MEDIENSPIEGEL 28.3.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Progr: Vertagung und Verwirrung
- Erneuter Angriff auf LaKuz
- Zoff um Aufstockung Police BE
- Nause will Bobbies
- Big Brother FG9: BAJ vs BS
- Allpack-Streik-Prozess: Bussen und Freisprüche
- Tigris und kein Ende
- Gipfel-Soli-Newsletter 27.3.09
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REITSCHULE
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Sa 28.03.09
20.30 Uhr - Tojo - Die Seifin und der
Dreck Objekt-Tanz-Theater von Cécile Keller
21.00 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: Das verordnete Geschlecht, O.
Tolmein und B. Rothermund, Deutschland 2001
22.15 Uhr - Kino - Filmreihe Intersexualität: Die Katze wäre eher ein Vogel ...,
M. Jilg, Deutschland 2007
22.00 Uhr - Dachstock - Techstock IV:
Traumschallplatten Nacht mit: Piemont (D), Bukaddor & Fishbeck (D),
Triple R (D) Support: Bud Clyde (Festmacher), Coleton (live), 2nd
Floor: Frango (Sirion/BE), Brian Python, Racker, Minimalist
(Festmacher) Techno/Minimal/House
So 29.03.09
18.00 Uhr - Rössli - Piano-Bar
Infos: www.reitschule.ch
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PROGR
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Bund 28.3.09
Entscheid über Progr vertagt
Mader hat entschieden, vorläufig nicht zu entscheiden. Bernasconi
(svp): Das sei Taktik.
Joel Weibel
Die Beschwerde von SVP-Stadtrat Peter Bernasconi gegen die
Stadtrats-Beschlüsse in Sachen Progr wird von
Regierungsstatthalterin
Regula Mader infrage gestellt. Die Beschwerde richtet sich dagegen,
dass es zur Zukunft des Progr zu einer Variantenabstimmung kommen soll.
Gleichzeitig führt Bernasconi Beschwerde gegen die
Abstimmungsbotschaft.
Mader hält in einer gestern Abend veröffentlichten
Verfügung fest, dass
der Beschwerde grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukäme.
Allerdings
hat sie die Abstimmung nicht aufgeschoben. Denn Mader schreibt, dass
Beschwerden gegen Abstimmungen in Wahl- und Abstimmungssachen
grundsätzlich erst zulässig seien, "wenn das in der Sache
zuständige
Organ entschieden hat". Es sei deshalb zweifelhaft, ob eine Beschwerde
bereits jetzt gegen den Stadtratsbeschluss erhoben werden könne
oder
nicht erst eine Beschwerde gegen den Volksbeschluss zulässig sei.
Beschwerdeführer Bernasconi widerspricht dieser Auffassung nach
Rücksprache mit seinem Anwalt: "Nach heutigem Recht gilt: Eine
Beschwerde gegen einen Stadtratsbeschluss muss innerhalb von zehn Tagen
eingereicht werden." Er vermutet deshalb ein taktisches Manöver
Maders.
Diese wolle, dass die Abstimmung stattfinde, sodass bei einem Entscheid
Pro-Progr ein moralischer Druck entstünde. "Wenn wir diese Frist
nicht
eingehalten hätten, wäre uns dies von Mader vorgeworfen
worden", sagt
Bernasconi.
Auch über die Beschwerde gegen die Abstimmungsbotschaft hat Mader,
welche gestern nicht erreichbar war, noch nicht entschieden. Hier
dränge sich jedoch eine Sistierung auf, weil gegen eine
Abstimmungsbotschaft erst Beschwerde eingereicht werden könne,
sobald
das Abstimmungsmaterial verschickt sei. "Das wird doch schon gedruckt",
sagt Bernasconi. Er wird gegen die Entscheide bis Dienstag wiederum
Einsprache erheben.
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BZ 28.3.09
Ratlosigkeit beim Progr
Die SVP-Beschwerde gegen die Variantenabstimmung beim Berner
Progymnasium entpuppt sich als juristische Knacknuss.
Regierungsstatthalterin Regula Mader und ihre Juristen haben gestern
einen Tag lang über der SVP-Beschwerde zum Progymnasium
gebrütet. Sie
kamen zu keinem klaren Entscheid: "Die Sache ist äusserst
komplex",
sagte Mader. Zwar habe die Beschwerde grundsätzlich eine
aufschiebende
Wirkung. Doch nicht einmal dann sei klar, ob der Abstimmungstermin im
Mai zur Zukunft des ehemaligen Progymnasiums annulliert werden
müsste.
Die Rechtspraxis und -lehre sage dazu sehr wenig. Zusätzlich
verkompliziere die Formulierung der Beschwerde eine Entscheidung. Sie
richte sich erstens gegen den Stadtratsentscheid vom 5.März.
Damals
verlangte das Parlament eine Variantenabstimmung, in der dem
Wettbewerbssieger Doppelpunkt das Projekt Pro Progr
gegenübergestellt
wird. Immerhin da blickte Mader durch: "In diesem Fall ist eine
Beschwerde erst gegen den Volksentscheid möglich." Aber die
Beschwerde
richte sich auch gegen die Abstimmungsbotschaft. Selbst dort sei die
Beschwerde zu früh eingereicht worden. Sie könne erst
behandelt werden,
wenn die Abstimmungsbotschaft bei den Stimmberechtigten eingetroffen
sei. "Das ergibt eine stossende Situation", stellte Mader fest.
In diesem Dilemma schlägt die Statthalterin der
Beschwerdeführerin und
der Stadt vor, das Verfahren zu sistieren. Bis am Dienstag erwartet sie
deren Stellungnahme und allenfalls Vorschläge zu "vorsorglichen
Massnahmen". Solche könnten etwa eine Anpassung der
Abstimmungsbotschaft oder eine Absetzung der Abstimmung am 17.Mai sein.
Stadtschreiber Jürg Wichtermann "tappt nach wie vor im Dunkeln",
wie er
zugab. Beschwerdeführer und SVP-Stadtrat Peter Bernasconi
erklärte,
Maders Entscheid sei ein Manöver. Er werde ihn nicht akzeptieren.
Zur
Beschwerde bewogen hat ihn, dass das Siegerprojekt einer
Quereinsteigerin gegenübergestellt wird, die nicht am Wettbewerb
teilnahm. Zudem stört ihn, dass die beiden Projekte in der
Abstimmungsbotschaft quasi als gleichwertig dargestellt werden. Die
Botschaft sei lückenhaft und irreführend. Weil die Auswirkung
der
Beschwerde noch unklar ist, konnte Allreal als Investorin des
Siegerprojekts keine Entscheidung fällen. Sie behält sich
vor, ihr
Engagement abzubrechen.
cab
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LAKUZ
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BZ 28.3.09
Erneut Vandalen beim Lakuz
Zerstörte Fenster, kaputter Töggelikasten: Beim autonomen
Kulturzentrum
Lakuz waren schon wieder Vandalen am Werk.
Schon wieder Sachbeschädigungen beim autonomen Kulturzentrum Lakuz
in
Langenthal. In der Nacht auf Donnerstag wurden Fenster demoliert,
Blumentöpfe umgeworfen, ein Töggelikasten beschädigt und
Tische
umgeworfen, wie Lakuzler Serge Wüthrich auf Anfrage berichtet.
Es ist dies der zweite Vandalenakt innerhalb von vier Tagen. Bereits in
der Nacht auf letzten Sonntag hatten Unbekannte Scheiben des
Lakuz-Hauses eingeschlagen. In der gleichen Nacht hatte im Porzi-Areal
ein Treffen von Rechtsextremen stattgefunden. Deshalb vermuten die
Lakuz-Leute, dass der Angriff von diesen Kreisen ausgegangen ist.
Auch den neuen Fall schreiben sie den Rechtsextremen zu. Sie haben eine
Anzeige eingereicht. Die Lakuzler fordern die Stadt auf, Stellung gegen
den Rechtsextremismus zu beziehen und "die Angriffe aufs autonome
Kulturzentrum ernst zu nehmen", wie es in einer Pressemitteilung heisst.
hrh
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Berner Rundschau 28.3.09
Wieder Angriff auf Kulturzentrum
Nachdem das Lakuz - Langenthals autonomes Kulturzentrum - bereits am
letzten Wochenende von Vandalen attackiert worden war, folgte in der
Nacht auf Donnerstag ein erneuter Angriff. Zerstört wurden laut
Serge
Wüthrich, den Medienverantwortlichen des Lakuz, unter anderem
weitere
Fenster und der Tischfussballkasten. "Wir gehen weiter davon aus, dass
es sich bei den Tätern um Rechtsextreme handelt", schreibt
Wüthrich in
einer Mitteilung. Das Lakuz fordert die Stadt auf, Stellung gegen
Rechtsextremismus zu beziehen und die Angriffe auf das autonome
Kulturzentrum ernst zu nehmen. Auch in diesem Fall wurde Strafanzeige
gegen Unbekannt erstattet. Die Kantonspolizei Bern bestätigt die
beiden
Anzeigen wegen der Vandalenakte. Die Ermittlungen seien im Gang, heisst
es bei der Kapo. (tg)
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POLICE BE
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BZ 28.3.09
Berner Kantonspolizei
Die Aufstockung ist gefährdet
Die Aufstockung der Kantonspolizei droht sich wegen der Finanzkrise zu
verzögern. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser jedenfalls
kommt die
Resolution, die der Polizeiverband gestern verabschiedet hat, gerade
recht.
