MEDIENSPIEGEL 2.5.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (tojo)
- Reitschule kulinarisch im Beobachter
- Bollwerk: Kraftort und Hauskauf-Objekt
- Demos bleiben erlaubt; Stadt will erneut Entfernungsartikel
- Christen statt Kultur: SP kritisiert Kornhausvermietung
- Progr: Leitartikel-Schlagabtausch
- FDP verteidigt Video-BigBrother Käser; Linke sauer
- Nothilfe-Berg: Eriz noch leer
- Kofmehl: Gespräch suchen
- Freikirchliche Attacke auf Euro-Pride
- 1. Mai Bern: Schwarzer Block + Rote Falken mit Ballons; Brandanschlag
in ZH
- Neonazis marschieren in Basel
- SVP: erneut Migrations-Hetze
- Bürgerpatrouille Birsfelden
- Proteste gegen BKW-Kohle
- Neue AKW-Aufsicht; Mühleberg-Risse + -infoveranstaltung;
Atomausstieg bis 2019 in Bern
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REITSCHULE
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Sa 02.05.09
20:30 Uhr- Auawirleben: "Für
eine bessere Welt" von Roland Schimmelpfennig. HKB
21.00 Uhr - Kino - Havanna - die neue
Kunst Ruinen zu bauen, F. Borchmeyer, D/CUB 2006, 85 Min., 35mm,
OV/d
23.00 Uhr - Dachstock - Liquid
Session: Calibre (Signature Recs/UK) & MC DRS (UK)
So 03.05.09:
08.00 Uhr - Grosse Halle/Vorplatz - Flohmarkt
09.00 Uhr - SousLePont - Brunch
18.00 Uhr - Rössli-Bar - Piano-Bar
Infos: www.reitschule.ch
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Bund 2.5.09
Krieg macht geil
Theater
"Meine Einheit ist total aufgerieben worden, aber ich will jetzt Sex",
sagt Frau Leutnant und versucht, einen ihrer untergebenen, knackigen
Soldaten unter die Dusche zu schleppen. So sexy sich zwar die toughe
Überlebende präsentiert, der Mann will nicht. Aus
Aberglauben, weil all
die Soldaten, die mit ihren weiblichen Vorgesetzten herumgefummelt
haben, nachher im Kampf umgekommen sind.
Den adrenalingedoptn modernen Soldatenalltag nimmt sich Roland
Schimmelpfennig, einer der erfolgreichsten zeitgenössischen
Dramatiker,
in seinem Stück "Für eine bessere Welt" vor, das 2004 am
Schauspielhaus
Zürich aufgeführt worden ist. Geprägt sind die schnell
wechselnden
kurzen Szenen von Stimmungen, die mit ihrem coolen Pathos an Filme wie
"Apocalypse Now" oder "Platoon" erinnern - und von
Männerfantasien.
Krieg macht Frauen geil, lautet eine der Botschaften des collageartigen
Textes, der alte und neue Mythen mit modernem Werbetrash legiert. Wo
der Horror neue Rituale schafft, da trifft die Göttin der
Unterwelt auf
Aliens.
Verbales Sperrfeuer
Alle sind sie blutjung, die durchtrainierten Kämpferinnen und
Kämpfer,
die mal irgendwo in Afrika, mal in Vietnam gegen das Böse
antreten.
Doch die Fronten zwischen Feind und Freund verschieben sich laufend,
und zum gefährlichsten Gegner wird die eigene Paranoia.
Als ernsthaftes verbales Sperrfeuer inszeniert der junge deutsche
Regeisseur Boris von Poser zusammen mit der Diplomklasse der Berner
Schauspielschule den dramatischen Stoff, was der Künstlichkeit des
Textes aber nicht bekommt.
So leidenschaftlich die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler sich
auf der Bühne des Tojo-Theaters in der Reitschule der kaputten
Gestalten annehmen, glaubwürdig wirken sie in ihrem atemlosen
Eifer
kaum. Der Regisseur verzichtet nämlich darauf, all die Klischees,
die
Schimmelpfennig in seinen Kriegsspielchen bemüht, zu unterlaufen.
Als
Comic oder Videogame verzerrt hätte die diskutable Vorlage aber
durchaus Potenzial zu einer Reflexion der Wahrnehmung von Krieg in
Zeiten der unbegrenzten medialen Möglichkeiten
(bnb)
[i]
Aufführungen heute, 20.30 Uhr, Tojo-Theater in der Reitschule.
8./9. Und 14./15./16. Mai, 20 Uhr, in der HKB, Sandrainstrasse 3, Bern.
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Solothurner Zeitung 2.5.09
Taumeln durch Dunkelzonen
Studierende der Berner Kunsthochschule haben sich unter Boris von
Posers Regie Roland Schimmelpfennigs apokalyptische Collage "Für
eine
bessere Welt" angeeignet.
Roland Erne
Ein irgendwo (in Afrika?) versprengter Trupp stapft über
verstreute
Kampfanzüge. Wer da warum auch immer denn wen bekämpft, ist
nicht
auszumachen. "Das hier ist ein Drei- oder Vierfrontenkrieg, und im
Grunde weiss niemand mehr, warum wir noch hier sind, oder ob wir nur
noch hier sind, weil wir hier nicht wegkommen", heisst es einmal in
"Für eine bessere Welt". Roland Schimmelpfennigs apokalyptische
Szenenfolge spiegelt (inszenierten?) Krieg als globalen Dauerkonflikt
und haltlose Existenzgrundlage.
Der 1967 geborene Erfolgsdramatiker hat viel reingepackt in sein
stimmreiches Textkonglomerat, das Erzählpassagen mit dialogischen
Sequenzen, (Trivial-)Mythen mit dem Kriegsgrauen und dessen medialer
Aufbereitung verknüpft. Glasfressende Aliens geistern ebenso durch
das
gespenstische Geschehen wie Amor und Psyche oder ein Plakat-Girl, das
sich eine Blechdose zwischen die Brüste klemmt. Es geht um Werbung
für
kalten Kaffee. Erinnerungen an eine ehedem unbelastete Vergangenheit
kontrastieren mit den Verheerungen der Dschungelhölle -
Ängste und
Obsessionen wuchern.
Schimmelpfennigs gemischtgeschlechtliche militärische Einheit
taumelt
durch albtraumnahe Dunkelzonen, paralysiert auch von der Ahnung eines
Massakers, das ein Leichenfeld zurückliess. "Überall staken
die Reste
menschlicher Körper in der Erde, wie Spargel. Ein Körper
neben dem
andren." Nichts ist mit klaren Fronten und verlässlicher
Übersicht. Den
alltäglichen Irrsinn dämpfen ein bisschen Sex und
halluzinogener Stoff.
Fehlgeleitete Schottenröcke im Transportgut spenden
Restidentität. Vor
allem aber grassiert der unversöhnliche Überlebenskampf um
Wasser,
Essbares und Munition, ehe sich Schimmelpfennigs traumatisierte Figuren
der Variation eines archaischen Rituals ergeben, das ein mit Wodka
narkotisiertes Paar dem Zusammenbruch zuführt.
Schimmelpfennigs 2003 von Falk Richter in der Marthaler Ära am
Zürcher
Schauspielhaus uraufgeführtes Stück "Für eine bessere
Welt" hat sich
nicht von ungefähr auch auf der Hörspielbühne
durchgesetzt. Eine
Radioinszenierung des Hessischen Rundfunks wurde zum Hörspiel des
Jahres 2004 gekürt. Wie aber mit Worten evozierte Bilder auf die
Bühne
bringen, die es am Konkreten nicht fehlen lassen? - "Verschmorte
Waffen, Fahrzeugresten überall auf dem völlig verbrannten
Grund".
Für seine am diesjährigen Theatertreffen "Auawirleben" -
Motto:
"Blessed Places - Places Blessées" - erstmals gezeigte
Inszenierung mit
Studierenden der Berner Kunsthochschule hat Boris von Poser der
Versuchung widerstanden, die surreale Collage mit einer vereinnahmenden
Sound- und Video-Schiene aufzupeppen. Der bei Peter Zadek geschulte
Regisseur vertraut vielmehr einem unverhohlen zeitkritischen Text, den
sich das junge Ensemble (Robert Baranowski, Simon Derksen, Jan-Philip
Frank, Newa Grahwit, Carolin Jakoby, Nadim Jarrar, Mirjam Kleber,
Judith Koch, Pascale Pfeuti, Lukas Schneider, Pema Shitsetsang) im
Tarn-Outfit auf der mit Armeekisten und Stuhlreihen abgesteckten
Spielfläche (Ausstattung: Rudolf Jost) ohne kapriziöses Zutun
angeeignet hat. Die reife Leistung für einen freilich
streckenweise
langatmigen zweistündigen Theaterabend kann indes nicht
kaschieren,
dass Schimmelpfennigs "Für eine bessere Welt" mit ermüdender
Aufsässigkeit daherkommt.
Für eine bessere Welt Weitere Aufführungen: 2. Mai, Tojo
Theater
Reitschule (im Rahmen von "Auawirleben"); 8., 9., 14., 15., 16. Mai,
Hochschule der Künste (Sandrainstr. 3, Bern).
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kulturstattbern.derbund.ch
29.4.09
Grazia Pergoletti am Mittwoch den 29. April 2009 um 16:10 Uhr
Kultur für Freaks und andere
Kultur ist derzeit überall in der Stadt: Neon-Velos pro Progr,
Revolution der Tiere auf der Grossen Schanze, AUA WIR LEBEN immer noch,
zum Glück. Und sie macht auch vor der Eishockey-WM nicht halt,
sass ich
doch gestern im Nünitram, umringt von Berlin-Hockeyclub-Fans in
Vollmontur, die angeregt über Bertolt Brecht diskutierten. Kein
Witz im
Fall.
Im TOJO war gestern die Produktion "Hausprobe" des Theater M21 aus
Hildesheim zu sehen, nach dem Kultroman "Freaks" von Joey Goebel.
Fünf
Freaks, wie sie im Buche stehen, die zusammen eine Band gründen
und so
endlich zu einer Art Familie kommen - etwas, was ihnen im richtigen
Leben fehlt. Ein unfassbar komisches Theater-in-Concert, ironisch,
lethargisch, charming. Mir hat es vor allem die sexsüchtige
80-jährige
Opel angetan mit ihren reduzierten Keyboardeinlagen und dem falschen
Hüftschwung. Sehr lustig, ideal fürs TOJO, das Publikum hat
getobt.
Ich hatte letzten Sommer ebenfalls eine Bühnenadaption des Romans
gesehen, am geliebten Theaterhaus in Jena. Die dortige Aufführung
war
wilder, ungehobelter und eine Spur ernster, was mich etwas mehr mit den
Figuren mitfühlen liess. Aber auch die gestrige Show
überzeugte. Ach,
und falls Sie heute in den "Bus" steigen: Ziehen Sie sich warm an! Und
verpassen Sie das Finale der Revolution der Tiere von
Konsortium&Konsorten, morgen um 20 Uhr auf der Grossen Schanze
nicht.
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REITSCHULE KULINARISCH
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Beobachter 1.5.09
http://www.beobachter.ch/konsum/freizeit/artikel/geniessen_kulinarier-aller-laender/
(mit Fotos)
Geniessen
Kulinarier aller Länder
...vereinigt euch! Die Arbeiterbewegung schlägt sich in der Berner
Reitschule auch beim Essen nieder. Was hier auf den Teller kommt, ist
entweder regional, fair produziert oder beides.
Text: Balz Ruchti; Fotos: Daniel Rihs
Die beiden Zürcher Damen ereifern sich in ihrem Zugabteil
über den
"Schandfleck". "Dass si das nöd öppe abriissed!",
nörgelt die eine,
während der Zug gemächlich in den Berner Bahnhof schaukelt.
Rotschwarze
Transparente lösen bei der Bourgeoisie Unbehagen aus.
"Gäll?!",
erwidert die andere. "Aber ebe"
Aber eben. Man kann sie mögen oder nicht, die Reithalle - sie
gehört zu
Bern, wie Münster und Bundeshaus. "Reitschule, nicht -halle", sagt
Thomas Laube. Reithalle sagen nur die draussen. Die sich hier
engagieren, bezeichnen sich als Reitschüler und
Reitschülerinnen.
"Schliesslich ist das eine Art Lebensschule." Töml lächelt.
Der
47-Jährige ist Koch im "Sous Le Pont".
Tatsächlich unterscheidet sich der Reitschulknigge kaum vom
Leitbild
einer Volksschule: Keine Diskriminierung aufgrund von Herkunft,
Geschlecht oder sexueller Orientierung - verlangt wird einzig ein
respektvoller Umgang mit Reitschule und Mitmenschen. Nichts also, wozu
sich nicht auch ein gemässigter Bürgerlicher bekennen
könnte. Leider
hat die Reitschule bei denen aber einen viel zu schlechten Ruf.
Wer sich ins Innere des Gemäuers wagt, findet neben einem lichten
Innenhof, Theater, Bar, Kino und Konzertsaal eben auch ein
hübsches
Beizli - das "Sous Le Pont". Der nahe Eisenbahnviadukt lässt
grüssen.
"Hier waren die Stallungen", sagt Töml. "Als wir die alten
Farbschichten ablaugten, roch es auf einmal wieder nach Pferdemist."
Eine hüfthohe Brüstung mit schmiedeisernem Geländer
schliesst an eine
kleine Bühne. Auf dieser finden regelmässig Lesungen und
Konzerte
statt. Töml arbeitet seit zwölf Jahren hier. Eigentlich ist
er
gelernter Musiker; aber irgendwie habe das nie richtig funktioniert. So
liess er sich im "Sous Le Pont" zum Koch anlernen.
Zwischen Rentabilität und Prinzipientreue
An den Tischen stehen unterschiedlichste Stühle, die ihre Vorleben
in
Landgasthöfen, Kasernen, vielleicht gar bürgerlichen Stuben
zugebracht
haben. Insgesamt finden rund 100 Gäste Platz. "Mittags verkaufen
wir so
um die 30 Menüs - aber es schwankt sehr von Mal zu Mal", sagt Sara
Steiner. Die 22-Jährige arbeitet seit zwei Jahren hier im Service
und
tanzt routiniert zwischen Tischen und Gästen durch. "Ich bin in
einer
Genossenschaftskneipe aufgewachsen - ein Beizenkind." Neben dem Job
absolviert sie eine Berufsmatur für Erwachsene.
Töml und Sara sind Mitglieder eines 15-köpfigen Kollektivs,
welches das
"Sous Le Pont" betreibt. Chef gibt es keinen: Die Reitschule ist eine
Basisdemokratie; auch Kino, Theater und Konzertsaal werden von solchen
Gruppen geführt. Im täglichen Betrieb ist von den Mitgliedern
vor allem
Mitdenken gefragt: Bestellungen machen, Arbeits- und
Menüpläne
schreiben. Etwas Hierarchie würde das Ganze sicher vereinfachen.
"Es
ist trotzdem schön zu sehen, dass es auch anders geht", sagt Sara.
Und
wenns einmal nicht ganz klappt, rennt halt jemand in die Migros und
kauft Salat.
Normal kommt das Gemüse aber aus dem Gemüseladen im
Lorrainequartier;
das Fleisch bringt Metzger Iseli von ennet der Aare - "nicht mehr ‹bio›
zwar, das war einfach zu teuer", sagt Sara. "Aber immerhin Schweizer
Fleisch." Das Kollektiv stellt viele Ansprüche an sich.
Bezahlbares
Essen etwa. Das Menü mit Fleisch kostet am Mittag um die 16,
abends 19
Franken; das "Gassenmenü für Leute mit wenig Kohle" - ein
sättigendes
Mahl mit Reis oder Teigwaren und Gemüse - gibt es schon für
acht
Franken. Letztlich muss sich auch das "Sous Le Pont" selbst tragen -
ein steter Spagat zwischen Rentabilität und Prinzipientreue.
"Wir kaufen nichts von Multis wie Nestlé oder Kraft", sagt Sara.
Was im
"Sous Le Pont" auf den Teller kommt, ist entweder regional, fair
produziert oder beides. Das Bier ist aus Einsiedeln und der Sirup vom
Berner Sirupier, der mit Kreationen wie Rosenblüten,
Alpenkräuter oder
Zimt aufwartet. Es gibt Fair-Trade-Kaffee, der von nicht ausgebeuteten
Bauern angebaut wird, und eine Alternative zur "Imperialistenbrause":
Premium Cola, "von einem Hamburger Kollektiv". Zugleich fair produziert
und regional ist das Putzzeug: Es wird in der Blindenwerkstätte
Bern
gefertigt.
Dass bei so viel Idealismus auch noch gut und abwechslungsreich gekocht
wird, ist nicht selbstverständlich, aber Tatsache. Das Kollektiv
kocht
zusätzlich noch täglich vegetarisch, vegan und ein
Fleischmenü.
Mittwochs gibt es zudem Spezialitäten aus irgendeinem Winkel der
Welt.
Der letzte Mittwoch im Monat ist jeweils einer Schweizer Region
gewidmet: "Letztes Mal war es Glarus - irgendetwas mit viel Ziger."
Obwohl die meisten Kollektivmitglieder Laien sind, ist das "Sous Le
Pont" ein professioneller Betrieb. Bei Veranstaltungen in der
Reitschule übernimmt es die Funktion einer Kantine. Ein Mitglied
stellt
das Wirtepatent. "Wir werden auch das Rauchverbot umsetzen", sagt Sara
und drückt ihre Zigi aus. Das dürfte zwar einen Aufschrei
geben - "aber
schon ein paar Monate später wird sich niemand mehr daran
erinnern,
dass es je anders gewesen ist".
--
Eigenwillige Vielfalt: Kultur in der Reitschule
Hof
Im Sommer wird der Innenhof von den verschiedenen
Reitschule-Kollektiven vielseitig genutzt, etwa für
Kino-Open-Air-Veranstaltungen mit Filmklassikern oder als Gartenbeiz
des "Sous Le Pont".
Konzertsaal
Der Dachstock ist der Konzertsaal der Reitschule, in dem rund 800 Leute
Platz finden. Konzerte werden von der Veranstaltungsgruppe
ausschliesslich aus Freude an der jeweiligen Musik organisiert - vom
Indie-Punk über Hip-Hop und Folk-Blues bis hin zu Free Jazz und
New
Rave. Das Motto dabei: "Musik, die nur gemacht wird, um sich zu
verkaufen, bleibt draussen."
Theater
Das Reitschul-theater Tojo ist in erster Linie ein Gastspielbetrieb.
Das Tojo-Kollektiv realisiert aber auch eigene Produktionen. Der
Hauptakzent des Programms liegt auf Produktionen von freien
Sprechtheatergruppen. Dazu kommen Performances, moderner Tanz,
Lesungen, ab und zu Kinder- und Jugendtheater. Das Tojo-Theater ist
auch eine Spielstätte für Variété und
Kleinkunst. Mit günstigen
Konditionen und risikofreudiger Programmauswahl wird versucht, junge
Theaterschaffende und neue Gruppen zu fördern.
Kino
Das Kino in der Reitschule zeigt Filme, die in kommerziellen Kinos
nicht zu sehen sind - zum Beispiel Werke, die unübliche Themen
behandeln oder formal gegen die Sehgewohnheiten verstossen.
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Rezept für 4 Personen
Seitan-Pilzragout
1 kg Mehl, 1 TL Provençale-Mischung, 6 dl Wasser kneten, mit
warmem Wasser bedecken, 1 Stunde stehen lassen.
1 kleine Dose Tomatenmark, 4 EL Sojasauce, 6 gehackte Knoblauchzehen, 2
geschnittene Zwiebeln andünsten, mit 2 l Gemüsebouillon
ablöschen und
zum Kochen bringen. Seitanteig waschen, bis das Wasser klar und der
Teig kaugummiartig wird. Dann wie Spätzli in die Marinade
schneiden und
gut 30 Minuten kochen. 300 g gemischte Pilze klein schneiden und mit
Zwiebel und Knoblauch in Öl anschwitzen. Abgetropftes Seitan
dazugeben
und mit Kräutern, Salz und Pfeffer würzen. Ragout mit
Nüsslisalat
anrichten.
