MEDIENSPIEGEL 8.4.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Schützenmatte: Lunapark 18.4.-3.5.09
- Progr-Abstimmung: Es knatscht weiter
- Neues kantonales Sexwork-Gesetz
- Revolutionärer Block am 1. Mai Thun
- Ortspolizei-Debatte
- Fragen zu Rolle der Security an der Pnos-Demo Burgdorf
- Neuer Anlauf für Bahnpolizei
- Euro 08: Bund soll Defizit bezahlen
- Sachabgabe-Zentrum Twannberg
- Wallis beklaute Asylsuchende
- Bleiberechts-Demo ZH
- No Nato: Solidarität mit den Strassburger Gefangenen
- G-20-Toter: Videobeweis
- Gipfel-Soli-News 8.4.09
- Antira-Cup Soletta
- NPD-Pleiten-Krise
- Anti-Atom: Kritik werden Mühleberger Kernmantelrissen; AKW-Entsorgungs-Fonds; AKW Fessenheim; Anti-Atom-Notwehr; Atom-Tiefen-Endlager Aargau
- Kultur-Defizit: Kaserne BS macht 310'000 Verlust

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REITSCHULE
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Mi 08.04.09
19.00 Uhr - SousLePont - Pasta Pasta Spezialitäten
21.00 Uhr - Rössli-Bar - BASIC SURVIVAL, ein one-man Musical von und mit Lonesome Andi Haller

Do 09.04.09
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter special - mit DJ FRATZ, Janine, DJ missBehaviour, Mike & DJ ELfERich
20.30 Uhr - Kino - UNCUT: straight, Nicolas Flessa, D 2007, OV, 60min, dvd
22.00 Uhr - Dachstock - Wild Wild East: Gypsy Sound System GE & Balkanekspress ZH Support: DJ's Arkadi & Nikodem CH/POL - Balkanbeats/Gypsysounds/World

Fr 10.04.09
21.00 Uhr - Kino - Tango, C. Saura, Argentinien 1997, OV/df, 115min, 35mm
22.00 Uhr - Tojo - Tojo Karfreitags Disko mit DJane Anouk Anouk
22.00 Uhr - Dachstock - Patchwork presents: J*Davey live Los Angeles, USA, Support: Tom Trago Parra Soundsystem/Rush Hour, nl & DJ Sassy J Patchwork - New Wave/Funk/R'n'B

Sa 11.04.09
21.00 Uhr - Kino - Je ne suis pas là pour être aimé, S. Brizé, F 2005, OV/d, 93min, 35mm
22.00 Uhr - SousLePont - Jubilé, Poutre - Beide: F, IndieNoiserock
22.00 Uhr - Dachstock - The Never Evers CH, Support: The Jackets CH, DJ Larry Bang Bang - PowerGarageStompin'

So 12.04.09
22.00 Uhr - SousLePont - Bleesch BE, Rock PLATTENTAUFE, Support: Gsprächstoff BE, Rap/Pop
22.00 Uhr - Dachstock - CunninLinguists USA, Substantial USA, DJ Draker
18.00 Uhr- Rössli- Bar

Infos: www.reitschule.ch

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SCHÜTZENMATTE
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Blick am Abend 7.4.09

"Schütz"

Bern -> Vom 18. April bis 3. Mai findet auf der Schützenmatte der traditionelle Lunapark statt. Der Park ist täglich von 14 bis 23 Uhr in Betrieb. Das Angebot umfasst 13 Schausteller.

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PROGR
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Bund 8.4.09

Progr: SVP gibt nicht auf

Stadt Bern Die Stadtberner SVP hat mit einer Beschwerde die auf den 17. Mai angesetzte Variantenabstimmung zur Zukunft des Progr infrage gestellt. Nun hat die Berner Regierungsstatthalterin Regula Mader Stellung genommen - jedoch noch keinen materiellen Entscheid gefällt. Mader entzieht der Beschwerde aber die aufschiebende Wirkung. Demnach soll das Stimmvolk am 17. Mai wie geplant befinden können. Ob es im Mai zum Urnengang kommt, ist dennoch ungewiss: Die SVP hat bereits beschlossen, Maders Verfügung beim kantonalen Verwaltungsgericht anzufechten. (ige)

Seite 19

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Progr-Abstimmung im Mai - oder auch nicht

Die Berner Regierungsstatthalterin entzieht der SVP-Beschwerde betreffend Progr die aufschiebende Wirkung - die Beschwerdeführer fechten den Entscheid an

Kann im Mai über die Zukunft des Progr abgestimmt werden? Diese Frage wird nun das kantonale Verwaltungsgericht beschäftigen. Ob ein Entscheid noch vor dem Abstimmungstermin fällt, ist aber ungewiss.

Ivo Gehriger

Geht es nach Regierungsstatthalterin Regula Mader (sp), stimmt der Berner Souverän wie vorgesehen am 17. Mai über die künftige Nutzung des Progr ab. Mader hat der Beschwerde der Stadtberner SVP gegen den Stadtratsbeschluss betreffend das alte Progymnasium die aufschiebende Wirkung entzogen, wie sie gestern mitteilte.

Der Stadtrat hatte sich am 5. März für eine Variantenabstimmung ausgesprochen und der Vergabe des Gebäudes an die Künstlerinitiative Pro Progr den Vorzug gegeben. Dies obschon die Künstler ihr Angebot für den Progr erst Ende 2008 unterbreiteten - zu einem Zeitpunkt, da die Stadt längst die Investorin Allreal mit ihrem Projekt "Doppelpunkt" als Siegerin eines Wettbewerbs auserkoren hatte.

Dem Stimmvolk stellt sich entsprechend die Frage: Soll der Progr - wie als Zwischenlösung bereits heute - durch Kunstschaffende genutzt werden, oder soll im Gebäude ein Gesundheits- und Schulungszentrum mit Kulturbetrieb nach den Plänen der Allreal entstehen?

Nach Ansicht der SVP darf die Frage so aber gar nicht gestellt werden. Die Partei und ihr designierter Präsident Peter Bernasconi verlangen in ihrer Beschwerde, dass der Stadtratsbeschluss aufgehoben wird, weil die Vergabe des Progr an die Künstler gegen übergeordnetes Recht verstosse. Zudem kritisiert die SVP die Abstimmungsbotschaft, da sie die beiden Projekte zu Unrecht als gleichwertig darstelle.

Beschwerde vorerst sistiert

Eine Beschwerde gegen die Abstimmungsfrage könne erst eingereicht werden, wenn das zuständige Organ entschieden habe, also nach der Volksabstimmung, hält nun Mader erneut fest (vgl. "Bund" vom 28. 3.). Das Beschwerdeverfahren betreffend Abstimmungsbotschaft bleibe bis zum Versand derselben - voraussichtlich also bis zum 20. April - sistiert. Der SVP-Beschwerde komme zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu, räumt Mader ein. Doch könne diese aus "wichtigen Gründen" entzogen werden. Letztere sieht die Regierungsstatthalterin als gegeben: Nach einer "ersten Sichtung" der Botschaft sei zwar davon auszugehen, dass diese "mit einzelnen Ungenauigkeiten behaftet ist". Jedoch erkennt Mader "keinen Verstoss gegen die Pflicht zur objektiven Information". Es sei deshalb nicht angezeigt, die Abstimmung zu vertagen. Demnach soll es am 17. Mai zur Abstimmung kommen - über die Beschwerde würde erst danach abschliessend befunden.

Entscheid vor 17. Mai möglich

Das letzte Wort punkto Abstimmungsdatum ist aber noch nicht gesprochen: Bereits stehe fest, dass die SVP Maders "Entzug der aufschiebenden Wirkung" anfechten werde, sagt Stadtrat Bernasconi. Denkbar ist darum, dass das kantonale Verwaltungsgericht die Verfügung der Regierungsstatthalterin revidiert. Theoretisch sei die Behandlung der SVP-Beschwerde durch das Verwaltungsgericht noch vor dem 17. Mai möglich, hiess es gestern beim Gericht auf Anfrage.

Über den Entscheid Maders sei die SVP enttäuscht, sagt Bernasconi. Der Bürger habe das Recht, korrekt informiert zu werden. Das sei bei der vorliegenden Botschaft nicht der Fall. Es gebe keinen Grund, "die Sache übers Knie zu brechen". "Die Abstimmung soll durchgeführt werden, sobald rechtlich Klarheit herrscht." Sonst befinde das Stimmvolk - nur um im Nachhinein womöglich zu erfahren, dass die Abstimmung ungültig gewesen sei. "Dieses Szenario wäre für alle Beteiligten - auch die Progr-Künstler - unzumutbar."

Allreal hält an Projekt fest

Allreal wollte den Entscheid gestern nicht kommentieren. Nach dem Stadtratsbeschluss sagte Vizedirektor Stefan Creus, das Vertrauen in die Stadt als verlässliche Partnerin sei erschüttert, ein Rückzug des Projekts nicht ausgeschlossen. Nun ist aber klar: Allreal wird am Vorhaben festhalten und einen Abstimmungskampf führen, wie Firmensprecher Matthias Meier sagt.

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Kritik an Wettbewerben

Stadträtin Gisela Vollmer (sp) kann der Wettbewerbspraxis in der Stadt Bern wenig Gutes abgewinnen. In einer Motion listet sie diverse Unzulänglichkeiten auf: Erstens führe jede Direktion Wettbewerbe nach unterschiedlichen Kriterien durch; zweitens liefen teilweise für das gleiche Areal mehrere Wettbewerbe parallel; drittens sei auch störend, dass für grosse Terrains nur Einladungswettbewerbe mit wenigen Teilnehmern stattfänden oder wie beim Progr Investorenwettbewerbe ohne vorherige Nutzungsfestlegung durchgeführt würden. Vollmer wirft der Stadt vor, sie betreibe "mit ihrem Umgang betreffend Eignungsnachweis einen exzessiven Formalismus". Diese Praxis verhindere einerseits eine Förderung von jungen Büros; andererseits führe sie dazu, dass private Investoren die Stadtentwicklung massgeblich bestimmten. Vollmer fordert den Gemeinderat auf, dem Stadtrat ein Reglement vorzulegen, "welches Kriterien und Vorgehen bei Wettbewerben" festlegt. (ruk)

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BZ 8.4.09

Stadt Bern: Progr

"Irreführung des Stimmvolks"

Regierungsstatthalterin Regula Mader hat die Beschwerde gegen die Progr-Abstimmung sistiert: Diese solle wie geplant am 17.Mai stattfinden. Doch die Beschwerdeführer ziehen den Entscheid ans Verwaltungsgericht weiter.

Sind die Stadtberner Stimmberechtigten ausreichend informiert, um am 17.Mai über die Zukunft des Progr befinden zu können? SVP-Stadtrat Peter Bernasconi bezweifelt dies. Er hat darum gegen den Entscheid des Stadtrats, dem Volk eine Variantenabstimmung vorzulegen, Beschwerde eingereicht. Einerseits fehlten im Abstimmungsbüchlein wichtige Informationen; andererseits sei es unklar, ob der Stadtrat überhaupt befugt gewesen sei, eine Variantenabstimmung aufzugleisen. Das Parlament hatte Anfang März dem aus einem Wettbewerb hervorgegangenen Projekt "Doppelpunkt" quasi in letzter Minute das Projekt der Progr-Kulturschaffenden entgegengestellt.

Jede Menge Juristerei

Gestern hat Regierungsstatthalterin Regula Mader einen Entscheid gefällt - keinen materiellen, sondern einen formalen. In der Frage des Abstimmungsbüchleins hat sie die Beschwerde sistiert: Abstimmungsbotschaften könnten erst angefochten werden, wenn die Unterlagen verschickt worden seien.

Dies ist unter Juristen umstritten, weil die rechtlichen Grundlagen hierfür auf Anfang Jahr geändert haben - spielt aber auch gar keine Rolle: Gleichzeitig hat Mader der Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen. Damit wird sie so der so nicht mehr vor der Abstimmung entscheiden müssen. In ihrer Pressemitteilung schreibt die Statthalterin denn auch klipp und klar, dass die Abstimmung am 17.Mai stattfinden wird.

Gericht soll entscheiden

Doch dies ist nicht in Stein gemeisselt: Peter Bernasconi will den Entscheid ans Verwaltungsgericht weiterziehen. Sein Ziel ist klar: "Die Abstimmung soll erst durchgeführt werden, wenn Klarheit herrscht." Die Grundlagen für die Variantenabstimmung seien fragwürdig, urteilt der designierte SVP-Präsident: "So eine Abstimmung durchzuführen kommt einer Irreführung der Stimmbürger gleich."

Grundsatzfrage offen

Mader kommt in ihrem Entscheid nach einer "ersten Sichtung" der Botschaft zum (vorläufigen) Urteil, dass das Abstimmungsbüchlein zwar "vereinzelte Ungenauigkeiten" beinhalte, die Pflicht zur objektiven Information aber nicht verletzt werde. Dem widerspricht Bernasconi: "Es fehlen entscheidende Informationen, etwa welche Verpflichtungen auf die Stadt zukommen, falls die Progr-Künstler einst ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen sollten."

Bernasconi kritisiert auch, dass Mader die Grundsatzfrage, ob eine Variantenabstimmung zulässig sei, nicht beantwortet hat. Beschwerden gegen "Abstimmungssachen" seien erst nach dem Urnengang zulässig, schreibt Mader in ihrem Entscheid. Auch dem widerspricht Bernasconi: "Die Rechtsprechung zeigt klar auf: Wenn es Unstimmigkeiten gibt, sollen diese falls möglich vor einer Abstimmung ausgeräumt werden."

Büchlein bereits gedruckt

 Trotz all dessen muss die Stadt die Vorbereitungen für den Urnengang vom 17.Mai vorantreiben: "Die Abstimmungsbüchlein sind bereits gedruckt und werden ab dem 20.April verschickt", sagt Vize-Stadtschreiberin Christa Hostettler. Es sei aber noch immer möglich, dass die Abstimmung nicht durchgeführt werde: "Sollte die Regierungsstatthalterin oder das Verwaltungsgericht die Abstimmung absetzen, würden wir dies den Stimmberechtigten natürlich kommunizieren." Neu drucken würde man das Stimmmaterial aus zeitlichen Gründen aber nicht können. "Die Progr-Abstimmung würde einfach nicht ausgezählt."

