MEDIENSPIEGEL 25.4.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS, GH)
- Stadtrat will noch repressivere Drogenpolitik
- Stadtrat zu Rassismus + Clubleben
- Bollwerk/Schützenmatte: Hinauszögern von Massnahmen
- Bollwerk-Kunst: Nägeli ist kein Nägeli
- Progr-Mobil auf Abstimmungskampf-Tour
- Kornhaus-Probebühne: Christen statt Kultur
- Telehess 23.4.09
- 8 Jahre LaKuZ Langenthal
- 20 Jahre Kofmehl Solothurn
- RaBe-Info 23.+24.4.09
- Birsfelden, Thun, Schwyz: Privatpatrouillen + Bürgerwehren
- Reform 91 für Knastreform
- Unsichtbare Männerprostitution
- Wieder Fribourger Razzien in Bern und Solothurn
- SVP/SP wollen Schnellgerichte
- ZH: 6 Hausbesetzungen in 2 Wochen
- Programm Revolutionärer 1. Mai ZH
- UniaJugend-Protest gegen Nestlé-Brabeck am Menschenrechtsforum
- Gewalt-Debatte No Nato 2009
- Kleine Geschichte der Fingerabdrücke
- Mühleberg: Noch keine Akteneinsicht gewährt; Bürgerliche ProAKW-Offensive; Verharmlosungen
- Stadtrats-Debatte Bettelei (26.3.09)

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REITSCHULE
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Sa 25.04.09
20.30 Uhr - Tojo - Auawirleben: Das Heulen des Hundes von Cuckoos, Basel
21.00 Uhr - Kino - Tango Lesson, S. Potter, GB/F 1996, OV/DF, 100min, 35mm
22.00 Uhr - Dachstock - Mardi Gras.BB Hazelwood/DE & Puts Marie Hazelwood/CH - Trümmerblues/Jazz Crime/Nightmare-Gypsy-Swing

So 26.04.09
13.00 Uhr - Münsterplatz - "Kein Tschernobyl in Mühleberg!" feat. by Mundartisten
21.00 Uhr - Dachstock - Thau I/CH: Sabina Meyer, Hans Koch, Paed Conca, Fabrizio Spera

Infos: www.reitschule.ch

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Bund 25.4.09

Sounds: Mardi Gras BB

Teutonischer Südstaaten-Sound

Beim ersten Hören würde niemand vermuten, dass diese versoffen klingende Blaskapelle aus dem deutschen Mannheim stammt und nicht aus dem staubigen Süden Louisianas - und doch hat es sich in den letzten Jahren herumgesprochen, dass die Mannen von Mardi Gras BB teutonischen Ursprungs sind. Nichtsdestotrotz fügen sie der Kategorie der Brassband ganz eigene Facetten hinzu, mit dreckigem Blues, genreuntypischen Samples oder schepperndem Jazz. Unterstützt werden Mardi Gras BB heute Abend von den Bieler Breitband-Rockern Puts Marie. (kul)

Reitschule Dachstock, heute Samstag, 22 Uhr.

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Bund 24.4.09

Dancefloor: Unreal Drum'N'Bass Festival

Fern der Wirklichkeit

Bevor morgen der Technopapst Sven Väth mit seinem Tross in die Grosse Halle der Reitschule einzieht, gibts heute acht Stunden Drum'n'Bass - danach fühlt man sich wohl wirklich etwas fern der Wirklichkeit, wie der Name des Festivals, Unreal, suggeriert. Bei der aktuellen Ausgabe stammen die meisten Plattenleger aus dem Geburtsland des Drum'n'Bass, dem Vereinigten Königreich. Zuoberst auf der Affiche prangt DJ Friction (Bild) aus Brighton, der es in seinem Genre zum Superstar gebracht hat. Friction gilt als einer der abwechslungsreichsten DJs des Drum'n'Bass - mit seiner Mixtur aus Techno und Jungle hat er den Neurofunk erfunden. (kul)

Grosse Halle Reitschule, heute Freitag, 22 Uhr.

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20 Minuten 24.4.09

Nightfever

Sven Väth verkündet den Sound der Saison

BERN. Alle Jahre wieder legt der Techno-Pionier Sven Väth auf seiner Welttournee einen Zwischenhalt in Bern ein. Morgen Samstag ist er ab 22 Uhr in der Grossen Halle zu hören.

Jeweils zu Ende seiner Ibiza-Saison brennt Sven Väth den "Sound of the Season" auf CD - und geht damit auf eine weltweite Clubtournee. Mittlerweile ist der Techno-Gott bei der neunten Ausgabe angelangt. Diesmal sogar mit Schweizer Beteiligung: Der Zürcher Styro2000 und der Genfer Quenum haben es auf die Doppel-CD geschafft.

Um seinen Sound in Bern unters Volk zu bringen, scheut der deutsche Top-DJ keinen Aufwand. Die Grosse Halle der Reitschule lässt er von Syntosil für den Gig komplett neu einkleiden. Auf seine Tour nimmt Sven Väth eine riesige Entourage mit, die bis in die frühen Morgenstunden mit ihm auf der Bühne das Publikum anheizt.

Sven Väth erhält als musikalische Verstärkung nur das, was zur Spitze zählt: Der Kanadier Mathew Jonson, die Zürcherin Manon und der Berner Benfay stehen ebenfalls an den Decks.

Pedro Codes

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Unreal-Festival

In der Grossen Halle schmeisst heute Freitag die Berner Agentur Ammonit das D'n'B-Festival Unreal. Die englischen DJs Fabio, Friction, Ed Rush und Fierce jagen neben dem Berner Support ab 22 Uhr vertrackte Beats durch die Boxen.

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DROGENPOLITIK
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Telebärn 24.4.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Drogenszene-Gemeinderat-soll-handeln/story/11540596 (mit Video)

Drogenszene: Gemeinderat soll handeln

Von TeleBärn

Mit einer Motion hat der Stadtrat den Gemeinderat zum Handeln in der Drogenpolitik aufgefordert. Gemeinderätin Edith Olibet reagiert gelassen.

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Bund 24.4.09

Drogenpolitik: Rat will Korrektur

Stadtrat Das Parlament verlangt vom Gemeinderat eine Richtungskorrektur in der städtischen Drogenpolitik. Der Rat überwies gestern Abend eine entsprechende Motion mit 37 zu 29 Stimmen. Eingereicht hatten sie Vertreter alle Mitte- und Rechts-Parteien noch vor dem Entscheid des Gemeinderates, auf eine zweite Drogenanlaufstelle an der Murtenstrasse zu verzichten. Unabhängig davon, ob eine zweite Anlaufstelle geschaffen werde oder nicht: Die Regierung müsse ihre Haltung in der Drogenpolitik überdenken, forderten mehrere Votanten und Votantinnen. Sie solle sich an der Stadt Zürich orientieren, welche Drogendelinquenten konsequent verfolge und viel mehr für eine möglichst gute Stadtverträglichkeit unternehme, sagte Jan Flückiger (glp). Sozialdirektorin Edith Olibet (sp) versicherte, es gebe regelmässige Kontakte mit Zürich und Basel. Die Suchtpolitik des Gemeinderats sei keineswegs unrealistisch. Sie ziele auf den verantwortungsbewussten Umgang mit Drogen aller Art ab. Zudem lege sie grossen Wert auf Stadtverträglichkeit und Jugendschutz. (ruk)

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BZ 24.4.09

Fixerstübli bleibt ein Thema

Wie gehen Zürich und Basel mit der Drogenszene um? Der Stadtrat beauftragt den Gemeinderat, dies vertieft abzuklären.

"Wir verlangen, dass der Gemeinderat die Drogenpolitik der Stadt Bern überprüft und falls nötig eine Kurskorrektur vornimmt", sagte Pascal Rub (FDP) stellvertretend für die bürgerlichen Fraktionen, welche gemeinsam eine Motion eingereicht hatten. Alternativen zu einer zweiten städtischen Drogenanlaufstelle müssten geprüft werden, so die Forderung. Das zweite Fixerstübli ist zwar seit Anfang Jahr vom Tisch, das weitere Vorgehen aber nach wie vor ein umstrittenes Thema.

Keinen akuten Handlungsbedarf sieht der Gemeinderat: "Von der Polizei und den Betreibern der Anlaufstelle kommen zurzeit gute Rückmeldungen", betonte Sozialdirektorin Edith Olibet (SP). Der Gemeinderat zeigte sich bereit, den Vorstoss in der unverbindlichen Form eines Postulats entgegenzunehmen.

Dagegen wehrten sich die Motionäre. Die Stadt müsse ihre Drogenpolitik grundsätzlich überdenken, finden FDP, BDP/CVP, EVP, GLP und SVP. Der Gemeinderat solle sich darüber informieren, wie andere Städte - insbesondere Zürich - mit dem Drogenproblem umgingen, verlangten sie. "Die Drogenszene hat sich gewandelt. Darum müssen neue Massnahmen geprüft werden." Die Motionäre stören sich insbesondere daran, dass in Bern rund um die Anlaufstelle an der Hodlerstrasse das Dealen toleriert wird. Dieser sogenannte "Ameisendeal" (Kleinhandel) ist in Zürich verboten. Jan Flückiger (GLP) regte an, Zürichs Drogenpolitik zum Vorbild zu nehmen. "Das Hauptziel ist dort, dass die Drogenszene stadtverträglich ist." Davon sei man in Bern "meilenweit entfernt", doppelte Pascal Rub nach. Mit 37 Stimmen aus der Mitte und von den Bürgerlichen wurde die Motion gegen den Willen des Gemeinderats und der Ratslinken überwiesen.
mm

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bernerzeitung 23.4.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Stadtrat-erhoeht-Druck-in-der-Suchtpolitik/story/14235510 (mit Video Stellungsnahme Olibet)

Stadtrat erhöht Druck in der Suchtpolitik

Das Berner Stadtparlament verlangt vom Gemeinderat eine vertiefte Analyse und allenfalls eine Richtungskorrektur in der städtischen Drogenpolitik.

Der Rat hat eine entsprechende Motion mit 37 zu 29 Stimmen überwiesen.

Nachdem die Realisierung einer zweiten Drogen-Anlaufstelle an der Murtenstrasse aus finanziellen Gründen gescheitert ist, stellte sich für die Motionäre aller Mitte- und Rechtsparteien die Frage, "ob einzig die Eröffnung einer zweiten Anlaufstelle der beste Weg aus der schwierigen Berner Situation ist".

Die Konsumgewohnheiten hätten sich in den letzten Jahren stark verändert, sagte Barbara Streit (EVP). Im Hof der Anlaufstelle an der Hodlerstrasse könne schon lange nicht mehr nur von einem "Ameisenhandel" die Rede sein.

Der Drogenhandel habe gravierende Auswirkungen auf die nähere und weitere Umgebung. Der Gemeinderat vermittle in seiner Antwort auf die Begehren den Eindruck, er wolle sich nicht mit dem Anliegen befassen und habe alles im Griff.

Unrealistisch und zu wenig repressiv

Der Gemeinderat müsse seine Suchtpolitik jedoch grundsätzlich überdenken, sagte Jan Flückiger (GLP). Die aktuelle Politik sei unrealistisch; ganz im Gegensatz etwa zu jener der Stadt Zürich, welche die Probleme, die sich aus dem Konsum ergeben, konsequent verfolge und viel mehr für eine möglichst gute Stadtverträglichkeit unternehme.

Solange die Stadt Bern den Handel und Konsum auf der Strasse toleriere, werde die GLP einer zweiten oder dezentralen Anlaufstellen auf keinen Fall zustimmen, sagte Flückiger. Es fehle eine gesamtheitliche Strategie, die tatsächlich auf vier Säulen und damit auch auf einer spür- und sichtbaren Repression beruhe.

Der Gemeinderat sei einfach nicht gewillt zu handeln, befand auch Erich Hess (SVP), dem die Motion eigentlich noch viel zu wenig weit ging. Aber man müsse nun wenigstens verbindlich vertiefte Abklärungen von der Stadtregierung verlangen, "wie wir in der verzwickten Lage vorwärts komme". Auch die FDP erwartet eine Richtungskorrektur in der städtischen Drogenpolitik, wie Pascal Rub betonte.

Nur SP und GB/JA zurückhaltend

Die SP und GB/JA-Fraktion wollten den Vorstoss höchstens in der unverbindlichen Postulatsform annehmen. Ursula Marti (SP) bedauerte, dass die zweite Anlaufstelle nicht zustande gekommen ist und verlangte zumindest die Prüfung eines Pilotprojekts.

Eine weitere Analyse der Suchtpolitik werde keine neuen Fakten zu Tage fördern, wandte sich auch Lea Bill (JA) gegen die Motion. Ziel sei nicht weniger Konsum um die Anlaufstelle, sondern der saubere und medizinisch betreute Konsum. Ein Verbot des Handels verschiebe das Problem nur in private Räume.

Sozialvorsteherin Edith Olibet versicherte, die Lage sei gemäss Angaben der Polizei und von Pinto derzeit gut. Es gebe auch regelmässige Kontakte mit den Städten Zürich und Basel.

Die Suchtpolitik des Gemeinderats sei keineswegs unrealistisch. Sie ziele auf den verantwortungsbewussten Umgang mit Drogen aller Art ab. Zudem lege sie auch grossen Wert auf Stadtverträglichkeit und Jugendschutz. (js/sda)

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RASSISMUS
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Bund 25.4.09

Viele Emotionen wegen Kontrollen

Stadtrat Die Eintrittskontrollen in einigen Nachtlokalen gaben am Donnerstagabend einiges zu reden. Von "skandalös" bis "absolut verständlich" war alles zu hören. Null Verständnis für die dringliche Interpellation von Hasim Sancar (gb) hat Jimy Hofer. Der Verfasser der Anfrage habe keine Ahnung, was in der Nacht in und vor Berns Lokalen abgehe, sagte der Ex-Broncos-Chef. Da sei ein einziges Beispiel zu Unrecht zu einem Fall von Rassendiskriminierung hochgespielt worden. Sancar bezeichnete die selektive Haltung einiger Lokalbetreiber als gesetzeswidrig und verglich sie mit der Apartheid-Politik. Auch der Gemeinderat sei der Ansicht, der "Art Café"-Betreiber habe einen Gast aus rassistischen Gründen aus dem Lokal gebeten, fuhr Sancar fort. Nach Angaben der Kantonspolizei haben sich unterdessen die Strafverfolgungsbehörden des Vorfalls angenommen.

Von Rassendiskriminierung könne keine Rede sein, betonten Erich Hess (jsvp) und Dieter Beyeler (sd). Beide wiesen auf junge ausländische Staatsbürger hin, die vor und in Nachtlokalen immer wieder Leute anpöbelten. Beim kritisierten Vorgang handle es sich um eine Banalität, meinte auch Hans Peter Aeberhard (fdp). Wer hier von Apartheid spreche, verharmlose die frühere Apartheid in Südafrika und den lange Zeit herrschenden Rassismus in den USA.

Erich Mozsa (gfl) bezeichnete die Haltung von Lokalbetreibern, die Menschen mit anderer Hautfarbe oder einer B-Bewilligung den Einlass verweigern, als " skandalös und unverständlich". Er sei froh, dass sich die Strafbehörden des Falles annähmen. Das Verhalten, nicht der Status müsse für den Einlassentscheid massgebend sein, fügte Guglielmo Grossi (sp) an. (ruk/sda)

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bernerzeitung.ch 24.4.09

Die Protokolle von Jimy Hofers Reden

Von Martina Maurer

Jimy Hofer wehrte sich am Donnerstagabend im Stadtrat in zwei Reden gegen die Rassismusvorwürfe an Berner Wirte und die Security. bernerzeitung.ch hat die beiden Statements protokolliert.

Rede 1

"Man sieht, dass die Verfasser der Interpellation keine Ahnung haben, was in den Berner Beizen abgeht. Ich weiss, wovon ich rede. Wenn ein Wirt darauf angewiesen ist, dass er seine Klientel so wählen kann, wie er gerne möchte, darf er das vom Gesetz aus. Das ist auch richtig so. Es liegt nicht drin, dass ihm die Stadt oder sonst jemand vorschreibt, wen er in seinem Laden zu bedienen hat. Das geht einfach nicht. Wenn ein Wirt eine bestimmte Schicht in seinem Lokal will, ist dies ganz normal. Dies wird zum Beispiel über die Preise oder über Türsteher reguliert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. An gewissen Orten ist dies selbstverständlich. Uns Wirten werden sowieso schon Schikanen auferlegt, das ist unglaublich. Wenn wir jetzt noch ein Rauchverbot erhalten, kommt dann ein Alkoholeinschränkungsgebot und dann erhalten wir noch die Auflage für kalorienorientiertes Kochen und so weiter. Dazu kommen noch die feuerpolizeilichen Auflagen. Als Lokalbetreiber hat man es heute nicht mehr einfach. Und wenn es noch rentieren soll, braucht man ganz klare Vorgaben. Man hat ja schliesslich auch Angestellte. Dies hat nichts mit Rassendiskriminierung zu tun. Das wird völlig falsch verstanden. Der Vorfall ist ein Fall von einer Million an einem Wochenende. Soviel Leute werden am Wochenende in der Agglomeration Bern in Beizen bedient. Und dieses eine Beispiel wird zu einer Rassenfrage hochstilisiert. Es kann nicht sein, dass man uns Wirten nun auch noch vorschreibt, welche Leute man zu bedienen hat. Es gibt ganz klare Erfahrungswerte, wen man bedienen kann und wen nicht. Ihr könnt es mir glauben, wir haben bei uns im Security-Dienst Mitarbeiter aus allen Nationen. Sie können die Sprache und wissen, was vor den Lokalen gesprochen wird. Ich könnte jede Woche eine Beige Eingaben einreichen, von den Belästigungsattacken der Gäste, die nicht ins Lokal gelassen werden. Das gäbe wahrscheinlich manche Anzeige gegen das Rassismusgesetz. Aber dies gilt ja eh nur für uns Schweizer. Wenn ich dies so lese, habe ich das Gefühl, dass der, der das geschrieben hat, in der Nacht nicht viel unterwegs ist."

Rede 2

"Indirekt wird den Wirten und der Security Rassismus unterstellt. Ich kann bezeugen, dass dem nicht so ist. Unter unseren Leuten gibt es keine Rassisten. Sie wissen wahrscheinlicht nicht, was das Wort Rassismus bedeutet. Ich habe Rassismus in den Palästinenser Gebieten, in Kuwait, im Libanon und Saudi Arabien erlebt. Dort wird Rassismus tagtäglich vorgeführt. Seither habe ich natürlich kein Verständnis mehr dafür, wenn jemand sagt, in der Schweiz gebe es Rassismus. Da habe ich nur ein müdes Lächeln übrig. Den echten Rassismus gibt es hier nicht. Deshalb ist dies grundsätzlich der falsche Begriff, der hier gewählt wurde. Es geht hier um Erfahrungswerte. Diese Interpellation ist eine Schreibtischarbeit, die jeder Realität entbehrt. Die Realität unserer Arbeit in der Security und die Realität der Wirte, die jede Nacht ein Lokal sicher betreiben müssen, die spricht eine ganz andere Sprache. Es hat nichts mit Nettigkeit zu tun. Das ist der Dschungel in der Nacht. Und wer dies nicht glaubt, soll einige Nächte unterwegs sein, mal neben den Türsteher stehen. Ich habe einmal am Gurtenfestival einem Verantwortlichen eines Sponsors, der reklamiert hat, mein Security-Shirt gegeben. Eine halbe Stunde später hat er es mir zurückgegeben und gesagt: 'Jetzt weiss ich, was Du gemeint hast'." (Bernerzeitung.ch/Newsnetz)

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20min.ch 23.4.09
http://www.20min.ch/news/bern/story/29931238 (mit Foto)

"Rassismus" in Gastlokalen

Dass in einigen Berner Lokalen Angehörige von bestimmten Ausländergruppen nicht eingelassen werden, hat im Stadtparlament einen heftigen Disput ausgelöst. Von "skandalös" bis "absolut verständlich" war alles zu hören.

Der Autor der dringlichen Anfrage habe keine Ahnung, was in der Nacht in und vor Berns Lokalen abgehe, zeigte Jimy Hofer null Verständnis für die Interpellation von Hasim Sancar (GB). Dieser bezeichnete die selektive Haltung einiger Lokalbetreiber als gesetzeswidrig und verglich sie mit der Apartheid-Politik.

Selektion

Auch der Gemeinderat sei der Ansicht, der Betreiber des Art Club Cafés habe einen Gast aus rassistischen Gründen aus dem Lokal gebeten, so Sancar. Nach Angaben der Kantonspolizei haben sich unterdessen die Strafverfolgungsbehörden des Vorfalls angenommen. Rassendiskriminierung sei ein Offizialdelikt.

Von Rassendiskriminierung könne keine Rede sein, betonten neben Hofer auch andere rechtsbürgerliche Ratsmitglieder. Da sei ein einziges Beispiel zu Unrecht zu einem Fall von Rassendiskriminierung hochgespielt worden, sagte Hofer. Es gebe aber nun mal ganz klare Erfahrungswerte in der Szene, wen man bedienen könne und wen nicht.

Verständnis für die Lokalbetreiber äusserten auch Erich Hess (SVP) und Dieter Beyeler (SD). Beim kritisierten Vorgang handle es sich um eine Banalität, meinte auch Hans Peter Aeberhard (FDP). Wer hier von Apartheid spreche, verharmlose die frühere Apartheid in Südafrika und den lange Zeit herrschenden Rassismus in den USA.

Skandalös

Erich Mozsa (GFL) wiederum bezeichnete die Haltung dieser Lokalbetreiber, Menschen mit anderer Hautfarbe, einer Bewilligung B oder einem entsprechenden Pass den Einlass zu verweigern, als skandalös und unverständlich.

Er sei froh, dass sich die Strafbehörden des Falles annähmen. Das Verhalten, nicht der Status, müsse für den Einlassentscheid massgebend sein, sagte auch Guglielmo Grossi (SP).
Quelle: SDA/ATS

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BOLLWERK
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BZ 24.3.09

Problemzone Bollwerk

Schützenmatte bleibt grau

Der Gemeinderat will die Parkplätze auf der Schützenmatte vorderhand nicht aufheben. Eine Neuanordnung der Parkfelder soll aber die Übersichtlichkeit verbessern. Geplant ist auch eine kleine Anlage für Car-Reisende.

Vor zweieinhalb Jahren reichte das Grüne Bündnis einen Vorstoss ein, welcher eine städtebauliche Aufwertung der Schützenmatte verlangt. Als wichtigste Massnahme wurde die Aufhebung der Parkplätze für PW gefordert. Dies lehnt der Gemeinderat "in der momentanen Situation" ab, wie es in der gestern publizierten Antwort heisst. Bei einer Erweiterung des Parkhauses Neufeld schliesst der Gemeinderat eine Aufhebung der Parkplätze auf der Schützenmatte als Kompensation nicht aus. Ob diese Erweiterung kommt, entscheidet sich laut der Stadtregierung im Verlaufe des nächsten Jahres.

Bald Skater-Anlage

Egal, ob die Autos nun dereinst wegkommen oder nicht: Der Gemeinderat will die Schützenmatte und damit die Problemzone Bollwerk (siehe auch Text rechts) mit weiteren Massnahmen aufwerten, nachdem Anfang dieses Jahres bereits eine WC-Anlage zu diesem Zweck gebaut wurde. So soll "in nächster Zeit" unter der Eisenbahnbrücke die seit Jahren versprochene Skater-Anlage erstellt werden.

Bis ins Jahr 2012 will der Gemeinderat die Parkplätze neu anordnen, um die Übersichtlichkeit zu verbessern. Dem werden zehn Parkplätze zum Opfer fallen. Ebenfalls bis 2012 soll die Infrastruktur für die Car-Reisenden verbessert werden: Geplant ist ein Unterstand mit integrierter WC-Anlage, Telefonkabine und Getränkeautomat.

Cars sollen weg

Trotz all diesen Verbesserungen für Car-Reisende hält der Gemeinderat aber an seinem längerfristigen Ziel fest, beim Parkhaus Neufeld dereinst einen neuen Car-Terminal zu errichten. Dies, weil sich die Schützenmatte zu weit weg von der Autobahnausfahrt befinde und der Standort nicht ausbaufähig sei. Ein Ausbau ist aber laut dem Gemeinderat wegen der wachsenden Bedeutung des internationalen Linienbusverkehrs nötig.

Bereits ab diesem Sommer wird übrigens im Neufeld wieder ein provisorischer Car-Terminal betrieben, wie er vor Beginn der Bauarbeiten des Neufeldzubringers bestanden hat. Dieser entlastet saisonal die Schützenmatte: Es werden vor allem Badeferien-Busse von dort verkehren.

Für die mittelfristige Umgestaltung der Schützenmatte verweist der Gemeinderat auf ein "Betriebs- und Gestaltungskonzept", welches bereits als Entwurf vorliege. Dieses Papier soll nach der Abstimmung über den autofreien Bahnhofplatz diesen Herbst und dem Entscheid über die Zukunft des Parkhauses Neufeld überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Adrian Zurbriggen

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BOLLWERK-ART
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20min.ch 23.4.09

Kunstposse in Bern

Verwirrung um einen Nägeli, der keiner ist

von Thomas Pressmann

Beim Bahnhof Bern wird eine Mauer mit zwei Graffiti saniert. Pikant: Diese sollen vom legendären "Sprayer von Zürich" Harald Nägeli stammen. Sagt die "Berner Zeitung". Falsch, sagt 20 Minuten Online - und präsentiert den wahren Urheber. Dieser will seine Werke übermalen lassen.

Die SBB brechen zurzeit beim Bahnhof Bern eine Treppe ab und sanieren eine Betonwand. Etwas ganz Alltägliches, wären da nicht zwei überlebensgrosse, an die Sichtbetonmauer gesprayte Männchen. Sie sollen aus der Dose von Harald Nägeli stammen, schreibt die "Berner Zeitung" und befürchtet, dass die SBB im Rahmen des Umbaus die Sprayereien verschwinden lassen könnten. Ein Kunstskandal, gelten doch die teils über dreissig Jahre alten Werke von Nägeli als wertvoll und werden in der Heimatstadt des heute 69-jährigen Sprayers von Zürich aufwändig restauriert und konserviert.