Mehr Infos: http://www.reitschule.ch/reitschule/slp
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BOLLWERK
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Bund 2.5.09
Überbauung eines "Kraftortes"
Die Angst vor dem planerischen Wurf,
"Bund" vom 27. April
So einige Berufsleute tragen dazu bei, Menschen an den Rand zu
drängen
und sie in hausgemachten Gettos verschwinden zu lassen. Ohne Skrupel
plant eine Architektentruppe aus Bern nichts Geringeres als eine
brachiale Überbauung des vitalistischen Kraftortes zwischen
Reitschule
und Waisenhausplatz.
Die Macht, Städte zu bauen, darf den Architekten nicht mehr in die
Hände fallen, da ihre Baufantasien die Figur des Flaneurs ausser
Acht
lassen und die Bedürfnisse des Individuums notorisch ignorieren.
Leider
wird auch Bern von Architekten heimgesucht. Unverbesserliche
Architekten machen sich daran, die Oase in der Berner Wüste in
Verruf
zu bringen und äffen rechte Haudegen von rechts nach. Solange
Architektur Menschen einpfercht und einschränkt, hat sie im
öffentlichen Raum nichts verloren.
Johannes Lortz,
Bern
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Bund 1.5.09
Bollwerk: Stadt kauft Häuser
Stadt Bern Der Gemeinderat will die Wohn- und Gewerbeliegenschaften
Hodlerstrasse 18 und Hodlerstrasse 20 für 3,1 Millionen Franken
kaufen.
Die Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft der Drogenanlaufstelle
seien
in den 90er-Jahren renoviert worden und befänden sich in einem
guten
Zustand, heisst es in einer Mitteilung. Da alle Wohnungen und
Gewerberäume vermietet seien, könne auch eine
marktübliche Rendite
erzielt werden.
Aufhorchen lässt der letzte Satz der Mitteilung, wonach sich die
Stadt
mit dem Kauf "Handlungsoptionen im Bereich des Bollwerks" sichern
wolle. In einem verwaltungsexternen Bericht wurde jüngst das "von
Gewalt geprägte Ambiente" des Perimeters beklagt ("Bund" vom 27.
April). Es brauche "grosse, gebündelte Anstrengungen" und "klare
Entscheidungen", um eine Gesamtplanung des Gebietes zwischen
Waisenhausplatz und Schützenmatte an die Hand zu nehmen. Der
Gemeinderat hatte den Bericht in Zusammenhang mit einem Vorstoss des
Grünen Bündnisses (GB) in Auftrag gegeben. In der Antwort auf
den
Vorstoss räumt die Stadtregierung ein, dass die Schützenmatte
"städtebaulichen Ansprüchen an eine citynahes Gebiet" nicht
genügen
könne. Konzeptionelle Überlegungen wolle er aber erst in rund
20 Jahren
anstellen, wenn die Folgen des Bahnhofausbaus und des autofreien
Bahnhofplatzes geklärt seien. Bis dahin will sich die Berner
Stadtregierung mit der Verschiebung von Parkplätzen, dringlichen
Sanierungen und der Errichtung eines Dachunterstandes für
Car-Reisende
begnügen. (bob)
---
bern.ch 29.4.09
Kurzmitteilung des Gemeinderats
Ferner hat der Gemeinderat
- entscheiden, die Wohn- und Gewerbeliegenschaften an der Hodlerstrasse
18/20 für 3,1 Millionen Franken zuhanden des Fonds für Boden-
und
Wohnbaupolitik zu erwerben. Die beiden Gebäude aus dem Jahr 1900
wurden
in den 90er Jahren umfassend renoviert und befinden sich in einem guten
Zustand. Alle Wohnungen und Gewerberäumlichkeiten sind voll
vermietet,
womit die Gebäude eine marktübliche Rendite erzielen. Mit dem
Kauf
sichert sich die Stadt Handlungsoptionen im Bereich des Bollwerks.
Informationsdienst der Stadt Bern
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DEMO-VERREGLEMENTIERUNG
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Bund 2.5.09
Kundgebungen in den Hauptgassen Berns sollen nicht eingeschränkt
werden
- Statthalterin heisst Beschwerde gegen Teilrevision des
Kundgebungsreglements gut
Innenstadt ist nicht Klosterplatz von Einsiedeln
Erfolg für die Verteidiger der Grundrechte:
Demonstrationsumzüge durch Berns Hauptgassen bleiben erlaubt.
Daniel Vonlanthen
"Kundgebungen werden in der Regel nur als Platzkundgebungen, namentlich
ohne Inanspruchnahme der Hauptgassen, bewilligt." Dieser Passus im
Stadtberner Kundgebungsreglement ist nach Ansicht der
Regierungsstatthalterin von Bern, Regula Mader, verfassungswidrig. Sie
hiess eine Gemeindebeschwerde gut, die ein linkes Bündnis von
über 20
Beteiligten eingereicht hatte, unter ihnen Augenauf, Gewerkschaftsbund,
SP, GB und Demokratische Juristinnen und Juristen Bern. Letztere haben
den Entscheid gestern publik gemacht.
Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) hatte den Passus damals im
Stadtrat eingebracht; Mitunterzeichner war GFL-Stadtrat Ueli
Stückelberger. Das Stadtparlament befürwortete das faktische
Umzugsverbot an seiner Sitzung vom 15. Mai 2008 mit 40 gegen 36
Stimmen. Nach juristischen Abklärungen begrüssten auch die
Stadtkanzlei
und der Gemeinderat die Verschärfung. Sie stützten sich dabei
auf ein
Urteil des Bundesgerichts, das ein Kundgebungsverbot auf dem
Klosterplatz von Einsiedeln als rechtens erachtete.
Schutz einer Pilgerstätte
Das vom Bundesgericht geschützte Demonstrationsverbot auf dem
Klosterplatz von Einsiedeln sei massgeblich unter
"Berücksichtigung der
primären Zwecksetzung dieser Örtlichkeit als
Pilgerstätte ergangen",
hält Regula Mader in ihrem Entscheid fest. Diese Zwecksetzung
treffe
aber auf die Berner Innenstadt nicht zu. Orte in der Innenstadt, wie
die Hauptgassen, schlössen nicht generell die Durchführung
von
Kundgebungen aus, auch wenn der öffentliche Verkehr behindert
werde und
das Gewerbe Umsatzeinbussen beklage. Der verfassungskonforme Anspruch
auf Durchführung einer Kundgebung bestehe dann, wenn ein
geordneter
Ablauf gesichert und die Beeinträchtigung der andern Benutzerinnen
und
Benutzer der Innenstadt zumutbar erschienen. Mader ortete in der
Formulierung auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit: Der Stadtrat habe
sich nicht konkret dazu geäussert, in welchen Fällen
ausnahmsweise eine
sich in Bewegung befindliche Kundgebung zuzulassen wäre.
Gemeinderat Reto Nause zeigte sich gestern erstaunt über den
Entscheid.
Es gebe unterschiedliche Rechtsauffassungen in dieser Frage. Er liess
es offen, ob die Stadt den Entscheid beim Verwaltungsgericht anfechten
wird. Die vom Stadtrat verlangte Verschärfung des
Kundgebungsreglements
war auch eine Folge der Ausschreitungen an der Anti-SVP-Kundgebung
2007. Nause hatte argumentiert, je länger die Umzugsroute sei,
desto
weniger könne die Sicherheit aller gewährleistet werden. So
oder so
bleibt das Kundgebungsreglement ein Dauerbrenner: Mit der Initiative,
welche die Einführung des Entfernungsartikels im Reglement
verlangt,
ist die nächste Debatte programmiert ("Bund" von gestern).
Der Verfasser der Gemeindebeschwerde, Michel Heinzmann vom Berner
Advokaturbüro Advocomplex, erachtet die örtliche
Einschränkung von
Kundgebungen als verfassungswidrig und "unzulässige
Kompetenzüberschreitung des stadtbernischen Gesetzgebers". Die
Stadt
sei nicht befugt, Voraussetzungen oder Einschränkungen zu treffen,
die
über die Kantonsverfassung hinausgingen. Demonstrationen
zeichneten
sich durch ihre "Appellfunktion" aus; um an die Bevölkerung zu
appellieren, sei ein Umzug sinnvoll und notwendig. Grosse Kundgebungen
stellten zudem eine logistische Herausforderung dar. Es sei unklar, ob
der schubweise Anmarsch der Gruppen bereits als Umzug gelte.
---
BZ 2.5.09
Demonstrations-Umzüge sind in Bern wieder erlaubt
Regierungsstatthalterin Regula Mader (SP) hat das Demo-Umzugsverbot im
Kundgebungsreglement der Stadt Bern verworfen.
Demo-Züge durch Bern sollen gemäss Stadtrat nur noch in
Ausnahmefällen
erlaubt, Platzkundgebungen dagegen die Regel sein. Der entsprechende
Artikel wurde nach der Anti-SVP-Kundgebung vom 6.Oktober 2007 ins
Berner Kundgebungsreglement aufgenommen. Gestern hat
Regierungsstatthalterin Regula Mader (SP) den Passus verworfen. Sie
hiess eine Beschwerde linker Stadtparteien gut.
Maders Begründung: Das Reglement widerspreche der Versammlungs-
und
Vereinsfreiheit der Berner Kantonsverfassung. "Die Hauptstadt ist mit
ihrer Zentrumsfunktion und der Nähe zum Bundeshaus ein besonders
geeigneter Ort, um Anliegen möglichst wirksam kundzutun", steht in
der
Urteilsbegründung. Kundgebungen in der Innenstadt seien seit
langem ein
anerkannter Nutzungszweck des öffentlichen Grundes.
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) beklagt sich: "Dieser Entscheid
wird negative Auswirkungen auf den Berner Alltag haben." Die Stadt sei
ein Brennpunkt für politische Ereignisse weit über die
Schweiz hinaus.
"Wir stehen vor einem Demo-Rekordjahr. Die Belastung auf den
öffentlichen Grund ist bereits jetzt enorm." Zudem habe die Stadt
das
Reglement juristisch abklären lassen. "Aus unserer Sicht ist es
legal."
FDP-Stadtrat Philippe Müller wirft Regula Mader Missachtung der
Gewaltentrennung vor. "Seit Jahren steht sie im Dienst der Linken",
sagt er. Regula Mader wollte zu diesem Vorwurf keine Stellung nehmen.
tob
Seite 36
--
Regierungsstatthalterin hat entschieden
Demo-Züge sind wieder erlaubt
Regierungsstatthalterin Regula Mader (SP) hat das vom Stadtrat
verabschiedete Demo-Umzugsverbot rückgängig gemacht.
Sicherheitspolitiker Philippe Müller (FDP) sieht dadurch die
Gewaltentrennung verletzt.
Vor gut einem Jahr hat der Stadtrat ein Umzugsverbot für
Demonstrationen ins Berner Kundgebungsreglement aufgenommen.
Demozüge
sollten in der Hauptstadt nur in Ausnahmefällen gestattet werden,
Platzkundgebungen der Normalfall sein. Die Linke hatte die Abstimmung
im Parlament knapp verloren, weil die Bürgerlichen durch die
GFL/EVP-Fraktion verstärkt wurden. Doch die unterlegenen Parteien
(Grüne Partei, Grünes Bündnis und SP) reichten bei
Regierungsstatthalterin Regula Mader eine Beschwerde gegen das
verabschiedete Reglement ein.
Gestern hat SP-Mitglied Mader diese Beschwerde gutgeheissen und den
entsprechenden Passus aus dem Kundgebungsreglement gestrichen. Der
Artikel widerspreche der übergeordneten Kantonsverfassung, so die
Begründung.
Gegen das Bundesgericht
Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) zeigt sich über den Entscheid
erstaunt. "Ein leiser politischer Unterton schwingt in der
Begründung
mit", sagt er. Die Stadt habe das Kundgebungsreglement ebenfalls einer
juristischen Prüfung unterzogen. Diese sei zum gegenteiligen
Schluss
gekommen. "In anderen Städten hat das Bundesgericht ähnliche
Regeln
akzeptiert."
Das weiss auch Regula Mader. "Die Verfassung des Kantons Bern geht in
diesem Punkt über die Bundesverfassung hinaus", schreibt sie in
ihrer
Urteilsbegründung. Denn die Hauptstadt mit ihrer Zentrumsfunktion
sei
"ein besonders geeigneter Ort, um Anliegen möglichst wirksam kund
zu
tun".
"Im Dienst der Linken"
Genau deshalb habe der Stadtrat das Umzugsverbot eingeführt,
entgegnet
FDP-Stadtrat Philippe Müller, der die Sicherheitspolitik zu einem
seiner Spezialgebiete zählt. "Gerade weil Bern das politische
Zentrum
ist, braucht es keine Umzüge. Mit einer Platzkundgebung auf dem
Bundesplatz erreicht man genügend Aufmerksamkeit."
Müller bezeichnet Maders Begründung als "fadenscheinig", was
ihn aber
nicht erstaune. "Bei ihr vermischt sich die Richterfunktion
ständig mit
dem politischen Sendungsbewusstsein", sagt er. "Damit vermischt sich
auch die Gewaltentrennung." Regula Mader stehe immer im Dienst der
Linken. Als Beispiele nennt Müller die Progr-Debatte, die
Sozialhilfe-Affäre oder die verhinderte Nachzählung nach den
Gemeinderatswahlen 2004, als Regula Rytz (GB) mit wenigen Stimmen
Vorsprung auf Alec von Graffenried (GFL) die Wahl schaffte.
"SP-Mitglied Mader ist wie ein zweiter Rat in Bern", beklagt sich
Müller. "Wenn die Linken im Parlament einmal verlieren, rennen sie
gleich zur Regierungsstatthalterin. Dort gewinnen sie natürlich.
Denn
Maders Hilfe kommt mit einer erschreckenden Zuverlässigkeit."
Demo-Flut in Bern
Dass Politiker von ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen, ist für
Gemeinderat Reto Nause nachvollziehbar. Doch in diesem Fall hätten
sie
Bern einen Bärendienst erwiesen. "2009 wird für die Stadt ein
Demo-Rekordjahr", sagt er. Umzüge fänden meist in Gassen
statt, wo der
Platz für Passanten und den öffentlichen Verkehr bereits
knapp sei.
"Der Druck auf die Benutzung des öffentlichen Raums nimmt jetzt
noch
zu."
Tobias Habegger
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Berner Rundschau 2.5.09
Demorecht sistiert
Statthalterin Mader heisst Beschwerde gut
Das vom Berner Stadtrat beschlossene Verbot von Kundgebungsumzügen
verstösst gegen die Verfassung des Kantons.
Bruno Utz
Mit 40 zu 36 Stimmen hiess der Stadtrat im Mai 2008 einen Antrag der
GFL/EVP und des heutigen Vorstehers der Polizeidirektion, Reto Nause
(CVP), gut. Demnach sollen Kundgebungen in der Hauptstadt nur noch als
Platzkundgebungen bewilligt werden. Diese Bestimmung widerspreche der
Kantonsverfassung. Zudem führe die unklare und teilweise
missverständliche Formulierung des neuen Artikels im
Kundgebungsreglement "zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit",
schreibt Regierungsstatthalterin Regula Mader. Sie hiess die Beschwerde
einzelner Privatpersonen sowie Parteien und Verbände gut und hob
den
Beschluss des Stadtrates auf.
Im Entscheid hält Mader weiter fest, die Stadt Bern mit ihrer
Zentrumsfunktion und als Hauptstadt mit unmittelbarer Nähe zum
Bundeshaus und zum Rathaus sei ein besonders geeigneter Ort, um
Anliegen öffentlich möglichst wirksam kundzu tun. "Die
Durchführung von
Kundgebungen in der Innenstadt stellt deshalb einen seit langem
anerkannten Nutzungszweck öffentlichen Grundes dar."
Die Demokratischen Juristinnen und Juristen reagierten erfreut
auf den Entscheid.
Dieser ist beim Verwaltungsgericht anfechtbar.
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Bund 1.5.09
Gemeinderat für Bischof-Initiative
Stadt Bern Wer sich trotz Aufforderung der Polizei nicht von einer
Demonstration entfernt, muss mit einer Busse bis zu 5000 Franken
rechnen. Der Gemeinderat stellt sich hinter die Initiative eines
rechtsbürgerlichen Komitees rund um Ex-FDP-Grossrat Erwin Bischof,
das
die Aufnahme des sogenannten Entfernungsartikels ins
Kundgebungsreglement verlangt. Die links-grünen Parteien lehnen
den
Artikel nach wie vor ab. (bob)
Seite 23
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Dritter Anlauf für den Entfernungsartikel
Der Gemeinderat will die Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration
unter Strafe stellen - der Stadtrat soll eine rechtsbürgerliche
Initiative annehmen
Wer sich trotz polizeilicher Aufforderung nicht von einer Demonstration
entfernt, muss mit einer Busse rechnen. Der Gemeinderat heisst die
Aufnahme des Entfernungsartikels ins Kundgebungsreglement gut und
unterstützt eine rechtsbürgerliche Initiative.
Bernhard Ott
Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) gibt sich zuversichtlich: "Der
neue Stadtrat ist in sicherheitspolitischen Fragen empfänglicher
und
wird den Entfernungsartikel diesmal annehmen." Im Gespräch mit
Manuel
Willi, dem Regionalkommandanten der Kantonspolizei, habe er wiederholt
die "störende Lücke" im Kundgebungsreglement festgestellt. Da
die
Organisatoren unbewilligter Demonstrationen oft aus der Anonymität
heraus agierten, sei die Bestrafung der Teilnehmer entscheidend. "Heute
kann die Polizei erst eingreifen, wenn Sachschäden entstanden
sind."
Damit es gar nicht erst so weit komme, brauche es die rechtlichen
Voraussetzungen, um die Teilnahme an einer unbewilligten Manifestation
unter Strafe zu stellen.
Bestärkt durch das Bundesgericht
Der Gemeinderat stellt sich daher hinter die Initiative "Keine
gewalttätigen Demonstranten" des einstigen FDP-Grossrats Erwin
Bischof.
Ein Komitee rund um den einstigen Redaktor der rechtsbürgerlichen
"Trumpf Buur"-Inserate hat das Volksbegehren vor Jahresfrist mit knapp
6000 Unterschriften eingereicht. "Uns geht es um die Sache, nicht um
den Absender", sagt Nause. Die Initiative verlangt, dass sich
Teilnehmer von Demonstrationen nach Aufforderung der Polizei entfernen.
Ansonsten müssen sie mit einer Busse bis zu 5000 Franken rechnen.
Der
Stadtrat hat die Aufnahme des sogenannten Entfernungsartikels ins
Kundgebungsreglement bereits in den Jahren 2005 und 2008 abgelehnt. Die
rot-grüne Mehrheit sah die Grundrechte in Gefahr und stellte die
Anwendbarkeit des Artikels infrage.
Bezüglich der Grundrechte sieht sich der Gemeinderat offenbar
durch ein
neues Urteil des Bundesgerichtes bestätigt. Es lehnte diesen
Frühling
dreizehn Beschwerden von linken Organisationen und Gewerkschaften gegen
eine Verschärfung des Thuner Ortspolizeireglements ab, die unter
anderem auch den Entfernungsartikel enthält. "Rechtlich ist der
Entfernungsartikel kein Problem", sagt Nause.
