MEDIENSPIEGEL 2.4.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- (St)Reitschule: Gemeinderat + Reitschule-Verkaufs-Initiative
- Selbstverwaltungskongress Basel
- RaBe-Info 2.4.09
- Rauchverbot BE: Ausführungsbestimmungen da
- Stadt lobt Pinto über den grünen Klee hinaus
- Bundesgericht zum Demoreglement Thun
- Regierungsrat BE zur Migrationspolitik
- PNOS: Geschwür-Spruch bleibt ungestraft
- Buch zum Fall Paul Grüninger
- Auf den Spuren der PartisanInnen
- Big Brother Sport: Sportfichen in Zürich; Videokameras in Grenchen
- Uni von unten gegen Vasella + Co.
- Gassenküche Solothurn
- Hausbesetzung Biberist: BesetzerInnen melden sich
- Wohnungs-Besetzung in Basel
- Waffenhändlerin Ruag steigert Umsatz
- No Nato: Volxküche Le Sabot immer noch an Grenze
- G-20: Banker im T-Shirt, 1 Toter
- Anti-Atom: Atomwandern an der Aare

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REITSCHULE
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Do 02.04.09
20.30 Uhr - Tojo - Endgame, Theatergruppe Englisches Departement Uni Bern
20.30 Uhr - Kino - Tango, C. Saura, ARG 1997, OV/df, 115min, 35mm
22.00 Uhr - Rössli-Bar - Friends with Displays CH - Nu-Rave Electro

Fr 03.04.09
20.30 Uhr - Tojo - Endgame, Theatergruppe Englisches Departement Uni Bern
21.00 Uhr - Kino - Je ne suis pas là pour être aimé, S. Brizé, F 2005, OV/d, 93min, 35mm
22.00 Uhr - Frauenraum - frauendisco popshop mit Anouk Amok & Madame Léa - Women only
22.00 Uhr - Dachstock - Groovebox: Kollektiv Turmstrasse live Connaisseur/Ostwind Records/MGF/Diynamic Music, Hamburg Tigerskin aka Dub Taylor live Organic Domain Rec./Opossum/Mood Music, Berlin Fa_Bien beam rec, be - Minimal/House/Elektro

Sa 04.04.09
19.00 Uhr - SousLePont - Afrika Spezialitäten
20.30 Uhr - Tojo - Endgame, Theatergruppe Englisches Departement Uni Bern
21.00 Uhr - Kino - Màs Tango, A. Hannsmann, S. Schnabel, D/Arg 2006, OV/d, 56min, dvd
22.00 Uhr - SousLePont - One Love Jam: Isaac Biaas & the Soul Babimbi Afro Swing Aftershow mit DJ‘s Side by Cyde, Angle by Fall Sound System, Jonas Selecta, Zion Sound Int.
22.00 Uhr - Frauenraum - Antifafestival presents: SICK GIRLS Berlin
22.00 Uhr - Dachstock - Little Axe, Skip McDonald, Doug Wimbish, Keith LeBlanc feat. Bernard Fowler USA/UK - Blues/Funk/Rock

So 05.04.09
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch im Sous le Pont
18.00 Uhr - Rössli - Piano-Bar

Infos: www.reitschule.ch

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Bund 2.4.09

Little Axe

Blues plus Dub

Unerhört: Der Gitarrist Little Axe alias Skip McDonald werkelt seit den Neunzigerjahren zusammen mit seinen Mitstreitern Dough Wimbish und Keith LeBlanc an einer Neudefinition des Blues, indem er ihm den Jammer, die Sehnsucht und die Geschichte raubt und ihn dafür mit der Schlurfigkeit des Dub, mit Jazz, Hip-Hop und Rock zu einem wunderlich-wunderbaren Musikbastard kreuzt. Als Gastsolist amtiert Bernard Fowler, der auch schon den Rolling Stones sein Vokalorgan lieh. (reg)

Reitschule Dachstock

Samstag, 4. April, 22 Uhr.

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(ST)REITSCHULE
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bern.ch 2.4.09

Kurznachrichten des Gemeinderats

Ferner hat der Gemeinderat

(...)

* vom Zustandekommen der Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule!" Kenntnis genommen. 5081 Personen haben das Begehen innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Monaten gültig unterzeichnet. Die Initiative ist als einfache Anregung formuliert. Sie verlangt den Verkauf der Berner Reitschule im Baurecht (Baurechtsdauer 99 Jahre) auf den 31. März 2012 an den Meistbietenden. Die Präsidialdirektion wird beauftragt, innert Jahresfrist eine Stadtratsvorlage auszuarbeiten.

(...)

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SELBSTVERWALTUNG
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WoZ 2.4.09

Kongress

Selbstverwaltung

Das "Hirschi" hat Geburtstag: Die alternative Beiz in Kleinbasel wird am 1. Mai dreissig Jahre alt. Seit seinen Anfängen ist das Team des Hirschenecks als selbstverwaltetes Kollektiv organisiert, es gibt keinen Chef und keine Angestellten. Im Rahmen des dreissigjährigen Jubiläums organisiert das Hirschi einen zweitägigen Kongress zum Thema Selbstverwaltung, an dem über neue Gesellschaftsformen, Macht und Hierarchie, Kollektiv und Individuum referiert und diskutiert wird.

An der Selbsverwaltungskongress-Afterparty ist zudem ein "One Man Musical" mit dem Titel "Alien Proletarian Anarchist" zu sehen. In dem skurrilen Stück geht es um UFOs, Anarchismus, private Sicherheitsdienste und Business-Krieger. Als einsamer Klon von Bertolt Brecht 2012 in Chicago oder als Alien, das ein paar Wochen nach dem Angriff auf Pearl Harbor 1941 in Los Angeles landet, versucht ein österreichischer Alleinunterhalter die Welt zu retten. süs


Selbstverwaltungskongress in: Basel Kollegiengebäude der Universität, Sa, 4. April ab 10.30 Uhr, So, 5. April, ab 10 Uhr. http://www.selbstverwaltung.hirscheneck.ch

"Alien Proletarian Anarchist": One-Man Musical in: Basel Hirscheneck, Sa, 4. April, 21 Uhr. http://www.hirscheneck.ch

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rabe.ch 2.4.09
http://www.freie-radios.net/mp3/20090401-selbstverwal-27193.mp3

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RABE-INFO 2.4.09
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RaBe-Info 02.April 2009
- Proteste in Strassburg gegen das NATO Jubiläum
- Kongress in Basel für selbstverwaltete Betriebe
http://www.freie-radios.net/mp3/20090401-selbstverwal-27193.mp3
- Freiwilligenarbeit in der Schweiz für den Lebenslauf
http://www.rabe.ch/pod/index.php?id=28
http://www.rabe.ch/pod/get.php?web=RaBe-Info-2009-04-02-53694.mp3

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RAUCHVERBOT
http://www.be.ch/rauchen
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be.ch 2.4.09

Medienmitteilung des Kantons Bern

Schutz vor Passivrauchen: Regierungsrat genehmigt die Ausführungsbestimmungen (02.04.2009)

Ab dem 1. Juli 2009 sind öffentlich zugängliche Innenräume im Kanton Bern rauchfrei. Nun hat der Regierungsrat auch die Ausführungsbestimmungen verabschiedet. Diese legen fest, wie ein Fumoir ausgestaltet sein muss, damit dort weiter geraucht werden kann.

Die Volkswirtschaftsdirektion hatte zum Entwurf der Vorschriften eine Konsultation durchgeführt. Gestützt auf die Ergebnisse wurden die Bestimmungen punktuell überarbeitet. Dies wird für den Vollzug mehr Klarheit schaffen. Dagegen ist weder eine weitere Verschärfung angebracht noch kann auf einzelne Beschränkungen verzichtet werden. Insbesondere ist keine weitere Lockerung der Vorschriften möglich, weil damit der Auftrag des Grossen Rats nicht umgesetzt würde, im Kanton Bern keine Raucherbetriebe zuzulassen.

Die wichtigsten Bestimmungen sind:

* Ein Fumoir ist ein abgeschlossener Raum mit eigener Lüftung. Nicht notwendig ist eine eigenständige, vollständige Lüftungsanlage. Es ist aber darauf zu achten, dass die verrauchte Luft nicht in die anderen Räume des Betriebs gelangt. In Räumen ohne mechanische Lüftung genügt eine Luftreinigung mit einem HEPA Filter.

* Das Fumoir darf nicht mehr als einen Drittel der Bodenfläche aufweisen.

* Ausserhalb der Fumoirs ist das Rauchen nicht mehr gestattet. Dies gilt auch für Treppen und Gänge sowie die WC Anlagen. Keinen Einschränkungen unterliegt das Rauchen im Freien.

* Der Zutritt zu Fumoirs ist erst ab dem Alter von 18 Jahren gestattet. Damit wird der Jugendschutz weitergeführt, der 2007 mit dem Werbeverbot für Tabak und dem Verbot des Verkaufs an Personen unter 18 Jahren eingeführt worden ist.

* Der Schutz vor Passivrauchen ist in allen Betrieben zu gewährleisten, auch in Vereinslokalen und bei Festwirtschaften. Im Gastgewerbe ist ein Fumoir in der Regel auf 60 m2 begrenzt. Den Vorschriften für alle Ausschankräume entsprechend, muss bei Ausbauten eine mechanische Lüftung mit Zu- und Abluft eingebaut werden.

* Im Fumoir dürfen keine Leistungen angeboten werden, die im übrigen Betrieb nicht erhältlich sind. Dies gilt während den ganzen Öffnungszeiten und schliesst aus, nur im Fumoir zu bedienen.

* Im Gastgewerbe darf die Gaststube nicht das Fumoir sein. Im Fumoir sind weder Bar noch Buffet zugelassen. Bei bestehenden Räumen müssen sie nicht zurückgebaut, aber definitiv ausser Betrieb genommen werden.


Den Betrieben bleiben nun drei Monate Zeit, die Umstellung vorzubereiten und die Bewilligung für das Fumoir einzuholen. Im Gastgewerbe werden in Zusammenarbeit mit den Regierungsstatthalterämtern alle Betriebe angeschrieben. Die Gemeinden werden mit der systematischen Information für Gemeinden anfangs Mai orientiert. Im Internet orientiert die Volkswirtschaftsdirektion unter www.be.ch/rauchen über das Thema.

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http://www.be.ch/rauchen

Schutz vor dem Passivrauchen

Die Bestimmungen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Passivrauchen gelten ab dem 1. Juli 2009. Von diesem Zeitpunkt an sind öffentlich zugängliche Innenräume konsequent rauchfrei. Das Rauchen ist nur noch in Fumoirs gestattet. Diese müssen abgeschlossen und gelüftet sein.

Damit gehört der Kanton Bern zu jenen Kantonen, welche die Bevölkerung früher und besser vor dem Passivrauchen schützen, als es die Bundeslösung vorsieht.

Nicht nur in den Gastgewerbebetrieben, sondern auch in allen anderen Gebäuden, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, darf nur noch in Fumoirs geraucht werden. Beispielsweise in Einkaufszentren, Konzertlokalen, Kinos oder Theatern, in Verwaltungsgebäuden oder Spitälern werden die Besucherinnen und Besucher vor den schädlichen Folgen des Passivrauchens geschützt.

Die Betreiberinnen und Betreiber sind dafür verantwortlich, dass die neuen Vorschriften umgesetzt werden. Dazu müssen sie Folgendes vorkehren:

* Die Innenräume rauchfrei einrichten und Aschenbecher entfernen
* Über das Rauchverbot informieren, beispielsweise mit Hinweisschildern
* Benutzerinnen und Benutzer anhalten, das Rauchen zu unterlassen
* Nötigenfalls Personen weg weisen, die das Verbot missachten

In Fumoirs bleibt das Rauchen gestattet. Fumoirs sind abgeschlossene Räume mit einer Lüftung. In Gastgewerbebetrieben dürfen sie bedient sein.

* Vortrag zur Verordnung zum Schutz vor Passivrauchen und zur Änderung der Gastgewerbeverordnung (PDF, 61 KB)
http://www.vol.be.ch/site/beco-publ-schpg-vortrag.pdf
* Verordnung zum Schutz vor Passivrauchen (PDF, 31 KB)
http://www.vol.be.ch/site/beco-publ-schpg-verordnung.pdf
* Merkblatt Schutz vor Passivrauchen (PDF, 73 KB)
http://www.vol.be.ch/site/beco-publ-schpg-merkblattrst.pdf
* Gesetz vom 10. September 2008 zum Schutz vor Passivrauchen
http://www.sta.be.ch/belex/d/BAG-pdf/BAG_09-26.pdf

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PINTO
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bern.ch 2.4.09

Projekt für Prävention, Intervention und Toleranz erfüllt Erwartungen

PINTO hat sich etabliert

Das Projekt für Prävention, Intervention und Toleranz PINTO läuft gut. Das zeigt ein Bericht des Gemeinderats. Die Teams schaffen die Gratwanderung zwischen Hilfe leisten und verbindliche Anweisungen erteilen. Sie arbeiten eng mit sozialen und Sicherheits-Organisationen zusammen.

Fast 5400 Stunden waren die Mitarbeitenden von PINTO im Jahr 2008 im öffentlichen Raum präsent. Ob Probleme vor der Reitschule, in der Aarbergergasse oder rund um den Gaskessel, ob Schwierigkeiten mit Drogenabhängigen, mit Jugendlichen im Ausgang oder Obdachlosen - das PINTO-Team hat geschlichtet oder beraten. Laut Bericht des Gemeinderates hat es über 4700 Mal soziale oder medizinische Interventionen durchgeführt. Über 5000 Mal ist es bei Konflikten ordnungsdienstlich eingeschritten.

Arbeit nimmt zu

Das Aufgabengebiet von PINTO ist im letzten Jahr deutlich gewachsen. Grund dafür ist PINTOs wachsende Bekanntheit, aber auch sein guter Ruf. Zudem steigt die Zahl der Beschwerden aus der Bevölkerung und dem Gewerbe, und die Einsätze in Aussenquartieren und bei Institutionen nehmen zu. Für PINTO wird es deshalb immer schwieriger, das Kerngeschäft - eine möglichst hohe Präsenz in der Innenstadt - zu erfüllen.

PINTO-Team stösst an Grenzen

Angesichts neuer sozialer Brennpunkte in den Stadtteilen (Bahnhofplatz, Westside, Kleefeld etc.) und steigender Probleme im Zusammenhang mit dem Ausgehverhalten von Jugendlichen (z.B. Botellòn) ist es wichtig, dass Pinto schnell reagiert und schon bei ersten Anzeichen eines neuen, möglichen Brennpunktes präsent ist. Zusätzliche Einsätze in Aussenquartieren oder an Wochenenden sind mangels Personal aber nicht möglich.

 
Informationsdienst

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DEMO THUN
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bernerzeitung.ch 2.4.09

Verschärfte Kundgebungsbestimmungen sind verfassungskonform

Die verschärften Bestimmungen zu Kundgebungen in der Stadt Thun sind verfassungskonform. Das hat das Bundesgericht festgehalten und dreizehn Beschwerden - unter anderem des Gewerkschaftsbunds Thun - vollumfänglich abgewiesen.

Demzufolge verletzt das totalrevidierte Ortspolizeireglement der Stadt Thun die Grundrechte nicht, wenn in Thun künftig die Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung untersagt ist. Auch bezeichnet das Bundesgericht die Meldepflicht von Spontankundgebungen gemäss neuer Regelung als verhältnismässig.

Das Bundesgericht stützt damit in seinem am Donnerstag veröffentlichten Urteil Entscheide des Thuner Regierungsstathalters und des bernischen Regierungsrats.

Wie beim Baurecht

Beschwerde erhoben hatten nebst dem Gewerkschaftsbund Thun auch die Demokratischen Juristinnen und Juristen und die Grüne Partei Bern sowie zehn Private.

