunderbare Anarchopolka, dass die langweiligen Singstunden rasch in Vergessenheit geraten.

Susanne Siegenthaler

CD: "Schattehang", Chop Records, erscheint am 27.3. Nächste Konzerte: 24.4., Kofmehl Solothurn; 30.5., Bad Bonn Kilbi Düdingen FR; 31.5., Progr Bern.

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TIGRIS
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BZ 23.3.09

Bundeskriminaleinheit

Wie geheim "Tigris" wirklich war

Offenbar waren doch viele unterrichtet über die Existenz der mysteriösen Truppe "Tigris": So Christoph Blocher, Eveline Widmer-Schlumpf und die kantonalen Polizeikommandanten. Nun werden Untersuchungen eingeleitet.

Die 14-köpfige bundespolizeiliche Sondereinheit "Tigris" wurde mit Christoph Blochers Zustimmung betrieben. Dies geht aus den Aussagen von Beat Hensler, Präsident der kantonalen Polizeikommandanten, hervor. Die Bundeskriminalpolizei hatte die bis vergangene Woche in der Öffentlichkeit unbekannte Truppe nämlich bereits im Jahr 2005 den versammelten kantonalen Polizeikommandanten vorgestellt. Hensler erinnert sich, dass an dieser Sitzung der damalige Justizminister Christoph Blocher anwesend gewesen war. Das sagte er gestern in der "NZZ am Sonntag". Er bestätigte dies gegenüber dieser Zeitung. Im Protokoll jener Sitzung war Blocher laut Hensler denn auch als Teilnehmer vermerkt. Zudem war die Präsentation der Einsatztruppe "Tigris" auf der Einladung der Sitzung als Traktandum angekündigt gewesen.

Justizministerin im Bild

Die Existenz der Gruppe war am Donnerstag von der "Weltwoche" enthüllt und später vom Bundesamt für Polizei bestätigt worden. Auch viele Politiker erklärten, erst aus den Medien von der Truppe erfahren zu haben. Neben den Polizeikommandanten und Christoph Blocher wusste allerdings auch die heutige Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf um die Existenz der Truppe. Dies sagte sie am Wochenende.  Dennoch hat die Bundesrätin nun eine Untersuchung einleiten lassen. Es seien noch einige Fragen offen. Widmer-Schlumpf will wissen, auf welchen Grundlagen die Einheit aufgebaut wurde, ob sie nötig, nützlich und wirksam sei.

Truppe illegal?

Umstritten ist, ob es für die offenbar hochspezialisierte und modernst ausgerüstete Polizeitruppe eine gesetzliche Grundlage gibt. Das soll nun in der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission abgeklärt werden. Dies sagte Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi, Präsidentin der zuständigen GPK-Subkommission, am Wochenende. Roth-Bernasconi will zudem abklären, ob der Aufbau der "Tigris" unter Umgehung des Parlaments rechtens gewesen sei. Verschiedene Parlamentarier reichten Vorstösse zum Thema ein. Kritik wurde auch laut, weil die "Tigris" die kantonalen Sondereinheiten konkurrenzieren könne und weil die polizeiliche Hoheit Sache der Kantone sei. In Bern existiert etwa die Sondereinheit "Enzian", in Zürich die Einheit "Diamant".

"‹Tigris› ist sinnvoll"

Anders sieht dies Polizeikommandantenpräsident Hensler: "Ich fand die Existenz der Truppe ‹Tigris›, als sie uns 2005 vorgestellt wurde, sinnvoll", sagt er gegenüber dieser Zeitung. Und wenn sie immer noch so sei wie damals, finde er nach wie vor gut, dass es sie gebe. Ob die Truppe heute anders organisiert sei, könne er ohne nähere Prüfung aber nicht beurteilen.

Hensler erläutert, weshalb ein solche Spezialeinheit auf Bundesebene Sinn ergibt: "Die Truppe ‹Tigris› - so wie sie uns damals vorgestellt wurde - hatte eine grundsätzlich andere Funktion als die kantonalen Spezialeinheiten wie ‹Enzian› oder ‹Diamant›."

 "Tigris" sei ausschliesslich für kriminalpolizeiliche Aufgaben, so etwa für heikle Hausdurchsuchungen, gedacht. Die Sondereinheiten "Enzian" und "Diamant" seien hingegen für sicherheitspolizeiliche Aufgaben konzipiert. Hensler findet es "sinnvoll, wenn die Bundesanwaltschaft bei Hausdurchsuchungen oder bei kriminalpolizeilich motivierten Festnahmen nicht jedes Mal kantonale Polizeikräfte anfragen muss". Für kriminalpolizeiliche Aufgaben habe der Bund auch entsprechende Kompetenzen.