Die SBB haben jetzt Abklärungen eingeleitet. 20 Minuten Online hat unterdessen den richtigen Künstler schon gefunden. Es ist nicht Harald Nägeli, sondern Peter Radelfinger. Der 1953 geborene Künstler hat die Figuren 1983 zur Neueröffnung des Kunstmuseums in Bern an die Eisenbahnbrücke beim Bollwerk gesprayt. Radelfinger selbst lebt seit 1984 in Zürich und ist heute als Kunstprofessor tätig.

Etwas Neues soll her - sagt der Künstler

Von der Aufregung in Bern über seine Kunstwerke hat Radelfinger bisher nichts mitbekommen. Auch die SBB haben ihn noch nicht kontaktiert. "Das ist doch lustig!", sagt er auf Anfrage von 20 Minuten Online und freut sich, dass seine Werke immer noch Diskussionen auslösen. Er möchte nun sein Werk endlich übermalen lassen. Dies habe er schon mehrmals gefordert. "Es passt einfach nicht mehr in unsere Zeit, da es während den Unruhen in den 80er-Jahren entstand." So sollen nun junge Künstler die Gelegenheit erhalten, die kahle Betonwand zu gestalten. "Restaurieren ist sinnlos, etwas Neues wäre viel interessanter", sagt der Radelfinger, dem das Berner Kunstmuseum im Sommer eine Einzelausstellung widmet.

"Ich bin nicht Nägeli!"

Angesprochen auf die Verwechslung mit dem weltbekannten Sprayer Harald Nägeli, der wegen seiner illegalen Werke einst für neun Monate ins Gefängnis musste, lacht Peter Radelfinger. "Das ist nett", sagt er, die Werke Nägelis finde er "sehr spannend".

Was nun mit den beiden Graffiti in Bern geschieht, ist noch unklar. Die SBB untersuchen zusammen mit dem Bundesamt für Kultur und dem Berner Kunstmuseum, ob die Malereien als schützenswert eingestuft werden und somit trotz Bauarbeiten erhalten bleiben sollen.

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Link-Box
Homepage von Peter Radelfinger
http://radelfinger.com/
Kunstmuseum Bern
http://www.kunstmuseumbern.ch/index.cfm?nav=567,1343,1344&SID=1&DID=9&aID=229

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BZ 9.4.09

Bollwerk

SBB-Treppe wird abgebrochen

Am Bollwerk saniert die SBB das Stellwerk und entfernt Sprayereien an der Sichtbetonmauer. Darauf sind auch zwei Männchen des Zürcher Sprayers Harald Naegeli. Ob die Graffiti erhalten bleiben, ist noch unklar.

Seit einigen Tagen sorgt im Bollwerk eine braune Ladenwand mit Stacheldraht bei den Passanten für Aufmerksamkeit. Dahinter bricht die SBB am Stellwerkgebäude die Betonaussentreppe ab.

"Jetzt wird diese Aussentreppe nicht mehr gebraucht", sagt SBB-Mediensprecher Roman Marti. Nach seinen Worten saniert die SBB ausserdem die Betonfassade des Stellwerkgebäudes und erneuert die Fenster. "Die Arbeiten haben keine Auswirkungen auf den Bahnbetrieb", betont Marti. Ende Juni soll dann das SBB-Stellwerk am Bollwerk in neuem Glanz erstrahlen. Bis dann wird die Renovation voraussichtlich abgeschlossen sein.

Bleiben Naegelis Männchen?

Im Zug der Renovation des Stellwerkes will die SBB auch die Sprayereien auf der Sichtbetonmauer in Richtung Reithalle entfernen. Dort hat auch der Zürcher Sprayer Harald Naegeli in den 70er-Jahren zwei Männlein aufgespritzt.

SBB weiss von nichts

Offenbar wissen die SBB-Projektverwantwortlichen nicht, dass es sich um "Kunstwerke" von Naegeli handelt. Denn: Diese Zeitung setzte die SBB ins Bild. Was nun mit den beiden Graffiti von Naegeli passieren wird, konnte gestern SBB-Mediensprecher Roman Marti nicht sagen. "Wir werden jetzt abklären, ob Naegelis Männlein katalogisiert sind, und dann werden wir nach einer Lösung suchen", sagte Marti. Der Künstler hatte von 1977 bis 1979 gegen 600 Figuren auf Zürichs Betonwelt gesprayt. Dann setzten gegen ihn Strafprozesse ein: Das Zürcher Obergericht verurteilte ihn wegen Sachbeschädigung zu 9 Monaten Gefängnis ohne Bewährung und auf 206000 Franken Schadenersatz. Doch der Spraydosenkünstler setzte sich nach Deutschland ab.
jsp

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PROGR
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BZ 24.4.09

Progymnasium

Ein Bus mit Botschaft

Die Progr-Künstler wollen am 17.Mai gewinnen. Wo ihr Bus auftaucht, wird also bunte Kultur mit Hintergedanken geboten.

Der Pro-Progr-Bus wurde gestern für das Kulturzentrum Progr auf die Strassen Berns geschickt. 150 Progr-Künstlerinnen und -Künstler werden ihn bis am 17.Mai für bunte Aktionen nutzen, verspricht Kampagnenleiter Mike Bucher. Der Bus wird je nach Bedarf beladen. Zum Beispiel am 8.Mai für eine Baumpflanzaktion im Marzili wohl mit Schaufel und Schubkarre. Oder am 9.Mai bei "Nimm dir einen Teil des Kunstkuchens" mit Kaffee, selbst gemachtem Kuchen und Festbänken. Wo das Kaffeekränzchen stattfindet, steht noch nicht fest. Selbstverständlich würden die notwendigen Bewilligungen vorgängig eingeholt, so Bucher. Geplant sind auch Konzerte. Das Programm ist unter http://www.proprogr.ch einsehbar und wird laufend ergänzt.

Laut Peter Aerschmann, eine der treibenden Kräfte hinter der Künstlerinitiative, lässt sich der Verein den Abstimmungskampf 40000 Franken kosten. "Das Geld stammt vom Pro-Progr-Fest im Dezember sowie von Leuten, die extra für die Kampagne gespendet haben", sagt er. Das für den Kauf und die Sanierung versprochene Geld werde hingegen nicht angetastet.

Nicht beirren lassen sich die Progr-Leute durch die hängige SVP-Beschwerde, die den Urnengang verhindern könnte.
cab

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CHRISTEN STATT KULTUR
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Berner Rundschau 25.4.09

Bern Laienbewegung Vineyard zieht ins Kornhaus ein

Die Liegenschaftsverwaltung der Stadt Bern hat für die ehemalige Probebühne des Stadttheaters im 4. Obergeschoss des Kornhauses eine neue Mieterin mit passendem Büro-Nutzungskonzept gefunden. Es handelt sich um Vineyard Bern, die die Räumlichkeiten im Sommer 2009 beziehen wird. Die Vineyard Bern versteht sich als ökumenisch-orientierte Laienbewegung innerhalb der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, zu der sich rund 1000 Personen zählen. (MGT)

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bern.ch 23.4.09

Die ehemalige Probebühne ist vermietet: Vineyard Bern zieht ins Kornhaus ein

Der Liegenschaftsverwaltung der Stadt Bern hat für die ehemalige Probebühne des Stadttheaters im 4. Obergeschoss des Kornhauses eine neue Mieterin mit passendem Büro-Nutzungskonzept gefunden. Es handelt sich um Vineyard Bern, welche die Räumlichkeiten im Sommer 2009 beziehen wird.

Nebst einem marktüblichen Mietzins, war es wichtig eine Nutzung zu finden, bei welcher die Infrastruktur in diesem rege besuchten Gebäude nicht übermässig belastet wird. Der schöne Saal sollte so wenig wie möglich unterteilt werden, um seinen Charakter nicht zu verlieren. Die neue Mieterin entsprach den Vorgaben der Liegenschaftsverwaltung am besten und überzeugte unter anderem auch durch einen professionellen Auftritt.

Die Vineyard Bern versteht sich als ökumenisch-orientierte Laienbewegung innerhalb der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, zu der sich rund 1000 Personen zählen. Sie setzt sich seit mehr als 25 Jahren für einen praktisch gelebten Glauben und soziale Gerechtigkeit in der Region Bern ein. In den letzten Jahren wurde die Vineyard Bern unter anderem durch allwöchentliche Nahrungsmittelhilfe an mehr als 100 Personen und Familien in der Region bekannt. "Wir wollen die sozialen, seelischen und materiellen Bedürfnisse der Menschen in der Stadt und der Region Bern aufnehmen und ihnen begegnen. Auf Basis christlicher Grundwerte leisten wir unseren Beitrag zur Lösung der gesellschaftlichen Brennpunkte unserer Stadt", so Martin Bühlmann, Leiter der Vineyard Bern.

Direktion für Finanzen, Personal und Informatik

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TELEHESS
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telehess 23.4.09

Heute Folge 7:
Erich Hess zumThema Sozialhilfemissbrauch
http://telehess.ch/archiv.htm
Aufgezeichnet in Bern, 23. April 2009

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LAKUZ
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Berner Rundschau 25.4.09

Lakuz feiert den achten Geburtstag

An diesem Wochenende feiert das Lakuz - Langenthals autonomes Kulturzentrum - sein achtjähriges Bestehen. Heute treten deshalb die Bands "Wazomba", "Normalos", "The Jackets" und "The Irma & Louise" auf. Morgen um 12 Uhr wird ein Katerbrunch serviert. (tg)

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KOFMEHL
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Solothurner Tagblatt 25.4.09

Serie Kulturnacht: KULTURFABRIK KOFMEHL

Ein Biotop für Engagierte

Totgesagte leben länger: Bald kann die Kulturfabrik Kofmehl den 20. Geburtstag feiern. Hunderte von Leuten halten den Betrieb in Schwung. An der ersten Solothurner Kulturnacht spielt das Kofmehl eine tragende Rolle.

Die Kulturfabrik Kofmehl polarisiert. Sie gilt als Quell von Lärm, Schmutz und Radau. Kulturschaffende schätzen sie als Forum - und die Besucher freut es, dass etwas läuft. Ein Heer Freiwilliger hält mit ihrem Engagement den Betrieb im Gang. Pipo Kofmehl, Leiter des Kofmehls: "Das A und O ist das freiwillige Engagement. Ohne dieses geht nichts - oder wir wären nicht mehr zu bezahlen." 200 Leute, vom Anwalt bis zum Zimmermann, sind regelmässig am Werk, um das Kofmehl auf Kurs zu halten.

15000 Stunden arbeiten diese im Jahr in der rostigen Kulturkiste an der Hans Huber-Strasse. Wenn jeder nur ein Zwanzigernötli pro Stunde zu Gute hätte, käme das 1.5 Millionen-Budget arg in Schieflage. Man müsste mit den Preisen rauf, Sponsoren finden oder die öffentliche Hand vermehrt zur Kasse bitten. Da kommt Pipo Kofmehl in den Sinn: "Der Kanton trug vor 20 Jahren wesentlich dazu bei, dass es heute das Kofmehl gibt."

Anfangs ein Zwischenraum

Ein kurzer Blick zurück mit Kurt Rufer, der heute im Amt für Volksschule und Kindergarten tätig ist: Um 1990 lag der erste Jugendbericht des Kantons Solothurn auf dem Tisch. In diesem wurde bemängelt, dass es an Frei-, Kreativ- und Spielräumen für die Jugend fehlt. Da reifte in der damaligen Koordinationsstelle für Jugendfragen im Departement des Innern die Idee des Projekts "Zwischenraum". Leer stehende Gebäude sollten den Jugendlichen in einer Zwischennutzung zur Verfügung gestellt werden.

Ein Verein Zwischenraum wurde gegründet. Dieser wurde an der Gibelinstrasse 15 in der alten Fabrikhalle der Otto Kofmehl Metallwaren AG fündig. Eröffnung war im August 1992. Der temporäre Aufenthalt entwickelte sich bis 1999 zum Profidurium. Jeweils um ein Jahr wurde der Mietvertrag immer wieder erneuert. Dann tat man sich mit dem Creep-Club zusammen, in dem auch Pipo Kofmehl mitmachte und der an der Dammstrasse ein Konzertlokal mitbetrieb. Seither ist der Verein Creep Träger der Kulturfabrik Kofmehl.

Basis: Freiwillige

Trotz vielen Änderungen konnte das Kofmehl seine Identität bewahren. Dazu gehört das Engagement der Freiwilligen. Ein Teil von ihnen steht auf Abruf bereit. Wenn etwas repariert werden muss, wird nicht ein Servicemonteur bestellt. Bald trabt ein qualifizierter Freiwilliger an, dem nötigenfalls ein paar Helfer zur Hand gehen. Andere helfen in den unterschiedlichsten Funktionen bei der Organisation von Anlässen mit. Diese Mitarbeit schafft eine Verbindung zum Betrieb, ermöglicht soziale Kontakte und ist ein Lernfeld um Verantwortung zu tragen. Pipo Kofmehl: "Wenn ein 18-jähriger einen Besucher zurechtweist, der an ‹seinem› Kofmehl rummurkst, schafft das Respekt."

Hanspeter Flückiger

In einer losen Serie stellen wir hier kulturelle Einrichtungen vor, die sich an der Kulturnacht Solothurn vom 2. Mai beteiligen.

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Viel Hip-Hop

kulturnacht

Neben dem Alten Spital hat auch das Kofmehl an der Kulturnachtparty Freinacht. DJ Cut Norris & DJ Jools & Tigr Tigr Tigr werden hier auflegen. Die Kulturnacht von 20.45 bis 00.30 Uhr steht mit Chocolococolo von den Langenthaler Mundartisten, mit WAB als Vertreter der lokalen Hip-Hop-Szene und mit den Berner Churchill im Zeichen des Rap. Zwischen den Konzerten zelebrieren Zede Beat-boxing und DJ Redrum Turntablism.
flü

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RABE-INFO 23.+24.4.09
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RaBe-Info 24.April 2009
http://www.rabe.ch/pod/get.php?web=RaBe-Info-2009-04-24-53200.mp3

- Greenpeace Schweiz fürchtet Spionage
- Mit der Metro in 12 Minuten von Bern nach Zürich
- Bern - Amerika einfach, eine Ausstellung über Geschichten von Auswanderern

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RaBe-Info 23.April 2009
http://www.rabe.ch/pod/get.php?web=RaBe-Info-2009-04-23-53738.mp3

- Wasserstrategie für den Kanton Bern
- Kleinaktionäre kritisieren Nestlé
- Velokarawane gegen Gentechnologie http://www.karawane09.tk/

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PRIVAT-PATROUILLEN
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Basler Zeitung 25.4.09

SVPler gehen auf Patrouille

 Birsfelden. Gemeindepräsident warnt vor möglicher Eskalation

Georg Schmidt, Michael Rockenbach

Nur schon die Präsenz wachsamer Bürger wirke abschreckend, glauben Birsfelder SVP-Vertreter. Der Präsident der Kantonalpartei unterstützt die "Selbsthilfe-Aktion" der Bürger. Die Polizei reagiert zurückhaltend, der Gemeindepräsident macht sich Sorgen.

Der Birsfelder SVP-Mann Christian Brechbühl hat genug. Seiner Ansicht nach sind die langen Abende in seiner Gemeinde viel zu laut und - vor allem - zu gewalttätig. "Es werden Frauen angepöbelt, Zäune umgerissen und Abfall verstreut", sagt er. Und im vergangenen Jahr seien mehrfach Töffli in Flammen aufgegangen. Soweit will es die Birsfelder SVP nicht mehr kommen lassen. Seit wenigen Tagen schieben nun einige Mitglieder der Partei nachts Patrouille.

Noch haben sie keine Missetäter auf frischer Tat ertappen können. Brechbühl ist aber überzeugt, dass nur schon die Präsenz der SVP-Männer abschreckend wirkt. Darum wurde an der Parteiversammlung vom Donnerstagabend beschlossen, die Kontrollgänge zu intensivieren. Gestern Abend wandte sich die Partei mit einem Communiqué auch an die Öffentlichkeit.

 Die Polizei, die eigentlich für Ruhe und Ordnung zuständig ist, beurteilt private Patrouillen für gewöhnlich skeptisch. Zu den Kontrollen in Birsfelden wollte sich der Baselbieter Polizeisprecher Meinrad Stöcklin gestern auf Anfrage der BaZ aber nicht äussern. Brechbühl will erst gar keine Bedenken aufkommen lassen: "Wir markieren nur Präsenz, sind unbewaffnet und alarmieren die Polizei, sobald es brenzlig wird." Bis jetzt sei die Polizei in Birsfelden einfach zu wenig präsent gewesen, bemängelt Brechbühl.

Pegoraro kommt. Verbieten könne man solche Patrouillen nicht, sagt Gemeindepräsident Claudio Botti. Er warnt vor einer möglichen Eskalation, wenn sich die Patrouilleure "als Polizisten aufspielen". Die Probleme sieht aber auch er. Darum seien die Behörden aktiv geworden: "Ende Monat gibt es bei uns einen runden Tisch mit der zuständigen Regierungsrätin Sabine Pegoraro, dem Polizeikommandanten und dem Jugendanwalt - dort sind auch betroffene Birsfelder Einwohner eingeladen, um ihre Anliegen zu deponieren."

Es sei schade, dass solche Patrouillen nötig seien, sagt SVP-Kantonalpräsident Dieter Spiess, der am Donnerstag in Birsfelden bei seinen Parteigenossen war. Die Patrouillen seien zwar von seiner Partei initiiert, aber "keine Partei-Aktion". Es gehe um "Selbsthilfe" der Anwohner. Das Wort Bürgerwehr sei fehl am Platz.

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BZ 25.4.09

Mit Hunde-Patrouillen und Infos gegen den Nachtlärm

Stadt und Kanton reagieren auf Klagen wegen Nachtlärm: Nächste Woche gibt es einen Aktionstag. Und ab nächsten Donnerstag patrouillieren wieder private Sicherheitsleute mit Hunden durch die Thuner Innenstadt.

Je wärmer die Nächte werden, desto mehr Nachtschwärmer ziehen durch die Thuner Innenstadt. Bei der Kantonspolizei gingen in letzter Zeit wieder vermehrte Klagen wegen Nachtlärm ein. Stadt und Kanton nehmen den Internationalen Tag gegen Lärm vom nächsten Mittwoch zum Anlass, um auf dem Mühleplatz einen Informationsstand zu betreiben.

Zusammen mit dem Gewerbeinspektorat der Stadt Thun macht die Kantonspolizei auf die verschiedenen Lärmstörungen aufmerksam. Die Besucher erfahren "mit eigenen Ohren", wie laut Gespräche sein können, und mittels Messgerät und Projektion werden die Schallpegel der Umgebungsgeräusche und Gespräche visualisiert. "Ziel ist es, die Leute auf die zunehmenden Lärmstörungen in der Nacht zu sensibilisieren", heisst es in einer Pressemitteilung. Deshalb werde der Stand auch zur Nachtzeit zwischen 20 und 24 Uhr betrieben. Nachtschwärmer werden auf ihr Verhalten angesprochen, um unnötigen Lärm vermeiden zu können. Dies sei ein sehr wichtiger Präventionsauftrag, wenn man bedenke, dass heute immer mehr Polizeieinsätze wegen Ruhestörungen erfolgen, hält die Polizei fest.

Kontrollen durch Fachstelle

Die Kantonspolizei verfügt bereits seit 1967 über die Fachstelle Lärmbekämpfung, in welcher heute drei auf Akustik und Lasertechnik spezialisierte Polizisten tätig sind. Sie setzen sich dafür ein, dass im Bereich Musiklärm die Vorschriften gemäss der eidgenössischen Schall- und Laserverordnung eingehalten werden. Dazu führen sie regelmässig Kontrollen in verschiedenen Lokalen, wie Discos, Bars oder auch anlässlich von Veranstaltungen im Freien durch. Überschreitungen des Innenschallpegels werden zur Anzeige gebracht. Diese Kontrollen werden vor allem unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes durchgeführt. "Denn es ist bekannt, dass insbesondere Jugendliche bei längeren Aufenthalten in zu lauten Musikbetrieben gefährdet sind", heisst es weiter.

Bei Besucher- und Musiklärm von Gastgewerbebetrieben und im Bereich Alltagslärm berät die Fachstelle Gemeinden und Regierungsstatthalter und erstellt Gutachten bei Klagen, in Bewilligungsverfahren und bei öffentlichrechtlichen Gerichtsverfahren. Auch die Prävention gehört zu den Aufgaben der Fachstelle.

Wieder ein Ordnungsdienst

Nächsten Donnerstag nehmen die Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen Berner Hunde Security und GSD Gayret Security ihren Patrouillendienst in der Thuner Innenstadt wieder auf. Vom 30. April bis und mit 1. November patrouillieren jeweils in den Nächten von Donnerstag auf Freitag, Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag in der Zeit zwischen 0.30 und 4.30 Uhr vier Sicherheitsleute durch die Thuner Innenstadt. Die Mitarbeiter der Berner Hunde Security werden von einem Hund begleitet. "Ziel ist es, Nachtschwärmer auf die Nachtruhe aufmerksam zu machen und Verunreinigungen und Vandalenakte zu verhindern", teilen Stadt und Kanton mit. Die Kosten belaufen sich auf rund 76000 Franken. Sie werden zu zwei Dritteln von der Stadt Thun und zu einem Drittel von den Wirten der Lokale mit verlängerten Öffnungszeiten getragen. Diese 2006 eingeführte Aktion wird nun bereits das vierte Jahr durchgeführt.
rdh

http://www.laerm.ch

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bernerzeitung.ch 24.4.09

Private Sicherheitsleute patrouillieren in der Innenstadt

Ab dem 30. April patrouillieren Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma während sechs Monaten an den Wochenenden in der Thuner Innenstadt.

Verhindern von Vandalenakten und Verunreinigungen und Durchsetzung der Nachtruhe ist die Aufgabe der Sicherheitsfirmen "Berner Hunde Security" und "GSD Gayret Security", wie die Polizei informiert. Sie patrouillieren jeweils in den Nächten auf Freitag und Samstag von 0.30 bis 4.30 Uhr in der Thuner Innenstadt.

Die Kosten belaufen sich auf 76'000 Franken und werden zu zwei Dritteln von der Stadt Thun und zu einem Drittel von den Lokalen mit verlängerten Öffnungszeiten getragen.

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NLZ 24.4.09

Kanton Schwyz

Aus rechtlichen Gründen unmöglich

Private Sicherheitsleute sorgen für Ruhe und Ordnung. Ihre Aufgaben sind aber beschränkt. Die Regierung will daran nichts ändern.

inf. SVP-Kantonsrat Urs Birchler (Einsiedeln) und Mitunterzeichnende ersuchten den Regierungsrat, die Polizeiverordnung so zu ändern, dass private Sicherheitsleute bevollmächtigt werden, randalierende Personen anzuhalten und die Identitätsfeststellung vorzunehmen. Der Regierungsrat beantragt, die Motion als nicht erheblich zu erklären. "Den privaten Sicherheitsdiensten mehr Handlungsspielraum zu geben würde bedeuten, das staatliche Gewaltmonopol teilweise auf Private zu übertragen. Dies ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich."

Polizei überfordert

Die Kantonsräte sehen es als erwiesen an, dass die Kantonspolizei unterdotiert ist und deshalb die zunehmende Nachtruhestörungen nicht bekämpfen kann. Private Sicherheitsleute könnten zwar auffallende Nachtruhestörer ermahnen, nicht aber büssen und deren Identität feststellen. So würden Randalierer nicht von ihrem Tun ablassen.

Der Regierungsrat bestätigt, dass die Frage nach privaten Sicherheitsleuten in der ganzen Schweiz steigt. "Damit polizeiliche Aufgaben an private Sicherheitsunternehmen ausgelagert werden können, sind drei allgemeine Voraussetzungen zu erfüllen: eine gesetzliche Grundlage, das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit. Dazu müsste aber nicht einfach die Polizeiverordnung geändert werden, sondern ein Gesetz über private Sicherheitsdienste geschaffen werden. Darin müssten nicht nur die Kompetenzen verteilt werden, es müssten auch Fragen der Qualifikation, der Fachaufsicht, der Verantwortlichkeiten und des Rechtschutzes geregelt sein. Weiter müsse abgeklärt werden, ob die Akzeptanz in der Gesellschaft gegeben sei und ob polizeiliche Aufgaben durch Private tatsächlich günstiger seien. Diese Arbeit könne sonst auch von Hilfspolizisten übernommen werden.

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KNAST
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Bund 25.4.09

Haftbedingungen werden kritisiert

Biel Die Insassen des Regionalgefängnisses Biel können an Wochenenden nicht ins Freie, obwohl die Empfehlungen des Europarates dies verlangen. Grund ist Personalmangel. Bekannt machte dies die Organisation Reform 91, eine Selbsthilfeorganisation von Strafgefangenen. Sie hat beim Kanton Bern eine Beschwerde eingereicht. Darin schreibt sie, kantonale Vorschriften, das Bundesgericht und auch europäisches Recht verlangten täglich eine Stunde Aufenthalt im Freien.

 Beat Jost, stellvertretender Vorsteher des kantonalen Amts für Freiheitsentzug und Betreuung, anerkannte gestern auf Anfrage, dass in Biel die Empfehlungen des Europarats nicht vollständig eingehalten werden. In Biel habe sich das Problem gestellt, dass nach einem Ausbruch eines Häftlings im Jahr 2006 bauliche und betriebliche Massnahmen hätten ergriffen werden müssen. Der Kanton sei derzeit daran, zusätzliches Personal zu rekrutieren. Ab 1. Juli werde den Häftlingen der Spaziergang im Freien auch an Wochenenden ermöglicht.