Die Kritik lautete, die neue Regelung werde beispielsweise einen unplanbaren Protestmarsch erzürnter Arbeitnehmer nach Ankündigung einer Massenentlassung verunmöglichen. Die Bestimmung, wonach die Teilnahme an einer unbewilligten Demo strafbar sei, verletze die Meinungsfreiheit.

Im ersten Punkt weist das Bundesgericht darauf hin, dass das vom Thuner Stadtrat im November 2006 verabschiedete neue Ortspolizeireglement die Teilnahme an unbewilligten Demos nur dann unter Strafe stellt, wenn die Kundgebung nicht friedlich verläuft.

Der bernische Regierungsrat habe diese Frage bei der Überprüfung des Reglements wie beim Baurecht betrachtet, wo ohne Bewilligung erbaute Gebäude nur dann abgebrochen werden müssen, wenn sie sich im Nachhinein als unzulässig erwiesen.

Unbewilligte Demos würden also im Nachhinein einer summarischen Prüfung unterzogen. Verlaufe sie friedlich, passiere nichts. Komme es zu Ausschreitungen, könne man sie formell und auch materiell als rechtswidrig betrachten.

Ganz spontane und halb spontane Demos

Zur Meldepflicht bei Spontandemos heisst es, es sei ein Ausgleich zu finden zwischen den behördlichen Bedürfnissen und der Ermöglichung von Spontankundgebungen. Der Regierungsrat habe in seinem Entscheid von Februar 2008 aufgezeigt, dass es echte Spontandemos gebe und solche, die doch einen gewissen Grad an Organisiertheit aufwiesen.

Diese Differenzierung sei geeignet, unter Wahrung der öffentlichen Interessen Spontankundgebungen zu ermöglichen, die Pflichten der Organisatoren "sachgerecht zu begrenzen" und die Strafbarkeit einzugrenzen.(Urteil 1C_140/2008 vom 17.3.2009; keine BGE-Publikation) (sda)

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bger.ch 2.4.09
http://jumpcgi.bger.ch/cgi-bin/JumpCGI?id=17.03.2009_1C_140/2008

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
 
{T 1/2}
1C_140/2008
 
Urteil vom 17. März 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Steinmann.
 
1. Parteien
Demokratische Juristinnen und Juristen DJB, handelnd durch Gerhard Hauser,
2. Grüne Partei Bern - Demokratische Alternative GPB-DA, handelnd durch Luzius Theiler,
3. Gewerkschaftsbund Thun, handelnd durch
Udo Michel und Adrian Durtschi,
4. Calogero Mirabile,
5. Martin von Allmen,
6. Daniel Rieder,
7. Rahel Rieder,
8. Christa Steiner-Hardegger,
9. David Steiner,
10. Tobias Steiner,
11. Gabriela Bernet-Moser,
12. Georg Meyer,
13. Adrian Durtschi,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Fürsprecher
Dr. Michel Heinzmann,
 
gegen
 
Stadt Thun, Abteilung Sicherheit, Hofstettenstrasse 14, Postfach 145, 3602 Thun.
 
Gegenstand
Teilrevision des Ortspolizeireglements der Stadt Thun,
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 13. Februar 2008 des Regierungsrats des Kantons Bern.
Sachverhalt:
 
A.
Der Stadtrat von Thun (Gemeindeparlament) verabschiedete am 2. November 2006 eine Teilrevision des Ortspolizeireglementes der Stadt Thun vom 27. Juli 2002 (OPR). Die Revision ergänzte das Reglement u.a. mit Bestimmungen über Kundgebungen auf öffentlichem Grund (Art. 11b-11f OPR) und entsprechenden Strafbestimmungen (Art. 31 Abs. 1 OPR).
Diese neuen Bestimmungen des Ortspolizeireglementes haben folgenden Wortlaut:
Art. 11b - Kundgebungen auf öffentlichem Grund, 1. Bewilligungspflicht
1 Als Kundgebungen (wie z.B. Umzüge, Demonstrationen und Versammlungen) gelten Veranstaltungen mit ideellem Inhalt und einer Appellwirkung, welche von mehreren Personen getragen wird.
2 Kundgebungen auf öffentlichem Grund sind nur mit einer vorgängigen Bewilligung des zuständigen Organs erlaubt. Vorbehalten bleibt Art. 11d.
3 Eine Bewilligung wird erteilt, wenn ein geordneter Ablauf der Kundgebung gesichert und die Beeinträchtigung von andern Benutzern und Benutzerinnen des öffentlichen Grundes zumutbar erscheint.
4 Die Bewilligung ist mit geeigneten Auflagen wie z.B. betreffend Zeitpunkt und Dauer, Route, Ansprechperson, Ordnungs- und Sicherheitsdienst zu verbinden.
Art. 11c - 2. Bewilligungsgesuch
1 Das Gesuch muss insbesondere folgende Angaben enthalten:
a) Datum der Kundgebung,
b) Art der Kundgebung,
c) Thema der Kundgebung,
d) Veranstaltende Organisation(en),
e) Erwartete Anzahl Teilnehmer und Teilnehmerinnen,
f) Besammlungsort,
g) Umzugsroute,
h) Zeitlicher Ablauf,
i) Infrastruktur (Mittel, Einrichtungen),
j) Personalien der verantwortlichen Person.
2 Formulare werden von der zuständigen Abteilung zur Verfügung gestellt.
Art. 11d - 3. Meldepflicht für spontane Kundgebungen
1 Kundgebungen sind spontan, wenn sie als unmittelbare Reaktion auf ein unvorhergesehenes Ereignis spätestens am zweiten Tag nach Bekanntwerden dieses Ereignisses durchgeführt werden.
2 Sie müssen nicht bewilligt werden, sind aber meldepflichtig. Die Meldung muss alle Informationen nach Art. 11c Abs. 1 enthalten.
Art. 11e - 4. Pflichten der Organisierenden
1 Die Organisierenden von bewilligungspflichtigen Kundgebungen
a) holen vorgängig die Bewilligung nach Art. 11b ein und halten diese während der Kundgebung ein,
b) sind vom Einreichen des Gesuchs bis zum Ende der Kundgebung Ansprechpersonen für das zuständige Organ und halten den Kontakt mit diesem aufrecht,
c) stellen mit einem Organisationsdienst die Einhaltung der Bewilligung inklusive der Auflagen sicher.
2 Die Organisierenden von spontanen Kundgebungen
a) melden diese dem zuständigen Organ gleichzeitig mit dem Aufruf zur Kundgebung,
b) sind vom Einreichen der Meldung bis zum Ende der Kundgebung Ansprechpersonen für das zuständige Organ und halten den Kontakt mit diesem aufrecht,
c) stellen soweit wie möglich mit dem Organisationsdienst oder auf andere Weise einen geordneten Ablauf der Veranstaltung sicher.
Art. 11f - 5. Verhalten der teilnehmenden Personen
1 Die Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung nach Art. 11b ist untersagt. Das Erscheinen am Besammlungsort gilt bereits als Teilnahme.
2 Die Teilnehmenden bleiben straffrei, wenn die Kundgebung friedlich verläuft, wenn sie sich freiwillig von der Kundgebung entfernen oder wenn sie einer Aufforderung nach Abs. 3 folge leisten.
3 An einer Kundgebung teilnehmende Personen haben sich unverzüglich zu entfernen, wenn sie von den Polizeiorganen dazu aufgefordert werden.
Art. 11g - 6. Orientierung des Gemeinderates
Das für die Bewilligung zuständige Organ orientiert den Gemeinderat insbesondere rechtzeitig
a) über nicht bewilligungspflichtige Kundgebungen,
b) über seine allfällige Absicht, eine Bewilligung zu verweigern, eine Spontankundgebung zu verbieten oder das Kundgebungsrecht zeitlich und örtlich zu beschränken.
Ausserdem revidierte der Stadtrat Art. 31 Abs. 1 des Ortspolizeireglementes und ergänzte die Bestimmungen, deren Verletzung unter Strafe steht, mit den neu beschlossenen Art. 11a, Art. 11e Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b sowie Art. 11f Abs. 1 und 3.
Dieser Stadtratsbeschluss wurde im Amtsblatt vom 9. November 2006 publiziert. Er unterstand dem fakultativen Referendum.
 
B.
Diesen Beschluss des Stadtrates fochten der Gewerkschaftsbund Thun und ein Mitbeteiligter beim Regierungsstatthalter Thun mit Gemeindebeschwerde an, mit dem Antrag auf gänzliche Aufhebung. Parallel dazu führten die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern DJB und weitere Mitbeteiligte beim Regierungsstatthalter Gemeindebeschwerde und verlangten im Wesentlichen die Aufhebung von Art. 11f Abs. 1 und 3 des Ortspolizeireglementes. Der Regierungsstatthalter von Thun wies die vereinigten Rechtsmittel am 23. Mai 2007 ab.
Die Beschwerdeführer gelangten mit getrennten Beschwerden und entsprechenden Anträgen an den Regierungsrat des Kantons Bern. Dieser fasste beide Beschwerden zusammen und wies sie mit Entscheid vom 13. Februar 2008 ab.
Er hielt im Wesentlichen fest, dass Art. 11b OPR im Einklang mit Art. 19 der Berner Kantonsverfassung stehe und die nach Art. 11c OPR geforderten Angaben erforderlich seien zur Beurteilung eines Ersuchens und für die Planung allfälliger begleitender Massnahmen. Mit Art. 11d OPR würden die Voraussetzungen für spontane Demonstrationen geschaffen. Eine Differenzierung zwischen eigentlichen Grossdemonstrationen und kleineren Umzügen sei entbehrlich. Unzulässig seien Demonstrationen gleichermassen, wenn eine Bewilligung verweigert oder gar nicht um eine solche ersucht wird, was zu einem behördlichen Handeln und zu allfälliger Verhinderung der Manifestation führen könne. Eine Verhinderung einer Kundgebung allein wegen der Umgehung der Bewilligungspflicht sei indes unverhältnismässig; diesfalls müssten die Bewilligungsvoraussetzungen nachträglich geprüft werden. Dies wirke sich auf die Strafbarkeit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen von unbewilligten Kundgebungen aus; die Strafbarkeit entfalle, wenn die Kundgebung tatsächlich friedlich verläuft und sich die Teilnehmenden freiwillig oder auf Aufforderung der Polizei hin von der Kundgebung entfernen. Zur Durchsetzung der Regelung dürfe sich die Stadt Thun des Strafrechts bedienen. Dabei lasse sich der Begriff der Teilnahme in hinreichender Weise von zufälliger Anwesenheit abgrenzen. Den Kantonen und Gemeinden bleibe nach Art. 335 Abs. 1 StGB die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht vorbehalten. Dem stehe Art. 292 StGB nicht entgegen. Die Tatbestandsumschreibung im Ortspolizeireglement sei hinreichend klar umschrieben und lasse eine verfassungskonforme Handhabung zu.
 
C.
Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates haben die Demokratischen Juristinnen und Juristen DJB und die weitern Mitbeteiligten sowie der Gewerkschaftsbund Thun und ein weiterer Mitbeteiligter in einer gemeinsamen Eingabe vom 31. März 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Sie ersuchen um Aufhebung des angefochtenen Beschwerdeentscheides des Regierungsrates, der Bestimmungen von Art. 11d, Art. 11e Abs. 2 und Art. 11f des Ortspolizeireglementes sowie der entsprechenden Passagen in Art. 31 des Ortspolizeireglementes. Sie rügen hinsichtlich der Strafbestimmungen mit Blick auf Art. 260 StGB eine Verletzung des Vorrangs von Bundesrecht gemäss Art. 49 Abs. 1 BV. Die Gemeindeautonomie erachten sie als verletzt, weil den Gemeinden die Kompetenz zum Erlass von Strafbestimmungen fehle. Ferner rügen sie Verletzungen der Meinungsfreiheit gemäss Art. 19 Abs. 2 der Berner Kantonsverfassung. Diese erblicken sie einerseits im Umstand, dass bloss Teilnehmende in unverhältnismässiger Weise mit Strafe belegt werden könnten. Andererseits bemängeln sie, dass mit der vorgesehenen Meldepflicht spontane Kundgebungen verunmöglicht würden und sich die "Organisierenden" aufgrund der unverhältnismässigen Meldepflicht strafbar machten.
Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern für den Regierungsrat und die Stadt Thun beantragen die Abweisung der Beschwerde.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1 Die Beschwerdeführer stellen im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle gemäss Art. 82 lit. b BGG die Verfassungsmässigkeit der Revision des Thuner Ortspolizeireglementes (ORP) in Frage. Soweit dieses kommunale Recht, wie im vorliegenden Fall, einem kantonalen Rechtsmittel untersteht, werden die Kantone nach Art. 87 Abs. 2 i.V.m. Art. 86 Abs. 2 BGG als Vorinstanz des Bundesgerichts wohl eine obere gerichtliche Instanz einzusetzen haben. Die Voraussetzungen von Art. 86 Abs. 3 BGG, wonach die Kantone für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen können, dürften nicht erfüllt sein (Heinz Aemisegger/Karin Scherrer, in: Basler Kommentar zum BGG, Art. 87 N. 3 f., mit Hinweisen auf zustimmende und abweichende Lehrmeinungen; vgl. überdies Yves Donzallaz, Loi sur le Tribunal fédéral, Bern 2008, N. 3021). Das Bundesgerichtsgesetz räumt den Kantonen mit Art. 130 Abs. 3 eine Übergangsfrist von zwei Jahren für den Erlass von entsprechenden Bestimmungen ein (vgl. nunmehr Art. 74 Abs. 2 lit. b des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern in der auf den 1. Januar 2009 in Kraft gesetzten Fassung, welcher für die Anfechtung von kommunalen Erlassen anstelle des Regierungsrates das Verwaltungsgericht als zuständige Behörde vorsieht). Damit erweist sich die gegen den Entscheid des Regierungsrates gerichtete Beschwerde als zulässig.
Zur Anfechtung eines kantonalen oder kommunalen Erlasses ist gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG legitimiert, wer durch den Erlass aktuell oder virtuell besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Änderung oder Aufhebung hat; das schutzwürdige Interesse kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein (BGE 133 I 286 E. 2.2 S. 289). Die Legitimation der Beschwerdeführer, die am Verfahren vor dem Regierungsrat teilgenommen haben, ist im Grundsatz zu bejahen, ohne dass sie in Bezug auf jede einzelne Partei näher zu prüfen wäre.
Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates ist teils am 15. Februar 2008, teils erst später in Empfang genommen worden. Damit erweist sich die Beschwerde vom 31. März 2008 als rechtzeitig.
 
1.2 Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht nach Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als eine solche Rüge vorgebracht und begründet wird. Es ist im jeweiligen Sachzusammenhang zu prüfen, ob die Beschwerdeschrift diesen Anforderungen genügt.
 
2.
Die Beschwerdeführer rügen hinsichtlich der im Ortspolizeireglement enthaltenen Strafbestimmungen eine Verletzung der Gemeindeautonomie. Hierfür verweisen sie zum einen auf Art. 19 Abs. 2 der bernischen Kantonsverfassung (KV/BE), wonach Kundgebungen auf öffentlichem Grund durch Gesetz bewilligungspflichtig erklärt werden können und zu gestatten sind, wenn ein geordneter Ablauf gesichert und die Beeinträchtigung der andern Benutzer zumutbar erscheint; zum andern auf Art. 58 Abs. 1 des bernischen Gemeindegesetzes (GG; BSV 170.11), welcher den Gemeinden erlaubt, zur Durchsetzung ihrer Erlasse Bussen anzudrohen, soweit nicht eidgenössische oder kantonale Strafvorschriften entgegenstehen. Mit diesen blossen Hinweisen und mangels Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Regierungsrates, wonach die kommunalen Strafnormen mit Blick auf Art. 335 und Art. 292 StGB zulässig erscheinen (E. 9), begründen die Beschwerdeführer die Autonomierüge nicht in einer den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise. Eine Verletzung der Gemeindeautonomie ist überdies nicht ersichtlich, nachdem die im Reglement enthaltenen Strafnormen von den kantonalen Behörden nicht beanstandet worden sind. Demnach ist die Beschwerde in diesem Punkte abzuweisen, soweit darauf überhaupt einzutreten ist.
 