Für Peter Bernasconi ist dies eine unschöne Aussicht: "Uns geht es letztlich um die Frage: Darf man dem Volk eine rechtswidrige Vorlage vorlegen? Wir meinen klar: nein."
Adrian Zurbriggen

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Reaktion

Allreal bleibt noch im Spiel

Die Generalunternehmung Allreal, welche das Siegerprojekt aus dem Investorenwettbewerb realisieren möchte, will den Bettel trotz der unsicheren Planungslage vorderhand nicht hinschmeissen: "Wir sind von unserem Projekt eines Gesundheitshauses nach wie vor überzeugt", sagt Sprecher Matthias Meier. "Zum heutigen Zeitpunkt und Wissensstand werden wir in den Abstimmungskampf steigen."
azu

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Kommentar

Blinder Galopp

Adrian Zurbriggen

Nach einer "ersten Sichtung" hat Regierungsstatthalterin Regula Mader im Abstimmungsbüchlein zum Progr "vereinzelte Ungenauigkeiten" festgestellt. Trotzdem sistiert sie die Beschwerde mit der Begründung, dass eine Beschwerde gegen ein Abstimmungsbüchlein erst möglich sei, wenn das Büchlein versandt sei.

Diese Auslegung ist nicht nur umstritten, sondern absurd und stossend: Seit der Stadtrat die umstrittene Botschaft verabschiedet hat, liegt sie auf dem Tisch und kann also beurteilt werden. Unfreiwillig komisch wirkt da die offizielle Aufforderung an Beschwerdeführer Peter Bernasconi, er solle sich doch bitte melden, wenn das Büchlein mit dem Abstimmungsmaterial bei ihm eingetroffen sei.

Endgültig nicht mehr nachvollziehbar ist, warum sich Regula Mader in der Hauptsache nicht geäussert hat: Die Beschwerde richtet sich auch gegen die beiden Stadtratsbeschlüsse, dem ursprünglichen Siegerprojekt "Doppelpunkt" das Künstlerprojekt in einer Variantenabstimmung gegenüberzustellen. Hierzu schreibt Mader bloss, dass Beschwerden gegen "Beschlüsse in Abstimmungssachen" erst nach der durchgeführten Abstimmung möglich seien.

Sollte es am 17.Mai zur Abstimmung kommen, wäre dies also eine Abstimmung unter Vorbehalt. Über dem Votum der Stimmberechtigten würde das Damoklesschwert einer nachträglichen Ungültigkeitserklärung schweben. Das darf nicht sein. Es ist zu hoffen, dass das Verwaltungsgericht den blinden Galopp stoppt. Denn für überstürzte Eile gibt es keinen Grund. Das Risiko eines Scherbenhaufens für die Stadt ist viel zu gross.

adrian.zurbriggen@bernerzeitung.ch

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punkt.ch 8.4.09

"Progr"-Verkauf

Entscheid fällt im Mai

Juristisch gesehen sei die Situation um die Abstimmung für oder wider den Kulturbetrieb im "Progr" verzwickt. Das sagte Regierungsstatthalterin Regula Mader, als die Beschwerde der SVP gegen die Variantenabstimmung auf ihrem Tisch lag.
Offenbar hat sie eine Lösung gefunden. Die Variantenabstimmung fi ndet am 17. Mai statt. Mader hat der Beschwerde der SVP die aufschiebende Wirkung entzogen. Mit der Begründung, dass eine Abstimmungsbotschaft erst angefochten werden kann, wenn die Botschaft an die Stimmberechtigten versandt wurde.

Die Beschwerde kam zu früh

Der Stadtrat hatte im Herbst entschieden, dass die Künstler im alten Progymnasium das Gebäude kaufen können, wenn sie eine ausreichende Finanzierung nachweisen. Dies, nachdem aus einem Wettbewerb ein Siegerprojekt hervorging. Im März hatte das Parlament die Variantenabstimmung beschlossen. (red)

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SEXWORK BE
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Bund 8.4.09

Regeln fürs Sexgewerbe

Der bernische Grosse Rat verlangt ein Gesetz, das Prostituierte besser schützt

Der Regierungsrat muss ein Gesetz entwerfen, das Sexarbeiterinnen vor Ausbeutung schützt und für die Etablissements klare Regeln aufstellt. Hinter dem Grossratsentscheid steht der Nidauer Regierungsstatthalter.

Dölf Barben

Das Sexgewerbe soll im Kanton Bern mit einem speziellen Gesetz geregelt werden. Der Grosse Rat hat eine überparteiliche Motion gestern mit grossem Mehr überwiesen. Die Regierung hätte lieber die bestehenden Gesetze mit neuen Vorschriften ergänzt. Die Mehrheit des Grossen Rates liess sich aber von den Motionären überzeugen. Aus ihrer Sicht ist ein Spezialgesetz geeigneter, Prostituierte vor ihren Hintermännern zu schützen. "Das Problem sind die Zuhälter", sagte Adrian Kneubühler (fdp, Nidau).

Einen Hintermann gibt es auch bei dieser Geschichte. Es ist der Nidauer Regierungsstatthalter Werner Könitzer. Vor anderthalb Jahren hat er für eine Kontaktbar einen Vertrag kreiert, der das Etablissement von der Unterwelt in die Halbwelt holte. Der Kern seines Konzeptes, das sich zu bewähren scheint, ist die Bewilligung, an die sich Bedingungen knüpfen lassen. Das kann derzeit aber nur bei Sexbetrieben funktionieren, die auf eine Gastro-Bewilligung angewiesen sind. Alle anderen benötigen keine Bewilligung. Deshalb wäre es Könitzers Wunsch, dass Kontaktbars, Bordelle und dergleichen aufgrund eines Spezialgesetzes fürs Sexgewerbe generell eine Bewilligung brauchen. Dadurch erst wäre es möglich, den Betreibern Auflagen zu machen, deren Einhaltung auch ohne Verdachtsmomente kontrolliert werden kann. Weil Könitzer sein Konzept verbreiten möchte, suchte er Grossratsmitglieder verschiedener Parteien, die seine Idee ins Parlament tragen. In Christine Häsler (grüne, Wilderswil) fand er eine erste Verbündete. Häsler hatte vor Jahren schon einmal versucht, die Situation von Prostituierten zu verbessern. Damals noch ohne Erfolg. Bern wäre nicht der erste Kanton mit einem Spezialgesetz fürs Sexgewerbe.

Seite 25

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Mehr Schutz für Prostituierte

Der Grosse Rat verlangt vom Regierungsrat, ein Gesetz für das Sexgewerbe vorzulegen

Kein Stückwerk mehr, sondern ein klares Gesetz, das die Vorschriften über das Sexgewerbe an einem Ort vereinigt: Der Grosse Rat hat gestern eine überparteiliche Motion, die das verlangt, mit überwältigendem Mehr gutgeheissen.

Dölf Barben

Schluss mit der Doppelmoral: Ihr Vorstoss könnte auch diesen Titel tragen, sagte Christine Häsler (grüne, Wilderswil) gestern im Grossen Rat. Sie als Erstunterzeichnerin und Adrian Kneubühler (fdp, Nidau), Andreas Blank (svp, Aarberg) und Elisabeth Hufschmid (sp, Biel) verlangten in ihrer überparteilichen Motion ein Gesetz fürs Sexgewerbe. Man müsse dazu stehen, dass es Prostitution gebe und dass die Gesellschaft diese offenbar auch brauche, sagte sie. Die Doppelmoral bestehe darin, dass man zwar vom ältesten Gewerbe spreche - "aber ansiedeln soll es sich nicht".

Mit einem Gesetz für das Sexgewerbe wollen die Motionäre in allererster Linie eines erreichen: Frauen, die sich prostituieren, sollen vor Ausbeutung geschützt werden. Das Gesetz soll aber auch jene Frauen schützen, die nicht im Sexgewerbe arbeiten wollen: "Wer das nicht will, darf auch nicht dazu gezwungen werden", sagte Häsler. Um die Situation der Frauen zu verbessern, zielen die Motionäre auf die Männer, die oft hinter den Prostituierten stehen. "Das Problem sind nicht die Frauen, sondern die Zuhälter", sagte Mitmotionär Adrian Kneubühler. Wenn eine Frau sich aus eigenem Willen prostituieren wolle, dann sei das in Ordnung, wenn aber "brutaler Druck von Zuhältern im Spiel ist", dann müsse der Staat in der Lage sein, dem etwas entgegenzusetzen. Ausserdem - und dies wurde mehrmals betont - soll das neue Gesetz verhindern, dass grosse Teile der Gewinne, die im Sexgewerbe getätigt werden, am Fiskus vorbeigeschleust werden.

"Es funktioniert einfach nicht"

Dass Handlungsbedarf besteht, darin waren sich gestern alle einig. Uneinig waren sich die Fraktionen zunächst nur in der Frage, ob tatsächlich ein neues Gesetz nötig ist, um die Missstände zu beheben. Der Regierungsrat hatte in seiner Antwort auf die Motion festgehalten, ein solches sei nicht nötig. Der sehr komplexe Bereich der Prostitution und des Sexgewerbes werde bereits durch mehrere bestehende Gesetzesartikel geregelt; die Probleme seien vielmehr auf Vollzugsdefizite zurückzuführen. Der Regierungsrat schlug vor, die bestehenden Gesetze mit Vorschriften zu ergänzen.

Anders sah dies Adrian Kneubühler: "Mit den heutigen gesetzlichen Grundlagen funktioniert es einfach nicht." Mit einem neuen Gesetz aber könne die Grauzone klar eingeschränkt werden. Kneubühler verwies auf die Erfahrungen in Nidau. Dort hat Statthalter Werner Könitzer mit einer Kontaktbar einen Vertrag ausgehandelt (siehe "Bund" vom 26. März). Die Betreiber hätten dort auf freiwilliger Basis Einschränkungen zugestimmt, sagte Kneubühler. Man wolle aber, dass die Behörden künftig nicht mehr auf das Entgegenkommen von Betreibern angewiesen seien.

"Blaulicht im Rotlichtbezirk"

FDP-Sprecher Hans Baumberger (Langenthal) unterstützte die Forderung nach einem neuen Gesetz: Wenn die Polizei "mit Blaulicht in den Rotlichtbezirk" einfahre, seien ihr oft die Hände gebunden, sagte er. Gerade wenn sie gegen Hintermänner und -frauen vorgehen sollte, "die oft das eigentliche Problem darstellen". Barbara Mühlheim (grüne, Bern) empfahl ein neues Gesetz auch aus praktischen Gründen. Die Zusammenfassung der verstreuten Bestimmungen wäre nicht nur für die Behörden, die im Alltag damit zu tun haben, kundenfreundlicher - "das Gleiche gilt dem Milieu gegenüber".

SP, BDP und EVP hatten sich skeptisch gegenüber einem neuen Gesetz geäussert. EVP-Sprecher Gerhard Baumgartner (Ostermundigen) gab zu bedenken, durch ein solches Gesetz würde Sexarbeit mit anderer Arbeit gleichgestellt, Prostitution werde gewissermassen durch die Politik gesellschaftsfähig gemacht. Und das störe die EVP. Als der SP-Sprecher sagte, die Mehrheit der SP-Fraktion bestehe nicht auf der Umwandlung in ein Postulat, war der Fall klar. Der Vorstoss wurde schliesslich überaus deutlich mit 136 zu 6 Stimmen überwiesen.

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BZ 8.4.09

Prostitution regeln

Grosser Rat will ein Sexgesetz

Der Regierungsrat muss ein Gesetz erarbeiten, welches das Sexgewerbe regelt. Das hat der Grosse Rat gestern klar und deutlich beschlossen. Die bestehenden Regelungen der Prostitution seien lückenhaft und genügten nicht.

"Schluss mit der Doppelmoral", forderte Grossrätin Christine Häsler (Grüne, Wilderswil) gestern im Grossen Rat. Die Prostitution sei ein Teil der Gesellschaft, werde aber nicht als solcher anerkannt. Unter dem Motto "Regeln, Schranken und Schutz statt Ächtung" hat Häsler zusammen mit Adrian Kneubühler (FDP, Nidau), Andreas Blank (SVP, Aarberg) und Elisabeth Hufschmid (SP, Biel) eine Motion für einen Gesetzesentwurf für das Sexgewerbe eingereicht. "Wir wollen, dass Menschen, die im Sexgewerbe tätig sind, geschützt werden, sich aber auch korrekt verhalten und Steuern bezahlen", sagte Häsler.

Bedenken meldeten nur die EVP und die EDU an. Sie bekundeten vor allem Mühe mit der Forderung, dass die Sexarbeit anderen Berufen gleichgestellt werden sollte. Obwohl sich SP und BDP nur für ein unverbindliches Postulat aussprachen, wurde der Vorstoss schliesslich überraschend deutlich mit 136 zu 6 Stimmen als Motion überwiesen. Offensichtlich waren im Laufe der Debatte noch zahlreiche Grossräte umgeschwenkt.

"Grauzone einschränken"

Kneubühler setzte sich aus zwei Gründen für den Vorstoss ein: Erstens gehe es in gewissen Bereichen nicht ohne Gesetze. Und zweitens sei es stossend, dass im Sexgewerbe Millionenerträge an den Steuerbehörden und den Sozialversicherungen vorbeigeschleust würden. "Es geht darum, die Grauzone einzuschränken", sagte Kneubühler.

Das sah auch SVP-Sprecher Christian Hadorn (Ochlenberg) so: "In keinem anderen Gewerbe ist die Dunkelziffer der undurchsichtigen Machenschaften so hoch." Es brauche griffige Regeln. Dafür sprach sich im Namen der Grünen auch Barbara Mühlheim (Bern) aus.

FDP-Sprecher Hans Baumberger (Langenthal) ergänzte, dass man heute die einschlägigen Bestimmungen in verschiedenen Gesetzen "zusammenkratzen" müsse. Dies führe zu Vollzugsproblemen.

Fritz Ruchti (SVP, Seewil) erlebte diese Probleme als Ortspolizeivorsteher in Rapperswil. Er nahm Bezug auf die jüngst erfolgten Razzien in den Clubs 3000 und 3001 bei Münchenbuchsee und in Einigen und deren Schliessung. Er sei nicht befugt gewesen, Personenkontrollen zu machen; auch seien die Kontrollierenden erst nach längerem Warten in die Räume gelassen worden. Ruchti betonte, man müsse die Motion unbedingt annehmen, damit die Gemeinden Probleme mit solchen Lokalen endlich mit einer klaren Grundlage lösen könnten.

Nidau als Vorbild

Die Motionäre und viele Votanten wiesen in der Debatte auf das Bordell im Hotel Schloss Nidau. Dort hatte Regierungsstatthalter Werner Könitzer die Wiedereröffnung im Sommer 2007 an klare Bedingungen geknüpft und das Etablissement unter die behördlichen Fittiche genommen. Damit hat er viel Positives erreicht, ist aber auf die Kooperation der Bordellbetreiber angewiesen. Er unterstützt daher die Forderung nach einem kantonalen Gesetz fürs Sexgewerbe.

