MEDIENSPIEGEL 28.3.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Progr: Vertagung und Verwirrung
- Erneuter Angriff auf LaKuz
- Zoff um Aufstockung Police BE
- Nause will Bobbies
- Big Brother FG9: BAJ vs BS
- Allpack-Streik-Prozess: Bussen und Freisprüche
- Tigris und kein Ende
- Gipfel-Soli-Newsletter 27.3.09

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REITSCHULE
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Sa 28.03.09
20.30 Uhr - Tojo - Die Seifin und der Dreck Objekt-Tanz-Theater von Cécile Keller
21.00 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: Das verordnete Geschlecht, O. Tolmein und B. Rothermund, Deutschland 2001
22.15 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: Die Katze wäre eher ein Vogel ..., M. Jilg, Deutschland 2007
22.00 Uhr - Dachstock - Techstock IV: Traumschallplatten Nacht mit: Piemont (D), Bukaddor & Fishbeck (D), Triple R (D) Support: Bud Clyde (Festmacher), Coleton (live), 2nd Floor: Frango (Sirion/BE), Brian Python, Racker, Minimalist (Festmacher) Techno/Minimal/House

So 29.03.09
18.00 Uhr - Rössli - Piano-Bar

Infos: www.reitschule.ch

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PROGR
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Bund 28.3.09

Entscheid über Progr vertagt

Mader hat entschieden, vorläufig nicht zu entscheiden. Bernasconi (svp): Das sei Taktik.

Joel Weibel

Die Beschwerde von SVP-Stadtrat Peter Bernasconi gegen die Stadtrats-Beschlüsse in Sachen Progr wird von Regierungsstatthalterin Regula Mader infrage gestellt. Die Beschwerde richtet sich dagegen, dass es zur Zukunft des Progr zu einer Variantenabstimmung kommen soll. Gleichzeitig führt Bernasconi Beschwerde gegen die Abstimmungsbotschaft.

Mader hält in einer gestern Abend veröffentlichten Verfügung fest, dass der Beschwerde grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukäme. Allerdings hat sie die Abstimmung nicht aufgeschoben. Denn Mader schreibt, dass Beschwerden gegen Abstimmungen in Wahl- und Abstimmungssachen grundsätzlich erst zulässig seien, "wenn das in der Sache zuständige Organ entschieden hat". Es sei deshalb zweifelhaft, ob eine Beschwerde bereits jetzt gegen den Stadtratsbeschluss erhoben werden könne oder nicht erst eine Beschwerde gegen den Volksbeschluss zulässig sei. Beschwerdeführer Bernasconi widerspricht dieser Auffassung nach Rücksprache mit seinem Anwalt: "Nach heutigem Recht gilt: Eine Beschwerde gegen einen Stadtratsbeschluss muss innerhalb von zehn Tagen eingereicht werden." Er vermutet deshalb ein taktisches Manöver Maders. Diese wolle, dass die Abstimmung stattfinde, sodass bei einem Entscheid Pro-Progr ein moralischer Druck entstünde. "Wenn wir diese Frist nicht eingehalten hätten, wäre uns dies von Mader vorgeworfen worden", sagt Bernasconi.

Auch über die Beschwerde gegen die Abstimmungsbotschaft hat Mader, welche gestern nicht erreichbar war, noch nicht entschieden. Hier dränge sich jedoch eine Sistierung auf, weil gegen eine Abstimmungsbotschaft erst Beschwerde eingereicht werden könne, sobald das Abstimmungsmaterial verschickt sei. "Das wird doch schon gedruckt", sagt Bernasconi. Er wird gegen die Entscheide bis Dienstag wiederum Einsprache erheben.

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BZ 28.3.09

Ratlosigkeit beim Progr

Die SVP-Beschwerde gegen die Variantenabstimmung beim Berner Progymnasium entpuppt sich als juristische Knacknuss.

Regierungsstatthalterin Regula Mader und ihre Juristen haben gestern einen Tag lang über der SVP-Beschwerde zum Progymnasium gebrütet. Sie kamen zu keinem klaren Entscheid: "Die Sache ist äusserst komplex", sagte Mader. Zwar habe die Beschwerde grundsätzlich eine aufschiebende Wirkung. Doch nicht einmal dann sei klar, ob der Abstimmungstermin im Mai zur Zukunft des ehemaligen Progymnasiums annulliert werden müsste. Die Rechtspraxis und -lehre sage dazu sehr wenig. Zusätzlich verkompliziere die Formulierung der Beschwerde eine Entscheidung. Sie richte sich erstens gegen den Stadtratsentscheid vom 5.März. Damals verlangte das Parlament eine Variantenabstimmung, in der dem Wettbewerbssieger Doppelpunkt das Projekt Pro Progr gegenübergestellt wird. Immerhin da blickte Mader durch: "In diesem Fall ist eine Beschwerde erst gegen den Volksentscheid möglich." Aber die Beschwerde richte sich auch gegen die Abstimmungsbotschaft. Selbst dort sei die Beschwerde zu früh eingereicht worden. Sie könne erst behandelt werden, wenn die Abstimmungsbotschaft bei den Stimmberechtigten eingetroffen sei. "Das ergibt eine stossende Situation", stellte Mader fest.

In diesem Dilemma schlägt die Statthalterin der Beschwerdeführerin und der Stadt vor, das Verfahren zu sistieren. Bis am Dienstag erwartet sie deren Stellungnahme und allenfalls Vorschläge zu "vorsorglichen Massnahmen". Solche könnten etwa eine Anpassung der Abstimmungsbotschaft oder eine Absetzung der Abstimmung am 17.Mai sein.

Stadtschreiber Jürg Wichtermann "tappt nach wie vor im Dunkeln", wie er zugab. Beschwerdeführer und SVP-Stadtrat Peter Bernasconi erklärte, Maders Entscheid sei ein Manöver. Er werde ihn nicht akzeptieren. Zur Beschwerde bewogen hat ihn, dass das Siegerprojekt einer Quereinsteigerin gegenübergestellt wird, die nicht am Wettbewerb teilnahm. Zudem stört ihn, dass die beiden Projekte in der Abstimmungsbotschaft quasi als gleichwertig dargestellt werden. Die Botschaft sei lückenhaft und irreführend. Weil die Auswirkung der Beschwerde noch unklar ist, konnte Allreal als Investorin des Siegerprojekts keine Entscheidung fällen. Sie behält sich vor, ihr Engagement abzubrechen.
cab

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LAKUZ
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BZ 28.3.09

Erneut Vandalen beim Lakuz

Zerstörte Fenster, kaputter Töggelikasten: Beim autonomen Kulturzentrum

Lakuz waren schon wieder Vandalen am Werk.

Schon wieder Sachbeschädigungen beim autonomen Kulturzentrum Lakuz in Langenthal. In der Nacht auf Donnerstag wurden Fenster demoliert, Blumentöpfe umgeworfen, ein Töggelikasten beschädigt und Tische umgeworfen, wie Lakuzler Serge Wüthrich auf Anfrage berichtet.

Es ist dies der zweite Vandalenakt innerhalb von vier Tagen. Bereits in der Nacht auf letzten Sonntag hatten Unbekannte Scheiben des Lakuz-Hauses eingeschlagen. In der gleichen Nacht hatte im Porzi-Areal ein Treffen von Rechtsextremen stattgefunden. Deshalb vermuten die Lakuz-Leute, dass der Angriff von diesen Kreisen ausgegangen ist.

Auch den neuen Fall schreiben sie den Rechtsextremen zu. Sie haben eine Anzeige eingereicht. Die Lakuzler fordern die Stadt auf, Stellung gegen den Rechtsextremismus zu beziehen und "die Angriffe aufs autonome Kulturzentrum ernst zu nehmen", wie es in einer Pressemitteilung heisst.
hrh

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Berner Rundschau 28.3.09

Wieder Angriff auf Kulturzentrum

Nachdem das Lakuz - Langenthals autonomes Kulturzentrum - bereits am letzten Wochenende von Vandalen attackiert worden war, folgte in der Nacht auf Donnerstag ein erneuter Angriff. Zerstört wurden laut Serge Wüthrich, den Medienverantwortlichen des Lakuz, unter anderem weitere Fenster und der Tischfussballkasten. "Wir gehen weiter davon aus, dass es sich bei den Tätern um Rechtsextreme handelt", schreibt Wüthrich in einer Mitteilung. Das Lakuz fordert die Stadt auf, Stellung gegen Rechtsextremismus zu beziehen und die Angriffe auf das autonome Kulturzentrum ernst zu nehmen. Auch in diesem Fall wurde Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Kantonspolizei Bern bestätigt die beiden Anzeigen wegen der Vandalenakte. Die Ermittlungen seien im Gang, heisst es bei der Kapo. (tg)

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POLICE BE
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BZ 28.3.09

Berner Kantonspolizei

Die Aufstockung ist gefährdet

Die Aufstockung der Kantonspolizei droht sich wegen der Finanzkrise zu verzögern. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser jedenfalls kommt die Resolution, die der Polizeiverband gestern verabschiedet hat, gerade recht.