Gestern hat der Verband der Berner Kantonspolizisten an seiner
Delegiertenversammlung eine Resolution verabschiedet. Regierungsrat und
Grosser Rat werden darin aufgefordert, "die Sollbestände
zeitverzugslos
anzuheben, die nötigen Stellen zu bewilligen und die Rekrutierung
von
zusätzlichen Kantonspolizistinnen und Kantonspolizisten zu
intensivieren".
Dass es im Kanton zusätzliche Polizisten braucht, scheint nicht
bestritten zu sein. Im November 2007 hat der Grosse Rat eine
entsprechende Motion des Präsidenten der Polizeigewerkschaft,
Markus
Meyer (SP, Roggwil), mit bloss fünf Gegenstimmen als Postulat
überwiesen. Und dass Polizeidirektor Hans-Jürg Käser
(FDP) das heute
rund 2300 Mitglieder zählende Polizeikorps mit 200
zusätzlichen
Kantonspolizisten verstärken möchte, ist ebenfalls bekannt.
Fehlt das Geld?
Doch nun befürchtet der Polizeiverband laut Meyer, "die
Bestandeserhöhung könnte den aktuellen finanzpolitischen
Problemen zum
Opfer fallen". Mit der Resolution fordert er von Regierung und Grossrat
"ein unverzügliches Handeln". Die aktuelle Finanzkrise dürfe
keinen
Grund bilden, "bei der Sicherheit in unserem Kanton Abstriche zu
machen", schreibt die Polizeigewerkschaft. Und sie weist darauf hin,
dass die Kantonspolizei ihren Grundauftrag im Bereich der Gerichts-,
Sicherheits- und Verkehrspolizei "mangels personeller Ressourcen nicht
gehörig" erfüllen könne.
"Nicht ganz unbegründet"
Aus dem Nichts kommen die Befürchtungen des Polizeiverbands
offenbar
nicht. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser jedenfalls zeigte
gestern
Verständnis für "eine gewisse Angst", dass die Aufstockung
aus
finanziellen Gründen hinausgeschoben werden könnte. "Sie ist
auch nicht
ganz unbegründet", sagte er angesichts der Tatsache, dass sich die
Regierung seit letztem November an jeder Sitzung mit der Finanzlage des
Kantons befasse. Käser weiter: "Ich begrüsse die Resolution."
Denn
daran, dass die Polizei personell unterdotiert ist, gibt es für
ihn
keinen Zweifel. Wo immer er auftrete, bekomme er zu hören, dass in
den
Dörfern und Städten mehr Polizeipräsenz erwartet
würde. "Aber die
Polizei ist am Anschlag", sagt Käser.
Neue Aufgaben
Die Aufgaben der Polizei hätten in den letzten Jahren ständig
zugenommen, hält auch die Polizeigewerkschaft fest. Sie
erwähnt nicht
nur die viel diskutierten erhöhten Einsätze im Zusammenhang
mit
Sportveranstaltungen und Demonstrationen. Die Anforderungen seien in
allen Kernbereichen stark angestiegen: Ordnungsdiensteinsätze
hätten
zugenommen, Ermittlungstätigkeiten seien "massiv aufwändiger"
geworden.
Der Bestand des Polizeikorps jedoch habe mit den neuen Aufgaben nicht
Schritt gehalten.
Eine Gruppe, in der nebst der Polizei- auch die Finanzdirektion
mitwirkte, hat ein Projekt zur konkreten Umsetzung der Aufstockung
erarbeitet. Der Polizeidirektor will den entsprechenden Antrag
demnächst der Regierung vorlegen.
Susanne Graf
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Berner Rundschau 28.3.09
Jetzt mehr Polizisten
Die Delegiertenversammlung des Polizeiverbandes Bern-Kanton (PVBK)
verabschiedete gestern in Oberhofen eine Resolution an den
Regierungsrat und den Grossen Rat. Darin fordert der von Grossrat
Markus Meyer (Roggwil) präsidierte PVBK die Soll-Bestände der
Polizei
umgehend zu erhöhen und die Rekrutierung von zusätzlichen
Kantonspolizistinnen und -polizisten zu intensivieren. Die 2003/04
unter dem Titel AIDA erfolgte Neuausrichtung der Kantonspolizei sei
schonungslos zu überprüfen, forderte die Versammlung.
Anpassungen seien
zwingend. Vorstandsmitglied Jürg Lysser zu den AIDA-Schwächen
im
Oberaargau: "Zu wenig Leute draussen, zu viel Papierkrieg drinnen." (uz)
--
Bund 28.3.09
Mehr Personal gefordert
Polizeiverband Angesichts der kontinuierlich steigenden Arbeitslast
brauche es rasch eine Bestandeserhöhung für das Polizeikorps
des
Kantons Bern. Diese Resolution fassten die Delegierten des
Polizeiverbandes am Freitag in Oberhofen. Werde der Bestand nicht
erhöht, sei der Grundauftrag nicht mehr erfüllbar,
erklärte
Verbandspräsident Markus Meyer dazu auf Anfrage. Sowohl bei den
Ordnungseinsätzen (zum Beispiel bei Sportanlässen) als auch
bei der
Ermittlungstätigkeit gebe es eine starke Zunahme. Der Ruf nach
vermehrter polizeilicher Präsenz und Prävention erschalle
schon lange.
Der Bestand habe allerdings damit nicht Schritt gehalten. Die Folge des
Personalmangels seien viel Überzeit, aufkumulierte Ferienguthaben
und
überarbeitete Polizistinnen und Polizisten. Die Erhöhung
dürfe wegen
der Finanzkrise nicht zurückgestellt werden. (sda)
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BOBBY NAUSE
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Bund 28.3.09
Nause will neue Ortspolizei
Stadt Bern Anfang 2008 wurde die Stadtpolizei Bern in die
Kantonspolizei integriert. Die Bürger sollten alle Leistungen "aus
einer Hand" erhalten, lautete der Grundsatz. Nun, ein gutes Jahr
später, beschreitet der Berner Gemeinderat bereits wieder neue
Wege.
Als Gegenvorschlag zur FDP-Initiative, die mehr Kantonspolizisten in
der Stadt Bern verlangt, will die Regierung für rund drei
Millionen
Franken eine eigentliche Ortspolizei schaffen. Nach dem Vorbild der
britischen "Bobbies" - also unbewaffnet - sollten rund 20
Ordnungshüter
künftig in der Stadt auf Fusspatrouille gehen, erklärt der
neue
Sicherheitsdirektor Reto Nause im Interview mit dem "Bund". (pas)
Seite 27
--
Vor gut einem Jahr wurde die Stadtpolizei Bern mit der Kantonspolizei
fusioniert - nun liebäugelt die Stadt wieder mit einer Ortspolizei
"Die Ortspolizei hat Zukunft"
Die Kantonspolizei musste 2008 in der Stadt Bern 9000 Stunden mehr
leisten als vereinbart. Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) sieht
dennoch keinen Grund für Nachzahlungen. Dafür will er rund
drei
Millionen Franken in eine neue Ortspolizei investieren.
Interview: Pascal Schwendener
"Bund":
Herr Nause, seit gut einem Jahr bezieht die Stadt ihre polizeilichen
Leistungen vom Kanton. Es handelt sich dabei um den grössten
Leistungsvertrag, den die Stadt je mit irgendeinem Partner
abgeschlossen hat. Bewährte sich diese Zusammenarbeit bis anhin?
Reto Nause: Ja. Die Leistungen, die bis vor einem Jahr von der
Stadtpolizei erbracht wurden, werden seither von der Kantonspolizei
erfüllt. Dafür bezahlt die Stadt jährlich pauschal 28,3
Millionen
Franken.
Von Anfang an gab es Kritik: Die Stadt habe zu wenig Polizei bestellt.
Die Kantonspolizei erfüllt die Vorgaben der Stadt. Details kann
ich
zurzeit noch nicht nennen. Aber erlauben Sie mir zwei Beispiele: Im
Bereich der uniformierten, sichtbaren Polizeipräsenz wurden 65000
Stunden bestellt und rund 71000 effektiv geleistet - abzüglich der
Euro-08-Einsätze notabene. Auch im Bereich der Kontrollen im
Verkehrsbereich wurden die Vorgaben übertroffen. Da wurden statt
60000
tatsächlich rund 63000 Stunden geleistet.
Also leistete die Kantonspolizei mindestens 9000 Stunden mehr als
vereinbart. Die Stadt wird nachbezahlen müssen.