Kneubühler sagte dazu: "Unser Problem ist nicht die Frau. Unser Problem ist der Zuhälter hinter der Frau." Mit der heutigen gesetzlichen Regelung seien die Behörden "peinlicherweise" auf die Kooperation des Zuhälters angewiesen. Das müsse geändert werden.

Der Regierungsrat wollte den Vorstoss nur als unverbindliches Postulat entgegennehmen. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) gab indes zu, dass die Stellungnahme der Regierung "vielleicht etwas mutlos" ausgefallen sei. Er anerkannte die hohe Dringlichkeit des Problems. Käser will aber nicht einzig auf die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes setzen; er will zugleich prüfen lassen, ob durch die Ergänzung der relevanten bestehenden Gesetze (Polizeigesetz, Gesundheitsgesetz, Arbeitsgesetz) eine bessere Regelung möglich ist.
Dominic Ramel

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Berner Rundschau 8.4.09

Gesetz fürs Sexgewerbe

Grosser Rat will klare Regeln und Schutz

"Wir müssen hinschauen und nicht verschämt wegschauen", rief Motionärin Christine Häsler

 (Grüne/Wilderswil) die Grossräte dazu auf, ihren Vorstoss zu überweisen. Mit Häsler forderten auch die Mitmotionäre Adrian Kneubühler (FDP/Nidau), Andres Blank (SVP/Aarberg) und Elisabeth Hufschmid (SP/Biel) ein Gesetz für das Sexgewerbe.

Das Anliegen stiess auf breite Zustimmung. Hans Baumberger (FDP/Langenthal) sagte, "die Strippenzieher operieren im Graubereich". Ein Gesetz sei notwendig. Seine Fraktionskollegin Katrin Zumstein (Bützberg) kritisierte, die Antwort des Regierungsrates - er beantragte lediglich ein Postulat - sei mutlos. "Wenn der Bund nicht handeln will, dann soll der Kanton vorangehen und die Doppelmoral beseitigen." Auch die EVP begrüsse die Motion, sagte Daniel Steiner (Langenthal): "Es braucht klare staatliche Kontrollen für das Gewerbe, das die meisten gar nicht wollen." Für die SVP sagte Christian Hadorn (Ochlenberg), seine Fraktion sei für die Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung. "In keinem anderen Gewerbe ist die Dunkelziffer so hoch." Namens der SP kündigte Markus Meyer (Roggwil) Unterstützung an. Es sei jedoch fraglich, ob dafür gleich ein neues Gesetz notwendig ist. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) versprach bei einer Überweisung der Vorstosses beides: "Wir arbeiten ein neues Gesetz aus, schauen aber auch, ob das Problem mit Ergänzungen der bestehenden Gesetze zu lösen ist." Mit 136 zu 6 Stimmen überwies der Rat die Motion. (uz)

Klare Mehrheit für höhere Kinderabzüge

"Ich kenne den Spielraum nicht, aber es soll mehr sein als 200, 300 Franken." So erklärte Daniel Kast (CVP/Bern), wie sich sein Vorstoss - im Boot der Motionäre sassen auch Ruedi Löffel (EVP) und Alfred Schneiter (EDU) - auf den Geldbeutel von Familien auszuwirken habe. Konkret verlangten die Vorstösser, bei der nächsten Revision des Steuergesetzes seien die Kinderabzüge "in bedeutendem Masse" zu erhöhen. In seiner schriftlichen Antwort zeigte sich der Regierungsrat bereit, weitere steuerliche Entlastungen zu prüfen. Vorher müssten aber die Entscheide auf Bundesebene bekannt sein. Der Bundesrat habe nämlich im November 2008 das Eidgenössische Finanzdepartement beauftragt, eine Vorlage zur Entlastung von Familien mit Kindern bei der direkten Bundessteuer auszuarbeiten. Konkret sei vorgeschlagen, den Kinderabzug von heute 6100 Franken auf 8000 Franken anzuheben. Würde man diese Entlastung auch bei den Kantons- und Gemeindesteuern vornehmen, hätte das alleine für den Kanton Steuerausfälle von 30 Millionen Franken zur Folge. "Der Kerngedanke ist uns sympathisch. In diesem Ausmass würden die höheren Kinderabzüge jedoch den Spielraum in vielen anderen Bereichen schmälern", erklärte Finanzdirektor Urs Gasche (BDP), weshalb der Regierungsrat den Vorstoss lediglich als Prüfungsauftrag entgegennehmen wollte. Nach der Diskussion lenkte Kast ein und wandelte den Vorstoss in ein Postulat um. Dieses überwies der Rat mit 135 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen klar. (uz)

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Regionaljournal DRS Bern 8.4.09

Hoffnung auf baldige Verbesserung des Schutzes von Prostituierten im Kanton Bern (2:39)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe7v708042009.rm?start=00:01:12.400&end=00:03:52.170

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20min.ch 7.4.09

Besserer Schutz

Regeln fürs Sexgewerbe

Das Berner Kantonsparlament will klarere Regeln für das Sexgewerbe. Sexarbeiterinnen sollen vor Ausbeutung geschützt werden, Betriebe und Angestellte hingegen sollen Steuern zahlen. Der Grosse Rat erteilte der Regierung einen verbindlichen Auftrag.

Im Sexgewerbe tätige Personen - vorwiegend Frauen - seien heute zu oft nicht vor Ausbeutung und Missbrauch sicher, begründete Motionärin Christine Häsler (Grüne/Wilderswil) am Dienstag im Grossen Rat ihr Anliegen. Klare Regeln für gesundheitliche und soziale Massnahmen seien nötig.

Häsler empfindet es ausserdem als störend, dass viele Etablissements ihre "enormen Umsätze und Gewinne" am Fiskus vorbeischleusen, wie sie ergänzte. Ein Gesetzesentwurf solle daher festlegen, wie sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Vorschriften eingehalten werden könnten.

Komplexe Problematik

Die Regierung hält in ihrer Antwort auf die Motion fest, dass die Problematik der Prostitution sehr komplex sei. Bereits das geltende Recht biete Möglichkeiten, gegen Missstände vorzugehen. Doch die Vollzugsprobleme seien enorm.

Fritz Ruchti (SVP/Seewil) erlebte diese Probleme als Ortspolizeivorsteher in der Gemeinde Rapperswil, wo kürzlich ein Bordell geschlossen wurde. Er sei nicht befugt gewesen, Personenkontrollen zu machen; auch seien die Kontrollierenden erst nach längerem Warten in die Räume gelassen worden.

Der Regierungsrat wollte nur einen Prüfungsauftrag (Postulat), doch das Parlament überwies mit 136 zu 6 Stimmen ganz klar die Motion. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser sagte vor dem Rat, er werde nun beide Wege aufzeigen: Anpassung bestehender Gesetze (Polizeigesetz, Gesundheitsgesetz, Arbeitsgesetz) oder ein Gesetz, das alle Bereiche zusammenfasst.

Könitzer hat gehandelt

Lobend erwähnt wurde in der Ratsdebatte das Vorgehen des Regierungsstatthalters von Nidau, Werner Könitzer. Er bewilligte den Betrieb eines Bordells in unmittelbarer Nachbarschaft und verband dies mit klaren Auflagen.

Erste Erfahrungen waren positiv, wie Könitzer Ende März vor der Presse bekannt gab.
Quelle: SDA/ATS

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Regionaljournal DRS Bern 7.4.09

Rotlicht-Milieu raus aus Grauzone: Kanton Bern will Regeln für Sex-Gewerbe (3:27)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1707042009.rm?start=00:04:20.009&end=00:07:47.965

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1. MAI THUN
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Indymedia 7.4.09

Revolutionärer Block am 1. Mai in Thun ::

AutorIn : Libertäres 1. Mai Komitee         
    
Liebe Genossinnen und Genossen

Der 1. Mai steht wieder vor der Tür. Ein weiteres Jahr voller Krieg, Zerstörung, Ausbeutung, Umweltzerstörung und Hunger liegt hinter uns. Doch in dieses Jahr kommt eine weitere gravierende Tatsache hinzu: Die Weltwirtschaftskrise. Der Finanzsektor hat Milliarden von Dollars zerstört, Massenentlassungen und Unternehmenspleiten beherrschen die Medienlandschaft seit über einem halben Jahr. Die Krise erreicht langsam die ArbeiterInnen, Kurzarbeit und Massenentlassungen sind an der Tagesordnung. Zu guter Letzt müssen sie auch noch durch ihre Steuern den Spekulanten aus der Patsche helfen. Es gibt genügend Gründe, dieses Jahr am 1. Mai auf die Strasse zu gehen und seinen Unmut über die Zustände auf der Welt kund zu tun.

Die Antworten von den parlamentarischen Linken lässt Verwunderung zurück. Statt das System des Kapitalismus mit seiner Grundprämisse der Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste grundlegend in Frage zu stellen, statt eine Alternative zur Krisenwirtschaft aufzuzeigen und die Gunst der Stunde zu nutzen, das undurchschaubare Wirtschaftssystem grundlegend zu hinterfragen, verlangen die etablierten linken Kräfte etwas mehr Regulierung des Finanzmarktes. Die reformistische Linke hat sich schon vor ein paar Jahren vom Ziel, den Kapitalismus zu überwinden, verabschiedet. Wir halten daran fest! Deshalb rufen wir unter dem Motto "Wir bezahlen eure Krise nicht - Boni für alle!" zu einem Revolutionären Block am 1. Mai Umzug in Thun auf, um eine echte Alternative zum herrschenden liberalen Wirtschaftsdogma aufzuzeigen, das den grössten Teil der Menschheit unterdrückt und den gesellschaftlichen Gewinn der ArbeiterInnen stiehlt.

Heraus zu einem kraftvollen und kämpferischen 1. Mai in Thun!
Wir bezahlen eure Krise nicht - Boni für alle!

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ORTSPOLIZEI
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Bund 8.4.09

Nauses Ideen werfen Fragen auf

Grosser Rat Der Berner Polizeidirektor Reto Nause (cvp) dachte in einem "Bund"-Interview vom 28. März laut über die Schaffung einer  Ortspolizei nach. Dies hat im Grossen Rat Fragen aufgeworfen. Markus Meyer (sp, Roggwil) wollte in der Fragestunde von Regierungsrat Hans-Jürg Käser (fdp) wissen, inwieweit der Regierungsrat von diesem Vorhaben Kenntnis hatte und ob eine solche Ortspolizeitruppe gesetzeskonform sei. Käser sagte, er habe vom Vorhaben keine Kenntnis gehabt und dies aus den Medien erfahren. Den Gemeinden sei es auch unter dem revidierten Polizeigesetz erlaubt, Mitarbeitende anzustellen und ihnen polizeiliche Aufgaben zu übertragen, sofern die Einsätze beschränkt seien, gesetzeskonform erfolgten und keine polizeiliche Ausbildung dafür nötig sei. Polizeiliche Festnahmen, Anhaltungen oder andere polizeiliche Zwangsmassnahmen seien aber der Kantonspolizei vorbehalten. (gum)

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Regionaljournal DRS Bern 7.4.09

Eine Ortspolizei für die Stadt Bern? Der kantonale Sicherheitsdirektor nimmt Stellung (2:13)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1207042009.rm?start=00:03:15.002&end=00:05:28.546

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ORTS-SECURITY
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Berner Rundschau 8.4.09

Private Security wirft Fragen auf

Dass am 6. März auch private, bewaffnete Security-Einsatzkräfte zur Verhinderung des Pnos-Umzugs durch die Burgdorfer Oberstadt im Einsatz waren (wir berichteten), beschäftigte gestern den Grossen Rat. In der Fragestunde antwortete Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg Käser (FDP), Vertreter der Apollo Security hätten nur verkehrspolizeiliche Aufgaben wahrgenommen. Für einen eigentlichen Demo-Einsatz bestehe gar keine rechtliche Grundlage. Das solle auch so bleiben, betonte Käser, und folgerte auf die Frage Markus Meyers (SP/Roggwil), dass private Securitys im Umfeld von Demos sonst nirgends zum Einsatz kämen. In der Emmestadt bestellt der Gemeinderat einen Teil der polizeilichen Leistungen auf privater Basis. Aufgrund einer SP-Interpellation wird sich auch Burgdorfs Stadtrat an der nächsten Sitzung nochmals mit der Demo befassen. (sat)

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BAHNPOLIZEI
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NZZ 8.4.09

Neuer Anlauf für Bahnpolizei von Feld eins aus

Handlungsbedarf nach Ablehnung

Associated Press (ap)

 Bern, 7. April. (ap)  Die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) will einen neuen Anlauf für eine Revision des Bahnpolizeigesetzes starten. Sie fasst eine Kommissionsinitiative ins Auge, mit der aus ihrer Sicht rasch eine moderne und adäquate gesetzliche Grundlage für die Sicherheitsdienste im öffentlichen Verkehr realisiert werden könnte. Die Details sollen an der nächsten Sitzung im Mai diskutiert werden. Innerhalb der Kommission zeichne sich ein konsensfähiger Weg ab, hiess es weiter. Die Vorlage für ein neues Bahnpolizeigesetz, das die bisherigen Bestimmungen aus dem Jahr 1878 ablösen und Rechtssicherheit schaffen sollte, scheiterte in der vergangenen Frühlingssession an einer unheiligen Allianz aus Links und Rechts im Nationalrat. Die KVF ortet nach wie vor Handlungsbedarf und sieht nach der Ablehnung das Parlament in der Pflicht.

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EURO 08
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Bund 8.4.09

Euro-Bericht genehmigt

 Grosser rat Der Regierungsrat des Kantons Bern soll das Defizit in der Abrechnung der Euro 2008 nicht einfach hinnehmen, sondern sich beim Bund für die Deckung des Fehlbetrags starkmachen. Dies hat der Grosse Rat am Dienstag in einer Planungserklärung gefordert. Das Kantonsparlament hatte eigentlich nur den Schlussbericht des Regierungsrats zur Fussball-Europameisterschaft vom letzten Sommer zur Kenntnis zu nehmen. Auf Antrag der Oberaufsichtskommission überwies das Parlament zusätzlich die Planungserklärung mit 94:24 Stimmen.