3.
Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines Erlasses im Rahmen der abstrakten Normkontrolle ist nach der Rechtsprechung massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungs- oder EMRK-Garantien vereinbaren lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale (oder kommunale) Norm nur auf, sofern sie sich jeglicher verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt. Dabei wird auf die Tragweite des Grundrechtseingriffs, die Möglichkeit, bei einer späteren Normkontrolle einen hinreichenden verfassungsrechtlichen Schutz zu erhalten, die konkreten Umstände, unter denen die Norm zur Anwendung kommt, sowie die Möglichkeit einer Korrektur und die Auswirkungen auf die Rechtssicherheit abgestellt. Der blosse Umstand, dass die angefochtene Norm in einzelnen Fällen auf eine verfassungswidrige Weise angewendet werden könnte, führt für sich allein noch nicht zu deren Aufhebung (BGE 133 I 77 E. 2 S. 79; 130 I 26 E. 2.1 S. 31; 128 I 327 E. 3.1 S. 334). Wie es sich damit verhält, ist nach Prüfung der vorgebrachten Rügen zu beurteilen (vgl. BGE 109 la 273 E. 2a S. 277).
 
4.
Die Beschwerdeführer rügen vorerst hinsichtlich der im Ortspolizeireglement enthaltenen Strafbestimmungen eine Verletzung des Vorrangs von Bundesrecht nach Art. 49 Abs. 1 BV. Sie machen geltend, der Straftatbestand des Landfriedensbruchs gemäss Art. 260 StGB lasse der Stadt Thun keinen Raum zum Erlass von Strafbestimmungen im Zusammenhang mit (nicht friedlichen) Kundgebungen.
Der Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht nach Art. 49 Abs. 1 BV schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine Rechtssetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts kann als verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden. Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob die kantonale Norm mit dem Bundesrecht in Einklang steht (BGE 134 I 125 E. 2.1 S. 128; 133 I 286 E. 3.1 S. 290, mit Hinweisen).
Gemäss Art. 123 Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts Sache des Bundes. Der Bundesgesetzgeber ermächtigt indes die Kantone, aufgrund von Art. 335 StGB eigene strafrechtliche Bestimmungen zu erlassen. Der Regierungsrat hat dargelegt, dass die Stadt Thun unter dem Gesichtswinkel von Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB und in Anbetracht der Delegation in Art. 58 GG grundsätzlich befugt ist, zur Durchsetzung des kommunalen Verwaltungsrechts Strafbestimmungen zu erlassen (vgl. hierzu BGE 129 IV 276 E. 2.1 S. 279; 117 Ia 472 E. 2b S. 476; 115 Ia 234 E. 12c/cc S. 274). Die Beschwerdeführer stellen diese Auffassung nicht in Frage. Demnach ist von der grundsätzlichen Befugnis der Stadt Thun zum Erlass von Strafnormen auszugehen und daher einzig zu prüfen, ob die kommunalen Strafbestimmungen spezifisch im Widerspruch zu Art. 260 StGB stehen.
Der Regierungsrat (E. 9) hat, wie auch schon der Regierungsstatthalter (E. 15), dargelegt, dass die eidgenössische Ordnung im Strafgesetzbuch die strafbaren Handlungen gegen die öffentliche Ordnung (Art. 258 - Art. 264) nicht abschliessend ordnet. Dies trifft nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch auf Art. 260 StGB zu (BGE 117 Ia 472 E. 2b S. 475). Daher wird Bundesrecht nicht verletzt, wenn Verstösse gegen das Ortspolizeireglement im Allgemeinen unter Strafe gestellt werden.
Nach dem Tatbestand des Landfriedesbruchs gemäss Art. 260 StGB wird bestraft, wer an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden; die Teilnehmer bleiben straffrei, wenn sie sich auf behördliche Aufforderung hin entfernen und nicht selbst Gewalt anwenden oder zur Gewaltanwendung auffordern. Der Straftatbestand erfordert eine öffentliche Zusammenrottung und mit vereinten Kräften gegen Menschen und Sachen begangene Gewalttätigkeiten (BGE 124 IV 269 E. 2b S. 270, mit Hinweisen).
Demgegenüber stellt Art. 31 Abs. 1 OPR zum einen Verletzungen von Art. 11e Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b OPR durch die Organisatoren unter Strafe. Zum andern ahndet Art. 31 Abs. 1 OPR Missachtungen von Art. 11f Abs. 1 und 3 OPR, wonach die Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung und das Erscheinen am Besammlungsort untersagt sind sowie die Teilnehmer auf polizeiliche Aufforderung hin zur Entfernung verpflichtet sind. Diese Pflichten und die Ahndung von Verletzungen weisen keinen spezifischen Zusammenhang mit Art. 260 StGB auf. Sie dienen in allgemeiner Weise der Durchsetzung der im Ortspolizeireglement enthaltenen Vorschriften über öffentliche Kundgebungen. Es soll die Durchführung von nicht bewilligten Kundgebungen verhindert werden (Art. 11f Abs. 1 und 3 OPR), und den Ordnungskräften soll die Möglichkeit eingeräumt werden, mit Entferungsaufforderungen - bei unbewilligten Kundgebungen gleichermassen wie bei bewilligten - die öffentliche Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten. Damit greifen die entsprechenden Strafnormen des Ortspolizeireglementes nicht in den Straftatbestand des Landfriedensbruchs gemäss Art. 260 StGB ein.
 
Demnach ist die Rüge der Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV bzw. von Art. 260 StGB abzuweisen.
 
5.
Die Beschwerdeführer berufen sich in der Hauptsache in allgemeiner Weise auf die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit, ohne im Einzelnen darzutun, ob sie sich auf die Garantien von Art. 16 und Art. 22 BV stützen oder aber auf Art. 19 der Kantonsverfassung des Kantons Bern (KV/BE). Demgegenüber hat der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid dargelegt, dass das Bundesverfassungsrecht mit den genannten Bestimmungen keine ausdrückliche Garantie der Demonstrationsfreiheit enthalte, hingegen Art. 19 Abs. 2 KV/BE einen bedingten Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung zur Durchführung von Kundgebungen auf öffentlichem Grund vermittle und daher gegenüber der Bundesverfassung weiter gehe und einen eigenständigen Gehalt aufweise.
Unter dem Titel Versammlungs- und Vereinsfreiheit hält Art. 19 Abs. 2 KV/BE fest, dass Kundgebungen auf öffentlichem Grund durch Gesetz einer Bewilligungspflicht unterstellt werden können und dass solche zu gestatten sind, wenn ein geordneter Ablauf gesichert und die Beeinträchtigung der anderen Benutzerinnen und Benutzer zumutbar erscheint. Daraus folgt, dass bei gegebenen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Bewilligung einer Kundgebung besteht. Die Behörden haben zur effektiven Ermöglichung von Kundgebungen beizutragen und auch für den Schutz von Demonstrationen zu sorgen (vgl. Urs Bolz, in: Kälin/Bolz (Hrsg.), Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 282 f.).
Das Bundesgericht hat sich in der neueren Rechtsprechung unter dem Gesichtswinkel von Art. 16 und Art. 22 BV eingehend zu Kundgebungen auf öffentlichem Grund geäussert. Es hat festgehalten, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Zusammenhang mit Demonstrationen einen über reine Abwehrrechte hinausgehenden Charakter erhalten und ein gewisses Leistungselement aufweisen. Die angesprochenen Grundrechte gebieten in Grenzen, dass für Kundgebungen öffentlicher Grund zur Verfügung gestellt wird oder unter Umständen anderes als das in Aussicht genommene Areal bereit gestellt wird, das dem Publizitätsbedürfnis der Veranstalter Rechnung trägt. Ferner sind die Behörden verpflichtet, durch geeignete Massnahmen wie etwa durch Gewährung eines ausreichenden Polizeischutzes dafür zu sorgen, dass öffentliche Kundgebungen tatsächlich stattfinden können und nicht durch gegnerische Kreise gestört oder verhindert werden. Im Bewilligungsverfahren darf die Behörde die gegen eine Kundgebung sprechenden polizeilichen Gründe, die zweckmässige Nutzung der vorhandenen öffentlichen Anlagen im Interesse der Allgemeinheit und der Anwohner und die mit einer Kundgebung verursachte Beeinträchtigung von Freiheitsrechten unbeteiligter Dritter mitberücksichtigen. In diesem Sinne besteht gestützt auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit grundsätzlich ein bedingter Anspruch, für Kundgebungen mit Appellwirkung öffentlichen Grund zu benützen. Im Bewilligungsverfahren sind nicht nur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Kundgebung, sondern ebenso sehr die Randbedingungen, allfällige Auflagen und eventuelle Alternativen zu prüfen (BGE 132 I 256 E. 3 S. 258; 127 I 164 E. 3b und 3c S. 168).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung mag fraglich sein, kann indessen im vorliegenden Fall offen bleiben, ob Art. 19 Abs. 2 KV/BE tatsächlich weiter reicht als die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gemäss Art. 16 und Art. 22 BV und ob die kantonale Bestimmung gegenüber dem Bundesverfassungsrecht (noch) eine eigenständige Bedeutung entfaltet. Die von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen sind daher im Lichte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu prüfen, wie sie sich aus Art. 19 Abs. 2 KV/BE sowie aus Art. 16 und Art. 22 BV ergeben.
 
6.
Die von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen der Verletzung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit richten sich im Wesentlichen gegen zwei Aspekte des Ortspolizeireglementes: Zum einen beanstanden die Beschwerdeführer die Regelung der Durchführung von nicht bewilligten Kundgebungen und die Einführung von entsprechenden Strafnormen. Zum andern kritisieren sie den Bereich der spontanen Kundgebungen und rügen insbesondere die Pflicht zur Anmeldung von Spontankundgebungen und zur Meldung der im Einzelnen vorgesehenen Informationen sowie die entsprechenden Strafnormen. Für die Behandlung dieser beiden Bereiche rechtfertigt es sich, vorerst die Grundzüge des Ortspolizeireglementes nachzuzeichnen.
Das Ortspolizeireglement unterscheidet grundsätzlich zwischen bewilligungspflichtigen Kundgebungen einerseits und Spontankundgebungen andererseits. Damit trägt es unter dem Gesichtswinkel der Meinungs- und Versammlungsfreiheit dem Umstand Rechnung, dass im Voraus organisierte und einem Bewilligungsverfahren unterliegende Kundgebungen ebenso möglich sein müssen wie spontane Kundgebungen, für die aus zeitlichen Gründen keine Bewilligung eingeholt werden kann und muss. Die Unterscheidung führt dazu, dass für die beiden Bereiche unterschiedliche Normen gelten.
Ausgangspunkt der Regelung im Ortspolizeireglement bilden die ordentlichen Kundgebungen: Kundgebungen auf öffentlichem Grund unterliegen der Bewilligungspflicht; eine Bewilligung wird unter den genannten Voraussetzungen erteilt und unter Umständen an Auflagen geknüpft (Art. 11b). Es werden die Anforderungen an Gesuche sowie die Pflichten der Organisatoren umschrieben (Art. 11c und Art. 11e Abs. 1). Die Teilnahme an einer in diesem Sinne unbewilligten Kundgebung wird verboten und unter Strafe gestellt (Art. 11f Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1).
Spontankundgebungen unterliegen keiner eigentlichen Bewilligungspflicht, indessen einer Meldepflicht. Die Anforderungen an die Meldung sowie die Pflichten der Organisierenden werden im Einzelnen umschrieben (Art. 11d und Art. 11e Abs. 2). Deren Verletzung ist unter Strafe gestellt (Art. 31 Abs. 1).
Allgemein wird festgehalten, dass die an einer Kundgebung Teilnehmenden straffrei bleiben, wenn die Manifestation friedlich verläuft oder sich die Teilnehmer freiwillig oder auf polizeiliche Anordnung hin entfernen; an einer Kundgebung Teilnehmende haben sich unverzüglich zu entfernen, wenn sie von den Polizeiorganen dazu aufgefordert werden (Art. 11f Abs. 2 und 3).
 
7.
Die Beschwerdeführer machen vorerst insoweit Verletzungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit geltend, als die Teilnahme an nicht bewilligten Kundgebungen unter Strafe gestellt wird. Sie bringen vor, dass die Bestimmungen im Ortspolizeireglement zum Erfordernis einer Bewilligung für Kundgebungen blosse Ordnungsvorschriften darstellten. Durch die blosse Tatsache, dass keine Bewilligung vorliegt, werde keine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geschaffen, welche ein polizeiliches Eingreifen und eine strafrechtliche Ahndung der Teilnahme an solchen rechtfertigen würde. Zudem genüge die Umschreibung der Teilnahme an solchen Kundgebungen in den Strafbestimmungen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernissen (Art. 36 BV) nicht.
 
7.1 Ordentliche Kundgebungen unterliegen - anders als die sog. Spontankundgebungen, die separat geregelt und nachfolgend zu prüfen sind - einer Bewilligungspflicht, was von den Beschwerdeführern zu Recht nicht in Frage gestellt wird. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist im Bewilligungsverfahren die Vereinbarkeit von Kundgebungen mit entgegenstehenden polizeilichen Gründen und Interessen Dritter zu prüfen. Die Durchführung und die Teilnahme an einer nicht bewilligten Kundgebung sind deshalb untersagt und unterliegen grundsätzlich den vorgesehenen Strafbestimmungen.
Hinsichtlich der Teilnahme an nicht bewilligten Kundgebungen unterscheidet der Regierungsrat zu Recht zwischen solchen, die in Abweisung von entsprechenden Gesuchen nicht bewilligt worden sind, und solchen, für die gar kein Gesuch gestellt worden ist. In Bezug auf die Ersteren stellen die Beschwerdeführer das Verbot der Durchführung und der Teilnahme sowie die entsprechenden Strafbestimmungen nicht in Frage. Insoweit handelt es sich um Kundgebungen, die - mittels anfechtbarem Entscheid in Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen - als unzulässig befunden worden sind. Es ist nicht zu beanstanden, dass diesfalls die Polizei nicht nur zum Handeln berechtigt ist, sondern dass darüber hinaus das Verhalten der Kundgebungsteilnehmer unter Strafe gestellt wird. Wie nachfolgend auszuführen ist, erfordern die Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch in dieser Hinsicht ein verhältnismässiges Vorgehen und unterliegt die Strafbarkeit der Teilnahme gewissen Einschränkungen.
 
