MEDIENSPIEGEL 17.5.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- Bonsoir Al-Kraida 2009
- Bettel-Nause will schon wieder Bettelverbot
- Stadtrat gegen Video-Nause
- Pinto für heile Innenstadt-Welt
- Murren wegen Police BE-Kosten
- Studis stürmen Fakultätssitzung
- Promille-Hess + Parkverbot-Fuchs
- Randstand Grenchen: Alki-Hatz
- Lausanne: Proteste gegen 1. Mai-Repression
- Le Matin zu Besuch bei Genfer Dealern
- Anti-Gentech-Karawane Tag 7+8
- Juso-Demo gegen Sempach-Neonazis
- Moskauer Polizei: Angriff gegen Gay Pride
- Nestlé- und andere Wasser
- No Nato Strasbourg: 3 Jahre Knast wegen Feuerzeug
- Gipfel-Soli-News 15.5.09
- Anti-Atom: Axpo im Atompoker
- Stadtrat 23.4.09: Drogenpolitik; Rassistische Clubs

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REITSCHULE
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So 17.05.09
18.00 Uhr - Rössli-Bar - Pianobar
21.00 Uhr - Kino - Filme mit Live-Musik-Begleitung - PAED CONCA UND CO: Migraton. Paed Conca und Giorgio Andreoli, stumm mit Live-Vertonung

Mo 18.05.09
21.00 Uhr - Kino - Filme mit Live-Musik-Begleitung - PAED CONCA UND CO: Cowards Bend The Knee. Guy Maddin, Kanada 2003, 64', stumm mit Live-Vertonung

Infos: www.reitschule.ch

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kulturstattbern.derbund.ch 16.5.09

Gisela Feuz am Samstag den 16. Mai 2009 um 12:25 Uhr

Wild Wild East

"Huere Zirkusmusig" grummelte ein offensichtlich verirrter Heavy Metaller gestern Abend neben mir an der Bar in seinen Bart. Nun ja, ganz unrecht hatte er ja eigentlich nicht, denn der Mix aus Polka, Gipsy und Klezmer, den die Herren von Bajanski-Bal im Rahmen von "Wild Wild East" im Dachstock fabrizierten, hätte sich auch bestens zur musikalischen Untermalung einer wilden Bodenakrobatik-Nummer des russischen Staatszirkus' geeignet.

Lüpfige Offbeat-Nummern waren aber bei weitem nicht das Einzige, was die mit Akkordeon, Tuba und Balalaika augerüsteten Herren auf Lager hatten. Russische Volkslieder und sehnsüchtige Schlager wurden ebenfalls zum Besten gegeben, wobei die wunderbar melancholischen, hymnenhaften Moll-Melodien von Piotr Galtchinski mit ordentlichem Pathos und Vibrato vorgetragen wurden. Himmeltraurig und wunderschön war das und lieferte einmal mehr die Bestätigung, dass keiner so schön leiden kann, wie die Russen.

Auch La Minor aus St. Petersburg pendelten mit ihren "Knastliedern" (So der Titel ihres dritten Albums) zwischen Ausgelassenheit und vodkageschwängerter Schwermut hin und her. Zwischendurch glaubte man allerdings, in eine verrauchte Ganovenspelunke irgendwann in den 30er Jahren geraten zu sein, liessen sich doch auch Swing, Tango oder Jazz-Elemente in den Kletzmer-Nummern von La Minor ausmachen, was die anwesende Damenwelt übrigens zu wildesten Tanzeinlagen veranlasste. Teilweise hätte es wohl sogar für den russischen Staatszirkus gereicht.

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BONSOIR AL-KRAIDA 2009
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bernerzeitung.ch 17.5.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/InternetAktivisten-bemalen-den-Bahnhofplatz/story/10159038 (mit Fotos)

Internet-Aktivisten bemalen den Bahnhofplatz

Rund zwei Dutzend Personen beteiligten sich an einer unbewilligten Aktion auf dem Bahnhofplatz: Mit Kreide bemalten Sie den Boden mit Texten und Bildern.

Die Aktivisten hatten sich via Internet organisiert und am Samstagabend gegen 21.30 Uhr auf dem Bahnhofplatz versammelt. Mit bunten Kinderkreiden malten sie Botschaften und Bilder auf den Boden zwischen Heiliggeistkirche und Baldachin.

Aufgerufen zum "Offiziellen Kreidemalfest" wurde auf dem Kreidefest-Blog via Internet.

Die Polizei hat die Vorgänge am Bahnhofplatz registriert. Laut Auskunft der Medienstelle sind "Abklärungen in Gang".

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http://kreidefest.wordpress.com

Kreidezeit auf dem Bahnhofplatz

Unter dem Baldachin am Bahnhofplatz soll ein Kunstwerk entstehen. Und du kannst dich beteiligen.

Diesen Samstag ab 21:30 Uhr findet auf dem Bahnhofplatz das erste Berner Guerilla-Kreidemalfest statt. Kauf dir einfach eine Box Kreidefarben in der Migros, im Coop oder Franz Carl Weber und mal mit. Später treffen sich die Aktionskünstlerinnen und Aktionskünslter im Club Bonsoir.

Hier noch einige wichtige Regeln:

1. Malt nur mit Kreide und bleibt damit am Boden in der Fussgängerzone. Bitte nicht an Wände oder Gebäude malen.
2. Seid höflich und nett zu Polizisten/Wachleuten/Bahnhofspersonal, schickt sie am Besten zu den Organisatoren vor Ort.
3. Versucht, nicht allzu laut zu sein.

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BETTEL-NAUSE
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20min.ch 17.5.09

Brutale Ausbeutung

Invasion der Betteltouristen in Bern

Bettlerinnen und Bettler fallen am Morgen scharenweise in Bern ein, verteilen sich in der Stadt und verschwinden abends wieder - spurlos. Nun zeigt sich: Die Bettelaktionen sind das Resultat minutiöser Planung.

Das bestätigt Alexander Ott, Chef der Berner Fremdenpolizei, der "SonntagsZeitung". Eine gezielte, von der Öffentlichkeit unbemerkte Aktion von Ende April erhärtete den Verdacht, den die Behörden schon länger hegen: "Die Bettler und ihre Hintermänner haben einen hohen Organisationsgrad und bedienen sich moderner Kommunikationsmittel", so Ott. Bei der Aktion wurden rund 100 Personen beobachtet und kontrolliert.

Offenbar gibt es zwei Varianten der organisierten Bettelei. Die harmlosere: "Betteltouristen" kaufen sich an einem Treffpunkt im nahen Ausland für 200 Franken eine "Tageskarte". Sie werden dafür nach Bern gefahren, erhalten am Bahnhof einen Stadtplan, auf dem die lohnenden Standorte eingezeichnet sind, und abends werden sie wieder nach Hause chauffiert.

Die zweite Variante: Menschen, darunter Kinder und Verkrüppelte, werden nach Bern gefahren, wo sie in Abständen an den Einkaufsgassen platziert werden. Dabei stehen sie unter steter Beobachtung; ihr Becher wird regelmässig von "Läufern" geleert, die das Münz in Noten umtauschen oder das Geld bei Strassenmusikern deponieren. Abends werden die Bettler in Camps nahe der Grenze zurückgekarrt. Diese Leute "verdienen" pro Tag bis zu 500 Franken.

Der Berner Polizeidirektor arbeitet wegen dieser brutalen Ausbeutung von Bettlern auf ein Bettelverbot hin, berichtet die "SonntagsZeitung".

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Sonntagszeitung 17.5.09

Brutale Ausbeutung von Bettlern

Bestens organisierte Banden setzen gezielt Kinder und Verkrüppelte ein - jetzt fordert der Berner Polizeidirektor ein Verbot

Von Christoph Lauener und Katrin Roth

Bern Bettlerinnen und Bettler fallen am Morgen scharenweise in Bern ein, verteilen sich in der Stadt und verschwinden abends wieder - spurlos. Nun zeigt sich: Die Bettelaktionen sind das Resultat minutiöser Planung. Das bestätigt Alexander Ott, Chef der Berner Fremdenpolizei.