Gestern hat der Verband der Berner Kantonspolizisten an seiner Delegiertenversammlung eine Resolution verabschiedet. Regierungsrat und Grosser Rat werden darin aufgefordert, "die Sollbestände zeitverzugslos anzuheben, die nötigen Stellen zu bewilligen und die Rekrutierung von zusätzlichen Kantonspolizistinnen und Kantonspolizisten zu intensivieren".

Dass es im Kanton zusätzliche Polizisten braucht, scheint nicht bestritten zu sein. Im November 2007 hat der Grosse Rat eine entsprechende Motion des Präsidenten der Polizeigewerkschaft, Markus Meyer (SP, Roggwil), mit bloss fünf Gegenstimmen als Postulat überwiesen. Und dass Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) das heute rund 2300 Mitglieder zählende Polizeikorps mit 200 zusätzlichen Kantonspolizisten verstärken möchte, ist ebenfalls bekannt.

Fehlt das Geld?

 Doch nun befürchtet der Polizeiverband laut Meyer, "die Bestandeserhöhung könnte den aktuellen finanzpolitischen Problemen zum Opfer fallen". Mit der Resolution fordert er von Regierung und Grossrat "ein unverzügliches Handeln". Die aktuelle Finanzkrise dürfe keinen Grund bilden, "bei der Sicherheit in unserem Kanton Abstriche zu machen", schreibt die Polizeigewerkschaft. Und sie weist darauf hin, dass die Kantonspolizei ihren Grundauftrag im Bereich der Gerichts-, Sicherheits- und Verkehrspolizei "mangels personeller Ressourcen nicht gehörig" erfüllen könne.

"Nicht ganz unbegründet"

 Aus dem Nichts kommen die Befürchtungen des Polizeiverbands offenbar nicht. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser jedenfalls zeigte gestern Verständnis für "eine gewisse Angst", dass die Aufstockung aus finanziellen Gründen hinausgeschoben werden könnte. "Sie ist auch nicht ganz unbegründet", sagte er angesichts der Tatsache, dass sich die Regierung seit letztem November an jeder Sitzung mit der Finanzlage des Kantons befasse. Käser weiter: "Ich begrüsse die Resolution." Denn daran, dass die Polizei personell unterdotiert ist, gibt es für ihn keinen Zweifel. Wo immer er auftrete, bekomme er zu hören, dass in den Dörfern und Städten mehr Polizeipräsenz erwartet würde. "Aber die Polizei ist am Anschlag", sagt Käser.

Neue Aufgaben

Die Aufgaben der Polizei hätten in den letzten Jahren ständig zugenommen, hält auch die Polizeigewerkschaft fest. Sie erwähnt nicht nur die viel diskutierten erhöhten Einsätze im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen und Demonstrationen. Die Anforderungen seien in allen Kernbereichen stark angestiegen: Ordnungsdiensteinsätze hätten zugenommen, Ermittlungstätigkeiten seien "massiv aufwändiger" geworden. Der Bestand des Polizeikorps jedoch habe mit den neuen Aufgaben nicht Schritt gehalten.

Eine Gruppe, in der nebst der Polizei- auch die Finanzdirektion mitwirkte, hat ein Projekt zur konkreten Umsetzung der Aufstockung erarbeitet. Der Polizeidirektor will den entsprechenden Antrag demnächst der Regierung vorlegen.
Susanne Graf

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Berner Rundschau 28.3.09

Jetzt mehr Polizisten

Die Delegiertenversammlung des Polizeiverbandes Bern-Kanton (PVBK) verabschiedete gestern in Oberhofen eine Resolution an den Regierungsrat und den Grossen Rat. Darin fordert der von Grossrat Markus Meyer (Roggwil) präsidierte PVBK die Soll-Bestände der Polizei umgehend zu erhöhen und die Rekrutierung von zusätzlichen Kantonspolizistinnen und -polizisten zu intensivieren. Die 2003/04 unter dem Titel AIDA erfolgte Neuausrichtung der Kantonspolizei sei schonungslos zu überprüfen, forderte die Versammlung. Anpassungen seien zwingend. Vorstandsmitglied Jürg Lysser zu den AIDA-Schwächen im Oberaargau: "Zu wenig Leute draussen, zu viel Papierkrieg drinnen." (uz)

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Bund 28.3.09

Mehr Personal gefordert

Polizeiverband Angesichts der kontinuierlich steigenden Arbeitslast brauche es rasch eine Bestandeserhöhung für das Polizeikorps des Kantons Bern. Diese Resolution fassten die Delegierten des Polizeiverbandes am Freitag in Oberhofen. Werde der Bestand nicht erhöht, sei der Grundauftrag nicht mehr erfüllbar, erklärte Verbandspräsident Markus Meyer dazu auf Anfrage. Sowohl bei den Ordnungseinsätzen (zum Beispiel bei Sportanlässen) als auch bei der Ermittlungstätigkeit gebe es eine starke Zunahme. Der Ruf nach vermehrter polizeilicher Präsenz und Prävention erschalle schon lange. Der Bestand habe allerdings damit nicht Schritt gehalten. Die Folge des Personalmangels seien viel Überzeit, aufkumulierte Ferienguthaben und überarbeitete Polizistinnen und Polizisten. Die Erhöhung dürfe wegen der Finanzkrise nicht zurückgestellt werden. (sda)

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BOBBY NAUSE
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Bund 28.3.09

Nause will neue Ortspolizei

Stadt Bern Anfang 2008 wurde die Stadtpolizei Bern in die Kantonspolizei integriert. Die Bürger sollten alle Leistungen "aus einer Hand" erhalten, lautete der Grundsatz. Nun, ein gutes Jahr später, beschreitet der Berner Gemeinderat bereits wieder neue Wege. Als Gegenvorschlag zur FDP-Initiative, die mehr Kantonspolizisten in der Stadt Bern verlangt, will die Regierung für rund drei Millionen Franken eine eigentliche Ortspolizei schaffen. Nach dem Vorbild der britischen "Bobbies" - also unbewaffnet - sollten rund 20 Ordnungshüter künftig in der Stadt auf Fusspatrouille gehen, erklärt der neue Sicherheitsdirektor Reto Nause im Interview mit dem "Bund". (pas)

Seite 27

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Vor gut einem Jahr wurde die Stadtpolizei Bern mit der Kantonspolizei fusioniert - nun liebäugelt die Stadt wieder mit einer Ortspolizei

"Die Ortspolizei hat Zukunft"

Die Kantonspolizei musste 2008 in der Stadt Bern 9000 Stunden mehr leisten als vereinbart. Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) sieht dennoch keinen Grund für Nachzahlungen. Dafür will er rund drei Millionen Franken in eine neue Ortspolizei investieren.

Interview: Pascal Schwendener

"Bund":

Herr Nause, seit gut einem Jahr bezieht die Stadt ihre polizeilichen Leistungen vom Kanton. Es handelt sich dabei um den grössten Leistungsvertrag, den die Stadt je mit irgendeinem Partner abgeschlossen hat. Bewährte sich diese Zusammenarbeit bis anhin?

Reto Nause: Ja. Die Leistungen, die bis vor einem Jahr von der Stadtpolizei erbracht wurden, werden seither von der Kantonspolizei erfüllt. Dafür bezahlt die Stadt jährlich pauschal 28,3 Millionen Franken.

Von Anfang an gab es Kritik: Die Stadt habe zu wenig Polizei bestellt.

Die Kantonspolizei erfüllt die Vorgaben der Stadt. Details kann ich zurzeit noch nicht nennen. Aber erlauben Sie mir zwei Beispiele: Im Bereich der uniformierten, sichtbaren Polizeipräsenz wurden 65000 Stunden bestellt und rund 71000 effektiv geleistet - abzüglich der Euro-08-Einsätze notabene. Auch im Bereich der Kontrollen im Verkehrsbereich wurden die Vorgaben übertroffen. Da wurden statt 60000 tatsächlich rund 63000 Stunden geleistet.

