MEDIENSPIEGEL 18.4.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Squat Pianofabrik Biel
- Weisse Fabrik vs Rote Fabrik
- Police LU: Verfahren gegen Polizeisondereinheit
- G-20-Toter innerlich verblutet
- Polizei-Einsatzhandbuch Nato-Gipfel
- Anti-Atom: Mühleberg; Atommüll

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REITSCHULE
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Sa 18.04.09
21.00 Uhr - Kino - Tango Lesson, S. Potter, GB/F 1996, OV/df, 100min, 35mm
23.00 Uhr - Dachstock - Dachstock Darkside: Loxy Cylon/Renegade Hardware/uk Deejaymf cryo.ch VCA Biotic Recs Antart - Drum'n'Bass

So 19.04.09
18.00 Uhr - Rössli - Piano-Bar

Infos: www.reitschule.ch

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PIANOFABRIK BIEL
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Bund 18.4.09

Die letzten Spuren der Bieler Klavierbauer Burger & Jacobi verschwinden

Pianofabrik wird abgerissen

In Biel Madretsch wurden während über 100 Jahren Klaviere gebaut. Nun wird die seit 20 Jahren leer stehende Fabrik abgerissen. An ihrer Stelle entstehen über 50 Eigentumswohnungen. Zunächst muss aber noch eine alternative Wohngruppe das Terrain räumen.

Reto Wissmann

Die grosse Geschichte der Bieler Klavierbauer Burger & Jacobi ging schon vor 20 Jahren zu Ende, als die traditionsreiche Firma Konkurs anmelden musste. Doch bis heute stehen nicht nur in Tausenden von Stuben Klaviere von Burger & Jacobi, auch die verlassene Fabrik in Madretsch erinnert noch an das Kapitel Bieler Industriegeschichte. Während die Klaviere noch Generationen überdauern dürften, sind die Tage der Fabrik gezählt. Nächste Woche stimmt der Bieler Stadtrat über den Verkauf der Parzelle an die Werkhof Architekten AG zum Preis von 1,7 Millionen Franken ab. Diese plant auf dem Piano-Areal entlang der Brühl- und der Pianostrasse zwei Wohnblöcke mit insgesamt über 50 Eigentumswohnungen. Ausserdem soll eine Tiefgarage entstehen. Der Baubewilligung für das Projekt "Pianohof" und damit auch der Abbruchbewilligung für die alte Pianofabrik stehe nichts mehr im Wege, sagt Christian Pfäffli vom Regierungsstatthalteramt Biel.

Wohngruppe bisher "geduldet"

Einzig die alternative Wohngruppe, die in Bauwagen und anderen Fahrzeugen auf dem Gelände campiert, könnte das Projekt noch behindern. Die Stadt hat sich verpflichtet, die Parzelle geräumt an die Werkhof Architekten zu übergeben. Einen Vertrag mit den Bewohnern gebe es nicht, sagt Liegenschaftsverwalter Beat Grütter. Sie seien von der Stadt bisher stillschweigend geduldet worden. "Nun haben wir ihnen mitgeteilt, dass sie den Platz räumen müssen."

Die Pianofabrik Burger & Jacobi hat zwischen 1875 und 1988 in Biel Wandklaviere und Flügel produziert - zunächst im Pasquart-Quartier, später in Madretsch. Die beiden Gründer Hermann Emil Jacobi (1852-1928) und Christian Burger (1842-1925) sowie deren Nachkommen waren zudem auf politischer Ebene als Stadt-, Burger-, Gross- oder Gemeinderäte aktiv. In ihrer Blütezeit stellten die Klavierbauer 800 Instrumente pro Jahr her. Die Krisenzeit der Dreissigerjahre wurde mit der Produktion von Radiogehäusen überbrückt. Insgesamt müssen über 50 000 Klaviere die Werkstätten in Biel verlassen haben. Nun verschwindet mit dem Abbruch der Fabrik ein Zeuge der letzten und grössten Produktionsstätte für Klaviere in der Schweiz.