Eine gezielte, von der Öffentlichkeit unbemerkte Aktion von Ende April erhärtete den Verdacht, den die Behörden schon länger hegen: "Die Bettler und ihre Hintermänner haben einen hohen Organisationsgrad und bedienen sich moderner Kommunikationsmittel", sagt Ott. Bei der Aktion wurden rund 100 Personen beobachtet und kontrolliert.

Abends werden sie zurück in Camps nahe der Grenze gekarrt

Offenbar gibt es zwei Varianten der organisierten Bettelei. Die harmlosere: "Betteltouristen" kaufen sich an einem Treffpunkt im nahen Ausland für 200 Franken eine "Tageskarte". Sie werden dafür nach Bern gefahren, erhalten am Bahnhof einen Stadtplan, auf dem die lohnenden Standorte eingezeichnet sind, und abends werden sie wieder nach Hause chauffiert.

Die zweite Variante: Menschen, darunter Kinder und Verkrüppelte, werden nach Bern gefahren, wo sie in Abständen an den Einkaufsgassen platziert werden. Dabei stehen sie unter steter Beobachtung; ihr Becher wird regelmässig von "Läufern" geleert, die das Münz in Noten umtauschen oder das Geld bei Strassenmusikern deponieren. Abends werden die Bettler in Camps nahe der Grenze zurückgekarrt. Diese Leute "verdienen" pro Tag bis zu 500 Franken.

Bund startet Pilotprojekt, um die Hintermänner zu eruieren

"Die organisierten ‹Bettelbanden› setzen gezielt Kinder und Behinderte ein und nutzen so ein Abhängigkeitsverhältnis, aus dem es häufig kein Entrinnen gibt", sagt Alexander Ott. Zwei schwer versehrte Männer hat die Polizei hospitalisieren müssen; sie wurden inzwischen nach Rumänien zurückgeführt. Von dort und aus Bulgarien kommen die meisten der Bettler; viele sind Roma.

Die "Bettelbanden" beschäftigen die Behörden auf verschiedenen Ebenen. Berns Polizeidirektor Reto Nause (CVP) etwa mag nicht länger zusehen. "Wenn Krüppel und Kinder wie Bettelmaschinen platziert werden, so ist das brutale Ausbeutung." Nause will deshalb einen neuen Anlauf nehmen, das Bettelverbot in Bern auf die ganze Innenstadt auszuweiten: "Ein Bettelverbot ist nachgerade humanitäre Pflicht."

Das bandenweise Betteln hat laut Nause seit dem Inkrafttreten des Schengen-Abkommens zugenommen, weil der Grenzfilter wegfällt. "Die Probleme verlagern sich in unsere Städte", sagt Nause.

In Basel etwa, wo ein Bettelverbot herrscht, beobachtet die Polizei laut Sprecher Klaus Mannhart "seit einiger Zeit Bettlergruppen aus der Slowakei". Diese seien "auffallend gut organisiert: Wenn wir jemanden büssen, taucht er an einem anderen Ort wieder auf oder wird ersetzt", so Mannhart. Judith Hödl von der Zürcher Stadtpolizei bestätigt eine Zunahme von Bettlern aus Rumänien in den letzten Wochen. In allen drei Städten sind immer mehr Bettler in Trams unterwegs, darunter viele Frauen, die haarsträubende Lebensgeschichten erzählen.

Auf Bundesebene ist man nun ebenfalls auf das Problem aufmerksam geworden. Zusammen mit der Stadt Bern und rumänischen Behörden hat das Bundesamt für Polizei das Pilotprojekt "Agora" aufgezogen. Frepo-Chef Alexander Ott: "Wir wollen damit die Reisewege der Bettler nachverfolgen und allenfalls an die Hintermänner rankommen."

Gemeinderat Nause will, wie in Basel, neben dem Bettelverbot[3] auf Aufklärung setzen: "Wir müssen der organisierten Bettelei den ökonomischen Boden entziehen." Dafür brauche es ein Umdenken bei den Leuten: "Wer den Bettlern Geld gibt, hilft den Hintermännern, also den Falschen", sagt Nause.

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VIDEO-NAUSE
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Bund 16.5.09

Kein "Big Brother" in Bern

Videoüberwachung In der Stadt Bern gibt es vorläufig keine Videokameras im öffentlichen Raum zur Vorbeugung und Aufklärung von kriminellen Handlungen. Das Stadtparlament hat am Donnerstagabend einen Vorstoss der FDP mit 41 zu 25 Stimmen abgelehnt.

 Es war der erwartete Glaubensstreit: Die Linke wehrte sich mit Händen und Füssen gegen die Einschränkung des Persönlichkeitsschutzes, die FDP und die SVP warben für den punktuellen Einsatz an neuralgischen Orten. Videoüberwachung sei trügerisch und verspreche zu viel, kritisierte die Ratslinke. Kameras könnten helfen, Kriminalität zu bekämpfen, votierten die Bürgerlichen. Ihr Vorstoss erlitt aber Schiffbruch - auch weil sich die Motionäre nicht einig waren. Die FDP wolle nicht nur ein "Postulätli", sondern einen verbindlichen Auftrag, sagte Fraktionssprecherin Dolores Dana. (sda/srg)

Seite 25

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Der Berner Stadtrat hat die Einführung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum abgelehnt

 "Big Brother" bleibt draussen

Videoüberwachung sei trügerisch, kritisierte die Ratslinke. Kameras könnten helfen,

Kriminalität zu bekämpfen, votierten die Bürgerlichen. Ihr Vorstoss erlitt letztlich aber Schiffbruch - auch weil sich die Motionäre untereinander nicht einig waren.

Ivo Gehriger

Bis weit in die Nacht hinein gingen die Wogen im Berner Stadtrat am Donnerstag hoch: Nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren erhitzten sich die Gemüter ob des Themas Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Anlass zur neuerlichen Debatte bot eine Motion: FDP, SVP und CVP forderten in ihrem gemeinsamen Vorstoss den Gemeinderat auf, "den gezielten und den Datenschutz wahrenden Einsatz der Videoüberwachung in die Wege zu leiten".

Nause will Volksabstimmung

Mit dem Ansinnen stiessen die Motionäre bei Sicherheitsvorsteher Reto Nause (cvp) auf offene Ohren. Er war 2008 als Stadtrat einer der Erstunterzeichner des Vorstosses. Als Gemeinderat wollte Nause nun aber beliebt machen, die Motion in ein Postulat umzuwandeln. Der Regierungsrat habe die Ausführungsbestimmungen zur Einführung von Videoüberwachung jüngst verabschiedet: "Gemeinden können nun Videoüberwachung beim Kanton bestellen." Er, Nause, sei aber der Ansicht, dass zunächst ein Grundsatzentscheid pro oder kontra Videoüberwachung gefällt werden müsse. Dieser solle möglichst breit abgestützt sein - "am besten durch eine Volksabstimmung".

"Wollen kein ,Postulätli‘"

Damit gab sich die FDP nicht zufrieden: "Wir wollen nicht ein ,Postulätli‘, sondern einen verbindlichen Auftrag", sagte Fraktionssprecherin Dolores Dana. Die Motion sei bewusst offen formuliert, ergänzte Philippe Müller (fdp). Videoüberwachung sei kein Allheilmittel gegen Kriminelle, doch an gewissen Orten könne sie helfen, die Kriminalität zu bekämpfen. "Doch der Gemeinderat drückt sich", stellte Müller fest. Die Stadtregierung habe alle Grundlagen, nun sei ein Entscheid angezeigt und nicht - "einmal mehr" - Abwarten, sagte Müller. Uneingeschränkten Sukkurs bekam er von der Fraktion SVP plus: "Der Gemeinderat muss gezwungen werden, Farbe zu bekennen", sagte Jimy Hofer.