Also leistete die Kantonspolizei mindestens 9000 Stunden mehr als vereinbart. Die Stadt wird nachbezahlen müssen.

Nein. Was in den erwähnten Bereichen zusätzlich geleistet wurde, kann die Kantonspolizei in anderen Bereichen wieder einsparen und kompensieren.

Wie sieht denn die Gesamtbilanz der geleisteten Stunden aus? Wie viele zusätzliche Stunden bleiben unterm Strich?

Es ist ärgerlich, dass die Gesamtbilanz bisher nicht ausgewiesen wird. Das Controlling lässt diesbezüglich wirklich zu wünschen übrig. Wir brauchen künftig unbedingt mehr Kennzahlen. Das ist wichtig, damit beide Vertragspartner künftig die Einhaltung des Vertrags überprüfen können.

Der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser sagt seit Monaten, dass die Stadt mehr Leistungen bezieht, als sie bezahlt. Er verlangt Nachzahlungen oder die Vertragsanpassung.

Diese Ansicht kann ich so nicht teilen. Der Vertrag ist erst ein Jahr in Kraft und wird darum sicher nicht heute und morgen wieder neu verhandelt. Bei den geleisteten Stunden gibt es eine Unschärfe. Ob 65000, 71000 oder 78000 Stunden anfallen, ist letztlich nicht relevant. Solche Schwankungen gab es immer und wird es immer geben. Erst das langjährige Mittel ist aussagekräftig. Wir brauchen also Erfahrungswerte über mehrere Jahre hinweg, um beurteilen zu können, ob der Vertrag beidseitig eingehalten wird oder angepasst werden muss.

Wenn die städtische Volksinitiative der FDP angenommen wird, muss der Vertrag aber schon bald angepasst werden.

Die Volksinitiative, die auf dem Tisch liegt und vom Gemeinderat zur Ablehnung empfohlen wird, verlangt nicht 65000, sondern 110000 Stunden uniformierte Patrouillenpräsenz der Kantonspolizei in der Stadt Bern. Wenn das Volk einen solchen Sprung wollte, wäre in der Tat klar, dass man den Vertrag neu verhandeln müsste.

 Drängt sich eine Aufstockung der Polizei nicht auf? Schliesslich ist der Bestand in der Stadt Bern seit 25 Jahren unverändert geblieben.

Der Gemeinderat hat beschlossen, einen Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten. Für die Regierung ist dabei klar, dass man Sicherheit umfassend verstehen muss. Es ist sicherlich sinnvoller, in gewissen Bereichen Mitarbeitende von Pinto oder unbewaffnete Polizisten patrouillieren zu lassen, als immer gleich bewaffnete, voll ausgebildete Polizisten auf die Strasse zu schicken. Da braucht es kreativere Ansätze.

Ansätze wie jene ihres Vorgängers? Der wollte ein sogenanntes Community-Policing einführen, bei dem Freiwillige die Polizei unterstützen.

Für den Gemeinderat ist klar, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht ausgehöhlt werden darf. Miliz- oder Bürgerpolizisten, Bürgerwehren oder freiwillige Bürgerpatrouillen lehnt er strikte ab. Sicherheit ist und bleibt eine staatliche Kernaufgabe.

Dann geht es also in Richtung "Bobby-Prinzip". Wollen Sie als Gemeinderat umsetzen, was sie als Stadtrat nicht umsetzen konnten?

Der Bobby, den man aus Grossbritannien kennt, entspricht tatsächlich meinem Idealbild eines bürgernahen Polizisten. Ausgerüstet mit Schlagstock zur Selbstverteidigung aber ansonsten unbewaffnet, leistet er gut sichtbaren und präsenten Patrouillendienst. Berner Bobbys könnten einen wichtigen Beitrag für ein gutes Sicherheitsgefühl in der Stadt Bern leisten. Der Ortspolizist in dieser Form hat meines Erachtens Zukunft . . .

. . . eine Ortspolizei? Nachdem sich das Stimmvolk eben erst für die Einheitspolizei und damit die Sicherheit aus einer Hand ausgesprochen hat?

Die Stadt bleibt trotz der Einheitspolizei für die Sicherheit verantwortlich. Im Bereich der sicherheitspolizeilichen Präventionsarbeit, die in der Regel als Patrouille erscheint, besteht deshalb eine parallele Zuständigkeit der Gemeinden und des Kantons.

Aber wie liesse sich diese Bobby-Ortspolizei überhaupt finanzieren? Über den Synergiegewinn aus der Polizeifusion, den der Gemeinderat bisher nicht in die Sicherheit investieren wollte?

Die Annahme der FDP-Initiative würde die Stadt 5,6 Millionen Franken kosten. Der Gegenvorschlag des Gemeinderats wird sicherlich günstiger sein. Aber es ist klar, dass zumindest ein Teil der 3 Millionen Franken aus dem Synergiegewinn nicht mehr in die Stadtkasse fliessen, sondern in die Sicherheit reinvestiert würde.

Mit 3 Millionen Franken liessen sich rund 20 Bobbys finanzieren.

Dazu äussere ich mich nicht. Ich kann nur sagen, dass ich mich in der Vergangenheit immer für die Reinvestition des Synergiegewinns in Frontstellen ausgesprochen habe. Heute bin ich zuversichtlich, dass das in der einen oder anderen Form auch geschieht. Die politische Stimmung lässt jedenfalls hoffen.

Das heisst?

Gemäss Städtevergleich haben wir in der Stadt Bern ja eine sehr gute Sicherheitslage. Das subjektive Sicherheitsgefühl vieler Einwohner ist jedoch ein anderes. Und das muss man ernst nehmen. Schliesslich hängt meine Lebensqualität in grossem Masse davon ab, ob ich mich in meinem Wohnumfeld sicher fühle und mich frei bewegen kann. Diese Erkenntnis hat sich in den vergangenen Monaten auch im linken politischen Lager der Stadt Bern durchgesetzt - sowohl in der Exekutive als auch in der Legislative. Eine Mehrheit scheint der Ansicht zu sein, dass wir in Bern mehr Polizeipräsenz brauchen.

Die Stadtberner zahlen schon heute vergleichsweise viel für ihre Sicherheit. Glauben Sie tatsächlich, dass sie nun noch eine Ortspolizei finanzieren wollen?

 Bernerinnen und Berner zahlen tatsächlich viel. Viel zu viel. Wer in der Stadt Bern wohnt, zahlt jährlich 231 Franken an die Sicherheit. Die Einwohner von Biel zahlen lediglich 187 Franken und jene von Thun sogar nur 88 Franken. Diese Kosten müssen im Rahmen der Lastanausgleichs-Verhandlungen unbedingt neu verteilt werden. Klar kostet die Sicherheit in der Bundesstadt etwas mehr als in anderen Städten des Kantons. Aber längst nicht alle Kosten sind hausgemacht. Denken Sie nur an all die nationalen Kundgebungen, die bei uns stattfinden.

Stichwort Kundgebungen: Seit dem Anti-SVP-Protest vom 6. Oktober 2007 scheint es, als würde jede Demonstration von einem polizeilichen Grossaufgebot begleitet.

Das kann ich so nicht bestätigen. Ich verfolge sicher nicht den Grundsatz, dass jede Kundgebung von einem polizeilichen Grossaufgebot begleitet werden soll. Vielmehr orientieren wir uns wie eh und je an der Verhältnismässigkeit. Jeder Anlass wird im Vorfeld eingeschätzt, und entsprechend dieser Analyse wird das Einsatzdispositiv gewählt. Das ist in meiner bald dreimonatigen Amtszeit gut gelungen. Sogar der eigentliche Demo-Januar ist weitestgehend ohne Sachschäden über die Bühne gegangen. Nur eines stört mich rückblickend: dass im Zusammenhang mit der Pnos-Demonstration erst Rechtsextreme und dann noch Linksautonome durch die Stadt marschieren konnten.

Sachschäden gab es im Umfeld von Sportveranstaltungen. Clubs wie YB und SCB verursachen jährlich Sicherheitskosten von 2 Millionen Franken. Sie selber bezahlen nur 120000 Franken, den Rest die Steuerzahler.

Diese Beiträge wurden im vergangenen Jahr zwischen den Vereinen und der Stadt ausgehandelt und werden in nächster Zeit nicht neu verhandelt. YB und SCB sind Botschafter Berns, die ganz wichtig sind für unser Image als Sportstadt. Wenn YB keine guten Stürmerstars mehr verpflichten kann, hat auch die Stadt Bern verloren. Die Stadt hat daher kein Interesse, in Konfrontation mit diesen Vereinen zu treten.

