MEDIENSPIEGEL 29.4.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (tojo)
- Rauchverbot: GastroBern geht vor Bundesgericht
- PROGR: Abstimmung bleibt; Mäzen tritt an Öffentlichkeit
- Homophobie Türkei + Zürich; Schwule Sprayer
- Drogenszene Winterthur: Oberflächlicher Erfolg
- Che Guevara: Nase ab
- Umverteilung in Spanien

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REITSCHULE
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Mi 29.04.09
19.00 Uhr - SousLePont - Wallis Spezialitäten
22.00 Uhr - SousLePont - Offene Bühne Nr. 112

Do 30.04.09
09.00 Uhr - Viktoriaplatz - Übergabe des Public Eye Award-Schmähpreises an die BKW
09.45 - BEA-Austellungshalle 220 - Protestaktion an der Generalversammlung der BKW
20.00 Uhr - Kino - Soy Cuba, M. Kalatosow, CUB 1964, 141 Min., 35mm, span./d  - Mit einer Einführung von Geri Krebs
20.30 Uhr - Tojo - Auawirleben: Für eine bessere Welt, Roland Schimmelpfennig. HKB
21.00 Uhr - Rössli-Bar - BABEL FISHH US, Rap

Fr 01.05.09 (Heraus zum 1. Mai!)
15.30 Uhr - Kramgasse - Besammlung zum 1. Mai-Umzug
15.45 Uhr - Kramgasse - Besammlung Revolutionärer Block
16.00 Uhr - Innenstadt - 1. Mai-Umzug
16.30 Uhr - Bundesplatz - Offizielle Feier mit diversen Reden + Konzerten: Addam Had'em, Stiller Has BE
16.30 Uhr - Vorplatz - Revolutionäres 1. Mai-Fest - Infostände, Antifaschistischer Jahrmarkt + Konzerte: Skärseld D (HC-Punk), ProtonProd CH (Rap), Quartier Libre FR (Ska-Punk) (bis 23.00)
20.30 Uhr - Kino - Soy Cuba, M. Kalatosow, CUB 1964, 141 Min., 35mm, span./d
20:30 Uhr-  Auawirleben: "Für eine bessere Welt" von Roland Schimmelpfennig. HKB. Danach Publikumsgespräch.
23.00 Uhr - Vorplatz- Piratenbar & DJ IPod
23.00 Uhr - Dachstock - Ballroomblitz II: Saint Pauli (Etage Noir Special/Moonbootique/ger) & Zaber Riders (ch)

Sa 02.05.09
20:30 Uhr- Auawirleben: "Für eine bessere Welt" von Roland Schimmelpfennig. HKB
21.00 Uhr - Kino - Havanna - die neue Kunst Ruinen zu bauen, F. Borchmeyer, D/CUB 2006, 85 Min., 35mm, OV/d
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid Session: Calibre (Signature Recs/UK) & MC DRS (UK)

So 03.05.09:
08.00 Uhr - Grosse Halle/Vorplatz - Flohmarkt
09.00 Uhr - SousLePont - Brunch
18.00 Uhr - Rössli-Bar - Piano-Bar


Infos: www.reitschule.ch

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BZ 29.4.09

Festival "Auawirleben"

Aufstand der Anarchisten

Auuua: Im Stück "Hausprobe" nach einem Roman von US-Autor Joey Goebel protestiert eine dilettantische Musikband gegen alles und jeden. Auf schräge und vergnügliche Art übt die deutsche Theatergruppe M21 Kulturkritik.

Kein Zweifel: Das Hauptmerkmal dieser Punk-Country-Crossover-New-Wave-Retroband aus Kentucky sind schlechte Frisuren. Bandleader und Erzähler Luster (Johannes Nehlsen) zum Beispiel trägt eine blonde Perücke, die ihn wie ein Kurt-Cobain-Verschnitt aussehen lässt. Rora (Martina Hesse), die im Rollstuhl sitzende ehemalige Stripperin und Pfarrerstochter, die mittlerweile zum Satanismus konvertiert ist, trägt eine schwarze Hexenmähne, Opel, die achtzigjährige Sexsüchtige (Susanne Martin), graue Locken mit Hippieband und Ray, ein Iraker mit Kriegstrauma (Jan Exner), eine Wischmobfrisur.

Eine achtjährige Apokalyptikerin ist auch mit von der Partie, tritt aber nicht auf, sondern wird von Opel lediglich suggeriert. "Ich kack euch alle voll", ruft sie mit Vorliebe. Geprobt wird für den grossen Auftritt, damit Luster seinen Job, den er hasst, nicht länger ausüben muss.

Das Stück "Hausprobe" basiert auf dem grotesken Roman "Freaks" des 1980 in Kentucky geborenen Autors Joey Goebel. Luster ist offensichtlich sein Alter Ego, der damit droht, ein Buch zu schreiben. So taucht man ein in Amerikas Gegenkultur, die dort (wie vieles andere) radikaler ausfällt als in Europa. Wer hier die Nase voll hat, hat sie gestrichen voll.

Attitüden und Plattitüden

Die Gruppe M21 schuf aus Goebels Roman ein zwar etwas lang geratenes, aber mehrheitlich vergnügliches und manchmal urkomisches Bühnenwerk mit vielen Musikeinlagen, das thematisch bestens ins Programm des Theaterfestivals "Auawirleben" passt. Dabei wird nicht einfach auf platte Weise Konsum- und Kulturkritik geübt, sondern auch der pathetische Wunsch der Bandmitglieder, sich um jeden Preis vom Mainstream abzusetzen, ironisiert.

"Bist du eher wie Schaffell oder wie Leder?", fragt die laszive Satanistin ihre Bandmitglieder, um deren ach so eigenständige Persönlichkeit auszuloten. "In irgendeiner Form war ja alles schon da", klagt Luster gelangweilt. Lieber möchte er in den Achtzigern jung gewesen sein, als man noch über Sex singen konnte. Derweil parodieren die Protestsongs den Möchtegernaktivismus einiger Stars und erzählen grossspurig, aber ziemlich platt von einem armen gejagten Wal, der im japanischen Meer schwimmt.

"Humanoide" aufgepasst

Sämtliche Schauspieler schlüpfen in mehrere Rollen und suggerieren so verschiedene zeittypische Situationen. Eltern, Lehrer und Therapeuten kommen meistens schlecht weg. Das Feindbild der Band sind die "Humanoiden" - Menschen, die alles so machen wie die Masse.

Diese Gesellschaftskritik lässt sich gut auf Europa übertragen, da die Zahlen verrückter Selbsthilfegruppen und von Ritalin-Kindern auch bei uns zunehmen. Doch das Thema Golfkrieg, das im Stück vorkommt, wirkt merkwürdig, wenn gleichzeitig erklingende Songs wie "Keine Liebe bei Lidl" den deutschen Billigladen kritisieren. Vielleicht hätte sich Regisseur Joachim von Burchard entscheiden sollen, ob er das Stück in Kentucky oder Göttingen spielen lassen will. Im Gegensatz zu Lidl gibt es "Humanoide" schliesslich überall.

Helen Lagger

Heute und morgen am Festival "Auawirleben": "Der Bus" von Lukas Bärfuss als Outdoorproduktion im Gürbetal (Start: jeweils 19 Uhr, Dampfzentrale, bei jeder Witterung). Morgen ausserdem: "Für eine bessere Welt" von Roland Schimmelpfennig (20.30 Uhr, Tojo Theater) und das Finale von "Die Revolution Gottes" (20 Uhr, Grosse Schanze). Tickets und weitere Infos:

http://www.auawirleben.ch

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RAUCHVERBOT
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Regionaljournal DRS Bern 29.4.09

NR: Berner Wirte ziehen Rauchverbot vor Bundesgericht (0:25)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe7v729042009.rm?start=00:01:12.292&end=00:01:38.138

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Bund 29.4.09

Gastro Bern geht vor Bundesgericht

 Passivrauchen Der bernische Wirte- und Hotelierverband Gastro Bern ficht wie angekündigt die Ausführungsbestimmungen des Kantons zum Gesetz über den Schutz vor Passivrauch vor Bundesgericht an. Das hat der Vorstand von Gastro Bern gestern beschlossen. In der Beschwerde werde Gastro Bern Unverhältnismässigkeit und eine zu starke Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit geltend machen, sagte Gastro-Bern-Präsident Casimir Platzer der Nachrichtenagentur SDA auf Anfrage.

Der bernische Regierungsrat erliess die Ausführungsbestimmungen Anfang April, nachdem er eine Kurzvernehmlassung durchgeführt hatte. Darin äusserte Gastro Bern Kritik, auf die aber der Regierungsrat nicht einging. Er könne nicht, weil so der Auftrag des Grossen Rats missachtet würde, argumentierte die Exekutive.

Aufschiebende Wirkung?

 Den Wirten missfällt vor allem, dass die Gaststube nicht Fumoir sein darf und dass in diesen abgetrennten Raucherbereichen weder Bar noch Buffet zugelassen sind. Das sei unpraktikabel. Das Gesetz, das Personal und Gäste in öffentlichen Gebäuden vor den Auswirkungen des Rauchens schützen will, soll am 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten. Monika Studer vom bernischen Amt für Wirtschaft Beco sagte gestern Abend auf Anfrage, grundsätzlich habe eine solche Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesgericht könne aber von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die aufschiebende Wirkung anordnen. (sda)

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BZ 29.4.09

Rauchverbot

Die Wirte gehen vor Gericht

Gastrobern erhebt beim Bundesgericht Beschwerde gegen die Verordnungen zur Umsetzung des kantonalen Rauchverbots.

Der kantonale Wirte- und Hotelierverband Gastrobern macht Ernst: Er akzeptiert die zwei Verordnungen zur Umsetzung des kantonalen Gesetzes zum Schutz vor Passivrauchen nicht und gelangt deshalb ans Bundesgericht. Das hat der Vorstand von Gastrobern gestern beschlossen.

In der Beschwerde werde Gastrobern "Unverhältnismässigkeit" und eine "zu starke Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit" geltend machen, sagt Gastrobern-Präsident Casimir Platzer. Er hatte Anfang April angekündigt, dass sein Verband das ab 1.Juli geltende Rauchverbot "so nicht akzeptieren" werde und er sich politische und juristische Schritte vorbehalte. Die Wirte wollen sich nicht vorschreiben lassen, welchen Raum sie als Fumoir betreiben können. Und sie wollen auch im Raucherraum eine Bar oder ein Buffet betreiben dürfen.

Der Regierungsrat hat die zwei Verordnungen zur Umsetzung des kantonalen Rauchverbots Anfang April erlassen. Zuvor hatte er eine Kurzvernehmlassung durchgeführt. Bereits damals hatte Gastrobern Kritik geäussert. Doch die Regierung war den Wirten nur wenig entgegengekommen. Der zuständige Volkswirtschaftsdirektor Andreas Rickenbacher (SP) begründete dies damit, dass eine Lockerung der Vorschriften nicht möglich sei, "weil damit der Auftrag des Grossen Rats nicht umgesetzt würde, keine Raucherbetriebe zuzulassen".