"Gier nach Überwachung"

Die Ratslinke trat entschieden gegen die Forderung an: "Videoüberwachung verspricht zu viel und ist trügerisch", sagte Hasim Sancar für die GB/JA-Fraktion. Gerade in England zeige sich, dass die Kriminalität trotz Unmengen von Kameras nicht abgenommen habe. Mit der Überwachung würden Grundrechte beschnitten, kritisierte Giovanna Battagliero (sp). Wenn ein neuralgischer Ort überwacht werde, verlagere sich der Brennpunkt einfach an einen neuen Ort. "Die Gier nach noch mehr Überwachung wäre nicht mehr aufzuhalten", ergänzte Rolf Zbinden (pda). Kritik von der Ratslinken erntete auch der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (fdp). Dieser habe, entgegen dem Willen des Grossen Rates, die Echtzeitüberwachung in die Verordnung einfliessen lassen ("Bund" von gestern und vom 1.Mai).

CVP warnt FDP

Der Regierungsrat habe das Vertrauen verspielt, hielt Daniel Klauser für die GFL/EVP-Fraktion fest. Dem Gemeinderat wolle man nun keinen Blankoscheck geben. Zudem sei der Nutzen von Kameras fragwürdig, die Kosten aber seien hoch. Für die GLP ist Videoüberwachung "nur Ultima Ratio", wie Claude Grosjean sagte. Seine Fraktion könne allenfalls zu einem Postulat Ja sagen.

Diesen Ball nahm Edith Leibundgut (bdp/cvp) auf: Die Stadtregierung brauche einen Auftrag, sagte sie, sonst sei sie nicht handlungsfähig. Leibundgut schlug angesichts des breiten Widerstands und der Haltung des Gemeinderats die Postulatsform als Kompromiss vor. Der Erstunterzeichner Philippe Müller bestand indes auf der Motion. Er mache sich damit "zum Totengräber der Videoüberwachung", warnte Henri-Charles Beuchat (cvp) den Freisinnigen.

Beuchat bekam recht: Der Stadtrat lehnte die Motion mit 41 zu 25 Stimmen ab. Videoüberwachung ist damit vom Tisch - zumindest bis zum nächsten Anlauf.

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BZ 16.5.09

Sicherheit in der Innenstadt

Überwachung "auf Eis gelegt"

"Mir sind die Hände gebunden", sagt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) nach dem Nein des Parlaments zu Videoüberwachung. Ohne politischen Auftrag arbeite der Gemeinderat kein Konzept aus.

Reto Nause, das Stadtparlament hat die Einführung von Videoüberwachung in der Stadt Bern abgelehnt. Ist das Projekt damit definitiv vom Tisch?

Reto Nause: Das Projekt Videoüberwachung ist auf Eis gelegt. Mit einem Ja zur bürgerlichen Motion hätte das Parlament den Gemeinderat ja erst beauftragt, ein detailliertes Konzept für die Videoüberwachung auszuarbeiten. Diesen Auftrag haben wir nun aber nicht bekommen.

Was unternehmen Sie als Sicherheitsdirektor weiter?

Im Moment nichts. Mir sind die Hände gebunden. Der Ball liegt ganz klar beim Stadtrat. Er muss der Sicherheitsdirektion das Signal geben, dass eine Überwachung gewisser Brennpunkte in der Stadt erwünscht ist. Bevor wir dieses Signal nicht erhalten haben, macht es keinen Sinn, ein solches Mammutprojekt zu starten.

Sie sprechen von Mammutprojekt, weil die Videoüberwachung umstritten ist?

Es ist sehr komplex, in einer Stadt ein solches Projekt umzusetzen. Zuerst muss der Grundsatzentscheid gefällt sein und müssen die innerstädtischen Zuständigkeiten geregelt werden. Dann müssen mögliche Standorte für Kameras ausgewählt und abgesegnet werden. Und zuletzt muss die Finanzierung geklärt sein.

Für Aufregung sorgte, dass die vom Grossen Rat abgelehnte Echtzeitüberwachung vom Polizeidirektor Hans-Jürg Käser doch in die Verordnung aufgenommen wurde. Hat er Ihnen damit einen Bärendienst erwiesen?

Absolut nicht. Für mich war immer klar, dass Echtzeitüberwachung im Gesetz als Möglichkeit vorgesehen sein muss. Sonst machen Kameras für mich überhaupt keinen Sinn.

Weshalb nicht?

Nehmen wir das Beispiel Fussballstadion: Weshalb soll man den öffentlichen Raum rund ums Stadion überwachen, wenn man die Bildschirme nicht anstellt? Die Polizei muss in Echtzeit beobachten können, ob sie irgendwo einschreiten muss.

Wo macht Echtzeitüberwachung für Sie sonst noch Sinn?

Ich finde, die Stadt St. Gallen hat das gut gelöst. Dort gibt es in der Innenstadt Notrufsäulen. Wenn jemand den Notrufknopf drückt, schaltet sich gleichzeitig die Überwachungskamera an, und bei der Polizei ist das Videobild auf dem Bildschirm zu sehen. Soweit müsste Echtzeitüberwachung meiner Meinung nach auch in Bern möglich sein. Wenn ich mit Sicherheitsdirektoren anderer Städte spreche, kommen da alle zum gleichen Schluss.

Die Innenstadt-Organisation Berncity ist enttäuscht über den Entscheid des Stadtrats. Was können Sie besorgten Bürgern anstelle von Videoüberwachung bieten?

Polizeipatrouillen, die zu Fuss unterwegs sind. Hier hat der Gemeinderat zusammen mit der Kantonspolizei einen Schwerpunkt gesetzt und die Patrouillen in der Innenstadt verstärkt. Dieses Level wollen wir auf jeden Fall beibehalten.

Im Stadtrat hörte man in letzter Zeit immer wieder den Ruf nach mehr Sicherheit. Weshalb ist die Videoüberwachung trotzdem gescheitert?

Die Debatte hat mich ratlos gelassen. Ich fand es unverständlich, dass Motionär Philippe Müller seinen Vorstoss nicht in ein mehrheitsfähiges Postulat umgewandelt hat. Wenn es wirklich um die Sache gegangen wäre, hätte er so weit entgegenkommen müssen. Und die Mitte-Links-Parteien hätten die mild formulierte Motion überweisen müssen, wenn ihnen tatsächlich an mehr Sicherheit gelegen ist.

Interview: Mirjam Messerli

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Die Rolle der FDP

"Totengräber" der Kameras

In der Stadtratsdebatte am Donnerstagabend über die zum Schluss abgelehnte Videoüberwachung standen zwei FDP-Politiker im Fokus. Da war einerseits der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser, der sich über den grossrätlichen Auftrag hinwegsetzte: Er öffnete in der am 1.Juli in Kraft tretenden Verordnung mit Ausführungsbestimmungen zur Videoüberwachung der vom Gesetzgeber unerwünschten Echtzeitüberwachung ein Törchen. Er habe damit das in dieser Thematik entscheidende Vertrauen verspielt, wurde im Stadtrat moniert (wir berichteten).

Der andere FDPler war Fraktionspräsident Philippe Müller, der sich als Mitverfasser der Motion partout gegen das Wandeln in ein mehrheitsfähiges, aber unverbindliches Postulat stemmte. CVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat bezeichnete ihn denn auch als "Totengräber" der Videoüberwachung. Müller liess das nicht auf sich sitzen und wandte sich gestern an die Medien. Es gebe genug wirkungslose Berichte. Jetzt sei ein klares Bekenntnis gefragt, schrieb Müller. Doch Rot-Grün belasse es lieber bei Lippenbekenntnissen.

Als einzig Erfolg versprechendes Mittel, da macht Müller keinen Hehl daraus, betrachtet er seine eingereichte Initiative für eine sichere Stadt Bern. Sie sieht eine Aufstockung der Polizei auf dem Stadtgebiet vor.
cab

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HEILE PINTO-WELT
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Bund 16.5.09

Annäherung an Randgruppen

Stadt Bern "Bern City kann nicht verhindern, dass die Innenstadt von zwielichtigen Gestalten bevölkert wird." Mit diesen Worten eröffnet Daniel Nicklès, Präsident von Bern City am Freitagvormittag die Mitgliederversammlung in der "Schmiedstube".