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WEISSE FABRIK
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Tagesanzeiger.ch 17.4.09
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Protestaktion-Rote-Fabrik-weiss-gestrichen/story/16927729 (mit Foto)

Protestaktion: Rote Fabrik weiss gestrichen

Von Georg Gindely. Aktualisiert am 17.04.2009 3 Kommentare

Unbekannte haben die Rote Fabrik in Wollishofen mit weisser Farbe bemalt. Sie wollen damit eine Auseinandersetzung um das Kulturzentrum auslösen.

Aus der roten ist eine weisse Fabrik geworden: Unbekannte haben in der Nacht auf Gründonnerstag grosse Teile des Kulturzentrums weiss getüncht. In einem mit "Pipifax" betitelten, anonymen Schreiben haben sie sich in drei Sätzen erklärt: "Die Aktion hat von der einzigen noch geduldeten Freiheit Gebrauch gemacht. Sie soll nicht als Zerstörung verstanden werden, sondern als Fundament (Untergrund) für Neues. Sie soll in, um & ausserhalb der Fabrik eine frische Auseinandersetzung mit deren Grundsätzen provozieren."

Anliegen stossen auf offene Ohren

Wer die Urheber der Aktion sind, ist unklar; sie werden in der Künstler- oder Besetzerszene vermutet. Die Anonymität stösst vielen Mitgliedern der 17-köpfigen Betriebsgruppe der Roten Fabrik sauer auf. "Wir würden gerne mit den Urhebern über ihre Anliegen diskutieren - doch dazu gaben sie uns bis jetzt keine Möglichkeit", sagt Etrit Hasler, der die "FabrikZeitung" herausgibt.

Die Aktion selbst löste in der Betriebsgruppe unterschiedliche Reaktionen aus. Als hässlich empfinden sie die meisten. Sie zeuge zudem von einer grossen Respektlosigkeit gegenüber den Sprayern, die an den Wänden der Fabrik in zum Teil sehr langer und aufwendiger Arbeit Kunstwerke geschaffen hatten, die nun zerstört sind. Andere Mitglieder begrüssen es, dass mit der Aktion eine Diskussion um die Rote Fabrik angestossen wird. "Eine Auseinandersetzung tut uns gut", sagt Tex Tschurtschenthaler vom Sekretariat.

"Nur noch wenig Freiräume"

Seit längerer Zeit steht zum Beispiel die Nutzung der Ateliers in der Kritik, die seit Jahren an dieselben Personen vermietet werden. Zudem sind viele Daten für Auftritte bereits besetzt, die Raummiete ist teuer. "Dadurch kann die Rote Fabrik nur noch wenig Freiräume für junge Künstler schaffen, auch wenn das einmal ihr Ziel war", sagt Tschurtschenthaler. Er betont aber, dass das seine eigene Meinung sei - die Betriebsgruppe trifft sich am Dienstag, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Am Mittwoch tagt zudem der Fabrikrat, der ebenfalls über die Aktion diskutieren wird.

Noch unklar ist, ob Anzeige erstattet wird. Aus dem Umfeld der Roten Fabrik wohl eher nicht: "Das würde unseren Grundsätzen widersprechen", sagt Etrit Hasler. Ob die Stadt als Eigentümerin aktiv wird, entscheidet sie Ende Monat. Sie muss wohl die denkmalgeschützten Wände auf der Strassen- und Seeseite neu streichen lassen. Konsequenzen angedroht haben Sprayer, deren Graffitis übermalt wurden. Sie wollen sich an den Weissmalern rächen - auf welche Weise, lassen sie noch offen.

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POLICE LU
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NZZ 18.4.09

Strafverfahren gegen Chef von Polizeisondereinheit

Neue Ungereimtheiten zu Einsatz

 mjm. Luzern, 17. April

 Dem Leiter und dem Stellvertreter der Sondereinheit "Luchs" der Luzerner Polizei wird Amtsmissbrauch vorgeworfen. Die Polizisten hätten bei einer Aktion im Kanton Schwyz zwei jungen Männern Handschellen und Augenbinden nicht abgenommen, obwohl feststand, dass diese mit einer gesuchten Person nicht identisch waren. Vor vier Jahren überwältigten zwanzig Polizisten irrtümlicherweise zwei junge Männer in einem Auto bei Arth-Goldau und verletzten diese. Die Beamten hielten einen der Männer für einen international gesuchten mutmasslichen Mörder. Die beiden Opfer erstatteten Strafanzeige. Die Strafuntersuchung ist vorläufig abgeschlossen. Ob es zu einer Anklageerhebung kommt, muss die Staatsanwaltschaft entscheiden.