Noch unklar ist, ob der Gang der Wirte ans Bundesgericht die Inkraftsetzung des Rauchverbots verzögern wird. Monika Studer vom kantonalen Amt für Wirtschaft (Beco) sagte gestern gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, grundsätzlich habe eine solche Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesgericht könne aber von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die aufschiebende Wirkung anordnen.
drh

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PROGR.CH
proprogr.ch
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bernerzeitung.ch 29.4.09

Progr-Abstimmung: SVP-Beschwerde abgeblitzt

Die SVP-Beschwerde gegen die Progr-Abstimmung erhält vom Verwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung. Die Variantenabstimmung vom 17. Mai bleibt bestehen.

Das kantonale Verwaltungsgericht hält in seiner Begründung unter anderem fest, dass in der Abstimmungsbotschaft keine Verletzung der Pflicht zur objektiven Information festzustellen sei, so die Stadt in einer Mitteilung.

Der entgültige Entscheid liegt jedoch bei der Regierungsstatthalterin. Unter Vorbehalt dieses Entscheids findet die Abstimmung wie geplant statt. (ase/pd)

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Regionaljournal DRS Bern 29.4.09

NR PROGR-Abstimmung Verwaltungsgericht weist Entscheid ab (0:27)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1229042009.rm?start=00:01:25.004&end=00:01:52.887

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BZ 29.4.09

Progr-Abstimmung vom 17. Mai

Der Kampf um Köpfe ist entbrannt

Der Abstimmungskampf um das ehemalige Progymnasium ist lanciert. Die Künstler zaubern Mäzen Hansjörg Wyss aus dem Sack. Die Stadt scheut die Parteinahme für den Wettbewerbssieger "Doppelpunkt".

Wenn er auftaucht, dann geht es um viel Geld: Hansjörg Wyss, Berner Kunstmäzen und milliardenschwerer Pharmaunternehmer. Nur ganz selten tritt er vor die Medien. Etwa, wenn es um den 12 Millionen teuren Berner Kunstmuseumsanbau geht, den er finanziert. Oder wenn er der Fondation Beyeler 7,5 Millionen in Aussicht stellt.

Gestern trat er wieder einmal öffentlich auf - anlässlich der Medienkonferenz der Künstlerinitiative Pro Progr. "Hansjörg Wyss ist einer von unseren 120 Geldgebern. Weil wir immer wieder hören, unsere Finanzierung sei unsicher, haben wir ihn eingeladen, öffentlich aufzutreten", so Komiteeleiter Peter Aerschmann. Mit diesem Schachzug läutete das Komitee die heisse Phase des Abstimmungskampfs ein.

"Ich unterstütze nur Projekte, die eine Zukunft haben", erklärte Wyss. Wie hoch seine Spende ist, wollte er jedoch nicht preisgeben. Klar ist, dass er einen Anteil der von den Kulturschaffenden gesammelten 6,5 Millionen Franken geleistet hat. Für Wyss ein nicht ganz unriskantes Vorgehen: Wird das Projekt am 17.Mai vom Stimmvolk abgelehnt, würde nach 2001 bereits sein zweiter Versuch scheitern, Gegenwartskunst im Progr zu fördern.

 "Kein Maulkorb"

Einen Rückschlag erlitt das Komitee Pro Doppelpunkt bei der Suche nach Köpfen. Architekt Mark Werren, Mitglied der Jury des Investorenwettbewerbs, stand anfänglich auf der Rednerliste. Gestern fehlte er, war aber noch als Komiteemitglied aufgeführt. "Ich bin nicht Mitglied des Komitees", sagte Werren auf Anfrage. Er hätte gerne von seiner Warte aus informiert. Nach Rücksprache mit dem Leiter der städtischen Liegenschaftsverwaltung, Fernand Raval, der als Vertreter der Gebäudebesitzerin ebenfalls Jurymitglied war, habe er jedoch erkennen müssen, dass "eine klare Situation von Befangenheit" bestanden hätte. Gescheitert sei sein Auftritt an der kurzfristigen Planung, von einem Maulkorb könne keine Rede sein. Raval bestätigt dies: "Ich habe Mark Werren diesen Ratschlag gegeben." Verboten worden sei von Seiten der Stadt aber nichts. Kein Problem hat Raval damit, dass der Direktor des Kunstmuseums, Matthias Frehner, gestern für die Künstlerinitiative Pro Progr einstand.

Ambivalente Haltung

Wo die Stadt selber steht, ist unklar. Der Gemeinderat hält zwar formell dem Wettbewerbssieger die Stange. Vor dem Stadtrat, der sich für eine Variantenabstimmung und im Stichentscheid für "Pro Progr" aussprach, bekannte sich Stadt- und Jury-Präsident Alexander Tschäppät (SP) allerdings plötzlich als "Pro Progr"-Sympathisant. Eine beim Verwaltungsgericht hängige Beschwerde der SVP beanstandet den nachträglichen Einbezug der Künstler als Verstoss gegen geltendes Recht. Ob der Volksentscheid gültig ist, werden nun Richter entscheiden.

Stefanie Christ  Christoph Aebischer

Vielfalt mit "Doppelpunkt"

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Das Siegerprojekt "Doppelpunkt" kämpft um seinen Ruf: Nicht Mono- sondern Mischkultur bei solider Finanzierung sei angesagt.

Der Wettbewerbssieger "Doppelpunkt" will sein Image nicht fremdbestimmen lassen. Das Abstimmungskomitee, das gestern vor die Medien trat, stört sich an der Reduktion auf die Schlagwörter Gesundheitszentrum und Zürcher Kommerz. Dem Projekt liege die Idee eines Berner Planungsteams zu Grunde. Erst danach sei der Investor, die Generalunternehmung Allreal mit Sitz in Zürich, gewonnen worden, erläuterte Mario Ryter. Er ist Partner beim Architekturbüro Bauart, welches das Projektteam leitet. Seit zwei Jahren arbeite das Team am Projekt, inzwischen sei auf eigenes Risiko bereits eine Million Franken investiert worden.

Im denkmalgeschützten Gebäude sollen die Neue Mittelschule Bern mit 150 angehenden Lehrerinnen und Lehrern und ein von Spitalnetz Bern und der Krankenkasse Swica getragenes Gesundheitszentrum einziehen. Die Turnhalle, die darüber liegende Aula und der Innenhof würden weiterhin kulturell und gastronomisch genutzt.

 Insbesondere der Hof wäre gegenüber heute öffentlicher. "Wir fanden das eine wunderbare Idee und sprangen ins Boot", sagte Allreal-Vizedirektor Stefan Creus. Dies sah die von der Stadt präsidierte Jury ebenso. Ein "Renditeobjekt im herkömmlichen Sinn" werde das Gebäude nicht. Dennoch interessant sei es wegen der langfristig ausgerichteten Mieter.

FDP-Präsidentin Dolores Dana, die das Komitee Pro Doppelpunkt anführt, verwies auf die "unsägliche Vorgeschichte", die zum heutigen "Chnorz" geführt habe und den Ruf der Stadt als Ausrichterin von Wettbewerben ramponiere. Die Künstler hätten als "Trittbrettfahrer" von den Vorarbeiten der Wettbewerbsteilnehmer profitiert. Dana wies auf die solide Finanzierung des Projekts "Doppelpunkt" hin: 25 Millionen Franken würden investiert, davon werde das Berner Gewerbe profitieren.
cab

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"Pro Progr"

Ein bewährtes Konzept

Fast alles soll bei der Pro-Progr-Variante beim Alten bleiben: Gewinnt die Vorlage, dann werden weiterhin Ateliers an Kulturschaffende vermietet. Mit diesen Einnahmen und den Mietzinsen für das Café Turnhalle könnten laut Günther Ketterer, Finanzverantwortlicher von Pro Progr, die Zins- und Unterhaltskosten für das Gebäude bezahlt werden. Für die nötige Sanierung hat das Künstlerkomitee bis heute 12 Millionen Franken in Form von Schenkungen und Darlehen gesammelt. Weiter sollen Räume an Galerien oder Verlage vermietet werden. Zudem erwägt das Kunstmuseum, ein Artists-in-Residence-Atelier zu mieten. Die Mauer im Innenhof des Progr darf ausserdem entfernt und der Platz entsprechend für Ausstellungen oder Events der "Turnhalle" besser genutzt werden.
stc

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Kommentar

Zurück im Spiel

Stefanie Christ

Durch eine sanierungsbedürftige Hintertür hat sich der Kunstmäzen Hansjörg Wyss doch noch Einlass in das frühere Progymnasium verschafft. Einst büffelte er hier als Schüler für gute Noten, doch als Mäzen blieb ihm 2001 der Einlass verwehrt. Mit 17 Millionen Franken wollte er damals das Projekt von Beat Jordi und Jobst Wagner finanzieren, das im heutigen Progr ein Gegenwartsmuseum vorgesehen hätte. Doch die Auflagen der Stadt waren nicht zu erfüllen. Die Konsequenz: Wyss zog seine Spende zurück.

Nun kann er seine offene Rechnung mit der Stadt begleichen und doch noch Gegenwartskunst im Progr unterstützen - als Privatperson, wie Wyss sagt, und auch als Mäzen seiner Stiftung Gegenwart. Dank dieser kann bereits das Kunstmuseum für seine Gegenwartssammlung einen Erweiterungsbau realisieren. Die Stiftung finanziert aber nicht nur diesen Anbau, sondern sieht die gezielte Förderung von Gegenwartskunst und entsprechende Ankäufe durch das Kunstmuseum vor.

Mit seiner Spende hat sich Wyss nun taktisch geschickt zurück ins Spiel gebracht: Erstens dürfte sein Engagement die Abstimmung nachhaltig beeinflussen, denn Wyss suggeriert finanzielle Sicherheit. Zweitens würde bei einem Sieg der Pro-Progr-Variante Wyss' Stiftung mehr profitieren als der Progr selbst. Dann würden das Kunstmuseum und der Progr nämlich näher zusammenrücken - und das Museum hätte im Progr eine "hauseigene" Talentschmiede, deren beste Ausbeute dank der Stiftung Gegenwart direkt in die Sammlung wandern könnte.

stefanie.christ@bernerzeitung.ch

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Bund 29.4.09

Wyss unterstützt den Progr

Stadt Bern Der Abstimmungskampf um den Progr ist eröffnet: Der Milliardär Hansjörg Wyss, der die Abteilung Gegenwartskunst des Kunstmuseums finanziert, engagiert sich auch für die Künstlerinitiative Progr. Über die Höhe seines finanziellen Engagements schwieg sich Wyss an der Medienorientierung der Künstler jedoch aus. Die Promotoren des Gesundheits-, Bildungs- und Kulturzentrums wiederum hoben die "breite Nutzung" bei ihrem Projekt hervor. (ruk/bob)

Seite 25

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Mäzen wirft sich für Progr in die Bresche

Hansjörg Wyss unterstützt Künstlerinitiative Pro Progr finanziell und ideell

Die Progr-Künstler haben gestern ihren bekanntesten Geldgeber präsentiert. Hansjörg Wyss lobte den Kulturbetrieb im ehemaligen Progymnasium in den höchsten Tönen. "Hier werden noch lebende Künstler gefördert."