 Der Fehlbetrag von rund 800000 Franken sei durch einen Budgetierungsfehler entstanden, heisst es im Bericht. Es sei erstaunlich, dass es zu einer Verwechslung von Brutto- und Nettobeträgen kommen konnte, wurde dazu im Rat mehrfach geäussert. Für die SP ist es nicht angebracht, den Fehlbetrag zurückzufordern. Es gehe nicht an, hinterher die hohle Hand zu machen. Man versuche im Nachhinein, den Bundesanteil zu erhöhen, sagte Peter Bernasconi (sp, Worb). Die deutliche Ratsmehrheit will aber den Versuch machen, das Geld beim Bund zu holen. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (fdp) dämpfte allerdings die Hoffnungen: Diskrete Gespräche seien schon geführt worden, ohne Erfolg. (sda)

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BZ 8.4.09

Euro 08

Bund soll zahlen

Der Grosse Rat will, dass der Regierungsrat vom Bund mehr Geld für die Sicherheitskosten der Euro 08 verlangt.

Die Euro 08 hat den Kanton Bern rund 800000 Franken mehr gekostet als budgetiert. Der Hauptgrund war ein Berechnungsfehler bei der Budgetierung der Sicherheitskosten. Die Beiträge vom Bund waren wegen eines "Missverständnisses" zu hoch veranschlagt worden. Im Grossen Rat sprachen die Parteien gestern von einem "Wermutstropfen". Insgesamt jedoch gab es viel Lob für die Organisatoren, die Polizei und den Schlussbericht der Regierung.

Wie von der Oberaufsichtskommission beantragt, muss die Regierung vom Bund die Deckung des Fehlbetrags von 800000 Franken fordern. Der Grosse Rat sagte dazu mit 94 zu 24 Stimmen Ja. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) dämpfte allerdings die Hoffnungen: "Ich glaube nicht, dass wir mit der OAK im Rücken weiterkommen, aber es ist eine Chance." Grosse Teile der SP sprachen sich dagegen aus. Der Fehler liege nicht beim Bund, daher mute die Forderung seltsam an.
drh


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Berner Rundschau 8.4.09

Hooligan-Kosten sind verrechenbar

Bundesgerichtsurteil trifft Kanton Bern nicht - Euro-08-Defizit will er vom Bund zurückfordern

Das Bundesgerichtsurteil zu den Kosten von Polizeieinsätzen bei Sportanlässen habe "keine Auswirkungen" auf den Kanton Bern, sagt Polizeichef Hans-Jürg Käser.

Samuel Thomi

Nachdem die Bundesrichter im Fall zweier Neuenburger Sportklubs urteilten, dass der Kanton diesen bis zu 80 Prozent der zusätzlichen Aufwendungen gegenüber dem Polizei-Grundbestand in Rechnung stellen dürfe, liess Hans-Jürg Käser (FDP) die Situation für den Kanton Bern zuerst abklären (s. Ausgaben vom 19. sowie 20. März). Offenbar ist jetzt jedoch klar, dass sich das Neuenburger Urteil "nicht einfach so" auf den in den letzten Jahren durch Polizei-Einsätze finanziell arg gebeutelten Sport-Kanton Bern übertragen lässt. Wie Käser gestern im Grossen Rat erläuterte, habe das Lausanner Urteil "vorerst keine Auswirkungen" auf Bern. Auf Fragen Marianne Morgenthalers (Grüne/Richigen) und Jakob Etters (BDP/Treiten) sagte der Polizeidirektor, vorerst brauche es "keine neue Regeln". Sie würden aber "Zeit in Anspruch nehmen". Das gültige Polizeigesetz ermögliche bereits, Gebühren für zusätzlichen Polizei-Aufwand den Veranstaltern in Rechnung zu stellen. In Gemeinden, die Ressourcen-Verträge mit dem Kanton hätten, würden die Kosten darüber abgewickelt und seien von den Gemeinden schliesslich den betroffenen Vereinen in Rechnung zu stellen.

Auf Corrado Pardinis (SP/Lyss) Frage sagte Käser, selbstverständlich unterstützte der Kanton alle Anstrengungen der Vereine, auch via Stärkung der Fan-Arbeit, um Ausschreitungen zu verhindern.

Parlament will Bund belangen

Der gestern ebenfalls diskutierte Schlussbericht zur Euro 08 aus kantonalbernischer Sicht wurde durch alle Fraktionen gerühmt - bis auf die Kostenüberschreitung von rund 800 000 Franken (vgl. Ausgabe vom 24. Januar). Durch angebliche Missverständnisse zwischen Kantons- und Bundesverwaltung wurden beim Budgetieren Netto- und Bruttoerträge vertauscht. Mit 94 zu 24 Stimmen (1 Enthaltung) beauftragte das Kantonsparlament die Regierung, diese Kosten beim Bund einzufordern. Käser betonte, dass das kaum Aussicht auf Erfolg habe. Seine Mitarbeiter hätten das im Stillen schon versucht.

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SACHABGABE-ZWANG
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Berner Rundschau 8.4.09

Grosser Rat Asylzentrum auf dem Twannberg beschäftigt

Dass das Ferienheim auf dem Twannberg vorübergehend als Asylzentrum genutzt werden soll (wir berichteten), beschäftigte in der Fragestunde den Grossen Rat. Die Kosten dafür fielen nicht höher aus als an anderen Standorten, so Hans-Jürg Käser (FDP) auf die Frage Marc Frühs (EDU/Lamboing). Es treffe auch nicht zu, dass im welschen Kantonsteil dadurch prozentual übermässig viele Asylsuchende untergebracht würden, so der Polizeidirektor auf Irma Hirschis (PSA/Moutier) Frage. (sat)

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ASYL-ABZOCKE
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Regionaljournal DRS Bern

Kanton Wallis hat Asylsuchenden in 90er Jahren zu viel Geld abgezogen (3:00)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1707042009.rm?start=00:09:53.008&end=00:12:53.565

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SANS-PAPIERS ZH
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NZZ 8.4.09

Demonstration von Sans-Papiers in Zürich

Rund 100 Personen für Bleiberecht

 rsr.  Mit Trillerpfeifen und Muschelhorn sind am Dienstagnachmittag rund 100 Papierlose aus verschiedensten Ländern und Schweizer Sympathisanten auf einem Protestmarsch durch Zürich gezogen. Organisiert war die Kundgebung von Sans-Papiers und dem Flüchtlings-Café Refugees Welcome. Die bewilligte Demonstration machte nach 14 Uhr laut, aber friedlich auf die Anliegen der papierlosen Flüchtlinge aufmerksam. Auf Plakaten und Flugblättern forderten die Demonstrationsteilnehmer etwa "Papiere für alle" oder "Solidarität leben". Mit diesen Forderungen stiessen sie bei den Schaulustigen entlang der Marschroute von der Langstrasse an den Berninaplatz mehrheitlich auf Verständnis und zum Teil sogar auf Beifall. Wie ein Sprecher der Stadtpolizei am späten Nachmittag auf Anfrage bestätigte, verlief die Kundgebung ohne Zwischenfälle.

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Tagesanzeiger 8.4.09

Demo versetzt Mütter und Babys in Angst

Zürich. - "Hunde haben Ausweise. Wir nicht!" Rund 100 abgewiesene Asylsuchende - sie nennen sich Sans-papiers - haben gestern mit 30 Asylaktivisten vor dem kantonalen Migrationsamt unweit des Irchelparks "Identitätspapiere für alle" gefordert. Dabei sind die Demonstranten - entgegen der Anweisung des Migrationsamts - in die Schalterhalle marschiert. Dort machten sie während zirka zweier Minuten einen derartigen Krach, dass sich wartende Ausländerinnen und Ausländer bedroht fühlten und Babys zu weinen begannen. Bettina Dangel, Sprecherin des Migrationsamts, bestätigt die Beobachtungen des TA: "Wir mussten einige unserer Klienten durch den Hinterausgang ins Freie führen." Wie Dangel sagt, herrscht im Migrationsamt wegen der bevorstehenden Osterferien speziell viel Betrieb, weshalb es nicht infrage kam, die Schalterhalle während der Demonstration zu schliessen. "Dass es heikel werden könnte, war uns aber bewusst." Sie sei erleichtert, dass die Situation nicht ausser Kontrolle geraten sei.

Die Stadtpolizei hat den Protestzug von seinem Ausgangspunkt, der Militärstrasse im Kreis 4, mit drei Motorradstreifen begleitet. Als die Demonstranten ins Migrationsamt strömten, griffen die anwesenden Polizisten in Zivilkleidung nicht ein. Einen Fehler sieht Sprecherin Judith Hödl darin nicht: "Wir hatten die Situation jederzeit unter Kontrolle." Die Demonstration, als "problemlos" eingestuft, sei friedlich verlaufen. (sth)

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Zürichsee-Zeitung 8.4.09

Kirchenbesetzung Von den Sans-Papiers aus der Predigerkirche sitzt rund die Hälfte in Haft

Festnahmen gehören zum Alltag

Letzte Woche hat die Zürcher Regierung die Schaffung einer Härtefallkommission für abgewiesene Asylbewerber angekündigt. Vertreter der Sans-Papiers haben gestern dennoch demonstriert.

Martin Reichlin

"Etwa 50 Prozent der Teilnehmer an der Kirchenbesetzung sind momentan in Haft", sagt Michael Stegmaier vom Bleiberecht-Kollektiv, das die Besetzung der Predigerkirche im Zürcher Niederdorf vergangenen Dezember koordinierte. Die Gruppierung wurde im Zusammenhang mit der Volksabstimmung über das revidierte Asylgesetz von 2006 gegründet und setzt sich für Papierlose, abgewiesene Asylsuchende und Flüchtlinge mit einem Nichteintretensentscheid ein. "Wir verfügen über mehrere Hundert Vollmachten, die uns die Sans-Papiers ausgestellt haben, und können uns deshalb ein ziemlich vollständiges Bild des Ausmasses der Kriminalisierung machen", fährt Stegmaier fort. "Die Festnahmen sind aber keine direkte Folge der Kirchenbesetzung. Sie gehören zum ganz normalen Alltag von Asylsuchenden im Kanton Zürich."

"Systematische Kriminalisierung"

Eine Gruppe von Sans-Papiers hat gestern Nachmittag in Zürich-Oerlikon dem Migrationsamt einen Protestbrief übergeben. Darin beschweren sie sich über ihre "systematische Kriminalisierung". "Fast jeder Ausländer, der zu uns ins Flüchtlingscafé kommt, wird plus/ minus ein Mal pro Monat festgenommen", erklärt dazu Michael Stegmaier. In letzter Zeit hätten insbesondere die Polizeikontrollen direkt vor den Notunterkünften zugenommen. Stegmaier: "Da die Leute oft über keine Ausweispapiere verfügen und sich somit nicht ausweisen können, werden sie von der Polizei festgenommen. Bei der Identifikation anhand der Fingerabdrücke stellt sich dann zur Überraschung aller heraus, dass sich die Person illegal in der Schweiz aufhält." Nach einigen Tagen würden die Festgenommenen ans Migrationsamt überstellt, welches über die Anordnung einer Ausschaffungshaft zu entscheiden habe. "Die Gefängnisse sind aber meist voll, oder die Leute stammen aus Ländern, in die keine Ausschaffungen gemacht werden", so Stegmaier. Deshalb würden die Sans-Papiers meist wieder auf freien Fuss gesetzt - bis zur nächsten Personenkontrolle. "Ein riesiger Leerlauf."

Weder Papiere noch Geld

Als weitere behördliche Strategie im Umgang mit Asylbewerbern nennt der Bleiberechts-Aktivist die Ausreisebefehle, die häufig ausgestellt werden: "Man drückt den Leuten ein Papier in die Hand, auf dem steht, sie hätten innert weniger Tage oder Stunden auszureisen." Da die Asylbewerber in vielen Fällen aber weder über Papiere noch über Geld verfügten, könnten sie dem Befehl nicht nachkommen. "Und bei der nächsten Festnahme kommt dann automatisch der Straftatbestand der rechtswidrigen Einreise zu ihrer Akte hinzu - obwohl sie die Schweiz gar nie verlassen konnten. Das ist doch kafkaesk."

Am gestrigen Protestmarsch zum Migrationsamt nahmen nach Polizeiangaben 40 bis 50 Personen teil. Nach Angaben der Organisatoren waren es etwa 100 Teilnehmende.

17 Tage in der Predigerkirche

Während 17 Tagen, vom 19. Dezember bis 4. Januar, hatten rund 150 Papierlose die Predigerkirche in Zürich besetzt und anschliessend auf Einladung der Kirchgemeinde Aussersihl noch drei Tage Gastrecht in der St.-Jakob-Kirche erhalten. Die Leute aus Afrika, Lateinamerika, dem Iran und dem Irak wollten auf die Situation jener Ausländer aufmerksam machen, die ohne gültige Ausweispapiere in der Schweiz leben. Sie forderten eine humane und unbürokratische Umsetzung der gesetzlich vorgesehenen Härtefallregelung, Papiere für alle und die Aufhebung des Arbeitsverbots für Sans-Papiers. (mre)

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NO NATO
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linksunten.indymedia.org 8.4.09

Solidarität mit den Angeklagten in Straßburg

Verfasst von:  Soligruppe Dresden

Solidarität ist unsere Waffe

Im Zuge der Proteste gegen den Natogipfel wurden mehrere hundert Menschen in Gewahrsam genommen und hunderte zum Teil schwer verletzt. Von den in Gewahrsam genommenen Menschen wurden acht Demonstrant_innen, die zwischen Donnerstag und Freitag, also vor den großen Ausschreitungen am Samstag festgenommen wurden, dem Haftrichter vorgeführt und zum Teil durch sogenannte Schnellverfahren verurteilt. Zwei Deutsche wurden, am Montag den 06.04., zu jeweils sechs Monaten ohne Bewährung und fünf Jahren Einreiseverbot, sowie einer zu drei Monaten auf Bewährung und fünf Jahren Einreiseverbot verurteilt.
Solidarität mit den Angeklagten von Straßburg!

Im Zuge der Proteste gegen den Natogipfel wurden mehrere hundert Menschen in Gewahrsam genommen und hunderte zum Teil schwer verletzt. Von den in Gewahrsam genommenen Menschen wurden acht Demonstrant_innen, die zwischen Donnerstag und Freitag, also vor den großen Ausschreitungen am Samstag festgenommen wurden, dem Haftrichter vorgeführt und zum Teil durch sogenannte Schnellverfahren verurteilt. Zwei Deutsche wurden, am Montag den 06.04., zu jeweils sechs Monaten ohne Bewährung und fünf Jahren Einreiseverbot, sowie einer zu drei Monaten auf Bewährung und fünf Jahren Einreiseverbot verurteilt. Weitere Gerichtsprozesse wird es in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten geben. Bereits im Vorfeld der ersten Verhandlungen, kündigte der derzeitige französische Präsident und Mitausrichter des Nato Gipfels Nicolas Sarkozy an, ein Exempel statuieren zu wollen. Er forderte Höchststrafen für alle Angeklagten. Dies grenzt an Faschismus und widerspricht jeglicher sogenannter demokratischer Rechtsprechung.
Hier ist die in Europa gängige Unschuldsvermutung, nach der ein_e Angeklagte_r bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gilt außer Kraft gesetzt, somit sind die Angeklagten schon vor Beginn der Verfahren verurteilt und nicht für das was sie eventuell getan haben, sondern stellvertretend für eine ganze Bewegung!