Aber auch Partner haben Pflichten. Das Bundesgericht hat jüngst entschieden, dass Sportvereine in der Pflicht sind, wenn es um die Sicherheitskosten geht.

Das Urteil des Bundesgerichts postuliert, dass 60 bis 80 Prozent der Sicherheitskosten den Sportveranstaltern überwälzt werden können. Das erhöht mindestens den moralischen Druck auf die Vereine, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Problem nachhaltig in den Griff zu bekommen.

Bern stellt nicht 60 oder 80 Prozent in Rechnung, sondern weniger als 10 Prozent.

Wir sind jedenfalls weit darunter. Aber noch einmal: Das Verständnis bei den Sportveranstaltern, dass sie im Sicherheitsbereich selber aktiv werden müssen, ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Im und ums Stadion sind nun weitere bauliche Massnahmen zur Fantrennung geplant. Das wird die Situation wahrscheinlich entschärfen und den Effekt haben, dass wir weniger Polizei brauchen, um die Gruppen zu trennen. Und noch eins ist mir in diesem Zusammenhang wichtig: Im Jahr 2005 stand die Polizei bei Spielen von SCB und YB 26000 Stunden im Einsatz, 2008 "nur" noch 22 000 Stunden. Ich hoffe, dass die Zahl mit den getroffenen Massnahmen weiter sinkt.

Könnte auch Videoüberwachung das Problem entschärfen helfen?

St. Gallen hat vor Kurzem eine Anlage in Betrieb genommen. Das wird man auch in Bern prüfen müssen. Der Kanton hat kürzlich die gesetzlichen Grundlagen für die Videoüberwachung des öffentlichen Raums geschaffen. Was im Moment noch fehlt, ist die entsprechende Verordnung. Die sollte im Sommer vorliegen. Danach kann die Stadt über das weitere Vorgehen für die Installation von Videokameras befinden.

Sie wollen das Projekt forcieren?

Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist ein äusserst heikles Unterfangen. Sie ist datenschützerisch delikat und ausserdem nicht ganz billig zu haben. St. Gallen hat für seine rund 40 Kameras 2,5 Millionen Franken investiert. So ein Projekt muss darum demokratisch sehr breit abgestützt sein, möglicherweise sogar über einen Volksentscheid. In St. Gallen wurde die Einführung der Videoüberwachung grossmehrheitlich angenommen. Wie die Bernerinnen und Berner dazu stehen, wird sich wohl schon bald zeigen.

"Der Bobby, den man aus Grossbritannien kennt, entspricht meinem Idealbild eines bürgernahen Polizisten."

"Stadtbernerinnen und -berner zahlen viel zu viel an die Sicherheit. Diese Kosten müssen neu verteilt werden."

"Videoüberwachung ist ein sehr heikles Unterfangen. So ein Projekt muss demokratisch breit abgestützt sein, möglicherweise sogar über einen Volksentscheid."

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BIG BROTHER
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Basler Zeitung 28.3.09

Bund verweigert bessere Kontrolle

Bundesamt für Justiz lehnt Verordnung zur Überwachung der Fachgruppe 9 ab

Philipp Loser, Christian Mensch

Um einen nächsten Fichenskandal zu verhindern, will Basel-Stadt den kantonalen Staatsschutz besser kontrollieren. In Bern hält man wenig von der Idee. Nun suchen Experten nach einem Ausweg.

Die Fachgruppe 9 (FG 9) ist der verlängerte Arm des Inlandgeheimdienstes in Basel. Der Dienst für Analyse und Prävention (DAP), so der offizielle Name der nationalen Staatsschützer, erstellt Kriterien, wer in den Kantonen zu überwachen sei, und bezahlt einen Teil der Kosten. Die in Basel gesammelten Daten werden nach Bern übermittelt und verschwinden dort in einem grossen schwarzen Loch. Zugriff von aussen auf die zentrale Datenbank Isis ist so gut wie unmöglich.

Die Kontrollmöglichkeiten der kantonalen Verwaltungsaufsicht sind beschränkt. Welche Daten gesammelt sind, bleibt etwa der parlamentarischen Oberaufsicht verborgen. "Wir sind auf die Kontrolle des Bundes angewiesen", sagt auch der neue Basler Datenschutzbeauftragte Beat Rudin, und wie der Basler Fichenskandal gezeigt habe, klappe diese Kontrolle nicht immer gut. "Es ist stossend, wenn wir die FG 9 nicht selber beaufsichtigen können", sagt Rudin.

Der Fichenskandal rund um Basler Grossräte hatte die fehlende Kontrolle vorgeführt. Die Betroffenen erhalten nur mit dem Einverständnis des DAP Auskunft. Und auch für den Kanton bleibt intransparent, welche Daten auf Kantonsgebiet erfasst werden.

Im vergangenen Jahr erarbeitete eine Gruppe um Staatsrechtsprofessor Markus Schefer deshalb eine kantonale Verordnung zum Bundesgesetz zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS), die jene Punkte verbessern sollte. Zur Diskussion stand etwa eine Verschiebung der FG 9 von der Staatsanwaltschaft ins Präsidialdepartement. Geeinigt hatte man sich schliesslich auf die Schaffung einer neuen Kommission, die gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten die FG 9 beaufsichtigen sollte. Die Basler wussten: Auch dieser Entwurf sah eine engere Kontrolle der kantonalen Staatsschützer vor, als das Bundesamt für Justiz in einem eigenen Gutachten für möglich befunden hatte.

Bis vor einer Woche war das Basler Papier zur Prüfung beim Bundesamt für Justiz, nun liegt die Antwort auf dem Tisch. Sie ist vernichtend. "Ich hatte mir eine andere Antwort erhofft", sagt Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass, der Adressat des Papiers.

Absage

Luzius Mader, Vizedirektor des Bundesamtes für Justiz, möchte die Hoffnungen der Basler auf einen besser kontrollierten Staatsschutz begraben. "Mader hat logisch und nachvollziehbar dargelegt, dass wir nichts machen können", sagt Gass. Zu den Gründen der Absage gibt es aus Bern keinen Kommentar. Ein Sprecher des Bundesamts richtet aus, es sei Sache des Kantons, darüber zu informieren.

Gass will die Antwort des Bundesamts dennoch nicht einfach auf sich beruhen lassen. In den kommenden Wochen werde er seine Experten zusammenrufen, um den Spielraum auszuloten. Der Datenschutzbeauftragte wird dabei sein, Staatsrechtsprofessor Schefer und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft. Das Anliegen von Gass bleibt das gleiche wie vor dem Brief nach Bern: "Wir müssen die Kontrolle des Geheimdienstes verbessern." Ob das mit den bestehenden rechtlichen Grundlagen überhaupt möglich ist, zweifeln in der Zwischenzeit auch die Basler Experten mehr oder weniger offen an.

Eine Möglichkeit wäre, ein Präjudiz zu schaffen und die Verordnung trotz der ablehnenden Haltung des Bundes einzuführen. Bei der ersten Kontrolle durch die neue kantonale Kommission stünde der Leiter der FG 9 vor der Alternative, entweder gegen kantonales oder gegen Bundesrecht zu verstossen. Gibt er Einblick in die Arbeit, wäre dies aus Bundessicht eine Amtsgeheimnisverletzung. In letzter Instanz müsste dann das Bundesgericht entscheiden, wie der Staatsschutz kontrolliert werden kann.

"Wahrscheinlich ist der politische Weg", sagt der Datenschutzbeauftragte Rudin. Dieser scheint erfolgversprechend, aber langwierig. Denn ein Gesinnungswandel zu mehr Transparenz ist im Gange: Vor einer Woche sprach sich der Bundesrat erstmals für ein generelles Auskunftsrecht bei allen Datensammlungen des Bundes aus. Dies in einer Antwort auf eine Motion der Baselbieter Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (SP). Dass sich das Bundesamt für Justiz nun trotz diesem Signal des Bundesrates so ablehnend zur Basler Verordnung äussere, erstaune sie, sagt Ständerätin Anita Fetz (SP), die sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. "Ich habe mehr erwartet."

Präzedenzfall

Fetz bietet Gass ihre Unterstützung an. Der Fall gehe nämlich über Basel-Stadt hinaus. "Diese neue Regelung der Staatsschutzkontrolle hat Präzedenzcharakter für die ganze Schweiz", sagt Fetz. In den anderen Kantonen gebe es die gleiche Problematik. Nur fehlten dort jene unschuldig Betroffenen, deren Daten beim Inlandgeheimdienst gelandet seien. Oder vielleicht wissen sie es einfach noch nicht.