 Die Fernsehsendung "10 vor 10" brachte am Freitag weitere Hinweise auf Fehler. So waren bei dem Einsatz deutsche und österreichische Polizisten sowie eine Vertrauensperson dabei, die den mutmasslichen Mörder bei der Verhaftung zu identifizieren hatte. Dabei haben sich die Schweizer Polizisten offenbar blind auf ihre ausländischen Kollegen verlassen. Die Observation durch ebenfalls beteiligte Zürcher Kantonspolizisten missglückte. Beim Zugriff geschah das nächste Missgeschick. Als der Einsatzleiter mit seiner Pistole die Scheibe des Autos einschlug, flog mutmasslich ein Gegenstand ins Autoinnere. Wegen des Missgeschicks, so vermutet der Anwalt, hätten die Elite-Polizisten unverhältnismässig hart zugeschlagen. Offen ist, ob das Polizeivideo, mit dem der Einsatz gefilmt worden war, manipuliert wurde. Untersuchungsrichter Georg Boller will dazu erst nach dem definitiven Abschluss des Verfahrens informieren. Auf dem Polizeivideo fehlt die Stelle der Festnahme, wo zu sehen wäre, ob die Polizei die Opfer geschlagen und getreten hat. "Aufgrund des Verletzungsbildes kann man den Polizisten nicht vorwerfen, dass die Verletzungen vorsätzlich, etwa durch Schläge, zugefügt worden sind", sagt Georg Boller. Die Luzerner Polizei bestreitet das Fehlen von Sequenzen im Video nicht, doch gehe dieses auf ein Missgeschick bei der internen Visionierung zurück.

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20min.ch 17.4.09

Polizeigewalt

Zwei "Luchse" sollen Amt missbraucht haben

Die umstrittene Verhaftungsaktion von zwei Unschuldigen in Arth im Kanton Schwyz im Juni 2005 geht in die nächste Runde: Zwei Mitglieder der Sondereinheit "Luchs" werden des Amtsmissbrauchs beschuldigt.

Dem Leiter der Interventionseinheit der Luzerner Kantonspolizei und seinem Stellvertreter wird vorgeworfen, den beiden festgenommenen Autoinsassen die Handschellen und Augenbinden nicht sofort abgenommen zu haben. Dies als festgestanden habe, dass sie mit der gesuchten Person nicht identisch waren. Die ergänzende Strafuntersuchung war am Donnerstag vorläufig abgeschlossen worden.

Amtsmissbrauch oder nicht?

Das Strafgericht wird nun entscheiden müssen, ob ein Amtsmissbrauch vorliegt. Zunächst haben die Verfahrensparteien aber eine Frist, um eine Ergänzung der Untersuchung zu beantragen. Nach dem definitiven Untersuchungsabschluss wird die Staatsanwaltschaft über eine Anklageerhebung entscheiden.

Zwei Unschuldige verhaftet

Die beiden unbeteiligten Männer waren am vergangenen 5. Juni in Arth bei einer polizeilichen Fahndungsaktion gegen einen international gesuchten Verbrecher in einem Auto angehalten und von Polizisten der Einheit "Luchs" der Luzerner Kantonspolizei verhaftet worden. Als sich herausstellte, dass es sich bei keinem der beiden um den Gesuchten handelte, wurden sie der Schwyzer Kantonspolizei übergeben. Diese überprüfte die Festgenommenen und entliess sie vor Ort. Sie begaben sich anschliessend in ärztliche Behandlung und waren vorübergehend hospitalisiert. Über ihren Rechtsvertreter liessen sie Strafanzeige erstatten wegen strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben und wegen Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit. Eine gegen die involvierten Polizisten eröffnete Strafuntersuchung war 2007 teilweise eingestellt worden. Das Schwyzer Kantonsgericht hob im Dezember desselben Jahres die Verfahrenseinstellung auf.