SP befürchtet "Massenpanik"
Auch die Anwendbarkeit des Artikels im polizeilichen Alltag stellt der
Stadtberner Sicherheitsdirektor nicht infrage. Generelle Aussagen
hierüber seien jedoch schwierig, da das erste Kriterium jedes
Polizei-Einsatzes die Verhältnismässigkeit darstelle. In der
Stadt Bern
werde es in diesem Jahr rund 500 Kundgebungen geben. "In Bern ist es
nach wie vor möglich, legal und bewilligt zu demonstrieren", sagt
Nause. Die rot-grünen Parteien teilen diese Einschätzung nach
wie vor
nicht. Das Grüne Bündnis (GB) ist "enttäuscht" über
den
"unverständlichen Entscheid" des Gemeinderates, heisst es in einer
Mitteilung. Der Entfernungsartikel stelle alle Teilnehmer von
Kundgebungen unter "Pauschalverdacht", die Versammlungs- und
Meinungsäusserungsfreiheit werde dadurch "beschnitten". Das GB
stellt
auch die Anwendbarkeit des Artikels infrage, da Abgrenzungsprobleme
zwischen Kundgebungsteilnehmern und Schaulustigen programmiert seien.
Auch die SP hat Zweifel daran, ob die Polizei Demonstrationsteilnehmer
von Unbeteiligten unterscheiden könne. Sie befürchtet gar
eine
"Massenpanik" bei der Auflösung einer grossen Kundgebung. Für
die Junge
Alternative (JA) stellt der Entfernungsartikel schlicht ein
"willkürliches Machtinstrument" in der Hand der Polizei dar.
Bischof freut sich über Support
Initiant Erwin Bischof nimmt die Unterstützung der rot-grünen
Stadtregierung erfreut zur Kenntnis. Der Stadtrat werde das Ansinnen
aber auch diesmal ablehnen, da es trotz der Aufweichung der Fronten
nach wie vor eine rot-grüne Mehrheit gebe. Falls der Stadtrat
wider
Erwarten die Initiative trotzdem gutheissen sollte, würde keine
Abstimmung durchgeführt, weil Änderungen des
Kundgebungsreglements in
dessen Kompetenz liegen. Für diesen Fall droht die JA allerdings
bereits mit dem Referendum.
---
BZ 1.5.09
Neue Spielregeln für Demos
Die Regierung befürwortet die Initiative "Keine gewalttätigen
Demonstranten" und damit eine Verschärfung des Reglements. Ein
Entfernungsartikel soll eingeführt werden. Das hat der Stadtrat
allerdings schon zwei Mal abgelehnt.
Bilder wie am 6.Oktober 2007 soll es in der Stadt Bern nicht mehr
geben. Der Verein "Bern sicher und sauber" hat darum im letzten
Frühjahr die Initiative "Keine gewalttätigen Demonstranten"
eingereicht. Diese will das städtische Kundgebungsreglement
verschärfen. Der Gemeinderat unterstützt die Initiative, wie
er gestern
mitteilte. Ins Demo-Reglement der Stadt soll ein Entfernungsartikel
aufgenommen werden. Damit müssten sich Teilnehmende von einer
Kundgebung entfernen, sobald sie von der Polizei darauf aufmerksam
gemacht werden, dass die Demonstration aufgelöst werden muss. Wer
dieser Aufforderung nicht nachkommt, kann mit einer Busse von bis zu
5000 Franken bestraft werden.
Der dritte Anlauf
Der Gemeinderat erachtet es als "sinnvoll, einen Entfernungsartikel mit
Strafnorm einzuführen". Die Polizei solle mit den entsprechenden
Kompetenzen ausgestattet werden, findet er. Damit nimmt die Regierung
den dritten Anlauf, das Kundgebungsreglement um einen solchen Artikel
zu ergänzen. Sie hatte dies bereits bei Revisionen 2004 und 2008
vorgesehen. In beiden Fällen war dies aber vom mehrheitlich
rot-grünen
Stadtrat abgelehnt worden.Dementsprechend waren gestern die ersten
Reaktionen auf den gemeinderätlichen Antrag: SP, Grünes
Bündnis und
Junge Alternative zeigten sich unzufrieden mit dem Vorgehen der
Regierung. Eine Änderung der Rechtsgrundlage sei unnötig,
schreibt die
SP. Bereits heute könne eine Demonstration von der Polizei
aufgelöst
werden. Ein Entfernungsartikel sei in der Praxis nicht umsetzbar,
finden GB und JA. Und: "Dadurch geraten alle Teilnehmenden einer
Kundgebung unter Pauschalverdacht", so das Grüne Bündnis.
Für die Änderung des Reglements ist der Stadtrat
zuständig. Nimmt er
die Initiative an, ist keine Volksabstimmung nötig. Die
Änderung würde
nach einer Referendumsfrist in Kraft treten. Verwirft der Stadtrat
hingegen die Initiative, hat das Stimmvolk das letzte Wort.
mm
--
Saubanner, historisch
Fast genau ein Jahr nach dem fatalen 6.Oktober 2007 wars, als sich der
kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (FDP) in einer Rede
damit
brüstete, dass - der kantonalen Einheitspolizei sei Dank - endlich
Ruhe
und Ordnung herrsche in der verluderten links-grünen Stadt Bern.
Mit
Blick auf die lokale Demo-Kultur konstatierte er, dass es nun keine
Saubannerzüge mehr gebe.
Das konnte die SP nicht recht glauben und verlangte per Vorstoss
Klärung in der Saubannerfrage. In der gestern publizierten Antwort
kommt der Gemeinderat zum ebenso knappen wie eindeutigen Verdikt: "Ein
Saubannerzug im herkömmlichen Sinn fand in der Stadt Bern seit
Jahren
nicht mehr statt."
Ein Blick ins historische Lexikon der Schweiz zeigt, wie recht der
Gemeinderat hat: Einen Saubannerzug herkömmlicher Ausprägung
gab es in
Bern erst einen, und zwar als sich eine Freischar zur Fasnachtszeit aus
der Zentralschweiz in Richtung Genf bewegte und dabei durch Bern zog.
Ziel des Saubannerzuges war es, von Genf, das damals zu Burgund
gehörte, die in den Burgunderkriegen versprochene, aber noch nicht
bezahlte Brandschatzsumme einzutreiben. Das war 1477 - und ist also
tatsächlich schon einige Jahre her.
Adrian Zurbriggen
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Regionaljournal DRS Bern 30.4.09
Berner Gemeinderat versuchts nochmals - Wegweisung und Busse im
Demo-Reglement (1:23)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1730042009.rm?start=00:05:24.630&end=00:06:48.415
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CHRISTEN STATT KULTUR
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BZ 1.5.09
Kornhausbühne
SP gegen "Heilungen" im Kornhaus
Geld vor Geist? Die SP kritisiert, dass die Stadt die ehemalige
Kornhausbühne an die christliche Bewegung Vineyard vermietet.
Wenn Rückenschmerzen plötzlich verschwinden, Depressionen in
Minutenschnelle heilen, zu kurze Beine auf dem "Wunderstuhl"
nachwachsen und "Entartungen" wie homosexuelle Neigungen weggebetet
werden - dann ist dies in der freikirchlichen Bewegung Vineyard
geschehen. Deren "Spezialität" ist nämlich der
Heilungsdienst: Laut der
Vineyard-Lehre lässt sich durch Gebet jede Krankheit heilen.
Dieser Freikirche will die Liegenschaftsverwaltung der Stadt nun die
seit November 2008 leer stehende ehemalige Kornhausbühne vermieten
(wir
berichteten). Dies stösst SP-Fraktionschefin Giovanna Battagliero
sauer
auf: Sie fragt sich, ob das "sachliche Urteilsvermögen" der
städtischen
Liegenschaftsverwaltung "durch den missionarischen Eifer oder durch
Geld getrübt worden ist". Laut Battagliero beträgt die
"horrende Miete"
für den vierten Stock des Kornhauses 10000 Franken pro Monat.
Die Liegenschaftsverwaltung rechtfertigte sich bei der Vergabe, dass
die "ökumenisch orientierte Laienbewegung" durch ihren
"professionellen
Auftritt" überzeugte. Ausserdem setze sie sich für "einen
praktisch
gelebten Glauben und soziale Gerechtigkeit in der Region Bern" ein.
Zudem liess die Liegenschaftsverwaltung den Leiter von Vineyard Bern
das soziale Engagement seiner Bewegung loben.
SP-Fraktionschefin Battagliero will nun vom Gemeinderat wissen, wer
sich sonst noch um die ehemalige Kornhausbühne bemüht hat und
warum
ausgerechnet Vineyard zum Zug gekommen ist.
azu
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Berner Rundschau 1.5.09
Ricardo Lumengo und die Vineyard-"Verknüpfung"
Berner SP kritisiert Kornhaus-Vermietung an die Freikirche
Samuel Thomi
Dass die Stadt Bern die ehemalige Probebühne des Stadttheaters im
vierten Obergeschoss des Kornhauses zur Büronutzung an Vineyard
Bern
vermietet (s. Ausgabe vom 25. April), stösst der SP Stadt Bern
sauer
auf. In einer dringlichen Interpellation im Stadtrat verlangt sie daher
Antworten, weshalb eine Freikirche und nicht eine kulturelle
Institution wie die ebenfalls an den Räumen interessierte "Junge
Bühne
Bern" zum Zug kam.
Nebst Fragen nach dem Vergabe-Prozess stört sich Interpellantin
Giovanna Battagliero auch an den Inhalten der neuen Kornhaus-Mieter:
"Tatsache ist, dass Vineyard eine klar missionarische Bewegung ist",
schreibt sie. Deren Leiter in Bern "glaubt, wir lebten in einer
widergöttlichen Gesellschaft", so Battagliero. Als Beispiel
zitiert sie
Aussagen von der Homepage, wo Vineyard Homosexuellen nahelegt, "ihre
<Entartung> wegzubeten".
"Immer für Minderheiten eingesetzt"
SP-Nationalrat Ricardo Lumengo, schon öfters an
Vineyard-Anlässen
aufgetreten, stösst sich auf Anfrage an der "intoleranten Haltung"
der
SP-Fraktionspräsidentin. Er kämpfe für die Akzeptanz
aller Art von
Minderheiten. Mit schwulenfeindlichen Äusserungen des Berner
Gemeindeleiters Martin Bühlmann konfrontiert, reagiert Lumengo
überrascht: "Ich habe mich immer für Minderheiten eingesetzt.
Das gilt
auch für Homosexuelle." Man könne nicht im Alltag tolerant
sein und in
Glaubensfragen Unterschiede machen. Mitglied bei Vineyard sei er nicht,
habe aber "Verknüpfungen". Selber gehe er "als gläubiger
Christ
regelmässig" in die Afrikanische Gemeinde Biel.
Nicht Teil der reformierten Kirche
Von städtischer Seite wurde die Vermietung in einer Mitteilung so
begründet, dass daraus keine übermässige,
zusätzliche Nutzung der
Infrastruktur resultiere. Vineyard, die sich bis vor zwölf Jahren
noch
zur Basilea-Bewegung zählte und an ihrem früheren Standort im
Breitenrainquartier wiederholt Reklamationen aus der Nachbarschaft
provozierte, verstehe sich als "ökumenisch- orientierte
Laienbewegung
innerhalb der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn", wurde die
Freikirche beschrieben. Das lässt Thomas Gehrig, Sprecher der
Reformierten Landeskirche, nicht im Raum stehen: "Wir pflegen zwar
institutionalisierte Kontakte zu Vineyard, strukturell sind sie aber
nicht Teil von uns", auch wenn sie der reformierten Landeskirche nahe
stünden.
Von Vineyard war gestern am bisherigen Standort in der
Zeughausgasse 14 für eine Stellungnahme niemand erreichbar.
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PROGR
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Bund 2.5.09
Das Grüne Bündnis lud gestern zur Medienkonferenz
Linkes Ja zu Progr
Am 17. Mai entscheidet das Berner Stimmvolk über die Vorlage
betreffend
die Zukunft des Kulturzentrums Progr. In einer Alternativabstimmung
werden dabei zwei Nutzungsangebote vorgelegt: das Projekt "Doppelpunkt"
der Allreal Generalunternehmung und das Projekt
"Künstlerinitiative Pro
Progr" der Künstler selbst.
Jung-Rot-Grün meldet sich zu Wort
An der gestrigen vom Grünen Bündnis organisierten
Medienkonferenz
nahmen verschiedene junge Stadtratsmitglieder teil: Christine Michel
(gb), Nicola von Greyerz (juso), Michael Köpfli (glp) und Lea Bill
(ja). Gemäss Michel hat das Areal des Kulturzentrums Progr das
Potenzial dazu, eine "Kunstmeile" zu werden. Das Grüne
Bündnis
unterstütze deshalb die Künstlerinitiative, da diese eine
öffentliche
und kulturelle Nutzung des Areals vorsehe.
Auch für von Greyerz ist der Fall klar: Das Kulturzentrum bringe
ein
"kreatives Milieu mit nationaler und internationaler Ausstrahlung"
hervor, sagt sie. Dank der vom Kulturzentrum bereitgestellten
Infrastruktur könnten sich die Künstler "ganz auf ihre Arbeit
konzentrieren". Zudem sei der Progr ein Garant für
öffentliche
Sicherheit, denn nur eine "belebte Stadt ist eine sichere Stadt". Auf
die Frage, wie dies denn genau gemeint sei, weiss von Greyerz
allerdings keine richtige Antwort und sagt lediglich: "Es gibt dadurch
weniger dunkle Gassen, da mehr Leute auf den Strassen unterwegs sind."
Vorbehalte zu Rechtmässigkeit
Köpfli räumt ein, dass betreffend Rechtmässigkeit der
kommenden
Abstimmung "gewisse Vorbehalte" bestünden. Auch die
Grünliberale Partei
stelle sich jedoch hinter die Künstlerinitiative. Die geforderte
Sicherheit und Transparenz in der Finanzierung ihres Projekts sei
gewährleistet. Ausserdem habe der Progr viele Leute mit Kultur
vertraut
gemacht, die sonst "nichts damit am Hut hatten". Bill sagt
abschliessend: "Auch alternative Kunst - Skurriles und Einzigartiges -
muss seinen Platz haben." (kvm)
[i]
Die SP Stadt Bern veranstaltet heute im Innenhof des Progr vor der
Turnhalle von 17.00 bis 20.00 Uhr die Aktion "SP Pro Progr".
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Bund 2.5.09
Leitartikel Zur Progr-Abstimmung vom 17. Mai
Es geht nicht um Kunst oder Kommerz
Bernhard Ott
Auf den ersten Blick sind die Rollen klar verteilt: Hier sind die
Progr-Künstler, die mit viel Idealismus und etwas weniger Geld
für den
Erhalt ihres "Zentrums für Kulturproduktion" im Stadtzentrum
kämpfen.
Dort ist die Allreal-Gruppe, ein Goliath auf dem Liegenschaftsmarkt,
der ein Immobilienportefeuille von zwei Milliarden Franken
bewirtschaftet. Hier ist die Kunst, dort ist der Kommerz. Oder, etwas
provinzieller ausgedrückt: Hier ist Bern, dort ist Zürich.
Aber ganz so
einfach, wie uns das die Abstimmungspropaganda der
Künstlerinitiative
glauben machen möchte, sind die Rollen in diesem Stück nicht
verteilt.
Das heutige Dilemma in der Frage um die Progr-Zukunft zeichnete sich
bereits bei der Eröffnung vor über vier Jahren ab.
"Vielleicht gibt es
eine Alternative, um beizubehalten, was hier entsteht", sagte
Progr-Geschäftsführerin Beate Engel Anfang Oktober 2004, zwei
Monate
nach dem Einzug der rund 80 Kunstschaffenden in die Räume des
einstigen
Progymnasiums. Die Politik vertrat damals noch eine klare Haltung: "Der
Gemeinderat hat immer betont, dass die jetzige Nutzung des Progr eine
Zwischenlösung ist", sagte Stadtpräsident Alexander
Tschäppät (sp)
Mitte 2005 im Stadtrat. Projekte wie der Progr könnten nur dank
Steuergeldern realisiert werden. Im Übrigen sei es falsch, zu
glauben,
dass spannende Zwischennutzungen auch in 20 oder 30 Jahren noch gleich
interessant seien. "Bleibt alles beim Alten, dann führt dies zu
einer
unproduktiven Trägheit der Szene", sagte Tschäppät.
Seit jener Stadtratsdebatte ist ein Wettbewerb durchgeführt
worden. Die
Jury unter dem Präsidium von Tschäppät hat nicht das
kommerziellste
Projekt prämiert - sonst ginge es in der Abstimmung vom 17. Mai um
ein
Hotel oder um Luxusappartements. Das Gremium hat sich für das
Projekt
"Doppelpunkt" der Bauart-Architekten und der Immobilienfirma Allreal
entschieden. "Es handelt sich um eine attraktive und
publikumsorientierte Nutzung", sagte Tschäppät bei der
Präsentation.
Das Projekt sieht nicht nur die Einrichtung eines Gesundheitszentrums
und einer Schule für 160 Studierende der Lehrerbildung vor. Hof,
Turnhalle und Aula bleiben dem Publikum zugänglich. Durch den
Abriss
der Trennmauer und die Aufhebung der Parkplätze soll der Hof ein
Ort
für kulturelle Veranstaltungen werden. Seit der Präsentation
des
Siegerprojekts hat sich der politische Wind aber gedreht. Die
Künstler
erwachten und unterbreiteten der Stadt - ausserhalb des Wettbewerbs -
ein Kaufangebot, dessen Konditionen bis heute nebulös sind.
Trotzdem
wies der Stadtrat Anfang November 2008 das Projekt "Doppelpunkt" mit
knapper Mehrheit zurück. Damit wollte er den Künstlern Zeit
einräumen,
um den Finanzierungsnachweis zu erbringen. Stadtpräsident
Tschäppät
hatte sich bis dahin kaum mehr für das Projekt "Doppelpunkt"
engagiert.
In einem Interview nach dem Stadtratsentscheid wurde klar, warum: "Vom
Herzen her habe ich Verständnis für den Entscheid. Ist doch
der Progr
eine tolle Sache."
In der Realität ist das Herz aber nicht immer der beste Ratgeber:
Der
städtische Liegenschaftsverwalter Fernand Raval schätzte die
Umbaukosten für den Progr einst auf 25 Millionen Franken - just
jene
Summe, welche die Allreal zu investieren bereit ist. Die
Künstlerinitiative will das Gebäude für 12 Millionen
Franken kaufen und
renovieren. Der Finanzierungsnachweis besteht meistenteils aus
Absichtserklärungen für Darlehen und einer Hypothek der
Credit Suisse.
Ein Grossteil der Geldgeber ist nach wie vor anonym, und auch das
finanzielle Engagement des Milliardärs Hansjörg Wyss, dessen
Auftritt
in letzter Minute effektvoll inszeniert wurde, bleibt unklar. Kurz: Die
Stadt würde sich auf einen doppelten finanziellen Blindflug
begeben,
sowohl was die Identität der Geldgeber als auch die Höhe
ihres
Engagements betrifft. Die Liegenschaftsverwaltung kam nach der
Prüfung
des Progr-Finanzierungsnachweises zu einem vernichtenden Ergebnis. Die
Sanierung für 8 Millionen Franken sichere bloss die
Gebrauchstauglichkeit für die ersten Jahre. Es bleibe aufgestauter
Unterhalt in der Höhe von mehreren Millionen Franken. Die
Künstler
ihrerseits betonten, dass sie weniger Geld für den Unterhalt des
Gebäudes brauchten als das Projekt "Doppelpunkt". Progr-Sprecher
Peter
Aerschmann sprach einmal davon, die Fassade des historischen
Gebäudes
durch Lehrlinge im Rahmen eines "Forschungsprojekts" sanieren zu
lassen. Das klingt wenig vertrauenerweckend.
Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass bei einem Ja zum
Künstlerprojekt
dereinst der Steuerzahler für den Unterhalt des Progr aufkommen
muss.
Die Stadt Bern läuft zudem Gefahr, als Organisatorin von
Investorenwettbewerben nicht mehr ernst genommen zu werden, da diese
jederzeit infrage gestellt werden können. Als Standort für
Künstlerateliers ist der Progr nicht zwingend, auch wenn die
bisher
diskutierten Alternativstandorte bei den Kulturschaffenden auf wenig
Gegenliebe gestossen sind. Für den Durchschnittsverbraucher
ändert sich
mit einem Ja zum Projekt "Doppelpunkt" nichts. Er wird weiterhin die
beliebte Café-Bar frequentieren und dort Konzerte besuchen
können. Wer
diese Konzerte organisiert, kümmert ihn in der Regel wenig.