 Etwa 60 Gewerbler sind anwesend - fast alle tragen Krawatten. Nur einer fällt mit seiner roten Weste auf: Silvio Flückiger, Leiter der Interventionstruppe Bern. Er wird ein Referat zur Drogen- und Randständigenproblematik halten und versuchen, Lösungen aufzuzeigen.

 Die Teilnehmer unterscheiden sich nicht nur durch die Kleidung: Martin Bühler, Geschäftsführer von Bern City, bedauert etwa, dass sich der Stadtrat gegen die Videoüberwachung ausgesprochen hat, und sympathisiert mit der Idee, Bobbys durch die Innenstadt reiten zu lassen. Sicherheitskontrollen durch private Firmen seien leider zu teuer.

Flückiger betont hingegen die Selbstverantwortung: Er fordert die Gewerbler auf, selbst aktiv zu werden und Randständige anzusprechen. "Solange niemand etwas sagt, fühlen sich Drögeler willkommen", erklärt er. Süchtige suchten Ruhe; wenn sie immer wieder gestört würden, verliessen sie die Innenstadt von allein. "Die pure Angst hindert mich am Eingreifen", unterbricht ihn ein Gewerbler. "Verständlich", sagt der Pinto-Leiter und macht auf entsprechende Schulungen aufmerksam. Er werde sich den Vorschlag, auf die Leute zuzugehen, zu Herzen nehmen und die Angst überwinden, schliesst Präsident Nicklès den Vortrag.

Danach steht ein Referat der Versicherungsgesellschaft Swica auf dem Programm: "Unbequemes muss man persönlich ansprechen, beispielsweise, wenn Mitarbeiter bevorzugt montags ,krank‘ sind", sagt der Regionaldirektor der Versicherung - und hat damit einen ähnlichen Ansatz wie Flückiger. (col)

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BZ 16.5.09

"Macht das nicht hier, geht weg"

Ein eigener Sicherheitsdienst ist zu teuer für Berncity. Pintoleiter Sylvio Flückiger ruft die Geschäftsleute zu Zivilcourage auf.

"Kreise, welche die Stadt gerne anders hätten als wir Geschäftsleute, erhalten in Bern zu viel politisches Gehör", sagte Präsident Daniel Nicklès zum Auftakt der Mitgliederversammlung der Berner Innenstadtorganisation Berncity. Geschäftsführer Martin Bühler doppelte nach: "Wir sind enttäuscht über den Entscheid des Stadtrats zur Videoüberwachung." Nicklès musste die Mitglieder auch darüber unterrichten, dass ein privater Sicherheitsdienst für Berncity unbezahlbar sei. Es werde nun abgeklärt, ob die Protectas-Lösung City Patrol, der einige Geschäftstreibende bereits angeschlossen seien, ausgeweitet werden könnte. Als zweite Schiene unterstütze man die aus England stammende Bobby-Idee von Sicherheitsdirektor Reto Nause.

Kein Patentrezept

In einem Gastreferat machte Sylvio Flückiger den Anwesenden aber wenig Hoffnung. Damit Patrouillen tatsächlich die erhoffte Wirkung erbrächten, "müsste alle drei, vier Minuten jemand jede Gasse abschreiten", sagte er. Der Leiter des Stadtberner Projekts Pinto (Prävention, Intervention, Toleranz) konnte keine Patentlösung präsentieren. Seine Patrouillen und die Polizei vermöchten nicht sämtliche Zwischenfälle zu verhindern. Gegenüber Zürich habe Bern eine kompakte Innenstadt. Deshalb seien Randständige wie etwa Bettler und Drogenabhängige präsenter. Hotspots seien der Raum Bollwerk, aber auch die Neuen- und Aarbergergasse. "Zürich hat aber ein grosses Drogenproblem. Nur befinden sich die Süchtigen dort in einem gesellschaftlich tolerierten Getto", sagte er.

Zivilcourage schulen

Flückiger erinnerte daran, dass der öffentliche Raum allen gehöre, also auch den Randständigen. Aber nur so lange, wie sie sich an gewisse Regeln halten würden. Genau dort müsse angesetzt werden: "Geht hin und sprecht drogenkonsumierende Leute an: Das, was ihr da macht, ist illegal. Macht das nicht hier, geht weg!" Ein Zuhörer wandte ein, dass er bei einer solchen Intervention eine Faust ins Gesicht gekriegt habe. Darauf entgegnete Flückiger: "Wir bieten Schulungen an, in denen wir vor eurem Laden zeigen, wie es gemacht wird." Denn über Erfolg oder Misserfolg würden oft Details entscheiden. In den vier Jahren, seit es Pinto gebe, sei noch kein Mitarbeiter verletzt worden, führte er aus. Dies, obwohl die Patrouillen beispielsweise im letzten Jahr 5000 Mal bei Drogenkonsumenten interveniert hätten.
cab

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POLICE BERN
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Bund 16.5.09

Murren über Police Bern

Zahlen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bern zu viel Geld für die Sicherheit? Vor allem von linker Seite wurde im Stadtrat am Donnerstagabend Kritik an der kantonalen Einheitspolizei laut.

 Im Berner Stadtparlament herrscht nach gut einem Jahr kantonaler Einheitspolizei mittlere Unzufriedenheit, vor allem im linken Lager. Insbesondere die Kosten zulasten der Stadt Bern sowie die Zuständigkeiten gaben am Donnerstagabend zu reden. Es gehe einfach nicht an, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bern für die Sicherheitskosten des gesamten übrigen Kantons aufkommen müssten, hiess es mehr als nur einmal. Derzeit zahlt die Stadt der Kantonspolizei 28,3 Millionen Franken im Jahr für deren Dienste in der Stadt. Das ergibt pro Kopf und Jahr einen Betrag von 231 Franken. In der Stadt Biel liegt der entsprechende Wert bei 187 Franken, in Thun bei 88, in Spiez und Steffisburg bei je 23 Franken pro Kopf und Jahr. 80 Prozent der bernischen Gemeinden bezahlen gar nichts (vgl. auch "Bund" vom letzten Montag).

 Auch der Gemeinderat findet das im Prinzip ungerecht und stossend. Diese Ungerechtigkeit müsse jedoch in Verhandlungen beseitigt werden, nicht primär mit der Anpassung des Ressourcenvertrages, schreibt er in einer seiner Antworten auf die verschiedenen Vorstösse. Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp) erklärte im Rat, der Gemeinderat werde auf jeden Fall auf konstruktiven Dialog über Solidarität im Sicherheitsbereich pochen. Für eine Vertragsauflösung brauche es indes die aktive Kündigung eines Partners.

Controlling verbessern

 Echter Handlungsbedarf bestehe beim Controlling, räumte Nause ein. Es fehlten Angaben über das Gesamttotal der Leistungen, die von Police Bern auf Stadtberner Boden erbracht würden. Im Übrigen betonte der Sicherheitsdirektor, die Kriminalstatistik habe sich seit der Einführung von Police Bern nicht gross verändert, die operative Zusammenarbeit klappe gut, und die Sicherheit im Alltag sei so weit gewährleistet. Eine erste Bilanz zu Police Bern könne er Ende 2009 vorlegen. Diese optimistische Sichtweise teilte Anne Wegmüller (ja) nicht. Sie sei besorgt über die Entwicklung, der Gemeinderat nehme das Heft zu wenig in die Hand und verweise in heiklen Situationen zu oft auf die operative Zuständigkeit des Kantons. So richtig glücklich sei mit Police Bern niemand, meinte auch Corinne Mathieu (sp).

 Beat Zobrist (sp) vermisste die Anwendung des Verursacherprinzips. Zahlen müssen sollten alle, die Kosten verursachen, dazu gehörten auch Gemeinden in der Peripherie, nicht nur die Städte. Philippe Müller (fdp) hielt dagegen und sagte, immerhin seien die Kosten für die Stadt Bern mit Police Bern um rund einen Fünftel gesunken. (sda)

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UNI-PROTEST
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Bund 16.5.09

Ungehorsame Studis stören

Mit einer provokativen Aktion störten 30 Studierende eine Fakultätssitzung. Sie verhinderten die definitive Verabschiedung des Bachelorstudiengangs Sozialwissenschaften.