Ruedi Kunz

Hansjörg Wyss, Verwaltungsratspräsident der Medizinaltechnikfirma Synthes, macht sich in der Regel sehr rar für die Medien. Letztmals war er in der Öffentlichkeit aufgetreten, als es um sein Engagement bei der Fondation Beyeler in Riehen ging. Umso grösser war die Überraschung, als der Kunstmäzen gestern zusammen mit Kunstmuseum-Direktor Matthias Frehner die Werbetrommel rührte für den Progr. Peter Aerschmann, Präsident der Künstlerinitiative Pro Progr, hatte ihn überzeugen können, sich in den Abstimmungskampf einspannen zu lassen. Bern habe das Privileg, an bester Lage ein Kulturzentrum zu besitzen, welches an 365 Tagen und Nächten im Jahr belebt sei, sagte Wyss. Eine solche Einrichtung müsse unbedingt am Leben erhalten werden. Zumal sich der Progr die Förderung lebender Künstlerinnen und Künstler auf die Fahne geschrieben habe.

Wyss gab sich gestern alle Mühe, sein Engagement zu relativieren: "Ich bin eines von über 100 Stiftungsmitgliedern, welche dem Progr Geld zur Verfügung stellen." Auf die Höhe seines Darlehens angesprochen, antwortete er: "Über Geld spreche ich hier nicht." Den Kontakt zu den Progr-Künstlern will der gebürtige Stadtberner schon im letzten Spätherbst hergestellt haben. "Ich habe mich bei Peter Aerschmann gemeldet."

20 Millionen für Kunstmuseum

Bekannt ist, dass Wyss eine Affinität zum ehemaligen Progymnasium besitzt, weil er dort zur Schule gegangen ist. Da er zweimal sitzen geblieben sei, habe er insgesamt fünf Jahre im "Proger" verbracht, erzählte er schmunzelnd.

Der in den USA lebende Berner unterstützte das Projekt einer Abteilung Gegenwartskunst des Kunstmuseums im denkmalgeschützten Gebäude. 17 Millionen stellte er der Stadt für den Umbau in Aussicht. Ein Schenkungsvertrag kam aber nie zustande, da sich die beiden Parteien in verschiedenen Punkten (Übernahme Betriebskosten) nicht einigen konnten. Wyss konzentrierte sich in der Folge auf die Realisierung einer Abteilung Gegenwartskunst in einem Anbau am Aarehang. 12 Millionen Franken stellt er für das Projekt "Scala" zur Verfügung, welches eine Ausstellungsfläche von 1200 Quadratmetern vorsieht. Die Abteilung Gegenwartskunst soll 2012 in Betrieb genommen werden.

Lob vom Nachbarn

 Als Hansjörg Wyss die Bühne vorzeitig verliess, applaudierten die anwesenden Künstler. Nach dem prominenten Geldgeber hatte Matthias Frehner das Wort. Und auch er geizte nicht mit schönen Worten. Dieses "vitale und initiative Zentrum" tue dem Kunstmuseum gut. Es habe die Aktivitäten des Hauses "ohne Zweifel belebt". Das Kunstmuseum werde aber keine aktive Rolle im künftigen Progr einnehmen, falls die Variante der Künstler obenausschwingt, fuhr Frehner fort. Er kann sich aber vorstellen, die Zusammenarbeit mit dem Progr zu intensivieren, "wenn es um bestimmte Projekte auf dem ehemaligen Pausenhof geht". Weiter erinnerte er daran, dass die Stiftung Gegenwart von Hansjörg Wyss möglicherweise ein Künstleratelier betreiben wird in Zukunft.

Weitere 2 Millionen Spenden

 Wichtig war den Progr-Künstlern gestern, Unsicherheiten im finanziellen Bereich zu entkräften. Laut Aerschmann sind weitere 2 Millionen Franken an Spenden und Darlehen eingegangen seit Anfang Jahr. Rund 6,5 Millionen Franken sind bis dato gesammelt worden. Hinzu kommt ein Bankdarlehen von 5,5 Millionen Franken.

 Die insgesamt 12 Millionen reichten aus, um das ganze Gebäude zu sanieren, betonte Günter Ketterer, Finanzchef der Stiftung Progr. Unbedingt gemacht werden müssten das Dach und das Unterdach sowie gewisse Bereiche in der Haustechnik. Ketterer strich das gute Zusammenspiel mit der Denkmalpflege hervor.

 Was die Unterhalts- und Betriebskosten betrifft, sagte Ketterer: "Wir können diese Beträge für 30 Jahre aufbringen." Er sei auch jederzeit bereit, dem schärfsten Progr-Kritiker, SVP-Stadtrat Peter Bernasconi, Einblick in die Zahlen zu gewähren, fügte Ketterer an.

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"Breiter Nutzermix" statt Künstlerprojekt

Im neuen Progr sollen Gesundheit, Bildung und Kultur ihren Platz haben

Das Projekt "Doppelpunkt" garantiere eine professionelle Renovation des denkmalgeschützten Progr, sagt das Komitee "Pro Doppelpunkt". Im Unterschied zum Künstlerprojekt seien die Investoren bekannt, für die Steuerzahler bestehe kein finanzielles Risiko.

Bernhard Ott

Die Architekten und Investoren des Projekts "Doppelpunkt" können es nach wie vor kaum fassen: Mit den Plänen für ein Gesundheits-, Bildungs- und Kulturzentrum haben sie einen von der Stadt Bern ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Wenige Monate vor dem Abstimmungstermin erklären aber die provisorisch einquartierten Progr-Künstler, sie möchten die Liegenschaft im Baurecht erwerben und sanieren. Der Stadtrat beschliesst daraufhin mit knapper Mehrheit, ein Angebot der Künstler-Initiative nachträglich zu prüfen. Um die Unangemessenheit dieses Vorgehens zu illustrieren, griff Lorenz Furrer, Sekretär des Komitees "Pro Doppelpunkt", zu einem Vergleich aus der Sportwelt: "Stellen Sie sich vor, Sie gewinnen mit einer Mannschaft ein Eishockey-Turnier", sagte er an der gestrigen Medienkonferenz. Monate danach werde der Sieg für ungültig erklärt. "Das Organisationskomitee gibt bekannt, dass nochmals gespielt werden müsse. Das Spiel heisse nun aber Rugby."

Drohendes Veto der Justiz

Mit "Rugby" spielte Furrer auf den Umstand an, dass die Stadtberner Stimmenden am 17. Mai nicht nur über das Siegerprojekt des Investorenwettbewerbs abstimmen, sondern auch über das Künstler-Projekt. Bei dieser "Rugby-Partie" geht es also nicht mehr um architektonische Finessen, Ausnutzungsziffern und Finanzierungsnachweise wie bei einem Wettbewerb, sondern um den knalligsten Auftritt im Abstimmungskampf. Dabei ist noch gar nicht klar, ob die Progr-Abstimmung vom 17. Mai überhaupt gültig sein wird. Heisst das Verwaltungsgericht das SVP-Rechtsbegehren gegen den Entzug der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die Variantenabstimmung gut, werden die Stimmen nicht ausgezählt. Eine allfällige ungültige Abstimmung ist für das Komitee "Pro Doppelpunkt" aber kein Grund, die Hände in den Schoss zu legen: "Die öffentliche Debatte ist im Gang. Wir möchten auch wahrgenommen werden", sagte Furrer.

Stadträte als "Hobby-Planer"

Wie im Rugby wird nun auch im Abstimmungskampf mit harten Bandagen gekämpft. Die neue FDP-Präsidentin Dolores Dana kritisierte den "unsäglichen, folgenschweren" Stadtratsentscheid, das Angebot der Künstler nachträglich zu prüfen. Dabei habe es sich um einen "Bauchentscheid" gehandelt, der wohl aus wahltaktischen Gründen gefällt worden sei. "Wettbewerbe werden zur Farce, wenn sich der Stadtrat als Hobbyplanungsgremium aufspielen kann", sagte Dana.

Projektleiter Marco Ryter vom Architekturbüro Bauart wies darauf hin, dass Wettbewerbe ein "wichtiges Kulturgut" seien, das Qualität garantiere. Er hob den "breiten Nutzermix aus Kultur, Bildung und Gesundheit" hervor. "Aula, Turnhalle und Hof sollen eine Plattform für die Kunst bleiben", sagte Ryter. Zusätzlich brauche es aber auch eine wirtschaftliche Nutzung des Gebäudes. "Es gibt andere zentrale Standorte für ein Kunstzentrum, so zum Beispiel die frei werdende Feuerwehrkaserne im Breitenrain", sagte Ryter.

"Progr ist kein Renditeobjekt"

Der Progr werde nie zum "Renditeobjekt", sagte Stefan Creus, Leiter der Berner Niederlassung der Investorin Allreal. Mit den 25 Millionen Franken, welche die Allreal investiere, könne das Gebäude professionell renoviert und langfristig öffentlich genutzt werden. In der Betriebsrechnung der Künstler-Initiative Progr wird gemäss Komitee-Unterlagen rund ein Drittel der Mittel aus oft anonymen Quellen für den Baurechtszins verwendet. "Der Rest reicht nie für den vollen Betrieb." Es sei damit zu rechnen, dass am Ende die Steuerzahler aufkommen müssten. Die Allreal wiederum könnte den Progr zwar verkaufen - das sei aber nicht entscheidend, da der Nutzungsmix im Baurechtsvertrag verankert sei.

Laut Creus haben achtzig Prozent der künftigen Nutzer bereits eine Absichtserklärung unterzeichnet. Auch die Verträge mit den Betreibern der Turnhalle und den Konzertveranstaltern seien unterschriftsreif, sagte Creus.

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Berner Rundschau 29.4.09

Mäzen Hans-Jürg Wyss begeistert vom Progr

Synthes-Verwaltungsratspräsident appelliert an die Stadtberner, am 17. Mai das Künstlerprojekt zu bevorzugen

Prominente Unterstützung für die über 100 Progr-Künstler: Der Mäzen Hans-Jürg Wyss und der Direktor des Berner Kunstmuseums, Matthias Frehner, wollen, dass das Kulturzentrum weiter bestehen bleibt.

Bruno Utz

Am 17. Mai entscheiden die Stadtberner über die Zukunft des ehemaligen Progymnasiums Progr am Waisenhausplatz. Zur Auswahl steht der Verkauf an die Zürcher Allreal. Das Unternehmen hat den von der Stadt ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen und will im Progr ein Gesundheits- und Bildungszentrum einrichten (vergleiche Kasten). Aber auch die seit 2004 im Progr tätigen über 100 Künstlerinnen und Künstler wollen den Progr erwerben und als Kulturzentrum weiterführen und ausbauen.

Wyss: "Einer von 100"

Am gestrigen Kick-off zum Abstimmungskampf von Pro Progr nahm als Spezialgast auch der schwerreiche Mäzen Hans-Jürg Wyss teil. "Manche Stadt in der Welt ist uns neidisch. Nur selten gibt es eine solche Möglichkeit, im Stadtzentrum so etwas zu erhalten", lobte Wyss, der Verwaltungsratspräsident der Medizinaltechnikfirma Synthes, der in Bern das Kunstmuseum und die Stiftung GegenwART finanziell unterstützt. Es gehe beim Progr nicht um ein Museum, sondern um die Förderung lebender Künstler, die ein Haus betreiben wollen, dass 365 Tage im Jahr für die Bevölkerung offen sein werde.