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BZ 2.5.09
Progr-Abstimmung: DAs Projekt "Doppelpunkt"
"Bis unters Dach öffentlich"
Mischnutzung mit "Doppelpunkt" oder Künstlerhaus Progr? - das ist
bei
der Abstimmung vom 17.Mai die Frage. An dieser Stelle werden Klischees
über und Vorurteile gegen den Wettbewerbssieger "Doppelpunkt"
hinterfragt.
Das Projekt "Doppelpunkt" sei unnötig, sagen die Gegner im
Abstimmungskampf zur Zukunft des ehemaligen Progymnasiums. Der heutige
Progr würde zu Tode saniert, das Café Turnhalle würde
zur
Schickimicki-Beiz verkommen, und in wenigen Jahren würden die
Spekulanten aus Zürich das Gebäude sowieso Gewinn bringend
weiterverkaufen. Diese Vorurteile über "Doppelpunkt" hinterfragen
und
kommentieren in diesem Beitrag Fachpersonen, Gegner und
Befürworter.
Vorurteil 1: Ein Gesundheitszentrum im Stadtzentrum ist
überflüssig.
Johannes Luginbühl vom "Doppelpunkt"-Planerteam bei Bauart
präzisiert:
"‹Doppelpunkt› ist ebenso Bildungs- und Kulturzentrum. Genau dieses
Mischkonzept überzeugte die Jury." Für Fritz Schär,
Präsident der
kantonalen Kunstkommission, ist klar: "Alter, Gesundheit und Pflege
sind das Thema der Stunde." Fridolin Steiner, Vizepräsident des
Vereins
Berner Hausärzte, bleibt kritisch: "Die Grundversorgung in der
Innenstadt ist gewährleistet." Finanziell interessant sei einzig
die
Spezialitätenmedizin, und diese wirke kostentreibend. In eine
ähnliche
Richtung geht die Einschätzung des Krankenkassenverbands
Santésuisse.
Dies vor dem Hintergrund staatlich garantierter Preise.
Vorurteil 2: Die Kultur ist ein reines "Deckmänteli".
Kommissionspräsident Schär verweist auf den Baurechtsvertrag,
der
"präzise Vorgaben" mache. Laut Luginbühl sind Aula, Turnhalle
und
Innenhof für solche Nutzungen vorgesehen. Peter Aerschmann vom
Komitee
des Konkurrenzprojekts "Pro Progr" ist dagegen überzeugt: "Der
versprochene Nutzungsmix ist eine Mogelpackung. Allreal hat keine
einzige Zusage von einem Kulturbetrieb vorgewiesen." Die im Progr
eingemieteten Konzertveranstalter bee-flat, die anfänglich mit
"Doppelpunkt" zusammenarbeiteten, erinnern an ausgesetzte
Vertragsverhandlungen.
Vorurteil 3: Die Café-Bar Turnhalle verkommt zu einer
Schickimicki-Beiz.
"Eine Planung existiert noch nicht. Die Ausgestaltung würde mit
der
Mieterin und den Restaurantbetreibern entwickelt", sagt Luginbühl.
Natürlich werde der Betrieb in der Turnhalle "legalisiert", also
den
gesetzlichen Vorschriften angepasst. Doch das müsse nach Abschluss
der
heutigen Zwischennutzung sowieso geschehen. Die Infrastruktur solle ein
Bistro-Restaurant mit Kulturbetrieb ermöglichen.
Die Betreiber der Café-Bar Turnhalle haben laut kürzlich
versandtem
Communiqué noch keine unterschriftsreifen Verträge.
Entsprechende
Verhandlungen seien nicht weiterverfolgt worden. "Es ist völlig
offen,
welche Art Lokal entstehen würde, so Videokünstler Aerschmann.
Vorurteil 4: Allreal hat ein Spekulationsobjekt günstig erstanden
und will es teuer weiterverkaufen.
"Der Wettbewerb wurde als Investoren- und nicht als Sponsorenwettbewerb
ausgeschrieben", stellt Schär erst einmal klar. Jurymitglied
Werren
sähe "nichts Verwerfliches" daran, wenn Allreal das Gebäude
dereinst
verkaufen würde. Ein Schnäppchen habe Allreal auf jeden Fall
nicht
gemacht. Die "hohen Auflagen" im Baurechtsvertrag müsste ein
interessierter Käufer nämlich übernehmen. "Die Stadt
bestimmt weiterhin
die Regeln." Solche schränkten die Möglichkeiten eines
Investors ein.
Schär gibt zu bedenken, dass niemand wisse, was in 20 Jahren sei.
Das
gelte jedoch auch für das Künstlerprojekt.
Vorurteil 5: "Doppelpunkt" ist ein Zürcher Kommerzprojekt, aber
immerhin solid finanziert.
Für Werren ist es normal, dass Allreal kommerzielle
Überlegungen
anstellt. Ein Konzept, das langfristig marktfähig bleibt, sei ja
erklärtes Ziel des Wettbewerbs gewesen. "Bildung, Gesundheit und
Kultur
passen zum Gebäude und an diesen Ort in der Stadt." Gemäss
Angaben von
Allreal sind die Vorarbeiten weit gediehen und die Verträge mit
den
Trägern Spitalnetz Bern, Krankenkasse Swica, Physio 5, Brauerei
Felsenau und der Neuen Mittelschule Bern vorbereitet. Für die
Finanzierung in Höhe von 25 Millionen Franken hat sich Allreal
vertraglich im Falle eines Zuschlags verpflichtet. Luginbühl von
Bauart
stellt fest, dass viele Mieter und das Planungsteam aus Bern seien. Nur
der Investor stamme aus Zürich.
Vorurteil 6: Der Wettbewerb war falsch aufgegleist, und die Stadt hat
sich ein Ei gelegt.
Sowohl Werren als auch Insider wie Schär loben den Planer- und
Investorenwettbewerb. Er habe sich als geeignetes Instrument erwiesen,
damit eine marktfähige und aus Sicht der Stadtentwicklung und der
Denkmalpflege hochwertige Lösung habe gefunden werden können.
Die Jury
habe aus zehn guten Eingaben auswählen können, so Werren.
Mangelhaft
sei die Abstimmung zwischen Gemeinderat und Stadtrat gewesen.
Schär
weist auf die Bedeutung des Wettbewerbs hin, er garantiere mit seinen
Regeln ein faires Vorgehen und gute Qualität. "Neben den
Architekten
sind übrigens gerade auch Kunstschaffende betroffen, wenn das
Wettbewerbswesen Schaden nimmt", sagt Schär.
Vorurteil 7: Das historische Gebäude wird zu Tode saniert.
Im Jurybericht zum Wettbewerb wird den Teilnehmern "ein Interesse am
Altbau und eine intensive Auseinandersetzung mit der historischen
Substanz" attestiert. Von aussen werden bei "Doppelpunkt" nur neue
Storen auffallen. Die Fassade wird saniert, und das Innenleben wird den
künftigen Bedürfnissen angepasst. Die Böden bleiben
erhalten. Einige
Räume werden unterteilt. "Diese Eingriffe, die sich bewusst am
Vorhandenen orientieren, können aber zurückgebaut werden",
sagt
Luginbühl.
Vorurteil 8: "Doppelpunkt" ist für die Öffentlichkeit nicht
zugänglich und langweilig.
"Das Gebäude wird bis unters Dach öffentlich
zugänglich", widerspricht
Luginbühl: im linken Flügel als Schulhaus, im zentralen Teil
als
Restaurant und Kulturort und im rechten Teil als Gesundheitszentrum.
Insbesondere der Hof sei dem Planungsteam ein Anliegen. Ohne Trennmauer
und Parkplätze werde er viel offener sein. Die Aussenbestuhlung
des
Restaurants beschränke sich auf ein Podest. Daneben sollen mobile
Stühle zur freien Verfügung stehen. Der Platz, schwebt ihm
vor, müsse
für verschiedene kulturelle Nutzungen offenstehen. Werren
bekräftigt
Luginbühls Aussagen. Nicht zuletzt im Umgang mit
Öffentlichkeit habe
"Doppelpunkt" gepunktet.
Christoph Aebischer Stefanie Christ
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Nächste Woche
Vorurteile zu "Pro Progr"
Voraussichtlich am nächsten Dienstag äussern sich an dieser
Stelle
verschiedene Vertreter zu den Vorurteilen und Klischees zum
Künstlerzentrum Progr. Die Abstimmung findet dann am 17.Mai statt.
Das
Stimmvolk kann zwischen zwei Projekten entscheiden, weil der Stadtrat
dies so wollte. Eigentlich wäre nur der Wettbewerbssieger
"Doppelpunkt"
zur Auswahl gestanden. Das Parlament hat nachträglich eine Offerte
der
als Zwischennutzer eingezogenen Kunstschaffenden zugelassen. Der
Kaufpreis und der Baurechtszins belaufen sich bei beiden Projekten auf
2,4 Millionen Franken und 320000 Franken. In einer Beschwerde wird das
Vorgehen beanstandet. Zudem werde in der Abstimmungsbotschaft zu wenig
auf die vorhandenen Unterschiede hingewiesen. Heisst Statthalterin
Regula Mader die Beschwerde gut, wird die Abstimmung entweder abgesagt,
oder das Resultat wird ungültig.
cab
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BIG BROTHER VIDEO
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Bund 2.5.09
FDP verteidigt Polizeidirektor
Videokameras "Echtzeitüberwachungen mit strengen Auflagen
entsprechen
einem Bedürfnis", schreibt die FDP Kanton Bern in einer Mitteilung
und
stärkt damit ihrem Polizeidirektor Hans-Jürg Käser den
Rücken. Dieser
hatte in den Ausführungsbestimmungen zum Polizeigesetz explizit
auch
Live-Überwachungen des öffentlichen Raums zugelassen und
damit die
Linke vor den Kopf gestossen. Im Grossen Rat sei klar gewesen, dass
Videoaufzeichnungen nur zur Aufklärung von Verbrechen ausgewertet
und
sonst ungesehen vernichtet würden, monierten SP und Grüne
("Bund" von
gestern). Die FDP bezeichnet dies nun als "Vorwahlkampfgeplänkel".
"Echtzeitüberwachungen dürften auch in der Bevölkerung
auf Zustimmung
stossen", so die FDP. Sie betont zudem, dass die Bedingungen vom
Regierungsrat und nicht von Käser alleine festgelegt worden seien.
(rw)
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Bund 1.5.09
Linke empört über Käsers Live-Überwachung
Videokameras Ab dem 1. Juli können Gemeinden im Kanton Bern den
öffentlichen Raum mit Videokameras überwachen. Der politische
Konsens
zwischen links und rechts wird nun aber durch die
Ausführungsbestimmungen des Polizeidirektors arg erschüttert.
Hans-Jürg
Käser (fdp) will auch eine Echtzeitüberwachung zulassen. Im
bisherigen
Gesetzgebungsprozess war jedoch immer nur von Aufzeichnungen die Rede
gewesen. Aufnahmen hätten nur zur Aufklärung eines
Verbrechens
ausgewertet und sonst nach 100 Tagen ungesehen vernichtet werden sollen.
"Was der Polizeidirektor hier vorlegt, widerspricht klar dem Willen des
Gesetzgebers", sagt SP-Grossrat Markus Meyer. Auch die Grünen sind
empört: "Ich fühle mich vom Polizeidirektor an der Nase
herumgeführt",
sagt Kopräsident Blaise Kropf. Käser verteidigt sich:
Live-Überwachungen würden nur sehr zurückhaltend
bewilligt. (rw)
Kommentar rechts, Seite 29
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"Big Brother" durch die Hintertür
Polizeidirektor Hans-Jürg Käser lässt
Live-Videoüberwachung zu - obschon der Grosse Rat davon nichts
wissen wollte
Ab dem 1. Juli können öffentlicher Raum und öffentliche
Gebäude im
Kanton Bern mit Videokameras überwacht werden. Der politische
Konsens
war nur möglich, weil auf Echtzeitüberwachung verzichtet
wurde - nun
wird sie durch die Hintertüre doch eingeführt.
Reto Wissmann
"Was der Polizeidirektor hier vorlegt, widerspricht ganz klar dem
Willen des Gesetzgebers", sagt SP-Grossrat Markus Meyer. Er hat im
letzten Jahr als Kommissionspräsident die Revision des
Polizeigesetzes
begleitet und weiss, wovon er spricht. In Rage bringen Meyer die
Ausführungsbestimmungen zur Videoüberwachung, die
Polizeidirektor
Hans-Jürg Käser (fdp) gestern vorgelegt hat. Diese sieht
explizit eine
Echtzeitüberwachung des öffentlichen Raumes vor. Gemeinden
können
künftig also nicht nur Aufnahmen von Überwachungskameras
aufzeichnen
und bei Bedarf durch die Kantonspolizei zur Verbrechensaufklärung
auswerten lassen; sie dürfen das Geschehen an neuralgischen
Punkten
auch live am Bildschirm mitverfolgen.
Genau dies wollten aber Meyer und viele andere Grossrätinnen und
Grossräte verhindern. "Wir sprechen hier ausdrücklich von
Bildaufzeichnungen. Es läuft also eine Kamera, und wenn
irgendetwas
passiert, hat man die Möglichkeit, die von der Kamera
aufgezeichneten
Bilder durch eine Fachstelle der Kantonspolizei auswerten zu lassen",
hatte Meyer im September bei der Gesetzesberatung klar gemacht. Und
weiter: "Es geht hier ganz klar nicht um den Big Brother, genau das
wollen wir nicht."
Heute fühlt sich Meyer hinters Licht geführt: "Es ist extrem
problematisch, wenn ein solch sensibler Bereich durch die
Hintertüre
geregelt wird." Heikel findet Meyer auch, dass gemäss Verordnung
nicht
nur Polizisten, sondern zum Beispiel auch Hauswarte hinter den
Monitoren sitzen können. Die ausschliessliche Auswertung der
Aufnahmen
durch die Polizei und der Verzicht auf Live-Überwachung seien
Voraussetzungen für den breiten Konsens im Grossen Rat gewesen, so
Meyer. Die Änderung des Polizeigesetzes war mit 115 gegen 5
Stimmen
angenommen worden. Auch ein grosser Teil der SP-Fraktion hatte
dafür
gestimmt.
SP und Grünen fehlt Verständnis
Die SP-Präsidentin fühlt sich vom Polizeidirektor ebenfalls
hintergangen: "Der Gesetzgeber war klar gegen Echtzeitüberwachung.
Ich
habe kein Verständnis für Käsers Verordnung", sagt
Irène Marti Anliker.
Die SP habe sich konstruktiv an der Gesetzesarbeit beteiligt und sei
nun hinters Licht geführt worden. "Käser hätte schon in
der
Gesetzesberatung klar sagen müssen, dass er die
Echtzeitüberwachung
zulassen will", sagt Marti. Damals habe sich aber lediglich
FPS-Hardliner Jürg Scherrer für die Live-Überwachung
eingesetzt. Für
die Linke sei dies kein Thema gewesen, da es den Bürgerinnen und
Bürgern noch mehr das Gefühl gegeben hätte, permanent
überwacht zu
werden. Die SP will der Sache nun nachgehen und klären, ob die
Verordnung mit dem Gesetz konform ist.
Auch die Grünen verlangen eine Klärung. "Ich fühle mich
vom
Polizeidirektor an der Nase herumgeführt", sagt Kopräsident
Blaise
Kropf. Dass dieser die Echtzeitüberwachung "durch die
Hintertüre"
einführe, sei "nicht gerade vertrauenerweckend".
Käser: "Das ist ein Bedürfnis"
Auf die Vorwürfe angesprochen, relativiert Käser
zunächst: "Wir werden
die Echtzeitüberwachung nur sehr dosiert zulassen", sagt der
Polizeidirektor. Da jede Videoüberwachung der Gemeinden einer
Bewilligung der Kantonspolizei bedürfe, habe man genügend
Steuerungsmöglichkeiten. Auf die Frage, warum er denn bei der
Gesetzesberatung seine Pläne nicht offen und klar dargelegt habe,
sagt
Käser: "Ich habe keine Veranlassung gesehen, auf etwas einzugehen,
das
kein Thema war." In der Sache verteidigt Käser die
Live-Überwachung.
Sie sei an neuralgischen Punkten nötig und entspreche "in
Einzelfällen"
einem Bedürfnis.
Um den "Eingriff in die Persönlichkeitssphäre bei der
Echtzeitüberwachung abzuschwächen", sollen die Gesichter der
erfassten
Personen übrigens mit technischen Mitteln ("Privacy-Filtern")
unkenntlich gemacht werden. Laut Verordnung soll die
"einschränkungslose Bildanzeige" erst eingeschaltet werden, wenn
eine
"kritische Situation" erkennbar wird.
--
Kommentar
Käser missachtet den Grossen Rat
Reto Wissmann
Die Videoüberwachung des öffentlichen Raums wird heutzutage
breit
akzeptiert. Ein grosser Teil der Bevölkerung erhofft sich davon
mehr
Sicherheit und nimmt dafür Eingriffe in die
Persönlichkeitssphäre in
Kauf. Auch politisch herrscht im Kanton Bern unterdessen praktisch
Konsens. Bereits ab Juli können die Gemeinden deshalb mit der
Überwachung von Plätzen, Strassen und Gebäuden beginnen.
Doch der Konsens im Grossen Rat - für den die Linke viel Kreide
fressen
musste - basiert auf klaren Einschränkungen. Niemand wollte dem
Staat
die Lizenz zur totalen Überwachung des öffentlichen Raums
geben.
Videoaufzeichnungen sollten nur zur Aufklärung schwerer Straftaten
und
nur durch Spezialisten der Polizei ausgewertet werden. Mit einer
Verordnung macht es Polizeidirektor Hans-Jürg Käser nun aber
durch die
Hintertür möglich, dass Hauswarte oder andere
Gemeindeangestellte live
am Bildschirm beobachten, was auf dem Pausenplatz oder vor dem Bahnhof
passiert. Käsers Versprechen, Echtzeitüberwachung nur sehr
zurückhaltend zu bewilligen, ist nicht viel wert. Eine solch
sensible
Frage bedarf politischer Klärung und darf nicht jenen
überlassen
werden, die bei der Polizeidirektion und der Kantonspolizei gerade das
Sagen haben.
Ein Jahr vor den Wahlen will sich der Polizeidirektor als
sicherheitspolitischer Hardliner profilieren. Sollte Käsers
Verordnung
einer juristischen Überprüfung nicht standhalten, ginge der
Schuss aber
hinten hinaus. Exekutivpolitiker, die den Willen des Gesetzgebers
missachten, kommen bei vielen Wählern nicht gut an.
---
BZ 1.5.09
Ab Juli darf im öffentlichen Raum gefilmt werden
Ab Juli dürfen die Gemeinden den öffentlichen Raum mit
Kameras überwachen. Die Regierung hat die Verordnung erlassen.
In grosser Einigkeit - mit 115 gegen nur 5 Stimmen - hatte der Grosse
Rat im September 2008 die Rechtsgrundlage für die
Videoüberwachung im
öffentlichen Raum geschaffen. Jetzt hat der Regierungsrat die
erforderlichen Ausführungsbestimmungen zum revidierten
Polizeigesetz
verabschiedet. Mit der ergänzten Videoverordnung sei der Einsatz
von
Videoüberwachungen zur Vorbeugung von kriminellen Handlungen
abschliessend geregelt, teilte die Regierung gestern mit.
Umfassendes Konzept
Für die Gemeinden bestehe kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf
mehr.
Sie müssten jedoch ihre internen Zuständigkeiten regeln und
ein
umfassendes Konzept für den Videoüberwachungseinsatz
ausarbeiten. Zudem
müssen sie alle fünf Jahre die Wirksamkeit der eingesetzten
Kameras
evaluieren.