Nein. Was in den erwähnten Bereichen zusätzlich geleistet
wurde, kann
die Kantonspolizei in anderen Bereichen wieder einsparen und
kompensieren.
Wie sieht denn die Gesamtbilanz der geleisteten Stunden aus? Wie viele
zusätzliche Stunden bleiben unterm Strich?
Es ist ärgerlich, dass die Gesamtbilanz bisher nicht ausgewiesen
wird.
Das Controlling lässt diesbezüglich wirklich zu wünschen
übrig. Wir
brauchen künftig unbedingt mehr Kennzahlen. Das ist wichtig, damit
beide Vertragspartner künftig die Einhaltung des Vertrags
überprüfen
können.
Der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser sagt seit
Monaten, dass
die Stadt mehr Leistungen bezieht, als sie bezahlt. Er verlangt
Nachzahlungen oder die Vertragsanpassung.
Diese Ansicht kann ich so nicht teilen. Der Vertrag ist erst ein Jahr
in Kraft und wird darum sicher nicht heute und morgen wieder neu
verhandelt. Bei den geleisteten Stunden gibt es eine Unschärfe. Ob
65000, 71000 oder 78000 Stunden anfallen, ist letztlich nicht relevant.
Solche Schwankungen gab es immer und wird es immer geben. Erst das
langjährige Mittel ist aussagekräftig. Wir brauchen also
Erfahrungswerte über mehrere Jahre hinweg, um beurteilen zu
können, ob
der Vertrag beidseitig eingehalten wird oder angepasst werden muss.
Wenn die städtische Volksinitiative der FDP angenommen wird, muss
der Vertrag aber schon bald angepasst werden.
Die Volksinitiative, die auf dem Tisch liegt und vom Gemeinderat zur
Ablehnung empfohlen wird, verlangt nicht 65000, sondern 110000 Stunden
uniformierte Patrouillenpräsenz der Kantonspolizei in der Stadt
Bern.
Wenn das Volk einen solchen Sprung wollte, wäre in der Tat klar,
dass
man den Vertrag neu verhandeln müsste.
Drängt sich eine Aufstockung der Polizei nicht auf?
Schliesslich ist
der Bestand in der Stadt Bern seit 25 Jahren unverändert geblieben.
Der Gemeinderat hat beschlossen, einen Gegenvorschlag zur Initiative
auszuarbeiten. Für die Regierung ist dabei klar, dass man
Sicherheit
umfassend verstehen muss. Es ist sicherlich sinnvoller, in gewissen
Bereichen Mitarbeitende von Pinto oder unbewaffnete Polizisten
patrouillieren zu lassen, als immer gleich bewaffnete, voll
ausgebildete Polizisten auf die Strasse zu schicken. Da braucht es
kreativere Ansätze.
Ansätze wie jene ihres Vorgängers? Der wollte ein sogenanntes
Community-Policing einführen, bei dem Freiwillige die Polizei
unterstützen.
Für den Gemeinderat ist klar, dass das staatliche Gewaltmonopol
nicht
ausgehöhlt werden darf. Miliz- oder Bürgerpolizisten,
Bürgerwehren oder
freiwillige Bürgerpatrouillen lehnt er strikte ab. Sicherheit ist
und
bleibt eine staatliche Kernaufgabe.
Dann geht es also in Richtung "Bobby-Prinzip". Wollen Sie als
Gemeinderat umsetzen, was sie als Stadtrat nicht umsetzen konnten?
Der Bobby, den man aus Grossbritannien kennt, entspricht
tatsächlich
meinem Idealbild eines bürgernahen Polizisten. Ausgerüstet
mit
Schlagstock zur Selbstverteidigung aber ansonsten unbewaffnet, leistet
er gut sichtbaren und präsenten Patrouillendienst. Berner Bobbys
könnten einen wichtigen Beitrag für ein gutes
Sicherheitsgefühl in der
Stadt Bern leisten. Der Ortspolizist in dieser Form hat meines
Erachtens Zukunft . . .
. . . eine Ortspolizei? Nachdem sich das Stimmvolk eben erst für
die
Einheitspolizei und damit die Sicherheit aus einer Hand ausgesprochen
hat?
Die Stadt bleibt trotz der Einheitspolizei für die Sicherheit
verantwortlich. Im Bereich der sicherheitspolizeilichen
Präventionsarbeit, die in der Regel als Patrouille erscheint,
besteht
deshalb eine parallele Zuständigkeit der Gemeinden und des Kantons.
Aber wie liesse sich diese Bobby-Ortspolizei überhaupt
finanzieren?
Über den Synergiegewinn aus der Polizeifusion, den der Gemeinderat
bisher nicht in die Sicherheit investieren wollte?
Die Annahme der FDP-Initiative würde die Stadt 5,6 Millionen
Franken
kosten. Der Gegenvorschlag des Gemeinderats wird sicherlich
günstiger
sein. Aber es ist klar, dass zumindest ein Teil der 3 Millionen Franken
aus dem Synergiegewinn nicht mehr in die Stadtkasse fliessen, sondern
in die Sicherheit reinvestiert würde.
Mit 3 Millionen Franken liessen sich rund 20 Bobbys finanzieren.
Dazu äussere ich mich nicht. Ich kann nur sagen, dass ich mich in
der
Vergangenheit immer für die Reinvestition des Synergiegewinns in
Frontstellen ausgesprochen habe. Heute bin ich zuversichtlich, dass das
in der einen oder anderen Form auch geschieht. Die politische Stimmung
lässt jedenfalls hoffen.
Das heisst?
Gemäss Städtevergleich haben wir in der Stadt Bern ja eine
sehr gute
Sicherheitslage. Das subjektive Sicherheitsgefühl vieler Einwohner
ist
jedoch ein anderes. Und das muss man ernst nehmen. Schliesslich
hängt
meine Lebensqualität in grossem Masse davon ab, ob ich mich in
meinem
Wohnumfeld sicher fühle und mich frei bewegen kann. Diese
Erkenntnis
hat sich in den vergangenen Monaten auch im linken politischen Lager
der Stadt Bern durchgesetzt - sowohl in der Exekutive als auch in der
Legislative. Eine Mehrheit scheint der Ansicht zu sein, dass wir in
Bern mehr Polizeipräsenz brauchen.
Die Stadtberner zahlen schon heute vergleichsweise viel für ihre
Sicherheit. Glauben Sie tatsächlich, dass sie nun noch eine
Ortspolizei
finanzieren wollen?
Bernerinnen und Berner zahlen tatsächlich viel. Viel zu
viel. Wer in
der Stadt Bern wohnt, zahlt jährlich 231 Franken an die
Sicherheit. Die
Einwohner von Biel zahlen lediglich 187 Franken und jene von Thun sogar
nur 88 Franken. Diese Kosten müssen im Rahmen der
Lastanausgleichs-Verhandlungen unbedingt neu verteilt werden. Klar
kostet die Sicherheit in der Bundesstadt etwas mehr als in anderen
Städten des Kantons. Aber längst nicht alle Kosten sind
hausgemacht.
Denken Sie nur an all die nationalen Kundgebungen, die bei uns
stattfinden.
Stichwort Kundgebungen: Seit dem Anti-SVP-Protest vom 6. Oktober 2007
scheint es, als würde jede Demonstration von einem polizeilichen
Grossaufgebot begleitet.
Das kann ich so nicht bestätigen. Ich verfolge sicher nicht den
Grundsatz, dass jede Kundgebung von einem polizeilichen Grossaufgebot
begleitet werden soll. Vielmehr orientieren wir uns wie eh und je an
der Verhältnismässigkeit. Jeder Anlass wird im Vorfeld
eingeschätzt,
und entsprechend dieser Analyse wird das Einsatzdispositiv
gewählt. Das
ist in meiner bald dreimonatigen Amtszeit gut gelungen. Sogar der
eigentliche Demo-Januar ist weitestgehend ohne Sachschäden
über die
Bühne gegangen. Nur eines stört mich rückblickend: dass
im Zusammenhang
mit der Pnos-Demonstration erst Rechtsextreme und dann noch
Linksautonome durch die Stadt marschieren konnten.
Sachschäden gab es im Umfeld von Sportveranstaltungen. Clubs wie
YB und
SCB verursachen jährlich Sicherheitskosten von 2 Millionen
Franken. Sie
selber bezahlen nur 120000 Franken, den Rest die Steuerzahler.
Diese Beiträge wurden im vergangenen Jahr zwischen den Vereinen
und der
Stadt ausgehandelt und werden in nächster Zeit nicht neu
verhandelt. YB
und SCB sind Botschafter Berns, die ganz wichtig sind für unser
Image
als Sportstadt. Wenn YB keine guten Stürmerstars mehr verpflichten
kann, hat auch die Stadt Bern verloren. Die Stadt hat daher kein
Interesse, in Konfrontation mit diesen Vereinen zu treten.