 "Allerdings…"

Falls "Tigris" heute allerdings nicht nur für kriminalpolizeiliche, sondern auch für sicherheitspolizeiliche Einsätze vorgesehen sei, "wäre das meiner Meinung nach nicht haltbar". Denn sicherheitspolizeiliche Aufgaben seien ausschliesslich Sache der Kantone respektive der Kantonspolizeien.

Sicherheitspolizeiliche Aufgaben sind laut Polizeikommandant Hensler etwa die Bekämpfung von Gewaltverbrechen mit bewaffneten, gemeingefährlichen Tätern, gefährliche Verhaftungen mit hohem Sicherheitsrisiko.

Mischa Aebi

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Der "Weltwoche"-Bericht

"Tigris": Stützpunkt in Worblaufen

Bevor vergangene Woche die "Weltwoche" einen Artikel über "Tigris" publizierte, war die Polizeitruppe in der Öffentlichkeit unbekannt. Die Bundeskriminalpolizei baue sich heimlich eine schwer bewaffnete und Millionen teure 14-köpfige Kampfeinheit ohne politischen Auftrag, ohne transparentes Budget und ohne parlamentarische Kontrolle auf, schrieb die Wochenzeitschrift in einem Enthüllungsbericht. Die Eliteeinheit trainiere ihre Einsätze mit Laserwaffen in einer in der Schweiz einmaligen Hightechanlage. Ihren Stützpunkt hat die Truppe offenbar auf dem Gelände der Militäranlagen in Worblaufen.

Die Truppe bewege sich auf staatsrechtlich heiklem Terrain, hiess es im "Weltwoche"-Artikel. Denn es sei nicht Aufgabe des Bundes, eine Einsatzgruppe zu unterhalten. Das Bundesamt für Justiz nahm in einer ausführlichen Mitteilung Stellung zu dem "Weltwoche"-Bericht. Es bestätigte die Existenz der Truppe. Hingegen dementierte das Bundesamt zahlreiche Punkte. Die Kosten zum Beispiel seien sehr wohl im ordentlichen Budget des Bundesamtes für Polizei einsehbar.

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LAKUZ
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BZ 23.3.09

Vandalen wüten vor dem Lakuz

Unbekannte haben in der Nacht auf Sonntag beim Langenthaler Lakuz Scheiben eingeschlagen. Die Polizei tappt im Dunkeln.

In der Nacht auf Sonntag, gegen 1 Uhr, haben Unbekannte die Scheiben des autonomen Kulturzentrums Lakuz in Langenthal eingeschlagen und erheblichen Schaden angerichtet. Das Lakuz war in dieser Nacht nicht besucht, Veranstaltung hatte keine stattgefunden.

Ein Anwohner der nahen Marktgasse nahm jedoch auf dem Heimweg Geräusche wahr und sah, dass mindestens drei Personen vor dem Lakuz wüteten. Er alarmierte sofort Leute aus dem Umfeld des Kulturzentrums, erkennen konnte er die Täter aber nicht.

Nur wenig später waren Kantonspolizei und Lakuz-Angehörige vor Ort, von den Vandalen fehlte jedoch jede Spur.

Bereits 2002 verwüstet

Wie Polizei-Sprecher Heinz Pfeuti gestern auf Anfrage erklärte, seien die Ermittlungen im Gang. Noch fehlten aber jegliche Anhaltspunkte, und es seien in der Region aus dieser Nacht auch keine anderen Vorfälle bekannt, die mit jenem beim Lakuz in Verbindung gebracht werden könnten.

Bereits 2002 war das Lakuz an der Farbgasse verwüstet worden. Damals waren es Rechtsextreme, die auch im Innern des Hauses wüteten.

Kathrin Holzer

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STREIK
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Basler Zeitung 23.3.09

22 Streikende stehen vor dem Strafrichter

Mehr als fünf Jahre nach dessen Beendigung durch die Polizei wird der Allpack-Streik juristisch bewältigt

Thomas Gubler

Von Mittwoch bis Freitag findet in Liestal der Strafprozess gegen die Streikenden im Fall Allpack AG statt. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage, welche Handlungen der Angeklagten vom Streikrecht noch gedeckt sind.