Zuerst Kameras ausschalten
Mit Inkrafttreten der neuen Regelung müssen alle Kameras
ausgeschaltet
werden, die von den Gemeinden trotz fehlender Grundlage bereits
angebracht worden sind. Sie dürfen erst wieder eingeschaltet
werden,
wenn sie gemäss der neuen Regelung bewilligt sind.
Diese sieht so aus: Die Gemeinden entscheiden, wo sie Kameras
installieren wollen, und bezahlen diese auch. Anbringen dürfen sie
die
Kameras aber nur, wenn die Kantonspolizei zustimmt. Damit soll eine
einheitliche, "verhältnismässige" Praxis erreicht werden.
Kameras
dürfen laut Gesetz nur an Orten montiert werden, "an denen
Straftaten
begangen worden sind oder an denen mit Straftaten zu rechnen ist". Die
Standorte der Kameras müssen "deutlich" gekennzeichnet werden,
schliesslich soll von ihnen auch eine präventive, abschreckende
Wirkung
ausgehen.
Die Kameras dürfen nur Bilder aufzeichnen, keinen Ton. Und: Es
wird
keine "aktive Echtzeitüberwachung" geben - das heisst: Nirgends
wird
ein Polizist hinter Monitoren sitzen, auf denen er live alle Ecken
einer Stadt überwachen kann.
Nur die Polizei wertet aus
Die Aufnahmen dürfen ausschliesslich von der Kantonspolizei
ausgewertet
werden. Die Gemeinden zum Beispiel haben keine Einsicht. Die Bilder
werden nur angeschaut und analysiert, wenn eine Anzeige oder ein
Strafantrag eingeht oder wenn ein Verdacht besteht, bei dessen
Klärung
die Aufzeichnungen als Beweismittel helfen können. Ansonsten
müssen
alle Aufnahmen nach 100 Tagen gelöscht werden.
drh
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NOTHILFE-BERG
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Thuner Tagblatt 1.5.09
Eriz
Asylbewerber kommen (noch) nicht
Weitere Abklärungen haben bedingt: Das neue Sachabgabezentrum
für Asylbewerber im Eriz bleibt vorläufig noch leer.
Eigentlich hätten heute die ersten abgewiesenen Asylbewerber das
Sachabgabezentrum im Eriz beziehen sollen. Doch daraus wurde nichts.
"Es sind Abklärungen im Gang", sagt der Erizer
Gemeindepräsident Fritz
Kropf. In welche Richtung sie gehen, wollte er nicht preisgeben,
versicherte aber: "Wir werden in den nächsten Tagen informieren."
Damit können die Erizer zumindest vorläufig aufatmen. Sie
waren Sturm
gelaufen, als bekannt wurde, dass der Kanton das ehemalige Huttwiler
Ferienheim Unterschwand im Eriz gekauft hatte, um dort abgewiesene
Asylbewerber unterzubringen (wir berichteten). An der Grundstimmung in
der Bevölkerung habe sich in den letzten Wochen nichts
geändert, sagt
Kropf. "Die Menschen sind wenig erfreut über den Entscheid des
Kantons."
rop
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KOFMEHL
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Berner Rundschau 1.5.09
Konkreteres erfahren
Kulturfabrik Kofmehl ernsthaft gefährdet?
Noch immer keinen Reim machen kann man sich in der Kulturfabrik Kofmehl
Solothurn auf die heftigen Angriffe durch Solothurns
Stadtpräsident
Kurt Fluri, der am Dienstag den Kofmehl-Betrieb als "ernsthaft
gefährdet" eingestuft hatte, wenn nicht auf gewisse Anlässe
mit
"aggressivem Publikum" verzichtet werde. Auch hatte Fluri das Thema
Öffnungszeiten angeschnitten und gedroht, man werde mit dem Kanton
verhandeln, ob die heutigen Öffnungszeiten bis 4 Uhr verkürzt
werden
könnten. Pipo Kofmehl, Leiter der Kulturfabrik, signalisierte dass
er
zusammen mit dem Kofmehl-Patronat - ihm gehören Gemeinderäte
wie Marco
Lupi (FdP) oder Markus Schneider (SP) an - Kurt Fluri treffen
möchte.
"Wir wollen das Gespräch mit ihm suchen", so Kofmehl, der vor
allem
Konkreteres zu den Anliegen der Stadt erfahren will. Zum Thema
"Öffnungszeiten" meinte er lediglich, dazu gebe es verschiedene
Ansichten - "auch bei der Polizei". (ww)
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HOMOPHOBIE
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Bund 2.5.09
Euro-Pride 09 erstmals in der Schweiz - freikirchliche
Störmanöver
"Orchestrierte Kampagne"
Ab heute wird Zürich einen Monat lang europäisches Mekka der
Schwulen
und Lesben sein. Die Euro-Pride 09 wartet mit über 200
Veranstaltungen
auf - zum Missfallen freikirchlicher Kreise.
Die Veranstalter der Euro-Pride 09 haben im Vorfeld Medienberichte zu
einer Strafanzeige gegen den Präsidenten der freikirchlichen
"Familienlobby" bestätigt. Sie werfen den Gegnern des
europäischen
Homosexuellen-Festivals eine "orchestrierte Kampagne" gegen die
Euro-Pride vor.
Die Schreiben der "Familienlobby" an Sponsoren und Partner
enthielten
diskriminierende Aussagen. Weil Diskriminierung aufgrund sexueller
Orientierung im Unterschied zu Rasse, Herkunft oder Religion jedoch
kein Straftatbestand sei, stütze sich die bei der Zürcher
Staatsanwaltschaft eingereichte Anzeige auf das Bundesgesetz gegen
unlauteren Wettbewerb.
Laut Euro-Pride-Mediensprecher Michael Rüegg gehen die
ehrverletzenden
Schreiben in die Tausenden. Die "Familienlobby", die vor einem Jahr die
Euro-Pride per Petition an den Stadtrat zu verhindern versuchte, habe
sich dazu bekannt. Die Kritik konservativ-kirchlicher Kreise an der
Euro-Pride sorgte bereits am letzten Montag im Zürcher
Kantonsparlament
für einen Eklat. EDU-Sprecher Michael Wirz hatte moniert,
Zürich werde
mit "staatlichen Sponsorengeldern" zu einer Werbeplattform für den
homosexuellen Lebensstil umfunktioniert und wende sich damit "vom Segen
Gottes ab", wie der "Tages-Anzeiger" berichtete. Das sei
diskriminierend, konterten die anderen Parteien.
220 Veranstaltungen
Die Euro-Pride wird am Samstag in der Sihlcity mit einem Konzert
offiziell eröffnet. Vom 2. Mai bis zum 6. Juni stehen 220
Veranstaltungen auf dem Programm. Die ersten drei Wochen stehen im
Zeichen des Filmfestivals "Pink Apple" und des Kulturfestivals "Warmer
Mai" sowie diverser Podien und Fachtagungen. Danach gibt es einen
grossen Sportevent.
Zum Abschluss folgt am 5. und 6. Juni ein Stadtfest mit einer 2,5
Kilometer langen Schwulen- und Lesbenparade. Als offizielle Redner
angesagt sind die frischgebackene neue Zürcher
Stadtpräsidentin und
bekennende Lesbe Corine Mauch sowie der deutsche Politiker und
Publizist Daniel Cohn-Bendit.
40-jähriger Kampf
Zum Festival erwarten die Veranstalter rund 50000 Schwule und
Lesben
aus ganz Europa. Die Zürcher Euro-Pride ist gleichzeitig der 40.
Gedenkanlass der europäischen Homosexuellen an die weltweiten
Anfänge
der Homosexuellen-Protestbewegung in den USA. Diese begannen 1969 nach
einer illegalen Polizeirazzia in der Stonewall-Bar in New York. (sda)
[@]
Alle Informationen
unter http://www.europride09.eu
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1. MAI
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Bund 2.5.09
2000 Personen nahmen am 1.-Mai-Umzug teil - doppelt so viele wie im
vergangenen Jahr
"Wir haben recht bekommen"
Regierungspräsidentin Egger war die Hauptrednerin an der
1.-Mai-Kundgebung in Bern. "Seit Jahren haben wir gemahnt", sagte sie.
An der Kundgebung beteiligten sich anfänglich auch Autonome.
Philipp Schori
Am Tag der Arbeit auf die Strasse gehen? Wann, wenn nicht jetzt?,
könnte man denken. Die Schlagzeilen der vergangenen Monate
zeichnen
jedenfalls ein trübes Bild der aktuellen Wirtschaftslage: Lehman
Brothers bankrott, 60 Milliarden Franken für die UBS, US-Autobauer
verlangen noch mehr Staatshilfe.
Egger: Reichtum ist relativ
2000 Personen beteiligten sich an der diesjährigen
1.-Mai-Kundgebung in
Bern - doppelt so viele wie 2008 während der Boomzeit. Je
prekärer die
Wirtschaftslage, desto mehr Protestierende, so könnte man die
Entwicklung interpretieren.
Barbara Egger-Jenzer (sp) sagt: "Am Tag der Arbeit Präsenz zu
markieren, ist stets wichtig, aber heuer vielleicht noch ein bisschen
wichtiger." Die kantonale Regierungspräsidentin reihte sich hinter
dem
Fronttransparent ein (siehe Bild); direkt nach dem einstündigen
Umzug
durch die Innenstadt hielt Egger um 17 Uhr eine Rede auf dem
Bundesplatz: "Seit Jahren haben wir gemahnt", sagte sie vor
Gewerkschafterinnen, Vertretern der Grünen und der SP sowie vor
tamilischen und kurdischen Aktivisten. Reichtum sei nichts wert,
solange andere den Preis dafür bezahlten. "Und jetzt, liebe
Kolleginnen
und Kollegen, jetzt haben wir recht bekommen", sagte Egger, um dann
aber gleich wieder zu relativieren: Letztlich ziehe niemand einen
Nutzen daraus.
Szenen wie an einem Fussballspiel
Vermutlich sorgte neben der schlechten Wirtschafts- auch die gute
Wetterlage für das grössere Interesse am 1.-Mai-Fest.
Überdies führten
die Gewerkschaften im vergangenen Jahr bloss eine Platzkundgebung
durch. Der Verzicht auf einen Umzug behagte den Autonomen damals wenig;
200 marschierten gleichwohl durch die Berner Innenstadt. In diesem Jahr
integrierten sich die 300 vornehmlich jungen Autonomen in den
offiziellen Umzug. Mit Knallpetarden, Wasserballonen und Pyro-Artikeln
machten sie auf sich aufmerksam. Ihr Auftritt erinnerte zuweilen an
Szenen aus dem Fansektor eines Fussballstadions. Zu Scharmützeln
mit
der Polizei, die sich kaum blicken liess, kam es nicht.
Die Linke am Scheideweg
Als die Mehrheit der Demonstrierenden die Spitalgasse Richtung
Bundesplatz überquerte, verabschiedeten sich die Autonomen von der
offiziellen Kundgebung. Offensichtlich wollte man den "etablierten"
Linksparteien und Gewerkschaften doch nicht anstandslos
hinterhermarschieren, wie aus dem Pressecommuniqué des
"revolutionären"
1.-Mai-Bündnisses hervorgeht. Die Autonomen veranstalteten ihr
eigenes
Fest: Ab 17 Uhr spielten Musikbands und floss Bier auf dem Vorplatz der
Reitschule.
Für das "revolutionäre Fest" ersuchten die Veranstalter um
eine
Bewilligung. Das komme einem Novum gleich, sagte Sicherheitsdirektor
Reto Nause (cvp).
Ähnlich festliche Stimmung wie bei den Autonomen kam auch auf dem
Bundesplatz auf - mit dem Unterschied, dass alles ein bisschen
pompöser
daherkam: Der Platz ist prominenter, die Bühne war grösser,
und die
Bands waren bekannter. Immerhin trat um 20 Uhr Endo Anaconda auf
("Telefonsex ist neoliberal. Du bekommst nichts", sagte er einmal in
einem Interview).
Politprominenz an Kundgebung
In der jüngsten Vergangenheit handelte die Presse das Thema
Wirtschaftskrise nicht mehr so prominent ab. Dafür verantwortlich
ist
nicht zuletzt der Ausbruch der Schweinegrippe. Diese sei durchaus ernst
zu nehmen, sagte Egger. Gleichwohl vermöge die Schweinegrippe die
sozialen Probleme nicht aus den Köpfen zu verdrängen.
Die desolate Wirtschaftslage sei es, um die sich die Leute auf der
Strasse sorgten. Insofern tue der "Tag der Solidarität" gut.
Kundgebungsteilnehmerin und Gemeinderätin Edith Olibet (sp) sah
den 1.
Mai als eine Plattform, "um alle an ihre soziale Verantwortung zu
erinnern". Und Stadträtin Aline Trede (junge grüne) sagte:
"Hier kannst
du endlich einmal hässig sein."
---
BZ 2.5.09
1.-Mai-Umzug
Schwarzer Block dabei
Rund 300 Personen aus dem Umfeld des Schwarzen Blocks marschierten am
offiziellen 1.-Mai-Umzug in Bern mit.
Gegen 2000 Personen besammelten sich gestern Nachmittag in der
Kramgasse für den 1.-Mai-Umzug der Gewerkschaften, der zum
Bundesplatz
führte. Dort sagte Regierungspräsidentin Barbara Egger (SP)
in ihrer
Rede unter anderem, die Mehrheit im Land habe zu lange "Egoismus und
Freiheit verwechselt".
Gut 300 Männer und Frauen aus dem Schwarzen Block hatten
sich in den
Umzug eingereiht. Auf dem Marsch durch die Altstadt schwenkten die zum
Teil vermummten Aktivisten Fahnen und skandierten lauthals
"Internationale Solidarität". Auf dem Waisenhausplatz scherte der
Schwarze Block aus und marschierte durch die Spitalgasse zum
Bahnhofplatz, wo der Verkehr zum Stillstand kam. Auf dem Marsch durchs
Bollwerk warfen die Aktivisten Wasserballons gegen Hausfassaden, immer
wieder zündeten sie stinkende Schwefelsäure-Petarden.
Passanten mussten
dem Umzug ausweichen. Schliesslich zogen sich die Aktivisten in die
Reithalle zurück. Nachdem sie das Bollwerk zwischen Bahnhof und
Reithalle für eine Viertelstunde blockiert hatten, zirkulierte der
Verkehr wieder normal.
jsp
--
Jugendbewegung am tag der arbeit
Die Roten Falken sind zurück
Gestern marschierte eine kleine Delegation der Roten Falken am 1.-
Mai-Umzug mit. Die sozialistische Jugendbewegung wurde vor wenigen
Tagen in Bern erneut ins Leben gerufen. In den 80er-Jahren hatte sie
sich aufgelöst.
Gut gelaunt und friedlich gestimmt, marschierten die Roten Falken am
1.-Mai-Umzug durch Berns Gassen. Ganz nach ihrem Motto "Spiel, Spass
und Solidarität" vergnügten sich die Jugendlichen: Sie
spielten mit
Bällen, verschenkten Ballone und unterhielten sich. Die vier
Mitgründer
der neuen Berner Falken führten ihre noch bescheidene Truppe zum
Bundesplatz. "Zu unseren Mitgliedern gehören erst zwei Kinder",
sagte
die Helferin Nadja Olloz (22).
Zurück in Bern
Schweizweit hatte es während der letzten Jahrzehnte nur noch in
Zürich
eine Gruppierung der Roten Falken gegeben. "Daran wollten wir etwas
ändern", sagte Fabio Weiler (23), Helfer bei den Roten Falken.
"Wir
suchten eine weitere Delegation, mit der wir uns in Zukunft austauschen
können."
Vor einer Woche wurden schliesslich die Roten Falken in Bern zum
zweiten Mal ins Leben gerufen. Dies, nachdem sie sich in den
80er-Jahren aufgelöst hatten. "Die Wiederauferstehung der Falken
in der
Hauptstadt freut mich riesig", bekundete der 55-jährige Paul
Studer
gestern am Umzug. Er erinnere sich gerne an seine Zeiten als Roter
Falke zurück .
Erst zwei Mitglieder
Dass die Neuformierung der Falken in Bern noch in den Kinderschuhen
steckt, war sofort erkennbar. Nach einer Kinderschar in roten
"Falken-Shirts" sah man sich am Umzug vergebens um. "Das war uns klar",
sagte Weiler. "Wir waren überrascht, dass letzte Woche
überhaupt zwei
Kinder an unserem ersten Treffen teilgenommen hatten." Die Rede ist vom
10-jährigen Lucas Wymann und seiner Schwester. "Mein Vater hat mir
die
Internetseite der Roten Falken gezeigt. Ich war sofort begeistert",
erklärte Lucas. Das erste Treffen habe ihm enorm gefallen.
"Deshalb
wollte ich auch am 1.-Mai-Umzug mit dabei sein."
Für die Rechte der Kinder
Die Roten Falken verfolgten mit ihrem Auftritt am 1.Mai ein klares
Ziel: "Wir wollen primär unsere Bekanntheit in Bern steigern", gab
Weiler zu. Er fügte jedoch an, dass es ihm auch darum ginge, die
Kinderrechte in Erinnerung zu rufen. "Bei uns stehen Kinder im
Zentrum", fügte Olloz an. Beide Leiter waren sich einig: "Wir
wollen
den Kindern eine Stimme geben. Sie sollen sich auch politisch
äussern
können." Die Organisation der Roten Falken zeichne sich deshalb
auch
durch eine schwache Hierarchie aus. "Als Erwachsene wollen wir uns
nicht über die Kinder stellen", präzisierte Weiler.
Falken mit Zukunft
Was die Mitgliederzahl der Roten Falken in Bern betrifft, gab sich
Weiler zuversichtlich: "Kinder haben auch heute ein Bedürfnis nach
Bewegung und gemeinsamen Erlebnissen in der Natur." Ausserdem
hätten
die jungen Menschen bei ihnen etwas zu sagen, was nicht überall
selbstverständlich sei. Diese Werte könnten durch die Treffen
direkt
weitergegeben werden. "Das bringt mir mehr, als durch politische
Aktionen aufzufallen", sagte er.
Patrizia Pulfer
Geschichte
Sozialistisches Gedankengut
Die Roten Falken sind eine Kinder- und Jugendgruppe, welche im ersten
Drittel des 20.Jahrhunderts aus der sozialistischen Arbeiterbewegung in
Deutschland, Österreich und der Schweiz entstanden ist. Das Ziel
war,
das geistige und leibliche Wohl der Kinder zu fördern. Ihre
Blütezeit
erlebten die Roten Falken in den 30er-Jahren. Nach dem Zweiten
Weltkrieg verschwand die Bewegung immer mehr von der Bildfläche.
In der
Schweiz überlebte sie nur in Zürich. Heute soll die Tradition
des
sozialistischen Gedankenguts in zeitgemässer Form
weitergeführt werden.
In Zürich sind die Roten Falken gemäss Leitbild des Vereins
Kinderfreunde Zürich, welcher den Betrieb gewährleistet,
parteipolitisch unabhängig und orientieren sich "an den Idealen
einer
engagierten humanistischen und sozialistischen Grundhaltung".
pd
•http://www.bern.rotefalken.ch
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bernerzeitung.ch 1.5.09
http://www.bernerzeitung.ch/bern/Schwarzer-Block-marschierte-unbehelligt-zur-Reitschule/story/10478510
(Mit Fotos + Video)
"Schwarzer Block" marschierte unbehelligt zur Reitschule
Rund 1000 Leute marschierten am Umzug zur 1. Mai-Feier Richtung
Bundesplatz. Der "Schwarze Block" trennte sich beim Waisenhausplatz vom
Hauptumzug und begab sich dann zur Reitschule.
Auf der Höhe des Waisenhausplatzes flogen Wasserballone und eine
Bierbüchse gegen ein Auto, ansonsten verlief der Umzug ruhig. Die
Polizei markierte kaum Präsenz.