7.2 Zu prüfen sind die vorgebrachten Rügen daher in erster Linie hinsichtlich der zweiten Konstellation, also für Kundgebungen, für welche - in Missachtung der Bewilligungspflicht - gar nicht um Bewilligung ersucht worden ist. Mit dem Regierungsrat kann davon ausgegangen werden, dass auch diesfalls die Kundgebung nicht rechtmässig ist. Dabei ist nicht entscheidend, welcher Natur der Regelverstoss ist und ob eine Widerhandlung gegen eine blosse Ordnungsvorschrift vorliegt. Auch auf die in der Lehre geführte Kontroverse braucht nicht näher eingegangen zu werden. Entscheidend ist vielmehr, welche Folgerungen bei Vorliegen einer nicht bewilligten Kundgebung gestützt auf das Ortspolizeireglement und nach der Auslegung durch den Regierungsrat vor dem Hintergrund der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gezogen werden dürfen.
Bei dieser Prüfung ist der Regierungsrat von der Unterscheidung zwischen formeller und materieller Rechtswidrigkeit ausgegangen und hat Bezug genommen auf die im Baurecht bekannte Konstellation, dass eine Baute, welche ohne Baubewilligung erstellt wird, nur beseitigt werden muss, wenn sie sich in einem nachträglichen Verfahren als materiell rechtswidrig erweist und die Beseitigung vor dem Verfassungsrecht standhält. Diese Betrachtung führt dazu, dass eine Kundgebung, für welche nicht förmlich um Bewilligung ersucht worden ist, nunmehr nachträglich einer summarischen Prüfung unterzogen wird. Es gilt diesfalls abzuklären, ob die Kundgebung, so wie sie durchgeführt wird, als bewilligungsfähig betrachtet werden kann oder ob - gewissermassen im Sinne einer Beseitigung - dagegen vorgegangen werden darf. Diese Abklärung ist vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts vorzunehmen. Das Ortspolizeireglement zeigt hierfür den Weg auf. Nach Art. 11f Abs. 1 bleiben die Teilnehmer straffrei, wenn die Kundgebung friedlich verläuft. Insoweit wird die Kundgebung einer nachträglichen Prüfung auf deren Friedlichkeit hin unterzogen. Daraus hat der Regierungsrat geschlossen, dass eine derartige, nicht im Voraus bewilligte, indessen friedlich verlaufende Kundgebung sinngemäss nachträglich bewilligt werden müsse bzw. eben nicht aufgelöst werden dürfe. Er hat das Ortspolizeireglement verfassungsgemäss ausgelegt. Seine Auslegung bringt zum Ausdruck, dass eine friedlich verlaufende Kundgebung nicht allein wegen des Umstandes aufgelöst werden darf, dass hierfür keine Bewilligung eingeholt worden ist. Zudem hat der Regierungsrat in verfassungskonformer Auslegung festgehalten, dass die Teilnahme an derartigen Kundgebungen nicht nur im Sinne von Art. 11f Abs. 1 OPR straffrei sei, sondern diesfalls die Strafbarkeit grundsätzlich entfalle. Mit dieser Auslegung hat der Regierungsrat - in einer für die Stadt Thun verbindlichen Weise - der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit tatsächlich Rechnung getragen (vgl. Urteil EGMR Bukta und Mitbeteiligte gegen Ungarn vom 17. Juli 2007, Ziff. 31 ff.). Die Kritik der Beschwerdeführer, die von der Auslegung durch den Regierungsrat nicht Kenntnis nehmen, zielt daher ins Leere.
Dies bedeutet umgekehrt, dass eine Kundgebung, für die keine Bewilligung eingeholt worden ist, im Falle eines unfriedlichen Verlaufs sowohl formell als auch materiell als rechtswidrig betrachtet werden kann, mit der Folge, dass die Polizeiorgane dagegen einschreiten können und sich die Teilnehmer grundsätzlich strafbar machen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich das Ortspolizeiregelement auf diese Weise verfassungsgemäss auslegen und anwenden. Damit erweist sich die Beschwerde in diesem Punkte als unbegründet.
 
7.3 Die Beschwerdeführer rügen, dass die Strafbestimmungen hinsichtlich der Teilnahme an nicht bewilligten Kundgebungen den verfassungsmässigen Anforderungen an die Normbestimmtheit nicht genügten. Sie beanstanden insbesondere, dass der Begriff der Teilnahme nicht klar sei, auch zufällig anwesende Personen einschliesse und mit dem Einbezug des Erscheinens am Besammlungsort (Art. 11f Abs. 1 Satz 2 OPR) zu weit sei.
Das Gebot hinreichender Normenbestimmtheit ergibt sich für Einschränkungen von Grundrechten aus Art. 36 Abs. 1 BV (vgl. BGE 132 I 49 E. 6.2 S. 58 mit Hinweisen). Das allgemeine Legalitätsprinzip gemäss Art. 5 Abs. 1 BV findet im Strafrecht Ausdruck im Grundsatz "nulla poena sine lege", welcher seinerseits eine hinreichend präzise Umschreibung der Straftatbestände verlangt. Soweit kantonales Recht in Frage steht, für das Art. 1 StGB nicht zur Anwendung kommt, wird der genannte Grundsatz unterschiedlichen Verfassungsbestimmungen, etwa Art. 9, 29 oder 32 BV, zugeordnet (vgl. Urteil 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3, mit zahlreichen Hinweisen; Häfelin/Haller/Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl. 2008, Rz. 829; Regina Kiener, ZBJV 138/2002 S. 664 f.; Popp/Levante, Basler Kommentar zum Strafgesetzbuch, Art. 1 N. 8). Die Zuordnung im Einzelnen kann im vorliegenden Fall offen bleiben.
Der Regierungsrat hat ausführlich dargelegt, dass der Begriff der Teilnahme eine hinreichende Bestimmtheit aufweise. Art. 11f Abs. 1 OPR untersagt die Teilnahme an unbewilligten Kundgebungen und präzisiert in Satz 2, dass als Teilnahme bereits das Erscheinen am Besammlungsort gelte. Der Begriff der Teilnahme ist im Strafrecht allgemein gebräuchlich. Dass er im vorliegenden Zusammenhang ausgelegt werden muss, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann nicht gesagt werden, Art. 11f Abs. 1 OPR lasse sich im Einzelfall nicht verfassungskonform auslegen und verunmögliche es, die strafwürdige Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung von unbeabsichtigter und zufälliger Anwesenheit abzugrenzen. Es gilt die Bestimmung von Art. 11 Abs. 1 OPR vor dem Hintergrund von Art. 11f Abs. 2 und 3 OPR und den Ausführungen des Regierungsrates zu verstehen. Danach ist die Teilnahme an einer Kundgebung nicht strafbar und entfällt die Grundlage für die Anwendung der entsprechenden Strafbestimmung, wenn die - nicht bewilligte - Kundgebung friedlich verläuft, die Teilnehmer sich freiwillig von der Kundgebung oder auf polizeiliche Aufforderung hin entfernen. Soweit die nicht bewilligte Kundgebung friedlich verläuft, entfällt die Strafbarkeit von nur zufällig Anwesenden oder Zuschauern von vornherein. Insoweit erweist sich der Hinweis der Beschwerdeführer auf einen bei unterschiedlicher rechtlicher Grundlage getroffenen Entscheid des Gerichtspräsidenten 16 von Bern-Laupen als unerheblich. Verläuft eine nicht bewilligte Kundgebung indessen nicht friedlich, weshalb die Teilnahme untersagt ist, und fordern die Polizeiorgane zur Entfernung auf, erweist sich der Begriff der Teilnahme gemäss Art. 11f Abs. 1 OPR im Hinblick auf eine konkrete Beurteilung im Einzelfall als hinreichend bestimmt. Diesfalls ist kaum ersichtlich, dass die Strafnorm auf Personen angewendet werden könnte, die sich nur ganz zufällig im Umkreis einer nicht bewilligten, nicht friedlich verlaufenden Kundgebung aufhalten.
Im Lichte dieser Auslegung kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht gesagt werden, die Strafbestimmungen seien insgesamt unverhältnismässig und daher verfassungswidrig. Der kommunale Gesetzgeber ist nicht gehalten, sich auf die Auflösung von Kundgebungen, die entweder nicht bewilligt sind und nunmehr nicht friedlich verlaufen oder für die eine Bewilligung verweigert worden ist, zu beschränken und vom Erlass von Strafnormen abzusehen. Es kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer auch nicht gesagt werden, die Bestimmung von Art. 11f Abs. 3 OPR setze die Teilnehmer von Kundgebungen polizeilicher Willkür aus. Der Regierungsrat hat dazu ausgeführt, diese Norm trage zur Beurteilung bei, wann eine nicht bewilligte Kundgebung noch als friedlich betrachtet werden könne und wann nicht mehr. Im Übrigen weist diese Bestimmung einen eigenständigen Gehalt auf und ist bei jeder Kundgebung und somit auch bei bewilligten zu beachten.
Damit erweist sich die Beschwerde auch in diesem Punkte als unbegründet.
 
8.
Im Weitern erheben die Beschwerdeführer verschiedene Rügen im Zusammenhang mit den sog. Spontankundgebungen, die im Wesentlichen in Art. 11d und Art. 11e Abs. 2 OPR sowie den entsprechenden Strafnormen geregelt sind. Sie beanstanden, dass die blosse Meldepflicht tatsächlich auf eine verfassungswidrige Bewilligungspflicht hinauslaufe und dass die den Organisatoren auferlegten Pflichten unverhältnismässig seien.
8.1
Wie oben dargetan (E. 5), lässt das Ortspolizeireglement sog. Spontankundgebungen zu und trägt damit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit Rechnung, wonach auch unmittelbare Reaktionen auf besondere Ereignisse sollen öffentlich zum Ausdruck gebracht werden können, ohne ein Bewilligungsverfahren zu durchlaufen (vgl. Christoph Rohner, St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, Art. 22 N. 23; Jörg P. Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 433). Solche Kundgebungen unterliegen nach Art. 11d OPR einer Meldepflicht. Die Meldung muss die gemäss Art. 11c OPR umschriebenen Informationen enthalten und die Organisatoren haben die Pflichten gemäss Art. 11e Abs. 2 OPR einzuhalten.
 
8.2 Die Beschwerdeführer machen zu Recht nicht geltend, dass die Pflicht zur Anmeldung von Spontankundgebungen für sich gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit verstossen würde. In Anbetracht der Benützung von öffentlichem Grund und der Möglichkeit der Beeinträchtigung von Rechten Dritter besteht ein gewichtiges Interesse daran, dass die Behörden über die Durchführung einer Spontankundgebung informiert werden und allenfalls situationsbezogen entsprechende Massnahmen treffen können. Umstritten ist indes das Ausmass von Informationen, welche gemeldet werden müssen, sowie die Pflichten der Organisatoren von Spontankundgebungen.
Hierfür ist ein Ausgleich zu finden zwischen den behördlichen Bedürfnissen einerseits und der Ermöglichung von Spontankundgebungen andererseits. Die Behörden haben ein gewichtiges Interesse daran, möglichst genau über die Art und Weise und den Ablauf einer Spontankundgebung informiert zu werden. Dies ermöglicht es ihr, die erforderlichen polizeilichen Sicherheitsmassnahmen zum Schutz von Drittinteressen sowie der Kundgebung selber adäquat anzuordnen. Umgekehrt wird die Information zuhanden der Behörden umso schwieriger, je spontaner die Kundgebung unmittelbar zustande kommt und nicht schon am Vortag (vgl. Art. 11d Abs. 1 OPR) in die Wege geleitet wird.
Daraus folgt, dass die Informationspflicht und dessen Ausmass im Einzelfall von den konkreten Gegebenheiten abhängt bzw. abhängig gemacht wird. Dem trägt der Regierungsrat mit dem angefochtenen Entscheid Rechnung. Er unterscheidet zwischen Spontankundgebungen, die in irgendeiner Weise organisiert werden, auf der einen Seite und Spontankundgebungen, die unvermittelt als Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis zustande kommen, auf der andern Seite. In Bezug auf die Ersteren ist eine Meldung der von Art. 11c Abs. 1 OPR vorgesehenen Angaben im Grundsatz möglich und auch durchaus zumutbar. Dazu gehören namentlich die näheren Umstände der Kundgebung (wie etwa Thema, Art oder Örtlichkeiten). Daran ändert der Umstand nichts, dass einzelne Angaben nur vage erteilt werden und weitere Angaben möglicherweise gar nicht erteilt werden können. Die Liste der Angaben in Art. 11c Abs. 1 OPR, auf welche Art. 11d Abs. 2 OPR verweist, weist insoweit keinen zwingenden Charakter auf. Dies gilt erst recht bei Spontankundgebungen, welche ohne minimale Organisationsvorkehren unmittelbar auf ein Ergebnis hin zustande kommen. Der Regierungsrat nennt als Beispiel Reaktionen der Bevölkerung auf dem Bundesplatz auf Entscheidungen in den Eidg. Räten. Diesfalls entfällt, wie der Regierungsrat festhält, von vornherein eine Meldepflicht. Die Bestimmung von Art. 11d Abs. 2 OPR kann keine Wirkung entfalten, wenn keine verantwortlichen Personen oder Organisatoren auftreten. Das Ortspolizeireglement ist demnach hinsichtlich der Bestimmungen von Art. 11d und Art. 11c wie auch in Bezug auf die Strafbestimmungen von Art. 31 Abs. 1 OPR in diesem Sinne auszulegen und anzuwenden.
 
8.3 Mit dieser Sichtweise hat der Regierungsrat zum Ausdruck gebracht, wie das Ortspolizeireglement konkret zu verstehen und anzuwenden ist, um mit Blick auf mögliche Gegebenheiten und differenzierte Konstellationen vor der Meinungs- und Versammlungsfreiheit standzuhalten. Es fragt sich, ob diese Betrachtungsweise im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung vorgenommen werden kann oder aber deren Grenzen sprengt, wie die Beschwerdeführer meinen.
Wie in E. 3 dargelegt, ist im Verfahren der abstrakten Normkontrolle massgeblich, ob der beanstandeten Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungs- oder EMRK-Garantien vereinbaren lässt; eine Norm wird nur aufgehoben, wenn sie sich jeglicher verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist. Dabei ist grundsätzlich vom Wortlaut der Gesetzesbestimmung auszugehen und deren Sinn nach den überkommenen Auslegungsmethoden zu bestimmen. Eine verfassungs- und konventionskonforme Auslegung ist namentlich zulässig, wenn der Normtext lückenhaft, zweideutig oder unklar ist (BGE 109 Ia 273 E. 12c S. 301; 111 Ia 23 E. 2 S. 25; 123 I 112 E. 2a S. 116). Der klare und eindeutige Wortsinn darf indes nicht durch eine verfassungskonforme Interpretation beiseite geschoben werden (BGE 109 Ia 273 E. 12c S. 301; 123 I 112 E. 2a S. 116; 131 ll 697 E. 4.1 S. 703; vgl. zur Praxis etwa BGE 109 la 279 E. 12c S. 302 f.; 119 la 460 E. 11b S. 497 und E. 12e S. 502; vgl. zum Ganzen Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., Rz. 148 ff. und 154 ff.).
Das Ortspolizeireglement sieht in Art. 11d die sog. spontanen Kundgebungen vor, welche aus zeitlichen Gründen keiner Bewilligungspflicht, sondern einer blossen Meldepflicht unterstehen. Dazu gehören nach dem Wortlaut von Art. 11d Abs. 1 Manifestationen, die als Reaktion auf ein besonderes Ereignis innert zwei Tagen durchgeführt werden, sich damit in bestimmtem Ausmasse organisieren lassen und dementsprechend gemeldet werden können. Je kürzer der Zeitraum zwischen dem Ereignis und der Kundgebung ausfällt, je weniger kann von einer meldepflichtigen Kundgebung gesprochen werden. Wie es sich im Falle einer unmittelbaren Spontankundgebung verhält, lässt das Ortspolizeireglement offen. Insoweit ist daher nicht zu beanstanden, dass der Regierungsrat das Ortspolizeireglement auf diese Konstellation ausgerichtet verfassungskonform auslegte und damit zwischen eigentlichen Spontankundgebungen und in minimaler Form organisierten und organisierbaren Spontankundgebungen unterschied. Die Differenzierung ist geeignet, unter Wahrung der öffentlichen Interessen im Sinne von Art. 16 und 22 BV sowie Art. 19 Abs. 2 KV/BE verschiedenartige Formen von Spontankundgebungen zu ermöglichen, die Pflichten der Organisatoren sachgerecht zu begrenzen und die Strafbarkeit einzugrenzen.
 
8.4 Damit erweist sich die Kritik der Beschwerdeführer als unbegründet. Insbesondere kann in Anbetracht der dargelegten verfassungsmässigen Auslegung nicht gesagt werden, die blosse Meldepflicht von Spontankundgebungen laufe auf eine eigentliche Bewilligungspflicht hinaus und die allfälligen Organisatoren unterstünden einer unverhältnismässigen Mitteilungspflicht.
 