Aber auch Partner haben Pflichten. Das Bundesgericht hat jüngst
entschieden, dass Sportvereine in der Pflicht sind, wenn es um die
Sicherheitskosten geht.
Das Urteil des Bundesgerichts postuliert, dass 60 bis 80 Prozent der
Sicherheitskosten den Sportveranstaltern überwälzt werden
können. Das
erhöht mindestens den moralischen Druck auf die Vereine, alles in
ihrer
Macht Stehende zu tun, um das Problem nachhaltig in den Griff zu
bekommen.
Bern stellt nicht 60 oder 80 Prozent in Rechnung, sondern weniger als
10 Prozent.
Wir sind jedenfalls weit darunter. Aber noch einmal: Das
Verständnis
bei den Sportveranstaltern, dass sie im Sicherheitsbereich selber aktiv
werden müssen, ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Im und
ums
Stadion sind nun weitere bauliche Massnahmen zur Fantrennung geplant.
Das wird die Situation wahrscheinlich entschärfen und den Effekt
haben,
dass wir weniger Polizei brauchen, um die Gruppen zu trennen. Und noch
eins ist mir in diesem Zusammenhang wichtig: Im Jahr 2005 stand die
Polizei bei Spielen von SCB und YB 26000 Stunden im Einsatz, 2008 "nur"
noch 22 000 Stunden. Ich hoffe, dass die Zahl mit den getroffenen
Massnahmen weiter sinkt.
Könnte auch Videoüberwachung das Problem entschärfen
helfen?
St. Gallen hat vor Kurzem eine Anlage in Betrieb genommen. Das wird man
auch in Bern prüfen müssen. Der Kanton hat kürzlich die
gesetzlichen
Grundlagen für die Videoüberwachung des öffentlichen
Raums geschaffen.
Was im Moment noch fehlt, ist die entsprechende Verordnung. Die sollte
im Sommer vorliegen. Danach kann die Stadt über das weitere
Vorgehen
für die Installation von Videokameras befinden.
Sie wollen das Projekt forcieren?
Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist ein äusserst
heikles
Unterfangen. Sie ist datenschützerisch delikat und ausserdem nicht
ganz
billig zu haben. St. Gallen hat für seine rund 40 Kameras 2,5
Millionen
Franken investiert. So ein Projekt muss darum demokratisch sehr breit
abgestützt sein, möglicherweise sogar über einen
Volksentscheid. In St.
Gallen wurde die Einführung der Videoüberwachung
grossmehrheitlich
angenommen. Wie die Bernerinnen und Berner dazu stehen, wird sich wohl
schon bald zeigen.
"Der Bobby, den man aus Grossbritannien kennt, entspricht meinem
Idealbild eines bürgernahen Polizisten."
"Stadtbernerinnen und -berner zahlen viel zu viel an die Sicherheit.
Diese Kosten müssen neu verteilt werden."
"Videoüberwachung ist ein sehr heikles Unterfangen. So ein Projekt
muss
demokratisch breit abgestützt sein, möglicherweise sogar
über einen
Volksentscheid."
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BIG BROTHER
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Basler Zeitung 28.3.09
Bund verweigert bessere Kontrolle
Bundesamt für Justiz lehnt Verordnung zur Überwachung der
Fachgruppe 9 ab
Philipp Loser, Christian Mensch
Um einen nächsten Fichenskandal zu verhindern, will Basel-Stadt
den
kantonalen Staatsschutz besser kontrollieren. In Bern hält man
wenig
von der Idee. Nun suchen Experten nach einem Ausweg.
Die Fachgruppe 9 (FG 9) ist der verlängerte Arm des
Inlandgeheimdienstes in Basel. Der Dienst für Analyse und
Prävention
(DAP), so der offizielle Name der nationalen Staatsschützer,
erstellt
Kriterien, wer in den Kantonen zu überwachen sei, und bezahlt
einen
Teil der Kosten. Die in Basel gesammelten Daten werden nach Bern
übermittelt und verschwinden dort in einem grossen schwarzen Loch.
Zugriff von aussen auf die zentrale Datenbank Isis ist so gut wie
unmöglich.
Die Kontrollmöglichkeiten der kantonalen Verwaltungsaufsicht sind
beschränkt. Welche Daten gesammelt sind, bleibt etwa der
parlamentarischen Oberaufsicht verborgen. "Wir sind auf die Kontrolle
des Bundes angewiesen", sagt auch der neue Basler
Datenschutzbeauftragte Beat Rudin, und wie der Basler Fichenskandal
gezeigt habe, klappe diese Kontrolle nicht immer gut. "Es ist stossend,
wenn wir die FG 9 nicht selber beaufsichtigen können", sagt Rudin.
Der Fichenskandal rund um Basler Grossräte hatte die fehlende
Kontrolle
vorgeführt. Die Betroffenen erhalten nur mit dem
Einverständnis des DAP
Auskunft. Und auch für den Kanton bleibt intransparent, welche
Daten
auf Kantonsgebiet erfasst werden.
Im vergangenen Jahr erarbeitete eine Gruppe um Staatsrechtsprofessor
Markus Schefer deshalb eine kantonale Verordnung zum Bundesgesetz zur
Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS), die jene Punkte verbessern
sollte. Zur Diskussion stand etwa eine Verschiebung der FG 9 von der
Staatsanwaltschaft ins Präsidialdepartement. Geeinigt hatte man
sich
schliesslich auf die Schaffung einer neuen Kommission, die gemeinsam
mit dem Datenschutzbeauftragten die FG 9 beaufsichtigen sollte. Die
Basler wussten: Auch dieser Entwurf sah eine engere Kontrolle der
kantonalen Staatsschützer vor, als das Bundesamt für Justiz
in einem
eigenen Gutachten für möglich befunden hatte.
Bis vor einer Woche war das Basler Papier zur Prüfung beim
Bundesamt
für Justiz, nun liegt die Antwort auf dem Tisch. Sie ist
vernichtend.
"Ich hatte mir eine andere Antwort erhofft", sagt Sicherheitsdirektor
Hanspeter Gass, der Adressat des Papiers.
Absage
Luzius Mader, Vizedirektor des Bundesamtes für Justiz, möchte
die
Hoffnungen der Basler auf einen besser kontrollierten Staatsschutz
begraben. "Mader hat logisch und nachvollziehbar dargelegt, dass wir
nichts machen können", sagt Gass. Zu den Gründen der Absage
gibt es aus
Bern keinen Kommentar. Ein Sprecher des Bundesamts richtet aus, es sei
Sache des Kantons, darüber zu informieren.
Gass will die Antwort des Bundesamts dennoch nicht einfach auf sich
beruhen lassen. In den kommenden Wochen werde er seine Experten
zusammenrufen, um den Spielraum auszuloten. Der Datenschutzbeauftragte
wird dabei sein, Staatsrechtsprofessor Schefer und ein Vertreter der
Staatsanwaltschaft. Das Anliegen von Gass bleibt das gleiche wie vor
dem Brief nach Bern: "Wir müssen die Kontrolle des Geheimdienstes
verbessern." Ob das mit den bestehenden rechtlichen Grundlagen
überhaupt möglich ist, zweifeln in der Zwischenzeit auch die
Basler
Experten mehr oder weniger offen an.
Eine Möglichkeit wäre, ein Präjudiz zu schaffen und die
Verordnung
trotz der ablehnenden Haltung des Bundes einzuführen. Bei der
ersten
Kontrolle durch die neue kantonale Kommission stünde der Leiter
der FG
9 vor der Alternative, entweder gegen kantonales oder gegen Bundesrecht
zu verstossen. Gibt er Einblick in die Arbeit, wäre dies aus
Bundessicht eine Amtsgeheimnisverletzung. In letzter Instanz
müsste
dann das Bundesgericht entscheiden, wie der Staatsschutz kontrolliert
werden kann.
"Wahrscheinlich ist der politische Weg", sagt der
Datenschutzbeauftragte Rudin. Dieser scheint erfolgversprechend, aber
langwierig. Denn ein Gesinnungswandel zu mehr Transparenz ist im Gange:
Vor einer Woche sprach sich der Bundesrat erstmals für ein
generelles
Auskunftsrecht bei allen Datensammlungen des Bundes aus. Dies in einer
Antwort auf eine Motion der Baselbieter Nationalrätin Susanne
Leutenegger Oberholzer (SP). Dass sich das Bundesamt für Justiz
nun
trotz diesem Signal des Bundesrates so ablehnend zur Basler Verordnung
äussere, erstaune sie, sagt Ständerätin Anita Fetz (SP),
die sich
intensiv mit dem Thema beschäftigt. "Ich habe mehr erwartet."
Präzedenzfall
Fetz bietet Gass ihre Unterstützung an. Der Fall gehe nämlich
über
Basel-Stadt hinaus. "Diese neue Regelung der Staatsschutzkontrolle hat
Präzedenzcharakter für die ganze Schweiz", sagt Fetz. In den
anderen
Kantonen gebe es die gleiche Problematik. Nur fehlten dort jene
unschuldig Betroffenen, deren Daten beim Inlandgeheimdienst gelandet
seien. Oder vielleicht wissen sie es einfach noch nicht.