Wyss sagte, er sei nur einer von gut 100 Gönnern. Er unterstütze das Projekt nicht nur moralisch, sondern auch finanziell. "Und vielleicht werde ich später auch etwas mitwirken". Der Betrag sei Nebensache. Auf Nachfrage sagte Wyss, er habe aus den Medien von der Kaufabsicht der Künstlervereinigung erfahren und habe darauf den Kontakt gesucht mit dem Stiftungsratspräsidenten der Progr-Künstler, Peter Aerschmann.

"Tor" zum Kunstmuseum

"Progr und Kunstmuseum haben beide von der Nachbarschaft massgeblich profitiert", hob Direktor Matthias Frehner hervor. Einerseits habe ein Teil der traditionellen Kunstmuseumsbesucher durch den Progr den Zugang zur Gegenwartsszene gefunden, andererseits belebe der frische Wind von der vordersten Front der aktuellen Entwicklungen die Aktivitäten des Kunstmuseums Bern. "Zudem hat der Progr zu einer markanten Belebung der Innenstadt geführt", so Frehner. Das Kunstmuseum begrüsse es, wenn das Modell Progr definitiv weitergeführt werden könne.

Eine aktive Rolle im neuen Progr würde das Kunstmuseum nicht einnehmen. Ein Einklinken in bestimmte Kunstprojekte sei aber denkbar. "Auf jedem Fall liegt es in unserem Interesse, durch eine Vernetzung unserer Aktivitäten den Progr als <Tor> zum Kunstmuseum gewinnen zu können."

Günther Ketterer, Immobilientreuhänder und im Progr-Stiftungsrat für die Finanzen zuständig, strich hervor, die 10,5 Millionen Franken für Kauf und Sanierung der Liegenschaft seien beisammen. "Es sind mittlerweile sogar 12 Millionen."

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"Pro Doppelpunkt"

Auch das Komitee, das den Verkauf des der Stadt Bern gehörenden Progr an das Siegerprojekt "Doppelpunkt" fordert, das aus einem von der Stadt durchgeführten öffentlichen Wettbewerb hervorgegangen ist, trat gestern vor die Medien. Die vorgesehene Kombination von Bildung, Gesundheit und Kultur garantiere, dass zukünftig eine breite Öffentlichkeit vom neuen Progr profitieren könne, schreibt das Komitee. Mit dem Projekt Doppelpunkt, das von Berner Firmen realisiert, betrieben und genutzt werde, habe die Bevölkerung einen nachhaltigen Mehrwert. Dem Komitee gehören neben Vertretern von direktinteressierten Firmen und Institutionen neun Politiker von FDP, SVP, BDP, EVP und CVP an. (uz)

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punkt.ch 29.4.09

Milliardär setzt sein Geld für die Progr-Künstler ein

Mäzen Hansjörg Wyss unterstützt den Progr-Verkauf. Aber auch die Gegner mobilisieren fr die Abstimmung im Mai.

Dass die Künstler im Progr prominent unterstützt werden, war klar. Dass sich jedoch der Medizinaltechnikunternehmer Hansjörg Wyss für die Ateliergemeinschaft ins Zeug legt, überrascht. Dem Mäzen des Kunstmuseums liegt die Gegenwartskunst am Herzen. Er hat für den Museumsausbau Millionen auf den Tisch gelegt. Wyss findet, dass der Progr bleiben muss, was er heute ist: Ein Ort, wo täglich Kunst entsteht. Darum ist der Milliardär auch einer der Geldgeber, die 4,5 Millionen Franken für den Kauf des Progr durch die Künstler zugesagt haben.

Spielregeln geändert

Für die Gegner des Progr-Verkaufs liegt der Fall anders. Sie reklamieren eine Änderung der Regeln während des Spiels. Der Stadtrat habe einen Architekturwettbewerb ignoriert und drohe einen Investor zu vergrämen. Die Allreal will auf dem Areal des alten Progymnasiums ein Gesundheitszentrum bauen. Investiert würden 24,5 Millionen, wie Lorenz Furrer vom Komitee erklärt. Ausserdem stellt er Fragen bezüglich der finanziellen Zusicherungen an die Künstler. "Am Ende wird der Steuerzahler zahlen müssen ", ist sich Furrer sicher. Klar ist: Das letzte Wort hat nicht das Volk. Denn, die Abstimmung vom 17. Mai findet unter Vorbehalt statt. Ob Allreal bauen darf, entscheidet das Verwaltungsgericht erst später.
Peter Camenzind

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Regionaljournal DRS Bern 29.4.09

Abstimmungskampf PROGR: Künstler können auf Mäzen Hansjürg Wyss zählen (2:13)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe7v729042009.rm?start=00:01:39.000&end=00:03:52.743

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Telebärn 28.4.09

Progr-Abstimmungskampf eröffnet
http://www.kyte.tv/ch/84713-telebaern/421225-prograbstimmungskampf-eroffnet

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Blick am Abend 28.4.09

Bekannter Mäzen "Pro Progr"

Der Milliardär Hansjörg Wyss wlll der Berner Künstlerinitiative unter die Arme greifen

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Wyss öffnet sein Portemonnaie

Kunst - Der bis jetzt noch namenlose Progr-Mäzen ist ein alter Bekannter: Hansjörg Wyss

Jean-claude.galli@ringier.ch

Für die Künstlerinitiative "Pro PROGR” hat sich der Traum vom reichen Onkel aus Amerika erfüllt. Der Milliardär Hansjörg Wyss unterstützt die Bestrebungen der Künstler, das ehemalige Progymnasium zu erwerben und langfristig zu einem  überregionalen Kulturzentrum zu machen. Das gaben die Initianten an der heutigen Pressekonferenz bekannt. Voraussetzung f ür den Kauf des Progr ist ein Sieg bei der Abstimmung am 17. Mai gegen das Konkurrenzprojekt "Doppelpunkt”, das ein Gesundheitszentrum vorsieht.

Seit Jahrenengagiert

"Ich bin emotional mit dem Progr verbunden”, sagt Wyss. "Schliesslich bin ich hier zur Schule gegangen. Jetzt bin ich ein alter Mann und möchte etwas an die Jungen zurückgeben.” Reich geworden ist Wyss mit dem Herstellen von Schrauben und Nägeln zur Heilung von Knochenbrüchen. Den Grundstein für den Erfolg seiner Firma Synthes hat der unscheinbare "Bärner Giel” tatsächlich in Amerika gelegt.
Wyss ist bereits seit Jahrzehnten Kunstinvestor und Sammler. Mit einer 20-Millionen-Spende hat er beispielsweise die Erweiterung des Berner Kunstmuseums ermöglicht. "Ich habe nichts gegen Eishockey und Fussball”, sagt Wyss. "Aber die Kunst geht mir näher ans Herz.”
Wie der designierte Progr-Finanzchef Günther Ketterer bekannt gab, rechnen die Initianten mit einer Summe von 10,5 Millionen für den Kauf und die Sanierung der Liegenschaft beim Waisenhausplatz. Über die Höhe seines Beitrages an diese Summe schweigt sich Hansjörg Wyss vorerst aus. 

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bernerzeitung.ch 28.4.09

Mäzen Wyss schwärmt vom Progr-Künstlerprojekt

Der schwerreiche Berner Kunstmäzen Hansjörg Wyss hat das Projekt der Progr-Künstler für den Weiterbetrieb dieses Kulturzentrums in den höchsten Tönen gelobt. Nur selten gebe es so etwas mitten in einer Stadt.

Zur Diskussion steht an der Urne, ob das ehemalige Progymnasium der Stadt Bern am Waisenhausplatz zu einem Gesundheits-, Büro- und Schulzentrum der Zürcher Firma Allreal werden soll oder ob der "Progr", wie der Name des Kulturzentrums lautet, so wie heute weitergeführt wird.

Allreal hat versprochen, die Turnhalle des Gebäudes, heute beliebter Ort für Konzerte und Bar, weiterhin als Kulturlokal weiterzuführen. Entfallen würden aber die zahlreichen Ateliers, welche über 100 Künstlern als Wirkungsstätte dienen.

Die Künstler reichten deshalb im Herbst in letzter Minute der Stadt ein eigenes Kaufangebot ein. Der Berner Stadtrat entschied dann im März dieses Jahres, in einer Variantenabstimmung das Allreal- Projekt der Künstlerinitiative gegenüberzustellen, obwohl Allreal den Zuschlag in einem Nutzungswettbewerb erhalten hatte.

Wyss: "Bin einer von 100"

Der Auftritt von Wyss sollte nun der Öffentlichkeit demonstrieren, dass namhafte Leute die Künstlervereinigung unterstützen, wie ihr Präsident Peter Aerschmann am Dienstag im Progr vor den Medien sagte. Sie hat nach eigenen Angaben 12 Millionen Franken gesammelt, um das Haus zu kaufen und den Betrieb zu sichern.

Wyss selber lobte das Projekt in den höchsten Tönen. Anders als bei vielen Museen gehe es hier um die Förderung lebender Künstler. Ein solches Zentrum im innersten Zentrum einer Stadt zu haben, sei selten.

Der schwerreiche Verwaltungsratspräsident der Medizinaltechnikfirma Synthes spielte sein Engagement hinunter und sagte, er sei nur einer von gut 100 Gönnern. Er erklärte aber auch, er gehe davon aus, dass die Künstler schon irgendwann auf ihn zukämen.

Wyss sagte weiter, er selber habe den Kontakt zu den Künstlern gesucht, nachdem er vom Projekt gehört habe. Er habe eine "positive Affinität" zum Gebäude, weil er dort zur Schule gegangen sei.

Auch Support vom Kunstmuseum

Wyss ist Mäzen des Kunstmuseums Bern, das dem Progr gegenüberliegt, und auch der Direktor dieser Institution, Matthias Frehner, setzte sich vor den Medien für die Künstlervariante ein. Dieses "vitale und initiative multikulturelle Zentrum" tue dem Kunstmuseum gut und habe unbestreitbar die Innenstadt belebt.

Das Kunstmuseum werde keine aktive Rolle im künftigen Progr einnehmen, falls die Variante der Künstler obenausschwingt. Denkbar sei aber eine Zusammenarbeit über die Hodlerstrasse hinweg auf dem ehemaligen Pausenhof.

(sda)

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derbund.ch 28.4.09

Mäzen Wyss unterstützt das Progr-Künstlerprojekt

Überraschungscoup der Progr-Künstler: Hansjörg Wyss, der finanzstarke Mäzen des Kunstmuseums Bern, hat sich am Dienstag ausdrücklich für das Projekt "ProProgr" stark gemacht.

Wyss sagte am Dienstag an einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz im Progr, er unterstützt das Projekt persönlich und im Namen der Stiftung Gegenwartskunst in Bern. Der Mäzen erzählte, er selber sei im ehemaligen Progymnasium der Stadt Bern am Waisenhausplatz zur Schule gegangen. Deshalb habe er eine "positive Affinität" zum Gebäude.