9.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Stadt Thun und dem Regierungsrat des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 17. März 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Féraud Steinmann

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MIGRATIONSPOLITIK BE
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be.ch 2.4.09

Medienmitteilung des Kantons Bern

Kurzinformation aus dem Regierungsrat (02.04.2009)

Ausschaffungsinitiative: Ja zu indirektem Gegenvorschlag des Bundes

Der Regierungsrat begrüsst die Absicht des Bundes, der Ausschaffungsinitiative einen indirekten Gegenvorschlag in Form einer Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer gegenüberzustellen. Der Gegenvorschlag nimmt die Anliegen der Initiantinnen und Initianten auf, ohne die bestehenden Grundrechte der Bundesverfassung und des Völkerrechts zu verletzen. Ausländerrechtliche Bewilligungen sollen bei schwerwiegenden Straftaten konsequent widerrufen werden. Zudem ist die Niederlassungsbewilligung nur bei einer erfolgreichen Integration zu erteilen.
Der Regierungsrat nimmt befriedigt zur Kenntnis, dass die Vorlage die Bedeutung der Integration stark betont. Er erachtet es als sinnvoll, dass der Staat und die Gesellschaft eine erfolgreiche Integration würdigen und bei der Frage nach einem verlängerten Aufenthalt in der Schweiz entsprechend gewichten.


Asylgesetz: Regierungsrat befürwortet Beschleunigung der Asylverfahren

Der Regierungsrat des Kantons Bern begrüsst grundsätzlich die vom Bund vorgeschlagene Änderung des Asylgesetzes, die effizientere und raschere Asylverfahren ermöglichen und Missbrauch verhindern soll. Ein rasches Verfahren sei im Interesse der betroffenen Asylsuchenden. Zudem würden die Kantone dadurch finanziell entlastet. Der Regierungsrat äussert jedoch gewisse Zweifel an der Wirksamkeit der neuen Bestimmungen. Zudem bedauert er, dass diese erneut als "Verschärfungen im Asylbereich" kommuniziert wurden. Dadurch könne der Ruf der Schweiz als Staat mit humanitärer Tradition Schaden nehmen, hält er in seiner Vernehmlassungsantwort an den Bund fest.

(...)

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PNOS
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20min.ch 2.4.09

Freispruch

Toyloy ungestraft "Geschwür" genannt

Pnos-Führer Dominic Lüthard bezeichnete Miss Schweiz Whitney Toyloy im Oktober 2008 als Geschwür. Er musste sich wegen Verstoss gegen das Anti-Rassismusgesetz vor dem Kadi verantworten. Dieser hat ihn nun freigesprochen.

"Sie verkörpern nur das Geschwür, welches die freie, unabhängige Eidgenossenschaft bereits am Auffressen ist": Mit diesen Worten beschimpfte Dominic Lüthard im vergangenen Oktober Miss Schweiz Whitney Toyloy und Vize-Miss Rekka Datta. Nun sprach ihn das zuständige Gericht IV Aarwangen-Wangen in erster Instanz vom Vorwurf des Verstosses gegen das Anti-Rassismusgesetz frei.

Die Pnos feiert den Freispruch auf ihrer Webseite als "moralischen Sieg im Kampf für die Meinungsfreiheit".

"Klarer Justizirrtum"

Was die Miss Schweiz zum Urteil sagt, war vorerst nicht zu erfahren. "Kein Kommentar", heisst es auch seitens der Miss-Schweiz-Organisation.

Für Anwalt Daniel Kettiger, der in anderer Sache schon gegen die Pnos prozessiert hat, ist das Urteil ein Skandal. "Ein klarer Justizirrtum", sagt er. Für den Freispruch gebe es keine vernünftige Argumentation - Lüthard habe seine Äusserungen und Absichten ja nie abgestritten.

Untersuchungsrichter verhängte Geldstrafe

Der Staatsanwalt kann innert 10 Tagen Rekurs gegen das erstinstanzliche Urteil einlegen. Im Februar noch wurde Lüthard vom Untersuchungsrichter wegen Rassendiskriminierung zu einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 110 Franken verknurrt. Dazu kam eine Busse von 500 Franken und Verfahrenskosten in der Höhe von 300 Franken.

(am)

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PAUL GRÜNINGER
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WoZ 2.4.09

Paul Grüninger-Ein Historiker enthüllt, wie die St. Galler Regierung die Rehabilitierung des Flüchtlingshelfers hintertrieben hat.

Warum Grüninger so lange ein Fall blieb

Von Ralph Hug

Die Rehabilitierung von Polizeihauptmann Paul Grüninger, der 1938 und 1939 Hunderten von jüdischen Flüchtlingen das Leben gerettet hat und deshalb entlassen und verurteilt wurde, war ein jahrzehntelanger Eiertanz. Erst 1995, im zehnten Anlauf, wurde Grüninger nachträglich freigesprochen. Dies auf Betreiben von Tochter Ruth Roduner, WOZ-Autor und Historiker Stefan Keller und SP-Nationalrat Paul Rechsteiner und dem Verein "Gerechtigkeit für Paul Grüninger".

Die St. Galler Regierung hat Grüningers Rehabilitierung lange Zeit verhindert. "Sie gab nur dann nach, wenn es sich nicht mehr vermeiden liess", schreibt der Historiker Wulff Bickenbach in seiner eben erschienenen Dissertation. Dies aus politischen Gründen: Die Regierung wollte partout keine Fehler ihrer Vorgänger eingestehen. Und in den Aktivitäten des Vereins erblickte sie einen Angriff von Linken auf die offizielle Asylpolitik, den es abzuwehren galt.

Bickenbach schildert minutiös diesen zähen, letztlich aber erfolglosen Kleinkrieg machtgewohnter Magistraten mit veraltetem Geschichtsbild, von dem sie nicht ablassen konnten. Bis Mitte der achtziger Jahre habe man sich hinter dem Argument verschanzt, man könne keine Urteile aufheben, weil das sankt-gallische Recht den Begriff der Rehabilitierung nicht kenne. Gleichzeitig habe die Regierung den kursierenden Gerüchten über Grüningers angebliches Fehlverhalten nicht nur nicht widersprochen, sondern diese sogar noch geschürt. Bickenbach belegt dies anhand diverser Ablehnungsbescheide nach Grüningers Tod im Jahr 1972.

Die ganze Sache aussitzen

Selbst nach Erscheinen von Stefan Kellers Buch "Grüningers Fall", in dem mit diesen Gerüchten gründlich aufgeräumt wurde, habe die Staatskanzlei weiterhin versucht, Grüninger zu verunglimpfen und Beweise zu manipulieren. Staatsschreiber Dieter J. Niedermann (CVP) hielt daran fest, dass "Fragen offen" blieben und dass "fünfzig Jahre später keine Gewissheit mehr erreichbar" sei. Bickenbach zählt auch den damaligen Chef des Amtes für Kultur, Walter Lendi (CVP), zu den Verhinde rern. Dieser führte in einem Schreiben aus, dass der Fall Grüninger "von Paul Rechsteiner und Konsorten" politisch missbraucht werde. Noch als der öffentliche Druck derart anwuchs, dass der Prozess zur Rehabilitierung Grüningers unvermeidlich wurde, riet der Beamte in einem Schreiben an den Regierungsrat, die ganze Sache auszusitzen. Dieser blieb denn auch passiv und rührte für die rechtliche Rehabilitierung keinen Finger.

Ein Feldweg sollte reichen

Wulff Bickenbachs Enthüllungen machen klar, warum die Lokalbehörden bis auf den heutigen Tag Mühe mit dem Fall Grüninger bekunden. Zu sehr hatten sie sich auf die offensiv agierenden Verfechter Grüningers eingeschossen, als dass sie noch hätten über ihren Schatten springen können. Stets machtgewohnt, sahen sie sich plötzlich an die Wand gespielt und reagierten mit Verweigerung. Es gab Krach um die Stiftung, man versuchte zu verhindern, dass die Geschichte Paul Grüningers in Schulbüchern angemessen dargestellt wird.

In St. Gallen wurde zunächst nur ein unscheinbarer Feldweg in Grüninger-Weg umbenannt, bis es dann doch zum Grüninger-Platz kam. Und die Umbe nennung des Stadions Krontal in PaulGrüninger-Stadion war ein ähnliches Trauerspiel. Auch hier agierten im Hinter grund altgediente CVP-Magistraten. Professor Jacques Picard von der Universität Basel spricht von einer "knirschenden Anerkennung" in der Heimat, während Grüninger sonst in aller Welt geehrt wurde.

Bickenbachs Buch bringt unbequeme Wahrheiten ans Licht. Es ist ein Stück historische Aufklärung im besten Sinne.

Wulff Bickenbach: "Gerechtigkeit für Paul Grüninger. Verurteilung und Rehabilitierung eines Schweizer Fluchthelfers (1938-1998)". Böhlau-Verlag. Köln 2009. 363 Seiten. Fr. 67.90.

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PARTISANiNNEN
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WoZ 2.4.09

Dossier Orte des Erinnerns, Orte zum Vergessen

Auf alten Partisanenpfaden

WOZ-Leserinnen-Reise-Stadtspaziergänge unter kundiger Führung, Gespräche mit ZeitzeugInnen, Wanderung in den Bergen der Emilia Romagna, Informationen über die Genossenschaftsbewegung und die aktuellen Entwicklungen in der Hochburg der italienischen Linken - all das bietet WOZ Unterwegs.

Kastanien- und Buchenwälder, so weit das Auge reicht, abgeschiedene kleine Bergdörfer und, wenn man die Gipfel der Berge um Ligonchio besteigt, sogar freie Sicht aufs Mittelmeer! Mit etwas Wetterglück kann man - mit den Dolomiten im Rücken - über die Apuanischen Alpen hinweg bis zum Golf von La Spezia blicken.

Als die PartisanInnen von Reggio Emilia sich im Herbst 1943 hierhin zurückzogen, war das nicht der schönen Aussicht wegen. Sie hatten genug von Faschismus, von Wehrmacht, SS und Deportationen - und wollten ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Einige Wochen zuvor hatte es gar nicht so schlecht ausgesehen: Ende Juli 1943 zitierte der König den Diktator ­Benito Mussolini zu sich und setzte den glücklosen Duce kurzerhand ab. Nach zwanzig Jahren Diktatur war die ­faschistische Partei verboten und eine neue Regierung eingesetzt worden. Jubelnd strömten die Leute auf die Strassen und feierten bereits das Ende des Krieges.

Adolf Hitler dachte jedoch nicht daran, das faschistische Bruderland kampflos aufzugeben, und befahl der Wehrmacht, Mittel- und Norditalien zu besetzen (der Süden war bereits verloren). Als nach der Verkündung des Waffenstillstands zwischen Italien und den Alliierten die deutsche Armee auch noch Rom okkupierte, flohen König und Regierung und hinterliessen ein Machtvakuum. In Rom fanden sich ChristdemokratInnen, Liberale und KommunistInnen zum Komitee der Nationalen Befreiung CLN zusammen. Und während am Gardasee unter deutscher Direktive ein neuer faschistischer Staat ausgerufen wurde - die Repubblica Sociale Italiana von Salò, die nur von wenigen Staaten wie etwa San Marino, dem Vatikan und der Schweiz anerkannt wurde -, formierte sich in den Bergen der Emilia Romagna der Widerstand. Über zwanzig lange Monate hinweg fanden hier die zentralen Kämpfe zwischen italienischen FaschistInnen, deutschen Besatzern und einer ständig anwachsenden PartisanInnenbewegung statt.

Einer von denen, die damals in die Berge zogen, ist Fernando Cavazzini. 1923 geboren und unter dem Mussolini-Regime gross geworden, schloss er sich im Herbst 1943 der 26. Brigade Garibaldi "Enzo Bagnoli" an, verminte Brücken, sprengte Bahngleise. Mit dabei war auch Giacomo Notari, der 1943 als Fünfzehnjähriger die Exekutionskommandos der italienischen Faschisten miterleben musste - und dar auf, ebenfalls für Sabotage zuständig, in der 145. Brigade Garibaldi "Franco Casoli" unterkam. Anita Malavasi, Jahrgang 1921, war zunächst, wie so viele Frauen der Region, als sogenannte Stafettenläuferin unterwegs. Sie sorgte dafür, dass die Waffen der desertierten italienischen Soldaten zu den Partisan Innen in die Berge gelangten. Später kämpfte sie selbst mit dem Gewehr in der Hand in der 144. Brigade Garibaldi "Antonio Gramsci" und wurde eine der wenigen Partisanenkommandeurinnen jener Zeit.

Will man aus direkter Quelle etwas über jene Zeit erfahren, wird die Zeit knapp: Die damaligen KämpferInnen sind heute über achtzig Jahre alt. "Toni", "Willi" und "Laila", so die Decknamen der drei ehemaligen PartisanInnen, die die TeilnehmerInnen der WOZ-Reise treffen werden, haben viel zu erzählen. Sie können Auskunft darüber geben, wie wichtig zum Beispiel Frauen im Widerstand waren oder welche Rolle die Partisanenrepublik Montefiorino spielte. Sie können schildern, wie die PartisanInnen die harten Winter überlebten, was sie - die ja nichts anderes als Faschismus kannten - in den Widerstand trieb, welche Hoffnungen sie damals hegten, wer sie unterstützte und wie sie mit der Gewalt umgingen. Und nicht nur sie geben Auskunft. Francesco Pirini, einer der letzten Überlebenden des Massakers von Marzabotto (1944), wird ebenfalls Rede und Antwort stehen.

Der aktive Widerstand gegen Faschismus und Besatzung hat die Emilia Romagna nachhaltig geprägt. In der Nachkriegszeit wurde die Region zur Hochburg der italienischen Genossenschaftsbewegung. Noch heute ist ein grosser Teil der lokalen Wirtschaft von Kooperativen bestimmt. Nirgendwo hat Silvio Berlusconi so viel Mühe wie hier (die Stadt und die Provinz Reggio Emilia sind mit grosser Mehrheit Mitte-links-regiert), nirgendwo sind seine Truppen so weit von der Macht entfernt. Aber was bedeutet das?

Auch darüber werden wir aus kompetenter Quelle informiert. Die WOZ plant diese Reise in Kooperation mit dem Istoreco, dem Institut für die Geschichte der Resistenza in Reggio Emilia. Das Istoreco, 1965 gegründet, gehört zu einem Netz von sechzig italienischen Geschichtsinstituten, die über die Themen Faschismus, Zweiter Weltkrieg, Antifaschismus und Resistenza forschen - und die, da bis vor kurzem das 20. Jahrhundert nicht auf den italienischen Schullehrplänen stand, eine wichtige Anlaufstelle für die LehrerInnenweiterbildung sind. Das Istoreco organisiert Bildungsreisen zur italienischen Genossenschaftsbewegung, zur Antiglobalisierungsbewegung, zur Neuen Linken nach 1968 und engagiert sich in der Jugendarbeit gegen den Rassismus: Es ist Mitorganisator der Mondiali Antirazzisti, einem seit 1997 jährlich ausgetragenen Fussballturnier für Solidarität und gegen Rassismus (siehe WOZ Nr. 28/05).

Deutschsprachige Istoreco-MitarbeiterInnen werden die Reise begleiten, die Gespräche dolmetschen und viele Fragen beantworten können - auch die nach dem aktuellen Kulturangebot, nach guten Restaurants, nach dem bes ten Wein. brm

Das Programm

Termin: Sonntag, 20. September, bis Samstag, 26. September 2009

1. Tag: Frühmorgens: Anreise aus der Schweiz mit dem Zug. Nachmittags: Ankunft in der Stadt Reggio nell' Emilia. Anschliessend Spaziergang durch die Geschichte der Stadt.