Auch besonders erschreckend ist das Ausmaß der Gewalt der letzten Woche in London, während des G20 Gipfels und in Straßburg, während des Natogipfels. Nicht nur, dass die Festgenommenen während und nach ihren Festnahmen von der Polizei misshandelt wurden, sondern auch der Einsatz gegen Demonstrationszüge mit Gummigeschossen, Blend(schock)granaten, Tränengasgranaten und Schlagstöcken, sowie das Hineinfahren der Polizeifahrzeuge in die Menschenmengen, war ein Zeichen der Brutalität und kompletten Unfähigkeit der Polizei die Proteste zu koordinieren. Hierbei wurden gezielt Menschen, egal ob Demoteilnehmer_innen, Sanitäter_innen oder Anwohner_innen zum Teil schwer verletzt. Insbesondere das gezielte Schießen mit Blend(schock)granaten auf deutlich gekennzeichnete Sanitäter_innen ist ein Verstoß gegen die Genfer Konventionen.
Dieses und auch die Gefahr einen Menschen zu töten wurde billigend von Polizei und Militär in Kauf genommen, was unter keinen Umständen akzeptiert werden kann. Unterstützung erhielten sie bei den Einsätzen von den Medien und den Staats- und Regierungschef_innen, die nicht nur Zahlen und Fakten bewusst fälschten, sondern diese legitimierten. Insbesondere die Presse nahm wiederholt positiv Bezug auf die Durchführung dieser und erstickte jegliche kritische Berichtserstattung im Keim, anstatt sich objektiv mit den Geschehnissen und Inhalten auseinander zu setzten.

Die Nato ist eine militärische Organisation und ein Relikt aus den Zeiten des Kalten Krieges. Heute wie Damals geht es um Machterhalt, was heutzutage vor allem auch Rohstoffsicherung und innere sowie äußere Aufrüstung beinhaltet. Gerade in der Europäischen Union spielen dabei Privatunternehmen wie Frontex, welche die Außengrenzen "sichert" und tausende Menschen jährlich auf Meeren und an Land verrecken lässt, eine große Rolle. Außerdem geht es darum die Proteste gegen die bestehenden Verhältnisse zu unterbinden bzw. einzudämmen.
Wie die Nato und im speziellen die englische, französische und deutsche Regierung dagegen vorzugehen gedenken haben sie in der vergangenen Woche gezeigt.

Wir fordern:
faire Prozesse ohne Vorverurteilung
Zugang zu Anwält_innen eigener Wahl
unabhängige Ärzt_innen und Psycholog_innen, damit die Betroffenen angemessen verarztet und psychologisch betreut werden können
Rückführung der Gefangenen in Gefängnisse nahe ihrer Wohnorte
bis zur Rückführung oder Entlassung tägliche Besuchszeiten sowie die Möglichkeit Pakete und persönliche Gegenstände zukommen zu lassen


GETROFFEN HAT ES WENIGE - GEMEINT SIND WIR ALLE!!

Infos und Kontakt unter:  StrasbourgSoli [at] riseup [dot] net

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G8-20-TOTER
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Indymedia 7.4.09

Videobeweis: G 20- Demonstrant stirbt nach Polizeiangriff ::

AutorIn : clara zetkin         

Der angeblich oder tatsächlich an einem Herzinfarkt gestorbene Demonstrant in London wurde Sekunden zuvor Opfer grundloser Polizeigewalt: Er schlendert Hände in der Hose über die Straße als er hinterrücks von einem Polizisten grundlos mit einem Schlagstock auf den Hinterkopf niedergeschlagen wird.     
    
Schaut das ganze Video an, erst in der Zeitlupe sieht man den Angriff deutlich:

http://www.guardian.co.uk/uk/video/2009/apr/07/g20-police-assault-video

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20min.ch 7.4.09

Tod an G-20-Demo

Video beweist: Polizist schubste Demonstrant

Der Tod eines Mannes bei den Protesten zum G-20-Gipfel in London hat für die Polizei ein unangenehmes Nachspiel. Ein Video zeigt eindeutig wie der Mann von hinten von einem Polizisten mit einem Schlagstock zu Boden geworfen wurde. Drei Minuten später war er tot.

Der Tod eines Mannes bei den Protesten während des G-20-Gipfels in London wird eine Untersuchungskommission der britischen Polizei beschäftigen: Ein Video, das die Zeitung "The Guardian" im Internet veröffentlichte, zeigt, wie ein Polizist den 47-Jährigen zu Boden schubst.

Wenig später brach der Mann zusammen und erlitt einen Herzinfarkt. Die Zeitung erklärte, das Video an die unabhängige Polizeiaufsichtsbehörde zu geben, die die genauen Umstände des Todes derzeit untersucht.

Mit Schlagstock in die Beine

Der Mann war am vergangenen Mittwoch während der Proteste im Londoner Bankenviertel umgekommen. Eine Obduktion ergab, dass er an einem Herzinfarkt gestorben war.

Auf dem Video ist zu sehen, wie der 47-Jährige mit den Händen in den Hosentaschen und dem Rücken zur Polizei geht. Später ist unscharf zu erkennen, wie ein Polizist ihm mit einem Schlagstock offenbar ans Bein schlägt.

Anschliessend wird der Mann zu Boden gestossen, obwohl er sich nicht wehrt. Zuvor hatten sich bereits Zeugen gemeldet, die aussagten, dass die Polizei den Mann angegriffen hatte. Scotland Yard erwähnte nach dessen Tod dagegen nicht, mit ihm aneinandergeraten zu sein.
Quelle: SDA/ATS

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GIPFEL-SOLI-NEWS 8.4.09
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gipfelsoli.org/Newsletter 8.4.09

8.4.2009 London -- Strasbourg/ Baden-Baden

- London: Polizei an Tod von Ian Tomlinson mitschuldig
- Police partout, Justice nulle part!
- Solidarität mit den Angeklagten von Straßburg!
- Rund 100 Autonome randalierten in Mitte und verschwanden in der Nacht
- Pictures Strasbourg April 4th 2009
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/6747.html

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ANTIRA-CUP SOLETTA
http://www.antiracup.ch
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Solothurner Zeitung 8.4.09

Spielerisch gegen den Rassismus

Am 16. Mai ist der 3. "Antira-Cup Soletta" angesagt

Die Idee von antirassistischen Fussballturnieren ist nicht neu. Seit Jahren findet in Bologna (Italien) die "Mondiali Antirazzisti" mit über 200 Teams aus aller Welt statt. Dieser Anlass diente vor rund drei Jahren als Input, etwas Ähnliches in Solothurn aufzubauen. So hat ein Haufen zusammengewürfelter Jugendlicher aus der Region den "Antira-Cup Soletta" ins Leben gerufen. Dieser konnte 2007 gleich bei der ersten Austragung in die Antifa-Kampagne "Die Dinge in Bewegung bringen" integriert werden. Die Zweitauflage fand ein Jahr später erfolgreich statt. Die Vorbereitungen für die dritte Austragung am 16. Mai laufen auf Hochtouren. Mit der Durchführung antirassistischer Fussballturniere wollen die Initianten "auf kreative Art und Weise der Allgegenwärtigkeit von Rassismus in unserer Gesellschaft entgegenwirken."

Der selbsttragende, nicht profitorientierte Anlass findet am Samstag, 16. Mai, von 11 bis 21 Uhr statt. Die Anlage des Vorstadtschulhauses sowie der "Güggi"-Spielplatz bieten genug Platz auch für ein vielseitiges Rahmenprogramm. Lokale Kultur- und Solidari-tätsvereine bereichern das Angebot von günstigen Getränken, Sandwiches und veganer Küche mit ihren Spezialitäten. Daneben werden Info-Stände von antirassistischen Organisationen präsent sein. Wieder erwarten die Organisatoren etwa 200 Personen, die dem Antira-Cup beiwohnen werden. Während des Anlasses seien "genügend Leute darum besorgt, dass es zu keinen Zwischenfällen kommt". Speziell in diesem Punkt sei man "sehr bemüht", die Auflagen der Stadt und Polizei selbstständig zu erfüllen. (mgt)

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NPD
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NZZ 8.4.09

Deutschlands Rechtsextreme streiten sich - und faszinieren dennoch Jugendliche

Die NPD versinkt in finanziellen Nöten und Richtungsstreitigkeiten und verliert Anhänger an die freie Szene

 Obwohl Deutschlands bekannteste rechtsextreme Partei, die NPD, durch ein Tief geht, scheinen die Neonazis insgesamt die Jugend stärker zu faszinieren. Eine Studie konstatiert besorgniserregende organisatorische Aktivität, allerdings auch weniger Jugendgewalt.

 U. Sd. Berlin, im April

 Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands hat mit vielem Mühe, am meisten aber mit sich selbst. Das ist nichts Neues. In den Parlamenten sind die NPD-Politiker kaum je aufgefallen. Sie entwickeln zu Sachfragen oft gar keine eigenen Positionen und zeigen sich an legislativer Arbeit nur schwach interessiert. Was sie wollen, ist die Macht, alles andere ist Nebensache. Umso passionierter wird intern gestritten. Im Fokus stehen dabei Finanzprobleme, Führungsschwächen und Fragen der Bündnispolitik. Die NPD ist seit 2004 in der Legislative Sachsens und seit 2006 in jener Mecklenburg-Vorpommerns vertreten.

 Der Staat will Geld zurück

 Zunächst einmal geht der NPD, ganz profan, das Geld aus. An einem Landesparteitag räumte der Parteivorsitzende Udo Voigt jüngst in verblüffender Offenheit ein, seiner Gruppe stehe das Wasser bis zum Hals. Der Begriff "Existenzkrise" fiel, und andere hohe Funktionäre haben seitdem Voigts Analyse bestätigt. Experten teilen diese Ansicht. In Berliner Sicherheitskreisen gilt es als offenes Geheimnis, dass die Nationaldemokraten in Finanznöten stecken. Die Partei verhält sich entsprechend. Schon mehrere Male hat die NPD, die sonst keine Gelegenheit auslässt, den Staat zu beschimpfen, versucht, ihren Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung vor Gericht durchzusetzen.  Das  Geld war ihr wegen  Fehler im Rechenschaftsbericht für 2007 aberkannt worden.

 Doch die Klagen brachten wenig. Im Mai 2008 bestätigte das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Partei die knapp 870 000 Euro, die sie Ende der neunziger Jahre erhalten hatte, zurückzahlen muss. Anfang April errang die NPD einen kuriosen Teilerfolg, als das Berliner Verwaltungsgericht festhielt, die Partei habe weiterhin Anspruch auf eine eingefrorene Teilzahlung aus der Parteienfinanzierung, bekomme die rund 304 000 Euro aber nur, wenn sie 110 Prozent der Summe als Sicherheit aufbringe. Insgesamt drohen der Partei Strafen von bis zu 1,9 Millionen Euro.

 In die Bredouille sind die Nationaldemokraten aber nicht nur wegen ihrer stümperhaften Buchhaltung geraten, sondern auch, weil sie von ihren eigenen Mitgliedern übers Ohr gehauen werden. Der noch immer amtierende NPD-Bundesschatzmeister Erwin Kemna wurde im September letzten Jahres wegen Untreue in 86 Fällen zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Laut Anklage hat Kemna seit Anfang 2004 über 627 000 Euro aus der Parteischatulle ins Guthaben seiner Firma transferiert. Teile der Partei zumindest scheinen ihm dies nicht weiter übelzunehmen und vertrauen seiner Darstellung, es habe sich lediglich um Darlehen gehandelt, für die er dummerweise keine Belege mehr habe. Voigt sieht im Verfahren gegen Kemna gar einen Versuch, die Partei finanzpolitisch zu diskreditieren. Das ist sicher nicht der Fall. Aber dass das Finanzgebaren der Nationaldemokraten sorgfältig beobachtet wird, steht ausser Frage. Vor gut zwei Jahren setzten die Innenminister von Bund und Ländern eine länderübergreifende Arbeitsgruppe ein, die die Einnahmequellen der NPD in der erklärten Absicht durchleuchtet, diese bei Verdacht auf ungesetzliche Machenschaften trockenzulegen.

 Wie viel Radikalität ist chic?

 Mindestens so gravierend wie der Geldmangel ist für die Rechtsextremen aber ihr politischer Misserfolg. Neonazis zanken sich erfreulicherweise fast pausenlos, und trotz intensiven Versuchen ist es auch Voigt in den letzten Jahren nicht gelungen, zusammen mit der Deutschen Volksunion (DVU) und sogenannten Freien Kameradschaften eine bundesweite rechtsextreme Allianz aufzubauen. Auch die Volksunion wird vom Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft. Die DVU gibt sich allerdings etwas gemässigter als die NPD, zieht vor allem eine ältere, dezidiert nationalkonservative Klientel an und behauptet, mit Gruppen, die das Grundgesetz nicht akzeptierten, wolle sie nichts zu tun haben. Rowdys wie etwa die Skinheads werden in der Volksunion verabscheut. All dies hinderte die DVU nicht daran, 2004 mit der NPD einen "Deutschlandpakt" zu schliessen, ein Bündnis, das darauf abzielt, Energien zu bündeln und schwächende Konkurrenzierung bei Wahlen zu vermeiden.

 Ein Erfolg war der "Deutschlandpakt" dennoch nicht, und heute ist er in beiden Parteien umstritten.  Die engen Kontakte zu den gewaltbereiten  "Freien",  die die  NPD mit dem  Plazet Voigts unterhält,  werden in der  Volksunion nicht goutiert.  Aber auch innerhalb der Nationaldemokraten gibt es Opposition. Eine Gruppe um den Pressesprecher des mecklenburgischen NPD-Landesverbandes, Andreas Molau, möchte sich von den Freien Kameradschaften absetzen und gemässigter auftreten, um mehr Nationalkonservative anzuziehen. Molau wollte letztes Jahr sogar gegen Voigt für den Parteivorsitz kandidieren. Er zog sich dann allerdings zurück, und derzeit scheint Voigt wieder sicher im Sattel zu sitzen. An einem Parteitag Anfang April wurde er mit 62 Prozent der Delegiertenstimmen wiedergewählt.