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STREIK-PROZESS
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Basler Zeitung 28.3.09
18 Verurteilungen und vier Freisprüche
Allpack-Prozess. Im Prozess gegen die Allpack-Streikenden von 2003
wurden gestern in Liestal die Urteile gesprochen. Dabei wurden neun
Angeklagte wegen Hausfriedensbruch, vier wegen Nötigung und
fünf wegen
beidem schuldig gesprochen. Vier Angeklagte erhielten einen Freispruch.
Die Gewerkschaft Comedia sprach von einem "Skandal-Urteil". Mit
Appellation ist zu rechnen. > Seite 33
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Milde Urteile im Allpack-Prozess
18 von 22 Angeklagten wurden schuldig gesprochen, doch die Strafen sind
nicht vollziehbar
Thomas Gubler
Das Strafgericht Baselland hat gestern 18 Angeklagte im Allpack-Prozess
schuldig- und vier freigesprochen. Als Höchststrafen wurden
bedingte
Geldstrafen von drei Tagessätzen verhängt. Die Gewerkschaft
spricht von
einem "Skandalurteil".
Weder mit Solidaritätskundgebungen noch mit brillanten
Plädoyers lässt
sich vor Gericht ein Freispruch erzwingen. Insbesondere dann nicht,
wenn dieser der bundesgerichtlichen Rechtssprechung zuwiderlaufen
würde. So wurde der gestrige Tag zur Enttäuschung für
jene, die im
Allpack-Prozess einen kollektiven Freispruch für alle Angeklagten
erwartet hatten. Denn dieser blieb aus, eben weil ein neuer
Bundesgerichtsentscheid in Sachen Streik und Nötigung vorliegt.
Von einem "Verknurren" der Angeklagten kann aber nicht die Rede sein.
Immerhin wurden vier der 22 Angeklagten wirklich freigesprochen,
entweder weil sie wie SP-Landrätin Eva Chappuis keine Straftat
begangen
hatten, oder weil sie auf den Bildern, die dem Strafgericht vorlagen,
nicht erkennbar waren.
Für 18 Angeklagte, vorwiegend Gewerkschaftsaktivisten, endete das
Verfahren aber mit Schuldsprüchen: für neun wegen
Hausfriedensbruchs,
für vier wegen Nötigung und für fünf wegen beidem.
Dafür blieben die
ausgesprochenen Geldstrafen - die höchste liegt bei drei
Tagessätzen
bedingt - schon fast im symbolischen Bereich. Und weil die beurteilten
Ereignisse schon über fünf Jahre zurückliegen, war
für
Gerichtsvizepräsident Christoph Spindler eine Verletzung des
Beschleunigungsgebots offensichtlich, weswegen die Strafe bereits als
verbüsst gilt. "Fünfeinhalb Jahre für die Abwicklung
dieses Verfahrens
- das ist schlicht eine Frechheit", sagte Spindler.
Nötigung
Zur Beurteilung standen nur die Ereignisse vom Nachmittag des 1.
Dezember 2003, als die Polizei Streik und Blockade bei der Allpack AG
in Reinach auflöste. Wegen etwas anderem wurde nicht geklagt. Und
wegen
Nötigung verurteilt wurde nur, wer damals an der Menschenkette
beteiligt war, die den Arbeitswilligen den Zugang zum Firmeneingang
versperrt hatte, und auf den Bildern erkennbar war.
Zwar sei durch das Streikrecht, so Spindler, nicht nur die
Arbeitsniederlegung allein geschützt, sondern auch die Information
der
Arbeitswilligen und der Öffentlichkeit. Gemäss Bundesgericht
dürfen die
Arbeitswilligen aber nur "mit verbalen Argumenten überzeugt
werden",
sagte der Richter. Wer dabei Gewalt anwende - und darunter falle nicht
nur die Brachialgewalt - verletze das Grundrecht der Arbeitswilligen,
am Streik nicht teilzunehmen, und nötige diese. "Dabei ist es
irrelevant, ob der Streik arbeitsrechtlich gerechtfertigt ist oder
nicht", sagte Spindler.
Hausfriedensbruch
Weniger Probleme bereitete dem Gericht der Tatbestand des
Hausfriedensbruchs. Damit ein solcher begangen werden könne,
müsse laut
Spindler eine Einfriedung "nicht lückenlos, aber erkennbar" sein.
Das
sei beim Allpack-Zugang der Fall. Verurteilt wurden aber nur die
Aktivisten, welche nach der Aufforderung des Polizeikommandanten, das
Terrain zu verlassen, dort verblieben waren und an der Eingangsblockade
teilgenommen hatten. "Wer sich nur vorher dort aufhielt oder nicht
erkennbar war, wird freigesprochen", sagte Spindler in seiner
mündlichen Begründung.
Die Schadenersatzforderung der Allpack in der Höhe von 820 000
Franken wurde auf den Zivilweg verwiesen.
Die Urteile dürften indessen kaum schnell rechtskräftig
werden. Die
Gewerkschaft Comedia sprach gestern von einem "Skandalurteil" und
"willfährigen Richtern". Mit einer Appellation der verurteilten
Gewerkschafter ist unter diesen Umständen zu rechnen.
--
Kommentar
Ein differenziertes Urteil
Thomas Gubler
Mit dem Urteil von Einzelrichter Christoph Spindler dürften weder
die
Gewerkschaften noch der Allpack-Eigner zufrieden sein. Doch gerade die
beidseitige Unzufriedenheit könnte in diesem Fall zum
Gütesiegel des
Richterspruchs werden. Unbeeindruckt von Solidaritätskundgebungen
vor
dem Gerichtsgebäude hat der Richter nach strengen prozessualen
Regeln
und getreu der aktuellen bundesgerichtlichen Praxis ein Urteil
gefällt,
das durch seine Differenziertheit besticht. Da wurde jeder einzelne der
22 Fälle unter die Lupe genommen und beurteilt. Wem eine
Beteiligung
nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte, erhielt einen Freispruch.
Von kollektiver Abstrafung keine Spur. Doch auch der von den
Gewerkschaften angepeilte kollektive Freispruch war so nicht zu haben.
Das ist weder ein Skandal, noch sind die Richter deswegen
willfährige
Erfüllungsgehilfen der Unternehmer, wie die Gewerkschaft Comedia
glauben machen will.
Richter können kein Recht setzen. Sie haben das Gesetz anzuwenden.
Und
solange keine gesetzlichen Ausnahmen bestehen, können mit Strafe
bedrohte Tatbestände wie Nötigung und Hausfriedensbruch nicht
mit
blossem Hinweis auf das Streikrecht ausser Kraft gesetzt werden. Das
kann zweifellos zu Schwierigkeiten bei dessen Ausübung
führen.
Ratschläge des Bundesgerichts, Streikbrecher seien verbal zu
überzeugen, sind praxisfremd und daher wenig hilfreich. Gefordert
ist
dagegen Fingerspitzengefühl. Und diesbezüglich schnitt das
Strafgericht
gestern nicht schlecht ab.
thomas.gubler@baz.ch
---
Basellandschaftliche Zeitung 28.3.09
Freispruch für Eva Chappuis
Die SP-Landrätin wurde im Prozess um den Allpack-Streik
freigesprochen
Das Strafgericht Liestal hat gestern Nachmittag im Allpack-Prozess um
den Streik bei der Reinacher Verpackungsfirma Allpack 19 Personen zu
bedingten Geldstrafen verurteilt. Alle Tagessätze und Bussen
wurden
wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots sistiert. Vier Streikende
wurden freigesprochen, darunter auch die SP-Landrätin und
Vizepräsidentin des Baselbieter Gewerkschaftsbundes, Eva Chappuis.
Das
Gericht hielt fest, dass Arbeiter mit Nötigungsmitteln an ihrer
freien
Willensbekundung gehindert worden seien. Das Gericht kritisierte die
Arbeit der Untersuchungsbehörde. Die Anklageschrift sei zu wenig
präzis. Zudem habe das Verfahren zu lange gedauert.
Die Mediengewerkschaft comedia bezeichnete den Gerichtsentscheid in
einer Mitteilung als Skandal; die geringen Gewerkschaftsrechte
würden
von der Justiz ignoriert. Die Verurteilungen wegen Nötigung seien
inakzeptabel. Comedia werde nach Vorliegen des schriftlichen Urteils
über einen Weiterzug entscheiden. (ap) Seite 17
--
Keine vollziehbaren Strafen für Allpack-Streikende
Untersuchung hat zu lange gedauert, Strafen werden durch die Verletzung
des Beschleunigungsgebotes kompensiert
Die 22 Angeklagten im Allpack-Prozess sind zwar mehrheitlich verurteilt
worden, aber die Strafen sind nicht mehr vollziehbar.