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STREIK-PROZESS
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Basler Zeitung 28.3.09

18 Verurteilungen und vier Freisprüche

Allpack-Prozess. Im Prozess gegen die Allpack-Streikenden von 2003 wurden gestern in Liestal die Urteile gesprochen. Dabei wurden neun Angeklagte wegen Hausfriedensbruch, vier wegen Nötigung und fünf wegen beidem schuldig gesprochen. Vier Angeklagte erhielten einen Freispruch. Die Gewerkschaft Comedia sprach von einem "Skandal-Urteil". Mit Appellation ist zu rechnen. > Seite 33

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Milde Urteile im Allpack-Prozess

18 von 22 Angeklagten wurden schuldig gesprochen, doch die Strafen sind nicht vollziehbar

Thomas Gubler

Das Strafgericht Baselland hat gestern 18 Angeklagte im Allpack-Prozess schuldig- und vier freigesprochen. Als Höchststrafen wurden bedingte Geldstrafen von drei Tagessätzen verhängt. Die Gewerkschaft spricht von einem "Skandalurteil".

Weder mit Solidaritätskundgebungen noch mit brillanten Plädoyers lässt sich vor Gericht ein Freispruch erzwingen. Insbesondere dann nicht, wenn dieser der bundesgerichtlichen Rechtssprechung zuwiderlaufen würde. So wurde der gestrige Tag zur Enttäuschung für jene, die im Allpack-Prozess einen kollektiven Freispruch für alle Angeklagten erwartet hatten. Denn dieser blieb aus, eben weil ein neuer Bundesgerichtsentscheid in Sachen Streik und Nötigung vorliegt.

Von einem "Verknurren" der Angeklagten kann aber nicht die Rede sein. Immerhin wurden vier der 22 Angeklagten wirklich freigesprochen, entweder weil sie wie SP-Landrätin Eva Chappuis keine Straftat begangen hatten, oder weil sie auf den Bildern, die dem Strafgericht vorlagen, nicht erkennbar waren.

Für 18 Angeklagte, vorwiegend Gewerkschaftsaktivisten, endete das Verfahren aber mit Schuldsprüchen: für neun wegen Hausfriedensbruchs, für vier wegen Nötigung und für fünf wegen beidem. Dafür blieben die ausgesprochenen Geldstrafen - die höchste liegt bei drei Tagessätzen bedingt - schon fast im symbolischen Bereich. Und weil die beurteilten Ereignisse schon über fünf Jahre zurückliegen, war für Gerichtsvizepräsident Christoph Spindler eine Verletzung des Beschleunigungsgebots offensichtlich, weswegen die Strafe bereits als verbüsst gilt. "Fünfeinhalb Jahre für die Abwicklung dieses Verfahrens - das ist schlicht eine Frechheit", sagte Spindler.

Nötigung

Zur Beurteilung standen nur die Ereignisse vom Nachmittag des 1. Dezember 2003, als die Polizei Streik und Blockade bei der Allpack AG in Reinach auflöste. Wegen etwas anderem wurde nicht geklagt. Und wegen Nötigung verurteilt wurde nur, wer damals an der Menschenkette beteiligt war, die den Arbeitswilligen den Zugang zum Firmeneingang versperrt hatte, und auf den Bildern erkennbar war.

Zwar sei durch das Streikrecht, so Spindler, nicht nur die Arbeitsniederlegung allein geschützt, sondern auch die Information der Arbeitswilligen und der Öffentlichkeit. Gemäss Bundesgericht dürfen die Arbeitswilligen aber nur "mit verbalen Argumenten überzeugt werden", sagte der Richter. Wer dabei Gewalt anwende - und darunter falle nicht nur die Brachialgewalt - verletze das Grundrecht der Arbeitswilligen, am Streik nicht teilzunehmen, und nötige diese. "Dabei ist es irrelevant, ob der Streik arbeitsrechtlich gerechtfertigt ist oder nicht", sagte Spindler.

Hausfriedensbruch

Weniger Probleme bereitete dem Gericht der Tatbestand des Hausfriedensbruchs. Damit ein solcher begangen werden könne, müsse laut Spindler eine Einfriedung "nicht lückenlos, aber erkennbar" sein. Das sei beim Allpack-Zugang der Fall. Verurteilt wurden aber nur die Aktivisten, welche nach der Aufforderung des Polizeikommandanten, das Terrain zu verlassen, dort verblieben waren und an der Eingangsblockade teilgenommen hatten. "Wer sich nur vorher dort aufhielt oder nicht erkennbar war, wird freigesprochen", sagte Spindler in seiner mündlichen Begründung.

Die Schadenersatzforderung der Allpack in der Höhe von 820 000 Franken wurde auf den Zivilweg verwiesen.

Die Urteile dürften indessen kaum schnell rechtskräftig werden. Die Gewerkschaft Comedia sprach gestern von einem "Skandalurteil" und "willfährigen Richtern". Mit einer Appellation der verurteilten Gewerkschafter ist unter diesen Umständen zu rechnen.

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Kommentar

Ein differenziertes Urteil

Thomas Gubler

Mit dem Urteil von Einzelrichter Christoph Spindler dürften weder die Gewerkschaften noch der Allpack-Eigner zufrieden sein. Doch gerade die beidseitige Unzufriedenheit könnte in diesem Fall zum Gütesiegel des Richterspruchs werden. Unbeeindruckt von Solidaritätskundgebungen vor dem Gerichtsgebäude hat der Richter nach strengen prozessualen Regeln und getreu der aktuellen bundesgerichtlichen Praxis ein Urteil gefällt, das durch seine Differenziertheit besticht. Da wurde jeder einzelne der 22 Fälle unter die Lupe genommen und beurteilt. Wem eine Beteiligung nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte, erhielt einen Freispruch. Von kollektiver Abstrafung keine Spur. Doch auch der von den Gewerkschaften angepeilte kollektive Freispruch war so nicht zu haben. Das ist weder ein Skandal, noch sind die Richter deswegen willfährige Erfüllungsgehilfen der Unternehmer, wie die Gewerkschaft Comedia glauben machen will.

Richter können kein Recht setzen. Sie haben das Gesetz anzuwenden. Und solange keine gesetzlichen Ausnahmen bestehen, können mit Strafe bedrohte Tatbestände wie Nötigung und Hausfriedensbruch nicht mit blossem Hinweis auf das Streikrecht ausser Kraft gesetzt werden. Das kann zweifellos zu Schwierigkeiten bei dessen Ausübung führen. Ratschläge des Bundesgerichts, Streikbrecher seien verbal zu überzeugen, sind praxisfremd und daher wenig hilfreich. Gefordert ist dagegen Fingerspitzengefühl. Und diesbezüglich schnitt das Strafgericht gestern nicht schlecht ab.

 thomas.gubler@baz.ch

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Basellandschaftliche Zeitung 28.3.09

Freispruch für Eva Chappuis

Die SP-Landrätin wurde im Prozess um den Allpack-Streik freigesprochen

Das Strafgericht Liestal hat gestern Nachmittag im Allpack-Prozess um den Streik bei der Reinacher Verpackungsfirma Allpack 19 Personen zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Alle Tagessätze und Bussen wurden wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots sistiert. Vier Streikende wurden freigesprochen, darunter auch die SP-Landrätin und Vizepräsidentin des Baselbieter Gewerkschaftsbundes, Eva Chappuis. Das Gericht hielt fest, dass Arbeiter mit Nötigungsmitteln an ihrer freien Willensbekundung gehindert worden seien. Das Gericht kritisierte die Arbeit der Untersuchungsbehörde. Die Anklageschrift sei zu wenig präzis. Zudem habe das Verfahren zu lange gedauert.

Die Mediengewerkschaft comedia bezeichnete den Gerichtsentscheid in einer Mitteilung als Skandal; die geringen Gewerkschaftsrechte würden von der Justiz ignoriert. Die Verurteilungen wegen Nötigung seien inakzeptabel. Comedia werde nach Vorliegen des schriftlichen Urteils über einen Weiterzug entscheiden. (ap) Seite 17

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Keine vollziehbaren Strafen für Allpack-Streikende

Untersuchung hat zu lange gedauert, Strafen werden durch die Verletzung des Beschleunigungsgebotes kompensiert

Die 22 Angeklagten im Allpack-Prozess sind zwar mehrheitlich verurteilt worden, aber die Strafen sind nicht mehr vollziehbar.