2. Tag: Einführung in die Geschichte der Emilia Romagna: die sozialistische Bewegung in der roten Provinz, der italienische Faschismus, die deutsche Besatzung, die Resistenza und der heutige Umgang mit der Geschichte. Nachmittags: Fahrt nach Parma und Führung durch das Stadtviertel Oltretorrente. Im Herbst 1922 hatten die Squadristi, faschistische Schlägertrupps, die Städte Mailand, Genua, Livorno, Bozen und Trient besetzt. Nur in Parma, wo ArbeiterInnen Barrikaden errichteten, erlitten sie einen Rückschlag.

3. Tag: Besuch des Museo Cervi in Campegine, das in Erinnerung an die Brüder Cervi - eine der ersten Resistenzagruppen in Reggio Emilia - errichtet wurde. Gespräch mit einem der Kinder der Cervi-Brüder. Nachmittags: Gespräch mit dem Partisanenkommandanten Fernando "Toni" Cavazzini.

4. Tag: Besuch von Marzabotto, wo die deutschen Truppen 1944 ein Massaker an über 770 italienischen Zivilist Innen verübten. Tour durch die Ruinen von Marzabotto mit Francesco Pirini.

5. Tag: Frühmorgens: Abfahrt in das Bergstädtchen Ligonchio im Apennin. Nach einem Gespräch mit Giacomo "Willi" Notari, dem Vorsitzenden des Partisanenverbandes der Provinz Reggio Emilia, Aufstieg auf Guerillapfaden zum Rifugio Battisti.

6. Tag: Aufstieg zum Aussichtspunkt "Freie Sicht aufs Mittelmeer" (fakultativ). Abstieg auf Partisanenwegen nach Civago. Begrüssung durch den Bürgermeister und Gespräch mit der Partisanin Anita "Laila" Malavasi über die Rolle der Frauen in der Resistenza. Rückfahrt nach Reggio Emilia.

7. Tag: "Rechtsruck in Italien" - Gesprächsrunde zu aktuellen politischen und sozialen Entwicklungen in der Emilia mit Massimo Storchi vom Isto reco und Renato Moschetti, Redakteur der Zeitschrift "Pollicino". Nachmittags: Heimreise.

Nähere Informationen erhalten Sie auf Anfrage. Wo immer möglich, reisen wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Leistungen und Preise

Im Reisepreis inbegriffen sind: Hin- und Rückreise mit dem Zug ab und bis Bahnhof Chiasso, Organisation, Reiseleitung, Übersetzung durch MitarbeiterInnen des Istoreco, Begleitung durch einen Bergführer, Unterkunft und Verpflegung im Rifugio Battisti, die Fahrten in der Region und die Übernachtungen in Reggio Emilia.

Bei Unterkunft im Doppelzimmer eines Dreisternehotels kostet die Reise pro Person 1975 Franken, bei Übernachtung im Mehrbettzimmer einer Jugendherberge 1575 Franken. Die Zahl der TeilnehmerInnen ist begrenzt. Reservieren Sie bis spätes­tens 30. April per E-Mail: reisen@woz.ch, oder per Post: WOZ Reisen, Hardturmstrasse 66, 8031 Zürich. Ob die Reise stattfindet, wird je nach TeilnehmerInnenzahl entschieden.

Wir erteilen auch gerne telefonisch Auskunft: 044 448 14 54. Detaillierte Unterlagen zur Reise auf Anfrage.

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BIG BROTHER SPORT
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WoZ 2.4.09

Sportfichen

"Gamma"

Die Zürcher Polizei interessiert sich für Sportfans. Welchen "Gassennamen" oder "Nickname" tragen die Fans? Mit wem sind sie befreundet? Mit welchen Fahrzeugen sind sie unterwegs? Die Antworten sollen künftig in der städtischen Datenbank "Gamma" landen, zusammen mit Fotos und Videoaufnahmen von "Gewalt suchenden" Personen.

"Dieser Begriff ist eine Neuschöpfung", sagt Fan-Anwältin Manuela Schiller. Was genau darunter falle, sei noch höchst ungewiss. "Klar ist aber, dass so eine reine Präventivdatenbank entstehen soll. Ihr Ziel ist es, möglichst viele Personen zu deanonymisieren, etwa wenn sie mit sogenannt gewaltbereiten Fans befreundet sind." Für letztere gibt es bereits eine Datenbank: die nationale "Hoogan", eingeführt im Vorfeld der Fussball-EM 2008. Noch ist "Gamma" aber nicht beschlossene Sache. Im Gemeinderat gibt es Widerstand seitens der Alternativen Liste, der Grünen, der SVP und Teilen der SP. Und ein überparteiliches Komitee plant, wenn nötig, das Referendum zu ergreifen. Bis es so weit ist, sammelt es auf dem Internet Unterschriften für eine Petition gegen die "Zuschauerfichen". dg

http://www.zuschauerfichen-nein.ch

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NZZ 2.4.09

Sitzung des Zürcher Gemeinderats

Die Stadtzürcher Hooligan-Datenbank "Gamma" kommt vors Volk

Der Rat sagt Ja zur Verordnung - Behördenreferendum von AL und Grünen zustande gekommen

 Soll die Zürcher Stadtpolizei Daten von "gewaltbereiten" und "Gewalt suchenden" Sportfans erfassen dürfen, auch wenn diese noch keine Straftat begangen haben? Der Gemeinderat hat der Verordnung klar zugestimmt, welche die Grundlage für die Hooligan-Datenbank "Gamma" bildet. Der endgültige Entscheid liegt beim Stimmvolk.

 rib. Der Entscheid des Gemeinderats war klar: Mit 74 Ja- zu 46 Nein-Stimmen hat er am Mittwochabend der Verordnung über eine städtische Hooligan-Datenbank zugestimmt. Dass damit nicht das letzte Wort gesprochen sein würde, stand allerdings schon vorher fest. Bereits bei der ersten Beratung im November des vergangenen Jahres hatten AL und Grüne nämlich ein Behördenreferendum angekündigt für den Fall, dass die Vorlage eine Mehrheit finden sollte. Wie Balthasar Glättli (gp.) nach der Abstimmung bekanntgab, haben 46 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte das Referendum unterzeichnet; um die Vorlage an die Urne zu bringen, hätten 42 Unterschriften gereicht. Die Stadtzürcher Stimmberechtigten werden nun also darüber entscheiden können, nach welchen Richtlinien die Stadtpolizei das elektronische Datenbearbeitungs- und Informationssystem "Gamma" betreiben darf.

 Kritik an unklaren Formulierungen

 Die Opposition gegen die Vorlage, der sich neben Grünen, AL und Teilen der SP auch die SVP anschloss, zielt vor allem auf einen Punkt ab: Die Verordnung sieht vor, dass Besucher von Sportveranstaltungen, die als gewaltbereit oder "Gewalt suchend" auffallen, damit rechen müssen, von der Polizei erfasst und in der Datenbank registriert zu werden - auch dann, wenn sie keine strafbare Handlung begangen haben. Dies, sagte Niklaus Scherr (al.), öffne der Willkür Tür und Tor, zumal die Verordnung sehr unklar abgefasst sei. Als "Gewalt suchend" gilt laut dem Text der Verordnung beispielsweise, wer sich bei einem Sportanlass oder in der Nähe des Austragungsorts über einen längeren Zeitraum Ansammlungen anschliesst, von denen Gewalttätigkeiten ausgehen, oder wer eine "Bedrohungslage gegenüber Personen oder Eigentum" schafft.

 Sorge um Freiheitsrechte

 Abgesehen davon, dass diese Formulierungen unscharf seien, sagte Scherr, bleibe offen, ob es neben diesen beiden Tatbeständen noch weitere gebe, welche die Überprüfung einer Person durch die Polizei rechtfertigten. In einer Verordnung, die Rechtssicherheit schaffen solle, so der Grüne Balthasar Glättli, könne das nicht hingenommen werden. Die Bedenken der Gegner gehen allerdings über Kritik am Wortlaut und an einzelnen "Gummiparagrafen" hinaus, obwohl die Ratsdebatte streckenweise fast zu einem sprachwissenschaftlichen Seminar über die Bedeutung des Wortes "oder" ausartete. Die Gegner sehen grundsätzlichere Probleme und wehren sich in Sorge um die Freiheitsrechte gegen die Vorlage. Zudem sind sie der Ansicht, die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und vor allem die nationale Hooligan-Datenbank "Hoogan" böten eine ausreichende Grundlage, um das Problem Hooliganismus wirksam zu bekämpfen.

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Aargauer Zeitung 2.4.09

Schon wer negativ auffällt, darf registriert werden

Der Stadtzürcher Gemeinderat heisst eine Datenbank zu bekannten oder vermuteten Hooligans gut, das letzte Wort hat aber das Stimmvolk

Das Stadtparlament von Zürich erlaubt der Polizei, eine Datenbank zu bekannten oder vermuteten Hooligans aus der Fussball- und Eishockeyszene zu führen. Weil erfolgreich das Referendum ergriffen wurde, hat das Zürcher Stimmvolk das letzte Wort.

Alfred Borter

Die Zürcher Stadtpolizei soll ihre Aufzeichnungen über bekannte oder auch bloss vermutete gewaltbereite Besucher von Fussball- und Eishockeyspielen in eine elektronische Datenbank überführen und weiter ausbauen können. Das Stadtparlament gab gestern mit 74 zu 46 Stimmen sein Einverständnis. Allerdings haben die Gegner der neuen Verordnung bereits erfolgreich das Behördenreferendum ergriffen, indem mehr als 42 Ratsmitglieder eine Volksabstimmung verlangt haben.

Nicht nur die bekannten Raufbolde

Die Datenbank der Stadtpolizei geht weiter als die auf eidgenössischer Ebene eingerichtete Datenbank Hoogan (siehe Kasten). Sie heisst gemäss dem Willen des Gemeinderats "polizeiliche Datenbank Gamma zu Sportveranstaltungen in der Stadt Zürich". Warum so kompliziert? Weil darin nicht allein zweifelsfrei als Raufbolde bekannte Leute verzeichnet sind, sondern auch Personen, von denen man dies erst vermutet respektive von Leuten, die sich in Gewalt suchenden Pulks aufgehalten haben, ohne selber als Schläger in Aktion getreten und erkannt worden zu sein. Durch die Identifikation solcher Personen, die negativ aufgefallen sind, erhofft sich die Polizei, dass sich diese dann eher zurückhalten.

Die Informationen dürfen nicht aus anderen Quellen stammen als von der Stadtpolizei selber; Denunziantentum soll so ausgeschaltet werden. Die Daten werden gelöscht, wenn während zwei Jahren keine neuen Einträge zu einer Person erfolgt sind. Eine Löschung der Daten erfolgt auf jeden Fall fünf Jahre nach dem Eintrag. Erfassung und Löschung werden einer betroffenen Person mitgeteilt. Finden sich unrichtige Daten in der Datenbank, kann deren Berichtigung verlangt werden.

Zugriff haben nur die Mitglieder der Fachgruppe Hooliganismus der Stadtpolizei und deren Vorgesetzte. Die Geschäftsprüfungskommission des Gemeinderats ist befugt, die Datensammlung zu überprüfen. Die Verordnung gilt vorerst bis Ende 2010.

Auch diese gegenüber früher restriktiv formulierten Vorschriften gingen den Grünen, den Alternativen und einem halben Dutzend SP-Mitgliedern zu weit. Auch die SVP hält die Verordnung für unnötig, aber aus anderen Gründen: Wer etwas angestellt habe, solle gebüsst werden statt fichiert.

Informationssystem Hoogan

Im Hoogan werden Daten von Personen erfasst, gegen die ein Stadion- oder Rayonverbot verhängt worden ist. Hoogan wird vom Bundesamt für Polizei betrieben; es ist für die Euro 08 in Betrieb genommen worden und bis Ende 2009 befristet, wird aber im Rahmen eines Konkordats weitergeführt. Im Dezember 2008 enthielt die Datenbank 567 Einträge › 565 Männer und 2 Frauen. Dem FC Basel wurden 83 Hooligans zugeordnet, dem FC Luzern 65, dem FC St. Gallen 45, den Zürcher Grasshoppers 34, dem FC Zürich 26, dem EV Zug 23, den ZSC Lions 16 und dem HC Lugano 15. (abr.)

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Solothurner Tagblatt 2.4.09

Uhrencup

Mit Kameras gegen Chaoten

Die Organisatoren des Grenchner Uhrencups haben nach den unschönen Vorfällen im letzten Jahr eines gelernt: Wenn sie gegen Randalierer oder Fackelwerfer juristisch vorgehen wollen, brauchen sie hieb- und stichfeste Beweise. Deshalb wurde entschieden, die Fans am nächsten Uhrencup mit Videokameras zu überwachen. Turnierdirektor Sascha Ruefer sagt dazu: "Die Chaoten haben uns einmal die lange Nase gezeigt, ein zweites Mal werden sie dies aber nicht tun." Ruefer kündigt an, dass man mit allen juristischen Mitteln gegen Straftäter vorgehen werde. pam

Seite 27

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Uhrencup

"Big Brother" im Stadion Brühl

"Wenn wir Straftäter überführen wollen, müssen wir ihre Taten festhalten", sagt Turnierdirektor Sascha Ruefer. Deshalb haben die Organisatoren entschieden, die Fans am Uhrencup mit Videokameras zu überwachen.

"Wir haben letztes Jahr viel Lehrgeld bezahlt", spricht Turnierdirektor Sascha Ruefer die unschönen Szenen des sonst gelungenen Uhrencups 2008 an. Da waren zum einen die Fackel-Werfer aus dem Fanblock von Borussia Dortmund. Diese fünf Fussball-Anhänger wurden von "ihrem" Club mit einem sechsmonatigen Stadionverbot und jeweils 60 Sozialstunden beim BVB-Fanprojekt belegt (wir berichteten). "Die haben ihre Strafe erhalten", freut sich Ruefer.

Bei Schweizer Vereinen vermisst er aber diese Konsequenz. So konnten am letzten Uhrencup dank Video- und Bildaufnahmen zwar zwei Fans des FC Basel als Rädelsführer der Scharmützel mit Fans von Borussia Dortmund identifiziert werden, das bei der Swiss Football League beantragte Stadtionverbot wurde aber nicht ausgesprochen. Denn das Uhrencup-OK hat nicht die Befugnis, ein landesweites Stadionverbot zu beantragen, dieses muss vom Club aus kommen - in diesem Fall hat der FC Basel dieses aber nie beantragt.

Mit allen juristen Mitteln

Gegen dieses Regelwerk kann Ruefer zwar nicht vorgehen, trotzdem sagt er: "Die Chaoten haben uns einmal die lange Nase gezeigt, ein zweites Mal werden sie dies aber nicht tun." Man wolle die Verfolgung von Straftätern forcieren und mit allen juristischen Mitteln gegen diese vorgehen. Dafür brauche es aber eindeutige Beweise, erklärt der Turnierdirektor: "Wenn wir einen sehen, der zum Beispiel eine Fackel aufs Spielfeld wirft, wir davon aber kein Bildmaterial haben, kann man ihn dafür nicht belangen." Deshalb hat das Organisationskomitee des Uhrencups entschieden, die Fans am nächsten Turnier mit Videokameras zu überwachen. Und zwar alle. Denn von der Überwachung wird die Sitzplatztribüne nicht ausgeschlossen sein. Ruefer erklärt: "Die Ermittlungen aufgrund von Vorkomnissen im letzten Jahr haben gezeigt, dass ein Teil der Aktionen von Leuten auf der Sitzplatztribüne aus koordiniert wurden."