Anita Bachmann

30 Studierende haben am Donnerstag die Sitzung der Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät gestört. "Die Aktion hatte zum Ziel, die definitive Absegnung des geplanten Bachelorstudiengangs Sozialwissenschaften zu verhindern", teilen die Mitglieder der Aktion Ungehorsamer Studierender (AUS) mit. Am Mittwoch gingen wegen des geplanten Bachelorstudiengangs 300 Studierende auf die Strasse ("Bund" vom Donnerstag). Sie protestierten gegen die Pläne der Universität Bern, die Fächer Soziologie, Politik- und Medienwissenschaften in einem gemeinsamen Bachelorstudiengang Sozialwissenschaften zusammenzuführen.

Das Generalsekretariat der Uni Bern bestätigte auf Anfrage die Störaktion an der Fakultätssitzung. Die Studierenden liessen sich laut eigenen Angaben nicht abschütteln, bis ihnen versichert wurde, die definitive Verabschiedung des Studienplans nicht zu traktandieren. Die Behauptung der AUS, die alten Soziologie- und Politologiestudiengänge würden nicht aus dem Studienreglement gestrichen, stimme zudem überhaupt nicht, sagt Rektor Urs Würgler. Mithilfe des Reglements werde nichts entschieden, nicht alle Studiengänge, die dort aufgelistet seien, müssten auch angeboten werden, erklärt der Rektor.

"Primitive Störaktion"

Zuerst habe die Sitzungsleitung die Securitas holen wollen, um die Störenfriede loszuwerden, die angeblich den Sitzungsteilnehmern folgten, als diese ein anderes Zimmer aufsuchten. Weil die Unileitung den Konflikt nicht habe eskalieren lassen wollen, sei auf repressive Massnahmen jedoch verzichtet worden, schreibt die AUS. "Sie wollten nur provozieren, ich finde die Störaktion primitiv", sagt Würgler. Unklar sei hingegen, wer die Studierenden eigentlich seien, sie gehörten weder den Fachschaften noch der Studentinnenschaft der Uni Bern (SUB) an. "Die AUS wird keine institutionellen Wege beschreiten, diese überlassen wir den Fachschaften", schreibt die AUS. Sie kündete weitere Aktionen an. Derweil sollen die Gespräche mit den Fachschaften und den betroffenen Studierenden weitergeführt werden, sagt Rektor Würgler.

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PROMILLE-HESS
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BZ 16.5.09

Moment mal

Das Duo Fuchs und Hess

Dieser BMW X3 der Stadtpolizei Bülach steht am Donnerstagabend im Berner Parkverbot. Dem zufälligerweise vorübergehenden Sicherheitsdirektor Reto Nause entfährt ein: "Nei, isch wahr?", als er hört, wem der Wagen gehört - und er sucht schnell das Weite.

Die kuriose Situation hat eine delikate Vorgeschichte: SVP-Nationalrat Thomas Fuchs hat sich den ehemaligen Streifenwagen zugelegt, weil sein beschwipster Zögling Erich Hess am letzten Sonntag seinen Offroader zu Bruch gefahren hat: Frontalkollision.

Nun führt Fuchs den Ersatzwagen in der Altstadt spazieren. Da er in der Gerechtigkeitsgasse keinen Parkplatz findet, stellt er den Wagen vor dem Rathaus ab. Dort geniesst Fuchs eine Art Gewohnheitsrecht. Auch als Grossrat fiel er schon als Falschparkierer auf.

Fuchs scheint sogar immun gegen die Aura eines Streifenwagens zu sein. Er pflegt selbst darin einen lockeren Umgang mit Verkehrsregeln. Wen wundert es da, dass sich auch sein politischer Ziehsohn und heutiger SVP-Fraktionspräsident darum foutiert. Die beiden brüsten sich gerne als Hüter von Recht und Ordnung. Aber das eine hat mit dem anderen natürlich nichts zu tun.

Christoph Aebischer

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RANDSTAND GRENCHEN
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Solothurner Tagblatt 16.5.09

Nördlicher Marktplatz

Mit Aussengastronomie gegen Alkis

Das Restaurant "Hot Soup" am oberen Marktplatz in Grenchen plant, den Park vor dem Haus gastronomisch zu nutzen. Das würde den Marktplatz beleben - und gleichzeitig die Alki-Szene vertreiben. Fragt sich nur: Wohin?

Kaum steigen die Temperaturen, steigt auch der Bierumsatz im Denner auf dem Marktplatz. Dessen treue Stammkundschaft, die Grenchner Alkoholiker, decken sich schon frühmorgens mit Promillehaltigem aus der Aludose ein und machen es sich unter den Schatten spendenden Bäumen am oberen Marktplatz gemütlich.

Die Alki-Szene auf dem Grenchner Marktplatz ist seit Jahren ein Politikum. Die Gewerbler jammern schlechte Geschäftsgänge, weil die Alkis angeblich die Kundschaft vertreiben. Dabei zeigt eine im vergangenen November veröffentlichte Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz, dass die Kundschaft die Alkis gar nicht als so störend wahrnimmt.

Zudem, glaubt Grenchens Stadtpolizeichef Robert Gerber, ist das Alki-Problem, sofern es überhaupt als solches wahrgenommen wird, auch ein hausgemachtes: Wäre der Marktplatz belebter und nicht menschenleer wie an vielen Tagen, fielen die Alkis in Grenchen gar nicht auf.

Belebungsversuche

Immerhin: In Sachen Belebung des Marktplatzes tut sich jetzt was. Hanspeter Grosswiler, der Pächter des Restaurants "Hot Soup" (früher SWG-Kafi), möchte im kleine Pärkli am oberen Ende des Marktplatzes eine Gartenwirtschaft einrichten. Laut Stadtbaumeister Claude Barbey ist das formelle Baugesuch diese Woche eingereicht worden.

Damit klatschte die Stadt zwei Fliegen auf einen Streich: Der Marktplatz würde aufgewertet und weiter belebt - und die Alkis müssten sich ein neues Plätzli suchen.

Auch Polizeichef Gerber begrüsst diese Idee: "Wir haben schon lange darauf gepocht, aus dem SWG-Kafi eine richtige Beiz zu machen und dass der Beizer auch draussen wirtet", sagt er. Ersteres ist dank Hanspeter Grosswiler seit Februar der Fall. Zweiteres ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit.

Alternative Parktheater

Stellt sich, was die Alkis angeht, allerdings die Frage, ob sich die Szene so nicht einfach verlagert. Möglich, heisst es bei den Offiziellen in Grenchen. Man werde dies auf jeden Fall genau beobachten. Bekannt ist, dass die Alkis heute schon gelegentlich zum Parktheater ausweichen, wenn es ihnen auf dem Marktplatz ans Bier geht. Beim Parktheater gab es bislang nie Grund zu Beanstandungen.

Aber: Auch für diesen Fall wäre man gewappnet. Seit vergangenem Jahr fuhrwerkt die Grenchner Polizei mit dem Wegweisungsartikel. Erfolgreich, sagt dessen geistiger Vater Rober Gerber (der Wegweisungsartikel ist das Resultat seiner im November 2004 als Kantonsrat eingereichten Motion): Die Szene sei eher kleiner geworden seither, nach den Sommerferien im vergangenen Jahr blieb erstmals der Nachwuchs aus - und auch heuer scheint die Polizei die Alki-Szene im Griff zu haben. 5 Ermahnungen, 8 Wegweisungen (24 Stunden Platzverbot) und 4 Fernhalteverfügungen (bis zu 30 Tagen Platzverbot) haben Gerbers Mannen seit Januar schon ausgesprochen. "Vor allem gegen Abend, wenn der Alkoholpegel steigt, kann es eskalieren", sagt Robert Gerber - "immer szenenintern allerdings", präzisiert er; die Aggressionen richteten sich nie gegen aussen.