 Dasselbe Problem besteht laut Jost auch im Regionalgefängnis Burgdorf. Dort sei der Kanton Bern ebenfalls daran, Abhilfe zu schaffen: Er plant ein neues Gefängnis. (sda)

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BZ 25.4.09

Strenge Praxis hat Gründe

Müssen Strafgefangene in der Bewachungsstation der Insel durch eine Scheibe von Besuchern getrennt werden? Ja, sagt die Polizei.

Reform 91, eine Selbsthilfeorganisation von Strafgefangenen und Entlassenen, kritisiert die Hausordnung der Bewachungsstation im Inselspital. Am 2.April 2009 wurde ein Strafgefangener im Inselspital an der Hüfte operiert. Als die Mutter des Patienten sich auf der Bewachungsstation nach dem Verlauf der Operation erkundigte, erhielt sie keine Auskunft. Dazu sagt Beat Jost von der bernischen Polizeidirektion: "Über den Gesundheitszustand einer eingewiesenen Person dürfen Mitarbeitende der Bewachungsstation keine Auskünfte erteilen. Informationen zum Gesundheitszustand eines Patienten an Angehörige erteilt ausschliesslich die Ärzteschaft und das Pflegepersonal des Inselspitals."

Zwar konnte die Mutter ihren Sohn am 14.April besuchen, doch waren die beiden durch eine Scheibe getrennt. Diese Praxis hat für den stellvertretenden Chef des Amtes für Freiheitsentzug und Betreuung, Beat Jost, Gründe: "In der Bewachungsstation finden Besuche aus Sicherheitsgründen grundsätzlich mit Trennscheibe statt. Zudem ist die Infrastruktur nicht auf Besuche ohne Trennscheibe ausgelegt." In Ausnahmefällen und wenn medizinisch indiziert wie auch auf Antrag der inhaftierten Person oder der Besucher könne die Leitung der Bewachungsstation aber Ausnahmen bewilligen, ergänzt Jost. Er macht jedoch auf das Gefahrenpotenzial dieser Patienten aufmerksam. Diese befänden sich nämlich in Untersuchungshaft, Ausschaffungshaft oder auch im Straf- und Massnahmenvollzug.
ue

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BZ 24.4.09

Biel

Häftlinge dürfen nicht spazieren

Die Selbsthilfegruppe Reform 91 hat eine Beschwerde gegen das Regionalgefängnis Biel erhoben. Die Gruppe hat gemäss Canal 3 erfahren, dass den Häftlingen im Bieler Gefängnis zum Teil der tägliche Spaziergang verwehrt wird. Peter Zimmermann, Präsident von Reform 91, forderte gestern im Interview mit Canal 3, dass ab sofort das geltende Gesetz eingehalten wird, wonach Strafgefangene eine Stunde pro Tag ins Freie können.

Seit Monaten könnten die Gefangenen an Samstagen und Sonntagen sowie an allgemeinen Festtagen (wie Weihnachten 2008 und Ostern 2009) keine Spaziergänge mehr machen. Die Leitung habe erklärt, diese Massnahme habe ergriffen werden müssen, weil zu wenig Personal zur Verfügung stehe. Sollte dies der Fall sein, müsste die Gefängnisleitung die Polizei oder eine Überwachungsfirma aufbieten, so der Vorwurf von Reform 91.

Canal 3 wollte die Gefängnisleitung mit den Vorwürfen konfrontieren, der Leiter war jedoch nicht zu erreichen.
mt

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SEXWORK
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20min.ch 24.4.09

Männerprostitution

"Die Mehrheit der Freier lebt heterosexuell"

von Katharina Bracher

Sie arbeiten im Versteckten und fallen weder der Polizei noch einer breiten Öffentlichkeit auf: Bis zu 700 Männer bieten alleine in Zürich sexuelle Dienstleistungen an.

In jeder europäischen Grosstadt gibt es sie. Junge Männer, die ihre Dienste in Bars oder Sexkinos anbieten. Von den männlichen Prostitutierten nimmt die breite Öffentlichkeit kaum Notiz. Laut Schätzungen der Schweizer AIDS-Hilfe dürfte Zürich über die grösste Szene der Schweiz verfügen: Zwischen fünf- und siebenhundert Männnern bieten hier ihre Dienste an. Im Vergleich dazu ist die Zahl der Frauen, die sich in der Limmatstadt prostituieren etwa sechsmal so gross.

Der Markt verlangt ständig nach neuen Männern

Wer sind die jungen Männer, die ihre sexuellen Dienstleistungen im Internet, in Bars und Sexkinos zur Verfügung stellen? Einer der wenigen, der dieser fast unsichtbaren Szene ein Gesicht geben kann, ist Christian C. von der Beratungsstelle "Herrmann". Die Anlaufstelle für männliche Sexarbeiter befindet sich im Niederdorf und wird von der Zürcher Aids-Hilfe finanziert. Christian C., der die Beratungsstelle leitet, kennt Schicksale und Nöte der jungen Männer wie kaum ein anderer. "Zu uns kommen vor allem junge Sexarbeiter, die aus Osteuropa stammen", sagt Christian C. "Doch es arbeiten genausoviel männliche Prostituierte aus Brasilien und Thailand hier." Eines haben jedoch alle gemeinsam: Sie sind lediglich auf Durchreise in der Schweiz. Der Grund: Nach maximal drei Monaten finden Sexarbeiter bereits weniger Kunden. Der Markt der Männerprostitution verlangt stets nach Frischfleisch. "Wer neu auf dem Markt ist, hat einen Vorteil", so Christian C. Und deswegen ziehen die Sexarbeiter nach einer gewissen Zeit weiter, um ihre Kundschaft in anderen Städten Europas zu suchen.

Die Freier: "Das reinste Altersheim"

Das Alter spielt eine wichtige Rolle für den kommerziellen Erfolg der Prostituierten. "Je jünger, desto besser", sagt Christian C. Doch minderjährige Prostituierte findet man auf dem Männerstrich keine. Wenn Christian C. als Streetworker in Bars und Sexkinos die Sexarbeiter und ihre Freier direkt anspricht, trifft er meist Prostituierte, die zwischen 18 und 26 Jahren alt sind. Anders bei den Freiern: "Das reinste Altersheim", charakterisiert Christian C. die Kundschaft, die er auf seinen "Touren" durch die Szene antrifft. Viele Freier seien im Pensionsalter. Und genau diese versucht der Streetworker anzusprechen, denn über die gesundheitlichen Risiken, die der homosexuelle Geschlechtsverkehr mit sich bringe, wisse gerade diese Altersgruppe wenig. Laut Schweizer Aids-Hilfe ist einer von sechs Schwulen in der Szene HIV-positiv. Umso wichtiger ist die Prävention.

Schwierig: "Etwa 60 Prozent der Freier sind heterosexuell"

Schwierig sei dabei, so Christian C., den Sexarbeiter und seinen Kunden im richtigen Moment anzusprechen. Besonders sensibel sei dabei der Umgang mit dem Freier. Denn der Szenekenner ist sich bewusst: "Viele Kunden sind Männer mit heterosexuellen Lebensläufen." Sie kommen aus allen Schichten: Familienväter, Ehemänner, Studenten, Rentner. Auf gut 60 Prozent schätzt Christian C. den Anteil von Freiern aus dem heterosexuellen Umfeld. Die einzige Konstante dabei: Männer haben Sex mit Männern. Dabei ist, wie der Streetworker sagt, jede Konstellation denkbar. "Auch wenn nicht jeder, der zu einem männlichen Prostituierten geht, schwul ist. Manche reizt einfach das Abenteuer".

Die Freier tun viel, um ja nicht aufzufallen. Das männliche Sexgewerbe zeichnet sich dadurch aus, dass es der Polizei in der Regel weniger Sorgen macht. Gewalt- und Drogendelikte kommen aus Sicht der Stadtpolizei Zürich höchst selten vor. Auch sonst hat die Polizei wenig zu tun mit dem Mileu. "Die Szene der männlichen Sexarbeiter ist in Zürich zurzeit unauffällig", brachte es Chefermittler Peter Rüegger kürzlich gegenüber der NZZ auf den Punkt. Offizielle Zahlen über die Struktur der Szene gibt es nicht.

Vorstufe zum Coming-Out

Einige nutzten die männliche Prostitution auch als Coming-Out Instanz. "Dies erlaubt, sexuelle Erfahrungen mit Männern zu machen, ohne sich gleich als "Schwuler" outen zu müssen." erklärt Christian C. Der überwiegende Anteil gehöre jedoch zur Sorte, die in der Partnerschaft, egal ob mit einer Frau oder einem Mann, ihre sexuellen Fantasien nicht auszusprechen getrauen. Doch nicht nur die Freier haben Probleme mit ihrer Sexualität, auch die Prostitutierten selbst tun sich oft schwer mit ihrer Neigung.

Stricher aus Osteuropa: Verklemmt und stockkonservativ

Gerade die ungarischen, polnischen und tschechischen "Sorgenkinder" der Beratungsstelle "Herrmann" fallen diesbezüglich auf. Sie verachten sich in der Regel für das, womit sie hier in der Schweiz oder anderswo in Europa ihr Geld verdienen. "Sexarbeiter aus Osteuropa haben auffallend häufig eine prüde Einstellung zur Sexualität", sagt Christian C. Und sie haben geradezu panische Angst vor Aids. "Bei den Jungs aus Osteuropa sind Märchen über HIV-Infektionswege weit verbreitet", sagt Christian C. So denken einige der jungen Männer, dass sie sich bereits beim Kontakt von Sperma mit der Haut mit dem HIV-Virus anstecken können. "Das ist natürlich Unsinn! Am häufigsten passiert die Ansteckung bei der analen Penetration", stellt der Streetworker klar. Doch anale Praktiken bieten die Prostituierten aus dem osteuropäischen Raum eher selten an, dafür gebe es zu viele Tabus in den Köpfen der jungen Männer, die meistens aus stockkonservativen Verhältnissen stammen und ein tiefes Schamgefühl für ihre Veranlagung in sich trügen.

In der Krise: Steigender Konkurrenzdruck

Eine homosexuelle Neigung sei bei männlichen Sexarbeitern aber immer irgendwie vorhanden. "Standfeste Heteros unter den männlichen Sexarbeitern gibt es meiner Meinung nach aber keine." Ebenso seien kaum männliche Sexarbeiter mit Schweizer Pass anzutreffen. In den 1980er Jahren, als zahlreiche Heroinsüchtige das Stadtbild Zürich mitprägten, fanden sich mehr Schweizer Männer, die zur Finanzierung ihrer Drogensucht zur Prostitution bereit waren.

Auch wenn die Drogenbeschaffung heute laut Streetworker Christian C. kaum mehr eine Rolle spielt: "Der Konkurrenzdruck unter den männlichen Sexarbeitern ist riesig." Dies führe auch dazu, dass viele Freier ungeniert ungeschützten Geschlechtverkehr verlangen und dieser Wunsch auch erfüllt werde. Dieser Druck könnte sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich verstärken, vorallem da immer mehr ausländische Prostituierte ohne Zukunftsperspektiven im eigenen Land in den Markt drängen.

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Info-Box

Furcht der Bürgerlichen: "Abartige sexuelle Praktiken"

Der Anstoss zum Projekt "Herrmann" kam in den 90er Jahren von Seiten einer Frau. Emilie Lieberherr setzte sich als populäre Stadträtin vor allem für die sozial Schwachen ein. Sie war die erste Präsidentin des Vereins Zürcher Sozialprojekte (VZSP), der die Schaffung der Beratungsstelle Herrmann erst möglich machte. Heute wird die Beratungsstelle von der Zürcher Aids-Hilfe getragen. Die Beratungsstelle für männliche Sexarbeiter stiess im Vorfeld ihrer Eröffnung im Jahr 1997 auf einige Widerstände aus den Reihen der bürgerlichen Politiker. Man wolle "abartige sexuelle Praktiken zwischen Männern" nicht auch noch unterstützen, hiess es dort. Doch was die Existenz der Beratungsstelle damals wie heute rechtfertigt, ist mit den Worten von Christian C. schnell gesagt: "Diese Jungs werden von Schweizer Männern konsumiert. Sie haben es verdient, dass man sich um sie kümmert."


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RAZZIA
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Bund 25.4.09

Erneut Razzien bei Autonomen

Bei Hausdurchsuchungen in der Stadt Bern hat die Kantonspolizei diese Woche vier Jugendliche verhaftet

Die Razzien erfolgten auf Anweisung der Freiburger Kantonspolizei. Sie ermittelt gegen Personen aus der Autonomen-Szene. Diese werden verdächtigt, an einem Überfall auf eine Freiburger Bar im letzten Oktober beteiligt gewesen zu sein.

Dinu Gauthier

Die Freiburger Kantonspolizei hat diese Woche in der Stadt Bern vier Hausdurchsuchungen durchführen lassen und vier Jugendliche aus der autonomen Szene verhaftet. Zwei weitere Razzien und Festnahmen fanden zudem in Solothurn statt.

Gewalt, um Konzert zu verhindern

Die Polizeiaktion steht im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Freiburger Bar Elvis et moi vom Oktober letzten Jahres. Etwa dreissig vermummte Personen hatten damals am Interieur einen Sachschaden von rund 30000 Franken angerichtet und einen Polizisten leicht verletzt, als dieser eine Person festzunehmen versuchte. Mit dem Angriff sollte ein Auftritt der italienischen Gothikband Camerata Mediolanense verhindert werden, so die Begründung in einem mit "Antifaschistische Aktion, Kommando nazifreie Subkultur" unterschriebenen Communiqué. Die Band war in der Vergangenheit an rechtsextremen Veranstaltungen aufgetreten und hatte Neonaziblättern sympathisierende Interviews gegeben, so Rechtsextremismusexperte Hans Stutz in der "Wochenzeitung" (WOZ).

Erste Verhaftungen im Februar

Die Freiburger Polizei führt seit Oktober sehr aufwendige Ermittlungen durch. Aufgrund von DNA-Spuren an Vermummungsmaterialien, die in der Nähe der Bar gefunden wurden, konnte sie einen Angreifer identifizieren, worauf sie im Februar "neun bis zehn Hausdurchsuchungen" in Bern durchgeführt hat, wie der Freiburger Untersuchungsrichter Marc Bugnon sagt. Einen jungen Mann nahm sie damals für eine Woche in Untersuchungshaft, die restlichen Verhafteten wurden als "Auskunftspersonen" im Schnitt etwa zehn Stunden festgehalten.

Die Erkenntnisse, die durch die Massnahmen vom Februar gewonnen worden seien, hätten nun zu erneuten Einsätzen geführt, sagt Bugnon. Im Gegensatz zum Februar habe man diese Woche aber nur Leute verhaftet, gegen die "starker Verdacht" bestehe, die also als Beschuldigte und nicht als Auskunftspersonen gelten. Alle Festgenommen seien bis Freitagabend wieder freigelassen worden. "Ob es Geständnisse gegeben hat, kann ich auch aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen", so der Untersuchungsrichter, der damit rechnet, dass noch weitere zehn bis zwanzig Personen befragt werden müssen.

Unverhältnismässiges Vorgehen?

Gegenüber dem "Bund" äussert sich ein Mann aus der Berner Antifaszene zu den polizeilichen Ermittlungen der letzten Monate. Er will anonym bleiben. "Die Freiburger Polizei praktiziert Beugehaft." Mehreren Festgenommenen sei gesagt worden, sie würden erst wieder freigelassen, wenn sie ihre Beteiligung am Überfall gestehen, so der Aktivist. Überhaupt würden die Freiburger Behörden mit "Sheriff-Methoden" und "auf gut Glück" ermitteln. "Bei der Anzahl und der Art und Weise der Verhaftungen und Razzien könnte man meinen, es gehe um einen Mordfall. Bei der Aktion in Freiburg haben die Beteiligten aber bewusst keine Personen verletzen wollen." Zahlreiche beschlagnahmte Gegenstände wie etwa Computer hätten die im Februar Verhafteten bis heute nicht zurückerhalten, sagt der Antifaschist. Dies obwohl die Betroffenen mit einer Ausnahme formell gar nicht als Beschuldigte gelten.

Frage an Untersuchungsrichter Bugnon: Betreibt die Polizei unverhältnismässige Ermittlungen? "Ganz und gar nicht. Der Überfall hat hier in Freiburg viele Leute geschockt. Zudem gilt es, eine grosse Anzahl von Tätern zu ermitteln." Die Ermittlungen würden aber auch nicht mehrere Jahre dauern.

Franz Riklin, Strafrechtsprofessor an der Universität Freiburg, kann die Frage der Verhältnismässigkeit als Aussenstehender nicht genau beurteilen. "Dass man einen solchen Überfall in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren kann, verstehe ich. Der Ermittlungsaufwand hängt wohl auch damit zusammen, dass die Wahrheitsfindung schwierig ist, weil die Befragten kaum sehr kooperativ sein dürften", so Riklin. Hingegen sei eine Haftdauer von zehn Stunden für Auskunftspersonen wohl unverhältnismässig, sagt der Strafrechtler.

Ähnliches Konzert in Zug

Heute Samstagabend findet in einem Jugendtreff in der Stadt Zug ein Konzert statt, das einige Parallelen mit dem verhinderten Konzert vom Oktober in Freiburg aufweist: Im Internet sind heftige Debatten zwischen Antifas und Black-Metal-Fans zur Frage im Gange, ob die auftretenden Bands lediglich "patriotisch" oder "rechtsextremistisch" seien. Die Polizei hat vorsichtshalber zusätzliches Personal in Bereitschaft versetzt, wie die "Neue Luzerner Zeitung" diese Woche berichtete.

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SCHNELLGERICHTE
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Zürichsee-Zeitung 25.4.09

Strafrecht

Schnellgerichte für Geständige

Der Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm verlangt die Schaffung von Schnellgerichten. Damit soll geständigen Drogenhändlern, Ladendieben und Hooligans innert 24 Stunden der Prozess gemacht werden. Beschleunigte Verfahren hätten den Vorteil, dass ein Täter bis zum Vollzug der Freiheitsstrafe nicht mehr auf freien Fuss gesetzt werden müsse, erklärt Luzi Stamm. Schützenhilfe erhält er vom Zürcher SP-Nationalrat Daniel Jositsch: "Ich unter-stütze Stamms Forderung 100-prozentig." (zl) Seite 12

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Strafrecht SVP-Nationalrat Luzi Stamm will Schnellgerichte für geständige Dealer und Diebe

SVP will kurzen Prozess machen

Geständige Täter sollen von einem Schnellgericht abgeurteilt werden, fordert SVP-Nationalrat Luzi Stamm. Er erhält Schützenhilfe von links.

Isabel Drews, Bern

"Wenn die Polizei einen Drogendealer mit ein paar Gramm Heroin auf frischer Tat erwischt, muss sie ihn nach einigen Stunden wieder laufen lassen", wettert Luzi Stamm. Bis es nach Monaten endlich zur Verhandlung komme, wiederhole sich dieses Geschehen in manchen Fällen noch einige Male. "Dies empfinden die Polizisten an der Front als frustrierend", gibt der SVP-Nationalrat zu bedenken, der auf eine zehnjährige Erfahrung als Gerichtspräsident von Baden zurückblicken kann.

Um diesen "ärgerlichen Missstand" zu beheben, fordert Stamm in einem parlamentarischen Vorstoss Schnellgerichte. Ginge es nach ihm, so würde einem Drogendealer, Ladendieb oder Hooligan innert 24 Stunden der Prozess gemacht "wie in New York oder Paris". Für ein solches Eilverfahren in Frage kämen ausschliesslich geständige Beschuldigte, bei denen der Tatbestand ohne Zweifel feststehe, weil sie von der Polizei in flagranti erwischt worden seien. Beschleunigte Verfahren hätten, so der Aargauer weiter, den Vorteil, dass ein Täter bis zum Vollzug der Freiheitsstrafe nicht mehr auf freien Fuss gesetzt werden müsse. "Dies wird von der Bevölkerung oft als störend empfunden", sagt der Politiker, der sich zurzeit auch als Scheidungsanwalt betätigt.

Stamms Forderung nach Schnellgerichten ist eine von vielen, mit denen seine Partei Druck aufs neue Strafrecht macht. Die SVP will erreichen, dass die gegen ihren Widerstand abgeschafften Freiheitsstrafen unter sechs Monaten wieder eingeführt werden. Als Mitglied der nationalrätlichen Rechtskommission gibt sich Stamm siegesgewiss, dass es ihm gelingen wird, im Parlament eine Mehrheit hinter seinen Vorschlag zu bringen. Schützenhilfe erhofft sich der SVP-Politiker von all jenen Parlamentariern, die sich für eine härtere Gang-art in Justizfragen einsetzen, und zwar quer über die Parteigrenzen hinweg.

Jositsch leistet Schützenhilfe

"Ich unterstütze Stamms Forderung 100-prozentig", stellt der umtriebige SP-Abweichler Daniel Jositsch in Aussicht. In der Justiz gelte schliesslich der Grundsatz: "Ein schnelles Verfahren ist ein gutes Verfahren." Vorausgesetzt, die Prozessrechte würden nicht eingeschränkt, wie der Strafrechtler umgehend anfügt. Bloss: "Im Grunde ist Stamms Ansinnen gar nichts Neues." Schon heute könne ein Staatsanwalt bei Bagatelldelikten einen Strafbefehl erlassen, worin er sich nur aufs Polizeiprotokoll stütze, erklärt der Zürcher Universitätsprofessor. Dies sei zwar nicht innert Tagesfrist möglich, aber immerhin nur ein oder zwei Monate nach dem Delikt.

Staatsanwälte auf Pikett

Um das Tempo nochmals zu beschleunigen, wäre indes ein ausgebauter Pikettdienst von Staatsanwälten nötig, betont Jositsch. "Dafür müsste der Staat mehr Mittel sprechen." Es sei heuchlerisch, wenn die SVP zwar das Verfahren beschleunigen wolle, sich im Parlament aber dagegen wehre, den Justizapparat auszubauen. In den eigenen Reihen schafft sich der Sozialdemokrat mit seiner Unterstützung für den SVP-Vorstoss nicht nur Freunde. Der grüne Nationalrat Daniel Vischer jedenfalls, der mit Jositsch in der Rechtskommission sitzt, will das Vorhaben mit allen Mitteln bekämpfen: "In der Linken hat der Vorschlag keine Chance, dafür werde ich mich einsetzen", stellt er in Aussicht. "Denn der Ruf nach Schnellgerichten ist bloss eine Schaumschlägerei", kritisiert der Zürcher und verweist auf die gängigen Strafbefehle.

Ähnlich argumentiert FDP-Fraktionschefin Gabi Huber, auch sie von Haus aus Juristin: "Ich wehre mich gegen eine solche Fliessbandjustiz." Ausserdem sei es unsinnig, schon wieder neue Prozessabläufe zu verlangen. Schliesslich habe das Parlament in mühsamer Kleinarbeit Ende 2007 eine neue Strafprozessordnung erlassen, die landesweit Strafbefehle vorsehe. Sie trete 2011 in Kraft und löse die heute geltenden, kantonalen Regelungen ab. "Ich finde es problematisch, Gesetze bereits zu ändern, noch bevor sie in Kraft sind", betont die Urnerin. "Es gilt erst einmal abzuwarten, welche Erfahrungen wir damit machen."

Umsetzung liegt im Dunkeln

Auch Felix Bommer, der an der Universität Luzern Strafrecht lehrt, macht ein Fragezeichen hinter Stamms Forderung: Diese sei schwammig formuliert und lasse bei der konkreten Umsetzung einiges im Dunkeln, kritisiert er.

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SQUAT ZH
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Tagesanzeiger 25.4.09

Sechs Hausbesetzungen innert zwei Wochen

Eine Villa am See, Häuser in der Enge und in den Kreisen 3 und 6 sowie ein Schulpavillon - Zürichs Hausbesetzer sind so aktiv wie selten zuvor. Der Grund: In der Szene herrscht "Wohnungsnot".

Von Georg Gindely

Hausbesetzer haben innert kurzer Zeit sechsmal zugeschlagen. In der Nacht auf Freitag haben mehrere Personen ein Gebäude an der Kappelistrasse 7 in der Enge in Besitz genommen. Ganz in der Nähe, an der Scheideggstrasse 10 neben dem Rieterpark, haben Besetzer am 18. April eine Liegenschaft okkupiert. Einen Tag zuvor traf es gleich zwei Häuser: ein Wohngebäude an der Clausiusstrasse 72 im Kreis 6 sowie den Schulpavillon Allenmoos II (TA vom 18. 4.). Von kurzer Dauer war eine Aktion an der Birmensdorferstrasse 114 im Kreis 3. Da der Eigentümer eine Baubewilligung vorweisen konnte, haben Besetzer das am 13. April in Beschlag genommene Haus gleich wieder geräumt.

Besonders schön wohnen rund 15 Personen seit dem 9. April: Sie haben eine Villa mit Bootshaus an der Seestrasse 426 in Wollishofen besetzt - übrigens genau in der Nacht, als Unbekannte grosse Teile der gleich gegenüberliegenden Roten Fabrik weiss bemalten. Die Besetzer beteuern aber, nichts mit der Aktion zu tun zu haben: "Wir waren in jener Nacht zu beschäftigt, um auch noch malen zu können."

Grund für die Häufung ist die "Wohnungsnot" in der Szene: Gleich zwei grosse Häuser mussten die Besetzer in den letzten Wochen räumen. Das vom Kanton an einen Privaten verkaufte Gebäude an der Moussonstrasse 18 in Fluntern, in dem bis vor kurzem 12 Frauen wohnten (TA vom 25. 3.), ist bereits abgerissen. Ebenfalls verlassen mussten die Besetzer die Manessestrasse 190/ 192 im Kreis 3. Und auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Habsburgstrasse 9 in Wipkingen müssen eine neue Bleibe suchen. Die Eigentümerin dieses Hauses, die Beat Odinga AG, beginnt dort am 25. Mai mit dem Bau von Eigentumswohnungen. Sie hat den Besetzern, mit denen sie einen Vertrag abgeschlossen hatte, fristgerecht gekündigt.