Rolf Schenk

Vier der 22 Angeklagten im Prozess um den Allpack-Streik im Dezember 2003 sind gestern von Strafgerichts-Vizepräsident Christoph Spindler völlig freigesprochen worden. Fünf hat er wegen Nötigung und Hausfriedensbruchs, vier nur wegen Nötigung und neun wegen Hausfriedensbruchs zu geringfügigen Geldstrafen von höchstens drei Tagessätzen verurteilt. Auf die per Strafbefehl ausgesprochenen Bussen hat er völlig verzichtet und die Verfahrenskosten und Urteilsgebühren werden ganz (bei den Freigesprochenen) oder zur Hälfte von der Staatskasse übernommen. Die Schadensersatzforderungen der Allpack AG von rund 820 000 Franken hat er auf den Zivilweg verwiesen.

Die Strafen selbst haben für die Verurteilten keine weiteren Folgen, weil sie durch gleichwertiges staatliches Fehlverhalten kompensiert worden sind. Mit anderen Worten: Die Trödelei der Untersuchungsbehörden, die statt Beweismittel zu sichern Verfahrensfragen diskutiert haben, hat zur Verletzung des Beschleunigungsgebotes geführt.

 Angefangen hat dies schon mit der Befangenheitserklärung des damaligen Arlesheimer Bezirksstatthalters. Er war als Landratskollege der mitangeklagten (und jetzt freigesprochenen) SP-Landrätin Eva Chappuis in den Ausstand getreten und hatte gleich das ganze Amt für befangen erklärt. Danach dauerte es bis zu den ersten Einvernahmen des nun zuständigen Statthalteramtes Liestal über drei Jahre. Inzwischen liegt die Angelegenheit mehr als fünf Jahre zurück. Da sei es "einfach eine Frechheit, jemanden noch für Hausfriedensbruch zu belangen, hielt Einzelrichter Christoph Spindler in seiner Urteilsbegründung unmissverständlich fest.

 Er sparte auch nicht mit Vorwürfen an die Untersuchungsbehörden und die Staatsanwaltschaft, die keine gesonderten Anklageschriften vorgelegt hatte. So habe sich das Gericht auf die Vorfälle der im Strafbefehl geschilderten Stunde zwischen 15.30 und 16.30 Uhr an diesem 1. Dezember 2003 beschränken müssen, die lediglich einen kleinsten Bruchteil des einwöchigen Streiks (bz vom 24. und 26. März) umfasst habe.

 In der Sache selbst zeigte sich Christoph Spindler eben so klar: Das garantierte Streikrecht schütze nur die Arbeitsniederlegung, darum werde unter diesem Titel nicht einfach jeder Tatbestand als Kampfmittel anerkannt. Gewaltanwendung erfülle den Tatbestand der Nötigung. Ihr Mass sei unerheblich; auch wer "bloss" mit einer Menschenkette den Zugang für Dritte sperre, wende Gewalt an. Verursacher von "Exzessen" müssten jedoch vom Staat zur Rechenschaft gezogen werden. Auch das sei in diesem Falle gegeben gewesen, weil die Streikenden der Aufforderung der Polizei, das Gelände zu verlassen, keine Folge geleistet hätten. Darum habe die Polizei zu Recht eingegriffen, erklärte der Vorsitzende.

 Für ihn blieb auch unverständlich, warum sich die Streikenden nicht einfach auf den nur wenige Meter entfernten öffentlichen Grund zurückgezogen haben. Dort wären sie unbehelligt geblieben, hielt Christoph Spindler in seiner Begründung fest.

 Im Falle von Landrätin Chappuis, die nach ihren eigenen Aussagen "nur daneben gestanden" ist, würden weitere Begründungen für die ihr vom Staatsanwalt zur Last gelegte "psychische Unterstützung" fehlen, die den Tatbestand der Beihilfe erhärten würden. "Daneben gestanden sind noch viele", meinte Christoph Spindler. An sie gewandt hielt er jedoch auch fest, dass es nicht zulässig gewesen sei, dass sie als Landrätin bereits im Vorfeld der Verhandlung Freisprüche gefordert habe.

 An die Adresse der Gewerkschafter betonte er zwar, dass sie sich mit der physischen Hinderung Arbeitswilliger, die Allpack zu betreten, eines Rechtsbruches schuldig gemacht haben. Aber dies sei nur die halbe Wahrheit: "Selbstverständlich gehört auch die Information und die Suche nach Mitstreitern im Arbeitskampf mit dazu", erläuterte der mit Umsicht argumentierende Gerichtspräsident.

 Sie hätten aber den Entscheid eines Arbeitswilligen ebenfalls zu akzeptieren, wie das bereits in den 80er Jahren in einem deutschen Gerichtsurteil festgehalten worden sei, fügte Christoph Spindler bei.

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20min.ch 27.3.09

Busse und "Begnadigung" im Allpack-Prozess

Im Allpack-Prozess in Liestal sind 18 Gewerkschaftsmitglieder zwar zu Geldstrafen verurteilt worden. Die Strafen werden wegen des viel zu langen Verfahrens aber nicht vollzogen. Vier Angeklagte wurden zudem freigesprochen.

Die verurteilten Gewerkschaftsaktivistinnen und Aktivisten wurden vom Strafgericht Baselland am Freitag wegen Nötigung oder Hausfriedensbruchs verurteilt. Die höchste der ausgesprochenen Geldstrafen beträgt drei Tagessätze. Das Gericht entschied jedoch, dass von den Strafen Umgang genommen wird.

Grund ist, dass die Untersuchung verschleppt worden sei, sagte der Gerichtspräsident in der mündlichen Urteilsbegründung. Dass seit dem Allpack-Streik inzwischen fünfeinhalb Jahre vergangen seien, sei "schlicht und einfach eine Frechheit". Er rügte scharf die Statthalterämter, die an der Untersuchung beteiligt waren.

Streik im Jahr 2003

Die 22 Angeklagten mussten sich wegen ihrer Beteiligung an Streikaktionen in der Verpackungsfirma Allpack in Reinach BL im Jahr 2003 verantworten. Auslöser des neuntägigen Streiks waren Änderungskündigungen gewesen, mit denen der Direktor der Allpack Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durchsetzen wollte.

Am 1. Dezember ging die Polizei gegen Streikposten vor, die vor dem Eingang zum Unternehmen eine Menschenkette bildeten. Rund 30 Personen wurden festgenommen. Die 22 Angeklagten erhielten in der Folge einen Strafbefehl, zumeist wegen Nötigung und Hausfriedensbruch; sie zogen den Fall aber ans Gericht weiter.

Der Verteidiger der 15 Männer und 7 Frauen hatte sich in seinem Plädoyer auf das Streikrecht berufen. Der Prozess in Liestal wurde von Kundgebungen am Prozessbeginn am Mittwoch sowie am Donnerstagabend in Liestal begleitet.
Quelle: SDA/ATS

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TIGRIS
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NZZ 28.3.09

Nötige Koordination von Sondereinheiten

Unablässige Diskussionen um die polizeiliche Einsatzgruppe "Tigris"

 Die Diskussionen um die polizeiliche Einsatzgruppe "Tigris" sind immer noch nicht verebbt. Diese Bundeseinheit wird nicht für Hochrisiko-Aktionen wie beispielsweise Geiselnahmen eingesetzt.

 Lz. Seit gut einer Woche steht die im Bundesamt für Polizei (Fedpol) eingegliederte Einsatzgruppe "Tigris" in den Schlagzeilen. Berichte der "Weltwoche" liessen den Eindruck entstehen, dass es sich bei dieser Polizeitruppe mit einem Bestand von 14 Personen um den klandestin aufgebauten Nukleus einer Bundessicherheitspolizei handle. Damit wurden Emotionen geschürt. Denn einen solchen Verband hatte der Souverän 1978 in einer Volksabstimmung abgelehnt. Unter diesem Vorzeichen stösst praktisch jeder noch so kleine Ansatz zur Bildung zentraler Polizeistrukturen auf Bundesebene auf Opposition. Bemängelt wurde unter anderem jedoch auch, dass nur Polizeikommandanten, nicht aber die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren darüber ins Bild gesetzt worden waren. In Erinnerung an die Widerstandsorganisation P-26, die ungerechtfertigterweise verdächtigt wurde, auch für Staatsschutzaufgaben eingesetzt zu werden, werden im Übrigen alle öffentlich wenig bekannten militärischen und polizeilichen Organe mit Argwohn betrachtet.