Video wurde manipuliert

Bei den Ermittlungen war auch der Präsident der Konferenz der Schweizerischen Polizeikommandanten und Luzerner Polizeikommandant Beat Hensler ins Visier der Justiz geraten. So fehlte bei einer Videoaufnahme der Verhaftungsaktion offenbar eine Sequenz. Hensler wurde in der Folge von einem Gremium des Luzerner Kantonsrates befragt. Dieses ortete keine Hinweise, dass das Parlament bewusst unvollständig und falsch informiert worden war.
Quelle: AP

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10vor10 17.4.09

Strafverfahren gegen Elite-Polizisten

Im Jahr 2005 hat die Sondereinheit "Luchs" einen mutmasslichen Mörder verfolgt - und auf Grund einer fatalen Verwechslung zwei Unschuldige festgenommen. 10vor10 hat darüber berichtet und warf vor einem Jahr die Frage auf, ob das Überwachungsmaterial, welches den Eingriff der Polizei dokumentierte, manipuliert wurde. Ein Gutachten dazu steht noch aus, doch jetzt sind weitere Pannen bekannt geworden: Bei der Verhaftungs-Aktion sollen der Einsatzleiter und sein Stellvertreter Amtsmissbrauch begangen haben.
Gemäss Recherchen von "10vor10" hat das Verhöramt Schwyz gegen Angehörige der Kantonspolizei Luzern im Fall Luchs ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauchs (Art. 312 StGB) eröffnet.
http://www.sf.tv/videoplayer/embed/9e4b5f23-c07f-4aa3-8685-afeeb103edf8&live=false

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G-20-TOTER
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20min.ch 17.4.09

Polizeibrutalität

G-20-Opfer verblutete innerlich

Wende in der Affäre um Polizei-Übergriffe bei den G20-Protesten in London: Der Mann, der kurz nach einer Attacke eines Polizisten tot zusammenbrach, starb an inneren Blutungen. Das ergab eine zweite Obduktion. Die Polizei gerät damit immer mehr in Erklärungsnot.

Zunächst hatte die Polizei erklärt, der Mann sei einem Herzinfarkt erlegen. Der suspendierte Polizist, der kurz vor dem tödlichen Kollaps den Mann zu Boden geschubst und mit einem Schlagstock ans Bein geschlagen hatte, wurde von der Polizeiaufsichtsbehörde wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung befragt.

Ursache unbekannt

Die Ursache der Blutungen im Unterleib ist noch nicht geklärt. Die britische Polizei war unter Druck geraten, nachdem auf einem im Internet verbreiteten Video die Schlagstockattacke des Polizisten auf den Zeitungsverkäufer Ian Tomlinson zu sehen war.

Vergangene Woche wurde der Beamte suspendiert. Die Polizei räumte zudem ein, das Tomlinson nicht an den Protesten am 1. April gegen das Krisenmanagement der 20 grossen Industrie- und Schwellenländer (G-20) beteiligt war. Der 47-Jährige war auf dem Heimweg von der Arbeit in die Proteste geraten.
Quelle: SDA/ATS

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NO NATO 2009
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<Einsatzhandbuch zum NATO-Gipfel am Oberrhein 3./4. April 2009>

linksunten.indymedia.org 18.4.09

EMEUTES de STRASBOURG du 4 AVRIL: un document très instructif de la police du pays de Bade

Created by: no nato.

EMEUTES de STRASBOURG du 4 AVRIL: un document très instructif de la police du pays de Bade

Ce document (non daté mais apparemment du 09.03.2009) qui vient de filtrer provient du présidium de la police du land de Bad Wuertemberg. C'est un vademecum pour les agents censés prendre part aux opérations de maintien de l'ordre dans le cadre du sommet de l'OTAN.

Dans ce document figurent des recommandations générales sur l'attitude à adopter en cas de confrontation ainsi qu'un descriptif des " tactiques employées par les manifestants" (pp 14-16).

Le "vermummungsverbot" y est aussi explicité (interdiction faite de se masquer le visage), pp 22-23, ainsi qu'une liste exhaustive des objets prohibés de port chez les manifestants (p 25)...c'est vraiment un document typiquement "allemand", bien écrit, clair, sans imprécisions.