Noch ist unklar, ob die Besetzer in den neu okkupierten Häusern bleiben können. So hat die Eigentümerin der Villa an der Seestrasse die Besetzer aufgefordert, das Haus bis Montag zu verlassen. Diese vermuten, dass die Besitzerin das Haus anschliessend unbewohnbar machen will. Laut Szenekennern kommt es immer häufiger vor, dass leer stehende Häuser abgebrochen oder unbenutzbar gemacht werden, auch wenn keine Baubewilligung vorliegt - wie an der Moussonstrasse.

Die Stadt kann solche "Abbrüche auf Vorrat" nur in der Kernzone verhindern oder bei Gebäuden, die im Inventar der Denkmalpflege aufgeführt sind. Im Rest der Stadt können die Eigentümer machen, was sie wollen. "Lange leer stehende Häuser oder mehrjährige Baulücken sind aber nicht im Sinn der Stadt", sagt Urs Spinner vom Hochbaudepartement.

Die Polizei spricht trotz der vielen Aktivitäten in der Szene nicht von einer ungewöhnlichen Häufung - meist seien kleinere Liegenschaften betroffen. Im Moment sind 18 Gebäude in der Stadt besetzt.

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1. MAI ZÜRICH
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Polit- und Kulturprogramm Revolutionärer 1. Mai Zürich
http://ch.indymedia.org/de/2009/04/68596.shtml

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NESTLÉ
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Indymedia 24.4.09

Menschenrechtsforum: Brabeck in die Wüste schicken ::

AutorIn : Unia Jugend / Unia Jugend Zentralschweiz: http://www.unia.ch/jugend     

Die Unia Jugend ist empört, dass dem Nestlé-Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck am Menschenrechtsforum in Luzern eine Plattform geboten wird. In einem offenen Brief fordern wir die Organisatoren des Menschenrechtsforums auf, ihn wieder auszuladen und stattdessen einen Vertreter einer nestlé-kritischen Bürgerrechtsbewegung oder einer NGO einzuladen. Andernfalls sehen wir uns verpflichtet, zu friedfertigem Widerstand gegen den Image-Auftritt aufzurufen.

Dass ausgerechnet der Nestlé-Chef Brabeck an einem Menschenrechts-Forum als Hauptreferent angekündigt wird, ist blanker Hohn. Wenn er obendrauf zum Thema "Wasser und Menschenrechte" sprechen soll, wird's richtig peinlich. Offenbar ist den Organisatoren entgangen, dass Nestlé seit Monaten nicht nur in der schweizerischen Presse, sondern auch international am Pranger steht: Weil die globalisierungskritische Gruppe attac aus dem Kanton VD ein Buch über Nestlé schrieb, das auch die Wasserprivatisierung durch Nestlé behandelte, beauftragte Nestlé kurzerhand die Securitas die Gruppe zu infiltrieren. Diese hat zwischen 2003 und 2008 mindestens zwei Spioninnen in die Gruppe eingeschleust, und teilweise äusserst heikle Daten über Aktivitäten in der Schweiz, aber auch beispielsweise über kolumbianische oder brasilianische Aktivisten an Nestlé weitergegeben. Derzeit läuft ein Strafverfahren gegen Nestlé.

Es gibt zahlreiche weitere Gründe, warum nicht dem Lebensmittelmulti Nr. 1, der immer wieder Grundrechte verletzt, sondern den Betroffenen dieser Geschäftspraktiken das Wort gegeben werden muss. In Polen wurde etwa ein Gewerkschaftsführer unter gesuchten Vorwänden entlassen, in Indien hat Nestlé ein Dauerverbot von Arbeitnehmerversammlungen gerichtlich beantragt, in Nestlé-Fabriken in Kolumbien kam es in den letzten Monaten wiederholt zu Morddrohungen gegen Gewerkschafter durch paramilitärische Gruppen (mehr zu diesen Fällen: http://www.multiwatch.ch).

Auch die Sekretärin der Unia Jugend Schweiz, Elena Obreschkow, verurteilt, "dass das Menschenrechtsforum Luzern einem Vertreter des ausbeuterischen Wirtschaftsystems, Peter Brabeck, eine Plattform bietet, sich von Kritik reinzuwaschen."

Sollte Brabeck trotz allem doch sprechen können, ruft die Unia Jugend Schweiz die gesamte Bevölkerung zu Aktionen gegen die PR-Rede von Brabeck auf!
Weitere Informationen können dem offenen Brief entnommen werden.

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Offener Brief an das Menschenrechtsforum Luzern
24.04.2009 20:33  
Offener Brief der Unia Jugend
und der Unia Jugend
Zentralschweiz an das
Menschenrechtsforum Luzern

Bern, 21. April 2009

Kein Platz für Nestlé-Chef Peter Brabeck!

Sehr geehrte Herren Kirchschläger
Sehr geehrte Verantwortliche des Menschenrechtsforums Luzern

Anlässlich des Menschenrechtsforums Luzern 2009 haben Sie Peter Brabeck, Nestlé-Verwaltungsratspräsident, eingeladen, am 6. Mai einen Vortrag zu "Menschenrechte und Wasser" zu halten. Damit geben Sie einem umstrittenen multinationalen Konzern die Möglichkeit, sich von der massiven Kritik an seiner eschäftspraxis reinzuwaschen. Damit tragen Sie ausserdem dazu bei, dass Wasser als Menschenrecht in weite Ferne rückt. Ausgerechnet der Firma Nestlé, welche in den letzten Jahren immer wieder durch Skandale und Menschenrechtsverletzungen in der gesamten Welt, wie auch in der Schweiz aufgefallen ist, kommt diese Ehre zu.

So hat Nestlé zum Beispiel:
• die globalisierungskritische Gruppe attac Waadt durch die Securitas bespitzeln lassen, als diese an einem Buch über Nestlé gearbeitet hat. Dadurch hat Nestlé in gravierender Weise
Grundrechte wie der Schutz der Privatsphäre verletzt.

• in verschiedenen Ländern wie Kolumbien, Indien oder Polen gewerkschaftliche Rechte missachtet oder versucht, diese zu unterbinden. Gegen Morddrohungen von paramilitärischen
Gruppen gegen Gewerkschafter in Nestlé-Fabriken, wie sie etwa gegen Mitglieder der Gewerkschaft Sinaltrainal in Kolumbien gemacht werden. Das Recht auf Organisations- und Meinungsfreiheit wird dabei in gravierender Weise verletzt.

• als grösster Flaschenwasserproduzent der Welt die Privatisierung von Wasser an vorderster Front vorangetrieben. Durch den Kauf von Konzessionen für die Nutzung von öffentlichen
Quellen, kann Nestlé mit geringsten Kosten Flaschenwasser - wie etwa die Marke "Pure Life" - herstellen, und es mit hohen Gewinnen an wohlhabende Schichten verkaufen, während
ärmere Bevölkerungsschichten keine Mittel für eine Verbesserung der Trinkwasserversorgung haben. Immer öfter werden Menschenrechte und Ethik als Feigenblatt von multinationalen Unternehmen gebraucht, um ihr angeschlagenes Image zu reparieren. Solange aber Nestlé wachsenden Profitraten verpflichtet ist, werden auch PR-Kampagnen daran nichts ändern, dass der Respekt vor den Menschen erst an zweiter Stelle steht. Wer seinen Aktionären Gewinn nach Hause bringen muss, der wird den Menschen auch nicht mehr Lohn, billiges Wasser oder mehr gewerkschaftliche Rechte.

Mit der Einladung von Peter Brabeck an das Menschenrechtsforum verhindern Sie somit eine wirkliche Diskussion über Wasser und Menschenrechte welche sich mit den lebensbedrohlichen Problemen der Menschen, und nicht mit den Imageproblemen von Firmen auseinandersetzt.

Die Unia Jugend fordert Sie daher als Verantwortliche des Menschenrechtsforums Luzern dazu auf, Peter Brabeck wieder auszuladen und stattdessen einen Vertreter einer nestlé-kritischen Bürgerrechtsbewegung oder einer NGO einzuladen. Andernfalls sehen wir uns verpflichtet, zu friedfertigem Widerstand gegen den Image-Auftritt aufzurufen.

Freundliche Grüsse
Unia Jugend und Unia Jugend Zentralschweiz


AutorIn: Unia Jugend / Unia Jugend Zentralschweiz | Web: http://www.unia.ch/jugend

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Link
24.04.2009 20:48  
Hier noch 2 funktionierende Links:

UNIA
 http://www.unia.ch/news_aktionen.9.0.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=4296&tx_ttnews[backPid]=1&cHash=a001e76e2e

HUMAN RIGHTS
 http://www.humanrights.ch/home/de/idart_6859-content.html?zur=79

AutorIn: Ergänzung

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NO NATO 2009
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linksunten.indymedia.org 24.4.09
http://linksunten.indymedia.org/de/node/5086

Nach Strasbourg: Zum Umgang mit der Gewalt in den eigenen Reihen
Verfasst von: war resisters international.

Je mehr Gewalt, desto weniger Revolution ", schrieb Bart de Ligt bereits 1936 in "The Conquest of Violence”. Folgt man dem, gab es in Strasbourg trotz aller Revolutionsromantik aus bestimmten Kreisen sehr wenig Revolution. Ich stelle dies vorweg um klar zu machen, dass es hier um eine Kritik aus revolutionärer Perspektive geht, und nicht um eine grün- oder Linkspartei staatsreformistische, das staatliche Gewaltmonopol bejahende Kritik an Gewalt.

Als GraswurzelrevolutionärInnen, als gewaltfreie AnarchistInnen müssen wir uns jedoch auch mit Gewalt aus den Reihen sozialer Bewegungen auseinandersetzen, denn diese Gewalt ist in unserer Revolutionsperspektive kontraproduktiv.

Es ist klar, dass es in Strasbourg massiv auch nicht-provozierte Gewalt von Seiten der Polizei gab: so wurde Tränengas auch ohne jede Vorwarnung gegen friedliche DemonstrantInnen eingesetzt, z.B. auch bei einigen der Blockaden von Block-NATO. Es ist auch klar, dass zahlreiche ProvokateurInnen im Einsatz waren. Es gibt mindestens zwei unabhängige Beobachtungen, die bezeugen, dass als "schwarzer Block" verkleidete Personen in Polizeiwannen saßen. Es ist ebenso klar, dass es im Zusammenhang mit dem Abbrennen des Ibis-Hotels und anderer Gebäude noch zahlreiche offene Fragen gibt. Doch trotz alledem ist unbestreitbar: es gab in Strasbourg ein Problem mit Gewalt von Seiten der Bewegung, ein Problem, mit dem als Bewegung konstruktiv umzugehen ist. Und dies gilt nicht nur für den 4. April.

Problematische Aktions- und Umgangsformen im Camp

Als NATO-ZU - eine Koalition gewaltfreier Gruppen mit dem Ziel, den NATO-Gipfel gewaltfrei zu blockieren, die von der War Resisters' International mit initiiert wurde (vgl. GWR 336 & GWR 337) - hatten wir im Camp in der Rue de la Ganzau im Süden Strasbourgs unsere Basis. Das Camp selbst war von einer Koalition deutscher und französischer Gruppen organisiert worden, mit dem Ziel, eine gemeinsame Infrastruktur für Aktionen während des NATO-Gipfels bereitzustellen1. So weit, so gut.

Problematisch waren jedoch einige der Aktionen, die vom Camp ausgingen, und der Umgang mit den Folgen dieser Aktionen im Camp. Beispiele:

Am Donnerstag, den 2. April, gab es eine Antirepressionsdemo, die vom Camp ausging. Im Rahmen dieser Demonstration wurde nicht nur eine französische Kaserne weiträumig entglast (eine Aktion, über die man ja durchaus diskutieren kann, auch wenn ich bezweifle, dass sie zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form taktisch Sinn machte), sondern es wurden auch wahllos Bushaltestellen und andere öffentliche Einrichtungen sowie Müllbehälter zerstört bzw. in Brand gesteckt2. In Folge der Demonstration verfolgte die Polizei einige DemonstrantInnen bis in die Nähe des Camps, was bei einigen Leuten Befürchtungen über einen bevorstehenden Angriff der Polizei auf das Camp auslöste. Es wurden Barrikaden errichtet, und am nordöstlichen Ausgang des Camps kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei sowie zum Einsatz von Tränengas. In diesem Fall bemühte sich NATO-ZU gemeinsam mit dem Internationalen Koordinationskomitee Nein zur NATO um eine Deeskalation - NATO-ZU innerhalb des Camps, und das Koordinationskomitee intervenierte bei der Polizei.

Am Freitag, den 3. April, kam es auf der Rue de la Ganzau zu einer Eskalation mit der Polizei, nachdem eine Gruppe der Clownarmee von der Polizei zur Personalienfeststellung länger festgehalten worden war. Es wurden auf der Rue de la Ganzau Barrikaden errichtet, und die erste Barrikade wurde angezündet. Versuche einzelner Clowns, von NATO-ZU und anderer Personen, die Menschen zur Rückkehr ins Camp zu bewegen, scheiterten. In diesem Falle kam es nicht zu einer weiteren Eskalation, da die Polizei daran kein Interesse hatte.

Problematisch war in beiden Fällen, dass hier von wenigen Menschen den CampteilnehmerInnen quasi eine militante "Verteidigung" des Camps aufgezwungen wurde. Auch jenseits der Grundsatzfrage der Gewalt war eine Auseinandersetzung darüber, ob diese Militanz zu dieser Zeit an diesem Ort taktisch Sinn machen würde, quasi nicht möglich. Ebenso problematisch war aber auch, dass großen Teilen des Camps dies egal zu sein schien, und die Menschen weiter in Ruhe beim Essen saßen, während die Situation um das Camp herum eskalierte. Nur wenige nahmen Verantwortung wahr für das, was im Camp und um das Camp herum geschah. Während nur wenige sich an der Eskalation selbst beteiligten, wurde diese aber oft durch die Anwesenheit Anderer, die faktisch eine stillte Unterstützung darstellte, unterstützt.

Die Demo

Nach der erfolgreichen gewaltfreien Blockade von NATO-ZU war es uns nicht mehr möglich, zur Demonstration zu kommen. An der Pont d'Anvers, der Brücke, die die Stadt mit dem Hafengebiet verbindet, wurden wir von Polizei gestoppt. Mir fehlen also Erfahrungsberichte aus erster Hand zur Demonstration selbst.

Ohne die massiven und oft nicht provozierten Angriffe der französischen Polizei herunterspielen zu wollen (die Strategie der Polizei war eindeutig auch eine Strategie der Eskalation), ist jedoch klar, dass es bei oder im Umfeld der Demonstration auch zu massiven Angriffen auf die Polizei kam, und zu starken Zerstörungen. Das abgebrannte Ibis-Hotel ist hier nur das weithin sichtbare Symbol einer Gewalt, die teilweise auch wahllos Dinge zerstörte, die für die dort lebenden BewohnerInnen eines ohnehin benachteiligten Stadtteils von Bedeutung waren: eine Apotheke, Bushaltestellen, usw.

Unabhängig davon, ob hier auch ProvokateurInnen beteiligt waren, wirft dies für uns viele Fragen auf.

Gewalt als Folge struktureller Gewalt?

Ein häufiges Begründungsmuster für die Anwendung von Gewalt ist, dass strukturelle Gewalt in unserer Gesellschaft Gewalt quasi erzwingt. Es ist sicher richtig, dass Gewalt oft die ohnmächtige Antwort auf strukturelle Gewalt in unserer Gesellschaft darstellt. Die Gewalt in benachteiligten Stadtteilen ist dabei nur ein Beispiel. Die polizeiliche Antwort auf diese durch soziale Probleme produzierte Gewalt ist dabei Teil des Problems, und führt nur zu einer Eskalation der Gewalt, die sich dann auch zu anderen Anlässen entladen kann. Mit der Verschärfung der Krise des Kapitalismus wird sich dieses Problem in Zukunft eher verschärfen - auch bei Demonstrationen.

Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Strasbourg sehe ich drei miteinander verbundene und sich gegenseitig verstärkende Problembereiche:

* eine Strategie autonomer Gruppen, die auf Anonymität und auch auf militante Auseinandersetzungen setzt. Dabei werden andere AktivistInnen ungefragt und ungewollt als Schutz und Unterstützung bietende Masse genutzt;
* die Gewalt der Vorstädte, die sich mit Aktionen autonomer Gruppen vermischen kann, aber wenig politisches Ziel oder Taktik beinhaltet;
* der Einsatz von ProvokateurInnen durch die Staatsorgane, begünstigt durch die Anonymität und die oben beschriebene Gemengelage.

Unabhängig davon, wer denn nun im Detail für was verantwortlich war, drängt dies soziale Bewegungen - im Falle von Strasbourg die Antikriegs- und Friedensbewegung - in eine militante Auseinandersetzung mit der Polizei, eine Auseinandersetzung, die sie nur verlieren kann. Dabei geht es mir nicht um die von Wolfgang Kraushaar so bezeichnete "Militanzfalle"3, sondern um eine grundsätzlichere Auseinandersetzung mit Gewalt.

Gegen die Logik der revolutionären Gewalt

"Wir sprechen allen revolutionären Gewalthandlungen jede sittliche, sozialistische Würde entschieden ab. Die Gewalt, immer Attentat gegen den Menschen, steht im schärfsten Widerspruch zum Geist des sozialistischen Ideals. (…) Es liegt für die Gewalt auch darin keine Rechtfertigung, daß sie im Namen der Interessen und Leiden der Mehrheit der arbeitenden und bedrückten Menschheit angewandt wird, "4 diese Äußerung des russischen Sozialrevolutionärs Isaak Steinberg ist auch für die Auseinandersetzung nach Strasbourg relevant.

Jede Bewertung politischer Aktionen und der angewendeten Mittel muss ihre Maßstäbe aus dem angestrebten Ziel nicht nur der einzelnen konkreten Aktion, sondern der politischen Utopie entwickeln - so sie denn vorhanden ist. Alles andere führt zu einer Beliebigkeit der Mittel, zu der Leerformel "Der Zweck heiligt die Mittel", mit der in der Geschichte von allen Seiten noch jede Grausamkeit gerechtfertigt wurde.

Noch einmal Isaak Steinberg: "Und immer wurde von den Hütern der Zwecke, von den zeitweiligen Beherrschern der menschlichen Geschichte, oft aufrichtig, gedacht und vor sich selbst oder vor anderen wiederholt: ‘Der Zweck heiligt die Mittel!' (…)

Wenn aber der ‘technische' Standpunkt sich auf diese Formel stützt, so muß der ‘moralische' Standpunkt eine andere Formel besitzen. Ich glaube, daß sie ohne Schwierigkeiten erfaßt und festgelegt werden kann. Sie würde lauten: Nicht der Zweck heiligt die Mittel, sondern der Zweck wird durch die Mittel geheiligt. Nicht alles ist erlaubt - besagt diese Formel. Es genügt nicht, das Ziel zu bestimmen, zu vergeistigen und zu schmücken; es wird ein leerer Schall bleiben, wenn der zu ihm führende Weg mit ihm nicht innig und tief verwandt ist. Das Ziel ist ein meisterhafter Plan, den der schöpferische Menschengeist entwirft, eine ferne Silhouette an dem geistigen Horizont, ein breites, viel umfassendes Gefäß, das seiner schöpferischen Erfüllung harrt. Die ‘Mittel' sind die ausgewählte, feinempfindliche, dem Zweck verwandte Hand, die nach diesem Plan das Gebäude errichtet, die wahre Silhouette zum Leben weckt, das düstere Gefäß bis zum Rande füllt. Nur durch ausgewählte und verwandte Mittel kann der ideelle Umriß des Ziels mit dem Fleisch und Blut der ideellen Tat und des verkörperten Ideals bekleidet werden. ‘Der Zweck heiligt die Mittel' bedeutet: Durch Skrupellosigkeit in der Auswahl der Wege ist die Verwirklichung des äußeren Rahmens der Aufgabe möglich. ‘Der Zweck wird durch die Mittel geheiligt' bedeutet: Nur durch die scharfe Auswahl der Wege kann der innere Sinn der Aufgabe verwirklicht werden. "

Auch wenn "wir … weit davon entfernt [sind], aus der Gewaltfreiheit wieder ein Dogma zu machen" (Clara Wichmann), so kann es doch auch nicht darum gehen, Differenzen in der linken und revolutionären Bewegung zuzukleistern und durch Aussparung der Gewaltdiskussion letztendlich einem "Alles ist möglich" das Wort zu reden. Auch die "Toleranz der Aktionsformen" hat ihre Grenzen, und die sind nicht erst da erreicht, wo Menschenleben bedroht werden, sondern da, wo durch die Militanz einiger die gesamte Bewegung in eine aus meiner Sicht falsche militante Auseinandersetzung gedrängt wird.

Konsequenzen

Es ist zu hoffen, dass die Ereignisse von Strasbourg auch in der autonomen Szene zu einer Reflexion über Aktions- und Organisationsformen führen. Auch wenn ich schon jetzt den Spaltungsvorwurf höre, so gibt es für mich klare Bedingungen für eine zukünftige Zusammenarbeit. Und dem Spaltungsvorwurf entgegne ich, dass hier faktisch der spaltet, der Menschen und Gruppen durch die Nichtbeachtung ihrer Aktionsformen und -grenzen aus der Bewegung drängt. Es gab nach dem Samstag von vielen TeilnehmerInnen an gewaltfreien Aktionen das Gefühl, sich in Zukunft lieber in einem eigenen Camp zu organisieren - und dies ist keine Spaltung, sondern eine Konsequenz der Eskalation um das Camp in der Rue de la Ganzau.

Folgende Bedingungen kann ich mir für eine zukünftige Zusammenarbeit vorstellen:

* eine Selbstkritik aus autonomen Reihen zu den Ereignissen in Strasbourg;
* klare Absprachen zu einem eventuellem gemeinsamen Camp, und zum Umgang mit Eskalationen und der Polizei, sowie die Bereitschaft, diese Absprachen auch gegenüber nicht an den Absprachen beteiligten Gruppen und Einzelpersonen mit durchzusetzen;
* klare Absprachen, Demonstrationen nicht für eine Auseinandersetzung mit der Polizei zu nutzen.

Diese Liste ist mit Sicherheit nicht vollständig.

Unabhängig davon stellt sich aber auch für die OrganisatorInnen großer Demonstrationen die Frage, wie in Zukunft eine Eskalation vermieden werden kann. Es ist klar, dass es dabei nicht um eine Zusammenarbeit mit der Polizei gehen kann, oder um einen eigenen "Sicherheitsdienst". Das Demonstrationen inhärente Problem ist jedoch, dass sie als unorganisierte Masse in der Regel nicht handlungsfähig sind. Es wäre daher vielleicht über trainierte Bezugsgruppen nachzudenken, die schnell deeskalierend eingreifen können, ohne Menschen auszugrenzen oder gar der Polizei auszuliefern.

Für mich bleiben nach Strasbourg für die zukünftige spektrenübergreifende Arbeit in sozialen Bewegungen noch viele Fragen offen. Ich denke, dass sich viele der Probleme, die in Strasbourg auftraten, in Zukunft eher verschärfen werden. Eine konstruktive Debatte darüber ist dringend notwendig.

Andreas Speck

War Resisters' International
http://wri-irg.org/node/7262

Dieser Artikel erschien in Graswurzelrevolution Nr. 339, Mai 2009
http://www.graswurzel.net/

Anmerkungen

1 Ich möchte mich ausdrücklich bei den OrganisatorInnen des Camps für ihre Arbeit bedanken. Ohne Euch wären auch unsere gewaltfreien Aktionen nicht möglich gewesen.

2 Nach Aussagen von AnwohnerInnen haben sich an diesen Aktionen auch einheimische Jugendliche, die nicht aus dem Camp kamen, beteiligt

3 Illusionen einer Protestbewegung. Frankfurter Rundschau, 3. April 2009 http://tinyurl.com/militanzfalle

4 Isaak Steinberg: Gewalt und Terror in der Revolution. Berlin, 1931

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FINGERPRINT
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Bund 25.4.09

Der kleine Bund

Tinte am Finger

In drei Wochen wird über den Pass mit dem Fingerabdruck abgestimmt. Schon in den Zwanzigerjahren wollte der Bund den Pass biometrisch aufrüsten. Er scheiterte an einem Unbehagen, das sich heute wieder meldet: Am Fingerabdruck haftet der Ruch der Verbrecherjagd.

Daniel Di Falco

"Die ganze Welt stand uns offen", heisst es in Stefan Zweigs Roman "Die Welt von gestern": "Wir konnten reisen ohne Pass und Erlaubnisschein, wohin es uns beliebte."

Zweig meinte die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Wer damals nicht als "Vagant", "Zigeuner" oder "gefährlicher Ausländer" von der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen war und unter Generalverdacht der Behörden stand (diese Randgruppen kommen in Zweigs Erinnerung nicht vor), der hatte bis dahin von Grenzkontrollen ziemlich unbehelligt durch Amerika und Europa reisen können. Dafür sorgten Freihandelsverträge aus dem 19. Jahrhundert. In der Schweiz gab es bis dahin eigentlich nicht einmal einen Pass: Jeder Kanton stellte eigene Pässe aus; daneben dienten andere Papiere wie der Geburts- oder der Heimatschein als Identitätsnachweis.

Per Notrecht zum Pass

Der Krieg machte mit der Freiheit Schluss. 1914 schlossen die Staaten Europas ihre Grenzen und verlangten Pässe. Die Schweizer hatten allerdings nur ihre kantonalen Papiere in der Tasche, und von Schaffhausen oder Graubünden hatte man in Tsingtau oder Caracas noch nie etwas gehört. So häuften sich die Klagen von Schweizer Bürgern, die im Ausland nicht anerkannt wurden. Und es gab Fälle "wenig skrupulöser Individuen", wie es in einer amtlichen Akte von damals heisst, die sich mit gestohlenen, gefundenen oder gefälschten Heimatscheinen als Schweizer ausgaben oder mit diesen Scheinen handelten.