Der Verwaltungsratspräsident des Medizinaltechnikkonzerns Synthes gab nicht bekannt, wie viel Geld er zur Verfügung stellen will. "Über Beträge diskutieren wir nicht". Er spielte sein Engagement hinunter und sagte, die rund 100 im Progr tätigen Künstler hätten Millionen gesammelt, nicht er.

Wyss erklärte weiter, er habe von sich aus den Kontakt zu den Künstlern gesucht. Er unterstütze in der Regel nur Projekte, von denen er glaube, sie hätten eine Zukunft. Er hoffe deshalb auf ein Ja der Stadtberner Stimmberechtigten zum Künstler-Projekt.

Der Auftritt von Wyss sollte der Öffentlichkeit demonstrieren, dass namhafte Leute die Künstlervereinigung unterstützen, wie ihr Präsident Peter Aerschmann am Dienstag im Progr vor den Medien sagte. Die Künstlervereinigung hat nach eigenen Angaben 12 Millionen Franken gesammelt, um das Haus zu kaufen und den Betrieb zu sichern.

Mäzen des Kunstmuseums

Wyss ist Mäzen des Kunstmuseums Bern, das dem Progr gegenüberliegt. Auch der Direktor des Kunstmuseums, Matthias Frehner, setzte sich vor den Medien für die Künstlervariante ein. Dieses "vitale und initiative multikulturelle Zentrum" tue dem Kunstmuseum gut und habe unbestreitbar die Innenstadt belebt.

Das Kunstmuseum werde keine aktive Rolle im künftigen Progr einnehmen, falls die Variante der Künstler gewinne. Denkbar sei aber eine Zusammenarbeit über die Hodlerstrasse hinweg auf dem ehemaligen Pausenhof.

Gesundheits- oder Kulturzentrum

Am 17. Mai stimmen die Stadtberner Stimmberechtigten über die Zukunft des Kulturzentrums Progr am Waisenhausplatz ab. Zur Abstimmung steht, ob das ehemalige Progymnasium der Stadt Bern am Waisenhausplatz zu einem Gesundheits-, Büro- und Schulzentrum der Zürcher Firma Allreal werden soll oder ob der "Progr" so wie heute weitergeführt wird.

Allreal hat versprochen, die Turnhalle des Gebäudes, heute beliebter Ort für Konzerte und Bar, weiterhin als Kulturlokal weiterzuführen. Entfallen würden aber die zahlreichen Ateliers, welche über 100 Künstlern als Wirkungsstätte dienen.

Die Künstler reichten deshalb im Herbst in letzter Minute der Stadt ein eigenes Kaufangebot ein. Der Berner Stadtrat entschied dann im März dieses Jahres, in einer Variantenabstimmung das Allreal- Projekt der Künstlerinitiative gegenüberzustellen, obwohl Allreal den Zuschlag in einem Nutzungswettbewerb erhalten hatte. (bs/sda)

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20min.ch 28.4.09

Kulturzentrum Progr

"Selten gibt es im Stadtzentrum so etwas"

Die im Berner Kulturzentrum Progr arbeitenden Künstlerinnen und Künstler haben vor der Abstimmung vom 17. Mai über die Zukunft des Gebäudes einen Überraschungscoup gelandet. Der schwerreiche Mäzen Hansjürg Wyss kam nach Bern und lobte ihre Initiative.

Zur Diskussion steht an der Urne, ob das ehemalige Progymnasium der Stadt Bern am Waisenhausplatz zu einem Gesundheits-, Büro- und Schulzentrum der Zürcher Firma Allreal werden soll oder ob der "Progr", wie der Name des Kulturzentrums lautet, so wie heute weitergeführt wird.

Allreal hat versprochen, die Turnhalle des Gebäudes, heute beliebter Ort für Konzerte und Bar, weiterhin als Kulturlokal weiterzuführen. Entfallen würden aber die zahlreichen Ateliers, welche über 100 Künstlern als Wirkungsstätte dienen.

Die Künstler reichten deshalb im Herbst in letzter Minute der Stadt ein eigenes Kaufangebot ein. Der Berner Stadtrat entschied dann im März dieses Jahres, in einer Variantenabstimmung das Allreal-Projekt der Künstlerinitiative gegenüberzustellen, obwohl Allreal den Zuschlag in einem Nutzungswettbewerb erhalten hatte.

Wyss: "Bin einer von 100"

Der Auftritt von Wyss sollte nun der Öffentlichkeit demonstrieren, dass namhafte Leute die Künstlervereinigung unterstützen, wie ihr Präsident Peter Aerschmann am Dienstag im Progr vor den Medien sagte. Sie hat nach eigenen Angaben 12 Mio. Franken gesammelt, um das Haus zu kaufen und den Betrieb zu sichern.

Wyss selber lobte das Projekt in den höchsten Tönen. Anders als bei vielen Museen gehe es hier um die Förderung lebender Künstler. Ein solches Zentrum im innersten Zentrum einer Stadt zu haben, sei selten.

Der schwerreiche Verwaltungsratspräsident der Medizinaltechnikfirma Synthes spielte sein Engagement hinunter und sagte, er sei nur einer von gut 100 Gönnern. Er erklärte aber auch, er gehe davon aus, dass die Künstler schon irgendwann auf ihn zukämen.

Wyss sagte weiter, er selber habe den Kontakt zu den Künstlern gesucht, nachdem er vom Projekt gehört habe. Er habe eine "positive Affinität" zum Gebäude, weil er dort zur Schule gegangen sei.

Auch Support vom Kunstmuseum

Wyss ist Mäzen des Kunstmuseums Bern, das dem Progr gegenüberliegt, und auch der Direktor dieser Institution, Matthias Frehner, setzte sich vor den Medien für die Künstlervariante ein. Dieses "vitale und initiative multikulturelle Zentrum" tue dem Kunstmuseum gut und habe unbestreitbar die Innenstadt belebt.

Das Kunstmuseum werde keine aktive Rolle im künftigen Progr einnehmen, falls die Variante der Künstler obenausschwingt. Denkbar sei aber eine Zusammenarbeit über die Hodlerstrasse hinweg auf dem ehemaligen Pausenhof.
Quelle: SDA/ATS

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HOMOPHOBIE
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Basler Zeitung 29.4.09

Tödliche Hatz auf türkische Schwule

Behörden schauen weg - und erwirken Verbote gegen Homosexuelle

Jan Keetman, Istanbul

Einem der wenigen legalen Homosexuellenvereine soll endgültig der Riegel vorgeschoben werden.

Homosexuelle und Transvestiten sind eine in der Türkei von Staat und Gesellschaft noch immer nicht ganz akzeptierte Minderheit. Häufig sind sie das Ziel gewaltsamer Übergriffe bis hin zu Morden. Es gibt zwar kein Gesetz gegen Homosexualität in der Türkei, doch die Behörden haben die Möglichkeit, allgemein formulierte Grundsätze zu Sitte und Moral in diesem Sinn auszulegen.

Von einem Verbot bedroht ist nun nicht zum ersten Mal der Verein der Homosexuellen und Transvestiten in Istanbul, "Lambda Istanbul". Lambda Istanbul ist einer der wenigen legalen Vereine seiner Art in der Türkei. Er betreibt ein kleines Café in einer verwinkelten Gasse der Istanbuler Altstadt. Nur mit genauer Wegbeschreibung, inklusive des Stockwerks, bei dem man klingeln muss, findet man die Räume des Vereins.

Hatz auf Schwule

Die versteckte Lage hat ihren Grund. Besonders Transsexuelle, aber auch Schwule und Lesben waren in den letzten Jahren häufig Opfer von Gewalt. Im März töteten Unbekannte die Transvestitin Ebru Soykan mit acht gezielten Schüssen in den Kopf.

Dieses Verbrechen steht zweifellos in Zusammenhang mit einem Prozess wegen Gewalt gegen Transvestiten und Homosexuelle. Im April 2006 hatten Rechtsradikale in Eryaman nahe von Ankara eine Woche lang mit Knüppeln, Messern und Pistolen Transvestiten angegriffen, unter ihnen Soykan. Der bewaffnete Mob lauerte den Transvestiten auf dem Weg zum Einkaufen auf und verschaffte sich Zugang zu deren Wohnungen. Trotz der kaum versteckten Übergriffe nahm die Polizei nur wenige Angreifer fest. Vier von ihnen wurden nun im Februar zu Haftstrafen zwischen neun Monaten und drei Jahren verurteilt; nach Anrechnung der Untersuchungshaft wurden sie sofort freigelassen. Drei Wochen später wurde Soykan ermordet.

Homosexuelle und Transvestiten werden möglicherweise auch Opfer sogenannter "Ehrenmorde" durch Familienmitglieder. Entsprechenden Hinweisen wird nach Aussage von Betroffenen nicht genügend nachgegangen. Auch Klagen über Schikanierungen und Übergriffe durch die Polizei wird kaum Beachtung geschenkt. Wagen es etwa zwei Männer, sich zum Abschied am zentralen Istanbuler Taksim-Platz zu küssen, kann es passieren, dass sie die Nacht in einer Polizeizelle verbringen müssen.

Nicht moralisch

Der Gouverneur von Istanbul beantragte schon lange ein Verbot des Vereins Lambda Istanbul. Ende Mai 2008 gab ein Gericht dem Antrag statt. Das Verbot wurde damit begründet, dass der Zweck des Vereins der allgemeinen Moral und den Werten der türkischen Familie widerspräche. Ein übergeordnetes Gericht hob das Urteil zwar auf, doch das wird sich wohl als Pyrrhussieg für den Verein erweisen. Denn im Grundsatz gaben die höheren Richter ihren Kollegen der ersten Instanz recht. In der zweiten Urteilsbegründung schrieben sie: "Sexuelle Identität und Orientierung sind Fakten, die Menschen nicht nach freiem Willen wählen, sondern die durch Geburt gegeben sind." Der Verein könne daher geschlossen werden, wenn er "entsprechend seiner Satzung" tätig sei, also "lesbisches, homoerotisches, bisexuelles oder transsexuelles Verhalten" fördere.

Auf dieser Grundlage wird morgen Donnerstag erneut über ein Verbot von Lambda Istanbul verhandelt. Die Chancen, dass der Verein nicht erneut verboten wird, sind klein.

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Tagesanzeiger.ch 29.4.09

Strafanzeige gegen Schwulenhasser

Zürich. - Die Organisatoren des bevorstehenden Schwulen- und Lesbenfestivals Euro-Pride 09 in Zürich haben gestern Strafanzeige gegen den Präsidenten der freikirchlichen Familienlobby eingereicht. Diese habe in "massiv diskriminierender und ehrverletzender Weise" die Sponsoren der Euro-Pride mit Schmähbriefen unter Druck gesetzt. Homosexuelle seien mit wüsten Schimpfwörtern betitelt worden. Schweiz Tourismus und Zürich Tourismus, die den Anlass auch im Ausland bewerben, sind mit mehreren Hundert Protestschreiben eingedeckt worden. (rba) Euro-Pride reagiert mit Anzeige, Seite 11

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Attacken gegen Homosexuelle: Euro-Pride reagiert mit Strafanzeige

Anhänger der Familienlobby haben Sponsoren der Euro-Pride Schmähbriefe geschrieben. Die Veranstalter des Schwulen- und Lesbenfestivals gehen nun gegen den Verein rechtlich vor.