 Keine Hochrisiko-Einsätze

 Der Aufbau der Einsatzgruppe "Tigris" vor rund fünf Jahren stützt sich unter anderem auf die Bundesstrafprozessordnung und das Rechtshilfegesetz. Im Gegensatz zum verdeckten Budget der streng geheimen P-26, das über Positionen des damaligen Oberkriegskommissariats abgewickelt wurde, ist der Haushalt von "Tigris" nicht geheim. Der Totalaufwand betrug letztes Jahr etwas weniger als 2,7 Millionen Franken. Diese Truppe ist keine Interventionseinheit für Hochrisiko-Einsätze wie beispielsweise Geiselnahmen oder Anti-Terror-Operationen. Für solche sind Spezialkräfte der Polizeikorps von Kantonen und grösseren Städten vorgesehen.

 So gesehen verfügen die "Tigris"-Polizisten, die ebenfalls für Zielfahndungen und die Waffenausbildung im Fedpol eingesetzt werden, zwar über Maschinenpistolen und Vorderschaft-Repetierflinten. Im Gegensatz zu eigentlichen Interventionseinheiten sind sie aber beispielsweise nicht mit Präzisionsgewehren und Sprengstoff ausgerüstet. Die Polizisten werden in Zusammenarbeit mit den Observationsgruppen der Bundeskriminalpolizei für Verhaftungen im sogenannt niederschwelligen Bereich eingesetzt, wobei gefährliche Situationen nicht ausgeschlossen werden können. Von einer Einheit vom Zuschnitt der GSG 9 der deutschen Bundespolizei kann dennoch nicht gesprochen werden. Im Rahmen des internationalen Polizei-Netzwerks bestehen aber auch zu dieser Truppe Kontakte.

 Man hat sich mit Orientierung begnügt

 In diesem Sinne wird "Tigris" vom Fedpol nicht als mit den Spezialkräften der Kantonspolizeien konkurrierende Organisation aufgefasst. Im Gegenteil: Mit dem Ziel, deren Sondereinheiten nicht jederzeit für kleinere Aktionen in Anspruch nehmen zu müssen, entschied man sich im Fedpol, "Tigris" unter Leitung des damaligen Chefs der Bundeskriminalpolizei und künftigen Kommandanten der Schaffhauser Polizei, Kurt Blöchlinger, aufzustellen. Deshalb begnügte man sich mit einer Orientierung der Polizeikommandanten. Diese haben aber jederzeit Gelegenheit, die Ausbildung von "Tigris" mitzuverfolgen.

 Überdies werden mit den Kantonen gemeinsame Schulungskurse durchgeführt. Und dem Vernehmen nach hat auch ein kantonaler Polizeioffizier einmal einen Echteinsatz unter Einbezug von "Tigris" selbst geleitet. Gemäss einer Weisung werden die Kantone über jede Operation auf ihren jeweiligen Hoheitsgebieten orientiert. Offensichtlich beurteilten die Kantonspolizeikommandanten "Tigris" nicht als Eingriff in die kantonale Polizeihoheit. Andernfalls hätten sie wohl nicht gezögert, ihre jeweiligen Regierungsräte unverzüglich ins Bild zu setzen.

 Koordination drängt sich auf

 Dennoch stellt sich eine Frage: Zurzeit unterhalten nicht nur Kantone und grosse Städte, sondern auch die Militärische Sicherheit und das Grenzwachtkorps Formationen für Spezialeinsätze. Und in der Armee wird das Armee-Aufklärungsdetachement 10 für schwierige Missionen im Ausland bereitgehalten. Moderne Bedrohungsformen verlangen solche Sondereinheiten. Eine Koordination dieses Instrumentariums bezüglich Aufgabenfeldern, Einsatzdoktrin und Kooperationsmodellen drängt sich aus föderalistischen Überlegungen und nicht zuletzt auch aus Kostengründen auf.

 Wenn ein Sicherheitsdepartement geschaffen worden wäre, wäre dies heute eine relativ einfache Sache. Auch wenn personelle Zusammensetzung und spezielle Einsatzverfahren geheim gehalten werden müssen, sind Politik und Öffentlichkeit künftig besser zu informieren, als dies bis jetzt der Fall ist. Nur dann lassen sich übertriebene Aufregungen vermeiden.

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Le Matin 28.3.09

Des tigres ou des clowns?

Police fédérale

Nouvelles révélations sur les opérations menées par Tigris, le groupe d'élite. Et déjà une grosse interrogation: a-t-on vraiment besoin d'une police surentraînée pour ça?

Il y a trois semaines, personne ne savait qu'ils existaient. Depuis, les médias enchaînent les révélations sur les membres de Tigris, le groupe d'élite de la police fédérale. Ils sont 14 et bénéficient d'un budget de près de trois millions de francs par année pour s'entraîner dans un local secret situé dans la banlieue bernoise. La plupart d'entre eux se tatouent un tigre sur l'épaule, le sigle de l'unité spéciale. Bref, ils sont surentraînés.

Et vu le secret qui règne autour d'eux, tout le monde s'est mis à imaginer un supergroupe d'intervention. Un peu à la GIGN en France. Après tout, la sécurité intérieure est du ressort des cantons, il ne reste à la Confédération que les cas de grand banditisme international, de blanchiment d'argent ou de terrorisme.

Pourtant en 2008, les Tigris ont effectué 40 arrestations. Et depuis leur création, il y a cinq ans, ils ont mené plus de 130 opérations. Ils doivent être drôlement efficaces, ces Tigris…

Mais voilà, hier le Tages-Anzeiger révélait leurs véritables missions: l'arrestation d'une handicapée mentale allemande, ou, à Vevey le 6 mars dernier, celle de Gerhard Ulrich, le fondateur d'Appel au peuple condamné à 46 mois de prison en juillet 2007 et entré en clandestinité depuis, d'un criminel en col blanc et d'un dealer en fuite… A la lecture de ces exploits, une nouvelle question s'impose: a-t-on vraiment besoin d'une police fédérale surentraînée pour ce genre de missions alors que les polices cantonales pourraient très bien s'en occuper?

"Je suis très sceptique", explique dans les colonnes du journal zurichois Karin Keller-Sutter, la très influente directrice du Département saint-gallois de justice. Elle ajoute: "On peut se demander s'il est judicieux que la Confédération intervienne dans de tels cas. "

Doublon avec la police

Maria Roth-Bernasconi (PS/GE), vice-présidente de la Commission de gestion qui doit justement s'occuper de cette question, ne peut retenir un "pff" en découvrant la liste des interventions de Tigris. Elle se demande: "N'y a-t-il pas, de toute évidence, doublon entre Tigris et les polices cantonales? L'argent du contribuable doit-il vraiment servir à ça?"

Objectifs internationaux

Même au sein de la police, Tigris étonne. "Nous sommes bien loin du GIGN", confirme un policier spécialisé. Il préfère rester anonyme, mais il n'en pense pas moins: "S'ils étaient superbons et qu'ils avaient des compétences supérieures à celles des polices cantonales, ça se saurait. "

Pourtant, les polices cantonales ont, par exemple, pensé à regrouper leurs tireurs d'élite. Autrement dit: une structure fédérale superspécialisée aurait sa raison d'être. "Oui, commente le policier, mais alors, dotons-nous d'une vraie force de frappe spécialisée. Pas d'une unité ridicule composée de 14 personnes. Je vous signale que tous les groupes d'élite des polices cantonales possèdent plus d'hommes. "

Du côté du Département fédéral de justice, Guido Balmer répète en boucle que Tigris remplit des objectifs internationaux "qui ne sont pas affectés à un canton". Eveline Widmer-Schlumpf a bloqué toute information en attendant les résultats de l'enquête sur les activités de cette unité. Hier, pourtant, elle a reçu une partie des directeurs cantonaux de Justice et Police pour les informer sur Tigris. La conseillère d'Etat vaudoise, Jaqueline de Quattro, lâche: "Je n'étais pas au courant de leur existence, ni de leur intervention à Vevey lors de l'arrestation de Gehrard Ulrich. Mais la police judiciaire fédérale s'organise comme elle veut, je ne vois pas le problème. "

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Thurgauer Zeitung 28.3.09

Thurgau fordert Grenzen für Sonderpolizei Tigris

Marc Haltiner

Die umstrittene Sonderpolizeieinheit des Bundes brauche einen klaren Auftrag, verlangt Regierungsrat Claudius Graf-Schelling. Tigris dürfe nur kriminalpolizeiliche Aufgaben erfüllen. Alles andere falle in die Kompetenz der Kantone.