Auf den Ämtern war das nicht erst seit dem Krieg ein Thema, doch jetzt griff der Bund zum Notrecht: 1915 ersetzte er die kantonalen Pässe durch einen einheitlich-eidgenössischen. Das war der erste Schweizer Reisepass, und er enthielt erstmals auch ein Foto: Das wies jenen, der das Papier vorzeigte, als dessen rechtmässigen Inhaber aus.

"Die Staatsangehörigkeitsbestätigung ist für sich allein meist wertlos, ja sie ist ohne Identitätssicherung irreführend und gefährlich", erklärte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) einige Jahre später. Jetzt, Anfang der Zwanzigerjahre, ging es darum, aus der provisorischen Regelung der Kriegszeit ordentliches Recht zu machen; bei der Gelegenheit wollte der Bund jene "Identitätssicherung" noch verbessern. Und zwar mit dem Fingerabdruck: Er sei so viel wert "wie Signalement, Photographie und Unterschrift zusammen", hiess es im EJPD. So kam es, dass sich der Bund schon vor fast einem Jahrhundert mit der biometrischen Aufrüstung des Passes beschäftigte. Die Schweiz war damit - anders als heute - praktisch allein auf weiter Flur: Ausser Portugal und Spanien hatte damals kein Staat in Europa den Fingerabdruck im Ausweis.

Die Zürcher Historikerin Nicole Schwager hat diese Geschichte aus den Akten gehoben, und sie erklärt den Abbruch der Übung 1926 mit der Symbolik, die am Fingerabdruck haftete: Der Bürger sah sich mit einem Verfahren konfrontiert, dem sich ansonsten Verbrecher unterziehen mussten. Der biometrische Pass sollte darum - auch das im Gegensatz zu heute - freiwillig sein. Doch auch das konnte nicht verhindern, dass das Projekt damals scheiterte.

Der Körper als Ausweis

Rein technisch war der Fingerabdruck über jeden Zweifel erhaben. Bloss 0,1 bis 0,4 Millimeter tief sind die Rillen auf der Haut, die an den Fingerkuppen charakteristische Muster bilden, wirbel-, bogen- oder schlingenförmige. Doch genau diese Zehntelmillimeter boten der Polizei vor der DNA-Ära die beste Möglichkeit, Identität dingfest zu machen: Die Hautmuster verändern sich im Laufe eines Lebens nie, sie bilden sich auch nach Verletzungen wieder, und sie sind von Mensch zu Mensch verschieden - in ihnen steckt das Individuelle am Individuum. So macht der Fingerabdruck den Körper zum Ausweis; er sei eine "vollkommene, direkte Kopie" des Menschen, erklärte 1895 ein deutscher Gefängnisdirektor. Und noch 1938 geriet der Gründer des FBI ins Schwärmen: Das Sammeln von Fingerabdrücken, sagte J. Edgar Hoover, sei "eines der zuverlässigsten Einzelbollwerke im Kampfe der menschlichen Gesellschaft gegen das Verbrechertum".

"Zuverlässig und unveränderlich"

Von einer solchen Wunderwaffe hatten Polizisten und Wissenschaftler schon lange geträumt. Im 19. Jahrhundert war die "Personenfeststellung" zum Problem geworden. Denn erstens waren die Brandmarkungen und Verstümmelungen verboten worden, die die Justiz den Verurteilten bis dahin beigebracht hatte, um die Wiederholungstäter sicher wiederzuerkennen. Und genau in diesen rückfälligen "Gewohnheitsverbrechern" sah die Justiz die Gefahr.

Zweitens formulierte die moderne bürgerliche Gesellschaft neue Kontrollansprüche: Die kapitalistische Ordnung hatte sich etabliert, und damit war nicht nur die Bedeutung des Eigentums gewachsen, sondern auch die der Eigentumsverletzung - eine neue Klasse von Delikten und Delinquenten war entstanden.

Und drittens hatte die Industrialisierung die Städte anwachsen lassen. In den neuen Metropolen drängten sich mobile Massen; die herkömmliche Sozialkontrolle war ausser Kraft. Das machte die öffentliche Sphäre zur Bedrohung. Wer wollte, konnte sich in dieser neuen Unübersichtlichkeit ziemlich problemlos unerkannt halten: mit einem neuen Namen, einer Verkleidung, einem falschen Ausweis.

"Jedem Einzelnen eine zuverlässige, unveränderliche Individualität zu sichern, die jederzeit wiedererkannt und nachgewiesen werden kann" - das ist der Traum des polizeilichen Erkennungsdienstes, wie ihn 1885 Louis Herbette formulierte, der Generaldirektor des französischen Straf- und Anstaltswesens. Dieser Traum wurde zu einem Fieber, das Beamte und Wissenschaftler umtrieb. Zunächst war es die Porträtfotografie, die der Polizei Hoffnung machte: Sie versprach, die Individuen in automatenhafter Objektivität abzubilden. Ersten Gebrauch von der Kamera machte die Polizei in Belgien und Frankreich bereits in den 1840er-Jahren.

Dann war es die Methode, die der Pariser Polizeibeamte Alphonse Bertillon um 1880 entwickelte: ein System millimetergenauer Messungen an der menschlichen Anatomie, von der Armspannweite über die Breite des Kopfs bis zur Länge des mittleren Fingers. Wobei, wie Bertillon nachwies, sechs bis sieben solcher Messungen genügen, um einen Menschen eindeutig zu identifizieren. Das war Biometrie in ihrer allerersten Form.

Spuren des Abwesenden

In der Theorie funktionierten die zwei Verfahren bestens. In der Praxis dagegen stiessen sie an ihre Grenzen: unmöglich, über Tausende von Porträtfotos eine Codierung zu legen, nach der sie sich hätten sortieren, ablegen und wiederfinden lassen; unmöglich auch, mit einem Bild in der Hand unter den Abertausenden anderen Bildern in der Kartei zu recherchieren. Die "Bertillonage" verwandelte den Körper dann zwar in Millimeterwerte, und nach diesen liessen sich die Personenkarten ordnen. Doch die Messungen waren umständlich und die Resultate ungenau.

Dagegen der Fingerabdruck: einfacher in der Handhabung, aber auch in der Registrierung, weil jedem entscheidenden Merkmal des Hautmusters ein Zahlencode zugewiesen werden konnte. Bertillon selbst nahm den Fingerabdruck nachträglich in seine Systematik auf, und schon um 1920 hatte die "Daktyloskopie" - die Lehre und Technik des Fingerabdrucks - seine Körpervermessung verdrängt.

Dazu kam, dass der Fingerabdruck nicht nur Verhaftete kenntlich machte, sondern auch Täter, die ihre Spur am Ort des Verbrechens hinterliessen: Er identifizierte das Individuum auch dann, wenn es gar nicht da war. Als Erster wurde 1892 in Argentinien ein Mörder anhand seiner Fingerabdrücke überführt; den ersten Erfolg in der Schweiz verbuchte die neue Technik 1912, nach einem Einbruch in ein Café in Lausanne.

Fingerabdruck für Neugeborene

1933 erschien das Fingerabdrucklehrbuch des Kriminalisten Josef Albert, eine "gemeinverständliche Darstellung zur leichten Erlernung der Daktyloskopie für jedermann". Für jedermann - aber auch an jedermann: "Es wäre überhaupt von grossem Vorteil", so Albert, "wenn die gesamte Menschheit mit dem Eintritte in die Schule oder dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters amtlich daktyloskopiert werden würde."

Beflügelt von Identifizierungs- und Ermittlungserfolgen, propagierte eine Reihe von Kriminalisten die maximale Ausweitung ihrer Datenbanken: Die Aussicht auf Fahndungserfolg wuchs mit jedem Fingerabdruck, der schon erfasst war. Zugleich setzten sich immer wieder Experten dafür ein, ihre Hightechwissenschaft auch im zivilen Alltag zu verwenden. Die ganze Gesellschaft, so ihr Argument, sollte von den neuen Kontrollmöglichkeiten und Sicherheitsgewinnen profitieren (und sie selber von einer Aufwertung ihrer Profession). So schlug Albert den Fingerabdruck für die "Gebäranstalten" vor, zur "Verhütung des Verwechselns neugeborener Kinder". Oder für die Kunst, wo er Gemälde vor Fälschungen schützen sollte. Oder eben für Reisepässe, Vereinsausweise, Arbeitszeugnisse.

Die Kriminalisten hatten die "Steckbriefähnlichkeit" des Fingerabdrucks sehr wohl im Auge, und sie kannten die "Abneigung des Durchschnittsbürgers". Wer seinen Fingerabdruck hergebe, werde "sich wie ein Verbrecher vorkommen", erklärte der Kriminalist Robert Heindl 1908 in einem Plädoyer für eine internationale Passreform. Und trotzdem: Er und seine Kollegen spekulierten darauf, das Verfahren werde den Ruch seiner kriminalistischen Herkunft verlieren, sobald es einmal verbreitet und alltäglich würde.

Damit machten sie es sich allerdings zu einfach. Das erfuhr zum Beispiel Juan Vucetich, Pionier der Daktyloskopie in Südamerika, der 1916 die gesamte Bevölkerung Argentiniens per Fingerabdruck erfassen wollte: Er erntete eine "wahre Revolution an Ablehnung", wie der Rechtshistoriker Milos Vec in seiner Geschichte der kriminalistischen Identifikationstechniken berichtet. Und auch anderswo kam der Fingerabdruck nur in Einzelfällen in die persönlichen Papiere (Abb. unten). Vec erklärt das mit dem "Stigma des Verdachts": "Der Bevölkerung fehlte die Bereitschaft, sich verdachtsunabhängig diesem Mittel der sozialen Kontrolle zu unterwerfen."

Zum gleichen Schluss kommt Nicole Schwager im Fall der Schweiz, wo der Bund 1926 das Projekt des biometrischen Passes schon im Verwaltungsstadium aufgab und für den Entwurf des Passgesetzes auf den Fingerabdruck verzichtete. Gründe waren der fehlende internationale Druck und die praktischen Probleme, zumal die Zollbeamten jeden Fingerabdruck von blossem Auge hätten prüfen und vergleichen müssen. Vor allem aber lag es daran, dass er "als kriminalisierendes Zeichen wahrgenommen" worden sei, so Schwager. Das belegen die Antworten der Kantone und Gesandtschaften, die das EJPD zur Vernehmlassung eingeladen hatte.

"Spott über Schweizerbürger"

"Gegen Fingerabdrücke herrscht ein derartiges Vorurteil, dass man den Inhaber eines Passes mit Fingerabdruck wenn nicht für einen Verbrecher, so doch sicherlich für ein verdächtiges Individuum halten würde", schrieb etwa das Budapester Generalkonsulat nach Bern. Aus Prag kam die Befürchtung, der internationale Alleingang könnte zur "Quelle des Spottes über Schweizerbürger" werden. Und der Konsul in Hull erklärte, solange der Fingerabdruck sein "Stigma" nicht verloren habe, sei eine Verwendung im Pass undenkbar. Mit derartigen "Vorurteilen" hatte der Bund zwar gerechnet und darum von vornherein auf ein Obligatorium verzichtet. Doch das half nichts - eher noch im Gegenteil: Wenn zwei Arten von Pässen existierten, könnte der neue den "Kredit" des alten schmälern und dessen Inhaber in Verdacht bringen, erklärten mehrere Konsulate. "Es wäre ungerecht", fand der Konsul in Livorno, "ruhige, rechtschaffene Bürger, die keinen Fingerabdruck wünschen, wenn auch nur theoretisch zu benachteiligen."

Der Schritt ins Zivile

Heute, achtzig Jahre später, macht sich der biometrische Pass vor allem wegen der geplanten Registrierung Gegner. Neben den schriftlichen Angaben und dem Foto wie bisher soll neu auch der Fingerabdruck in der zentralen Passdatenbank abgespeichert werden. Von so etwas war in den Zwanzigerjahren nicht die Rede. Damals ging es um die blosse Abnahme der Fingerabdrücke, die die "Rechtschaffenen" auf die gleiche Stufe gestellt hätte wie Vagabunden, Prostituierte und Berufsverbrecher. Zwar bloss symbolisch, aber nicht weniger wirkungsvoll hätte die Tinte am Finger die bürgerliche Gesellschaft in Verbindung gebracht mit jener kriminellen Gegenwelt, von der sie sich sonst mit allen Mitteln absetzte.

Und doch, bei allen Unterschieden: Wieder geht es heute um den Übertritt des Fingerabdruckverfahrens aus der kriminalistischen in die zivile Sphäre. Und wieder ist es dieser Übertritt, der Probleme macht. Zwar funktioniert die Technik mittlerweile auch rein elektronisch und hinterlässt keine Tinte an den Fingern mehr. Und sie dient heute zur Benutzeridentifikation auf jedem Laptop. Doch den Makel ihrer Herkunft hat sie damit nicht abgestreift. Zumal wenn es nicht ums Private geht, sondern um die Anwendung durch den Staat. Tatsächlich kommt hier ja nicht irgendeine weitere Information in die Passdatenbank: Der Fingerabdruck ist nach wie vor das meistbenutzte Identifikationsverfahren bei der Polizei, und er ist - anders als das Signalement und das Gesichtsfoto - eben auch eine Tatortspur. Damit bringt er den Konnex zur Verbrecherjagd in eine Sphäre ziviler Daten.

Theoretisch jedenfalls. Was technisch machbar wäre, verbietet das Gesetz: Zur Fahndung dürften die Daten aus dem Passregister nicht verwendet werden. Das beteuert der Bundesrat - doch den eidgenössischen Datenschützer beruhigt das nicht. Gegen "eine mögliche Zweckänderung" hälfen nur technische Barrieren, sagt Hanspeter Thür. Und das heisst für ihn nichts anderes, als auf die zentrale Speicherung der Fingerabdrücke ganz zu verzichten ("Bund" vom 31. März).

Polizisten protestieren

In der Diskussion der Zwanzigerjahre erkennt Nicole Schwager ein "grundsätzliches Problem staatlicher Kontrolltechniken". Es gilt auch für die Gegenwart: Jene Kontrollmethoden, die sich der Nationalstaat zulegte, um die Rechte seiner Bürger zu schützen und die staatliche Gemeinschaft nach aussen abzugrenzen - sie bergen immer auch die Gefahr, eine gegenläufige, eben repressive Wirkung zu entfalten. "Die Unschuldigen, die vor den Verdächtigen geschützt werden sollen, werden selbst zu Verdächtigen."

Das Unbehagen angesichts dieser Möglichkeit erklärt viel vom Widerstand, auf den die aktuelle Passvorlage stösst. Wobei dieses Unbehagen mitunter sogar die Profis packt. Anno 1927 beispielsweise bei der Zürcher Stadtpolizei, wie Schwager berichtet. Damals schickte der Kommandant sein ganzes Korps zum Erkennungsdienst, wo die Beamten ihren Fingerabdruck und ein Foto lassen sollten. Doch daran hatten sie wenig Freude; nicht zuletzt, weil sie "auf der gleichen Sitzvorrichtung, wo Verbrecher und Dirnen photographiert werden, Platz zu nehmen" hatten. So stand es seinerzeit im "Schweizerischen Polizeiblatt", und dort wurde auch berichtet, wie weit der Protest ging: Einer der Beamten zerriss seine fertige Ausweiskarte - "vor den Augen des betreffenden Bürovorstehers".

Nicole Schwager: Der Fingerabdruck als kriminalisierendes Zeichen. In: Claudia Opitz u.a. (Hrsg.): Kriminalisieren, entkriminalisieren, normalisieren. Chronos-Verlag, Zürich 2006. - Milos Vec: Die Spur des Täters. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2002. - Unser Dossier im Internet: abstimmung.derbund.ch.

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ANTI-ATOM
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Bund 25.4.09

Verlangte Einsicht in Akten noch nicht gewährt

AKW/Mühleberg Der Berner Energiekonzern BKW möchte für sein Atomkraftwerk (AKW) in Mühleberg eine unbefristete Betriebsbewilligung - im Moment ist diese bis 2012 beschränkt. Gegen das entsprechende Gesuch beim Bund sind 1900 Einsprachen eingegangen. Zudem verlangt eine Untergruppe der Einsprecher Einsicht in zusätzliche Akten. Dabei geht es um die letzte periodische Sicherheitsüberprüfung des AKW, welche die BKW unter Verschluss hält. Um diese Dokumente einsehen zu können, haben die Einsprecher Klage beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Diese Klage ist hängig und verzögert die Entscheidung für oder gegen die Aufhebung der zeitlichen Beschränkung der Betriebsbewilligung. Das Bundesamt für Energie (BFE) verkündete nun diese Woche in einer Medienmitteilung, die Parteien des Verfahrens könnten zwischen dem 27. April und dem 26. Mai Einsicht in weitere Akten nehmen. Diese Mitteilung ist jetzt unter anderm auch im "Bieler Amtsanzeiger" erschienen.

"Wir haben nach der Publikation der BFE-Mitteilung viele Anrufe erhalten", sagt Jürg Joss von Fokus Anti-Atom, der an vorderster Front gegen die unbefristete Betriebsbewilligung Mühlebergs kämpft. Viele Menschen hätten angenommen, dass die AKW-Gegner im Kampf um die Einsicht von Akten, die die BKW unter Verschluss hält, endlich einen Erfolg verbuchen könnten. "Dies ist aber nicht der Fall." Bei den sogenannt zusätzlichen Akten handle es sich lediglich um die im Rahmen eines normalen Einspracheverfahrens üblichen Stellungnahmen der involvierten Parteien, in diesem Fall also der BKW und des eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi). Man könne die Akten mit der Antwort eines Hausbesitzers auf die Einsprache gegen die Verlegung seines Gartenzauns vergleichen. "Ich habe die Dokumente bereits gesehen. Sie enthalten bloss die hinlänglich bekannten Argumente der Atomlobby für die Aufhebung der befristeten Betriebsbewilligung." Das BFE führe die Menschen mit seiner Formulierung bewusst in die Irre und gaukle ihnen vor, den AKW-Gegnern würden Zugeständnisse gemacht.

"Diese Vorwürfe möchte das Bundesamt nicht kommentieren", sagt Matthias Kägi vom BFE. Es sei einfach eine Tatsache, dass zwei neue Stellungnahmen vorlägen, die die Einsprecher einsehen könnten. "An unserer Formulierung gibt es deshalb nichts auszusetzen, sie entspricht der Wahrheit." (sn)

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NZZ 25.4.09

Standortregion für Mühleberg-Ersatz

Berner Wirtschaft legt repräsentative Umfrage vor

 Der Ersatz bestehender durch neue Kernkraftwerke findet in jüngerer Zeit landesweit immer mehr Zustimmung. Dasselbe gilt auch unter regionalen Aspekten und in Bezug auf Mühleberg, wie die Resultate einer von der Berner Wirtschaft vorgelegten Umfrage zeigen.

 kfr. Bern, 24. April

 Seit 2001 lässt Swissnuclear, die Fachgruppe Kernenergie von Swisselectric, jedes Jahr über 2000 Personen zu ihrer Einstellung zur künftigen Stromversorgung in der Schweiz befragen. Für eine fast gleichbleibende Mehrheit von rund 70 Prozent genügt Stromsparen nicht, um bestehende Kernkraftwerke ausser Betrieb zu setzen. 2008 war erstmals nur eine Minderheit der Meinung, dass Stromsparen zusätzliche Kernkraftwerke überflüssig mache. Zwei Drittel der Befragten rechnen zudem mit Engpässen in der Stromversorgung; das führte - nach einer Trendwende ab 2005 - im letzten Jahr fast 57 Prozent dazu, den Ersatz bestehender durch Kernkraftwerke der neuesten Generation zu befürworten. In jüngster Zeit beantwortete eine knappe Mehrheit auch die Sonntags-Frage ("wenn am Wochenende über den Ersatz abgestimmt würde") positiv.

 Auf dieser Grundlage beauftragte der Handels- und Industrieverein des Kantons Bern (HIV) das Meinungsforschungsinstitut Demoscope, eine repräsentative Erhebung unter Einbezug weiterer Fragen und regionaler Aspekte durchzuführen. Im Februar 2009 wurden 2416 Personen in den drei Kantonen Bern, Freiburg und Neuenburg befragt. Nicht überraschend stimmen 79 Prozent der Aussage zu, der Stromverbrauch werde auch in den kommenden Jahren stetig steigen; überdies erwarten 58 Prozent eine "Stromlücke", und eine Mehrheit hält es für denkbar, dass dadurch der Wirtschaftsstandort geschwächt wird. Der Ausbau der Windenergie wird deutlich befürwortet, der Bau von Gaskraftwerken klar abgelehnt. Der Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg am selben Standort erhält nach Einschätzung des HIV eine deutliche Zustimmung. 55 Prozent der Befragten im Kanton Bern, 59 Prozent im Kanton Freiburg und 52 Prozent im Kanton Neuenburg beurteilen die Pläne der BKW grundsätzlich als positiv oder eher positiv, und noch etwas höher fallen die Prozentzahlen für einen Ersatz am heutigen Standort aus. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist er zudem wichtig für eine sichere Stromversorgung. Die Sonntags-Frage (58 Prozent Zustimmung) ergab, dass dem Bau eines neuen Kernkraftwerks Mühleberg derzeit nichts im Wege stehen würde.

 Für Christoph Erb, den Direktor der Berner KMU (Gewerbeverband), bestätigt die Umfrage eine frühere Studie, welche die Vorteile für den Kanton Bern hervorgehoben hatte. Diese lägen in der Wertschöpfung (500 Millionen Franken pro Jahr), bei der Beschäftigung (1300 Arbeitsplätze) sowie bei den Steuererträgen (84 Millionen Franken) - ohne die Bauphase. Adrian Haas, Direktor des HIV, erinnerte an die kantonale Abstimmung von 2000, die über 64 Prozent Nein zur Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg ergeben hatte, und an die landesweiten Ergebnisse von 2003 zur Initiative "Strom ohne Atom".

 Nationalrat Christian Wasserfallen stellte als Gründungsmitglied das "Forum Pro Mühleberg" mit Persönlichkeiten aus vier Kantonen vor, das den Befürwortern zu mehr Präsenz verhelfen und zur Standortsicherung beitragen soll. Aus der Umfrage zieht die Berner Wirtschaft den Schluss, dass die Bevölkerung anders denke als der in der Mehrheit rot-grüne Regierungsrat. Wenn Kernkraftwerke dereinst abgestellt würden, müsse Mühleberg beim Ersatz mit Beznau "in der ersten Reihe" stehen, sagte Niklaus J. Lüthi als Präsident des HIV. Nachdem sich die Aargauer Regierung immer klar positioniert habe, erwarte man dasselbe nun auch im Kanton Bern.

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Basler Zeitung 24.4.09

Der unermüdliche Mahner

Anti-AKW-Aktivist Jürg Joss warnt vor den grösser werdenden Rissen in Mühleberg

Barbara Spycher, Mühleberg

In den nächsten Wochen soll das Bundesamt für Energie über die unbefristete Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg entscheiden. Jürg Joss ist einer von 1900 Einsprechern: Das Sicherheitsrisiko sei zu gross. Am 26. April demonstriert er deswegen in Bern.

Erst wenn man um die letzte Kurve biegt, sieht man das AKW. In einer Senke versteckt, liegt es an der Aareschlaufe, mit seinem rot-weissen Abluftkamin und dem Reaktorgebäude. Es riecht nach Gülle; rundherum Weiden, Ackerland und Bauernhöfe. Das AKW liegt auf dem Boden der Gemeinde Mühleberg, die Stadt Bern ist 14 Kilometer entfernt. Jürg Joss blickt hinunter auf den Atommeiler, mit dem er sich seit bald 20 Jahren auseinandersetzt: Der 46-Jährige aus Bätterkinden (BE) ist einer der vehementesten und versiertesten Kritiker des AKW Mühleberg, als Mitglied der Gruppe Fokus Anti-Atom fordert er aus Sicherheitsgründen dessen sofortige Stilllegung.

Geheimhaltung

In jüngster Zeit stösst dieses Anliegen auf grössere Resonanz, in Zusammenhang mit der unbefristeten Betriebsbewilligung, welche die Betreiberin BKW für Mühleberg verlangt. "Was, dieses AKW ist 40-jährig, hat Risse und soll eine unbefristete Betriebsbewilligung erhalten?" Solche Kommentare hört Joss neuerdings auch von Leuten, die nicht per se gegen AKW sind. Gegen die unbefristete Betriebsbewilligung kamen letzten Sommer innert Kürze 1900 Unterschriften zusammen, von Privatpersonen, Organisationen und Gemeinden wie Bern oder Köniz.

In den nächsten Wochen oder Monaten wird der Entscheid des Bundesamts für Energie erwartet. Dieses will zuerst abwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht in einer Teileinsprache entscheidet, welche volle Akteneinsicht fordert. Denn den jüngsten Sicherheitsbericht hält die BKW "wegen dem Sabotageschutz" unter Verschluss - im Gegensatz zum Bewilligungsverfahren 1992 oder zu demjenigen in Beznau. Dennoch ist bekannt, dass die Risse im AKW Mühleberg stark gewachsen sind. Diese wurden erstmals vor 20 Jahren entdeckt und betreffen den Kernmantel, der die Kernbrennstäbe umhüllt und für die Kühlwasserführung entscheidend ist, im Normalbetrieb und bei Notfällen. Im Februar machte der "Beobachter" aufgrund eines vertraulichen Jahresberichts der BKW publik, dass die am stärksten betroffene Schweissnaht inzwischen neun Risse aufweist, die sich gesamthaft über 2,4 Meter erstrecken. Der längste dieser Risse misst 91 Zentimeter.

Arbeit im AKW.