Kleiner Problemkreis

Im vergangenen Jahr zeigte die Polizei 17 Alkis an, die eine Fernhalteverfügung nicht befolgten. "In zwölf Fällen betraf es die selbe Person", sagt Gerber - ein stadtbekannter Alki, den es auch heuer schon einmal erwischt hat. Dass sich das Problem demnach vor allem auf eine Person reduzieren lässt, verneint Gerber zwar. Effektiv machten aber tatsächlich nur zwei bis drei Personen Ärger.

Dennoch verteidigt Gerber die konsequente Anwendung des Wegweisungsartikels. Ziel sei nach wie vor zu verhindern, dass die Alki-Szene wächst. Ein besonderes Augenmerk richtet die Polizei dabei auf die Jungmannschaft. "Nach Schulschluss im Sommer, wenn es die ersten arbeitslosen Schulabgänger geben könnte, werden wir wieder besonders streng sein", sagt Robert Gerber. Denn: Die Alki-Szene in Grenchen bringt man wohl auch mit dem Wegweisungsartikel nicht weg - "wir wollen der Szene aber mit allen verfügbaren Mitteln den Nachwuchs entziehen", sagt der Polizeichef.

Kein Raum für die Szene

Chancenlos indes scheint in Grenchen die Schaffung eines Raumes, wo die Alkis geduldet wären. "Wir haben die Befürchtung, dass dies mehr Leute anziehen würde als jetzt", sagt Robert Gerber. Für Stadtbaumeister Claude Barbey wiederum wäre dies wohl ein mögliches Szenario - es stelle sich allerdings sofort die Frage nach dem Wo. Barbey befürchtet diesbezüglich vieles: Das Problem würde so nur verlagert; die neuen Nachbarn der Alkis hätten sicherlich keine Freude an einer solchen Lösung - zudem, sagt Claude Barbey, müsste man erneut diskutieren, wie gross das Problem tatsächlich ist. "Man kann aus einer Mücke auch einen Elefanten machen", sagt er.

Den Alkis ist es scheissegal

Nicht zuletzt dürfte ein solches Vorhaben aber auch an den Alkis selber scheitern. Diese unterstellen der Stadt zwar, an einer solchen Lösung gar kein Interesse zu haben. Im gleichen Atemzug räumen sie aber ein, dass der Dialog mit der Stadt "eh nichts bringt", wie sich eine Frau aus der Szene äussert - "weil es den meisten von uns scheissegal ist, was hier geht". Hauptsache der Denner hat offen und genug Bier im Regal.

Martin Kaiser

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1. MAI LAUSANNE
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24 Heures 16.5.09

Lausanne

Une manif masquée en riposte à la répression du 1er Mai

Colère - Indignée par l'intervention policière lors du défilé de la Fête du travail, la gauche remet ça. Le 9 juin, elle manifestera, masquée, contre la criminalisation des mouvements sociaux.

La pilule du 1er Mai a décidément du mal à passer. La gauche politique et associative dénonce toujours l'intervention préventive de la police municipale, qui a plongé dans le défilé de la Fête du travail pour isoler une trentaine d'autonomistes, dont certains étaient masqués. Quatre d'entre eux ont été conduits à l'hôtel de police. Scandalisés, les militants de la gauche de la gauche appellent à une "manif anti-répression, Liberté pour nos luttes!" le 9 juin à 18 h à la Palud, soit juste avant la séance du Conseil communal.

"Ce qui se passe est très grave, explique Aristides Pedraza, l'une des chevilles ouvrières du projet et membre de l'Organisation socialiste libertaire. Il y a une tendance de plus en plus forte, de la part du pouvoir politique et économique - regardez l'espionnage d'Attac par Nestlé - à criminaliser ceux qui résistent au capitalisme libéral. " Le mouvement SolidaritéS, le POP, ou encore des acteurs de l'Action autonome font pour l'heure partie du collectif organisateur, qui devrait s'étoffer. Baptisés "Casseurs et casseuses de pré-jugés", ils manifesteront masqués. "C'est un clin d'œil, pas de Black Block ni de bagarre", promet Alain Hubler, élu communal du POP. L'occasion aussi de fustiger le canton qui veut bannir les cagoules des manifs. Les militants attaquent les "arrestations au faciès" et défendent la liberté d'expression. Le retour au fichage policier est aussi condamné.

Sans autorisation

"Il est piquant de constater qu'il a fallu les incidents du 1er Mai pour réaliser l'unité de la gauche de la gauche", ironise le popiste Julien Sansonnens. L'Union syndicale lausannoise, organisatrice du défilé de la Fête du travail critiquée par certains pour sa passivité face aux policiers, n'a quant à elle pas été informée.

Pour l'action du 9 juin, les militants ne demanderont pas d'autorisation à la ville, "réponse politique aux limitations de manifester subies", lance Jean-Michel Dolivo, de SolidaritéS. Critiqué par les siens, le municipal popiste de la Police, Marc Vuilleumier, assume, rappelant les obligations liées à sa fonction. "Nous sommes ouverts au débat démocratique, mais toute manifestation nécessite autorisation. Nous appelons au calme. "

Ce matin, c'est déjà masqués que les militants distribueront des tracts au marché.

Martine Clerc

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DEALERSZENE GENF
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Le Matin 16.5.09

Blacks, jeunes et dealers

Cocaïne La police maintient son étau sur les Pâquis, à Genève. Qui sont ces dealers? "Le Matin" leur a posé la question.

Ils se prétendent Guinéens et Nigérians, pour la plupart. Mais toute l'Afrique, principalement l'Afrique de l'Ouest (lire encadré), est représentée sur les trottoirs des Pâquis. Les dealers sont de jeunes garçons, la vingtaine. Ils parlent français et surtout l'anglais. Ils affirment avoir fui leur pays, "parce que chez nous c'est dur". Ils seraient entrés en Europe par l'Espagne, "en bateau", ou via un autre pays "par avion".

La Suisse ne serait qu'une étape d'un long périple "chez les Blancs". Pour d'autres, Genève est devenue une voie sans issue. A bout de souffle après plusieurs années de voyage, sans papiers et sans formation, ils dealent pour survivre, sans forcément consommer. Ils aimeraient faire autre chose. Comme tout le monde: avoir une famille, un boulot. Mais comment? Ils avouent ne plus avoir d'espoir.

Ils affirment ne gagner que 500 francs par mois

En Suisse, ils vivraient chichement. Leur logement: à la belle étoile, dans un centre de réfugiés. Les plus chanceux partagent un appartement avec un compatriote ou un toxicomane. Leur salaire: "environ 500 francs par mois", jurent-ils. Leur quotidien: la rue. Ils sont assez intelligents pour exploiter le système. Ils savent que, pour éviter la sanction, ils ne doivent pas être pris en flagrant délit, ne pas avoir de la marchandise sur eux. Ils savent aussi que les autorités peineront à renvoyer un sans-papiers chez lui. Tout comme les requérants, dont la demande d'asile est en cours.

Le Chef est celui qui a du stock

Les dealers sont très mobiles. Ils se déplacent facilement d'un marché à l'autre: Genève, Lausanne, la Suisse alémanique. Olivier Gouaux, chef des stups lausannois, confirme cette mobilité. Elle explique d'ailleurs le type d'organisation. "Le trafic d'héroïne est plus structuré. Avec un patron identifiable", explique le spécialiste. Pour le marché de la coke tenu par les Africains de l'Ouest: c'est la débrouille qui domine. Les dealers de coke fonctionnent par petites organisations. "Tout bouge tout le temps", explique le spécialiste. Un petit vendeur de rue peut devenir chef, et inversement. Le patron est celui qui a la drogue. Il lui suffit d'un bon filon, en Hollande ou en Espagne, pour s'approvisionner. "Ils rentrent la marchandise en petite quantité, en plusieurs trajets. " Puis ils montent un réseau de vente. "Le pouvoir du chef dure tant qu'il a du stock", ajoute le chef des stups lausannois. Et il n'est pas forcément évident pour lui de le renouveler.