Von Stefan Häne

Zürich. - Nach den Verbalattacken der EDU gegen die Euro-Pride 09 (TA von gestern) schäumt der Konflikt um das bevorstehende Schwulen- und Lesbenfestival in Zürich weiter hoch. Die Familienlobby Schweiz - ein freikirchlicher Verein mit Sitz in Zürich - sieht gemäss Homepage die traditionelle Familie von "linken Meinungsmachern" unter Beschuss genommen und will "unsere Gesellschaft vor dem wachsenden Einfluss der Homo-Lobby bewahren". Seit Monaten versucht der Verein, die Euro-Pride zu torpedieren. Der Anlass von 2. Mai bis 7. Juni in Zürich werbe "unlauter für einen Lebensstil, der erwiesenermassen in grosses Unglück stürzt".

In den vergangenen Wochen haben die Sympathisanten der Familienlobby ihren Widerstand intensiviert. Mit wachsender Kadenz haben sie Partner und Sponsoren der Euro-Pride mit Protestbriefen eingedeckt. Schweiz Tourismus etwa hat gemäss eigenen Angaben mehrere Hundert Schreiben in vorgefertigter Kartenform erhalten, Zürich Tourismus einige Dutzend.

"Schwule Arschlöcher"

Auch die Organisatoren der Euro-Pride haben Post gekriegt. Der Inhalt einiger dieser Schreiben sei "massiv diskriminierend und ehrverletzend", schreiben die Organisatoren in einer E-Mail, die dem TA vorliegt. "Von strafrechtlicher Relevanz" sei namentlich das Verhalten von Daniel Regli, dem Präsidenten der Familienlobby. Aus diesem Grund haben die Euro-Pride-Veranstalter gestern Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat eingereicht: gegen Regli sowie gegen unbekannt. Worauf genau der Verein Euro-Pride seine Anzeige stützt, will er erst heute Mittwoch bekannt geben, wie Sprecher Michael Rüegg auf Anfrage sagt. "Wir wollen nicht mehr weiter still hinnehmen, dass gewisse Leute ihre Ressentiments gegen uns ohne rechtliche Konsequenzen verbreiten dürfen."

Der TA hat Auszüge aus den Schreiben gesehen. Darin werden Homosexuelle als "schwule Arschlöcher" betitelt; weiter heisst es, Homosexualität sei gegen Gottes Wille, "eine abnormale, perverse Art, eine Beziehung zu führen", eine menschheitszerstörende Sünde. Über einem Zeitungsartikel, der von einer Zunahme von HIV-infizierten Homosexuellen berichtet, steht in grossen Lettern: "Bravo!"

Familienlobby-Chef ist SVP-Politiker

Familenlobby-Präsident Regli ist sich keines Vergehens bewusst. Er habe die Sympathisanten der Familienlobby aufgerufen, Protestbriefe zu schreiben. Selber habe er aber nicht in die Tasten gegriffen, sagt der Kulturhistoriker. Dass den Euro-Pride-Veranstaltern wegen der Schreiben der Kragen geplatzt ist, kann er sich nicht vorstellen. Eine Anzeige gegen ihn, so sagt er, schüchtere ihn nicht ein. Er werde weiter für sein Anliegen kämpfen. Der Verein zähle zwar nur sieben Mitglieder, aber "sehr viele Sympathisanten", sagt er und verweist auf die Petition, in der im vergangenen Dezember 5400 Männer und Frauen den Zürcher Stadtrat aufgefordert hätten, sich von der Euro-Pride zu distanzieren.

Im Kantonsrat kann er auf die Hilfe der EDU zählen, wie die schwulen- und lesbenfeindlichen Aussprüche am Montag gezeigt haben. Zu deren Vertretern habe er jedoch keinen engen Kontakt, sagt er. Regelmässiger tausche er sich mit EDU-Präsident Daniel Suter aus. Regli selber ist ebenfalls parteipolitisch aktiv: Er präsidiert in der Stadt Zürich die SVP des Kreises 11. Sein Engagement bei der Familienlobby sei bei der SVP "kein Thema". Dies bestätigt auch Hans Frei, Fraktionschef der SVP im Kantonsrat. Er kenne Daniel Regli nicht näher. Dass Regli der Partei mit seinem Kampf gegen die Euro-Pride schaden könnte, hält Frei für ausgeschlossen. "Die SVP lässt innerhalb der Partei verschiedene Meinungen zu." Frei selber sagt, er habe nichts gegen Schwulen und Lesben. "Sie leben ihr Leben wie alle anderen auch."

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20min.ch 29.4.09

Akt. 29.04.09

EuroPride Zürich

Strafanzeige gegen Schwulenhasser

Einen Monat lang wird Zürich ab Samstag europäisches Mekka der Schwulen und Lesben. Die EuroPride 09 wartet mit über 200 Veranstaltungen auf. Gegen freikirchliche Störmanöver im Vorfeld setzen sich die Organisatoren mit einer Strafanzeige zur Wehr.

An einer Medienkonferenz zum bevorstehenden Start haben die Veranstalter Medienberichte zur Anzeige gegen den Präsidenten der freikirchlichen "Familienlobby" bestätitgt. Sie werfen den Gegnern des europäischen Homosxuellen-Festivals eine "orchestrierte Kampagne" gegen die EuroPride vor.

Diskriminierung

Verschiedene Schreiben an Sponsoren und Partner enthielten diskriminierende Aussagen. Weil Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung im Unterschied zu Rasse, Herkunft oder Religion jedoch kein Straftatbestand sei, stütze sich die Anzeige auf das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

Die Kritik konservativer krichlicher Kreise an der bevorstehenden EuroPride sorgte bereits am letzten Montag im Zürcher Kantonsparlament für einen Eclat.

Paraden-Höhepunkt am 6. Juni

Die EuroPride wird am Samstag im Sihlcity mit einem Konzert offiziell eröffnet. Vom 2. Mai bis 6. Juni stehen 220 Veranstaltungen auf dem Programm. Die ersten drei Wochen sind im Zeichen des Filmfestivals "Pink Apple" und des Kulturfestivals "Warmer Mai" sowie diverser Podien und Fachtagungen. Danach gibt es einen grossen Sportevent.

Zum Abschluss folgt am 5. und 6. Juni ein Stadtfest mit einer 2,5 Kilometer langen Schwulen- und Lesbenparade. Als offizielle Redner angesagt sind die frischgebackene neue Zürcher Stadtpräsidentin und bekennende Lesbe Corinne Mauch sowie der deutsche Politiker und Publizist Daniel Cohn-Bendit.

40-jähriger Kampf für Homosexuellen-Rechte

Zum Festival erwarten die Veranstalter rund 50 000 Schwule und Lesben aus ganz Europa. Die Zürcher Euro-Pride ist gleichzeitig der 40. Gedenkanlass der europäischen Homosexuellen an die weltweiten Anfänge der Homosexuellen-Protestbewegung in den USA. Diese begannen 1969 nach einer illegalen Polizeirazzia in der Stonewall-Bar in New York.

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Tagesanzeiger 29.4.09

"Es fehlen schwule Vorbilder"


Simon Steuri hat einen Kurzfilm über schwule Sprayer gedreht, der jetzt am Pink-Apple-Festival gezeigt wird: Was hält er von der Hiphop-Szene, Macho-Klischees und Homosexualität?

Aufgezeichnet von Sarah Stähli

"Die Hiphop-Szene ist ähnlich wie Fussball eine der letzten Bastionen der Heterosexualität. Die öffentliche Wahrnehmung ist auf beiden Seiten geprägt von Stereotypen: Auf der einen Seite dieses machoide Gehabe, das in den amerikanischen Hiphop-Videos immer wieder zementiert wird mit den Mädchen, den Autos und dem starken Mann. Auf der anderen die klischierte Wahrnehmung der Schwulen als sanfte und gefühlsbetonte Männer. Klar, wenn ich sehen würde, wie zwei 50-Cent-Typen zusammen rumknutschen würden, wäre auch ich überrascht.

Wenn man aber etwas genauer hinschaut, sind viele Leute, die im Hiphop aktiv sind - sei es in der Musik, als Sprayer oder Breakdancer - sehr feinfühlige Menschen. Leider gehören aber homophobe Texte im Hiphop weiter zum guten Ton. Und es gibt so gut wie keine schwulen Vorbilder in der Hiphop-Musik. Kaum gibt es Gerüchte über Schwule in der Rap- oder der R'n'B-Szene, werden sie gleich wieder dementiert. Pharrell Williams ist ein Beispiel. Um ihn ranken sich immer wieder Gerüchte. Aber die US-Musikindustrie hat ein grosses Interesse daran, die Images zu erhalten. Denn würden sich Gerüchte um einen schwulen Rapper bestätigen, würden ganz einfach keine Alben mehr verkauft.

In meinem Film geht es um die Identitätssuche zweier junger schwuler Sprayer. Das Taggen und Sprayen geschieht im Versteckten, es steht auch als Metapher für ihre Homosexualität: Zu beidem können die Jungs in der Öffentlichkeit nicht stehen. Der Film ist sicher auch eine Aufarbeitung meiner eigenen Geschichte. Ich trage diesen Grundkonflikt seit meiner Teenagerzeit in mir. Manchmal bin ich noch heute bei meiner Arbeit als Radio-DJ und Moderator bei DRS 3 im Zwist zwischen der Musik, die ich liebe, und den Stereotypen, die sie umgibt. In der Schweiz ist das musikalische Angebot im Bereich Hiphop in der Schwulenszene leider immer noch sehr schmal. Ich muss mich entscheiden, ob ich an einen Ort gehe, wo ich unter Gleichgesinnten bin, oder an einen Ort, wo mir die musikalische Qualität entspricht. Meistens entscheide ich mich dann für die Qualität. Mich interessiert die Hiphop-Kultur zu sehr, um darauf zu verzichten.

"Realität ist nicht schwarz-weiss"

Nach einer Vorführung von "Vandalen" kamen viele aus der Hiphop-Szene auf mich zu und sagten, ich hätte ihnen aus dem Herz gesprochen. Mit diesem Film habe ich herausgefunden, dass viele Leute beide Seiten leben und auch zwischen den beiden hin- und herspringen können. Es hat mich berührt, zu merken, dass die Realität nicht ganz so schwarz-weiss ist. Alle Menschen müssen jeden Tag irgendwo eine Gratwanderung machen, sind zwischen zwei Extremen hin- und hergerissen. Gerade auch von jüngeren Zuschauern habe ich schöne Reaktionen erhalten.

Ich denke, mein Film hat ihnen gezeigt: Es geht ja doch. Egal was man sollte oder nicht sollte, egal was in den Musikvideos gezeigt wird, es geht darum, für sich selber seine eigene Realität und Persönlichkeit zu basteln. Im Grunde ist es das Wichtigste, echt zu sein. Ein Grundgedanke des Hiphop ist es, sich in kreativen Disziplinen zu messen, egal was dein kultureller Hintergrund ist. Diesen Gedanken kann man doch ausweiten. Solange du kreativ bist in dem, was du machst, sollte deine sexuelle Orientierung zur Nebensache werden.