Am Waisenhausplatz drehte der Schwarze Block ab in die Marktgasse. Auf
ihrem Weg zündeten sie Knallpetarden und bewarfen die
Geschäfte,
Fahrzeuge und Passanten mit Wasserballonen.
Während der Schwarze Block bei der Reitschule feierte, fand auf
dem Bundesplatz die offizielle Ansprache statt.
(js/bz)
---
tagesanzeiger.ch 1.5.09
Brandanschlag gegen KPMG-Hauptsitz in Zürich
Von Simon Eppenberger
Am Freitagabend verübten Unbekannte einen Brandanschlag gegen die
Firma
KPMG. Am Hauptsitz des Wirtschaftsprüfer brannte der Eingang.
Am 1. Mai kam es zu einem Brandanschlag gegen den
Wirtschaftsprüfer
KPMG. Unbekannte hatten offenbar die Eingangstüre eingeschlagen
und
Feuer gelegt. Die Feuerwehr rückte am Freitagabend nach 21 Uhr mit
drei
Löschfahrzeugen an die Badenerstrasse 172 zum Hauptsitz des
Unternehmens aus.
Der Brand konnte schnell gelöscht werden. Mit einem Gebläse
wurde der
Rauch aus dem Eingangsbereich entfernt. Die Polizei war ebenfalls vor
Ort. Informationen zum Hergang oder der möglichen Täterschaft
liegen
derzeit keine vor. Die Unbekannten zündeten vor dem Firmeneingang
Reifen an, wie eine Sprecherin der Zürcher Stadtpolizei
bestätigte. Die
Flammen schlugen aussen am Gebäude bis in den ersten Stock, die
Fassade
ist rauchgeschwärzt.
Gemäss Polizeiangaben war die Lage im Kreis 4 am späten
Freitagabend
wieder ruhig. Dort hatten am Nachmittag jugendliche Randalierer
gewütet. 83 Personen wurden festgenommen. 22 von ihnen sind unter
18
Jahre alt, wie die Polizei am Abend bekannt gab.
---
Bund 1.5.09
Konzert auf dem Vorplatz
Nebst den Gewerkschaften ruft auch ein "revolutionäres 1. Mai
Bündnis"
dazu auf, am offiziellen Umzug teilzunehmen. Ziel der Autonomen ist
aber weniger der Bundesplatz, sondern der Vorplatz der Reitschule, wo
ab 16.30 Uhr ein "revolutionäres Fest" mit Konzerten, Jahrmarkt
und
Essen stattfinden soll. Laut Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) ist
"zum ersten Mal seit Jahren" ein Bewilligungsgesuch für ein
Vorplatz-Konzert eingereicht worden. Dieses sei im Rahmen der
Gesamtbewilligung für die Reitschule bewilligt worden.
Allfällige
Autonomen-Umzüge ausserhalb der offiziellen Route der
Mai-Kundgebung
seien nicht bewilligt. "Ich gehe aber davon aus, dass die Autonomen
friedlich bleiben werden." Der harte Kern werde nach Zürich
fahren. Und
die Reitschul-Betreiber hätten zurzeit kein Interesse an negativen
Schlagzeilen, sagt Nause. (bob)
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NEONAZIS
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baslerzeitung.ch 2.5.09
Rechtsextreme? Unbewilligter "Fackelumzug" in Basel aufgelöst
Die Basler Kantonspolizei hat am Freitagabend einen unbewilligten und
nicht angekündigten "Fackelumzug" aufgelöst. Eine vermutlich
rechtsextreme Gruppierung - es waren rund hundert Personen - hatte mit
Fackeln durch die Stadt ziehen wollen.
Die beteiligten Personen waren mit Autos und teilweise mit dem Zug nach
Basel gereist. Gegen 21 Uhr versammelten sie sich beim Zolli-Parkplatz
und bewegten sich von dort durch die Holbeinstrasse in die
Schertlingasse. Dort konnten Polizisten die Gruppierung stoppen, wie
die Kantonspolizei Basel-Stadt am Samstag mitteilte.
Nachdem die Polizei einen Polizeimitteleinsatz angedroht hatte, kehrten
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses unerlaubten "Fackelumzuges"
geordnet und unter Polizeiaufsicht zu ihren Fahrzeugen zurück.
Weder
Personen noch Sachen kamen zu Schaden.
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20min.ch 2.5.09
Umzug verhindert
Fackel-Nazis in Basel gestoppt
Die Polizei hat am Freitagabend einen unbewilligten Fackelumzug unweit
der Basler Heuwaage aufgelöst. Die rund hundert Teilnehmenden
gehörten
vermutlich der rechten Szene an. Personen- oder Sachschaden blieb aus.
Die Hundertschaft sei aus dem Raum Aargau teils per Zug, teils per Auto
angereist, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage. Gegen 21 Uhr am Abend
des 1. Mai versammelte sie sich beim Zolli-Parkplatz und marschierte
via Holbeinstrasse Innerstadt-wärts, nachdem die Polizei sie beim
Parking noch nicht hatte stoppen können.
In der Folge gelang es den Ordnungshütern, die Gruppe in die
ringförmige Schertlingasse oberhalb der Heuwaage zu drängen
und dort zu
blockieren. Unter Androhung eines nicht näher beschriebenen
"Polizeimitteleinsatzes" liessen sich die ungebetenen Gäste zur
Abreise
bewegen. Diese sei unter Aufsicht geordnet verlaufen.
Quelle: SDA/ATS
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tagesanzeiger.ch 1.5.09
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Schlaegereien-zwischen-Rechtsradikalen-und-Chaoten-an-der-Nachdemo-in-Zuerich/story/31038580
(mit Video)
Schlägereien zwischen Rechtsradikalen und Chaoten an der Nachdemo
in Zürich
Von Simon Eppenberger und Felix Schindler
Die Randalierer lieferten sich heute Freitagnachmittag ein Gefecht mit
der Polizei. Inmitten der Chaoten hielten sich zudem kahlgeschorene und
durchtrainierte Männer auf, die wiederholt in kleinen Gruppen
Krawallmacher angegriffen und verprügelt haben. Tatsächlich
mischten
sich einige Dutzend Rechtsradikale unter die Chaoten, wie die
Stadtpolizei gegenüber Tagesanzeiger.ch bestätigt.
Diese Scharmützel waren jeweils nur von kurzer Dauer, aber
dafür umso
heftiger. Einer der Angreifer traktierte sein taumelndes Opfer mit
gezielten Fusstritten ins Gesicht. Blutspuren auf der Strasse zeugten
von der Härte der Auseinandersetzung. Nur Sekunden später
machten sich
die Angreifer wieder aus dem Staub. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
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SVP
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Basler Zeitung 2.5.09
Kräftemessen in der Migrationspolitik
Linke gegen die SVP, alle gegen den Bundesrat und kaum Mehrheiten
für Verschärfungen
Martin Furrer
Die SVP widmet dem Thema Migrationspolitik heute einen Sonderparteitag.
Der Bundesrat plant seinerseits Verschärfungen im Asyl- und
Ausländerrecht, die von links bis rechts kritisiert werden.
Im nationalen Pferdezentrum in Bern treten heute für einmal keine
Pferde auf, sondern Schäfchen - die weissen SVP-Schäfchen,
die einen
schwarzen Artgenossen mit einem Tritt aus dem Land befördern. Das
Sujet
benützte die Partei vor zwei Jahren für ihre Initiative "zur
Ausschaffung krimineller Asylbewerber"; es begleitet die SVP diesen
Samstag auch durch ihren Sonderparteitag zur Migrationspolitik.
Der Anlass hat deklamatorischen Charakter: Zu verabschieden haben die
Delegierten nichts - bloss eine Resolution gegen "Asylmissstände"
und
ein Positionspapier. Es geht der SVP vielmehr um zwei Dinge. Erstens:
Druck aufzusetzen gegen BDP-Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf,
die jetzt als Nachfolgerin von SVP-Bundesrat Christoph Blocher für
die
Migrationspolitik verantwortlich ist. Und zweitens: Werbung in eigener
Sache zu machen für ihre Ausschaffungsinitiative, die die Partei
im
Februar 2008 mit über 210 000 Unterschriften im Bundeshaus
eingereicht
hat.
Die Initiative der SVP fordert, dass Ausländer ausgeschafft
werden,
wenn sie wegen vorsätzlicher Tötung, Vergewaltigung, Raub,
wegen
Menschen- oder Drogenhandels oder eines Einbruchdelikts verurteilt
worden sind oder wenn sie Sozialleistungen erschlichen haben.
"Die Schweiz", sagt SVP-Sprecher Alain C. Hauert, "hat die Kontrolle
über die Migration verloren." Das verschärfte Asyl- und
Ausländergesetz, vom Volk 2006 angenommen (siehe Textbox unten
rechts),
werde "nur zögerlich umgesetzt". Die Schweiz sei für
Asylbewerber noch
immer "zu attraktiv". Die Landesregierung solle endlich "hart
durchgreifen".
Schraube Angezogen. Das harte Durchgreifen gehört jedoch
längst zu
Widmer-Schlumpfs Repertoire. Im Januar hat die Vorsteherin des Justiz-
und Polizeidepartements (EJPD) Vorschläge für eine
Verschärfung des
Asyl- und Ausländerrechts in die Vernehmlassung geschickt - bloss
ein
Jahr, nachdem der Bund mit dem Entzug der Sozialhilfe für
abgewiesene
Asylbewerber bereits eine schärfere Gangart eingeschlagen hat.
"Steigende Gesuchszahlen aus Afrika, dem Nahen Osten und Sri Lanka"
machten es jetzt "notwendig, die Verfahren zu beschleunigen und
effizienter zu gestalten", begründet das EJPD das Drehen an der
Gesetzesschraube.
Folgende Neuerungen im Asylgesetz sind vorgesehen:
> Wehrdienstverweigerer und Deserteure sollen nicht mehr als
Flüchtlinge anerkannt werden.
> Ausländer, die hierzulande ihre Regierungen in der Heimat
kritisieren, um sich quasi selber einen Asylgrund zu schaffen, sollen
bestraft werden.
> Asylbewerber sollen keine Gesuche mehr auf Schweizer Botschaften
im Ausland, sondern nur noch in der Schweiz stellen können.
Gegenvorschlag. Auch das Ausländergesetz will der Bundesrat
verschärfen. Er möchte dort festschreiben, dass
Ausländer eine
Niederlassungsbewilligung nur erhalten, wenn sie sich erfolgreich
integriert haben. Nach einer schweren Straftat, die mit einer
Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht ist, soll ihnen die
Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung aberkannt werden
können.
Diese Neuerung versteht der Bundesrat als indirekten Gegenvorschlag zur
SVP-Ausschaffungsinitiative. Sie geht ihm zu weit. Das Anliegen der
Initianten werde damit aufgenommen, "ohne dass ein Widerspruch zu den
Grundrechten der Bundesverfassung und zum Völkerrecht entsteht",
sagt
das EJPD.
Das migrationspolitische Kräftemessen ist voll entbrannt.
SVP-Sprecher
Hauert sagt: "Der Gegenvorschlag des Bundesrates ist zahm und
unnötig:
Er würde besser unsere Initiative umsetzen." Der Linken gehen
nicht nur
die SVP-Ideen, sondern auch Widmer-Schlumpfs Pläne zu weit. Die
EJPD-Chefin schliesse nahtlos an Blochers Asylpolitik an, konstatiert
die SP. Die Grünen beklagen den "unsinnigen
Verschärfungsaktivismus".
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kritisiert, der Zugang
zum
Asylverfahren werde einmal mehr erschwert.
Nur in einem Punkt herrscht Einigkeit: "Absurd" sei die Absicht des
Bundesrates, das Einreichen von Asylgesuchen auf Schweizer Botschaften
zu unterbinden. Von der SFH bis zur SVP ist man überzeugt: Davon
würden
einzig Schlepper profitieren.
--
Wichtige Entwicklungen im Schweizer Asyl- und Ausländerrecht
Für und gegen Flüchtende. Die Chronologie der
Verschärfungen im Asyl-
und Ausländerrecht ist lang. Mitunter wurden auch Neuerungen
zugunsten
von Asylsuchenden eingeführt.
> 1981: Erstes Asylgesetz tritt in Kraft.
> 1988: Ausschaffungshaft bis 30 Tage für Ausländer, die
nicht
freiwillig ausreisen. Kantone dürfen dreimonatiges Arbeitsverbot
für
Asylsuchende erlassen.
> 1990: Bund schafft eine unabhängige Asylrekurskommission.
Gesuche
von Personen aus Ländern, die der Bundesrat als sicher einstuft,
sind
nichtig.
> 1993: Bundesrat gewährt erstmals finanzielle
Rückkehrhilfen.
> 1995: "Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht" ermöglichen
eine
drei-monatige Vorbereitungshaft, eine neunmonatige Ausschaffungshaft
und Rayonauflagen mit dem Verbot, ein bestimmtes Gebiet zu betreten
oder zu verlassen.
> 1999: Frauenspezifische Fluchtgründe werden bei der
Prüfung eines Asylgesuches stärker berücksichtigt.
> 2002: Volksinitiative der SVP "gegen Asylrechtsmissbrauch" wird
mit 50,1 Prozent abgelehnt.
> 2006: Auch nichtstaatliche Verfolgung wird als Asylgrund anerkannt.
> 2007: Asylbewerber, auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde,
erhalten nur noch Nothilfe. Auf Gesuche tritt der Bund nur noch ein,
wenn innert 48 Stunden gültige Identitätspapiere vorgelegt
werden.
Verbessert wird die Rechtsstellung vorläufig Aufgenommener: Sie
erhalten nach drei Jahren das Recht auf Familiennachzug. mfu
---
20min.ch 2.5.09
Sonderparteitag
SVP konzentriert sich wieder auf Ausländer
An einem Sonderparteitag in Bern diskutieren Delegierte und Mitglieder
der SVP Schweiz über Asyl- und Migrationspolitik. Ihnen liegen
zwei
Grundsatzpapiere vor, die der Partei in Ausländerfragen die
Richtung
vorgeben sollen.
Mit der Wahl des Themas führt die Parteileitung die Basis nach den
internen Richtungskämpfen um Banken und Wirtschaftskrise wieder
auf
heimisches Terrain. Die beiden Grundsatzpapiere enthalten denn auch die
bekannten Forderungen der SVP, wenn auch teilweise in verschärfter
Form.
Fundamentalkritik
So kritisiert die Partei in ihrem "Migrationspapier 2009" die hohe
Ausländerkriminalität, die Aushöhlung der Sozialwerke
und die Bildung
islamischer Parallelgesellschaften. Als Gegenmassnahme verlangt sie
unter anderem die Revision der Abkommen über die
Personenfreizügigkeit
und eine Verschärfung des Strafrechts.
Dazu gehört für die SVP die Wiedereinführung kurzer
Freiheitsstrafen
oder die automatische Ausschaffung bei schweren Straftaten. Für
angemessen hält sie aber auch Freiheitsstrafen für
14-Jährige und die
Anwendung des Erwachsenenstrafrechts für Jugendliche ab 16 Jahren.
In einer Resolution "für eine wirkungsvolle Asylpolitik" verlangt
die
Partei eine konsequente Umsetzung des 2006 revidierten Asylgesetzes.
Darüber hinaus fordert die SVP weitere Verschärfungen, etwa
bei den
Härtefall-Regelungen oder der Beurteilung von
Wehrdienstverweigerern
und Deserteuren.
Quelle: SDA/ATS
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BÜRGERPATROUILLE
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Basler Zeitung 2.5.09
Nachts unterwegs mit der Bürgerpatrouille
Birsfelden. Um Randale zu verhindern, patrouillieren in Birsfelden am
Abend neuerdings SVP-Politiker. Gegen den Begriff Bürgerwehr
sträuben
sie sich. Doch Polizei und Gemeindebehörden stehen der Aktion
dennoch
skeptisch gegenüber. Der BaZ-Reporter hat die Patrouille
begleitet.
> Seite 32
--
"Es ist wahnsinnig ruhig heute Nacht"
Birsfelden. Unterwegs mit der SVP-Bürgerpatrouille
Lukas Meili
Um Littering, Alkoholmissbrauch und Randale zu vermeiden,
patrouillieren in Birsfelden neuerdings SVP-Politiker. Derweil will die
Gemeinde das Polizeireglement mit einem Wegweisungsartikel
ergänzen und
Abfallsünder härter an die Kandare nehmen.
Es ist der Donnerstagabend vor dem 1. Mai, kurz vor Mitternacht. Die
Birsfelder Haupt- strasse ist wie ausgestorben. Vereinzelt dröhnen
Autos vorbei, und das Zischen der Türen des 3er-Trams hallt durch
das
verlassene Dorfzentrum. Plötzlich betreten drei dunkle Gestalten
die
Szenerie. Mit gesenkten Köpfen schlendern sie langsam Richtung
Schulhaus. Randale vorprogrammiert? Falsch! Bei den drei handelt es
sich nicht um angetrunkene Jugendliche, sondern um die
"Einwohnernachtpatrouille", welche die Birsfelder SVP unlängst ins
Leben gerufen hat. Unter der Führung von Christian Brechbühl,
Vizepräsident der SVP Birsfelden, schaut die Patrouille seit drei
Wochen an den Wochenenden im Dorf zum Rechten - und ruft die Polizei,
wenn sie Vandalismus oder Gewalt entdeckt. Mit ihm sind an diesem Abend
Claudia* und Hanspeter* unterwegs - sie eher zierlich, blond und um die
40, er etwas älter, mit Schnauz, Baseballcap und Lederjacke. Aus
Sicherheitsgründen wollen beide anonym bleiben.
"Wir wollen mehr Ruhe und Sicherheit im Dorf", sagt Brechbühl, und
die
anderen beiden nicken. Seit fünf Jahren habe sich die Situation
massiv
verschlimmert, doch die Polizei mache zu wenig. "Deshalb sind wir
selber aktiv geworden und haben dafür bis jetzt nur positive
Rückmeldungen bekommen."
Dass man in Birsfelden Probleme mit Jugendgewalt hat, bestreitet
Gemeindepräsident Claudio Botti (CVP) nicht. Der SVP-Patrouille
steht
er aber skeptisch gegenüber. Erst vor wenigen Tagen hatte sich die
Gemeinde zusammen mit der Baselbieter Sicherheitsdirektorin Sabine
Pegoraro, dem Polizeikommandanten und betroffenen Einwohnern an einen
runden Tisch gesetzt. Dort hatten sich Botti und Pegoraro "klar gegen
Bürgerwehren" ausgesprochen, wie aus einer Mitteilung hervorgeht.
Konflikt. Ähnlich klingt es auch bei der Baselbieter Polizei, die
allerdings bestreitet, in Birsfelden zu wenig präsent zu sein.
Für
private Bürgerpatrouillen hat man wenig übrig. "Wer meint,
selber
polizeilich aktiv werden zu müssen, kommt stets in Konflikt mit
dem
Gesetz und kann sich zudem selbst in Gefahr bringen." Bei der SVP
sträubt man sich indessen gegen die Bezeichnung "Bürgerwehr".
"Wenn wir
auffällige Jugendliche entdecken, dann beobachten wir sie aus der
Ferne
- so, dass sie selber uns gar nicht sehen. Und falls ein Delikt
passiert, rufen wir die Polizei", sagt Brechbühl. Bis jetzt sei es
aber
"gottseidank" noch nie so weit gekommen. Gemeindepräsident Botti
hat
trotzdem Bedenken: "Wenn man den Jugendlichen zu nahe kommt, wird das
möglicherweise schon als Drohgebärde wahrgenommen. Was
passiert, wenn
die Sache eskaliert?" Auch an diesem Abend kommt es zu keinem
Zwischenfall. Birsfelden ist wie ausgestorben. Schulhausplatz, Migros,
Sternenfeld: Gähnende Leere. "Es ist wahnsinnig ruhig heute", sagt
Brechbühl. Claudia und Hanspeter stimmen zu.
Der Gemeinderat versucht dem Problem derweil mit anderen Mitteln Herr
zu werden. Laut Botti will man einen Wegweisungsartikel ins
Polizeireglement aufnehmen und die Bussgelder für Littering
erhöhen.