Jürg Joss erachtet diese Risse als "höchst beunruhigend und gefährlich", was er mit Unfallszenarien belegt. Dem widerspricht die Aufsichtsbehörde Ensi: Die Risse am Kernmantel hätten "keinen Einfluss auf den sicheren Betrieb der Anlage". Für einen Langzeitbetrieb nach 2012 - dann läuft die befristete Betriebsbewilligung aus - sei aber absehbar, dass "die bruchmechanischen Zulässigkeitskriterien" nicht mehr erfüllt seien. Die BKW hat bis 2010 Zeit, das Sicherheitskonzept für den rissigen Kernmantel zu überarbeiten. Joss verweist auf ähnlich alte ausländische AKW mit Rissen, die vom Netz genommen wurden, oder auf jüngere, bei denen der Kernmantel ausgetauscht worden ist.

Joss bezeichnet es als "fahrlässig", das AKW "aus ökonomischen Gründen am Limit zu betreiben". "Je mehr man sich mit Technik befasst, umso mehr weiss man, was alles schiefgehen kann - auch Unvorhergesehenes", sagt der Automationstechniker. Für einen früheren Arbeitgeber musste er im AKW Leibstadt arbeiten, um während einer Revision Instrumente des Druckhaltesystems zu kalibrieren. Als er durch die Sicherheitsschleuse hinausging, piepste diese: zu starke radioaktive Kontamination auf der Haut. Zweimal musste er duschen, bis sein Körper nicht mehr strahlte. Da fragte er sich: "Wie gefährlich ist das eigentlich?"

Nach einer privaten Asienreise, bei der er knapp dem Tod entkommen war, setzte er sich neue Prioritäten: 1991 trat er der Gruppierung "AKW Mühleberg stilllegen" bei, die sich jüngst in "Fokus Anti-Atom" umbenannte. Sie gehört zu den Mitorganisatoren der nationalen Kundgebung vom Sonntag, dem Jahrestag des Reaktorunfalls von 1986 in Tschernobyl. Auch Joss wird an der Demo in Bern dabei sein. Das Motto: "Kein Tschernobyl in Mühleberg".

 > http://www.keintschernobyl.ch

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Bund 24.4.09

Unterstützung für AKW

Berner Politiker gründen Internet-Plattform für ein neues Atomkraftwerk in Mühleberg

Ein neues AKW nütze der Berner Volkswirtschaft und sei bei der Bevölkerung erwünscht, sagen bürgerliche Politiker und Wirtschaftsvertreter.

Sarah Nowotny

Das neue Atomkraftwerk (AKW), das der Stromkonzern BKW in Mühleberg plant, erhält Unterstützung: Gestern trat erstmals ein Pro-Mühleberg-Forum an die Öffentlichkeit, das "sachlich" informieren und "der schweigenden Mehrheit" in der Diskussion um neue AKWs eine Stimme geben will. So umschrieb Christian Wasserfallen, Berner FDP-Nationalrat, vor den Medien in Bern die Ziele des Forums. Weitere Exponenten sind BDP-Nationalrat Hans Grunder, SVP-Grossrat Peter Brand, FDP-Grossrat und Direktor des Handels- und Industrievereins (HIV) Kanton Bern, Adrian Haas, sowie Christoph Erb, Direktor des Verbands der kleinen und mittleren Unternehmen (Berner KMU). Auch bürgerliche Politiker aus Berns westlichen Nachbarkantonen lobbyieren für ein neues Kraftwerk in Mühleberg.

Hintergrund ist die Tatsache, dass die drei ältesten Schweizer AKWs wahrscheinlich 2020 vom Netz gehen. Bis 2025 will die BKW deshalb ihr bestehendes Werk durch ein rund vier Mal leistungsstärkeres ersetzen. Die Axpo verfolgt ähnliche Pläne in Beznau, Alpiq (früher Atel) in Gösgen. Drei Rahmenbewilligungsgesuche sind beim Bund hängig, obwohl es auch laut AKW-Befürwortern höchstens zwei neue Werke braucht.

Schon gegen eine unbefristete Betriebsbewilligung für Mühleberg gingen 1900 Einsprachen ein, mehrere Organisationen wehren sich gegen neue AKWs in der Schweiz, und der Berner Regierungsrat will die Abhängigkeit von der Atomenergie verringern. "Die Mehrheit des Grossen Rats steht aber hinter der Kernenergie", sagte Haas. Diese brauche es, um die drohende Stromlücke zu verhindern. Mühleberg sei als Standort ideal, weil ein neues AKW dort die Versorgungssicherheit der Westschweiz gewährleiste und sich gut in die Landschaft eingliedere. Im Kanton Bern würden durch das Werk 820 neue Arbeitsplätze geschaffen, und die Bruttowertschöpfung betrage 439 Millionen Franken, in der Bauphase sogar 1,3 Milliarden. "Diese Vorteile dürfen wir nicht einem Standort ausserhalb des Kantons opfern. Wir erwarten, dass auch die Regierung standortpolitische Argumente gewichtet", sagte Erb. Zudem schneide Kernenergie sehr gut ab bei den Nachhaltigkeitsindikatoren wie Produktionskosten, Abhängigkeit vom Ausland, CO2-Emissionen und Gesundheitsschäden.

Entscheidend sei auch, dass die Bevölkerung hinter einem neuen Mühleberger Werk stehe. So habe eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demoscope bei rund 2400 Menschen in Bern, Freiburg und Neuenburg ergeben, dass 58 Prozent mit einer Stromlücke rechneten, 66 Prozent Gaskraftwerke ablehnten und 55 Prozent den Ersatz des heutigen Werks wünschten. "Würde jetzt abgestimmt, wären 58 Prozent der Stimmbürger für ein neues Mühleberger Kraftwerk", sagte Haas. Auch Studien der Swissnuclear, einer Fachgruppe der Stromunternehmen, zeigten, dass die Bevölkerung zunehmend für Kernenergie sei und den Ersatz der bestehenden Werke befürworte.

Gegner mit Zulauf

Am Sonntag, dem Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe, wollen mehrere Organisationen und Parteien wie Greenpeace und die SP Interessierte auf dem Berner Münsterplatz unter dem Motto "Kein Tschernobyl in Mühleberg" von den Gefahren der Atomkraft überzeugen. "Diese ist zudem nicht einmal CO2-neutral. Der Abbau von Uran etwa verursacht hohe CO2-Emissionen", sagt Jürg Joss von Fokus Anti-Atom. Den Umfragen der Mühleberg-Befürworter (siehe Text oben) traue er nicht. "Wenn man Leute fragt, ob sie Angst vor etwas haben, sagen sie meistens Ja." Dies gelte nicht nur für die Angst vor der Stromlücke, sondern auch für die Angst vor AKWs, wie Studien von Atom-Gegnern zeigten. Gegner hätten zudem grossen Zulauf. (sn)

[@]

forumpromuehleberg.ch

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BZ 24.4.09

Patrick Miazza, AKW Mühleberg

Ihn beunruhigen die Risse nicht

AKW-Kritiker wollen am Sonntag in Bern vor den Folgen der Kernmantelrisse warnen. Doch Patrick Miazza, Direktor des Kernkraftwerks Mühleberg, sieht darin kein Risiko. Wer anderes behaupte, betreibe Polemik, sagt er.

"Kein Tschernobyl in Mühleberg". Unter diesem Slogan führen AKW-Kritiker am kommenden Sonntag auf dem Berner Münsterplatz eine Informationsveranstaltung durch. Laut der Einladung wollen sie unter anderem aufzeigen, "welche Gefahren von den Rissen im Kernmantel von Mühleberg" ausgehen. Auf einem Flyer bezeichnen die Organisatoren das Werk in Mühleberg als "AKW mit Kernschmelzrisiko".

Dass die ominösen Risse länger werden, ist unbestritten und tönt tatsächlich Besorgnis erregend. Wenig beruhigend wirkt auch, dass die BKW als Betreiberin des AKW Mühleberg nicht daran denkt, den offenbar lecken Kernmantel zu ersetzen. Doch während AKW-Gegner auf Grund der Risse befürchten, im Kanton Bern könnte sich über kurz oder lang eine nukleare Katastrophe ereignen, sieht Patrick Miazza, Leiter des Kernkraftwerks Mühleberg, keinen Grund zur Sorge. Im Gegenteil: "Es enthielte mehr als einen Hauch von Wahrheit, wenn ich behaupten würde, Mühleberg sei noch nie so sicher gewesen wie heute."

Wie gestapelte Tassen

Um das zu belegen, will Miazza erst einmal erklären, was ein Kernmantel eigentlich ist - und dass es sich dabei eben nicht um einen Behälter handelt, aus dem radioaktives Material austreten könnte, wie man sich landläufig vielleicht vorstellen könnte. "Der Kernmantel ist ein zylindrisches Umlenkungsblech", sagt Miazza. Er stapelt ein paar Kaffeetassen aufeinander und bittet, Böden und Henkel wegzudenken. Aus sieben derart aufeinandergestapelten Teilen bestehe der Kernmantel. Schweissnähte würden dafür sorgen, dass die einzelnen Elemente auch bei allfälligen Erschütterungen aufeinander stehen blieben. Entlang dieser Nähte wurden die berühmten Risse entdeckt. "Unser AKW hatte nicht als erstes solche Risse, aber wir waren die Ersten weltweit, die sie entdeckt haben", sagt Miazza. Es spreche für die "vorausschauende Vorsicht" und das in Mühleberg herrschende Sicherheitsdenken, dass 1990 erstmals entsprechende Messungen durchgeführt worden seien.

Angst vor Kernschmelze

Kritiker befürchten nun: Die angerissenen Stellen könnten bei einem Unfall ganz durchreissen, das Wasser würde aus dem Kernmantel ablaufen, die Brennelemente würden freigelegt, und es käme zur Kernschmelze. Das sei "reine Polemik", kommentiert Miazza. Der drei Zentimeter dicke Stahlzylinder, der oben und unten offen ist, befinde sich vollumfänglich im abgeschlossenen, 10 bis 12 Zentimeter dicken Reaktordruckbehälter - "wie in einem mit Wasser gefüllten Dampfkochtopf".

Mehrere Hüllen

Miazza erklärt weiter: Innerhalb des Reaktordruckbehälters laufe das Wasser zuerst ausserhalb des Kernmantels von oben nach unten und werde danach von unten zu den Brennstäben geleitet, die sich innerhalb des Kernmantels befänden. Aufgabe des Zylinders sei es, diese Wasserumwälzung zu ermöglichen. "Er stellt keine Sicherheitsbarriere dar", sagt Miazza. Der Reaktordruckbehälter und weitere Hüllen würden sicherstellen, dass kein Wasser auslaufen könne. Entgegen den Behauptungen der AKW-Kritiker müsse der Kernmantel auch keinen mechanischen Druck aushalten.

Stabiler "Stapel"?

 Problematisch würde es laut Patrick Miazza hingegen, wenn sich die aufgeschichteten Teile verschieben würden. Weil es dann, wie er erläutert, nicht mehr jederzeit möglich wäre, von unten Stäbe zu den Brennelementen einzuführen und den Reaktor abzuschalten.

Miazza erachtet den Kernmantel aber gegenwärtig als derart stabil, dass dessen Geometrie auch ein "sehr, sehr starkes Erdbeben, wie es Europa seit Menschengedenken noch nie erlebt hat", überstehen könnte.

 Heute sind die Risse insgesamt 2,7 Meter lang. Um den erwähnten "hypothetischen Störfall" zu überstehen, dürften sie laut Miazza um mehr als das Doppelte wachsen. "Mit andern Worten", so der AKW-Leiter, "der Kernmantel ist heute stabil und sicher." Trotzdem sei in Mühleberg 1996 aber eine "zweite Sicherheitsebene" eingebaut worden. Vier Zuganker wurden angebracht. Wie riesige Schraubzwingen halten sie die sieben "Tassen" aufeinander fest und verhindern, dass sich diese verschieben können. Zusätzlich seien die Techniker in Mühleberg nun daran, weitere Verstärkungselemente zu entwickeln, die auf den am stärksten betroffenen Schweissnähten angebracht werden könnten. "Wir haben also mehr als zwei Fallschirme", sagt Miazza und fügt an: "Die Risse sind sicherheitstechnisch nicht von Bedeutung."

Miazza an der Demo?

Noch weiss Patrick Miazza nicht, ob er am Sonntag an der Demonstration auf dem Münsterplatz teilnehmen wird. Er ist am Abwägen: "Auf der einen Seite will ich das Fest nicht stören, auf der anderen Seite wäre es wohl nötig, die eine oder andere Aussage unserer Gegner richtigzustellen."

Susanne Graf

Die Veranstaltung "Kein Tschernobyl in Mühleberg" findet am Sonntag auf dem Münsterplatz Bern von 13 bis 15 Uhr statt.

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Patrick Miazza

"62 Prozent wollen neues AKW"

Die Berner KMU und der Handels- und Industrieverein sind sicher: Die Berner Bevölkerung will in Mühleberg ein neues AKW.

Drei Tage vor der Anti-Atomkraft-Veranstaltung auf dem Berner Münsterplatz (siehe Text oben) haben gestern auch die Berner KMU und der Handels- und Industrieverein (HIV) des Kantons Bern die Atomkraft thematisiert. Sie luden zu einer Medienorientierung, um das Resultat einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Demoscope mitzuteilen. Sie kommt zum Schluss: Würde nächsten Sonntag eine Volksabstimmung über den Bau eines Ersatzkraftwerks am gleichen Standort in Mühleberg durchgeführt, würden 58 Prozent der Befragten in den Kantonen Bern, Freiburg und Neuenburg Ja stimmen. In Bern läge der Anteil der Zustimmenden gar bei 62 Prozent.

"Die Lücke erkannt"

Das Resultat freut Niklaus J.Lüthi, Präsident des HIV, der die Umfrage in Auftrag gegeben hat. Erstaunlich sei es nicht, fand HIV-Direktor Adrian Haas: "Die Bevölkerung hat klar erkannt, dass wir auf eine Stromlücke zusteuern und Bedarf haben nach einem Ersatz-AKW."

1320 Arbeitsplätze

Christoph Erb, Direktor der Berner KMU, erinnerte an eine Studie, die bereits 2007 von BAK Basel erarbeitet wurde. Diese hat die volkswirtschaftliche Bedeutung der Stromwirtschaft untersucht und kam zum Schluss, dass das AKW Mühleberg mit einem neuen Reaktor pro Jahr eine Bruttowertschöpfung von 439 Millionen Franken (heute 94 Mio.) erwirtschaften könnte. Zudem könnten in Mühleberg statt der bisher 500 neu 1320 Arbeitsplätze angeboten werden, und das Werk würde nicht mehr 15 Millionen Franken an Steuern abliefern, sondern 84 Millionen.

 Aus ökonomischer Sicht sei ein Ersatz in Mühleberg im Vergleich zum Bau eines Gaskraftwerks oder Stromimporten "die beste Variante", fasste Erb zusammen. Investitionen in erneuerbare Energien erwähnte er nicht. Gegenüber dieser Zeitung sagte er: Erneuerbare Energiequellen seien auszubauen, "aber die Stromlücke können sie nicht schliessen". Erb sagte: "Ich erwarte vom Berner Regierungsrat, dass er die Studie auf politischer Ebene entsprechend gewichten wird."

Forum pro Mühleberg

Jetzt wollen die Berner Unternehmer der "schweigenden Mehrheit" jener, die in Mühleberg ein neues AKW befürworten, "eine Stimme geben", wie Lüthi sagte. Bisher hätten sie sich zurückgehalten. "Es ist höchste Zeit, dass sie sich akzentuieren." Unter der Federführung von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen wurde im Internet das "Forum Pro Mühleberg" ins Leben gerufen. Es sei von Vertretern aus Politik und Wirtschaft gegründet worden, sagte Wasserfallen, "aber wir wollen, dass darauf ein Austausch mit der gesamten Bevölkerung stattfindet". Wasserfallen weiss: "Der politische Weg zu einem neuen Kernkraftwerk in Mühleberg dürfte nicht einfach werden."
sgs

http:// www.forumpromuehleberg.ch

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Berner Rundschau 24.4.09

AKW-Befürworter formieren sich

55 Prozent der Berner wollen neues Mühleberg - Wasserfallen präsentiert Pro-Komitee

Berner Befürworter der Atomenergie gehen in die Offensive und gründen das "Forum Pro Mühleberg". Eine Umfrage in ihrem Auftrag ergibt 55 Prozent Zustimmung für den geplanten AKW-Ersatz.

Samuel Thomi

Bevor die AKW-Gegner aus Anlass des 23. Jahrestages der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl am Sonntag in Bern zur Demo aufrufen, gaben die Berner Befürworter der Atomenergie gestern die Gründung des "Forums Pro Mühleberg" bekannt. "Zu lange haben wir Befürworter uns zu stark zurückgehalten", sagte Niklaus J. Lüthi, Präsident des Handels- und Industrievereins (HIV) des Kantons Bern. An der Spitze des Pro-Komitees der Berner Wirtschaftsverbände steht Nationalrat Christian Wasserfallen. Der junge Berner FDP-Vertreter betonte vor den Medien, ein AKW-Neubau am bestehenden Standort bringe "zahlreiche Vorteile, nicht zuletzt auch wirtschaftliche".

"Schweigende Mehrheit"

Axpo und BKW haben Ende letztes Jahr zwei Rahmenbewilligungsgesuche für den Ersatz der Atomkraftwerke Beznau I und II sowie Mühleberg am bisherigen Standort eingegeben. Die Atel Holding ihrerseits will ein neues, leistungsstärkeres AKW beim heutigen Standort im solothurnischen Gösgen bauen. Einig sind sich die drei Energieunternehmen darin, dass jedoch nur zwei neue Atomkraftwerke nötig sind, um die vorausgesagte Stromlücke zu verhindern. Angesprochen auf diesen noch immer offenen Machtkampf kommentierte Wasserfallen: "Wandert das Kernkraftwerk ab, sind die ökonomischen Vorteile für uns Berner wohl für immer verloren." Nicht zuletzt gehe es jetzt auch darum, "mit dem Forum der bisher schweigenden Mehrheit eine Stimme zu geben". Er spielte auch auf die Brückenfunktion des Kantons zur Westschweiz an. Jean-Pierre Siggen, Direktor des Freiburger Arbeitgeberverbandes und CVP-Grossrat, sagte: "Die fast CO 2-freie Kernenergie ist umweltfreundlich. Sie garantiert auch eine relative Unabhängigkeit vom Ausland." Die Versorgungssicherheit spricht laut Siggen ebenfalls für Bern: "Beim Sturm Lothar wären wir ohne Mühleberg abgeschnitten gewesen."

Frauen kritischer - Nein zu Gas

"Wir kämpfen für den Standort Mühleberg. Über alles andere machen wir uns zum heutigen Zeitpunkt keine Gedanken", kommentierte Niklaus J. Lüthi. Eine ebenfalls von den Wirtschaftsverbänden vor Jahresfrist in Auftrag gegebene Studie ergab für den Ersatz des bisherigen AKWs Investitionen von 4 Milliarden Franken; 1,3 Milliarden davon entfielen als Wertschöpfung auf den Kanton Bern, während 10 Jahren entspricht das rund 1200 Arbeitsplätzen. Mit 1320 Arbeitsplätzen würde das neue, leistungsfähigere AKW einst gut doppelt so viele Stellen schaffen und auch die Steuern würden laut der Studie von Basel Economics (BAK) von 15 auf 84 Millionen Franken jährlich steigen. "Bei der angespannten Wirtschaftslage des Kantons Bern ist das auch nicht gerade wenig", so Christoph Erb, Direktor von Berner KMU.

"Das Volk hat erkannt, dass wir trotz Sparmassnahmen auf eine Lücke zusteuern", kommentierte HIV-Direktor Adrian Haas. Der FDP-Fraktionspräsident im Berner Grossen Rat sieht diese Annahme auch in der jüngsten, vom Zürcher Marktforschungsinstitut Demoscope im Februar durchgeführten Umfrage bestätigt. Laut dieser stimmen 55 Prozent der Berner einem Ersatz des AKW Mühleberg zu; 59 Prozent im Kanton Freiburg sowie 52 Prozent in Neuenburg. Schweizweit sind es 55 Prozent. Frauen sind AKWs gegenüber nur gut halb so positiv eingestellt; über 50-Jährige stärker.

Mit 76 Prozent Ja-Anteil ergibt die Demoscope-Umfrage zudem ein klares Bild für massiven Ausbau der Windenergie, auch wenn diese das Landschaftsbild beeinträchtigte. Eine klare Absage erteilen die Umfrageergebnisse mit 65 Prozent Nein-Anteil allerdings dem Bau von neuen Gas-Grosskraftwerken.

Gegner erhalten Einsicht

Etappensieg für die Gegner einer unbefristeten Betriebsbewilligung für das bisherige AKW Mühleberg. Wie das Bundesamt für Energie (BFE) mitteilte, erhalten die Einsprecher vom 27. April bis 26. Mai auf Voranmeldung auch Einsicht in zwei zusätzliche Dokumente. Es soll sich dabei um Stellungnahmen der BKW und der neuen, nationalen Nuklearaufsichtsbehörde (ENSI) handeln. Laut dem BFE werde das eigentliche Verfahren für eine unbefristete Betriebsbewilligung nicht verzögert. Dagegen gingen letzten Sommer zahlreiche Einsprachen ein (vgl. Ausgabe vom 18. April). Mühleberg ist das einzige Schweizer Atomkraftwerk mit einer Befristung bis 2012. (sat)

Internet www.forumpromuehleberg.ch

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BETTELVERBOT BERN
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Stadtrats-Debatte 26.3.09

4 Motion Beat Schori (SVP)/Philippe Müller (FDP): Jetzt aber Schluss mit der Bettelei!
Geschäftsnummer 08.000251 / 08/428

Der Presse ist zu entnehmen, dass in Bezug auf die Bettelei bei der SP ein Meinungsum-schwung stattgefunden hat. Sie hat sich inzwischen klar für ein Bettelverbot ausgesprochen, da die Sozialwerke ein menschenwürdiges Leben in der Schweiz ermöglichen.
Die EURO ist vorbei, der Sommer ist in den Lauben zurück und in der Innenstadt ist die Bette-lei wieder ein offensichtliches Problem. Wie in den Jahren zuvor fallen zahlreiche Bettelnde in der Stadt und nahe den Einkaufszentren in den Quartieren auf, teilweise mit dem Vorwand, Musik zu spielen, allerdings mit Musikinstrumenten, die sie nicht beherrschen. Auch wird nicht davor zurückgeschreckt, Kleinkinder einzusetzen um Mitleid zu erwecken. Aufdringliches Ver-halten, immer mehr Platzanspruch durch ausgelegte Decken dienen nicht gerade dem Image der Stadt Bern.
Nach wie vor ist Fakt, dass es keine Begründung gibt, welche in unserem Sozialstaat die Bet-telei rechtfertigt. Die Stadt Bern hat durch die unnötige Bettelei nicht nur als UNESCO Welt-erbe viel von ihrem Charme, ihrer Schönheit und ihrem Ansehen verloren, sondern durch all die negativen Randerscheinungen, die eine Duldung dieser grösstenteils bandenmässig orga-nisierten Bettelei mit sich bringt, auch im Hinblick auf den Tourismus an Attraktivität einge-büsst.
Da nun auch die SP ein Bettelverbot unterstützt, wird der Gemeinderat aufgefordert, noch in diesem Jahr einen Entwurf für ein Bettelverbot auszuarbeiten und dem Stadtrat vorzulegen.

Bern, 3. Juli 2008

Antwort des Gemeinderats

Seit dem 1. Oktober 2008 wird das neue Reglement vom 1. Juni 2008 betreffend die Benüt-zung des städtischen Teils des Bahnhofs Bern (Bahnhofreglement; BHR; SSSB 732.21) um-gesetzt, wonach Betteln im städtischen Teil des Bahnhofs Bern untersagt ist. Die Durchset-zung des Bettelverbots erfolgt ohne nennenswerte Probleme. Bereits nach wenigen Tagen waren keine Bettelnde in diesem Bereich mehr anzutreffen. Das Aufrechterhalten dieses Zu-stands bedingt allerdings eine tägliche Präsenz der Kontrollorgane, ansonsten wieder eine Verschiebung der Bettelnden in den städtischen Teil des Bahnhofs Bern erfolgt.
Momentan ist es noch zu früh, weitere Schlüsse zu ziehen. Der Gemeinderat hat jedoch ein Interesse an der Klärung der Thematik. Aus diesem Grund hat er bereits im Mai 2008 dem Stadtrat beantragt, ein Postulat mit ähnlichem Inhalt (Postulat Fraktion SP/JUSO, Giovanna Battagliero, SP: Auswertung Kontrolle Bettelei im Stadtzentrum und Durchsetzung Bettelver-bot im Bahnhof) erheblich zu erklären. Der Gemeinderat wird in dessen Rahmen die aufge-worfenen Fragen klären und die Situation erneut analysieren sowie Bericht erstatten.
"Bettelnde Musizierende" wurden in der letzten Zeit von den Vollzugsbehörden vermehrt kon-trolliert und sind aus diesem Grund momentan kaum mehr in der Stadt Bern anzutreffen.

Folgen für das Personal und die Finanzen
Ein Bettelverbot würde einen Ausbau der Kontroll- und Vollzugstätigkeit mit sich bringen und somit eine Aufstockung des Personalbestands bedeuten. Dies hätte eine Erhöhung der Per-sonalkosten zur Folge.