Pink Apple: Schwullesbisches Filmfestival vom 29. April bis 6. Mai. "Vandalen" läuft am Sonntag, 3. Mai, um 19 Uhr im Arthouse Movie, http://www.pinkapple.ch

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DROGENSZENE WINTERTHUR
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Tagesanzeiger 29.4.09

Der Druck der Stadt hat gewirkt - die offene Drogenszene ist weg

Winterthur. - Die Stadtratsmitglieder Michael Künzle (Sicherheit, CVP) und Maja Ingold (Soziales, EVP) haben gestern im Musikpavillon beim Stadtpark eine positive Bilanz der einjährigen Arbeit gezogen. Die Massnahmen, um die dortige Alkoholiker- und Drogenszene aufzulösen, seien erfolgreich gewesen. Statt Randständiger füllen nun ein halbes Dutzend Imbissbuden den öden Platz. Wie der Ort künftig aussehen soll, umreissen bis Ende Jahr drei Planungsbüros.

Bekannt ist, dass viele der Randständigen öfter die Drogenanlaufstelle aufsuchten, die dadurch räumlich an ihre Grenzen kam. Auf dem Tisch liegt ein Umzugsprojekt vom Arch-Quartier in eine Liegenschaft bei der Alten Kaserne. Die Kosten erscheinen einigen Parlamentariern indes zu hoch, und im nahen Wildbach-Quartier hat sich Opposition geregt. Sozialvorsteherin Ingold appellierte an die Kritiker, die Sache realistisch zu sehen. Im Rosenberg-Quartier, wo den Randständigen während der sechs kalten Monate ein altes Schützenhaus zur Verfügung stand, hat sich laut Ingold der anfängliche Widerstand gelegt. Ihre Leute suchen für den nächsten Winter eine ähnliche Lösung - diese Woche wird das Schützenhaus wieder geräumt.

Flexible Polizisten auf Velos

Im Sommer will Polizeivorstand Künzle sein Konzept für den Sicherheitsdienst im Stadtzentrum vorstellen. Vermutlich werden es flexible Velopatrouillen sein. Kommandant Fritz Lehmann erläuterte anhand einer Statistik, dass die Polizei mit dem Wechsel vom stationären Polizeicontainer beim Pavillon hin zu flexiblen Einsätzen im Stadtpark die Zahl der Randständigen habe senken können. Im Frühherbst wurden jeweils rund 30 Personen täglich kontrolliert, nach dem Systemwechsel noch halb so viele. Im Winter sank die Zahl auf 2 bis 4 und liegt derzeit wieder bei etwa 10. Auch der Kampf gegen Dealer im öffentlichen Raum habe die Szene in kleinere Gruppen aufgeteilt, sagte Lehmann. 2008 hat die Stadtpolizei 7000 Arbeitsstunden geleistet, um die Szene zu zersplittern. (mgm)

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Landbote 29.4.09

Polizeichef will schärfere Regeln für den Stadtpark
dh

Die Szene beim Pavillon ist erfolgreich aufgelöst. Die Stadt will aber mehr: neue Regeln für den Stadtpark und mehr Polizeipräsenz.

Winterthur - Nach der Auflösung der Drogen- und Alkoholikerszene beim Musikpavillon vor einem Jahr setzte die Stadtpolizei erfolgreich auf Polizeipatrouillen zu Fuss, um den Druck auf die Szene aufrechtzuerhalten. Mit dieser Taktik sowie flankierenden sozialen Angeboten und Massnahmen gelang es, die Randständigen vom öffentlichen Raum fernzuhalten. Polizeivorstand Michael Künzle hält das Konzept der Patrouillen für zukunftsfähig. Unter dem Namen "Siwis - Sichere Winterthurer Innenstadt" plant er eine dauerhafte Präsenz der Stadtpolizei im Raum Vögelipark bis Schützenwiese und Stadtpark bis Salzhaus. "Es werden mehr Polizisten als heute im öffentlichen Raum unterwegs sein. Dafür werden wir zusätzliches Personal einstellen müssen."

In Winterthur seien immer mehr Menschen unterwegs, weil immer mehr Angebote lockten, sagt Künzle. "Das ist eigentlich gut, aber damit wächst auch der Druck auf den öffentlichen Raum." Diese Entwicklung gelte es im Auge zu behalten und darauf zu reagieren. Eine erste Diskussion darüber, wie der öffentliche Raum genutzt werden soll, erwartet Künzle, wenn der Stadtrat die neuen Regeln für den Stadtpark präsentieren wird. "Dabei orientieren wir uns an den Parkordnungen anderer Städte und an der Verordnung über die Benützung von Schul- und Sportanlagen."

Ebenfalls Ende Jahr präsentiert werden soll das Ergebnis der städtebaulichen Testplanung für den Merkurplatz. Bis dahin dürfen die Marktfahrer im und vor dem Pavillon weiter ihre Rosen, Bratwürste und Spaghetti anbieten. (dh) lSeite 11

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Auf Kurs, aber nicht am Ziel

Peter Fritsche/David Herter

Die Drogen- und Alkoholszene beim Pavillon ist weg. Die Verantwortlichen ziehen deshalb eine positive Bilanz. Noch sind aber nicht alle Fragen und Probleme geklärt.


Vor einem Jahr noch hatten jeden Tag gegen 100 Dealer, Drogen- und Alkoholsüchtige den Musikpavillon besetzt. Die Szene löste sich nach der Stationierung eines Containers mit zwei Polizisten auf dem Merkurplatz vor dem Pavillon schnell auf. Randständige, die ihren Tag nicht in der städtischen Drogenanlaufstelle oder im alten Schützenhaus (siehe Kasten) verbringen wollten, nahmen daraufhin im Stadtpark, beim Bahnhof oder in anderen Parks und Quartieren Platz. Die Drogenhändler verlegten ihre Tätigkeit in den öffentlichen Verkehr und in Privatwohnungen.

Um den Druck auf die Szene aufrechtzuerhalten setzte die Stadtpolizei auf mobile Patrouillen. Diese "bewirtschaften die Randständigen zielgerichtet", sagte Fritz Lehmann, Kommandant der Stadtpolizei. Die Polizisten halten auffällige Personen an, verlangen deren Ausweis und führen Statistik darüber, wie viele Randständige wo angetroffen wurden. Im August 2008 zählten die Patrouillen täglich rund 35 Randständige im Stadtpark. Heute sind es noch 10 Personen, die auf den Bänken im Park sitzen und regelmässig den Ausweis zeigen müssen.

Auch dank "General Winter"

"Wir sind mitten drin im Prozess", sagte Polizeivorstand Michael Künzle (CVP) gestern vor den Medien, "aber wir sind gut unterwegs." Er, wie auch Lehmann sind sich bewusst, das ein Teil des Erfolges der Polizeiarbeit "General Winter" zu verdanken ist und vorderhand offen bleiben muss, ob mit Sonnenschein und Wärme nicht zusätzliche Randständige in den öffentlichen Raum zurückkehren werden. Denn verboten ist ein Aufenthalt auf Parkbänken auch in betrunkenem Zustand nicht. Trotzdem sagt Lehmann mit Blick auf die Statistik: "Ich erwarte keine grossen Sprünge mehr nach oben."

Eine positive Bilanz zieht auch das Sozialdepartement. "Die Situation für die Randständigen hat sich verbessert", sagt Stadträtin Maja Ingold (EVP). Sie wertet es als positiv, dass die auswärtigen Dealer und Süchtigen verschwunden sind, und dass sich einheimische Randständige nun vermehrt in der städtischen Drogenanlaufstelle (DAS) aufhalten oder im Winter in ihren Treffpunkt im alten Schützenhaus auf dem Rosenberg gegangen sind. "Das gibt ihrem Leben mehr Qualität und Struktur. Und wir können sie so besser betreuen und begleiten", so Ingold. Die Sozialbehörden und Gassenarbeiter kennen die meisten der hiesigen Betroffenen bereits von ihren Einsätzen am Musikpavillon her persönlich und mit Namen.

Kleiner und versteckt

Einer, der die Szene dort regelmässig besuchte, ist Sozialarbeiter Matthias Gut von Subita, einem Verein, der unter anderem aufsuchende Strassenarbeit betreibt. Gut hat festgestellt, dass die Szene kleiner geworden ist. "Das ist grundsätzlich gut für die Süchtigen." Man dürfe aber nicht vergessen, dass sich Händler und Konsumenten weiterhin treffen. "Sie tun es einfach im Versteckten."

Neue Drogenanlaufstelle: Appell an die Anwohner

"Die Szene beim Pavillon ist Geschichte, sagte Sozialvorsteherin Maja Ingold (EVP). Möglich geworden sei der Erfolg nur dank der flankierenden sozialen Angebote und der aufsuchenden Gassenarbeit von Subita/Streetwork. Der private Verein soll deshalb von der Stadt künftig einen fixen jährlichen Beitrag erhalten. Die Drogenanlaufstelle (DAS) habe 2008 täglich über 100 Besucherinnen und Besucher (2007: 35) gezählt, sagte Ingold. "An der Meisenstrasse fehlt aber ein Aussenraum." Deshalb sei die vom Stadtrat geplante Verlegung der DAS an die Zeughausstrasse 76 dringlich. "Wir hoffen sehr, dass die Anwohner sich überzeugen lassen, dass die Anlaufstelle dort unproblematisch ist", sagte Ingold. Beweis dafür sei etwa der selbstverwaltete Aufenthalt von Randständigen im alten Schützenhaus beim Schützenweiher. Entgegen den Erwartungen im Quartier sei das Experiment ohne Schwierigkeiten verlaufen. Das Schützenhaus steht aber nur noch bis Ende Woche zur Verfügung. Für den nächsten Winter sucht das Sozialamt deshalb dringend nach einem Ersatz.

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Nachgefragt

Michael Künzle - Stadtrat Sicherheit und Umwelt

"Repression geht schnell, der andere Teil dauert länger"

Ein Jahr ist vergangen, seit die Stadt das Projekt Merkur gestartet hat, um gegen die offene Drogenszene am Musikpavillon vorzugehen. Welche Bilanz ziehen Sie?

Michael Künzle: Eine sehr gute. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, die Szene aufzulösen, um ihr damit auch die Sogwirkung zu nehmen, die sie auf auswärtige Dealer und Konsumenten ausgeübt hatte. Dieses Ziel haben wir erreicht. Noch nicht am Ziel sind wir dagegen mit der Hauptmassnahme, der Neugestaltung des Merkurplatzes zwischen Manor und Stadtpark. Hier läuft noch die Testplanung.

Auch bei den Begleitmassnahmen liegt einiges im Argen. Die Drogenanlaufstelle platzt aus allen Nähten, und die Suche nach einem Treffpunkt für Randständige geht wieder von Neuem los. Nicht erfüllt, muss man sagen.