Frauenfeld/Bern - In Bern ist das Justiz- und Polizeidepartement fieberhaft daran, die gesetzliche Grundlage für die umstrittene Sonderpolizeieinheit Tigris abzuklären. Die Wochenzeitung "Weltwoche" hatte die Existenz dieser 14-köpfigen Truppe des Bundes enthüllt, die ohne politischen Auftrag, mit Millionenbudget und ohne parlamentarische Aufsicht operiere. Wie stark Bundesrat und Kantone über die Gründung von Tigris orientiert waren, ist ebenfalls umstritten und wurde im Lauf dieser Woche immer wieder unterschiedlich kommentiert.

Keine Sicherheitspolizei

Die Polizeikommandanten seien im Herbst 2005 informiert worden, bestätigt nun Regierungsrat Claudius Graf-Schelling. Er selber habe keine Probleme mit Tigris, solange die Gruppe kriminalpolizeiliche Aufgaben wahrnehme und die Kantone bei der Fahndung unterstütze. Klar sei aber, dass allein die Kantone für die Sicherheitspolizei und für Schutzaufgaben zuständig seien. Es sei falsch, wenn sich Tigris zu einer eigentlichen Eingreiftruppe entwickle. In solchen Fällen müsse der Bund auf die Spezialeinheiten der Kantonspolizei zurückgreifen.

Graf-Schelling will sich auch auf politischer Ebene für die Kantone stark machen: Der Bund habe auf Fachebene zu stark in deren Hoheit eingegriffen. Leise Kritik übt er an der Bundeskriminalpolizei. (hal) lSeite 11

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"Kein Eingreifen über das Hintertürchen"

Marc Haltiner

Die Forderung des Justiz- direktors ist deutlich: Tigris, die umstrittene Sonderein-satztruppe der Bundespolizei, dürfe die Rechte der Kantone nicht antasten, sagt Claudius Graf-Schelling.

Seit Tagen steht Tigris, die Sonderein-satztruppe der Bundespolizei, in der Kritik. Wie stark waren die Kantone wirklich darüber im Bild?

Claudius Graf-Schelling: Den Polizeikommandanten wurde im Herbst 2005 das Kommissariat Allgemeine Vorermittlung, Zielfahndung, Ersatzmassnahmen, genannt Tigris, vorgestellt. Dabei wurde betont, dass es sich nicht um eine Interventionseinheit analog derjenigen der Kantone handle. Eine kriminalpolizeiliche Zielfahndungs- und Eingreiftruppe war nach Ansicht der Polizeikommandanten zweckmässig und bedurfte deshalb auch nicht der weiteren Erörterung.

Was stört Sie an Tigris? Diese kleine Einheit mit 14 Personen könnte wertvolle Unterstützung leisten.

Solange es sich bei Tigris um eine kriminalpolizeiliche Zielfahndungsgruppe handelt, stört sie mich nicht. Es kann sinnvoll sein, dass die Bundeskriminalpolizei über eine Festnahmegruppe verfügt, die im öffentlichen Raum eine Festnahme bei einem erhöhten Gefährdungspotenzial oder einen Notzugriff in einem Objekt durchführen kann. Falsch wäre es aber, wenn sich Tigris zu einer eigentlichen Interventionseinheit entwickeln würde. Denn die sicherheitspolizeiliche Arbeit ist eine kantonale Aufgabe. Bedingt das Gefahrenpotenzial den Zuzug einer Spezialeinheit, so hat die Bundeskriminalpolizei die vorhandenen Spezialeinheiten der Polizeikorps beizuziehen, im Thurgau wäre das die Spezialeinheit Leu der Kantonspolizei.

Der Bund will mit Tigris eine Lücke schliessen, weil die Polizeikorps der Kantone schwach dotiert sind.

Diese Feststellung ist falsch. Es geht nicht um eine Lücke. Wenn es personalintensive Aufgaben gibt, die die Kantone regeln müssen, dann suchen sie das Gespräch untereinander und unterstützen sich gegenseitig mit Polizeikräften. Der Thurgau erhielt bis jetzt keine Anfrage anderer Kantone, die über die Einsätze im Rahmen der Polizeikonkordate hinausging, Grossereignisse wie die Euro 08 abgesehen. Aber selbstverständlich hätten wir Hand zur Hilfe geboten.

Wird Tigris ein Nachspiel im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen haben? Der Bund überging ja offensichtlich die Kantonsregierungen.

Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf hat in Aussicht gestellt, die Legitimation und die Notwendigkeit der Tigris untersuchen zu lassen. Nun sind die Ergebnisse der Untersuchung abzuwarten und dann die politische Beurteilung zu ziehen. Generell möchte ich in diesem Zusammenhang Folgendes festhalten: In den letzten zwölf Monaten musste ich immer wieder feststellen, dass Bundesorgane auch auf dem Weg der Fachebene mit den Kantonen kommunizieren und die politischen Gremien der Kantone ausser Acht gelassen werden. Ich monierte das auch im Vorstand der kantonalen Justizdirektorenkonferenz. Der Bund darf nicht auf dem Hintertürchen in die Hoheit der Kantone eingreifen.

Der Bund erhält immer mehr Rechte in der Strafverfolgung. Dieser Trend lässt sich doch nicht mehr aufhalten.

Ich glaube nicht, dass der Bund in diesem Bereich so schnell alleine zuständig wird. Die Bundeskriminalpolizei hat immer noch so viele Probleme mit sich selbst, dass ich keine Gefahr für die Kompetenzen der Kantone sehe. Das zeigt ja auch, wie wichtig noch immer die Arbeit der Kantonspolizei und der kantonalen Strafverfolgungsbehörden ist. Die Kantone werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen.
Interview: Marc Haltiner

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24 Heures 28.3.09

A quoi sert l'unité "secrète" Tigris? À arrêter Gerhard Ulrich à Vevey

Police - Que fait l'unité d'intervention de la police fédérale? On commence à y voir plus clair.

Gerhard Ulrich a été arrêté par Tigris. C'était le 6 mars dernier à Vevey. Le fondateur d'Appel au peuple, condamné pour calomnie et en cavale depuis de longs mois, a été appréhendé par le groupe d'engagement de la police judiciaire fédérale (PJF), connu sous le nom de Tigris. Comme l'a révélé le Tages-Anzeiger hier, c'est la dernière mission recensée de cette troupe d'élite de 14 membres, dont des femmes, qui totalise 130 interventions depuis sa création en 2003.

En Suisse romande, on trouve une autre trace de Tigris: en mars 2004, ces enquêteurs interviennent à Lausanne pour interpeller - "avec ménagement", dit le communiqué - une ressortissante allemande "souffrant d'une forte déficience mentale" qui avait "fugué". Selon la procédure d'usage, les interventions de Tigris, dont on commence peu à peu à saisir le rôle, se déroulent toujours avec la collaboration des forces de l'ordre locales. Dans le cas de Gerhard Ulrich, avec la police cantonale vaudoise. Dans celui de la "fugueuse", avec la police lausannoise.

Une "non-affaire"

Révélée il y a quinze jours par la Weltwoche, l'existence de cette unité "secrète" ne cesse d'intriguer. Fedpol (police fédérale) a depuis lors expliqué qu'elle n'était en rien une police secrète comme d'aucuns s'en sont inquiétés. Son budget est connu (2,8 millions), son travail s'inscrit dans l'organigramme de Fedpol. Cependant, les parlementaires fédéraux ont pris conscience de son existence par la presse et la ministre de Justice et police (DFJP), Eveline Widmer-Schlumpf, a ordonné une enquête pour faire la lumière sur ses activités.

Pour le communicateur du DFJP, Guido Balmer, tout cela relève de la non-affaire. Et d'expliquer que les hommes de Tigris interviennent dans trois cas de figure. La recherche ciblée, pour retrouver sur le territoire suisse des personnes sous mandat d'arrêt international (c'était le cas pour Gerhard Ulrich, aussi sous enquête en Allemagne). Pour la protection de leurs collègues de la PJF, notamment lors des perquisitions. Ces derniers sont, pour la plupart, des juristes ou des économistes. Leur activité est davantage "de bureau que de terrain", glisse Guido Balmer. Enfin, les membres de Tigris s'occupent aussi de formation, spécifiquement de l'instruction au tir pour leurs collègues qui doivent porter une arme.
Xavier Alonso Berne

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GIPFEL-SOLI-NEWS 27.3.09
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27.3.2009 London -- Strasbourg/ Baden-Baden

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