 Für die trotz allem deutlich spürbare Unzufriedenheit der Basis ist auch der Versuch Voigts verantwortlich, die ideologische Nähe zu den Linksextremen zu einem eigentlichen Bündnis auszugestalten. Seit Jahren präsentiert sich die NPD nicht nur als national und antisemitisch, sondern auch als antiamerikanisch, antikapitalistisch, globalisierungskritisch und europafeindlich. Es war deshalb nur logisch, dass sie in den letzten Jahren den Schulterschluss mit linken Globalisierungsgegnern suchte. Diese Strategie, in der Szene gemeinhin als "Andocken" bezeichnet, ist bisher am intensivsten am G-8-Gipfel in Heiligendamm angewandt worden. Die linken Kritiker der Globalisierung und des Kapitals zeigten den Rechten allerdings die kalte Schulter, was das Renommee Voigts stark beschädigt hat.

 Für die Nationaldemokraten ist der linke Refus umso schmerzhafter, als sie Tag für Tag erleben müssen, wie eine andere Rechtsgruppe, die die politische Mimikry pflegt, gedeiht und blüht. Die "Autonomen Nationalisten", die seit etwa 2002 auftreten, haben sich ganz vom Outfit der klassischen Neonazis - Glatzen, Parkas, Springerstiefel - verabschiedet und imitieren bewusst Kleidungsstil und Auftreten der Linksautonomen. Damit haben sie weit mehr Erfolg als die NPD, und bereits ist ihnen auch das eigentliche Adelsprädikat der Szene zuteilgeworden, die Observation durch den Verfassungsschutz.

 Natürlich reagieren die meisten Parteien zunächst ganz erleichtert, wenn sie vernehmen, die NPD sei in Schwierigkeiten. Doch ist es tatsächlich von Vorteil, wenn Rechtsextremismus wieder vollumfänglich zu einem subkulturellen Phänomen wird? Der Politologe Florian Hartleb von der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz sieht die grösste Gefahr für die demokratische Gesellschaft derzeit nicht in der NPD, sondern darin, dass der Rechtsextremismus als soziale Bewegung generell ein Comeback feiert. Dass die freien Gruppen und Kameradschaften enormen Zulauf haben, dürfte die  Gefahr gewaltsamer  Zwischenfälle eher erhöhen. Die NPD ihrerseits achtet sehr darauf, den Kontakt zu dieser "authentischen" Szene zu wahren.

 Gleichzeitig aber stellt sie in zahlreichen Gemeinden vor allem in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern starke Parlamentsfraktionen. Sie ist damit gleichsam in der Mitte der Gesellschaft angekommen und kann es sich nicht erlauben, ihre oft älteren, durch und durch bürgerlichen, aber von den Volksparteien enttäuschten Wähler mit frivolen Gewaltspielen zu erschrecken. Es ist das Paradoxon, dem alle Extremisten unterliegen: Man hat Wahlerfolge, das zwingt einen in den politischen Mainstream, und schon hat man sich der radikalen Jugend entfremdet.

 Widersprüchliche Zahlen

 Einen besorgniserregenden Zuwachs rechtsextremer Aktivität bei Jugendlichen hat dieser Tage eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ergeben. Danach gehören heute nicht weniger als 4,9 Prozent der männlichen Jugendlichen einer rechtsextremen Gruppe oder Kameradschaft an, und der Zulauf steigt stetig. Innenminister Wolfgang Schäuble, dessen Ministerium die Studie in Auftrag gegeben hatte, zeigte sich erschrocken, betonte allerdings auch, dass laut der Studie die Jugendgewalt insgesamt stagniert oder gar leicht rückläufig ist. Doch wie alarmierend ist der Befund des Kriminologischen Forschungsinstituts tatsächlich? Etliche Experten sind erstaunt darüber, dass laut der Studie angeblich nicht weniger als 34 000 15-Jährige rechtsextrem organisiert sind. Träfe dies zu, entstünde im Innenministerium Erklärungsbedarf, denn der Verfassungsschutz (dem Innenministerium unterstellt) spricht in seinem jüngsten Bericht von "nur" rund 31 000 organisierten Jugendlichen - und zwar in allen Altersklassen. Entweder unterschätzt das Innenministerium die Gefahr drastisch, oder das Forschungsinstitut in Niedersachsen definiert rechtsextreme Kategorien anders, hat sich verrechnet oder übertreibt.

 Welchen Einfluss die Schwäche der NPD auf die Debatte über ihr Verbot haben wird, ist noch nicht zu erkennen. Bis jetzt orientiert sich dieser Diskurs fast ausschliesslich am Tagesgeschehen. Kommt es zu gewaltsamen Übergriffen oder werden Rechtsextreme dahinter vermutet, wie beispielsweise im Dezember 2008, als der Passauer Polizeichef Mannichl niedergestochen wurde, rufen sofort zahlreiche Politiker nach einem NPD-Verbot. Zu den prominentesten Politikern dieser Gruppe gehört der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer, zu den Skeptikern Innenminister Wolfgang Schäuble.

 Es gibt zwei Diskussionen zu diesem Thema, wobei die unwichtige leidenschaftlich, die wichtige leider kaum geführt wird. Heftig gestritten wird darüber, ob es geraten sei, die sogenannten V-Personen aus der rechtsextremen Szene abzuziehen, um einem Verbotsverfahren bessere Erfolgschancen zu geben. 2003 war bereits ein Verfahren daran gescheitert, dass Aussagen, die die Partei belasteten, nicht von Aktivisten selber stammten, sondern von Verbindungsleuten. Die observierte NPD galt nach diesem Malheur als praktisch "unverbietbar".

 Wichtiger als diese Prozedurfrage wäre allerdings eine offene Diskussion über Sinn und Zweck eines Verbots. Etliche Politiker, vor allem solche aus dem Osten des Landes, berufen sich auf die angeblich nach wie vor autoritätsgläubige Mentalität der Bürger und behaupten, mit einem Verbot verschwände auch das Problem an sich, denn allem, was nicht obrigkeitlich erlaubt sei, kehrten die Wähler umgehend den Rücken. Liberale, viele Bürgerliche, aber auch etliche Sozialdemokraten und Grüne halten von solchen Überlegungen wenig. Man fürchtet, die Neonazis zu Märtyrern zu machen und ihnen damit den Glanz des Aussenseiters zurückzugeben.

 Prestigeverlust in der Bürgerlichkeit

 Wie die obigen Beispiele zeigen, hat das Argument einiges für sich. Nichts schadet der NPD so sehr wie die Mitarbeit in den verhassten demokratischen Parlamenten, nichts lässt ihren Nimbus als Protestpartei schneller verblassen. Würde sie zurückgedrängt in den Untergrund, hätte sie vermutlich schon bald wieder mehr Zuspruch, und daran, was daraus in einer schweren Wirtschaftskrise werden könnte, wagt man gar nicht zu denken. Der heutige Zustand hat also unbestreitbar seine Vorteile. Zumindest ein Teil der Rechtsextremen "zeigt" sich permanent der Öffentlichkeit, und diese hat damit einen zwar beschränkten, aber dennoch wichtigen Einblick in eine Szene, die nie mehr erstarken darf. Von einem NPD-Verbot würde höchstwahrscheinlich die rechtsextreme Szene insgesamt profitieren.

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ANTI-ATOM
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BZ 8.4.09

AKW Mühleberg

Regierung wird hart kritisiert

Der Regierungsrat erntet für seine Stellungnahme zu den Rissen im Kernmantel des AKW Mühleberg scharfe Kritik.

"Der Regierungsrat versteckt sich immer wieder hinter der nicht handelnden Aufsichtsbehörde und folgert daraus, dass nichts zu unternehmen sei", sagte EVP-Grossrat Josef Jenni (Oberburg) gestern im Kantonsparlament. Er hatte der Regierung in einer Interpellation diverse Fragen zu den Rissen im Kernmantel des AKW Mühlberg gestellt. In ihrer Antwort wies die Regierung jedoch die Verantwortung von sich und verwies auf die Eidgenössische Aufsichtsbehörde, das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI (wir berichteten). Jenni forderte daher eine Diskussion über seinen Vorstoss, brachte die dafür notwendigen 40 Stimmen jedoch nicht zusammen.

"Ausweichend"

Jenni musste sich daher mit einer persönlichen Erklärung zufrieden geben. Die Regierung handle "nicht gerade verantwortungsbewusst", sagte er, ja sie wolle offenbar ihrer eigentlichen Aufgabe nicht nachkommen. Die Antwort auf den Vorstoss sei "ausweichend und unvollständig".

"Skandal"

Noch weiter mit der Kritik gingen gestern die Atomgegner von Fokus Anti-Atom in einer Medienmitteilung: Der Regierungsrat bewege sich mit seiner Antwort "im Mainstream der BKW". Fokus Anti-Atom wirft der Regierung implizit vor zu lügen: "Es ist nachgerade ein Skandal, welche Unwahrheiten prominente Stellen von sich geben." Obwohl sich die Regierung auf das ENSI berufe, habe sie sich offenbar nicht bei diesem erkundigt, schreibt Fokus Anti-Atom. Sonst wüsste sie, dass der Kernmantel durchaus eine Dichtheitsfunktion habe.
drh

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Berner Rundschau 8.4.09

Hickhack um AKW-Sicherheit

Mühleberg Thema im Grossen Rat

Nachdem die Zeitschrift "Beobachter" unlängst den vertraulichen Jahresbericht 2007 des Atomkraftwerks Mühleberg publik gemacht hatte, woraus hervorging, dass die Risse im Kernmantel seit 1990 weiter gewachsen sind als bisher öffentlich bekannt war, stand das älteste AKW der Schweiz gestern im Grossen Rat gleich mehrfach auf der Traktandenliste. Auf die Frage Corrado Pardinis (SP/Lyss) antwortete Energiedirektorin Barbara Egger (SP), aufgrund des Jahresberichts der nationalen AKW-Aufsichtsbehörde Ensi sehe die Regierung keinen Handlungsbedarf; seien dem Ensi-Bericht zufolge die Risse im Mühleberger Kernmantel doch stabil. "Wäre dem nicht so", fügte Egger an, "würden die Vertreter des BKW-Mehrheitsaktionärs Kanton Bern selbstverständlich aktiv."

Ob allem müsse sich die Regierung "auf die Untersuchungen und Schlussfolgerungen dieser Behörde (die HSK, Vorgängerorganisation der Ensi, Anm. d. Red.) verlassen können", so der Regierungsrat unlängst auf eine ebenfalls gestern traktandierte Interpellation Josef Jennis (EVP). Die Formulierung mag überraschen - nicht nur Jenni. Doch die Ratsmehrheit verweigerte ihm die offene Diskussion. In seinem darauf schriftlich abgegebenen Votum ging Jenni mit der Regierung hart ins Gericht. Dieser "versteckt sich immer wieder hinter der nichthandelnden Aufsichtsbehörde", kritisierte der Oberburger. Es sei letztlich "unglaublich und zeugt davon, dass der Regierungsrat seiner eigentlichen Aufgabe nicht nachkommen will." Dass die Risse von der Regierung als "stabil" bezeichnet werden, heisse dabei nichts - "sie könnten auch <stabil wachsen>".

 "Fokus Anti-Atom", die vereinigten AKW-Gegner, bezichtigten die Regierung in einer Mitteilung gestern gar der Lüge. Entgegen der Darstellung des Regierungsrates habe der Kernmantel sehr wohl eine Dichtheitsfunktion und sei somit sicherheitsrelevant. (sat)

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Fokus Anti-Atom
http://www.fokusantiatom.ch

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Handelszeitung 8.4.09

Millionenforderung an AKW-Betreiber

 - Entsorgungsfonds Die AKW-Betreiber zahlen das Geld für Entsorgung ihrer Anlagen in einen Fonds ein. Letztes Jahr verlor dieser über 20 Prozent an Buchwert. Geht der Zerfall weiter, muss die Branche hunderte Millionen Franken nachschiessen.
Jürg meier

Die Schweiz geht bei der Entsorgung ihrer Atomkraftwerke auf nummer sicher: Die Betreiber müssen das Geld für die aufwendige Stilllegung der Anlagen und für die Entsorgung der Abfälle in zwei vom Bund kontrollierte Fonds einbezahlen. So soll verhindert werden, dass die Gesellschaften sich nach Ende der Laufzeit ihrer AKW auflösen und die Stilllegung der Anlagen auf Kosten der Allgemeinheit geht. Mit der Finanzkrise ist nun aber die Gefahr gewachsen, dass die für die Einzahlungen verantwortlichen AKW-Betreiber Geld in die Fonds nachschiessen müssen.

Fonds performten 2008 negativ

Gemäss Aussagen verschiedener Fondsverantwortlicher liegt eine Unterdeckung vor, wenn während zwei Rechnungsjahren eine negative Performance von 15% vorliegt. 2008 lag die Performance des Fonds deutlich darunter, nämlich bei einem Minus zwischen 20 und 21%, wie der für die Anlagestrategie des Fonds zuständige Roland Hengartner erklärt. Die Performance im 1. Quartal 2009 habe "dem Markt entsprochen". Vergleicht man diese Aussage etwa mit der Performance der Pensionskassen im 1. Quartal, dann besteht wenig Grund für Zuversicht.

Wie schätzt eines der betroffenen Werke die Situation ein? "Wenn die Finanzmärkte dieses Jahr einigermassen stabil bleiben, wird die Nachschusspflicht nicht greifen", zeigt sich Beat Grossenbacher, Finanzchef des Stromversorgers BKW, überzeugt. Die BKW betreibt das Kernkraftwerk Mühleberg. Zudem ist laut Grossenbacher der genannte Benchmark von 15% eine interne Regelung, die dem Fonds nicht vom Gesetz vorgegeben worden sei.

Unklar ist, wie viel Geld die AKW-Betreiber nachschiessen müssten, wenn die Performance auch 2009 unterhalb der Benchmark bleiben sollte. Ende 2008 betrug der Wert der Fonds nach dem Buchverlust von rund 20% noch 3,37 Mrd Fr. Sicher ist eines: Sollte der Buchwert des Fonds erneut stark schmelzen, wären bald hunderte Mio Fr. fällig. Ob die AKW-Betreiber die Beträge sofort zahlen müssten oder ob diese über eine längere Zeit verteilt würden, ist laut Beat Grossenbacher völlig offen. Eine Ratenzahlung wäre denkbar, wird das erste AKW doch frühestens 2020 abgestellt.

Branche ist in der Klemme

Die Wertverluste des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds haben 2008 bereits Spuren in den Resultaten der grossen Stromkonzerne hinterlassen. Für die BKW wäre die Einzahlung zusätzlicher Gelder in die beiden Fonds allerdings nicht erfolgswirksam, wie BKW-CFO Beat Grossenbacher betont. "Die entsprechenden Rückstellungen wurden bereits gemacht."