A lire ce document une question légitime se pose :

Si les allemands savaient prévoir aussi bien QUI serait présent pendant les 3 journées du sommet à Strasbourg (pages 6-7), comment est il possible que notre Ministre ait exprimé une certaine surprise à la constatation de la présence des black-blocks et, parmi eux, de casseurs ?

La police française a-t-elle sciemment laissé agir les incendiaires ?

Pourquoi n'y a-t-il eu aucune casse à Kehl si comme on le dit l'essentiel des BB étaient allemands ?

Plus on avance dans la compréhension de ce qui s'est passé plus une évidence s'impose :

Les troubles qui se sont produits étaient prévisibles, le lieu choisi pour la manif assez étrangement ...choisi à la frontière allemande, la passivité de la police française assez suspecte et l'exploitation politique des évènements drôlement ...prévisible.

Les dindons de la farce : les deux comités d'organisation du contre-sommet.

Sur des photos de l'Hôtel Ibis prise avant l'incendie mais pendant la destruction de deux caméras de surveillances, on note que toutes les fenêtres de l'Ibis sont occultées par des rideaux sauf trois d'entre elles (au 3e et dernier étage) et comme par hasard celles-ci donnent sur le carrefour où les principales destructions ont eu lieu. Les agents "logés" dans ce bâtiment se reposaient-ils simplement ? où effectuaient-ils des opérations de fichage sachant que le sort des caméras présentes à ce carrefour était déjà tiré d'avance ?

The PDF file presents the policing guide for the NATO summit 2009, taking place at the French-German border on April 3rd and 4th. The German guide outlines information on the area, dealing with media and citizens living in the region, expected protesting groups and general policy around the summit. The distribution of the manual is restricted "Nur fuer den Dienstgebrauch" (For official use only).

http://file.sunshinepress.org:54445/nato-policing-2009.pdf

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ANTI-ATOM
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Berner Rundschau 18.4.09

Der unermüdliche Mahner

Anti-AKW-Aktivist Jürg Joss warnt seit Jahren vor wachsenden Rissen in Mühleberg

Bald soll das Bundesamt für Energie über die unbefristete Betriebsbewilligung für das knapp 40-jährige AKW Mühleberg entscheiden. Der Bätterkinder Jürg Joss ist einer der 1900 Einsprecher dagegen: Das Sicherheitsrisiko sei zu gross.

Barbara Spycher

Erst nach der letzten Kurve sieht man das AKW. In einer Senke versteckt liegt es an der Aareschlaufe, mit seinem rot-weissen Abluftkamin und dem Reaktorgebäude. Es riecht nach Gülle; rundherum Weiden, Ackerland und Bauernhöfe. Das Atomkraftwerk liegt auf dem Boden der Gemeinde Mühleberg, die Stadt Bern ist 14 Kilometer entfernt. Jürg Joss blickt hinunter auf den Atommeiler, mit dem er sich seit bald zwanzig Jahren auseinandersetzt: Der 46-jährige Bätterkinder ist einer der vehementesten und versiertesten Kritiker des AKW Mühleberg. Als Gründungs-Mitglied der Berner Gruppierung Fokus Anti-Atom fordert er aus Sicherheitsgründen dessen sofortige Stilllegung.

Sicherheitsbericht bleibt geheim

Seit letztem Sommer stosse dieses Anliegen wieder auf grössere Resonanz, vorab in Zusammenhang mit der unbefristeten Betriebsbewilligung, welche die Betreiberin BKW für Mühleberg verlangt (wir berichteten). "Was, dieses AKW ist 40-jährig, hat Risse und soll eine unbefristete Betriebsbewilligung erhalten?" Solche Kommentare höre Jürg Joss neuerdings auch von Leuten, die nicht per se gegen AKWs sind. Gegen die unbefristete Betriebsbewilligung kamen innert Monatsfrist 1900 Unterschriften zusammen - von Privatpersonen, Organisationen und Gemeinden wie Bern oder Köniz. In nächster Zeit wird der Entscheid des Bundesamts für Energie erwartet. Dieses will zuerst jedoch abwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht in einer Teileinsprache entscheidet, die volle Akteneinsicht verlangt.