Antrag
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion abzulehnen; er ist jedoch bereit, den Vorstoss als Postulat entgegen zu nehmen.
Bern, 17. Dezember 2008

Peter Bühler (SVP) für den Interpellanten: Seit der Grossrat in den Neunzigern das Bettelver-bot aufhob, diskutieren wir im Stadtrat regelmässig über dieses Thema. Das Hauptproblem sind die Banden, die ihr Unwesen treiben, indem sie skrupellos behinderte Menschen oder Kinder einsetzen, um ein paar Franken zu ergattern. Es gibt auch Bettler um des Bettelns willen. Die machen lieber so ihr eigenes Geld, anstelle des Fürsorgegeldes, damit sie darüber frei verfügen können. Dann gibt es diejenigen, die von der Fürsorge leben, aber nebenbei auch noch betteln. Das Volk setzte ein deutliches Signal mit der Annahme des neuen Bahn-hofreglements. Im öffentlichen Teil des Bahnhofs gilt daher ein Bettelverbot. Es ist an der Zeit, dieses Gesetz auf dem ganzen Stadtgebiet umzusetzen. Die Politik politisierte bis anhin an diesem Volksentscheid vorbei. Man schob Ausreden vor, wie Rücksichtnahme auf Rand-ständige etc. Die Motion von Beat Schori und Philippe Müller zeigt, dass die Bedürfnisse an-ders liegen. Dagegen kämpft die SP, die zwar vor den Nationalratswahlen noch deutlich aus-drückte, sie sei auch für ein Bettelverbot. Wir hatten diesbezüglich den Vorstoss von Giovan-na Battagliero zur Erhebung von Daten und Fakten über die Situation am Bahnhof.
Was geschieht in der Stadt Bern? Einige Kontrollen werden deutlicher durchgeführt. Es gibt Momente, wo kaum Bettler anzutreffen sind. Aber kaum sind die Kontrollen vorbei, erscheinen sie wieder. Andere Bettler verlegen sich auf die Aussenquartiere. In Bümpliz gibt es mindes-tens vier neue Standorte, wo immer mehr und aufdringlich gebettelt wird. Dasselbe gilt auch in Bethlehem, das Betteln nimmt dort zu und es ist bandenmässig organisiert. Der Stadtrat muss handeln und auf das klare Signal des Volks reagieren. Wir unterstützen diese Motion und werden sie nicht umwandeln, ebenso unterstützen wir die Motion von Bernhard Eicher.

Motionär Philippe Müller (FDP) für die FDP-Fraktion: Es geht hier nicht darum, arme Bedürfti-ge zu schikanieren oder gewissen Leuten eine wie auch immer geartete Lebensform zu ver-bieten. Es geht vielmehr darum, dass man von sogenannten Bettlern aggressiv angegangen und angepöbelt, ja sogar bedroht wird, wenn man nicht zahlt. Es geht um die Unsicherheit und die offene oder latente Gewalt, die zum Ausdruck kommt. Es geht um missbrauchte Kin-der, die gezwungen werden, auf Betteltour zu gehen. Es geht um behinderte Mitmenschen, die zur Bettelei missbraucht werden. Es geht um organisierte Bettelbanden, also um kriminel-le Organisationen. Das hat mit Grundrechten und Toleranz nichts zu tun. Die ausländerrecht-lichen Bestimmungen nützen kaum. Man hält sich nicht daran, den Leuten sieht man ihren Status ja nicht an. Aber wenn ein Bettelverbot existierte, würde die Sache augenfällig. Bei der Abwägung erscheint den Linken das Festhalten an einem alten ideologischen Zopf wichtiger, als das Leid von Kindern und behinderten Mitmenschen zu verhindern und das Unsicherheits-gefühl weiter Teile der Bevölkerung zu verbessern. Zum Argument, Bettler gehörten zu unse-rer Gesellschaft: Autos gehören auch zu unserer Gesellschaft, trotzdem ist das Autofahren in gewissen Gebieten verboten. Also wird es möglich sein, das Betteln in gewissen Zonen zu verbieten. Unser Vorstoss fordert ein Bettelverbot in der Innenstadt. Die Beschränkung auf die Innenstadt wird im Vorstoss nicht deutlich, ergibt sich aber indirekt, dies sei hier klarge-stellt. Das Argument, es scheitere an der Durchsetzung, wirkt seltsam, wenn es von der Seite kommt, die sich ansonsten nicht für die Durchsetzung gewisser Vorschriften starkmacht. Wäre die Durchsetzung tatsächlich so problematisch, wie die Linken meinen, würde sie ja durch ein Verbot erleichtert. In den wichtigsten Städten, in Basel, Zürich und Genf gilt das Bettelverbot, nur für die Berner Altstadt haben die Linken offenbar den Sonderfall entdeckt.

Diskussion unter Fraktionserklärungen

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5 Motion Fraktion FDP (Bernhard Eicher, JF): Bevölkerung soll über stadtweites Bettelverbot entscheiden
Geschäftsnummer 08.000202 / 08/416

Mit der Volksabstimmung vom 01. Juni 2008 wurde ein Bettelverbot für den Bahnhof von rund 75% der StimmbürgerInnen deutlich angenommen. Damit ist klar: Die Bernerinnen und Berner haben von organisierten Bettelbanden, welche auch nicht vor Kinderarbeit zurückschrecken, genug.
Weiter hat das Bundesgericht mit seinem Entscheid vom 09. Mai 2008 klar gemacht, dass ein gemeindeweites Bettelverbot zulässig ist. Die Bundesrichter gewichten die öffentliche Sicher-heit sowie den Schutz von Kindern höher als das individuelle Recht zu betteln. Zwar sei Bet-teln als Form der Hilfesuche ein elementares Freiheitsrecht, doch sei zu beachten, dass Bett-ler - insbesondere Kinder - häufig im Rahmen von organisierten Netzen ausgenutzt würden. Zudem weist das Bundesgericht darauf hin, dass ein gemeindeweites Bettelverbot sinnvoll sei, da sich bei einem örtlich beschränkten Verbot die Bettelszene an andere Orte verlagere. Die Befürchtung, ein stadtweites Bettelverbot verletzte unrechtmässig elementare Grundrech-te, ist somit unbegründet.
Bisher war ein gemeindeweites Bettelverbot im Stadtrat sehr umstritten. Das Abstimmungsre-sultat vom 01. Juni 2008 zeigt nun, dass die Bevölkerung zum Bettelverbot offensichtlich eine andere Haltung als die Parlamentsmehrheit vertritt. Die Bernerinnen und Berner sollen des-halb die Möglichkeit erhalten, sich direkt über ein gemeindeweites Bettelverbot zu äussern.

Der Gemeinderat wird beauftragt:
1. Dem Stadtrat möglichst rasch eine Vorlage inklusive Abstimmungsbotschaft für ein stadt-weites Bettelverbot vorzulegen.
2. Alle weiteren nötigen Schritte einzuleiten, um eine möglichst rasche Volksabstimmung über ein stadtweites Bettelverbot zu ermöglichen.

Das vorgeschlagene Vorgehen bietet insbesondere drei Vorteile:
- Die seit Jahren andauernde Diskussion um ein stadtweites Bettelverbot kann mit einer Volksabstimmung klar entschieden werden.
- Der Volksentscheid vom 01. Juni weist auf einen Meinungsunterschied zwischen Parla-mentsmehrheit und Bevölkerung hin. Eine Volksabstimmung schafft hier Klarheit.
- Dank der neuen Bahnhofsordnung erhalten sowohl Befürworter als auch Skeptiker bis zur Volksabstimmung Zeit, Erfahrungen mit dem Bettelverbot zu sammeln und ihre Schlüsse daraus zu ziehen.

Begründung der Dringlichkeit:
1. Es ist bereits eine Motion zum Bettelverbot hängig. Im Sinne eines effizienten Ratsbe-triebs sollen die beiden Vorstösse möglichst zusammen behandelt werden.
2. Die Volksabstimmung vom 01. Juni 2008 brachte ein klares Verdikt hervor. Die Bevölke-rung sollte deshalb raschmöglichst die Gelegenheit erhalten, über ein städtisches Bettel-verbot abzustimmen.

Bern, 5. Juni 2008

Antwort des Gemeinderats

Seit dem 1. Oktober 2008 wird das neue Reglement vom 1. Juni 2008 betreffend die Benüt-zung des städtischen Teils des Bahnhofs Bern (Bahnhofreglement; BHR; SSSB 732.21) um-gesetzt, wonach Betteln im städtischen Teil des Bahnhofs Bern untersagt ist. Die Durchset-zung des Bettelverbots erfolgt ohne nennenswerte Probleme. Bereits nach wenigen Tagen waren keine Bettelnde in diesem Bereich mehr anzutreffen. Das Aufrechterhalten dieses Zu-stands bedingt allerdings eine tägliche Präsenz der Kontrollorgane, ansonsten wieder eine Verschiebung der Bettelnden in den städtischen Teil des Bahnhofs Bern erfolgt.
Bisher konnte festgestellt werden, dass sich die Bettelnden seit dem Inkrafttreten des neuen Bahnhofreglements vermehrt in der ganzen Innenstadt verteilen. Momentan ist es noch zu früh, weitere Schlüsse zu ziehen. Der Gemeinderat hat jedoch ein Interesse an der Klärung der Thematik. Aus diesem Grund hat er bereits im Mai 2008 dem Stadtrat beantragt, ein Pos-tulat mit ähnlichem Inhalt (Postulat Fraktion SP/JUSO, Giovanna Battagliero, SP: Auswertung Kontrolle Bettelei im Stadtzentrum und Durchsetzung Bettelverbot im Bahnhof) erheblich zu erklären. Der Gemeinderat wird in dessen Rahmen die aufgeworfenen Fragen klären und die Situation erneut analysieren sowie Bericht erstatten.

Folgen für das Personal und die Finanzen
Die Durchsetzung des Bettelverbots bindet durch die notwendige Präsenz der Kontrollorgane beträchtliche personelle Ressourcen. Ein Bettelverbot würde einen Ausbau der Kontroll- und Vollzugstätigkeit mit sich bringen und somit eine Aufstockung des Personalbestands bedeu-ten. Dies hätte eine Erhöhung der Personalkosten zur Folge.

Antrag
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion abzulehnen; er ist jedoch bereit, den Vorstoss als Postulat entgegen zu nehmen.
Bern, 3. Dezember 2008

Motionär Bernhard Eicher (JF): Mein Einsatz für ein Bettelverbot dient nicht der Citypflege, sei es der Innenstadt oder des gesamten Stadtgebiets. Mein Einsatz für ein klares Bettelver-bot steht vor dem Hintergrund, dass man dadurch den Missbrauch von Kindern oder von be-hinderten Menschen bekämpfen kann. Leider ist es Tatsache, dass man beim Gang durch die Innenstadt von Leuten mit einer leichten Behinderung angebettelt wird. Die werden dorthin platziert und dafür eingesetzt andere um Geld anzugehen. Wir wissen alle, dass diese Leute nicht freiwillig dort stehen, sondern dorthin gebracht wurden, mit der Auflage betteln zu müs-sen. In den Quartieren werden vermehrt Kinder eingesetzt. Wir müssen klar sehen, dass die-se Kinder nicht freiwillig betteln, sondern einem Auftrag folgen. Der Hintergrund ist - und das mag zynisch tönen -, dass Menschen mit einer Behinderung oder Kinder eine höhere Rendite abwerfen. Solches dürfen wir in unserer Stadt nicht tolerieren. Wer dies für das blosse Hirn-gespinst eines Jungfreisinnigen hält, sei auf das Bundesgericht verwiesen: Am 9. Mai 2008 hielt das Bundesgericht in einem Urteil zum Bettelverbot der Stadt Genf fest, dass Bettelei häufig mit kriminellen Organisationen und der Ausnutzung von Kindern und handicapierten Menschen verknüpft ist. Weiter heisst es da, ein stadtweites Verbot stelle ein geeignetes Mit-tel dar zur Bekämpfung der Bettelei, krimineller Organisationen und deren Ausnützung von geschwächten Menschen. Das Bundesgericht nimmt eine Gewichtung vor zwischen individuel-lem Recht auf Betteln und dem Schutz von Kindern und behinderten Menschen, sowie der Bekämpfung krimineller Organisationen und kommt zum Schluss, dass individuelles Recht dem unterliegt.
Mir geht es nicht um die Verfolgung der Menschen, die jemanden auf der Strasse um Klein-geld oder eine Zigarette angehen. Dagegen soll der Polizei ein zusätzliches Mittel gegeben werden, um gegen Machenschaften krimineller Organisationen, gegen Ausnutzung von Kin-dern und behinderten Menschen eingreifen zu können. Die Gegnerinnen und Gegner eines Bettelverbots behaupten gerne, es gehe um den Erhalt von Freiräumen im öffentlichen Raum. Selbstverständlich gibt es Leute, für die das Betteln eine Lebenskunst bedeutet oder sogar ein Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes. Wollen wir denn wegen einiger weniger Personen den Missbrauch von Kindern und Behinderten in Kauf nehmen oder kriminellen Or-ganisationen hinter dem Recht auf das Betteln ein Versteck bieten? Das dürfen wir nicht in Kauf nehmen, das ist bekämpfenswert und unserer Stadt nicht würdig. Laut der Presse ist die Fraktion GFL/EVP hinsichtlich des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag kritisch. Was ist der Schutz eines Kindes wert, welche Art von Ertrag wirft dies ab? Wäre eine Antwort hierauf möglich, könnte bemessen werden, welchen Aufwand das wert ist. Zentral ist doch, den Miss-brauch schutzbedürftiger Menschen zu verunmöglichen.
Die Diskussion und die Argumente zu diesem Thema sind nicht neu. Die Abstimmung vor ei-nem Jahr fiel knapp aus, daher der Versuch eines Kompromissvorschlages: Als ein erster Schritt wird der Gemeinderat beauftragt einen konkreten Vorschlag zur Gestaltung eines Bet-telverbotes zu erarbeiten. In einem zweiten Schritt können wir dann im Parlament über eine konkrete Vorlage diskutieren und nicht mehr nur auf der ideologischen Ebene. Im dritten Schritt gelangt die Vorlage an die Bevölkerung. Dadurch erhalten wir einen gültigen Entscheid und können den wiederkehrenden Streit zu diesem Thema für ein paar Jahre beilegen. Es ist höchste Zeit, dass die Bevölkerung über ein Bettelverbot mitbestimmen kann. In diesem Sin-ne halte ich an meiner Motion fest und bitte Sie, diese zumindest zu überweisen, damit wir erfahren, was die Bevölkerung dazu meint.

Fraktionserklärungen zu Traktanden 4 und 5

Nadia Omar (GFL) für die Fraktion GFL/EVP: Bei der aktuellen Diskussion über das Bettel-verbot geht es nicht um den Bahnhofperimeter oder die Innenstadt, sondern um ein stadtwei-tes Bettelverbot. Unsere Meinung dazu bleibt unverändert: Wir verurteilen organisierte Bette-lei. Zur Verhinderung dieser Form der Bettelei ist die heutige Handhabe ausreichend. Die Kontrolle ist Aufgabe der Fremdenpolizei, deren Stellenetat ja letzte Woche, auch mit unserer Unterstützung aufgestockt wurde. Um diese Art von Bettelei in den Griff zu kriegen, benötigen wir kein stadtweites Bettelverbot. In der Stadt Bern wird niemand zum Betteln gezwungen, die städtischen Sozialangebote sind ausreichend. Leider beeinflusst das Betteln das Sicherheits-gefühl der Bernerinnen und Berner in negativer Richtung, das anerkennen wir als Problem. Seit Beendigung des Umbaus des Bahnhofplatzes hat die Situation sich aber entschärft. Es ist lang nicht mehr so bedrückend und so dringend wie vorher.
Ein Bettelverbot bedeutet ein rechtliches Mittel, das andere Städte, wie Genf oder Zürich, schon lange einführten. Nachdem ich selber vier Jahre lang in Genf wohnte, kann ich sagen, dass dort trotz Bettelverbot mehr Bettelei vorkommt, als es hier der Fall ist. Dieses Instrument greift nur, wenn dessen Umsetzung überwacht wird. Wir glauben nicht, dass ein Bettelverbot ein hinreichendes Mittel für den Kindesschutz darstellt. Wir wollen erst die Auswertung des Bettelverbotes am Bahnhof Bern abwarten, um anhand dieser Daten den zur Durchsetzung eines Bettelverbotes nötigen Aufwand einschätzen zu können. Grundsätzlich befürwortet eine Mehrheit unserer Fraktion die Option eines Bettelverbotes. Dies aber nur für die Innenstadt, ein stadtweites Bettelverbot lehnen wir ab. Wir warten gespannt auf den gemeinderätlichen Bericht über die Bettelei und sind alsdann, aufgrund dieser neuen Daten, zur weiteren Dis-kussion bereit.

Hasim Sancar (GB) für die Fraktion GB/JA!: Betteln ist kein neues Phänomen. Schon in der Antike gab es Bettelnde. So hat der griechische Philosoph Diogenes während seines ganzen Lebens in einem Fass von gespendeter Nahrung gelebt. Auch musste man im alten Griechen-land, um ins Parlament gewählt zu werden, in den ältesten Kleidern von Tür zu Türe gehen und um Stimmen betteln.
Es gab aber auch immer wieder Versuche, das Betteln zu verbieten. Trotz all der Bemühun-gen ist diese Praxis indes nicht verschwunden. Vor allem Städte müssen sich wiederholt mit bettelnden Menschen befassen. Die religiösen Institutionen wie Kirchen und Moscheen sind mit dieser Frage oft besser umgegangen als die Politik, auch viele Linke tun sich schwer da-mit. In vielen Religionen gehört das Betteln zum Engagement für den Glauben, Betteln wird als Pflicht verstanden, wie bei den muslimischen Derwischen und den tibetischen Mönchen. Auch das Prinzip der Almosen als Gabe für die Armen wurde als wichtige soziale Verpflich-tung in religiösen Systemen verankert. Die Bereitschaft während Weihnachten zu spenden, zeigt, wie die Religion auch in der Schweiz einen respektvollen Umgang mit Betteln vorsieht: Nicht die Schuld der einzelnen steht im Zentrum. Es geht vielmehr um Fragen nach gesell-schaftlicher Ausgrenzung und Ursachen von Armut. Sicher gibt es auch andere Formen des Bettelns, die nicht direkt auf gesellschaftliche Konflikte zurückzuführen sind, zum Beispiel wenn Reisende um Geld fragen, wenn ihnen das Geld für die Rückfahrt fehlt. Es gibt immer Gründe zu betteln. Das Betteln zu verbieten ist ein Armutszeugnis für eine Stadt, denn damit verschliesst sie die Augen vor der Realität. Das Problem wird nämlich nicht gelöst, im Gegen-teil, ein Verbot "verbietet" das Suchen nach sinnvollen Lösungen.
Öffentliche Räume gehören allen. Die Manager als Globalisierungsgewinner gehören zu den öffentlichen Räumen, niemand streitet ihnen das Recht ab. Der Zugang zu den öffentlichen Räumen soll allen offen sein, unabhängig vom Besitzstand. So gehören auch die Globalisie-rungsverlierer und -verliererinnen und Benachteiligten zu öffentlichen Räumen. Wenn Bet-telnde aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen sind, wird der öffentliche Raum von "Un-erwünschtem" gesäubert, natürlich der Sauberkeit und Ästhetik willen, wie es heisst. Die ver-schiedensten Lebensformen sollen Platz finden, auch wenn uns nicht alle passen. Klar ist von allen Nutzenden Rücksicht gefragt. Betteln sollte aber nicht automatisch auch Störung bedeu-ten. Betteln ist ein einfacher Vorgang, bei dem eine Person eine andere um Geld oder Essen anfragt. Es muss weiter erlaubt sein, unbekannte Menschen um etwas anzufragen. Die Ange-sprochenen sind frei, eine Spende zu geben oder nicht. Es ist nicht die Aufgabe des Staates sich in diesen sozialen Akt einzumischen, die Bettelnden mit einem Verbot zu kriminalisieren und sie polizeilich zu verfolgen. Das bedeutet nur mehr Kosten. Für die Polizei sollten keine unerwünschten neuen Aufgaben geschaffen werden. Bei offensichtlichen Störungen gibt es bereits heute genügend Instrumente zum Eingreifen.
Man kann dem Betteln ausweichen, wenn man angefragt wird. Man muss Bettelnden kein Geld geben. Dem gegenüber können wir den Telefonaten von Krankenkassen, Telefongesellschaften, Fernseh- und Internetanbietern, die wir an den Wochenenden und abends nach Hause bekommen, nicht ausweichen. Die wissen, dass die Familienväter und -mütter während der Abendessenszeit zu Hause sind. Diese Telefonbettler sind schlau, wenn sie oft genau zu diesen Zeiten anrufen. Wenn wir ihnen keine einleuchtenden Antworten servieren, rufen sie bestimmt wieder an. Die aggressive Werbung auf der Strasse gehört ins gleiche Kapitel. Die einfache Antwort, man wolle den Fernsehanschluss nicht wechseln genügt nicht, gleich folgt die Frage: "Darf ich wissen, warum Sie nicht wechseln möchten?"
Der Grossrat hat ein Bettelverbot abgelehnt. Auch das Parlament von Thun hat im Dezember 2008 ein Bettelverbot abgelehnt. Nehmen wir uns Thun in dieser Sache als Vorbild. Ein Bet-telverbot passt nicht zu Bern. Die Stadt Bern ist für ihre sozialen Errungenschaften in der Ge-schichte bekannt: 1890 baute sie als erste Stadt in der Schweiz Sozialwohnungen, am 1. April 1893 eröffnete die Stadt Bern die erste kommunale Arbeitslosenversicherung in ganz Europa. Oder die Speiseanstalt Spysi, die 1877 gegründet wurde mit dem Ziel "der hilfsbedürftigen Bevölkerung während der Winterszeit gesunde Nahrung zu vorteilhaftem Preis anzubieten".
Das Bettelverbot geht auf Kosten der Globalisierungsverlierer und -verliererinnen. Das Bettel-verbot höhlt schleichend die Errungenschaften einer modernen demokratischen Stadt aus. Deshalb lehnt die Fraktion GB/JA! die beiden Vorstösse in jeder Form ab.

Edith Leibundgut (CVP) für die Fraktion BDP/CVP: Wir müssen aufhören, die Freiheit des Bettelns zu glorifizieren. So eng an Handlungsspielraum ist nicht einmal das Leben eines Strafgefangenen und so wenig Perspektive muten wir nicht einmal einer streunenden Katze zu.
Es gibt einen riesigen Unterschied in der Sozialisation zwischen einem Menschen, der betteln muss und einem Menschen, der seinen täglichen Bedarf über die Sozialhilfe beziehen kann. Wer sich hin und wieder beim Sozialdienst einfindet, hat wenigstens Zugang zu Menschen, die ihm Mittel und Wege für ein besseres Dasein aufzeigen und den Betreffenden in seinen Bemühungen Zugang zu Familie und Gesellschaft zu finden unterstützen können. Wer auf der Strasse bettelt, lässt alles zurück, lässt alle Stricke reissen, ist um jeden Handlungsspielraum und um jede Perspektive betrogen - und das schmerzt nicht nur die Person selbst, nein, das trifft uns alle. Obdachlos, verwahrlost, gesundheitlich angeschlagen, ohne Beziehungen ist es meistens unmöglich, wieder in der Gesellschaft Fuss zu fassen. Es ist unwürdig, Menschen in diesem Zustand sich selbst zu überlassen. Und schlimm ist, man gewöhnt sich scheinbar dar-an, sowohl der Bettelnde, als auch die Gesellschaft um ihn herum.
Dass bettelnde Musizierende in der Stadt und in den Quartieren kaum mehr anzutreffen sind, wie der Gemeinderat in seiner Antwort aufführt, stimmt leider nicht. Bei Migros und Loeb in Bethlehem wurde während des ganzen kalten und langen Winters bandenmässig gebettelt. So sassen denn über Monate teilweise todkranke Menschen auf dem nassen und kalten Boden und bettelten für ihre Peiniger. Letztes Jahr waren es noch junge Männer, dieses Jahr waren es alte, kranke, bis auf die Knochen abgemagerte Frauen, die abends abgeholt und irgend-wohin transportiert wurden, um am nächsten Tag wieder betteln zu müssen. Wir müssen auf-hören, die sogenannte Freiheit des Bettelns zu glorifizieren. Hier werden Menschen auf kras-seste Art und Weise missbraucht.
Unsere Fraktion ist klar der Meinung, dass dem Betteln ein Riegel geschoben werden muss. Wir fordern den Gemeinderat zum Kampf gegen diesen unsinnigen Menschenhandel auf. Entweder werden diese Personen in unser Sozialsystem integriert, oder wir zeigen klar auf, dass solches Verhalten in unserem Land nicht toleriert wird. Solange wir unsere Augen ver-schliessen und nicht handeln, werden solche Gruppen immer dreister vorgehen. Jeder in die-sem Saal weiss, dass dem Betteln ohne Verbot nicht beizukommen ist und es ein generelles Verbot braucht, um auch den Menschenhandel gezielt unterbinden zu können. Wenn Sie den drogenabhängigen Bettlern die sogenannte Freiheit des Bettelns lassen wollen, geschieht das auf Kosten jener, die mit Gewalt in unser Land geschleppt und zum Betteln gezwungen wer-den. Das ist doch völlig ungerecht, asozial und abwertend.
Handeln wir also, solange wir handeln können. Die Fraktion BDP/CVP unterstützt den Vor-stoss von SVP/FDP als Motion und denjenigen der Fraktion FDP nur als Postulat, da aus un-serer Sicht eine Bevölkerungsbefragung zu diesem Thema unverhältnismässig aufwendig ist.