A peine relâchés, les dealers se retrouvent dans la rue. Surtout dans le cas des petits vendeurs, selon la police. Mais les gros poissons peuvent être lourdement condamnés. Jean-Philippe Grandjean, porte-parole de la police genevoise, ajoute que le but de l'action de ses services est d'éviter les zones de non-droit. Eradiquer les dealers? "S'il n'y a plus de demande, il n'y a plus de marché", explique-t-il. Son collègue lausannois, Olivier Gouaux, ajoute que le marché peut rapporter gros. "Entre 2000 et 3000 francs certains jours", dévoile-t-il. Et certains vendeurs monteraient directement depuis l'Afrique pour travailler quelques années avant de rentrer chez eux. "Certains envoient l'argent gagné dans leur famille, pour s'acheter une maison", ajoute le spécialiste lausannois. Une certitude: malgré toutes les contraintes de leur quotidien en Suisse, les dealers gagnent davantage en Europe que chez eux, où la pauvreté domine, conclut-il.

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ANTI-GENTECH-KARAWANE
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Indymedia 16.5.09

Tag 8: http://ch.indymedia.org/de/2009/05/69169.shtml
Tag 7: http://ch.indymedia.org/de/2009/05/69166.shtml

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NEONAZIS
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Sonntagsblick 17.5.09

Jungsozis gegen Rechtsradikale

Die Schlacht bei Sempach

Von Joël Widmer

Seit Jahren vereinnahmen die Neonazis die Schlachtfeier von Sempach. Die Politik toleriert die Glatzen. Nun haben die Jungsozialisten genug. Sie demonstrieren am 27. Juni in Sempach gegen die Rechtsextremen.

Am 27. Juni kommt es zu einer Schlacht in Sempach LU, zumindest zu einer Redeschlacht. Cédric Wermuth (23), Präsidient der Juso Schweiz, will an einer Demonstration gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen an der Schlachtfeier anschreien. Die Juso hat letzte Woche bei der Stadt Sempach ein entsprechendes Gesuch eingereicht. Die Jungsozialisten haben weitere Jungparteien um Unterstützung der Kundgebung gebeten. Mitdemonstrieren werden laut Wermuth die Jungen Grünen, abgesagt hat die Junge CVP. "Wir fordern die Organisatoren der Schlachtfeier auf, sich endlich von den Rechtsextremen zu distanzieren", sagt Wermuth. Man dürfe den Neonazis keinen Platz im offiziellen Umzug gewähren.

Seit 2006 vereinnahmt die rechtsextreme Szene die traditionelle Feier in Sempach immer mehr. Im letzten Jahr marschierten 250 Neonazis im Umzug mit. Für den diesjährigen Aufmarsch wird im Internet bereits mobilisiert.

Juso-Präsident Wermuth warnt vor einer ähnlichen Entwicklung wie beim Rütli. Auch dort seien die Glatzen toleriert worden, bis 2005 rund 700 Rechtsextreme Bundespräsident Samuel Schmid niederschrien. Seit die Organisatoren der 1. August­Feier auf dem Rütli die Rechtsextremen von der Feier fernhalten, weichen diese nach Sempach aus.

Dennoch hält die Luzerner Regierung, welche die Schlachtfeier mitorganisiert, am bisherigen Konzept fest. In einer Antwort auf eine Anfrage aus dem Parlament verharmlost die Regierung den Auftritt der Rechtsextremen: Die Neonazis hätten sich in der Vergangenheit "insofern korrekt verhalten, als sie die Feier nicht gestört und keine Gesetze verletzt haben". Es gelte in der Schweiz Versammlungsund Meinungsäusserungsfreiheit. Zudem biete das offene Gelände bei Sempach "kaum die Möglichkeiten, den Zugang mit vertretbarem Aufwand zu limitieren und zu kontrollieren".

Der Sempacher Stadtpräsident Franz Schwegler erfuhr von Sonntags Blick von der geplanten Juso Demonstration. Man werde das Gesuch zusammen mit dem Kanton prüfen, sagt er. Erfreut ist Schwegler nicht. Er stützt die Strategie der Kantonsregierung und will die Rechtsextremen auch "eher negieren".

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GAY PRIDE MOSKAU
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20min.ch 16.5.09

Moskau

Polizei löst gewaltsam Schwulen-Demo auf

Die Moskauer Polizei hateine Demonstration gegen die Diskriminierung Homosexueller in Russland gewaltsam aufgelöst. Die Kundgebung wenige Stunden vor dem Finale des Eurovision Song Contests war von den städtischen Behörden nicht genehmigt worden.

Polizisten zerrten am Samstag die rund 30 teilnehmenden Aktivisten in bereitstehende Fahrzeuge. Die Demonstranten, darunter der britische Aktivist Peter Tatchell, riefen Slogans wie: "Schwulenfeindlichkeit ist eine Schande für dieses Land!" und "Wir fordern gleiche Rechte!" Nach nur einer Minute begannen Bereitschaftspolizisten, die Demonstranten zu ergreifen und in bereitstehende Busse zu zerren. Tatchell sprach gerade mit Journalisten, als ihn Polizisten wegrissen. "Das zeigt, dass das russische Volk nicht frei ist", sagte er. Auch der russische Führer der Homosexuellen-Bewegung, Nicolai Alexejew, und die Aktivistin Ksenia Prilebskaja wurden festgenommen. Polizisten zerrissen Prilebskajas Bluse und BH, als sie sie grob in den Bus stiessen.

Mit der Demonstration "Slavic Pride" wollten die Demonstranten ein Zeichen gegen die offen feindselige Haltung vieler Politiker in Russland setzen. Der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow nannte Homosexualität "teuflisch". An einer Demonstration von Gegnern der Homosexuellen-Bewegung nahmen 50 Personen teil; ein Teilnehmer wurde festgenommen, als er die Machthaber im Kreml als schwul bezeichnete.

Das Finale des Song Contests wird am Abend ausgetragen; viele Millionen Menschen in Europa werden es im Fernsehen verfolgen. Die Musikveranstaltung hatte bereits im Vorfeld ein Schlaglicht auf die Lage Homosexueller in Russland geworfen: Einige Künstler haben einen Auftrittsboykott angedroht, sollte die nun am Samstag aufgelöste Kundgebung nicht stattfinden.

David Nowak, AP Moskau

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BaslerZeitung 16.5.09

Kämpfer gegen Intoleranz

Nikolaj Alexejew riskiert in Moskau an der Gay-Parade Prügel

Stefan Scholl, Moskau

Nikolaj Alexejew ist der Führer der bekennenden Homosexuellen in Moskau. Er will das Eurovisionsfinale von heute dafür nutzen, für die Rechte der Schwulen zu demonstrieren.

Wieder summt Nikolajs Handy. "Hallo", er hört einen Augenblick zu. "Ach, Sie sind es!", seine Stimme ist jetzt in leicht ironischen Samt gehüllt. "Das war die Stadtverwaltung, die Sicherheitsabteilung", hinterher nippt Nikolaj an seinem Bierglas. "Die haben mir ihre Hochachtung ausgedrückt. Sie würden alles hören und sehen. Und leider müssten sie unsere Demonstration verbieten."

Auf den Wandbildschirmen in der Moskauer Sushi-Bar Japoschka kämpfen Tom gegen Jerry und Spartak gegen Saturn. Dazwischen sitzt Nikolaj Alexejew (32) und wirkt gar nicht wie ein Krieger. Grau karierter Anzug, die Hosen bügelgefaltet, violetter Schlips, slawische Stupsnase, so sitzen jetzt Tausende Moskauer Yuppies beim Business-Lunch.

Aber auch beim Lunch kommuniziert Nikolaj mit rasendem Tempo. "Wir gehen unter allen Umständen auf die Strasse", tippt er mit sechs Fingern in sein Macbook. "Die gesamte Verantwortung liegt bei den Behörden." Dann summt wieder sein Handy.