"Beunruhigend und gefährlich"

Denn den jüngsten Sicherheitsbericht hält die BKW "wegen des Sabotageschutzes" unter Verschluss - im Gegensatz zum Bewilligungsverfahren 1992 oder zu demjenigen in Beznau. Dennoch ist bekannt, dass die Risse im AKW Mühleberg stark gewachsen sind (vgl. dazu die Ausgabe vom 8. April). Diese wurden erstmals vor zwanzig Jahren entdeckt und betreffen den Kernmantel, der die Kernbrennstäbe umhüllt und für die Kühlwasserführung entscheidend ist; im Normalbetrieb und bei Notfällen. Im Februar machte der "Beobachter" auf der Grundlage eines vertraulichen Jahresberichts der BKW publik, dass die am stärksten betroffene Schweissnaht inzwischen neun Risse aufweist, die sich gesamthaft über 2,4 Meter erstrecken - das ist mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren und macht fast einen Viertel des Umfangs des Kernmantels aus. Der längste dieser Risse misst inzwischen 91 Zentimeter.

 Jürg Joss erachtet diese Risse als "höchst beunruhigend und gefährlich", was er mit Unfallszenarien belegt. Dem widerspricht die Aufsichtsbehörde ENSI: Die Risse am Kernmantel hätten "keinen Einfluss auf den sicheren Betrieb der Anlage". Für einen Langzeitbetrieb nach 2012 - dann läuft die befristete Betriebsbewilligung aus - sei aber absehbar, dass "die bruchmechanischen Zulässigkeitskriterien" nicht mehr erfüllt seien - trotz den vier Zugankern, die Mitte der 90er-Jahre zur Stabilisierung eingebaut wurden. Die BKW hat bis Ende 2010 Zeit, das Sicherheitskonzept für den rissigen Kernmantel zu überarbeiten.

 Jürg Joss verweist auf ähnlich alte, ausländische AKW mit Rissen, die vom Netz genommen wurden oder auf jüngere, bei denen der Kernmantel ausgetauscht worden ist. Eine Antwort des Regierungsrates auf eine Interpellation im Grossen Rat machte jüngst deutlich, dass ein solcher Austausch inklusive Produktionsausfall während der einjährigen Reparaturarbeiten bis zu 500 Millionen Franken kosten würde.

 Joss bezeichnet es als "fahrlässig", das AKW "aus ökonomischen Gründen am Limit" zu betreiben. "Je mehr man sich mit Technik befasst, umso mehr weiss man, was alles schiefgehen kann - auch Unvorhergesehenes", sagt der Automationstechniker. Für einen früheren Arbeitgeber musste Joss auch im AKW Leibstadt arbeiten, um während einer Revision Instrumente des Druckhaltesystems zu kalibrieren. Als er durch die Sicherheitsschleuse hinausging, piepste diese: Zu starke radioaktive Kontamination. Er musste zweimal duschen, bis der Körper nicht mehr strahlte. Da hat er sich gefragt: "Wie gefährlich ist das eigentlich?"

"Wem soll ich jetzt glauben?"

Nach einer privaten Asienreise, auf der er knapp dem Tod entkommen war, setzte er sich neue Prioritäten: 1991 trat er in die Gruppierung "AKW Mühleberg stilllegen" ein, diese benannte sich jüngst um in "Fokus Anti-Atom". Sie kämpft den Kampf David gegen Goliath, ihre Aussagen stehen den Sicherheitsbeteuerungen eines einflussreichen Energiekonzerns und einer staatlichen Aufsichtsbehörde gegenüber. Für Joss ist es deshalb schon ein Erfolg, wenn ein Besucher einer Podiumsdiskussion zwischen ihm und einem Kraftwerksvertreter danach fragt: "Wem soll ich jetzt glauben?"

Gesuch, Demo und Studie

Spätestens seit die BKW bekannt gaben, für ein neues, leistungsfähigeres AKW in Mühleberg ein Rahmenbewilligungsgesuch eingegeben zu haben, organisiert sich die Gegnerschaft. Diese ruft für den 26. April in Bern aus Anlass des 23. Jahrestages der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl zur Demonstration auf. Berner Wirtschaftsverbände wollen diese Woche dagegen mit Studien auf die Wichtigkeit und Zustimmung der Bevölkerung zur Atomenergie verweisen. (sat)

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Tagesanzeiger 18.4.09

"Fliessendes" Gestein soll Atommüll konservieren

Eignet sich das Gebiet Lägern-Nord wirklich für ein Atomend- lager? Unterländer Gemeinde-vertreter informierten sich in einem Felslabor im Jura, um sich für Diskussionen zu wappnen.