Zudem überlegt man sich, ob man wieder einen Streetworker
anstellen und
mehr Plätze für Jugendliche einrichten soll. Für Botti
steht fest: "Mit
Polemik lassen sich die Probleme nicht lösen" - damit meint er das
medienorientierte Auftreten der SVP.
* Namen der Redaktion bekannt
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BKW
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BZ 1.5.09
BKW-Generalversammlung
Proteste gegen Kohlekraftwerk
Der gestrigen Generalversammlung der BKW gingen eine unrühmliche
Preisübergabe und eine kleine Demo voraus.
Die BKW-Generalversammlung fand in einer BEA-Halle statt. Aber vorher
kam es am Viktoriaplatz, am Hauptsitz des Energiekonzerns, zu einem
kleinen Menschenauflauf. Die "Erklärung von Bern" und Greenpeace
hatten
mit Samuel Leupold noch eine Rechnung offen. Sie wollten dem
BKW-Geschäftsleitungsmitglied und Leiter des Bereichs "Energie
international und Handel" endlich den Public Eye-Award
überreichen. Die
im Februar geplante Übergabe des Schmähpreises war geplatzt -
aus
Termingründen, wie Leupold gestern sagte. Damit korrigierte er den
Eindruck, er habe den Preis verschmäht.
Ehre ist mit dem Award keine verbunden, sondern viel Kritik:
"Sämtliche
Bemühungen, eine Reduktion der CO2-Emissionen zu erreichen, werden
torpediert", sagte Rapper Greis, der den Preis überreichte. Er
bezog
sich auf die Absicht der BKW, sich mit 25 Prozent am Bau eines neuen
Kohlekraftwerks in Dörpen zu beteiligen. Nach der
Preisübergabe
stellten sich die Kritiker vor der BEA-Halle auf. Sie liessen die
Aktionäre an einem riesigen Monster namens "Kohlosaurus"
vorbeiziehen
und wollten so auf die ihrer Meinung nach veraltete Technologie
hinzuweisen.
An der GV betonten die BKW-Verantwortlichen, der Konzern wolle die
CO2-freie Produktion "stark ausbauen". Von einem Greenpeace-Mitglied
darauf angesprochen, bestätigte Leupold aber, dass das geplante
Kohlekraftwerke pro Jahr einen Sechstel der gesamten schweizerischen
Emissionen verursachen werde. Trotzdem trage es zur Reduktion bei,
erklärte er: Dank neuer Anlagen würden ineffiziente
schmutzige Anlagen
"mit Marktmechanismen verdrängt".
Die GV stimmte einer Dividendenauszahlung von Fr. 2.30 pro Aktie zu und
wählte Hartmut Geldmacher in den Verwaltungsrat.
sgs
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Bund 1.5.09
Verzicht auf weitere Kohlekraftwerke
BKW Energie AG hält an zwei Kohlekraftprojekten und am
Gaskraftwerk Utzenstorf fest, will aber sonst CO2-frei produzieren
Eine Demonstration vor dem Hauptsitz und kritische Fragen von zwei
Aktionären: Kohlekraftwerke waren im Rahmen der gestrigen
BKW-Generalversammlung erneut ein Thema. Präsident Fritz
Kilchenmann
ging auf die Voten nicht ein. Aber er kündigte eine Änderung
der
Strategie an.
Hans Galli
Der Verwaltungsrat der BKW Energie AG habe seine Gesamtstrategie
überarbeitet, sagte Verwaltungsratspräsident Fritz
Kilchenmann an der
gestrigen Generalversammlung. Dabei seien wichtige Entscheide gefallen:
Die BKW werde sich an keinen weiteren Kohlekraftwerkprojekten
beteiligen.
An den Minderheitsbeteiligungen an den zwei deutschen
Kohlekraftwerkprojekten in Dörpen und Wilhelmshaven werde
festgehalten.
Solange die Zukunft der Kernenergie in der Schweiz noch unsicher sei,
erwäge die BKW den Bau von Gaskraftwerken im In- und Ausland in
beschränktem Umfang. Im Vordergrund stehe das Projekt in
Utzenstorf.
Der Verzicht auf weitere Kohlekraftwerke kommt nicht überraschend.
Nach
dem Protest des Regierungsrates hat die BKW soeben die Mehrheit am
Projekt Dörpen im Saarland an den deutschen Energiekonzern Energie
Baden-Württemberg (EnBW) abgegeben. Sie behält noch einen
Minderheitsanteil von 24,9 Prozent. Dieser sichert ihr eine
Stromleistung von 225 Megawatt. Bereits im Bau ist das Kohlekraftwerk
in Wilhelmshaven. Dort hält die BKW einen Drittel der Aktien.
Dieser
Anteil sichert ihr eine Leistung von 240 Megawatt.
Damit verfügt der Berner Stromkonzern in einigen Jahren bei
deutschen
Kohlekraftwerken über ein Leistungsangebot von 465 Megawatt. Das
ist
deutlich über den 355 Megawatt, welche das bestehende
Atomkraftwerk
Mühleberg erbringt.
"Schmähpreis" überreicht
Angesichts dieser Grössenordnung wäre die BKW wohl bei
weiteren
Kohlekraftprojekten politisch noch stärker unter Druck geraten,
als sie
es schon ist. Auch gestern machten die Gegner des Kohlekraftwerks
Dörpen ihrem Unmut Luft. Am Morgen um 9 Uhr versammelten sich rund
40
Demonstrierende vor dem BKW-Hauptsitz am Berner Viktoriaplatz. Auf
einem Transparent stand: "25 Prozent Beteiligung - 100 Prozent
Verantwortung". Unter den Demonstrierenden befanden sich Vertreter der
Bürgerbewegung aus Dörpen, der Grünen sowie von
Greenpeace. Sie
verwickelten BKW-Produktionschef Samuel Leupold in eine hitzige
Diskussion. Rapper Greis übergab Leupold den "Schmähpreis",
welche die
Organisation Public Eye der BKW während des Weltwirtschaftsforums
in
Davos verliehen hatte. Leupold bedankte sich und wendete ein, auch bei
einem Rap-Konzert werde Strom benötigt.
Hoher CO2 -Ausstoss
An der Generalversammlung in den BEA-Hallen meldeten sich zwei
Vertreter der Demonstranten als Aktionäre zu Wort. Thomas Mathys
aus
Bern kritisierte den CO2-Ausstoss der beiden geplanten Kohlekraftwerke.
Die Anteile der BKW an den Projekten Dörpen und Wilhelmshaven
entsprächen einem CO2-Ausstoss von 3 Millionen Tonnen pro Jahr.
Das
seien 6 Prozent des heutigen CO2-Ausstosses der Schweiz von 52
Millionen Tonnen pro Jahr. BKW-Produktionschef Leupold bestätigte
diese
Zahlen. Trotzdem reduziere sich der CO2-Ausstoss in Deutschland. Denn
anstelle des neuen Kraftwerks werde ein altes mit einer höheren
CO2-Produktion stillgelegt.
Leupold räumte allerdings ein, es gebe keinen Vertrag, dass ein
bestimmtes Kohlekraftwerk anstelle der neuen abgestellt werde. Es
handle sich vielmehr um einen unabhängigen Prozess, da viele
Kraftwerke
ihre Altersgrenze erreicht hätten. Er bestätigte auch, dass
die
Einlagerung (Sequestrierung) des CO2 heute noch nicht möglich sei.
Die
entsprechende Technik werde erst in 10 bis 20 Jahren zur Verfügung
stehen.
Inge Stemmer aus Dörpen stellte eine ganze Anzahl von Fragen, was
bei
einigen Aktionären Unmut auslöste. Unter anderem kritisierte
sie, dass
das Kohlekraftwerk Dörpen neben CO2 auch verschiedene
Schwermetalle
ausstossen werde. Sie wolle wissen, ob die BKW für die Gesundheit
der
Menschen in der Umgebung des geplanten Werkes garantieren könnte.
Es werde alles Menschenmögliche unternommen, um gesundheitliche
Schäden
zu vermeiden, sagte Verwaltungsratspräsident Kilchenmann. Auf die
übrigen Fragen gehe er nicht ein. Sie zeugten erstens von einer
einseitigen Optik und zweitens sei neu die EnBW in Dörpen
federführend.
Die Kritiker müssten sich an diese Gesellschaft sowie an die
deutschen
Politiker wenden. Kilchenmanns Aussage wurde mit Applaus bedacht.
Festhalten an Mühleberg
Neben den beiden Kohlekraftwerken und dem Gaskraftwerk Utzenstorf
hält
die BKW auch am Bau eines neuen Atomkraftwerks in Mühleberg fest.
Das
Projekt ist aber nicht nur politisch gefährdet, sondern es steht
weiterhin auch in Konkurrenz zu den Projekten der Atel in Gösgen
und
jenem der Axpo in Beznau. Der Branche ist klar, dass sie sich auf zwei
Standorte einigen muss. Doch laut Kilchenmann ist klar, dass die neuen
Werke dort gebaut werden, wo die alten zuerst stillgelegt werden: "Das
sind die Standorte Mühleberg und Beznau." Aber die Atel hat als
Erste
ein Gesuch um Rahmenbewilligung für ein neues AKW Gösgen
eingereicht -
Axpo und BKW kamen später.
Erneuerbare Energien
Neben den Grosskraftwerken investiert die BKW auch verstärkt in
erneuerbare Energien. Die Tochtergesellschaft Sol-E Suisse bezeichnet
sich als führend bei Wind- und Fotovoltaik in der Schweiz.
Gegenwärtig
bearbeitet sie 200 neue Projekte. Dazu zählen Windkraftwerke im
Jura,
Solarkraftwerke,Biogasanlagen sowie Kleinwasserkraftwerke. Die gleichen
Organisationen, welche gegen Kohlekraftwerke protestierten, reichten
auch regelmässig Einsprachen gegen Wasserkraftwerke ein, sagte
Kilchenmann. Mehrere Windkraftwerke plant die BKW auch in Deutschland.
Die Generalversammlung hiess die um 40 Rappen auf Fr. 2.30
gekürzte
Dividende gut. Hartmut Geldmacher, Konzernleitungsmitglied von Eon,
wurde neu in den Verwaltungsrat gewählt.
---
Berner Rundschau 1.5.09
"Dörpen"-Aktivisten dabei
Generalversammlung der BKW Energie AG
Gegner des von der BKW Energie AG im norddeutschen Dörpen
geplanten
Steinkohlekraftwerkes stellten gestern an der Generalversammlung
unangenehme Fragen. Darauf erhielten sie vom
Verwaltungsratspräsidenten
Fritz Kilchenmann nur allgemeine Antworten. Für diese
Zurückhaltung
erntete Kilchenmann jedoch spontan Applaus aus den Reihen der
Aktionäre. Gemäss Strategie will die BKW die CO 2-freie
Stromproduktion
stark ausbauen. In den nächsten fünf Jahren sind
Investitionen in
Produktionsanlagen von über 2 Milliarden Franken geplant. (uz)
Seite 21
--
Geldmacher gewählt
An der Generalversammlung der BKW Energie AG beteiligten sich 1302 der
rund 7000 Aktionäre. Sie repräsentierten 84,56 Prozent der
stimmberechtigten Aktien. Die Versammlung genehmigte alle Anträge
des
Verwaltungsrates problemlos; Gegenstimmen gab es jeweils nur im
Promillebereich. Die Dividende beträgt Fr. 2.30 (Vorjahr: Fr.
2.70).
Der mit 52,54 Prozent Hauptaktionär Kanton Bern erhält von
der gesamten
ausgeschütteten Summe von 121,440 Millionen Franken rund 64
Millionen
(VJ: rund 75 Millionen). Vom Bilanzgewinn im Umfang von 188,5 Millionen
werden 67,1 Millionen auf die neue Rechnung vorgetragen.
Neuer Verwaltungsrat ist Hartmut Geldmacher (1955), Mitglied des
Vorstands und Arbeitsdirektor der E.ON Energie AG München, die an
der
BKW mit 20,99 Prozent beteiligt ist. Der bis zur ordentlichen
Generalversammlung 2011 gewählte Geldmacher ersetzt den erst vor
einem
Jahr in den VR delegierten, per 3. November 2008 wieder ausgeschiedenen
Karl-Michael Fuhr. Zu keinen Diskussionen Anlass gaben verschiedene
Statutenänderungen. Diese waren laut Verwaltungsratspräsident
Fritz
Kilchenmann wegen Gesetzesänderungen notwendig. (uz)
"Dörpen"-Aktivisten sind jetzt Aktionäre
Gegner des im norddeutschen Dörpen geplanten Steinkohlekraftwerks
machten gestern an der Generalversammlung der BKW Energie AG gleich
mehrfach auf ihr Anliegen aufmerksam. Vor dem Versammlungslokal BEA
demonstrierten sie mit Spruchbändern und dem "Kohlosaurus"
dagegen,
dass die BKW das Kraftwerk nicht aufgibt, sondern immer noch mit 24,9
Prozent daran beteiligt ist. 75,1 Prozent der Beteiligung an der
Projektgesellschaft STKW Energie Dörpen GmbH verkaufte die BKW im
März
an die deutsche EnBW Energie Baden-Württemberg AG (wir
berichteten). An
der Versammlung meldeten sich die Aktivisten und BKW-Aktionäre
Thomas
Mathis (Greenpeace Region Bern) und namens der Bürgerinitiative
Dörpen
Saubere Energie Inge Stemmer (rote Jacke) zu Wort. Mathis wollte
wissen, ob es stimme, dass die beiden deutschen Kohlekraftwerke mit
BKW-Beteiligung (Wilhelmshafen und Dörpen) nach ihrer
Produktionsaufnahme einen CO 2-Ausstoss von jährlich drei
Millionen
Tonnen verursachten. Das entspreche sechs Prozent der gesamten CO
2-Produktion der Schweiz. BKW-Verwaltungsratspräsident Fritz
Kilchenmann und Samuel Leupold, Leiter Energie International und
Handel, bestätigten die Menge. Sie verwiesen jedoch darauf, dass
im
Gegenzug auch "die Stilllegung veralteter deutscher Kohlekraftwerke
eine Tatsache ist". Weil Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie
beschlossen habe und alte Kohlekraftwerke vom Netz nehme, stehe das
Nachbarland vor doppelten Problemen.
Inge Stemmer wollte von den BKW-Oberen Namen von Kraftwerken
hören,
welche die Produktion einstellten. "Und können sie eine
gesundheitliche
Gefährdung der Bevölkerung im Emsland ausschliessen?", fragte
Stemmer
und meinte, dass neben CO 2 auch Schwermetalle und weitere Gifte in die
Umwelt geraten würden. In einem Interview habe sie gelesen, dass
die
BKW 75,1 Prozent am Werk Dörpen verkauft habe, weil sie so keine
Verluste einfahre. Stemmer: "Das mag stimmen, Verluste erleidet aber
die Emsländer Bevölkerung, etwa durch sinkende
Liegenschaftspreise."
Kilchenmann zeigte wenig Begeisterung, auf die Fragen und Vorwürfe
näher einzugehen. Dafür erntete er prompt Applaus aus den
Reihen der
Aktionärsversammlung. Kilchenmann: "Bei jedem grossen Projekt gibt
es
Gegner. Wir tragen die Verantwortung im Rahmen des
Menschenmöglichen.
Das gilt auch bezüglich der gesundheitlichen Gefährdung der
Emsländer
Bevölkerung."
Einen Erfolg konnten die "Dörpen"-Gegner aber verbuchen:
Vorgängig der
GV konnten sie im zweiten Anlauf den Ende Januar am Open Forum in Davos
der BKW verliehenen "Schmähpreis für besonders krasse
Verstösse gegen
ethische und nachhaltige Unternehmensführung" der BKW
übergeben.
Leupold nahm nun den Schmähpreis entgegen, der im Büro von
"Dörpen"-Projektleiter Daniel Fischlin landen soll. Laut
BKW-Sprecher
Antonio Sommavilla klappte der erste Versuch der Preisübergabe
Ende
Februar aus terminlichen Gründen nicht: "Leupold war im Ausland."
Mit
der Beteiligung der BKW am Kraftwerk Dörpen habe der
Schmähpreis nichts
zu tun. "Die bleibt so, wie wir es im März mitgeteilt haben." (uz)
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ANTI-ATOM
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NZZ 2.5.09
Neue AKW-Aufsicht mit mehr Unabhängigkeit
Das ENSI behandelt derzeit die drei Rahmenbewilligungsgesuche
Das neue Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat soll
unabhängiger sein als die Vorgängerinstitution. Derzeit
behandelt es
auch die drei Gesuche um neue Atomkraftwerke - eines zu viel.
dsc. Auf Jahresbeginn wurde die "Hauptabteilung für die
Sicherheit der
Kernanlagen" (HSK) in das Eidgenössische
Nuklearsicherheitsinspektorat
(ENSI) umgewandelt. Die HSK gehörte dem Bundesamt für Energie
(BfE) an.
Das ENSI ist hingegen als unabhängige öffentlichrechtliche
Anstalt
konstituiert. Damit entspricht die Organisation der Überwachung
der
Atomkraftwerke und nuklearen Forschungseinrichtungen der Norm der
Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA). Diese verlangt die
Unabhängigkeit der Kontrollinstanz von jenem Amt, das für die
Energieversorgung zuständig ist (in der Schweiz das BfE). Bei der
ENSI-Gründungsfeier am Donnerstag in Baden war unter anderem vom
Aargauer Regierungsrat Peter Beyeler zu erfahren, dass diese neue
Unabhängigkeit angesichts der anstehenden politischen Diskussionen
um
nukleare Fragen wichtig ist und nicht nur als Formalität angesehen
wird. Sogar der Auszug aus dem HSK-Gebäude beim
Paul-Scherrer-Institut
in Villigen wird begrüsst, weil das dortige Umfeld offenbar in
AKW-kritischen Kreisen negative Assoziationen auslöst. 2010 wird
das
ENSI in Brugg einen Neubau beziehen.
Besonders beachtet wird das ENSI derzeit wegen der Behandlung der
drei
eingereichten Rahmenbewilligungsgesuche für neue AKW. Die
Nationalräte
Hans Killer (svp., Aargau) und Hans Rutschmann (svp., Zürich)
haben
parlamentarische Vorstösse eingereicht, damit die Gesuche
möglichst
rasch behandelt werden. Ausgangspunkt war eine Äusserung von
Bundesrat
Moritz Leuenberger Anfang Jahr, wonach eine Abstimmung über neue
Kernkraftwerke zwischen 2013 und 2015 zu erwarten sei - ein
gegenüber
anderen Schätzungen des Bundes um etwa zwei Jahre
verlängerter
Zeithorizont. Für Werner Bühlmann, den Leiter der Abteilung
Recht und
Sicherheit beim BfE, ist der ursprüngliche Zeitplan mit einer
allfälligen Referendumsabstimmung im Jahr 2013 durchaus noch
massgebend; allerdings wäre es denkbar, dass das Parlament seinen
Entscheid hinauszögert, nachdem 2012 mit der Vorlage des
Bundesrates zu
rechnen ist. Die jetzigen Prüfungsabläufe der
Rahmenbewilligungsgesuche
seien zusammen mit der Stromwirtschaft erarbeitet worden, so
Bühlmann
auf Anfrage. - Das Gesuch für den Standort Gösgen wurde von
der
Stromfirma Atel (heute Alpiq) letzten Sommer vor dem Zeitpunkt
eingereicht, den die Stromfirmen dafür angekündigt hatten,
was aber aus
organisatorischen Gründen kein Vorziehen des Verfahrens zur Folge
hatte. Eine Beschleunigung kann es im Rahmen des Kernenergiegesetzes
nach Ansicht vieler nur geben, wenn eines der Gesuche noch in den
nächsten Monaten zurückgezogen wird. Tatsächlich ist es
das erklärte
Ziel der drei Gesuchsteller (Axpo, BKW und Alpiq) sich auf zwei
Projekte zu einigen. Entsprechende Verhandlungen laufen bereits seit
langem.