Sicher kein Gitterkäfig

Der Turnierdirektor gibt sich kämpferisch: "Wenn am Uhrencup 2009 einer eine Fackel wirft, oder nur anzündet, wird er zur Rechenschaft gezogen. Das garantiere ich." Die Organisatoren hoffen natürlich, solche Vorkomnisse ganz verhindern zu können. Für das Sicherheitskonzept arbeite man deshalb intensiv mit der Solothurner Kantonspolizei zusammen, so Ruefer. Dass neue Massnahmen getroffen werden müssen, steht für ihn fest, wie diese aber konkret aussehen, kann Ruefer noch nicht sagen. Klar ist, dass die Eingangskontrollen verschärft werden. Weiter wollen die Organisatoren den Bewegungsfluss im Stadion einschränken. Denkbar wäre die Unterteilung der Stehplätze in drei Sektoren. Für Ruefer kämen aus Kostengründen aber nur mobile Absperrungen und keine baulichen Massnahmen in Frage - entsprechende Abklärungen seien am Laufen. Er stellt aber schon jetzt klar, dass die Fans bestimmt nicht von allen Seiten eingezäunt werden: "Wegen 15 oder 20 Chaoten bauen wir sicher keinen Hochsicherheitstrakt."
Parzival Meister

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UNI VON UNTEN
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WoZ 2.4.09

Daniel Vasella

Uni von unten?

Die Uni Zürich gibt sich gerne wirtschaftsnah, ebenso das eng mit ihr verflochtene Schweizerische Institut für Auslandforschung (Siaf) mit illustrer Trägerschaft: UBS, CS, Swiss Re, Nestlé etc. Für das Frühlingssemester hat es deshalb Daniel Vasella (Novartis), Jean-Pierre Roth (Nationalbank) und Peter Brabeck (Nestlé) zu Vorträgen in die Uni-Aula eingeladen. Man will von ihnen wissen, "in welcher Verfassung sich die Weltwirtschaft nach den schweren Erschütterungen der Finanzmärkte präsentiert", heisst es auf der Website.

Das Aktionskomitee Uni von unten, das Studierende und Assistierende in den letzten zwei Wochen auf die Beine stellten, will diesen "Zyklus des Grauens" verhindern und sich für eine Uni einsetzen, "in der Bildung in ihrer ganzen Vielfalt vermittelt wird". Universitäre Bildung soll nicht durch breite private Förderung von Forschungsprojekten oder durch die Bachelorreform "auf gewinnorientiertes Nützlichkeitsstreben reduziert werden".

Einen ersten Erfolg konnte das Komitee am letzten Dienstag bereits feiern: Aufgrund der angekündigten Proteste der Studierenden hat das Siaf den Vortrag von Vasella kurzfristig verschoben. Zweifel an der Unabhängigkeit der Uni Zürich sind berechtigt: Im höchsten Gremium, dem Universitätsrat, sitzen neben CVP-Nationalrätin Kathy Riklin und der SVP-Consulterin Myrtha Welti Andreas Steiner von Economiesuisse und Hans-Ulrich Doerig, CS-Verwaltungsrats-Vize. Gerade wieder finden die "Career Days" statt, ein Stelldichein der "Headhunter" vieler Grosskonzerne. Andere Veranstaltungen locken junge Karrierewillige mit Titeln wie "How can you found your own business?". Nicht nur deswegen befürchtet das Aktionskomitee eine noch schärfere "Elitisierung" der Bildung: Wirtschaftskreise fordern seit längerem eine massive Erhöhung der Studiengebühren von 1400 auf bis zu 5000 Franken pro Jahr.

Uni von unten will eine Universität, "die als starke, kritische Stimme ihren angemessenen Platz in der Gesellschaft vertritt" und demokratisch bestimmt wird. Jean-Pierre Roth (6. Mai) und Peter Brabeck (12. Mai) dürfen auf ihren Empfang gespannt sein. dgr

Kontakt: univonunten@gmx.ch

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GASSENKÜCHE SOLOTHURN
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Solothurner Zeitung 2.4.09

Alles muss sich einspielen

Es wird Mai, bis die Gassenküche im "Adler" eröffnet werden kann

Der Umzug in den "Adler" passiert zwar einen Monat später als geplant, doch für die Betreiber der Gassenküche ist dies kein Problem. Das gilt auch für das Rauchverbot, denn geraucht werden darf dort weiterhin.

Regula Bättig

Ein Blick reicht und es ist klar, dass die Eröffnung der neuen Gassenküche im alten "Adler" nicht in diesen Tagen statt finden wird: Das einstige Restaurant steckt noch immer im Korsett der Baugerüste. "Wir haben den Start zwar für April angekündet", sagt Roberto Zanetti, Geschäftsführer des Vereins Perspektive, der dort künftig die Gassenküche betreiben möchte. "Aber bei der Sanierung von alten Häusern ist nicht alles planbar." So sei man beim Bau des Liftschachts plötzlich mit eindringendem Wasser konfrontiert gewesen - und es habe eine gewisse Zeit gedauert, bis dieser Schaden behoben gewesen sei.

Doch Adrian Kaiser vom Architekturbüro Bruno Walter, das mit dem Umbauprojekt betraut ist, mag angesichts des Vorfalls nicht von "bösen Überraschungen" sprechen. "Der <Adler> ist ein altes Haus: Das weiss man nie so recht, was einen erwartet."

Zieltermin ist der 19. Mai

Vor grosse Probleme stellt die Bauverzögerung den Verein Perspektive allerdings nicht: Denn nur die Gassenküche wollte im April einziehen, die Drogenanlaufstelle sollte so oder so erst im Mai folgen. "Nun gilt halt für beide der Termin <Anfang Mai> - wie es die Architekten ausdrücken", sagt Zanetti. "Wir haben jedoch das Glück, dass unser bisheriger Vermieter sehr kulant ist", sagt Zanetti. Die Räumlichkeiten der Gassenküche an der Rathausgasse können daher problemlos einen Monat länger genutzt werden. "Im Notfall könnten wir sogar noch einmal um ein paar Tage verlängern."

 Am 19. Mai aber will Zanetti im "Adler" sein - definitiv: Dann soll dort nämlich die Generalversammlung des Vereins Perspektive abgehalten werden, verbunden mit einer offiziellen Eröffnungsfeier. "Die entsprechenden Einladungen werden demnächst verschickt", sagt er. Und einen Rückzieher wolle er dann sicher nicht mehr machen.

Kaum Ersatz für Amthausplatz

Prognosen für den Betrieb im "Adler" will Zanetti noch nicht anstellen. "Wir zügeln jetzt erst einmal und dann schauen wir", sagt er. Das gelte für die Auslastung der 55 Plätze der Gassenküche genauso wie für die Regeln im Umgang mit Alkohol. Grundsätzlich soll der Konsum von Bier, Wein und Most (nicht aber Schnäpsen) am neuen Standort toleriert werden. Doch ausschenken wolle man nicht: "Wir müssen jedoch schauen wie das funktioniert." Reklamationen - sei es nun weil Betrunkene vor dem "Adler" rumgrölen oder weil der Weg vom Zentrum her mit Bierflaschen gesäumt ist - wären für ihn ein Grund, das Ganze zu überdenken. Eines ist für Zanetti jedoch klar. "Es ist eine Illusion zu glauben, dass mit der Eröffnung des <Adlers> das Problem Amthausplatz gelöst ist."

Heroin und Nikotin

Immerhin stellt das Rauchverbot die Gassenküche nicht vor zusätzliche Herausforderungen. "Eine rauchfreie Gassenküche würde nicht funktionieren", ist für ihn klar. Seiner Klientel könne man das Rauchen nicht verbieten. Zudem wäre dies eine "komplette Absurdität", findet er, da die Gassenküche mit der Drogenanlaufstelle kombiniert betrieben wird. "Das würde bedeuten, dass dort zwar verbotene Substanzen wie Heroin oder Kokain konsumiert werden dürfen, die eigentlich legalen Zigaretten wären hingegen verboten ... "

Als "Ausnahme" die Ausnahme

Auch die Ausformulierung der geltenden Regeln brachte der Gassenküche keine unliebsamen Überraschungen: "Nicht etwa, weil für uns eine Sonderregelung gilt", stellt Zanetti klar. "Hier geht es um die strikte Auslegung des Gesetzestextes." Denn dort ist die Rede von einem Rauchverbot in "geschlossenen Räumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind", explizit erwähnt sind "alle Bereiche der Gastronomie". Und darunter fällt die Gassenküche nicht: "Verpflegungsstätten für mittel- und obdachlose Personen" gelten im Gastgewerbegesetz als Ausnahme. "Auch wenn dies manche Restaurantbesitzer nicht gern sehen."
Felix Gerber

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SQUAT SOLOTHURN
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Solothurner Zeitung 2.4.09

Hausbesetzer wehren sich

Am vergangenen Freitagabend hatten Linksautonome das Gloria-Areal in Biberist bei der Auffahrt zur Autobahn A5 und zur Westumfahrung Solothurn besetzt (wir berichteten). Nach ersten Auskünften der Polizei waren die Hausbesetzer aufgefordert worden, das Gelände bis Montagmorgen wieder zu verlassen. Dies bestreitet jedoch die "Autonome Freiraum Bewegung" (AFB) in einem Communiqué, das gestern dieser Zeitung zugestellt wurde. "Es wurde seitens der Polizei nie versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen", heisst es in der Mitteilung der AFB. Dies bestätigte gestern Urs Eggenschwiler, Mediensprecher der Kantonspolizei, auf Anfrage. "Wir haben keine Aufforderung zum Verlassen des Geländes gemacht." Man habe die Eigentümerin des Geländes nicht erreichen können und eine Strafanzeige sei nicht vorgelegen, so Eggenschwiler weiter. Ausgerückt war die Polizei mit mehreren Patrouillen. Dies nach Meldungen aus der Bevölkerung. "Wir wussten ja nicht, wer sich im Gebäude aufhält", erklärt Eggenschwiler. Weiter distanziert sich die AFB "ganz klar von den zwei bis drei Vollidioten, die Sachbeschädigungen begangen haben". Beim benachbarten Neubau der Firma Saudan AG sind in der Nacht auf Sonntag fünf Fensterscheiben eingeschlagen worden. (flu)

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SQUAT BASEL
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Indymedia 2.4.09

Wasserstrasse 37 besezt ::

AutorIn : Lucy Love und Armin         

Seit heute, dem 2.4.09, haben wir zwei leerstehende Mietwohnungen an der Wasserstrasse 37 besetzt.
Parterre links, erster Stock links.     
    
Communiqué

Liebe Freundinnen und Freunde

Seit heute, dem 2.4.09, haben wir zwei leerstehende Mietwohnungen an der Wasserstrasse 37 besetzt.
Parterre links, erster Stock links.
Die restlichen Wohnungen befinden sich in regulären Mietverhältnissen.

Warum?
Aufgrund erheblicher Inkompetenzen.
Und:
Wir wollen an der Wassertrasse leben, weil wir die Häuser lieb haben.

Die Immobilien Basel Stadt sorgt sich aber nicht gut um sie:
Zitat:
"In mehreren Schreiben werden wir um mehr Unterhalt angehalten, dies aber nur unter der Prämisse, keine wertvermehrenden Mietzinsanpassungen vorzunehmen. Wir rufen ihnen in Erinnerung, dass sie in den Liegenschaften an der Wasserstrasse 31 - 39 ausserordentlich günstig wohnen. Investitionen in die Bausubstanz können in diesem Falle nur mit folgendem Mietzinsanstieg erfolgen. Weiter befindet sich das Quartier in einem grossen Umbruch, der die Eigentümerschaft veranlasst hat, nur bei gefährdeter Sicherheit zu investieren." (Immobilien Basel Stadt in einem Schreiben an die Mieter vom 25. Juni 2008)

Im Gegenteil. Die ImmoBas wollen sie kaputt machen.
Zitat:
"Aussichtsreicher ist das Projekt Volta Ost. Geplant ist der Abriss des letzten Häuserblocks an der Wasserstrasse, welcher den Pausenplatz nördlich abschliesst, und der Ersatz durch einen Neubau, welcher bis an die Voltastrasse reicht." (Dr. Guy Morin in der Antwort auf die Interpellation von Andreas Ungricht vom 9. 4. 2008)

Dazu möchte Barbara Schneider aber nichts erzählen. Auch denen nicht, die zu diesem Zeitpunkt in den betroffenen Häusern wohnen. Am 26. September 08 antwortete sie auf eine diesbezügliche Nachfrage eines damaligen Mieters.
Zitat:
"Dass sie sich als direkt Betroffener erstaunt zeigen, kann ich verstehen. Insbesondere dadurch, dass in der Interpellationsbeantwortung der Abriss der Häuserzeile, in der sie wohnen, beschrieben wurde.
Ich möchte mich für diese Form der Information entschuldigen. Diese Passage hätte in der Beantwortung nicht so vorkommen dürfen. Entspricht es doch nicht der Praxis des Regierungsrates kantonsinterne Studien zu erläutern, bevor diese nicht dem Gesamtgremium vorgelegt und von diesem beschlossen wurden.
Wir sehen vor, noch in dieser Legislatur über das Geviert ein behördenverbindliches Leitkonzept zu verabschieden und in diesem Zusammenhang näher über das Potential und die Entwicklungsabsichten des Gebietes Volta Ost zu berichten."

Interessant irgendwie. Das Gebiet Volta Ost - oder die Menschen, die dort leben, werden also erst dann über die Entwicklungsabsichten informiert, wenn sie vom Regierungsrat beschlossen worden sind.

Bestimmt erscheint wieder eine dieser tollen Hochglanzbroschüren, wo dann drinsteht, was unumstösslich beschlossen mit einem seinem Haus passiert… (Entwicklungsgebiet Volta Ost: teuer, neu, modern, für richtig wertvolle Menschen gemacht, Glas, Beton, und peinliche Ankleb-Backsteine mit Industrieprint)
Schön.

Der Jahresbericht der Immobilien Basel Stadt vom 3.3.2009 formuliert die Art dieser Entwicklung dann auch ziemlich eindeutig:
"Areal Volta-Ost
VoltaOst ist das letzte zusammenhängende Areal, das im Entwicklungsgebiet ProVolta liegt. Das Areal ist zu einem grossen Teil im Eigentum des Kantons Basel-Stadt. Mit dem Kauf der Liegenschaft Elsässerstrasse 56 per 1.02.2009 und dem Einbezug in die Entwicklung kann künftig eine einheitliche Entwicklung dieses Gebiets ermöglicht werden."
Beispielsweise fertig möblierte Appartements für Novartismitarbeiter. EINHEITLICH halt.
Einheitlich mit all den Projekten, welche in den letzten Jahren an der (noch) tatsächlichen Quartierbevölkerung vorbei und über sie hinweg geklotzt wurden. Einheitlich für den Einheitsmenschen. Eine Einheit Wohnung zu zwei Einheiten Mensch zu x > 0 umgesetztes Kapital -> da lacht das HERZ des Standortes Basel. Nicht dass dann da noch Leute wohnen, die sich das schöne Zeugs im Voltazentrumszentrum schlussamänd gar nicht leisten können/wollen.

Wahrscheinlich frieren hier darum schon den ganzen Winter lang Wohnungen leer vor sich hin - womit sie sich in guter Gesellschaft befinden, zumal der Novartis Campus gegenüber (mit seinen dekorierten betonierten Mauern) auch nichts anderes als Kälte verbreitet. Abgesehen davon beelendet uns die fortschreitende lineare Ausrichtung des öffentlichen Raums zu funktionellem Konsumverhalten.

Wir möchten der ImmoBas deshalb das Sorgerecht entziehen und dem Finanzdepartement die Vormundschaft Absprechen.

Wir haben keine Zentrumsbedürfnisse, die sich mit Einkaufsmeilen und Verkehrsentlastung realisieren lassen würden.

Wir erheben Anspruch darauf, Öffentlichkeit zu sein.

Weitere Gründe:

Wir glauben, die Architektur kann etwas Positives bewirken und tut dies auch, wenn ihre auf Befreiung zielenden Absichten mit der realen Praxis von Menschen zusammenfallen, die ihre Freiheit ausüben.
(Die Freiheit der Menschen wird nie von Institutionen oder Gesetzen garantiert, deren Aufgabe es ist, Freiheit zu garantieren. Deshalb kann man die meisten dieser Gesetze und Institutionen drehen und wenden. Nicht weil sie mehrdeutig wären, sondern weil man "Freiheit" nur ausüben kann.)