Das sehe ich nicht so. Wir haben immer gesagt, die Repression von Seiten der Stadtpolizei allein genügt nicht. Es braucht auch eine bessere Betreuung der Randständigen. Auch da haben wir Massnahmen ergriffen. Wir bieten ein umfassendes Gassenarbeitskonzept und die Öffnungszeiten der Drogenanlaufstelle wurden verlängert. Als wir erkannt haben, dass dies allein nicht genügt und mehr Platz nötig ist, haben wir uns auf die Suche nach einer neuen Liegenschaft gemacht. Inzwischen haben wir an der Zeughausstrasse einen solchen Ort gefunden. Wir haben also die flankierenden Massnahmen ebenso seriös angegangen wie den repressiven Teil.

Aber die Begleitmassnahmen hinken ein Jahr hinterher.

Es geht wesentlich schneller, die Stadtpolizei auf den Platz zu stellen, als eine Liegenschaft zu finden für eine Drogenanlaufstelle. Natürlich haben wir über den Zeitpunkt der Aktion und die Folgen diskutiert und kamen zum Schluss, den menschenunwürdigen Zuständen am Pavillon müsse möglichst rasch ein Ende gesetzt werden. Dies im Bewusstsein, dass es länger dauern würde, bis auch alle flankierenden Massnahmen umgesetzt werden können. Nicht zuletzt auch deshalb, weil diese für grössere politische Diskussionen sorgen.

Nun bricht wieder die warme Jahreszeit an. Was unternehmen Sie, damit sich nicht wieder eine neue offene Szene bildet?

Die Szene ist in Bewegung. Dealer und Konsumenten treffen sich in Restaurants, im Bus oder in Privaträumen. Das wird auch im Sommer so weitergehen. Die Stadtpolizei beobachtet mit ihren Patrouillen diverse Szenenbrennpunkte. Wir stehen auch in engem Kontakt zum Sozialdepartement. Sollte es sich abzeichnen, dass sich eine neue Szene bildet, werden wir rasch handeln.

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NZZ 29.4.09

Winterthurer Musikpavillon ohne Sogwirkung auf Szene

Zwischenbilanz zum Projekt "Merkur"

 flo. Der Musikpavillon auf dem Winterthurer Merkurplatz steht seit 19 Jahren, und bereits hat er ein Stück Stadtgeschichte geschrieben - allerdings nicht in der Rolle, die ihm zugedacht war. Geplant als hübsches Dach für Platzkonzerte, wurde er bald zum Treffpunkt für Alkoholiker, Drogensüchtige und Dealer. Die Bevölkerung begann den Ort zwischen Bahnhof und Stadtpark zu meiden, Beschwerden aus der Nachbarschaft häuften sich. Im Januar 2008 kündigte der Stadtrat unter dem Projektnamen "Merkur" ein Paket aus repressiven und sozialen Massnahmen an.

 Der Platz hat sich verändert. Die Drogenszene teilte sich auf, die Alkoholiker zogen sich zunächst diskret in den nahen Stadtpark zurück und begannen den Ort zu meiden. Seither sorgen ein Blumenhändler im Musikpavillon und Imbissstände für etwas Marktplatz-Atmosphäre. Noch wirkt der Ort manchmal etwas verlassen, aber er wird von Passanten nicht mehr gemieden. Im Baudepartement ist eine Testplanung in Arbeit, bis Ende Jahr sollen konkrete Ideen für eine städtebauliche Neugestaltung vorliegen.

 Am Dienstag haben Vertreter von Stadtrat und Polizei vor dem Musikpavillon über die Entwicklung orientiert. Als wesentlichen Erfolg wertete Sicherheitsvorsteher Michael Künzle, dass der Pavillon seine bis in den Süddeutschen Raum hineinreichende Sogwirkung auf Dealer und Süchtige verloren habe. Die offene Szene sei aufgelöst, die Alkoholkranken und Drogensüchtigen hätten vermehrt den Weg zu Betreuungsangeboten gefunden. Die Randständigen seien aber ein Teil der Bevölkerung, und man vertreibe sie nicht aus der Stadt. Mit vermehrten und flexibel gestalteten Einsätzen will die Polizei neue Szenenbildungen verhindern. Laut Kommandant Fritz Lehmann fühlen sich die Suchtkranken stärker beobachtet und verhalten sich diskreter, was durchaus erwünscht sei.

 Eine Schlüsselrolle im Projekt Merkur hat das Sozialdepartement übernommen. Die zuständige Stadträtin Maja Ingold sagte, der Zustrom zur städtischen Drogenanlaufstelle an der Meisenstrasse habe sich verdreifacht. Dem Gemeinderat liegt jetzt ein Kreditantrag für den Umzug der Einrichtung in eine grössere Liegenschaft an der Zeughausstrasse 76 vis-à-vis der alten Kaserne vor. Demnächst folgt ein Antrag auf finanzielle Unterstützung für den Verein Subita, der die Gassenarbeit im Rahmen von "Merkur" markant ausgeweitet hat. Weiter sagte Ingold, der praktisch selbstverwaltete Treffpunkt von Randständigen im alten Schützenhaus Rosenberg habe sich gut eingespielt. Das Haus wird allerdings morgen Donnerstag geschlossen, für den nächsten Winter sucht die Stadt einen neuen Standort. Eine Rückkehr ins Schützenhaus steht laut Ingold derzeit nicht im Vordergrund.

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CHE GUEVARA
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Tagesanzeiger 29.4.09

Nasenkrieg

Rechtsextreme Studenten schnitten einer Büste von Che Guevara in Wien die Nase ab - aus Rache.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Als Europas einziges Denkmal des kubanischen Revolutionärs Che Guevara in Wien feierlich enthüllt wurde, wünschte der sozialdemokratische Bürgermeister den Festgästen, dass "Sie alle ein Stück Che mit nach Hause tragen". In der Nacht auf Montag nahmen Unbekannte die Aufforderung allzu wörtlich - und sägten der Bronzestatue die Nase ab. Nicht um das Altmetall zu stehlen: Wenig später deklarierten sich die Täter auf einer Neonazi-Homepage als "Gruppe von Studenten, die das hässliche Denkmal für die Popikone der linken Schmuddelkinder um eine Nase kürzer gemacht haben".

Die Zerstörung soll Antwort auf eine ähnliche Aktion an der Wiener Universität sein. Dort wurde 2002 von vermummten Autonomen dem "Siegfriedkopf" die Nase abgeschlagen, einem umstrittenen Denkmal für im Ersten Weltkrieg gefallene deutschnationale Burschenschafter. Die "Kunstaktion" war damals mitgefilmt worden. Auch die Entnasung Ches wurde fotografisch dokumentiert. "Rache für Siegfried" steht unter den Bildern.

Das Zeug zur Weltliteratur hatte Guevaras Nase leider nicht. Anders als die Nase in Gogols berühmter Novelle spazierte sie weder vornehm gekleidet über die Boulevards, noch versuchte sie, die Stadt zu verlassen. Sie lag einfach auf der Wiese und wurde dort von Gärtnern gefunden. In den kommenden Tagen soll sie wieder an ihren rechtmässigen Platz geschweisst werden.

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UMVERTEILUNG
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tagesanzeiger.ch 29.4.09

"Robin Hood" der Banken

Von Reiner Wandler, Madrid

Ein spanischer Studienabbrecher hat 39 Banken um insgesamt fast eine halbe Million Euro erleichtert. Nicht mit der Pistole in der Hand, sondern mit dem Aktenkoffer unter dem Arm.

Glatt rasiert, das Haar ordentlich gekämmt, eher spiessig gekleidet, eine sanfte, aber entschlossene Stimme, das ist Enric Duran. Auf den ersten Blick der Traum einer jeder spanischen Schwiegermutter. Aber eben nur auf den ersten Blick. Denn der 33 Jahre junge Mann aus Vilanova, einer Kleinstadt in Spaniens katalanischem Nordosten, hat in den letzten Jahren 39 Banken um insgesamt 492'000 Euro erleichtert.

Enric Duran beantragte insgesamt 68 Kredite und zahlte sie dann ganz einfach nicht zurück. Mit dem Geld finanzierte er verschiedene linke und alternative Projekte. "Robin Hood der Banken" nennen ihn die einen. Ein gefährlicher Systemgegner ist er für die anderen. Seit Mitte März sitzt Duran im Knast. Wegen "Fluchtgefahr" wird er die Monate bis zur Eröffnung eines Verfahrens wegen Betrugs und Fälschung die Haftanstalt wohl kaum verlassen. Bis zu zehn Jahre Haft drohen ihm.

Lebensgeschichte erfunden

"Das Finanzsystem ist wesentlich verletzlicher, als wir denken", erklärt Duran. Seinen ersten Kredit beantragte der Studienabbrecher mit einer völlig erfundenen Lebensgeschichte. "Guten Tag. Ich bin Informatiker und befinde mich in einem beruflichen Perspektivenwechsel. Ich habe bisher in einer grossen Firma gearbeitet und will mich jetzt selbstständig machen", spielte er die zuvor peinlich genau einstudierte Rolle. Es klappte. Duran unterzeichnete seine ersten 6000 Euro auf Pump.

Einmal auf den Geschmack gekommen, beantragte er weitere Kredite, "immer mit der klaren Absicht, sie nicht zurückzuzahlen". Mal ging er als Unternehmer oder Freiberufler, mal mit gefälschtem Lohnzettel als gut verdienender Angestellter, der seine Wohnung renovieren musste, oder andere unvorhergesehene Ausgaben hatte. Mit dem frischen Geld beglich er Raten der alten Kredite, um das System am Laufen zu halten. Nach einigen Monaten stellte er die Zahlung dann ein.

Globalisierungsgegner

"Die Lawine wurde immer grösser", berichtet Duran. Im September letzten Jahres beschloss er schliesslich, alles Geld abzuheben, umzuverteilen, und "die Aktion" wie er es nennt, öffentlich zu machen. Die Zeitschrift "Crisi" mit einer Auflage von 250'000 Exemplaren wurde ins Leben gerufen. In einem langen Artikel beschrieb Enric Duran seinen Überfall aufs Finanzsystem. Während er längst irgendwo in Lateinamerika untergetaucht war, wurde die Zeitschrift überall in Katalonien kostenlos verteilt. An Geld fehlte es ja nicht. Ein halbes Jahr später kam Duran zurück. Auf einer Pressekonferenz in der Universität von Barcelona stellte er sich der Polizei.

Über sich selbst erzählt Duran nur wenig. "Früher spielte ich nur Tischtennis im Verein und trainierte die Jugend", erinnert er sich an sein Leben in der Kleinstadt. Über das Lesen sei er zum Entschluss gekommen, "etwas ändern zu wollen". Es zog ihn nach Barcelona, wo er schnell in den Kreisen der Globalisierungsgegner fand, was er suchte. Er beteiligte sich an der Kampagne für den Erlass der Auslandsschulden der armen Länder und arbeitet an verschiedenen Internetplattformen zur Verbreitung unterdrückter Nachrichten mit.

"Doch irgendwann merkte ich, dass die sozialen Bewegungen nicht vorwärts-kamen", erklärt Duran. So kam die Idee für den "Solidarischen Betrug", wie er seine Aktion nennt. Der "Robin Hood der Banken" sieht darin die Verschmelzung zweier Traditionen. Zum einen den zivilen Ungehorsam, wie ihn Gandhi predigte, und zum anderen die "bewaffneten Enteignungen" der spanischen Anarchisten in den Dreissigerjahren.
(Basler Zeitung)