Erich J. Hess (JSVP) für die Fraktion SVPplus: Der Bezug von Hasim Sancar zu den alten Griechen lässt etwas ausser Acht: Im alten Griechenland oder in der Schweiz bestand bis Anfang des letzten Jahrhunderts keine Sozialhilfe. So war es für alle verständlich, wenn je-mand, der zum Leben nicht genug hatte, jemanden um Unterstützung anfragte. Grundsätzlich will unsere Fraktion keine neuen Gesetze in dieser Stadt. Also bietet sich folgende Wahl: Entweder wir erlauben das Betteln und schaffen dafür die Sozialhilfe ab, somit hätten wir uns vieler Gesetze entledigt. Die andere Variante besteht darin, Sozialhilfegelder zu zahlen, aber dafür das Betteln in der Innenstadt zu verbieten.
Im Ausland ist es verständlich, dass Leute auf der Strasse betteln gehen, weil der Staat den Leuten, denen es nicht so gut geht, kein soziales Auffangnetz bietet. Einmal begegnete ich in Istanbul zwei bettelnden Kindern, denen ich für ihren wunderschönen Gesang ein Geldstück gab. Doch danach beschäftigte mich der Gedanke, ob diese Kinder das Geld wirklich für sich behalten konnten oder ob sie es jemandem abgeben mussten. Sangen diese Kinder für den Unterhalt der eigenen Familien oder wurden sie von Aussenstehenden ausgenützt? Wer bet-telt denn hier in der Stadt Bern? Es sind kriminelle Organisationen, wie bereits gesagt wurde. Oder ein junger Mann, dem ich einmal begegnete, der bettelte, aber nicht verarmt aussah und im Gespräch auf meine Frage, was er mit dem Geld denn mache, schliesslich antwortete, er finanziere auf diese Weise seine Ferien.
Deswegen fordere ich Sie auf, im Interesse einer sauberen Stadt, einem Bettelverbot zuzu-stimmen, worin die gesamte Altstadt involviert ist. Während die GFL noch auf die Auswertung über die Auswirkungen des Bettelverbotes im Bahnhof wartet, kann ich das Resultat bereits vorwegnehmen: Es wird manche Seite Papier verbraucht werden, um unterm Strich zu sagen, dass die Bettler vom Bahnhof weg sind und sich in der Altstadt und der weiteren Bahnhofsre-gion verteilen. Wir haben die Sozialhilfe, in Bern und der gesamten Schweiz ist niemand auf das Betteln angewiesen. Wir finanzieren allen ein Dach über dem Kopf, die Krankenkasse und das Essen, niemand braucht zu betteln. Es ist Zeit für ein Bettelverbot.

Tanja Sollberger (GLP) für die Fraktion GLP: In einer freien und liberalen Gesellschaft hat jeder das Recht jemanden um eine Zigarette oder einen Franken anzufragen. Die individuel-len Freiheiten sollten nur in Ausnahmesituationen und sehr gut begründeten Fällen mit Verbo-ten beschränkt werden. Im Bereich des Bahnhofs war der Fall gegeben, dass die Freiheit von anderen übermässig tangiert wurde. Deswegen befürworteten wir das neue Bahnhofsregle-ment. Die Ausweitung des Bettelverbots auf das ganze Stadtgebiet finden wir übertrieben. Zwar stimmt es, dass in der Schweiz mit einem gut ausgebauten Sozialstaat grundsätzlich niemand auf das Betteln angewiesen ist. Nur weil etwas nicht notwendig ist, rechtfertigt dies aber kein Verbot. Es ist genauso legitim zu betteln, wie es auch legitim ist, einem Bettler kein Geld zu geben. Gegenüber gewerbsmässiger und organisierter Bettelei, gegenüber dem Missbrauch von Kindern, Kranken und Behinderten, fordern wir null Toleranz. Wir verurteilen solche Praktiken auf das Schärfste. Die nötigen Instrumente dagegen existieren bereits. Mich wundert, dass man tagtäglich an diesen Leuten vorbeigeht, ohne sie anzusprechen oder bei der Fremdenpolizei zu melden. Dass dies nur mit einem generellen Bettelverbot durchzuset-zen wäre, muss sehr gut begründet sein.
Die Abwägung der beiden Argumente: Nulltoleranz bezüglich organisierter Bettelei gegenüber der Freiheit von Einzelnen führte auch in unserer Fraktion zu Diskussionen. Als Fazit daraus fordern wir die Ausarbeitung eines Entwurfes, der spezifische Massnahmen gegen die organi-sierte Bettelei vorsieht und nicht ein generelles Bettelverbot. Die Motion fordert zwar die Aus-arbeitung eines Entwurfes, zielt aber auf ein generelles Bettelverbot. Die Randständigen, die gelegentlich einen Franken erbetteln, sollen nicht von so einem Gesetz betroffen sein. Mit der Überweisung als Postulat wären wir einverstanden. Der Gemeinderat soll einen Entwurf aus-arbeiten, der die Ausmerzung von organisierter und gewerbsmässiger Bettelei zum Ziel hat. Wir sind gegen ein flächendeckendes Bettelverbot. Die Mehrheit unserer Fraktion lehnt die Motion ab.

Rolf Schuler (SP) für die Fraktion SP/JUSO: Unsere Fraktion lehnt das Bettelverbot in der ganzen Stadt Bern ab. Die Durchsetzung einer entsprechenden Bestimmung würde enorme Personalressourcen in Anspruch nehmen. Das weiträumige Territorium erlaubt keine konse-quente Durchsetzung der Forderung der Vorstossenden. Es versteht sich, dass die Umset-zung der Forderung im ganzen Gemeindegebiet nach einheitlichen qualitativen und quantitati-ven Standards umgesetzt werden müsste. Mit der gegenwärtigen Finanzsituation unserer Stadt ist dies kaum umsetzbar.
Machen wir uns nichts vor: Betteln ist kein Schleck! Unsere Weltwirtschaftsordnung zwingt Menschen, ihr tägliches Brot zu erbetteln, sei es in unseren Gassen oder stellvertretend durch Brot für Alle, Caritas, das Arbeiterhilfswerk oder andere Institutionen, während Banken vom Staat mitsubventionierte Boni einstreichen.
Wenn wir uns die gegenwärtige Suchtpolitik vor Augen führen, fällt auf, dass die in unserem Land restriktive Haltung bei der Abgabe sogenannter illegaler Drogen zu einem guten Teil für das Betteln in der Stadt verantwortlich ist. Mit einem generellen Bettelverbot würden Drogen-abhängige vermehrt zur Prostitution gezwungen. Weiter führt ein Bettelverbot zu vermehrter Kleinkriminalität. Profiteure dieser Politik sind Drogenbarone, Finanzakrobaten und nicht zu-letzt jene Banken mit der gegenwärtigen grössten Medienpräsenz in unserem Land.
Die von den Motionären vorgetragene Einschätzung, dass die Stadt Bern durch die Bettelei viel von ihrem Charme verloren habe, bestreiten wir ganz entschieden. Dieser Behauptung liegen keine wissenschaftlich fundierten Aussagen zugrunde.
Das Recht zu betteln ist ein integrierender Bestandteil unserer Rechtsordnung. Es ist legitim, etwas mehr als nur das Allernötigste in der Tasche zu haben. Wer trinkt nicht gerne einen Kaffee in der Stadt? Wer schätzt nicht den Zopf mit Honig am Sonntagmorgen? Wer möchte nicht einmal einen Ausflug ins Berner Oberland machen? Die Sozialhilfe reicht nicht aus und solche Dinge gehören zur Steigerung der Lebensqualität von Menschen mit einer Behinde-rung oder Krankheit.
Die SP-Juso-Fraktion lehnt beide Vorstösse ab, sowohl als Motion wie auch als Postulat.

Einzelvoten

Rolf Zbinden (PdA): Dieser Rat kennt ein paar Themen, die regelmässig gepflegt werden, als Beispiele: Sozialhilfe, Reitschule, Bettelei. Manche Bürgerinnen und Bürger mögen sich fra-gen, ob wir hier nicht Wichtigeres und Besseres zu tun hätten. Die PdA Bern meint, bei diesen Themen handelt es sich nicht um Nebensächlichkeiten, die auf Nebenschauplätze abgescho-ben gehören. In genau diesen Themen zeigt sich deutlich, wie es die verschiedenen Parteien halten mit der sozialen Solidarität, der kulturellen Toleranz und mit der Achtung derjenigen, die an den gesellschaftlichen Rand gedrängt wurden.
Wie in allen bisherigen Vorstössen zum Thema werden auch in diesen beiden Vorstössen die "organisierten Bettelbanden" und ihre Ausbeutung von Kinderarbeit angeprangert. Kein Kind, keine behinderte Person, keine Familie verdient es, auf diese Art ihr Leben zu fristen. Sogar auf der Flucht vor materiellem Elend und rassistischer Verfolgung können sich die Schwächsten der Schwachen dem Teufelskreis der Ausbeutung nicht entziehen. Wer es mit der morali-schen Kritik der grenzenlosen Ausbeutung ernst meint, wird nicht darum herumkommen, den Skandal zur Sprache zu bringen, der zu Flucht und Vertreibung führt: Die skrupellose Plünde-rung von natürlichen, ökonomischen und menschlichen Ressourcen in den jeweiligen Her-kunftsländern. Die Abschiebung der bettelnden Armen aus den Oasen des Wohlstandes fügt dem ersten einen weiteren Skandal hinzu. Die Motionäre wollen davon nichts wissen, sie lie-ben einfache Lösungen. Was wäre, wenn die "bandenmässig betriebene Bettelei", gegen die sie uns moralisch aufrüsten wollen, sich gar nicht so einfach nachweisen liesse? Wenn diese Aufgabe die Kapazität der überstundengeplagten Ordnungshüter bei Weitem überstiege? Die-sem Beweisnotstand kommen die Motionäre aber zuvor, indem sie einem generellen Bettel-verbot das Wort reden. So funktionieren einfache Lösungen eben. Damit aber noch nicht ge-nug, denn mit dem moralischen Schwung aus den Bettel- und Bandengeschichten geht es über in die Putzteufelei zur Rettung des Weltkulturerbes. Um dieses Erbe wäre es wahrlich schlecht bestellt, wenn durch "diese Randerscheinungen Charme, Schönheit und Ansehen" verloren würden. Was macht den Unterschied zwischen einer lebendigen Stadt und einem Vergnügungs-, Kommerz- und Verblödungspark? Sicherlich gibt es in diesem Rat und zwar in fast allen Fraktionen sensible Gemüter, die sich der elenden Seite dieser Gesellschaft lieber nicht so direkt aussetzen möchten. Das Gleichgewicht könnte dadurch gefährdet werden und sie brächten es nicht übers Herz nein zu sagen, wenn sie um eine kleine Spende gebeten werden. Also wollen sie die leidliche Angelegenheit lieber gleich den Ordnungshütern über-tragen. Die Steuergelder für diese sentimentalen Luxusbedürfnisse werden wir uns sparen.
Dass Bettelvorstösse aus den Reihen derjenigen kommen, die keine Gelegenheit auslassen, das Hohelied auf einen befreiten Markt zu singen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Geht doch ihre deregulierte Saat so prächtig auf. Wenn aber immer mehr Verarmte sich in die laut gepriesene Ich-AG verwandeln, dann wird nach Verboten geschrien. Auch die PdA fragt sich, wie es um den Charme und das Ansehen bestellt ist. Welche Charmeure haben denn die Her-kunftsländer der Armen geplündert, weil sie dort das schnelle Geld rochen? Wie steht es denn mit dem Ansehen derjenigen Institute, die sich vom Staat Milliarden in den Rachen stopfen lassen? Die allerdings betteln nicht, sondern die erpressen.
Wegen Überschreitung der Redezeit wird das Mikrofon ausgeschaltet.

Lea Bill (JA!): Die beiden vorliegenden Motionen kranken am selben Punkt: Es scheint den Motionären nicht möglich, zwischen organisierter Bettelei und Betteln, als Suche nach Hilfe, wie es das Bundesgericht ausdrückt, zu unterscheiden. Bernhard Eicher hat den Unterschied in seinem Votum zwar erwähnt, in seinem Vorstoss wird er aber nicht gemacht. Die Negation des Bettelns als Suche nach Hilfe, wie es vom Bundesgericht als elementares Freiheitsrecht benannt wird, ist wohl dadurch zu erklären, dass Sie nie einen Fuss in die Innenstadt setzen. Hielten Sie sich in der Innenstadt auf, würde Ihnen nämlich klar, dass es wirklich Leute gibt, die durch die sozialen Netzwerke fielen und aus diesem Grund auf der Strasse betteln. Wenn die Motionäre Philippe Müller und Beat Schori die Einführung eines Bettelverbots auch noch hauptsächlich damit begründen, dass die Bettler nerven und das Image der Stadt Bern be-schädigen, ist das sehr fragwürdig. Manches in dieser Stadt mag nerven, das reicht aber lan-ge noch nicht, es zu verbieten. Solche Begründungen zeugen von einer unermesslichen Arro-ganz. Denn Sie gehen davon aus, dass es Bettelnden darum ginge, auf die Strasse zu gehen und zu nerven. Die JA! wehrt sich vehement gegen diese Einstellung, die an der Realität vor-beigeht und zudem die Bevölkerung in zwei Gruppen teilt: Diejenigen, die den Normen ent-sprechen und die Guten sind gegenüber denjenigen, die den Normen nicht entsprechen und deshalb keine Berechtigung haben sich frei zu bewegen.
Die Motion von Bernhard Eicher beinhaltet zusätzlich noch folgende Probleme: Erstens lässt sich von einem Ja zum Bahnhofreglement nicht die Befürwortung eines städtischen Bettelver-bots ableiten, denn das Bahnhofreglement beinhaltete noch viel mehr als nur ein Bettelverbot. Zwischen einem räumlich begrenzten und einem gemeindeweiten Bettelverbot gibt es einen grossen Unterschied. Dass dieser Zusammenhang vom Motionär erstellt wird, bestätigt nur unsere Befürchtungen, dass das begrenzte Bettelverbot als Grundlage gebraucht wird, um ein gemeindeweites Bettelverbot einzuführen. Zweitens ist die Anführung des Bundesgerichtsent-scheides in der Motion von Bernhard Eicher fragwürdig. Wenn das Ziel unter dem Motto "aus den Augen aus dem Sinn" gefasst ist, kann nur ein städtisches Bettelverbot dahin führen, weil ein räumlich begrenztes Bettelverbot, nur zur Verlagerung, beziehungsweise zur Vertreibung der Bettelnden führt. Die "aus den Augen aus dem Sinn"-Politik führt nicht zu Problemlösun-gen, sondern ist blosse Augenwischerei. Vielmehr stellt sich die Frage, aus welchem Grund die Leute eigentlich betteln. Nur so kann das Problem an der Wurzel gepackt werden und das bedeutet in diesem Fall, die Armut dieser Menschen zu bekämpfen. In diesem Sinne sind die beiden Vorstösse als Motion oder auch umgewandelt in ein Postulat abzulehnen.

Motionär Bernhard Eicher (JF): Wie Lea Bill richtig bemerkt, lässt sich aus der Annahme des Bahnhofreglements nicht eine Annahme des Bettelverbotes ableiten. Aber das lässt sich mit einer Volksabstimmung herausfinden. Ich bin überzeugt, dass ein Bettelverbot bei der Ab-stimmung durchkommen wird. Auf folgende drei Punkte will ich nochmals hinweisen: Es wur-de mehrmals gesagt, der Missbrauch von Menschen sei zu verurteilen, die bestehenden Ge-setze seien dazu hinlänglich. Wieso aber sehen wir dann immer wieder bettelnde Kinder oder Leute, die offenbar zum Betteln missbraucht werden? Die Gesetze reichen offensichtlich nicht. Es bedarf einer Konkretisierung: Wie lauten denn diese Bestimmungen in unserer Ge-setzgebung, die solche Fälle verhindern helfen? Ich persönlich kenne keine konkreten Be-stimmungen dazu. Zweitens gibt es die Lippenbekenntnisse gegen die organisierten Bettel-banden, aber ohne den Willen, das Betteln generell zu verbieten. Was machen Sie denn ge-gen diese Bettelbanden? Ich habe noch keine Idee und keinen Vorstoss von Ihnen dazu ge-sehen. Wenn Sie das Bettelverbot ablehnen wollen, müssen Sie wenigstens Alternativen brin-gen. Drittens zum Argument, das Bettelverbot sei kein Allerweltsheilmittel. Dem ist wohl so, trotz Bettelverbot würden weiterhin einzelne Menschen missbraucht werden. Immerhin erach-tet das Bundesgericht das Bettelverbot als adäquates Mittel zur Bekämpfung krimineller Or-ganisationen, zum Schutz von Kindern und schwachen Menschen. Wenn Sie sich mit Ihren Argumenten gut gerüstet fühlen, dürfen Sie die Volksentscheidung nicht fürchten.

Jimy Hofer (parteilos): Es geht nicht nur darum mit dem Bettelverbot der Polizei ein neues Instrument zu geben, sondern auch um eine Rechtssicherheit für Gewerbetreibende vor deren Geschäften sich Bettler niederlassen. Ruft man die Polizei an, hat sie keine Zeit. Bestünde ein Bettelverbot, wäre eine einfache und klare Regelung gegeben, nach der jedermann den Bettler vor der Türe mit dem Hinweis auf das Verbot in allem Anstand wegweisen könnte. Die Polizei müsste nicht erscheinen. So herrschten Rechtssicherheit und -gleichheit und die klare Abmachung, dass man in dieser Stadt nicht betteln darf. In dieser Wohlfahrtsstadt im reichs-ten Land der Welt hat es niemand nötig zu betteln.

Peter Bühler (SVP): Hätten wir ein Sozialnetz wie die USA würde ich dem von Hasim Sancar Gesagten zustimmen. Die Schweiz hat aber eines der dichtesten Sozialnetze. Die GFL weise ich darauf hin, dass wir zwei Vorstösse diskutieren: Einer beinhaltet ein Bettelverbot für die Innenstadt, der andere fordert eine Volksabstimmung über ein stadtweites Bettelverbot. Es ist interessant, wie die GFL zwischen dafür und dagegen hin und her schwankt. Bei diversen Vorstössen, die von mir kamen, waren Sie dagegen. Darauf kam ich mit dem Kompromiss, uns nur noch auf die organisierten Banden zu konzentrieren. Sie versagten da die Unterstüt-zung mit dem Einwand, es sei noch nicht richtig formuliert. Dem anschliessenden Vorstoss von Hasim Sönmez gaben Sie Ihre Unterstützung. Mit dem Vorstoss von Philippe Müller und Beat Schori liegt nochmals derselbe Vorstoss vor, der die Innenstadt bettelfrei machen will. Nun aber reden Sie wieder dagegen. Das Argument, Bettler bräuchten diese Unterstützung, entkräftete Peter Bernasconi in einer der letzten Sitzungen. Im Auftrag der Fraktion suchte er das Gespräch mit diesen Leuten und offerierte jedem ein Essen. Von 15 Personen nahm ei-ner das Angebot dankend an, alle anderen zogen es vor, das Geld zu nehmen. Und da kom-men Sie und sagen, die müssten betteln! Wir können noch ein anderes Spiel machen: Wenn Sie Angst haben zu fragen, was das Volk zu einem Bettelverbot meint, bleibt uns noch ein demokratisches Instrument, die Initiative. Wenn wir die Unterschriften dazu zusammenbrin-gen, können Sie nicht mehr blockieren, dass das Volk dazu Stellung nimmt. Dann haben Sie gewiss ein Problem.

Motionär Philippe Müller (FDP): Eine Bemerkung zur GLP und der gesetzlichen Handhabung: Es stimmt, das steht auch in der Antwort des Gemeinderates. Nur leider ist die ausländer-rechtliche eine bloss theoretische Handhabe. Sie können nicht von jedem Bettler einen Aus-weis verlangen und in danach vielleicht am Betteln hindern. Mit dem Bettelverbot hingegen sieht man den Leuten an, wer delinquiert, das sind dann eben jene, die trotzdem betteln. Falls unsere Motion überwiesen wird, geht die eindeutige Direktive an den Gemeinderat für ein Bettelverbot auf dem Gebiet Innenstadt. Die GFL unterstützte vor einem Jahr dieses Bettel-verbot, schwenkt nun aber um. Sie sind offenbar unter dem Druck der Bündnispartnerin SP umgekippt. Immerhin haben Sie Alexander Tschäppät den Sitz im Verwaltungsrat des ewb verweigert, aber nun müssen Sie wieder parieren. Sie lehnen dasselbe Bettelverbot ab, das Sie vor einem Jahr angenommen hätten, es fehlt Ihnen offenbar an Rückgrat.
Direktor SUE Reto Nause für den Gemeinderat: In seiner alten Zusammensetzung hat dieser Rat schon einmal abgelehnt ein Bettelverbot einzuführen. Wenn der Gemeinderat kritisiert wird, er unternehme nichts, muss ich einwenden, dass der Rat dazu keinen Auftrag erteilte. Heute müssen wir einen neuen Richtungsentscheid fällen. Die konkrete Ausgestaltung und die Vollzugsmechanismen eines Bettelverbotes bleiben dabei noch offen. Der Gemeinderat ist der Meinung, die Durchsetzung des Bettelverbotes im Bahnhof erfolgte ohne Probleme. Das ist eine praxisnahe, einfache Regelung, die sich durchsetzen lässt. Sie wurde vom Volk an-genommen und hatte Vorbilder in anderen Städten, die bereits so praktizierten. Bei der heuti-gen Debatte zeichnet sich ein dahin gehender politischer Konsens ab, dass man das ban-denmässig organisierte Betteln unter Einsatz von Kindern und Invaliden rigoros bekämpfen soll. Gegen diese Form des Missbrauchs und der Kriminalität verfügen wir heutzutage nur über indirekte Instrumente. Wie in der Debatte angesprochen, macht unsere Fremdenpolizei einen guten Job und geht das Phänomen nachhaltig an, dabei stehen ihr aber nur die Mittel des Ausländerrechts zur Verfügung. Zur Forderung der Nulltoleranz muss ich einwenden, dass uns dazu heute die Mittel und Instrumente fehlen. Die Leute an der Front werden Ihnen auf die Frage, wie denn das bandenmässige und organisierte Betteln künftig zu verhindern wäre, zur Antwort geben, dass es ausserordentlich schwierig sei, diese Verstrickungen nach-zuweisen. Es kann nicht darum gehen jemanden anzuzeigen, der einem um einen Franken oder eine Zigarette angeht. Möglicherweise könnte ein Bettelverbot in einem stark begrenzten Perimeter ein einfaches und starkes Instrument sein, um die Arbeit an der Front zu erleich-tern. Aber ohne neue finanzielle Mittel wird man den Vollzug dieses Verbotes nicht sicherstel-len können.

Beschluss

1. Der Stadtrat lehnt die Motion Traktandum 4 ab (26 Ja, 36 Nein, 3 Enthaltungen).

Die Abstimmung erfolgt unter Namensaufruf.

Mit Ja stimmen: Hans Peter Aeberhard, Vinzenz Bartlome, Thomas Begert, Dieter Beyeler, Manfred Blaser, Peter Bühler, Philippe Cottagnoud, Bernhard Eicher, Jan Flückiger, Claude Grosjean, Erich J. Hess, Kurt Hirsbrunner, Jimy Hofer, Mario Imhof, Ueli Jaisli, Vania Kohli, Edith Leibundgut, Claudia Meier, Philippe Müller, Pascal Rub, Martin Schneider, Hasim Sön-mez, Peter Wasserfallen, Thomas Weil, Béatrice Wertli, Christoph Zimmerli

Mit Nein stimmen: Cristina Anliker-Mansour, Giovanna Battagliero, Kathrin Bertschy, Lea Bill, Conradin Conzetti, Susanne Elsener, Regula Fischer, Andreas Flückiger, Urs Frieden, Tho-mas Göttin, Beni Hirt, Natalie Imboden, Ruedi Keller, Peter Künzler, Annette Lehmann, Anna Magdalena Linder, Daniela Lutz-Beck, Ursula Marti, Corinne Mathieu, Christine Michel, Patri-zia Mordini, Stéphanie Penher, Rahel Ruch, Hasim Sancar, Emine Sariaslan, Daniela Schä-fer, Rolf Schuler, Miriam Schwarz, Tanja Sollberger, Barbara Streit-Stettler, Luzius Theiler, Aline Trede, Gisela Vollmer, Nicola von Greyerz, Rolf Zbinden, Beat Zobrist

Enthaltungen: Rania Bahnan Büechi, Nadia Omar, Martin Trachsel

Abwesend: Michael Aebersold, Peter Bernasconi, Henri-Charles Beuchat, Rithy Chheng, Do-lores Dana, Anastasia Falkner, Jacqueline Gafner Wasem, Simon Glauser, Beat Gubser, Ley-la Gül, Stefan Jordi, Daniel Klauser, Michael Köpfli, Erik Mozsa.

2. Der Stadtrat lehnt die Motion Traktandum 5 ab (27 Ja, 39 Nein).

Die Abstimmung erfolgt unter Namensaufruf.

Mit Ja stimmen: Hans Peter Aeberhard, Vinzenz Bartlome, Thomas Begert, Dieter Beyeler, Manfred Blaser, Peter Bühler, Philippe Cottagnoud, Dolores Dana, Bernhard Eicher, Jan Flü-ckiger, Claude Grosjean, Erich J. Hess, Kurt Hirsbrunner, Jimy Hofer, Mario Imhof, Ueli Jaisli, Vania Kohli, Edith Leibundgut, Claudia Meier, Philippe Müller, Pascal Rub, Martin Schneider, Hasim Sönmez, Peter Wasserfallen, Thomas Weil, Béatrice Wertli, Christoph Zimmerli

Mit Nein stimmen: Cristina Anliker-Mansour, Rania Bahnan Büechi, Giovanna Battagliero, Kathrin Bertschy, Lea Bill, Conradin Conzetti, Susanne Elsener, Regula Fischer, Andreas Flückiger, Urs Frieden, Thomas Göttin, Beni Hirt, Natalie Imboden, Ruedi Keller, Peter Künz-ler, Annette Lehmann, Anna Magdalena Linder, Daniela Lutz-Beck, Ursula Marti, Corinne Mathieu, Christine Michel, Patrizia Mordini, Nadia Omar, Stéphanie Penher, Rahel Ruch, Ha-sim Sancar, Emine Sariaslan, Daniela Schäfer, Rolf Schuler, Miriam Schwarz, Tanja Sollber-ger, Barbara Streit-Stettler, Luzius Theiler, Martin Trachsel, Aline Trede, Gisela Vollmer, Ni-cola von Greyerz, Rolf Zbinden, Beat Zobrist

Abwesend: Michael Aebersold, Peter Bernasconi, Henri-Charles Beuchat, Rithy Chheng, A-nastasia Falkner, Jacqueline Gafner Wasem, Simon Glauser, Beat Gubser, Leyla Gül, Stefan Jordi, Daniel Klauser, Michael Köpfli, Erik Mozsa.