Der Fall hatte Ende des Jahres 2003 im Baselbiet für politische Verstimmung auf höchster Ebene gesorgt. Am 1. Dezember jenes Jahres beendete ein Grossaufgebot der Polizei Streik und Blockade bei der Firma Allpack AG in Reinach. Bereits damals stand die Frage im Raum, ob es wirklich Aufgabe der Polizei sei, die Interessen eines Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmenden durchzusetzen.

Diese Frage wird auch diese Woche wieder zur Diskussion stehen, wenn 22 Personen - Streikende und Gewerkschafter - in Liestal wegen Nötigung und Hausfriedensbruch vor dem Strafgericht stehen. Ausgangspunkt des Arbeitskampfes bei der Reinacher Verpackungsfirma waren Änderungen in den Arbeitsverträgen, die eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zur Folge gehabt hätten.

So sollten die Ferien um eine Woche gekürzt, der 13. Monatslohn in einen freiwilligen Bonus umgewandelt und der Mutterschaftsschutz reduziert werden. Das aber wollten sich die Arbeitnehmenden nicht bieten lassen - sie traten Ende November in einen von der Gewerkschaft Comedia organisierten Streik.

Am Nachmittag des 1. Dezember 2003 eskalierte der Arbeitskampf. Eine Menschenkette verunmöglichte den Arbeitswilligen den Zutritt zur Firmenliegenschaft. Nach Ablauf eines Ultimatums des damaligen Polizeikommandanten Kurt Stucki, den Zugang freizugeben, rückte die Polizei an.

Acht Uniformierte versuchten zuerst, die Menschenkette aufzulösen. Das Vorhaben scheiterte. Die Polizisten hatten jedoch die Streikenden bis zur Eingangstüre zurückgedrängt. Dort setzte sich eine Gruppe von etwa 20 Personen nieder und blockierte den Eingang. Kurze Zeit später traf der Ordnungsdienst der Polizei ein, die rund 30 Mann im Kampfanzug lösten die Sitzblockade auf. Zahlreiche Streikende und Gewerkschafter - darunter auch die Reinacher SP-Landrätin Eva Chappuis - wurden vorübergehend festgenommen.

Harsche Kritik. Wenige Tage später konnte der Allpack-Konflikt mit einer Vereinbarung, die dank den beiden Mediatoren Hans Rudolf Gysin und Urs Wüthrich erzielt wurde, beendet werden. Für den Polizeieinsatz aber musste Sicherheitsdirektorin Sabine Pegoraro harsche Kritik einstecken. Es kam auch zu einer Demonstration in Liestal. Pikant dabei: SP-Regierungsrat Wüthrich hatte sich auch in den Demonstrationszug eingereiht.

Viereinhalb Jahre später, am 18. Juni 2008, wurden die meisten der in Reinach Festgenommenen vom Statthalteramt Liestal per Strafbefehl wegen Nötigung und Hausfriedensbruch zu bedingten Geldstrafen zwischen einem und zehn Tagessätzen sowie Bussen in der Höhe von 150 bis 300 Franken verurteilt. Gegen einige Verhaftete wurde das Verfahren eingestellt. Laut Nicolas Roulet, dem Verteidiger der Angeklagten, habe das Statthalteramt eigentlich alle Verfahren einstellen wollen, auf Betreiben des Firmeneigners dann aber davon abgesehen.

Angefochten. Die Streikenden haben aber den Strafbefehl nicht akzeptiert und diesen beim Strafgericht Baselland angefochten. Für Verteidiger Roulet geht es dabei nicht zuletzt darum, zu erfahren, was das Streikrecht beinhaltet, beziehungsweise um die richterliche Klärung, wie weit man als Streikender gehen darf. Erhebliche Zweifel hat der Verteidiger auch an der Erfüllung des Tatbestandes des Hausfriedensbruchs. "Das Gelände, auf dem sich die Streikenden aufhielten, war nicht klar umfriedet", sagt Roulet. Aus dieser Argumentation lässt sich unschwer ableiten, dass der Verteidiger mit grösster Wahrscheinlichkeit auf Freispruch plädieren wird.

Der Prozess gegen die 22 Angeklagten findet von Mittwoch, 25. März, bis Freitag, 27. März, vor dem Einzelrichter in Liestal statt. Die ersten beiden Tage sind der eigentlichen Verhandlung und den Plädoyers gewidmet. Die Urteilseröffnung ist auf Freitagnachmittag, 14 Uhr, angesetzt.