"Werte schaffen. Werte leben" (ImmoBas)

Gruss und Kuss

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CH-WAFFEN
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20min.ch 2.4.09

Steigerung

RUAG ist gut im Schuss

Der bundeseigene Technologiekonzern RUAG hat 2008 den Umsatz um neun Prozent auf gut 1,5 Milliarden Franken gesteigert. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern sank um ein Viertel auf 57 Millionen Franken.

Der Rückgang sei durch Anlaufkosten für Zukunftsprojekte und Strukturanpassungen bedingt, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Zur Nettoumsatzsteigerung um neun Prozent auf 1,537 Milliarden Franken trugen laut RUAG die Bereiche Raumfahrt, Landsysteme und Kleinkalibermunition bei. Grösster Einzelkunde sei mit einen Anteil von 36 Prozent (Vorjahr: 34 Prozent) das VBS und damit die Schweizer Armee geblieben. Knapp 90 Prozent des Umsatzes seien in der Schweiz und im übrigen Europa erwirtschaftet worden.

Der Umsatz in der Wehrtechnik war im Berichtsjahr mit einem Anteil von 54 Prozent (49 Prozent) wieder grösser als im zivilen Geschäft mit 46 Prozent (51 Prozent). Die Aufwendungen von Forschung und Entwicklung stiegen innert Jahresfrist um 46 Prozent auf 123 Millionen Franken.

Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) sank um 19 Millionen auf 57 Millionen Franken. Den Rückgang um 25 Prozent führt die RUAG zum einem auf Anlaufkosten für Zukunftsprojekte und den Dollarkurs zurück. Zum anderen wird auf die Rohstoff- und Energiepreissteigerung, die Konjunkturabschwächung in der Automobil- und Halbleiterindustrie sowie insbesondere auf Strukturanpassungen im Simulationsgeschäft verwiesen.

2009 sieht sich das Unternehmen dank erfreulichen Auftragsbeständen und breiter Marktabstützung in einer guten Ausgangslage. Die konjunkturelle Abkühlung wirke sich zwar vereinzelt auf das zivile Geschäft, namentlich den Triebwerksbau, den Flugzeugunterhalt und die Zulieferung der Automobil- und Halbleiterindustrie aus. Der Militär- und Behörden- sowie der Raumfahrtmarkt erschienen dagegen weitgehend stabil.
Quelle: AP

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NO NATO
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Live-Ticker linksunten.indymedia.org
http://linksunten.indymedia.org/de/ticker

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linksunten.inymedia.org 1.4.09

Die Repression begann mit der Küche - die Freiheit endet im Abfall!
Verfasst von: smash nato [copypest]. Translated by: deux rives / mdg (Benutzerkonto: mandinga). Verfasst am: 01.04.2009 - 14:02.
Le Sabot

Gestern, am Dienstag den 31. März 2009, wurde die Repression ein weiteres Mal verschärft. Mittags wurden Mitglieder  der  kollektiven Volxküche  "  le  Sabot  "   auf ihrem Weg  zum Anti NATO Camp  an  der  deutsch-französischen Grenze  aufgehalten. Der offensichtliche  Grund,  warum  die  Behörden  dazu  gezwungen  waren  diese  gefährlichen Terroristen davon abzuhalten französisches Territorium zu betreten, war, dass sie Waffen bei sich hatten: Küchenmesser! Mit dieser willkürlichen Entscheidung versuchen sie den Protest verhungern zu lassen.
Mehr: http://linksunten.indymedia.org/de/node/2313

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G-20
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Bund 2.4.09

Lockerer Dresscode, gespannte Lage

In London kam es gestern im Vorfeld des G20-Treffens zu gewalttätigen Protesten

Tausende Demonstranten haben gestern im Londoner Bankenviertel gegen den G20-Gipfel protestiert und dabei die Royal Bank of Scotland (RBS) und die Bank of England angegriffen.

Für viele Banker im Finanzzentrum von London galt der sonst übliche Dresscode gestern nicht. Statt im feinen Anzug kamen viele Angestellte deshalb in Jeans und T-Shirts zur Arbeit. Der Grund für diese Ungezwungenheit: die Angst vor den Demonstranten, die zu Tausenden im Bankenviertel gegen das G20-Treffen protestierten.

"Es ist eine merkwürdige Atmosphäre hier im Viertel, jeder scheint irgendwie beunruhigt", sagte Jeremy Batstone-Carr vom Aktienhändler Charles Stanley. "Alle, die im Büro sein sollten, sind auch gekommen. Aber wir gehen kein Risiko ein", fügte er an.

Allerdings hielten sich nicht alle an die guten Ratschläge der Behörden: Einige provozierten die Demonstranten sogar und winkten mit 10-Pfund-Noten aus ihren Fenstern.

Bankfiliale zerstört

Tausende Polizisten waren im Einsatz, Hubschrauber kreisten über der Stadt. Viele Gebäude wurden mit Barrikaden geschützt, und mehrere Strassen waren gesperrt.

Trotz diesen Sicherheitsvorkehrungen kam es zu schweren Zusammenstössen: Demonstranten warfen mit Gegenständen wie Münzen oder Computertastaturen die Fensterscheiben einer Filiale der Royal Bank of Scotland (RBS) ein und stürmten das Geldhaus. Sie schmierten das Wort "Thieves" ("Diebe") an eine Wand und bewarfen Polizisten mit Eiern und Obst. 22 Personen wurden gemäss Polizeiberichten festgenommen. Es gab auch einige leicht Verletzte, darunter ein Polizist.

Der Anschlag auf die RBS kam nicht überraschend. Die einst florierende Grossbank musste im vorigen Jahr aufgrund einer akuten Liquiditätskrise verstaatlicht werden - dennoch erhält der ehemalige Geschäftsführer der Bank, Sir Fred Goodwin, immer noch eine fürstliche Pension in Millionenhöhe. Die Polizei habe versucht, die Demonstranten am Eindringen in das Gebäude zu hindern, meldeten Augenzeugen.

Auch vor der britischen Notenbank, der Bank of England, war es zuvor zu heiklen Szenen gekommen. Verkleidet als Ritter der Apokalypse, zogen Demonstranten auf das Gebäude zu. Leere Bierdosen und Früchte flogen durch die Luft.

"Das ist nett"

Gemäss offiziellen Zahlen nahmen bis zu 4000 Menschen an den Protesten teil, für die seit Wochen mobilisiert worden war. Die Atmosphäre wurde als angespannt bezeichnet - wiewohl einige Banker die sprichwörtliche englische Gelassenheit ausstrahlten und sich nicht vor den Demonstranten versteckten. "Das ist mein Land, meine Stadt", sagte etwa Colin Byron, der als Sachverständiger arbeitet. Es gebe keinen Grund, heute nicht in die City zu reisen. "Ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen", sagte Byron.

Auch Colin Stanbridge, der Vorsitzende der Londoner Handelskammer, wollte nicht auf seine gewohnte feine Arbeitskleidung verzichten. "Was wir unseren Mitarbeitern gesagt haben, ist: Wenn ihr euch damit besser fühlt, dann tut es", sagte er. Dagegen konnte der 30 Jahre alte Simon Grice, der in einem Handelsunternehmen arbeitet, den gelockerten Kleidervorschriften durchaus etwas abgewinnen. "Das ist nett. Wir sollten das jeden Tag machen."

Spürbar lockerer war die Atmosphäre in anderen Stadtteilen von London. Vor dem Gebäude der European Climate Exchange beispielsweise, dem elektronischen Marktplatz für Energie und energienahe Produkte, herrschte eine Stimmung wie an einem Volksfest. Auf dem britischen Fernsehsender BBC war die Rede von "Meditation und Musik". Die Demonstranten deponierten ihre Kritik am Handel mit Emissionsrechten.

Für den heutigen Donnerstag rechnen die Behörden erneut mit heftigen Protesten gegen das G20-Treffen. Globalisierungsgegner haben zu Aktionen gegen Finanzinstitute aufgerufen. Die Sicherheitskräfte sind mit einem Grossaufgebot präsent. (ap/rr)

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Newsnetz 2.4.09

Ein Toter bei G-20-Protesten in London

Bei den Protesten zum Weltfinanzgipfel in London kam in der Nacht ein Mensch ums Leben. Die Polizei erwartet für heute weitere Aktionen.

Der Mann war nach Angaben der Polizei am Mittwochabend bewusstlos auf der Strasse zusammengebrochen und auf dem Weg ins Spital gestorben. Ein Fremdverschulden lag gemäss einem Augenzeugen nicht vor. Die Polizei war alarmiert worden, nachdem der Mann bewusstlos auf dem Trottoir zusammengebrochen war.

Randalierer bewarfen die Beamten, die sich um den Mann kümmern wollten, mit Flaschen, wie die Polizei mitteilte. Der Mann sei auf dem Weg ins Spital gestorben. Das Alter des Zusammengebrochenen wurde auf etwa 30 Jahre geschätzt.

Mehrere Verletzte

Die Proteste gegen den G-20-Gipfel hatten am Mittwochmittag begonnen. Tausende Demonstranten gerieten mit der Polizei aneinander. Bei zum Teil schweren Krawallen wurden mehrere Polizisten und Demonstranten verletzt. Die Krawallmacher belagerten stundenlang das Bankenviertel.

Eine Filiale der Royal Bank of Scotland wurde gestürmt. Randalierer zerschlugen Fenster, warfen Gegenstände aus dem Gebäude und beschmierten die Wände. Der mit Schlagstöcken und Schutzschilden ausgerüsteten Polizei gelang es nicht, die wütende Menge in Schach zu halten.

Über 20 Personen verhaftet

Rund 5000 Demonstranten hatten nach offiziellen Angaben lautstark gegen Kapitalismus, Kriege und die Zerstörung der Umwelt protestiert. Mit Sprüchen wie "Bestraft die Plünderer" und "Wir brauchen sauberen Kapitalismus" zogen sie zunächst zur Notenbank, die sie ebenfalls stürmen wollten.

Zahlreiche Strassen und Eingänge zu Bahnhöfen wurden gesperrt. Die Polizei kesselte Randalierer zeitweise ein. Bis am Abend wurden laut Scotland Yard mehr als 20 Menschen festgenommen. Die Polizei ist über die Gipfeltage mit rund 5000 Beamten im Einsatz.

Die Polizei warnte vor weiteren Ausschreitungen. Am heutigen Gipfeltreffen diskutieren die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer Wege aus der Finanz- und Wirtschaftskrise

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ANTI-ATOM
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WoZ 2.4.09

Dossier Orte des Erinnerns, Orte zum Vergessen

Atomkraftwerk Gösgen-Es ist keine Gegend, die man sich freiwillig zum Wandern aussucht: Doch der Aareuferweg ­zwischen Aarau und Olten hat es in sich.

Die Kathedralen an der Aare

Von Susan Boos

Es braucht keine währschaften Schuhe, um diesen Weg zu gehen. Ein Weg, der an Orten wie Schönenwerd, Gretzenbach, Däniken oder Dulliken vorbeiführt: Kaum jemand kennt sie, aber alle haben sie schon gesehen, wenn sie mit dem Zug von Zürich nach Bern gefahren sind - dort, wo mittendrin ein kühner Kühlturm steht.

Aber beginnen wir am Anfang, beim Bahnhof von Aarau. Grad wird gebaut und ein prächtiger Glaspalast hochgezogen, 2010 soll der neue Bahnhof fertig sein. Noch herrscht Bauchaos, doch mitten im Durcheinander finden sich gelbe Wegweiser, die einen direkt zum Aare uferweg schicken.

Das Schloss auf der Aare

Unten an der grünen, trägen Aare steht dieses mächtige Gebäude, es sieht aus wie eine Kreuzung aus Schloss und Kirche und thront auf dem Wasser, als gälte es, den Fluss zu bezwingen: Das Elektrizitätswerk Aarau, es ist eines der älteren im Land, seit über hundert Jahren produziert es Strom. Doch es ist nicht das einzige, dem man auf dem Weg nach Olten begegnet. Zwischen dem Bielersee und Koblenz, wo die Aare sich mit dem Rhein vereint, gibt es nur drei kurze Stellen, an denen sie frei und unbehelligt fliessen darf. Die sind aber nicht hier, zwischen Aarau und Olten. Ein sandiger Weg führt entlang des Flussbettes. Weich mäandert das Gewässer durch die wilde Auenlandschaft. Wild gedeiht der Wald, das Gestrüpp verschluckt den Verkehrslärm und verbirgt die Terrassenhäuser von Erlinsbach. Auf diesen Kilometern spaziert man in stiller Natur.

Bis man in Schönenwerd wieder auftaucht. Schönenwerd war das Reich von Bally, wo die besten Schuhe genäht wurden. Dann verkaufte der Patron seinen Betrieb an den Rüstungskonzern Oerlikon Bührle, irgendwann hörten sie auf, im Dorf Schuhe zu produzieren, weil es nicht mehr rentierte. Aber den Bally-Park, den gibt es noch. Ein wundersamer, geräumiger Park zwischen Aare und Bahngleis, mit Teichen, Pfahlbauten und schmucken Häuschen. Ein Park für das arbeitende Volk, vor über hundert Jahren angelegt und wie aus der Zeit gefallen.

Im Westen steigt eine weisse Wolke in den makellosen Himmel, die Dampffahne des Atomkraftwerkes Gösgen. Die Aare Tessin AG für Elektrizität, die Atel, die heute Alpiq heisst und zu einem Teil dem französischen Atomkonzern Electricité de France gehört, hat das AKW dort hingestellt. Zuerst wollte die Atel gar keinen Kühlturm bauen und ihr Werk mit Aarewasser kühlen. Das wurde untersagt, weil Wissenschaftler fürchteten, der Fluss könnte zum dampfenden Höllenstrom werden, da bereits drei Meiler an der Aare stehen (Mühleberg und Beznau I/II), die den Fluss zur Kühlung nutzen.

Ein schlichter Turm

Den Weg zum Kühlturm hat auch Franz Hohler in seinem Wanderbuch beschrieben: "Da der Weg in der Uferbewaldung bleibt, bekomme ich den Turm, welcher Kathedralengrösse hat, kaum zu Gesicht. Zweimal habe ich auf seiner Vorderseite protestiert, aber er hat sich nicht darum geschert, und der Reaktor, dessen Kugel an eine Moschee erinnert, auch nicht. Obwohl in seinem Innern die Energie von tausend krachenden Gewittern erzeugt wird, ist hinter dem Stacheldrahtzaun nur ein leises Summen zu hören (...)."

Es lohnt sich, auf dem Weg zum Turm ans andere Ufer Richtung Niedergösgen zu spähen. Auf diesem Stück Land, das vom Atomkraftwerk über den Fluss nach Schachen reicht, möchte die Alpiq ein neues Kraftwerk bauen. Es soll KKW Niederamt heissen und fast doppelt so leistungsfähig sein wie das AKW Gösgen. Sein Turm soll allerdings schlichter sein, niedrig und weniger auffällig. Ein Rahmenbewilligungsgesuch hat die Alpiq bereits eingereicht; in einigen Jahren wird das Stimmvolk darüber befinden.

Falls die Alpiq bauen dürfte, wäre dieser lauschige Uferpfad vermutlich für lange Zeit blockiert. Noch ist er ungehindert passierbar, bis hinauf nach Olten - ein liebevoll angelegter Weg durch das letzte bisschen struppige Natur.

Franz Hohler: "52 Wanderungen". Luchterhand Literaturverlag. München 2005.

Die AKW-Wanderung

Aarau - Aaresteg Süd - Elektrizitäts werk Aarau - Aareweg Nord ufer - Grien - Süffelsteg - Aareweg Süd ufer - Schachenwald - Schönen werd - Atomkraftwerk Gösgen - Schachen - Aareweg Nordufer - Kläranlage - Stauwehr Giessen - Olten.

Gehzeit: 4 Stunden 20 Minuten.