So prüft das ENSI jetzt ein Gesuch zu viel. Dabei geht es
noch nicht
um die spezifische Reaktorsicherheit, denn nur der Standort und nicht
der Typ sind Gegenstand der jetzigen Phase. Im Mittelpunkt stehen nun
laut ENSI-Direktor Ulrich Schmocker Fragen rund um den Hochwasserschutz
und die Erdbebensicherheit. Geprüft wird, ob die Gesuchsteller von
angemessenen Szenarien ausgehen, welche Dammbrüche
berücksichtigen und
Unwetter einkalkulieren - und dies auch mit Blick auf klimatische
Veränderungen, die sich während des Betriebs in den
nächsten 80 Jahren
ergeben könnten. Es geht zudem um den Umgang mit allfälliger
Wasserknappheit, die auch durch Dammbrüche flussabwärts
verursacht
werden könnte. Bei der Erdbebensicherheit haben Studien gezeigt,
dass
die Auswirkungen von Ereignissen, die alle 10 000 Jahre erwartet werden
(eine Richtgrösse), erheblich schwerer sind als gedacht und in den
Auslegungsgrundlagen von bisherigen Anlagen angenommen.
Die ENSI-Gutachten zu den Kraftwerks-Gesuchen werden Mitte
nächsten
Jahres erwartet. Bevor dazu ein breites Vernehmlassungsverfahren
stattfinden wird, werden Stellungnahmen der ebenfalls neuen
Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit (KNS)
erfolgen.
Diese ist die Nachfolgeorganisation der "Kommission für die
Sicherheit
von Kernanlagen" und fungiert als Expertengremium des Bundes. Sie gibt
- im Gegensatz zur Vorgängerin - keine Stellungnahmen zum Betrieb
heutiger Anlagen ab. Neu ist auch der ENSI-Rat, dessen unabhängige
Mitglieder vom Bundesrat gewählt werden. Der ENSI-Rat ist der
Verwaltungsrat des ENSI, dessen Mitarbeiterzahl beim Bau neuer AKW von
derzeit 110 auf rund 150 erhöht werden würde. Das Budget von
jährlich
rund 40 Millionen Franken wird weitgehend durch Gebühren gedeckt,
die
unter den AKW-Betreibern erhoben werden.
Inwieweit kann eine Kontrollinstitution aber in einem kleinen
Land wie
der Schweiz überhaupt unabhängig sein und damit das Vertrauen
der
Öffentlichkeit geniessen? - Unter anderem diese Frage griff
Bundesrat
Moritz Leuenberger in Baden in seiner Ansprache zur ENSI-Gründung
auf.
Es sei natürlich, dass die Nuklearspezialisten einem engen Zirkel
angehörten und sich viele vom Studium oder von früheren
Arbeitsplätzen
her kennten. Solche Beziehungen seien aber objektiv gesehen kein Indiz
für die Befangenheit einer Person, wenn diese in einer
Kontroll-Institution eine neue Rolle angenommen habe. Laut Leuenberger
gilt es die Unbefangenheit zudem gegen aussen zu demonstrieren, damit
auch der Anschein von Befangenheit vermieden wird.
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Beobachter 1.5.09
AKW Mühleberg
Keine Risse in der Schweigemauer
An der Gedenkdemo zum 23. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl
hätten ihm viele Leute gratuliert, sagt AKW-Gegner Jürg Joss:
"Alle
meinten, wir könnten nun endlich den Sicherheitsbericht zu
Mühleberg
anschauen." In einem Inserat hatte das Bundesamt für Energie
angekündigt, im Verfahren um eine unbefristete Betriebsbewilligung
für
den 37-jährigen Reaktor dürften nun von den rund 1900
Einsprechern
weitere Akten eingesehen werden.
Der Sicherheitsbericht befindet sich jedoch nicht darunter. Es handelt
sich lediglich um die Stellungnahmen der Betreiberin BKW und des
Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) zu den Einsprachen. Grundtenor
der BKW darin: Die Behauptungen der Einsprecher seien "anmassend und
unzutreffend", die Befristung "verfassungswidrig".
"Sabotage- und Terrorgefahr"
Das Ensi schreibt zu den Rissen im Kernmantel - einem von mehreren
umstrittenen Punkten -, diese würden "in Tiefenrichtung meist nur
bis
Blechmitte" wachsen, so dass "keine Durchrisse entstehen". Das Wort
"meist" ist dabei wörtlich zu nehmen, wie der Beobachter aufdeckte
(Nr.
3): Der tiefste Riss durchdringt die Wand des Kernmantels um mehr als
zwei Drittel. Das Ensi selbst hat der BKW deshalb eine Frist bis Ende
2010 gesetzt, um ein neues Konzept für die Instandhaltung des
Kernmantels zu erstellen - eine Tatsache, die das
Nuklearsicherheitsinspektorat aber in seiner Stellungnahme nur
verklausuliert erwähnt.
Der umfassende Sicherheitsbericht wird von der BKW mit dem Hinweis auf
eine angebliche Gefahr von Sabotage- und Terrorakten weiterhin unter
Verschluss gehalten. Über eine Freigabe muss das Bundesgericht
entscheiden.
Thomas Angeli
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BZ 1.5.09
Wie ein Infoabend für die Gegner des Kernkraftwerks Mühleberg
zu einer Werbeveranstaltung der BKW wurde.
"Schlimmer als Katholiken und Protestanten"
Es sollte eine Veranstaltung gegen Atomenergie werden: Am
Mittwochabend lud die Ökogruppe Laupen und Umgebung zu einem
Informationsabend ein. Zum Thema "Kernkraftwerk Mühleberg -
kerngesund?" waren Referate der Atomgegner Jürg Joss und Jürg
Aerni
angekündigt, darauf folgen sollte eine Fragerunde zur Sicherheit
im
Kernkraftwerk Mühleberg (KKM). Von den rund 40 Interessierten, die
der
Einladung in den Gasthof Bären folgten, hatte aber vermutlich
niemand
damit gerechnet, dass die BKW den Informationsabend dazu nutzen
würde,
Werbung in eigener Sache zu machen.
Bereits im Foyer vor dem Saal verteilten zwei Herren Broschüren
mit dem
Titel "Das Kernkraftwerk Mühleberg ist sicher". Eine stattliche
Zahl
von Experten und Kommunikationsleuten, darunter der KKM-Betriebsleiter
Patrick Miazza höchstpersönlich, nahm Platz im Saal. Die
Ökogruppe
machte gute Miene dazu und begrüsste neben Leuten aus den
umliegenden
Gemeinden auch die "zahlreichen Vertreter der BKW".
In ihren Referaten legten Joss und Aerni, beide von der Organisation
"Fokus Anti Atom", dar, weshalb sie gegen eine unbefristete
Betriebsbewilligung des KKM sind. Das Werk würde weder einem
Flugzeugabsturz noch einem Erdbeben standhalten, sagte der Physiker
Aerni. Der Techniker Joss erhob den Vorwurf, Betreiber und
Behörden
würden sich gegenseitig decken. Das beste Beispiel dafür sei,
dass der
Sicherheitsbericht des KKM für die Öffentlichkeit nicht
einsehbar sei.
Die Fragerunde, die auf die beiden Referate folgen sollte, geriet zum
Schlagabtausch zwischen Betreibern und Gegnern des Kernkraftwerks. Die
Experten der BKW kritisierten, dass teilweise Zahlen aus dem
Zusammenhang gerissen seien. Das KKM sei sicher, die Vorkehrungen
dafür
würden laufend angepasst. Betriebsleiter Miazza erklärte,
dass der
Sicherheitsbericht gemäss Gesetz bei der Behörde eingereicht
worden
sei. Diese sei zuständig für dessen Veröffentlichung.
Überhaupt habe
die veränderte Situation seit den Anschlägen im Jahr 2001
überall in
der Welt zu zurückhaltender Kommunikation in Sachen Nukleartechnik
geführt.
Das Publikum nutzte die Gelegenheit, um konkrete Fragen an die
Verantwortlichen der BKW zu richten. Die Organisatoren des Infoabends
hatten sich dies wohl nicht so vorgestellt: Sie forderten die
KKM-Vertreter mehr als einmal auf, mit ihren Aussagen "nicht so viel
Platz einzunehmen".
Die Diskussion sei ja schlimmer als bei den Katholiken und den
Protestanten, resümierte alt Grossrat Thomas Koch (SP) aus Laupen,
der
ebenfalls im Publikum sass. Er anerkannte, dass sich die
Verantwortlichen im KKM um Sicherheit bemühten: "Murphy's Law
bleibt
jedoch der grösste Risikofaktor." Das Gesetz besagt nämlich,
dass
alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird.
Anna Tschannen
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Bund 1.5.09
Atom-Ausstieg bis 2019?
Berner Stadtrat bekräftigt Abkehr von Atomenergie
Der Berner Stadtrat hat gestern Abend seinen Fahrplan für den
Atom-Ausstieg festgelegt. Die Zielvorgabe bis 2019, wie vom GB
gefordert, unterstützte der Rat nur in der unverbindlichen
Postulatsform.
Daniel Vonlanthen
Die Ausgangslage ist nicht vorteilhaft: Fürs letzte Jahr
vermeldete
Energie Wasser Bern (EWB) eine Zunahme des Stromverbrauchs um fast drei
Prozent auf 1054 Gigawattstunden. Kaum ein Drittel der städtischen
Elektrizität stammt aus erneuerbarer Energie, zum Beispiel aus
Wasserkraft. Die GB/JA-Fraktion macht seit einiger Zeit mit
Vorstössen
Druck für die Energiewende; zudem ist eine Volksinitiative
hängig.
"In Deutschland entstehen derzeit mehr Arbeitsplätze im
Energiebereich
als in der Autoindustrie", gab Natalie Imboden (gb) zu Bedenken. Alle
grösseren Städte in der Schweiz investierten in Anlagen
für erneuerbare
Energie. Imboden warnte: "Die Atomkraft ist ein Klumpenrisiko."
Auch der Chef der Grünliberalen, Michael Köpfli,
befürwortet die Abkehr
von der Atomkraft: "Sie ist weder wirtschaftlich noch klimaneutral."
Allerdings erachtete Köpfli den GB-Fahrplan als zu forsch: Bis
2019,
zum Ablauf der Lebensdauer des Kernkraftwerks Gösgen, schaffe Bern
den
Ausstieg nicht. Der vom EWB vorgegebene Termin bis zum Jahr 2039 sei
realistischer. Auch die SP/Juso-Fraktion unterstützte die
Zielvorgabe
bis 2019 lediglich in Postulatsform.
Namens GFL/EVP äusserte Peter Künzler Zweifel am
Vorgehen, befinde
sich doch die EWB-Eigentumsstrategie derzeit in Arbeit. "Es ist nicht
sinnvoll, in diesen Prozess mit verbindlichen Vorgaben einzugreifen."
Bürgerliche ablehnend
Die Bürgerlichen lehnten den Vorstoss ab. Peter Bernasconi (svp
plus)
sagte es kurz und bündig: "Alternative Energien ja, aber Ausstieg
aus
der Atomenergie nein." Die gesamte Biomasse der Schweiz würde
nicht
ausreichen, um die Energielücke zu schliessen. Pascal Rub (fdp)
fragte:
"Weshalb soll EWB teuren Solarstrom kaufen, den die Mehrheit der
Verbraucher gar nicht will?" Der Vorstoss sei unnötig. Die
BDP/CVP-Fraktion sieht durch den schnellen Ausstieg die
Versorgungssicherheit in Gefahr.
EWB werde im Besitz der Stadt bleiben, sagte Gemeinderat Reto Nause
(cvp); also werde die Stadt bei der Stromproduktion mitreden. Im
Vergleich zu andern Werken stehe EWB beim Strommix gut da. Mit der
Stossrichtung zeigte sich Nause einverstanden, allerdings nicht mit dem
vorgegebenen Ausstiegstermin: "EWB kann sich keinen
Knall-auf-Fall-Ausstieg und Sololauf leisten."
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BZ 1.5.09
Zögerlich gegen Atomstrom
EWB soll eine Zukunft ohne Atomstrom anstreben. Der Stadtrat erteilte
gestern hauchdünn einen entsprechenden Auftrag.
Was die Stadt Zürich schon eingeleitet hat, danach strebt auch
Bern: nach einer Energiewende. Die Zürcher Stimmbevölkerung
votierte
Ende November mit über 76 Prozent Ja-Stimmen für den Ausstieg
aus der
Atomenergie innerhalb von etwas mehr als 30 Jahren. Exakt zum selben
Zeitpunkt wurde in der Stadt Bern die Volksinitiative EnergiewendeBern
eingereicht. Sie fordert einen Ausstieg aus der Atomenergie innert 20
Jahren. Im Stadtrat sollte die Energiewende gestern schon Tatsache
werden. Anlass dazu bot eine Motion von Natalie Imboden vom Grünen
Bündnis.
Das Bekenntnis zum Ausstieg blieb aber halbherzig. Der Auftrag, den
schrittweisen Ausstieg in die Eigentümerstrategie zu
übernehmen, wurde
nur als Postulat überwiesen. In der verbindlichen Form als Motion
überwies der Stadtrat dagegen den Punkt, der städtische
Energieversorger Energie Wasser Bern (EWB) habe sich neu auszurichten.
Dies gelang nur dank Stichentscheid des Stadtratsvizepräsidenten
Urs
Frieden (GB), der den Präsidenten Ueli Haudenschild (FDP) vertrat.
Die
verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Stadtwerken lehnte das
Stadtparlament knapp ab.
Eignerstrategie im Juni
Das etwas eigenartige Signal kam zu Stande, weil der Gemeinderat
empfahl, die in Ausarbeitung begriffene Eignerstrategie zu EWB
abzuwarten. Er kündigte sie für Juni 2009 an. Energiedirektor
Reto
Nause (CVP) verwies auf den EWB-Chef Daniel Schafer, der selber einen
Ausstieg bis 2039 für möglich hält. Dann geht das
Atomkraftwerk Gösgen,
eine von zwei stadtbernischen Atomstrom-Quellen, vom Netz.
Motionärin Imboden wies darauf hin, dass die Gemeindeordnung ihr
Anliegen schon enthalte, bis jetzt fehlten aber konkrete
Umsetzungsschritte. "Wir müssen nicht den Ausstieg am heutigen Tag
beschliessen, sondern den Einstieg in den Ausstieg", sagte sie. Denn
Atomkraft sei ein Risiko und die Energiezukunft erneuerbar. Die
Technologien seien vorhanden, und andere Schweizer Städte
investierten
in diese Richtung. "Bern darf hier den Anschluss nicht verpassen",
sagte sie.
"Weichen jetzt stellen"
Unterstützung erfuhr sie von den Sprechern der Grünliberalen
(GLP) und
der SP. Michael Köpfli (GLP) rief auf: "Die politischen Weichen
müssen
jetzt gestellt werden." Auch auf der kantonalen Ebene gehe das in
Ausarbeitung begriffene Energiegesetz in diese Richtung. Denn Atomkraft
sei weder ökonomisch noch ökologisch. Leyla Gül (SP)
wies darauf hin,
dass noch 66 Prozent des Stadtberner Stromverbrauchs aus nicht
erneuerbaren Quellen stamme. Das müsse sich ändern.
Die GFL/EVP folgte dem gemeinderätlichen Kurs und wollten den
Vorstoss
nur als Postulat unterstützen. BDP/CVP, FDP und SVP lehnten die
Motion
ab.
"Bevormundung"
Pascal Rub (FDP) betonte, dass zwei Drittel der EWB-Kunden das
günstigste Stromprodukt einkauften, also im Wesentlichen
Atomstrom. Nur
ein Drittel sei bereit, etwas mehr für Strom aus erneuerbaren
Quellen
zu bezahlen. Sobald die Nachfrage steige, werde EWB das Angebot schon
schaffen: "Hört auf, die Bevölkerung zu bevormunden", sagte
er. Peter
Bernasconi (SVP) zeigte auf, dass trotz Steigerung der Energieeffizienz
momentan der Energieverbrauch steige, im vergangenen Jahr über 2
Prozent. Er sehe nicht, wie der Atomstrom in den nächsten Jahren
zu
ersetzen sei. Die Zielsetzung sei zu ehrgeizig.
Die Behandlung zweier weiterer Energievorstösse, unter anderem zur
Beteiligung am Atomkraftwerk Fessenheim, verschob das Parlament. Sie
sollen beraten werden, wenn die Eignerstrategie zu EWB vorliegt.
cab
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Regionaljournal DRS Bern 1.5.09
Bern gegen einen schnellen Ausstieg aus dem Atomstrom bis 2019 (1:58)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe7v701052009.rm?start=00:01:10.400&end=00:03:08.788
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Aargauer Zeitung 1.5.09
Atomaufsicht feiert Unabhängigkeit
Gründungsfeier des Eidgenössischen
Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) im Badener Trafo
Die Aufsichtsbehörde des Bundes ist jetzt eine
öffentlich-rechtliche
Anstalt wie die Suva. Zentrales Thema der Gründungsfeier war die
Unabhängigkeit. Denn das Ensi überwacht die Sicherheit der
Atomkraftwerke, des Zwilag und urteilt über neue Atomanlagen.
Hans Lüthi
Was im Land irgendwie mit Atom zu tun hat › in Forschung, Politik und
Industrie › war unter den 350 Gästen vertreten, die Behörden
aus den
AKW-Standorten inbegriffen. Mit der Gründungsfeier läutete
das Ensi
eine neue Ära ein. Die neue Aufsichtsbehörde ist nicht mehr
im
Bundesamt für Energie angesiedelt, womit sich Konflikte vermeiden
lassen. Sie kann die Abschaltung eines Atomkraftwerks verfügen,
auch
wenn das Land den Strom noch so dringend brauchen könnte und die
Axpo
die Millionensummen. Der Wechsel weg vom PSI-Kuchen nach Brugg
unterstreicht die neue Ensi-Unabhängigkeit.
Staat muss für die Sicherheit sorgen
Eine höchstmögliche Sicherheit zog wie ein roter Faden durch
alle
Reden. Dazu Bundesrat Moritz Leuenberger: "Das ist ein weiterer Schritt
auf dem langen Weg, die Sicherheit der KKW zu optimieren › eine
absolute Sichereit gibt es nicht." Für die verantwortbare
Sicherheit
müsse der Staat sorgen. Mit der Stromknappheit nehme die Akzeptanz
für
Atomkraftwerke wieder zu.
"Das Ensi ist ein Glücksfall für die Schweiz, es hat
die Autorität und
Kompetenz zum Handeln", betonte Werner Burkart, stellvertretender
Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Agentur in Wien (IAEA).
Ähnliche Wünsche haben die Beaufsichtigten selber auch: "Wir
erwarten
eine hohe fachliche Kompetenz, Unabhängigkeit von der Politik und
Transparenz", sagt Peter Hirt, Präsident von Swissnuclear.
Neue Bundesanstalt für den Aargau
Für die Aargauer Regierung ist der Schritt zum Ensi richtig, eine
Forderung der IAEA und des Kernenergiegesetzes werde damit
erfüllt, so
Regierungsrat Peter C. Beyeler. Der wichtigste Schweizer Energiekanton
mit drei AKW erhalte damit eine veritable Bundesanstalt. Das sei auch
mit dem Nachteil verbunden, dass unser Kanton bei neuen
Grabenkämpfen
um die Zukunft der Kernenergie erneut im Fokus stehe. Professor und
Sozialwissenschafter Otwin Renn aus Stuttgart stuft die weltweite
Energiesituation als dramatisch ein. "Solar und AKW müssen jetzt
die
nachfossile Zeit einläuten."
Ein Podium forderte von Ensi-Direktor Ulrich Schmocker eine stets
offene, ehrliche Information › "nicht nur für Fachleute, sondern
auch
für die Bevölkerung". Das schaffe Vertrauen und führe
zur nötigen
Akzeptanz des Risikos.