Rolf Schenk
Vier der 22 Angeklagten im Prozess um den Allpack-Streik im Dezember
2003 sind gestern von Strafgerichts-Vizepräsident Christoph
Spindler
völlig freigesprochen worden. Fünf hat er wegen Nötigung
und
Hausfriedensbruchs, vier nur wegen Nötigung und neun wegen
Hausfriedensbruchs zu geringfügigen Geldstrafen von höchstens
drei
Tagessätzen verurteilt. Auf die per Strafbefehl ausgesprochenen
Bussen
hat er völlig verzichtet und die Verfahrenskosten und
Urteilsgebühren
werden ganz (bei den Freigesprochenen) oder zur Hälfte von der
Staatskasse übernommen. Die Schadensersatzforderungen der Allpack
AG
von rund 820 000 Franken hat er auf den Zivilweg verwiesen.
Die Strafen selbst haben für die Verurteilten keine weiteren
Folgen,
weil sie durch gleichwertiges staatliches Fehlverhalten kompensiert
worden sind. Mit anderen Worten: Die Trödelei der
Untersuchungsbehörden, die statt Beweismittel zu sichern
Verfahrensfragen diskutiert haben, hat zur Verletzung des
Beschleunigungsgebotes geführt.
Angefangen hat dies schon mit der Befangenheitserklärung des
damaligen
Arlesheimer Bezirksstatthalters. Er war als Landratskollege der
mitangeklagten (und jetzt freigesprochenen) SP-Landrätin Eva
Chappuis
in den Ausstand getreten und hatte gleich das ganze Amt für
befangen
erklärt. Danach dauerte es bis zu den ersten Einvernahmen des nun
zuständigen Statthalteramtes Liestal über drei Jahre.
Inzwischen liegt
die Angelegenheit mehr als fünf Jahre zurück. Da sei es
"einfach eine
Frechheit, jemanden noch für Hausfriedensbruch zu belangen, hielt
Einzelrichter Christoph Spindler in seiner Urteilsbegründung
unmissverständlich fest.
Er sparte auch nicht mit Vorwürfen an die
Untersuchungsbehörden und
die Staatsanwaltschaft, die keine gesonderten Anklageschriften
vorgelegt hatte. So habe sich das Gericht auf die Vorfälle der im
Strafbefehl geschilderten Stunde zwischen 15.30 und 16.30 Uhr an diesem
1. Dezember 2003 beschränken müssen, die lediglich einen
kleinsten
Bruchteil des einwöchigen Streiks (bz vom 24. und 26. März)
umfasst
habe.
In der Sache selbst zeigte sich Christoph Spindler eben so klar:
Das
garantierte Streikrecht schütze nur die Arbeitsniederlegung, darum
werde unter diesem Titel nicht einfach jeder Tatbestand als Kampfmittel
anerkannt. Gewaltanwendung erfülle den Tatbestand der
Nötigung. Ihr
Mass sei unerheblich; auch wer "bloss" mit einer Menschenkette den
Zugang für Dritte sperre, wende Gewalt an. Verursacher von
"Exzessen"
müssten jedoch vom Staat zur Rechenschaft gezogen werden. Auch das
sei
in diesem Falle gegeben gewesen, weil die Streikenden der Aufforderung
der Polizei, das Gelände zu verlassen, keine Folge geleistet
hätten.
Darum habe die Polizei zu Recht eingegriffen, erklärte der
Vorsitzende.
Für ihn blieb auch unverständlich, warum sich die
Streikenden nicht
einfach auf den nur wenige Meter entfernten öffentlichen Grund
zurückgezogen haben. Dort wären sie unbehelligt geblieben,
hielt
Christoph Spindler in seiner Begründung fest.
Im Falle von Landrätin Chappuis, die nach ihren eigenen
Aussagen "nur
daneben gestanden" ist, würden weitere Begründungen für
die ihr vom
Staatsanwalt zur Last gelegte "psychische Unterstützung" fehlen,
die
den Tatbestand der Beihilfe erhärten würden. "Daneben
gestanden sind
noch viele", meinte Christoph Spindler. An sie gewandt hielt er jedoch
auch fest, dass es nicht zulässig gewesen sei, dass sie als
Landrätin
bereits im Vorfeld der Verhandlung Freisprüche gefordert habe.
An die Adresse der Gewerkschafter betonte er zwar, dass sie sich
mit
der physischen Hinderung Arbeitswilliger, die Allpack zu betreten,
eines Rechtsbruches schuldig gemacht haben. Aber dies sei nur die halbe
Wahrheit: "Selbstverständlich gehört auch die Information und
die Suche
nach Mitstreitern im Arbeitskampf mit dazu", erläuterte der mit
Umsicht
argumentierende Gerichtspräsident.
Sie hätten aber den Entscheid eines Arbeitswilligen
ebenfalls zu
akzeptieren, wie das bereits in den 80er Jahren in einem deutschen
Gerichtsurteil festgehalten worden sei, fügte Christoph Spindler
bei.
---
20min.ch 27.3.09
Busse und "Begnadigung" im Allpack-Prozess
Im Allpack-Prozess in Liestal sind 18 Gewerkschaftsmitglieder zwar zu
Geldstrafen verurteilt worden. Die Strafen werden wegen des viel zu
langen Verfahrens aber nicht vollzogen. Vier Angeklagte wurden zudem
freigesprochen.
Die verurteilten Gewerkschaftsaktivistinnen und Aktivisten wurden vom
Strafgericht Baselland am Freitag wegen Nötigung oder
Hausfriedensbruchs verurteilt. Die höchste der ausgesprochenen
Geldstrafen beträgt drei Tagessätze. Das Gericht entschied
jedoch, dass
von den Strafen Umgang genommen wird.
Grund ist, dass die Untersuchung verschleppt worden sei, sagte der
Gerichtspräsident in der mündlichen Urteilsbegründung.
Dass seit dem
Allpack-Streik inzwischen fünfeinhalb Jahre vergangen seien, sei
"schlicht und einfach eine Frechheit". Er rügte scharf die
Statthalterämter, die an der Untersuchung beteiligt waren.
Streik im Jahr 2003
Die 22 Angeklagten mussten sich wegen ihrer Beteiligung an
Streikaktionen in der Verpackungsfirma Allpack in Reinach BL im Jahr
2003 verantworten. Auslöser des neuntägigen Streiks waren
Änderungskündigungen gewesen, mit denen der Direktor der
Allpack
Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durchsetzen wollte.
Am 1. Dezember ging die Polizei gegen Streikposten vor, die vor dem
Eingang zum Unternehmen eine Menschenkette bildeten. Rund 30 Personen
wurden festgenommen. Die 22 Angeklagten erhielten in der Folge einen
Strafbefehl, zumeist wegen Nötigung und Hausfriedensbruch; sie
zogen
den Fall aber ans Gericht weiter.
Der Verteidiger der 15 Männer und 7 Frauen hatte sich in seinem
Plädoyer auf das Streikrecht berufen. Der Prozess in Liestal wurde
von
Kundgebungen am Prozessbeginn am Mittwoch sowie am Donnerstagabend in
Liestal begleitet.
Quelle: SDA/ATS
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TIGRIS
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NZZ 28.3.09
Nötige Koordination von Sondereinheiten
Unablässige Diskussionen um die polizeiliche Einsatzgruppe "Tigris"
Die Diskussionen um die polizeiliche Einsatzgruppe "Tigris" sind
immer
noch nicht verebbt. Diese Bundeseinheit wird nicht für
Hochrisiko-Aktionen wie beispielsweise Geiselnahmen eingesetzt.
Lz. Seit gut einer Woche steht die im Bundesamt für Polizei
(Fedpol)
eingegliederte Einsatzgruppe "Tigris" in den Schlagzeilen. Berichte der
"Weltwoche" liessen den Eindruck entstehen, dass es sich bei dieser
Polizeitruppe mit einem Bestand von 14 Personen um den klandestin
aufgebauten Nukleus einer Bundessicherheitspolizei handle. Damit wurden
Emotionen geschürt. Denn einen solchen Verband hatte der
Souverän 1978
in einer Volksabstimmung abgelehnt. Unter diesem Vorzeichen stösst
praktisch jeder noch so kleine Ansatz zur Bildung zentraler
Polizeistrukturen auf Bundesebene auf Opposition. Bemängelt wurde
unter
anderem jedoch auch, dass nur Polizeikommandanten, nicht aber die
kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren darüber ins Bild gesetzt
worden waren. In Erinnerung an die Widerstandsorganisation P-26, die
ungerechtfertigterweise verdächtigt wurde, auch für
Staatsschutzaufgaben eingesetzt zu werden, werden im Übrigen alle
öffentlich wenig bekannten militärischen und polizeilichen
Organe mit
Argwohn betrachtet.