Von Heinz Zürcher

St-Ursanne. - Das Wort klingt magisch, und in der Diskussion um den sichersten Standort eines Atom-Endlagers wird es noch oft fallen: Opalinuston. Das Gestein eigne sich am besten, um atomare Abfälle zu lagern, sagt die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra).

Doch was macht es so begehrt? Mitglieder des Forums Lägern-Nord, welche die Interessen der infrage kommenden Unterländer Standortgemeinden vertreten, gingen gestern dieser Frage nach. Und reisten in den Jura nach St-Ursanne, wo seit 1996 in einem Labor, 350 Meter unter der Erde, die Eignung des Opalinuston als Wirtgestein untersucht wird.

Angelegt sind die Stollen direkt neben dem Autobahntunnel, der durch den Mont Terri führt. In den grauen Gängen hängen überall Kabel an den Wänden, stehen Messgeräte oder verschwinden Rohre im Gestein. Firmen und Institute aus aller Welt bohren, messen und testen im insgesamt 500 Meter langen Labyrinth.

Hohlräume füllen sich wie beim Honig

Der Opalinuston zeichnet sich dadurch aus, dass er eine undurchlässige Oberfläche hat und sich selbst verdichtet. Paul Bossart, Leiter des Labors, erklärt es so: "Das Gestein bewegt sich wie dickflüssiger Honig und füllt Hohlräume von selbst wieder auf." Zudem enthält es nur 6 Prozent Wasser - und dieses lässt es kaum entweichen. Das zeigten Experimente in St-Ursanne, bei denen nach einem Jahr kleinste Tropfen Meereswasser aus dem Opalinuston entnommen werden konnten: Überreste von vor 180 Millionen Jahren, als die Schweiz noch unter Wasser stand. Der Druck, der damals durch die Bildung von Landmassen entstand, sorgte dafür, dass das Wasser aus der schlammigen Tonerde hinausgepresst wurde. Es entstand der Opalinuston.

Doch nicht überall, wo er vorkommt, ist er auch als Standort eines Tiefenlagers geeignet. Im Jura ist das Gelände zum Beispiel zu unruhig, und es gibt brüchige Schichten. Besser ist die Lage in Bözberg AG, im Zürcher Weinland und im Gebiet Lägern-Nord, wo zudem das Risiko von Erdbeben geringer ist.

Entscheidend bei der Standortwahl ist aber auch, wie gut die Bedingungen für Bohrungen sind. Und mit welchen Techniken und Materialien sie vorgenommen werden sollen. Ob mit Gas, Luft, Öl oder Wasser: Alles könnte Einfluss auf die Beschaffenheit des Gesteins haben. Offen ist auch, in welchen Behältern der radioaktive Abfall eingeschlossen werden soll.

Es gibt noch viele offene Fragen. Das war auch die Erkenntnis von Hanspeter Lienhart, dem Präsidenten des Forums Lägern-Nord. Der Ausflug habe sich aus seiner Sicht aber gelohnt. Er habe viele Hintergrundinformationen gesammelt, um sich für die anstehenden Gespräche und Diskussionen zu wappnen.

Standort nicht in Stein gemeisselt

In etwa 10 Jahren soll feststehen, wo das Tiefenlager gebaut wird. 30 weitere Jahre dauert es, bis die ersten hochradioaktiven Abfälle unter die Erde befördert werden. Bis dahin bleibt den Forschern Zeit, die wichtigsten Fragen zu klären. Für sie ist allerdings schon heute klar: Auch das gebaute Endlager braucht ein Felslabor, wo die Geologen laufend neue Erkenntnisse gewinnen können. Und allenfalls auch zum Schluss kommen, dass der Standort doch nicht geeignet ist. Nicht umsonst will der Bund, dass die atomaren Abfälle notfalls noch 50 Jahre nach ihrer Einlagerung wieder aus der Erde geborgen werden können.