Trotzdem: Die Schweizer AKW-Betreiber stecken in einem Dilemma. Angesichts der geplanten neuen Atomkraftwerke müssen sie jegliche negative Presse vermeiden; sollte in der Öffentlichkeit auch nur der leiseste Verdacht entstehen, es könnte das Geld fehlen, um abgeschaltete AKW zu demontieren und den Abfall ins Endlager zu verfrachten, kämen die Betreiber von der Politik unter Druck, Geld nachzuschiessen.

Auf der anderen Seite aber sind die AKW-Betreiber oder deren Muttergesellschaften an der Börse kotiert. Nachrichten über zusätzliche Verpflichtungen in Millionenhöhe wären Gift für die Börsenkurse.

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Basler Zeitung 8.4.09

AKW Fessenheim wurde durchleuchtet

Colmar. Ein Expertenteam der Internationalen Atomenergie- Agentur (IAEA) aus Wien zieht heute Bilanz einer Sicherheitskontrolle im französischen Atomkraftwerk Fessenheim (Elsass). Die Techniker aus Deutschland, der Schweiz, Grossbritannien und anderen Ländern nahmen zweieinhalb Wochen lang den Betrieb, die Instandhaltung und die Notfallpläne unter die Lupe. Das erste Mal hatten die IAEA-Experten Fessenheim 1992 kontrolliert. Im Herbst steht die Zehn-Jahres-Inspektion dieses ältesten Atomkraftwerks Frankreichs an. Es ging 1977 ans Netz.  dpa

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Landbote 8.4.09

Atomgegner rüsten sich für die Notwehr

In Deutschland lösen Atomtransporte gewaltsame Proteste aus. Der Schweiz stehen diese noch bevor.

Bern - 10. November 2008: Rund 1000 Demonstranten blockieren die Zufahrt zum deutschen Zwischenlager Gorleben. Die Polizei trägt die Protestierenden einzeln von der Strasse, setzt Schlagstöcke ein. Die Demonstranten antworten mit Steinen, zünden Barrikaden an. Die Ankunft der elf Atombehälter verzögert sich um Stunden.

28. März 2009: Mitten in der Nacht trifft der Atombehälter aus dem KKW Leibstadt pünktlich im Zwischenlager Würenlingen ein. Ein paar Polizisten stehen gelangweilt vor dem Eingang. Demonstranten gibt es keine. Warum?

Deutschland hat zwar den Atomausstieg bis 2022 beschlossen. Die Endlagerung ist aber wie in der Schweiz noch nicht geklärt. Seit 1977 ist ein Salzstock bei Gorleben als letzte Ruhestätte für hoch radioaktive Abfälle auserkoren. Doch ein Moratorium verzögert den definitiven Entscheid. Zudem hat Deutschland wie die Schweiz beschlossen, auf die Wiederaufbereitung von Brennstäben zu verzichten. Der Hintergrund der Atomtransporte scheint also vergleichbar. Oder doch nicht?

"In Deutschland gehen die Atomgegner davon aus, dass sowohl das oberirdische Zwischen- als auch das unterirdische Endlager in Gorleben sein werden", sagt Aernschd Born von der Schweizer Vereinigung "Nie wieder Atomkraft" (NWA). Es fänden deshalb dort eigentlich schon jetzt Transporte ins Endlager statt. Gäbe es solche in der Schweiz, wäre laut Born der Widerstand vergleichbar.

Greenpeace Schweiz sehe die Transporte ins Zwischenlager als logische Folge, solange es hierzulande Atomkraft gibt, sagt deren Sprecherin Sibylle Zollinger. Man sei stärker auf die Grundsatzfrage nach einer zukunftsfähigen Energieversorgung und damit das Verhindern neuer Kernkraftwerke fokussiert. Zudem könnten Atomgegner in der Schweiz dank Initiativen und Referenden auch auf dem politischen Weg ihre Ziele erreichen, so Born von der NWA. Käme es aber mit dem Entscheid für ein Endlager zu einer Notwehrsituation - wie vor drei Jahrzehnten beim geplanten Bau des KKW Kaiseraugst - sei er für den gewaltfreien Protest auf der Strasse. Zwingend sei aber, dass die breite Bevölkerung diesen Protest mittrage. Born ist zuversichtlich, dass dies trotz massiv verstärkter Öffentlichkeitsarbeit der Kraftwerksbetreiber möglich ist. Gegenwärtig entstehe in der Schweiz eine neue Generation von Atomgegnern, die sich gut mit den bereits ergrauten Gegnern von Kaiseraugst ergänze. (ldc)

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Aargauer Zeitung 8.4.09

Atom-Endlager: Abklärungen in 80 Gemeinden

Untersuchungsgebiet auch im Aargau ausgeweitet

Das Bundesamt für Energie (BFE) will die Standortregionen für ein Endlager massiv ausweiten. Denn neu sind nicht nur die Gebiete für die Lagerung definiert, sondern auch jene für Umlad und Zufahrt. Das erhöht die Zahl der tangierten Gemeinden massiv › im Aargau von 33 auf bis zu 80.

Hans Lüthi

Die Ausweitung auf viel mehr Gemeinden als bisher kommuniziert, geht aus dem Sachplan des BFE hervor, welcher der MZ vorliegt. Als sechs mögliche Standorte für je ein Tiefenlager mit hochradioaktiven und einem für schwach- und mittelaktive Abfälle hat der Bund diese Regionen definiert: Südranden (Schaffhausen), das Zürcher Weinland, den Wellenberg (Nidwalden) › und die Mittelland-Standorte Nördlich Lägern, Bözberg und Jurasüdfuss. Das Kriterium für diese Auswahl war das Gestein: Opalinuston, Brauner Dogger, Effinger Schichten und Helvetischer Mergel sind geeignet, um darin radioaktives Material zu lagern.

Ausweitung auf Zufahrt und Umlad

Die effektiv von einem Tiefenlager im Untergrund tangierten Gemeinden bleiben unverändert. Gemäss Sachplan wird jedoch das Standortgebiet noch im Laufe dieses Jahres massiv ausgeweitet. Der Grund: Der Atommüll muss auch irgendwie in die Tiefe von 300 bis 900 Meter unterhalb der Oberfläche gelangen. Der Tunnel dazu kann entweder über dem Lager beginnen und spiralförmig in die Tiefe führen. Oder er kann ähnlich einem Strassentunnel in gerader Linie und weniger stark fallend die Lagerstätte erreichen. Mit anderen Worten: Bei 9 bis 10 Kilometer Länge des Tunnels kann die Anlage für den Umlad deutlich ausserhalb des Lagergebiets zu liegen kommen.

Mehr als Verdoppelung im Aargau

Schon bisher war der Aargau bei den Abklärungen für ein Tiefenlager stark tangiert. Dies vor allem durch die Standorte Bözberg und Nördlich Lägern, bei denen es um beide Lagertypen geht. Die Untersuchungen am Jurasüdfuss betreffen "nur" ein schwach- bis mittelaktives Lager. Zur Hauptsache liegt das Gebiet im Kanton Solothurn, aber es sind auch hier bisher schon 10 Aargauer Gemeinden mit im Spiel, inklusiv Aarau und Kölliken. Mit der Ausweitung steigt die Zahl der im Kanton betroffenen Gemeinden insgesamt von 33 auf bis zu 80 an!

Vom Zwischenlager ins Tiefenlager

Allein in der Region Bözberg kommen zu den 20 Lagergemeinden bis zu 35 aus dem äusseren Ring von 5 Kilometern dazu. Dieser reicht bis Untersiggenthal und Würenlingen, womit eine Verbindung Zwischenlager›Endlager möglich wäre. Solche Pläne gebe es jedoch nicht, betont die Nagra. Sie beschränkt sich auf den geologischen Teil. Alles andere ist Sache der Kantone und Gemeinden › unter Federführung des Bundes.

 Kommentar rechts, Seite 19

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80 statt 33 Tiefenlager-Gemeinden

Bund und Kantone weiten den Radius für die Oberflächenanlagen um fünf Kilometer aus

Das Bundesamt für Energie (BFE) und die Nagra haben sechs Regionen für ein Tiefenlager vorgeschlagen. Künftig werden bis zu 80 statt 33 Aargauer Gemeinden untersucht. Der Grund: Zufahrt und Empfangsgebäude können ausserhalb eines Lagers liegen.

Hans Lüthi

Die sechs potenziellen Standorte für ein Tiefenlager der radioaktiven Abfälle haben in den tangierten Gebieten Zürcher Weinland, Nördlich Lägern, Bözberg, Jurasüdfuss, Wellenberg und Südranden heftige Diskussionen und ersten Widerstand ausgelöst. Die Auswahl der Gemeinden geschah einzig und allein gestützt auf die Geologie im Untergrund, sprich die genügende Mächtigkeit von Opalinuston, Effinger Schichten und Braunem Dogger und Mergel. Ohne Rücksicht auf kommunale Grenzen hat die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) quasi von unten her den Scheinwerfer nach oben projiziert. Mit dieser Folge: Einzelne Gemeinden sind nur ganz am Rande minimal tangiert worden, bei anderen aber ist der Untergrund des ganzen Gebietes für ein Tiefenlager geeignet.

Ausdehnung auf die Region

Als nächster Schritt folgt eine beachtliche Ausweitung: Im Umkreis eines Radius von 5 Kilometern um die vorgeschlagenen geologischen Standortgebiete erfolgt eine raumplanerische Bestandesaufnahme. "Basis dazu bilden die Sachpläne und Inventare des Bundes, die Richtpläne der Standortkantone und die Nutzungspläne der Standortgemeinden", steht dazu wörtlich im Konzeptteil des Sachplans geologisches Tiefenlager. "Im Vergleich zu den bisherigen Standortgebieten könnte sich die Zahl der tangierten Gemeinden verdoppeln", sagt Piet Zuidema, Leiter Technik und Wissenschaft bei der Nagra.

Die Folgen sind happig: Allein am Standort Bözberg kommen zu den 20 tangierten Gemeinden bis zu 35 dazu. Im untersuchten Perimeter können auch Schinznach-Bad und Schinznach-Dorf, Brugg, Untersiggenthal, Würenlingen, Frick und viele mehr enthalten sein (siehe Karte). Die genaue Abgrenzung will das BFE bis Ende Jahr bekannt geben. Am Jurasüdfuss kommen zu den 10 Aargauer Gemeinden zirka ein Dutzend dazu › ohne jene in Solothurn. Von der Region Nördlich Lägern werden statt 3 etwa 6 Aargauer Gemeinden tangiert. Fazit: Statt 33 sind im neuen Perimeter bis zu 80 Aargauer Gemeinden dabei.

Zufahrt bis zu zehn Kilometer lang

Die Ausdehnung auf zahllose weitere Gemeinden hat diesen simplen Hintergrund: Das erst ab 2030 nötige Lager für mittel- und schwachaktive Abfälle (SMA) und das ab 2040 nötige Lager für hochaktive Abfälle (HAA) brauchen eine Zufahrt und eine Empfangsanlage. Theoretisch gibt es aus Nagra-Sicht zwei Varianten, um ins Tiefenlager zu gelangen: Bei 900 Meter Tiefe kann man vom höchsten Punkt aus eine Tunnelrampe bauen, die bei 10 Prozent Gefälle 9 Kilometer lang würde. Ebenso gut denkbar ist es jedoch, von einem tieferen Punkt aus mit weniger Gefälle 9 oder 10 Kilometer in direkter Linie einen Strassentunnel von der Empfangsanlage zu bauen. Mit diesem Vorteil: Die über 100 Tonnen schweren Transportbehälter müssten nicht zuerst auf einen Berg hochgefahren werden.

Keine Vorgaben der Techniker

Für die Nagra-Fachleute ist klar, dass ihre Aufgabe im Tiefenlager sich rein auf die technischen Belange beschränkt. "Wir wollen ergebnisoffen sein, sonst käme es nicht gut heraus", versichert Zuidema. Entsprechend gebe es null Präferenzen für Standortregionen oder bevorzugte Gemeinden. Entscheidend sei die höchstmögliche Sicherheit für die Wahl von einem oder zwei Standorten, die der Bundesrat im Jahr 2015 trifft. Wo die Empfangsanlage hinkommt, wird von der Nagra zusammen mit den tangierten Kantonen und Gemeinden unter BFE-Leitung festgelegt. Mit Vorteil könnte der Bau in einer Kiesgrube, einem Industriegelände mit Gleisanschluss oder an einem Hangfuss entstehen.

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Mitwirkung der Regionen

Die Entscheide in den vielen Schritten auf dem Weg zu einem Tiefenlager erfolgen nicht allein durch den Bund › ganz im Gegenteil. Die Ausweitung des Perimeters auf weitere Gemeinden bestätigt auch der Aargauer Planer Leonhard Zwiauer, Projektleiter des Kantons im Sachplanverfahren. "Zum provisorischen Perimeter können der Kanton und die tangierten Gemeinden Stellung nehmen", betont er zum breit angelegten Mitwirkungsverfahren. Zwiauer bestätigt auch, dass zu den Gemeinden der eigentlichen Lagerregion weitere Gemeinden in einem Ring von fünf Kilometern tangiert werden. Die Erschliessung für die Empfangsanlage und den Tunnel seien wichtige Aspekte des Gesamtprojektes. Denn im Gegensatz zum Tiefenlager selber ist die Umladeanlage an der Oberfläche sichtbar, ebenso wie die nötigen Entlüftungskamine. (Lü.)

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Vom Zwischenlager zum definitiven Standort

Am Eingang ins Tiefenlager braucht es eine Empfangsanlage für den Umlad in die viel kleineren Lagerbehälter

Bis zur endgültigen Lösung lagern alle radioaktiven Abfälle aus den Schweizer Atomkraftwerken sowie aus Forschung und Medizin im zentralen Zwischenlager für radioaktive Abfälle (Zwilag) Würenlingen sowie bei den KKW. In der Halle für hochradioaktive Abfälle haben 200 Behälter Platz. Die gesamte Menge bis zum Abstellen inklusive Abbruchs aller fünf KKW beläuft sich auf 10 000 Kubikmeter hochradioaktive Abfälle und 90 000 Kubikmeter schwach- bis mittelaktive Abfälle. Wenn der Bundesrat einen oder zwei Standorte ausgeschieden hat, geht es darum, an der Oberfläche eine Empfangsanlage zu bauen. Zuerst werden ein Zufahrttunnel, vergleichbar mit einem Strassentunnel, und ein Felslabor in einer Tiefe von 300 bis 900 Metern erstellt. Nach der Bau- und Betriebsbewilligung werden die radioaktiven Abfälle sukzessive eingelagert.