Keine Hochrisiko-Einsätze
Der Aufbau der Einsatzgruppe "Tigris" vor rund fünf Jahren
stützt sich
unter anderem auf die Bundesstrafprozessordnung und das
Rechtshilfegesetz. Im Gegensatz zum verdeckten Budget der streng
geheimen P-26, das über Positionen des damaligen
Oberkriegskommissariats abgewickelt wurde, ist der Haushalt von
"Tigris" nicht geheim. Der Totalaufwand betrug letztes Jahr etwas
weniger als 2,7 Millionen Franken. Diese Truppe ist keine
Interventionseinheit für Hochrisiko-Einsätze wie
beispielsweise
Geiselnahmen oder Anti-Terror-Operationen. Für solche sind
Spezialkräfte der Polizeikorps von Kantonen und grösseren
Städten
vorgesehen.
So gesehen verfügen die "Tigris"-Polizisten, die ebenfalls
für
Zielfahndungen und die Waffenausbildung im Fedpol eingesetzt werden,
zwar über Maschinenpistolen und Vorderschaft-Repetierflinten. Im
Gegensatz zu eigentlichen Interventionseinheiten sind sie aber
beispielsweise nicht mit Präzisionsgewehren und Sprengstoff
ausgerüstet. Die Polizisten werden in Zusammenarbeit mit den
Observationsgruppen der Bundeskriminalpolizei für Verhaftungen im
sogenannt niederschwelligen Bereich eingesetzt, wobei gefährliche
Situationen nicht ausgeschlossen werden können. Von einer Einheit
vom
Zuschnitt der GSG 9 der deutschen Bundespolizei kann dennoch nicht
gesprochen werden. Im Rahmen des internationalen Polizei-Netzwerks
bestehen aber auch zu dieser Truppe Kontakte.
Man hat sich mit Orientierung begnügt
In diesem Sinne wird "Tigris" vom Fedpol nicht als mit den
Spezialkräften der Kantonspolizeien konkurrierende Organisation
aufgefasst. Im Gegenteil: Mit dem Ziel, deren Sondereinheiten nicht
jederzeit für kleinere Aktionen in Anspruch nehmen zu müssen,
entschied
man sich im Fedpol, "Tigris" unter Leitung des damaligen Chefs der
Bundeskriminalpolizei und künftigen Kommandanten der Schaffhauser
Polizei, Kurt Blöchlinger, aufzustellen. Deshalb begnügte man
sich mit
einer Orientierung der Polizeikommandanten. Diese haben aber jederzeit
Gelegenheit, die Ausbildung von "Tigris" mitzuverfolgen.
Überdies werden mit den Kantonen gemeinsame Schulungskurse
durchgeführt. Und dem Vernehmen nach hat auch ein kantonaler
Polizeioffizier einmal einen Echteinsatz unter Einbezug von "Tigris"
selbst geleitet. Gemäss einer Weisung werden die Kantone über
jede
Operation auf ihren jeweiligen Hoheitsgebieten orientiert.
Offensichtlich beurteilten die Kantonspolizeikommandanten "Tigris"
nicht als Eingriff in die kantonale Polizeihoheit. Andernfalls
hätten
sie wohl nicht gezögert, ihre jeweiligen Regierungsräte
unverzüglich
ins Bild zu setzen.
Koordination drängt sich auf
Dennoch stellt sich eine Frage: Zurzeit unterhalten nicht nur
Kantone
und grosse Städte, sondern auch die Militärische Sicherheit
und das
Grenzwachtkorps Formationen für Spezialeinsätze. Und in der
Armee wird
das Armee-Aufklärungsdetachement 10 für schwierige Missionen
im Ausland
bereitgehalten. Moderne Bedrohungsformen verlangen solche
Sondereinheiten. Eine Koordination dieses Instrumentariums
bezüglich
Aufgabenfeldern, Einsatzdoktrin und Kooperationsmodellen drängt
sich
aus föderalistischen Überlegungen und nicht zuletzt auch aus
Kostengründen auf.
Wenn ein Sicherheitsdepartement geschaffen worden wäre,
wäre dies
heute eine relativ einfache Sache. Auch wenn personelle Zusammensetzung
und spezielle Einsatzverfahren geheim gehalten werden müssen, sind
Politik und Öffentlichkeit künftig besser zu informieren, als
dies bis
jetzt der Fall ist. Nur dann lassen sich übertriebene Aufregungen
vermeiden.
---
Le Matin 28.3.09
Des tigres ou des clowns?
Police fédérale
Nouvelles révélations sur les opérations
menées par Tigris, le groupe
d'élite. Et déjà une grosse interrogation: a-t-on
vraiment besoin d'une
police surentraînée pour ça?
Il y a trois semaines, personne ne savait qu'ils existaient. Depuis,
les médias enchaînent les révélations sur
les membres de Tigris, le
groupe d'élite de la police fédérale. Ils sont 14
et bénéficient d'un
budget de près de trois millions de francs par année pour
s'entraîner
dans un local secret situé dans la banlieue bernoise. La plupart
d'entre eux se tatouent un tigre sur l'épaule, le sigle de
l'unité
spéciale. Bref, ils sont surentraînés.
Et vu le secret qui règne autour d'eux, tout le monde s'est mis
à
imaginer un supergroupe d'intervention. Un peu à la GIGN en
France.
Après tout, la sécurité intérieure est du
ressort des cantons, il ne
reste à la Confédération que les cas de grand
banditisme international,
de blanchiment d'argent ou de terrorisme.
Pourtant en 2008, les Tigris ont effectué 40 arrestations. Et
depuis
leur création, il y a cinq ans, ils ont mené plus de 130
opérations.
Ils doivent être drôlement efficaces, ces Tigris…
Mais voilà, hier le Tages-Anzeiger révélait leurs
véritables missions:
l'arrestation d'une handicapée mentale allemande, ou, à
Vevey le 6 mars
dernier, celle de Gerhard Ulrich, le fondateur d'Appel au peuple
condamné à 46 mois de prison en juillet 2007 et
entré en clandestinité
depuis, d'un criminel en col blanc et d'un dealer en fuite… A la
lecture de ces exploits, une nouvelle question s'impose: a-t-on
vraiment besoin d'une police fédérale
surentraînée pour ce genre de
missions alors que les polices cantonales pourraient très bien
s'en
occuper?
"Je suis très sceptique", explique dans les colonnes du journal
zurichois Karin Keller-Sutter, la très influente directrice du
Département saint-gallois de justice. Elle ajoute: "On peut se
demander
s'il est judicieux que la Confédération intervienne dans
de tels cas. "
Doublon avec la police
Maria Roth-Bernasconi (PS/GE), vice-présidente de la Commission
de
gestion qui doit justement s'occuper de cette question, ne peut retenir
un "pff" en découvrant la liste des interventions de Tigris.
Elle se
demande: "N'y a-t-il pas, de toute évidence, doublon entre
Tigris et
les polices cantonales? L'argent du contribuable doit-il vraiment
servir à ça?"
Objectifs internationaux
Même au sein de la police, Tigris étonne. "Nous sommes
bien loin du
GIGN", confirme un policier spécialisé. Il
préfère rester anonyme, mais
il n'en pense pas moins: "S'ils étaient superbons et qu'ils
avaient des
compétences supérieures à celles des polices
cantonales, ça se saurait.
"
Pourtant, les polices cantonales ont, par exemple, pensé
à regrouper
leurs tireurs d'élite. Autrement dit: une structure
fédérale
superspécialisée aurait sa raison d'être. "Oui,
commente le policier,
mais alors, dotons-nous d'une vraie force de frappe
spécialisée. Pas
d'une unité ridicule composée de 14 personnes. Je vous
signale que tous
les groupes d'élite des polices cantonales possèdent plus
d'hommes. "
Du côté du Département fédéral de
justice, Guido Balmer répète en
boucle que Tigris remplit des objectifs internationaux "qui ne sont pas
affectés à un canton". Eveline Widmer-Schlumpf a
bloqué toute
information en attendant les résultats de l'enquête sur
les activités
de cette unité. Hier, pourtant, elle a reçu une partie
des directeurs
cantonaux de Justice et Police pour les informer sur Tigris. La
conseillère d'Etat vaudoise, Jaqueline de Quattro, lâche:
"Je n'étais
pas au courant de leur existence, ni de leur intervention à
Vevey lors
de l'arrestation de Gehrard Ulrich. Mais la police judiciaire
fédérale
s'organise comme elle veut, je ne vois pas le problème. "
---
Thurgauer Zeitung 28.3.09
Thurgau fordert Grenzen für Sonderpolizei Tigris
Marc Haltiner
Die umstrittene Sonderpolizeieinheit des Bundes brauche einen klaren
Auftrag, verlangt Regierungsrat Claudius Graf-Schelling. Tigris
dürfe
nur kriminalpolizeiliche Aufgaben erfüllen. Alles andere falle in
die
Kompetenz der Kantone.
Frauenfeld/Bern - In Bern ist das Justiz- und Polizeidepartement
fieberhaft daran, die gesetzliche Grundlage für die umstrittene
Sonderpolizeieinheit Tigris abzuklären. Die Wochenzeitung
"Weltwoche"
hatte die Existenz dieser 14-köpfigen Truppe des Bundes
enthüllt, die
ohne politischen Auftrag, mit Millionenbudget und ohne parlamentarische
Aufsicht operiere. Wie stark Bundesrat und Kantone über die
Gründung
von Tigris orientiert waren, ist ebenfalls umstritten und wurde im Lauf
dieser Woche immer wieder unterschiedlich kommentiert.
Keine Sicherheitspolizei
Die Polizeikommandanten seien im Herbst 2005 informiert worden,
bestätigt nun Regierungsrat Claudius Graf-Schelling. Er selber
habe
keine Probleme mit Tigris, solange die Gruppe kriminalpolizeiliche
Aufgaben wahrnehme und die Kantone bei der Fahndung unterstütze.
Klar
sei aber, dass allein die Kantone für die Sicherheitspolizei und
für
Schutzaufgaben zuständig seien. Es sei falsch, wenn sich Tigris zu
einer eigentlichen Eingreiftruppe entwickle. In solchen Fällen
müsse
der Bund auf die Spezialeinheiten der Kantonspolizei zurückgreifen.
Graf-Schelling will sich auch auf politischer Ebene für die
Kantone
stark machen: Der Bund habe auf Fachebene zu stark in deren Hoheit
eingegriffen. Leise Kritik übt er an der Bundeskriminalpolizei.
(hal)
lSeite 11
--
"Kein Eingreifen über das Hintertürchen"
Marc Haltiner
Die Forderung des Justiz- direktors ist deutlich: Tigris, die
umstrittene Sonderein-satztruppe der Bundespolizei, dürfe die
Rechte
der Kantone nicht antasten, sagt Claudius Graf-Schelling.
Seit Tagen steht Tigris, die Sonderein-satztruppe der Bundespolizei, in
der Kritik. Wie stark waren die Kantone wirklich darüber im Bild?
Claudius Graf-Schelling: Den Polizeikommandanten wurde im Herbst 2005
das Kommissariat Allgemeine Vorermittlung, Zielfahndung,
Ersatzmassnahmen, genannt Tigris, vorgestellt. Dabei wurde betont, dass
es sich nicht um eine Interventionseinheit analog derjenigen der
Kantone handle. Eine kriminalpolizeiliche Zielfahndungs- und
Eingreiftruppe war nach Ansicht der Polizeikommandanten
zweckmässig und
bedurfte deshalb auch nicht der weiteren Erörterung.
Was stört Sie an Tigris? Diese kleine Einheit mit 14 Personen
könnte wertvolle Unterstützung leisten.
Solange es sich bei Tigris um eine kriminalpolizeiliche
Zielfahndungsgruppe handelt, stört sie mich nicht. Es kann
sinnvoll
sein, dass die Bundeskriminalpolizei über eine Festnahmegruppe
verfügt,
die im öffentlichen Raum eine Festnahme bei einem erhöhten
Gefährdungspotenzial oder einen Notzugriff in einem Objekt
durchführen
kann. Falsch wäre es aber, wenn sich Tigris zu einer eigentlichen
Interventionseinheit entwickeln würde. Denn die
sicherheitspolizeiliche
Arbeit ist eine kantonale Aufgabe. Bedingt das Gefahrenpotenzial den
Zuzug einer Spezialeinheit, so hat die Bundeskriminalpolizei die
vorhandenen Spezialeinheiten der Polizeikorps beizuziehen, im Thurgau
wäre das die Spezialeinheit Leu der Kantonspolizei.
Der Bund will mit Tigris eine Lücke schliessen, weil die
Polizeikorps der Kantone schwach dotiert sind.
Diese Feststellung ist falsch. Es geht nicht um eine Lücke. Wenn
es
personalintensive Aufgaben gibt, die die Kantone regeln müssen,
dann
suchen sie das Gespräch untereinander und unterstützen sich
gegenseitig
mit Polizeikräften. Der Thurgau erhielt bis jetzt keine Anfrage
anderer
Kantone, die über die Einsätze im Rahmen der
Polizeikonkordate
hinausging, Grossereignisse wie die Euro 08 abgesehen. Aber
selbstverständlich hätten wir Hand zur Hilfe geboten.
Wird Tigris ein Nachspiel im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen
haben? Der Bund überging ja offensichtlich die Kantonsregierungen.
Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf hat in Aussicht gestellt, die
Legitimation und die Notwendigkeit der Tigris untersuchen zu lassen.
Nun sind die Ergebnisse der Untersuchung abzuwarten und dann die
politische Beurteilung zu ziehen. Generell möchte ich in diesem
Zusammenhang Folgendes festhalten: In den letzten zwölf Monaten
musste
ich immer wieder feststellen, dass Bundesorgane auch auf dem Weg der
Fachebene mit den Kantonen kommunizieren und die politischen Gremien
der Kantone ausser Acht gelassen werden. Ich monierte das auch im
Vorstand der kantonalen Justizdirektorenkonferenz. Der Bund darf nicht
auf dem Hintertürchen in die Hoheit der Kantone eingreifen.
Der Bund erhält immer mehr Rechte in der Strafverfolgung. Dieser
Trend lässt sich doch nicht mehr aufhalten.
Ich glaube nicht, dass der Bund in diesem Bereich so schnell alleine
zuständig wird. Die Bundeskriminalpolizei hat immer noch so viele
Probleme mit sich selbst, dass ich keine Gefahr für die
Kompetenzen der
Kantone sehe. Das zeigt ja auch, wie wichtig noch immer die Arbeit der
Kantonspolizei und der kantonalen Strafverfolgungsbehörden ist.
Die
Kantone werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen.
Interview: Marc Haltiner
---
24 Heures 28.3.09
A quoi sert l'unité "secrète" Tigris? À
arrêter Gerhard Ulrich à Vevey
Police - Que fait l'unité d'intervention de la police
fédérale? On commence à y voir plus clair.
Gerhard Ulrich a été arrêté par Tigris.
C'était le 6 mars dernier à
Vevey. Le fondateur d'Appel au peuple, condamné pour calomnie et
en
cavale depuis de longs mois, a été
appréhendé par le groupe
d'engagement de la police judiciaire fédérale (PJF),
connu sous le nom
de Tigris. Comme l'a révélé le Tages-Anzeiger
hier, c'est la dernière
mission recensée de cette troupe d'élite de 14 membres,
dont des
femmes, qui totalise 130 interventions depuis sa création en
2003.
En Suisse romande, on trouve une autre trace de Tigris: en mars 2004,
ces enquêteurs interviennent à Lausanne pour interpeller -
"avec
ménagement", dit le communiqué - une ressortissante
allemande
"souffrant d'une forte déficience mentale" qui avait
"fugué". Selon la
procédure d'usage, les interventions de Tigris, dont on commence
peu à
peu à saisir le rôle, se déroulent toujours avec la
collaboration des
forces de l'ordre locales. Dans le cas de Gerhard Ulrich, avec la
police cantonale vaudoise. Dans celui de la "fugueuse", avec la police
lausannoise.
Une "non-affaire"
Révélée il y a quinze jours par la Weltwoche,
l'existence de cette
unité "secrète" ne cesse d'intriguer. Fedpol (police
fédérale) a depuis
lors expliqué qu'elle n'était en rien une police
secrète comme d'aucuns
s'en sont inquiétés. Son budget est connu (2,8 millions),
son travail
s'inscrit dans l'organigramme de Fedpol. Cependant, les parlementaires
fédéraux ont pris conscience de son existence par la
presse et la
ministre de Justice et police (DFJP), Eveline Widmer-Schlumpf, a
ordonné une enquête pour faire la lumière sur ses
activités.
Pour le communicateur du DFJP, Guido Balmer, tout cela relève de
la
non-affaire. Et d'expliquer que les hommes de Tigris interviennent dans
trois cas de figure. La recherche ciblée, pour retrouver sur le
territoire suisse des personnes sous mandat d'arrêt international
(c'était le cas pour Gerhard Ulrich, aussi sous enquête en
Allemagne).
Pour la protection de leurs collègues de la PJF, notamment lors
des
perquisitions. Ces derniers sont, pour la plupart, des juristes ou des
économistes. Leur activité est davantage "de bureau que
de terrain",
glisse Guido Balmer. Enfin, les membres de Tigris s'occupent aussi de
formation, spécifiquement de l'instruction au tir pour leurs
collègues
qui doivent porter une arme.
Xavier Alonso Berne
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GIPFEL-SOLI-NEWS 27.3.09
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gipfelsoli.org/Newsletter
27.3.09
27.3.2009 London -- Strasbourg/ Baden-Baden
- G20 Summit - advice to businesses
- Fat cats in terror after anti-capitalists attack Fred the Shred's home
- G20 anarchists use Google Streetview to target the City
- Nato-Gipfel: Einigung in den Verhandlungen um Protestcamp
- Nato-Gipfel: DJV fordert faire Akkreditierungen
- Sicherheitszone Gipfel
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/6470.html