Ein oder zwei Tiefenlager?

Vom Zwilag aus gelangen die sicheren Transportbehälter auf dem Schienenweg in die Umladeanlage. Diese ist von Aussehen und Grösse her mit dem Zwischenlager durchaus vergleichbar. Das oberirdische Gebäude für das Umladen beansprucht einen Platz von zirka 80 mal 100 Metern. Pro Jahr sind nur fünf bis zehn Bahntransporte mit je 3 "Castor"-Behältern vorgesehen plus die Transporte für das schwach- bis mittelaktive Lager. Aus heutiger Sicht ist offen, ob für jede Abfallkategorie ein Lager gebaut wird. Die Regionen Bözberg, Nördlich Lägern und Zürcher Weinland sind als Doppelstandorte denkbar.

Prüfung mehrerer Optionen

Theoretisch ist es denkbar, vom Zwilag aus in einem Tunnel direkt in ein Tiefenlager Bözberg zu gelangen. In der Realität ist es jedoch noch völlig offen, welche Region überhaupt ausgewählt wird. Zudem werden laut Nagra-Experten an jedem Standort mehrere Optionen geprüft. Vorgaben für eine solche Lösung sind keine vorhanden. (Lü.)

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Kommentar

Geologie statt Politik

Hans Lüthi

Fünf Monate sind ins Land gezogen, seit der Bund und die Nagra die sechs geologisch möglichen Standorte in der Schweiz für radioaktive Tiefenlager vorgestellt haben. Viele der betroffenen Gemeinden reagierten erstaunt bis schockiert auf die Lagerpläne.

 Gross war die Freude in jenen Gebieten mit zu wenig Opalinuston im Untergrund. Denn wer will schon ein Tiefenlager mit radioaktiven Abfällen bei sich entstehen sehen? Doch die Freude Dutzender von Gemeinden allein im Aargau kam zu früh. Der neue Einbezug in die Abklärungen macht deutlich, dass man von der nötigen Lösung des nationalen Problems tangiert sein könnte.

 Das radioaktive Lager in 300 bis 900 Meter Tiefe im Untergrund wird an der Oberfläche kaum jemand wahrnehmen. Die Umladestation an der Oberfläche allerdings schon. Von den Lagertechnikern wird sie fast liebevoll als "Empfangsanlage" bezeichnet. Aber hier wird die heisse Ware von den grossen in kleinere Behälter umgeladen › während Jahrzehnten.

 Die Ausweitung der Standortregionen geschieht nicht nur im Aargau. Zürich, Schaffhausen und Solothurn sind mit im Boot. Durch die Gebiete Bözberg, Nördlich Lägern und Jurasüdfuss liegt der Aargau stark im Fokus. Sicherheit und Geologie müssen zählen, nicht die Politik.

 Dennoch: Es macht keinen Sinn, gegen die Pläne Sturm zu laufen. Die Mitwirkung ist so organisiert, dass Lager, Zufahrt und Umlad nur dort möglich sind, wo Region und Gemeinden zustimmen.

 hans.luethi@azag.ch

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KULTUR BS
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Basler Zeitung 8.4.09

Kaserne schreibt grosse Verluste

Das Basler Dreispartenhaus weist 2008 ein Defizit von 310 000 Franken aus

Mehrkosten. 2007 konnte der Basler Kulturbetrieb Kaserne dank Erfolgen im Musikbereich einen Gewinn von 50 000 Franken verbuchen. 2008 hat sich das Blatt gewendet: Die Kaserne schreibt rote Zahlen, ein Drittel des Verlustes, rund 100 000 Franken, soll für einmal die Musiksparte verursacht haben, wie Geschäftsführer Thomas Keller mitteilt. Die Tanz- und Theaterprogramme waren dank Beiträgen von Stiftungen kostendeckend. Massive Mehrkosten seien zudem auf Strukturprobleme und höhere Personalauslagen zurückzuführen, heisst es. Strittig ist, wer im Jahr des Direktionswechsels umsichtiger gewirtschaftet hat, Urs Schaub oder die neue Leiterin Carena Schlewitt. Fest steht, dass für Michael Koechlin, Leiter der Abteilung Kultur im Basler Präsidialdepartement, die Existenz der Kaserne auf dem Spiel steht. Nach dem Beinahekonkurs und der Konsolidierung ist die Kaserne wieder auf die Gnade der beiden Halbkantone angewiesen.  mac  > Seite 2, Kulturmagazin 3

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Kaserne Basel sieht wieder rot

Das Minus beträgt über 300 000 Franken

Stephan Reuter, Marc Krebs

Seit dem Chefwechsel vom Sommer verdichteten sich die Hinweise, dass die Kaserne Basel wieder in die roten Zahlen rutscht. Gestern gab Geschäftsführer Thomas Keller ein überraschend hohes Defizit für 2008 bekannt. Damit steht für Michael Koechlin, Leiter der Abteilung Kultur im Präsidialdepartement, die Existenz der Kaserne auf dem Spiel.

Die Lage ist verfahren - wie so oft, wenn es um die Finanzierung des Dreispartenmodells an der Kaserne Basel geht. Vier Wochen vor der Mitgliederversammlung des Kasernenvereins am 7. Mai präsentiert die neue Leitung eine alarmierende Jahresbilanz. Knapp 310 000 Franken beträgt der Verlust. Die Rücklagen (50 000 Franken) können die Finanzlücke bei Weitem nicht decken. "Die Kaserne ist auf dünnes Eis gebaut", gibt Geschäftsführer Thomas Keller zu. Kulturressortchef Michael Koechlin wird deutlicher: "Es stellt sich die Existenzfrage."

Zwar kommt die Kaserne laut Koechlin nicht unmittelbar in Liquiditätsprobleme. Dennoch werde wohl die öffentliche Hand aushelfen müssen. Alles andere sei unrealistisch. Sponsoren für Defizite gibt es nicht. Und die Kaserne könnte das Minus nur ausgleichen, indem sie ihr Programm drastisch reduziert - und sich damit selbst das Grab schaufelt.

schuldfragen. Strittig ist, wer an dem schlechten Ergebnis die Hauptschuld trägt. Mehr als ein Drittel des Gesamtverlustes schreibt Keller der Musiksparte zu. Die Kaserne blieb 2008 selbst bei ausverkauften Konzerten mehrfach auf den Produktionskosten sitzen. Beispiel NERD: Die Hip-Hopper aus den USA spielten vor 1200 Zuschauern in der Reithalle. Ein Ticket kostete 45 Franken. Das ist im Vergleich zu Zürcher Konzertpreisen günstig - und das reichte prompt nicht, um Gewinn zu machen.

Dennoch kann und will die Kaserne die populäre Musiksparte nicht einfach zur Diskussion stellen. Schliesslich locken Konzerte auch die meisten Zuschauer an - und die sorgen für kräftigen Umsatz an der Bar, der wiederum über die Pacht in den Betrieb der Kaserne fliesst. 70 Prozent der Gastronomieeinnahmen seien dem Musikbetrieb zuzuschreiben, sagt Pascal Biedermann, Ex-Geschäftsführer der Kaserne.

Einen Teil des Verlusts - rund 120 000 Franken - führt sein Nachfolger Keller derweil auf infrastrukturelle Probleme zurück. Weil die Technik veraltet ist, muss die Kaserne ständig Material mieten. Es gibt weder ein digitales Mischpult noch einen bewegten Scheinwerfer, und die Tribüne entspricht nicht mehr den Sicherheitsstandards. Zudem gab es bei Veranstaltungen mehr Schäden als budgetiert - etwa bei der Euro 2008.

Deutungen. Kompliziert ist auch die Frage, wer im Jahr des Wechsels von Urs Schaub zu Carena Schlewitt umsichtiger gewirtschaftet hat. Ex-Kasernenchef Urs Schaub hinterliess ein Defizit von 173 000 Franken; seine Nachfolgerin Carena Schlewitt hat von September bis Dezember ein Minus von knapp 137 000 Franken zu verantworten. Allerdings ist das die Lesart der neuen Leitung, die auch so in der gestrigen Medienmitteilung verbreitet wurde.

Urs Schaub hingegen wehrt sich gegen den Eindruck, mit ihm sei mehr Geld verloren gegangen als ohne ihn: "Diese Aufteilung ist eine kleine Fiesheit." Schliesslich seien im ersten Halbjahr 2008 Extralohnkosten in Höhe von bis zu 60 000 Franken angefallen. Damit wurden Überstunden des ausgeschiedenen Teams erstattet und - seit Februar 2008 - der Lohn für Carena Schlewitt überwiesen.

Vorläufiges Fazit: Die Kaserne ist nach dem Beinahekonkurs und der Konsolidierung erneut auf die Gnade der Basler Kantone angewiesen. "Das Defizit ist ein klarer Hinweis darauf, dass das bisher gültige Subventionsmodell nicht mehr funktioniert", meint Michael Koechlin. Er will die Basler Regierung, den Grossen Rat und den Kanton Baselland, der zurzeit 550 000 Franken von 1,6 Millionen Franken bezahlt, von der Notwendigkeit "deutlich höherer Subventionen" überzeugen.

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Basellandschaftliche Zeitung 8.4.09

Kaserne macht 310 000 Verlust

Auch die neue Crew um Carena Schlewitt muss in ihrem ersten halben Jahr mit einem Minus abschliessen. Das Problem: Die Kaserne Basel ist schlicht unterfinanziert.

Christian Fluri

Der Verlust, den die Kaserne Basel 2008 eingefahren hat, ist nicht klein: 309 793 Franken. Davon entfallen 173 000 noch auf die alte Leitungscrew unter Urs Schaub und 136 793 Franken auf die neue unter Carena Schlewitt. In beiden Halbjahren ist ein grosser Teil des Verlusts auf die "hohen Veranstaltungsdefizite im Musikbereich" zurückzuführen, wie es in der Medienmitteilung heisst. Das hat mit einer beträchtlichen Erhöhung der Gagen zu tun. "Seit dem markanten Rückgang des CD-Marktes machen Live-Konzerte die Haupteinnahmen der Bands aus", sagt Thomas Keller, Geschäftsleiter der Kaserne Basel zur bz. Aber auch der technische Aufwand sei gross. Zugleich will und muss die Kaserne an moderaten Preisen für die Konzerte festhalten. Bei den "kritischen Saalgrössen" von 700 Zuschauern im Rossstall und 1200 in der Reithalle, ist es kaum möglich, aus den Konzerten Gewinne zu generieren.

Eigentliches Problem ist, dass die Kaserne "strukturell unterfinanziert ist", wie Keller und auch Thomas Gelzer, der Präsident des Vereins Kaserne, bestätigen. Das zeigt sich beispielsweise bei Personalwechseln: Jeder Wechsel von Mitarbeitern, und den bringt eine neue Leitung mit sich, schlage sich negativ in der Rechnung nieder, betont Keller. Für Festivals wie Culturescapes und Tanztage, die als Kooperationspartner wichtig sind, müssen in der Technik teure Freelancer beigezogen werden. Die Mitarbeiter könnten nicht noch mehr Überstunden anhäufen.

Was die Rechnung nicht belastete, war das dreitägige Spektakel zur Eröffnung von Carena Schlewitts erster Spielzeit. Dafür wurden Drittmittel von 175 000 Franken generiert. Im Gegenteil: Der fulminante Start und das folgende dichte, profilierte Programm haben das Kulturhaus über Basel und die Landesgrenzen hinaus wieder ins Gespräch gebracht, die Kaserne als gerade im freien Theater und Tanz innovativen Kunstort positioniert. Nur kann die Kaserne diesen Status mit den heutigen Subventionen auf die Dauer nicht halten. Denn zuerst muss Carena Schlewitt das Programm etwas ausdünnen, damit der Verlust nicht weiter anwächst. Nur, alleine schaffe es die Kaserne nicht, den ganzen Verlust zu decken, ist Gelzer überzeugt.

"Der Verlust von gut 300 000 Franken bringt die Erkenntnis, dass das bisherige Finanzierungsmodell nicht mehr funktioniert", sagen einheitlich Michael Koechlin, der Leiter des baselstädtischen Ressorts Kultur und Kaserne-Präsident Gelzer. Wenn die beiden Basel mit ihrer Subvention 1,6 Millionen die Infrastruktur der Kaserne finanzieren, das künstlerische Programm hingegen allein über Drittmittel oder Eigeneinnahmen bezahlt werden muss, schlittere die Kaserne unter heutigen Bedingungen automatisch in Verluste, betonten Koechlin und Gelzer. Drittmittel zu beschaffen, sei in Zeiten der Wirtschaftskrise enorm schwierig, betont Koechlin.

Die Kaserne hat zudem einen Leistungsauftrag zu erfüllen: Sie muss das wichtigste Haus der Region für die freie Theater- und Tanzszene sein und ein nicht rein kommerzielles Musikprogramm anbieten. Das alles kostet.

Die Kaserne muss finanziell besser abgestützt werden, darüber sind sich Koechlin, Gelzer und Keller einig. "Es geht um die Existenz der Kaserne Basel als ein über die Grenzen ausstrahlendes Kulturhaus für Performing Arts und Musik", unterstreicht Koechlin. "Die Kaserne muss auf einen Status gesetzt werden, der es mit ähnlichen Häusern als Kooperationspartner gleichwertig macht", merkt er weiter an. Auch Kooperationen innerhalb und ausserhalb der Schweiz im Tanz- und Theaterbereich gehören mit zum heutigen Leistungsauftrag.

Bereits seit Ende Jahr verhandeln die Kaserne und die Kulturabteilungen beider Basel über eine bessere Finanzierung. Koechlin, Gelzer und Keller sprechen von der positiven Atmosphäre, die in den Subventionsgesprächen herrscht. Der jetzige Verlust ist mit Gegenstand der Verhandlungen. Wie hoch die Subvention beider Basel sein müsste, damit die Kaserne endlich auf sichere finanzielle Beine gestellt werde, ist auch Gegenstand der Verhandlungen. Rechnet man nach und bezieht den Verlust 2008 in die Überlegungen mit ein, dann müsste die jährliche Subvention sicher zwei Millionen Franken betragen.

So viel bräuchte die Kaserne. Da ist die Politik gefragt. Der für die Kultur verantwortliche Stadtpräsident Guy Morin hat in einem Interview mit der bz jedenfalls erklärt, ihm liege die Kaserne am Herzen, sie benötige mehr finanzielle Mittel, damit sie sich zu einem Leuchtturm der freien Theater- und Tanzszene entwickeln könne.