Nikolaj und seine Mitstreiter wollen sich am Samstag zwischen Gummiknüppel und Gitterstäbe wagen. Wieder mal. Seit 2006 beantragen sie alljährlich eine Schwulendemo. Die wird verboten, 50 oder 100 Mutige gehen trotzdem hin, werden von Einsatzpolizisten festgenommen. Und vorher von Neonazis angegriffen. Viele Teilnehmer, auch der deutsche Bundestagsabgeordnete Volker Beck, sind schon blutig geprügelt geworden. Aber jetzt wollen die Schwulenrechtler am Samstag demonstrieren, wenn in Moskau das Eurovisionsfinale steigt. Sie hoffen auf Publicity, auf die westlichen Schlagerfans, auf Europa. Die Rechnung könnte aufgehen. Schon droht die niederländische Band The Toppers, sie werde aus dem Wettbewerb aussteigen, wenn wieder Jagd auf Gays gemacht werde.

Prachtstrasse

Dabei sind hier Homos von Heteros kaum zu unterscheiden. Auf der Twerskaja Uliza, Moskaus Prachtstrasse, führen schöne Jünglinge durchtrainierte Pobacken in italienischen Markenjeans spazieren, streichen sich die Strähnen aus sonnenstudiogebräunten Stirnen - und werfen nicht minder hübschen Mädchen glühende Blicke zu. "So laufen bei uns nur Schwule rum", staunt ein Wiener Fotograf. "Auf der Twerskaja ist jeden Tag Gay-Parade", räsoniert Nikolaj.

Aber wag es nicht, schwul zu sein und öffentlich Händchen zu halten. Öffentlich ist Moskau verklemmt und unduldsam wie vor 150 Jahren. "Eine Gay-Parade ist nichts anderes als satanisches Treiben", wettert Bürgermeister Juri Luschkow. Der Volksmund schimpft Schwule "Päderasten", selbst die demokratische Opposition bleibt auf Distanz: "Die haben Angst, auch als schwul zu gelten", ärgert sich Nikolaj. Die Szene selbst ist gespalten. Die Site www.gay.ru und die Schwulenzeitschrift "Kwir" sind gegen jede Demo. "Alexejew, der wohnt doch in Paris", sagt ein schwuler Journalist. "Der hat doch längst einen französischen Pass. Und kommt nur her, um auf unser aller Kosten seine Show abzuziehen. Wir brauchen hier keinen Krieg mit den Behörden."

Hofft auf Strassburg

Nikolaj winkt mit seinem weinroten russischen Reisepass. "Im Gegensatz zu Luschkow bin ich in Moskau geboren. Und ich bin hier gross geworden. Das ist meine Stadt." Er erbost sich seinerseits über die schweigende schwule Mehrheit: "Unter den Nazis gab es ja auch Juden, die gesagt haben: Bloss keinen Widerstand, damit machen wir alles nur noch schlimmer."

Er trinkt jetzt an seinem zweiten Bier. Erzählt von seiner ersten Klage, als die Moskauer Staatsuniversität ihm nach dem Jurastudium verweigerte, eine Doktorarbeit über die Rechte sexueller Minderheiten zu schreiben. Er erzählt von anderen Klagen und von Rechtsbeugung. Und dass er weitermachen wolle bis zum logischen Ende: "Bis der Europäische Gerichtshof die Stadt Moskau verpflichtet, Schwulenparaden zu genehmigen."

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NESTLÉ-WASSER
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NZZ am Sonntag 17.5.09

Darf Nestlé in Entwicklungsländern Mineralwasser verkaufen?

Der Lebensmittelkonzern Nestlé wird immer wieder wegen seiner Mineralwasser-Sparte kritisiert. Aber oft mit den falschen Argumenten.

Markus M. Haefliger

Nestlé steht am Pranger. Anfang Mai protestierten Mitglieder der Jugendsektion der Gewerkschaft Unia gegen die Teilnahme des Nestlé-Verwaltungsratspräsidenten Peter Brabeck am diesjährigen Menschenrechtsforum Luzern. Letzte Woche behinderten linke Studenten einen Vortrag Brabecks an der Universität Zürich. Beide Male stand die Vermarktung von Mineralwasser durch den Schweizer Konzern im Mittelpunkt der Proteste.

Nestlé "privatisiere" Wasser und verletze damit ein Menschenrecht, begründet Elena Obreschkow von der Unia-Jugend den Protest in Luzern. Ähnlich äussern sich die Zürcher Studenten. Nestlé kaufe in Entwicklungsländern öffentliche Quellen und mache Wasser zur Ware, kritisiert Marco Borrelli von der Gruppe "Uni von unten".

Zieht Nestlé aus dem Durst armer Bevölkerungen Profit? Wichtiger noch: Wäre das so schlimm?

Laut der Uno müssen weltweit 884 Millionen Menschen ohne verbesserten Zugang zu Trinkwasser auskommen (Stand 2006); sie verfügen weder über Hausanschlüsse noch über gut zugängliche öffentliche Wasserhahnen. Betroffen sind vor allem Schwarzafrika sowie Süd- und Ostasien. In ländlichen Gegenden bedeutet der Mangel, dass Frauen stundenlange Fussmärsche zum jeweils nächsten Brunnen zurücklegen müssen. In den Grossstädten der Dritten Welt sind dagegen Millionen von Bewohnern darauf angewiesen, Trinkwasser zu kaufen. Wasserverkäufer gehören in jedem Armenviertel zum Strassenbild; ihre Esel ziehen Karren mit rostigen Wassertanks oder Plastic-Kanistern durch die Strassen.

Unter diesen Verhältnissen hat Trinkwasser also ohnehin einen Preis. Aber oft wird schlechtes Wasser verkauft. Innovative Mineralwasserhersteller denken darum darüber nach, professionell gewonnenes Mineralwasser in Armenquartieren zum Selbstkostenpreis anzubieten.

In Moçambique plant die Firma Swissta, die von zwei ETH-Studenten gegründet und vom britischen Lonrho-Konzern übernommen wurde, den Verkauf von Trinkwasser in städtischen Armenvierteln. Laut einer Firmensprecherin in London will man mit dem Vertrieb beginnen, sobald ein Partner gefunden ist, der praktische Wasserbeutel aus abbaubarem Kunststoff herstellt. Der Vertrieb soll mit den Gewinnen aus dem Verkauf von Flaschen-Mineralwasser, das in Läden und Hotels verkauft wird, subventioniert werden. Swissta filtert Grundwasser, reichert es mit Mineralstoffen an und füllt es unter hygienischen Bedingungen ab.

Es kann also sinnvoll sein, wenn private Mineralwasserfirmen in Entwicklungsländern tätig sind. Das sagt auch Daniel Zimmer vom World Water Council, einer Nonprofit-Organisation. "Wir müssen die Synergien zwischen kommerziellem Sektor und dem Grundbedürfnis nach Trinkwasser in Armenquartieren nutzen", sagt er.

Nestlé ist in diesem Bereich allerdings kaum tätig. Der Konzern erzielt nur 5 Prozent des weltweiten Umsatzes in Afrika und dem Nahen Osten, in Asien sind es 2,4 Prozent. "Wir stehen nicht im Wettbewerb mit der Trinkwasserversorgung", sagt Peter Brabeck der "NZZ am Sonntag", "sondern nur mit Bier oder Süssgetränken".

Schade eigentlich. Nestlé könnte sicherlich Mittel zum Vorteil der vom World Water Council angeregten Richtung einsetzen und dabei Gewinne erzielen. Doch das ist nicht ein Vorwurf, den die Fundamentalkritiker mit ihren Protesten ausdrücken wollen. Um Beispiele schädlicher Nestlé-Politik gebeten, verweisen sie stattdessen auf Auseinandersetzungen zwischen dem Konzern und Bürgerrechtsbewegungen, die sich gegen die Veräusserung lokaler Quellen wehren. Diese Konflikte liegen aber in Gegenden, in denen kein Mangel an Wasser herrscht.

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NO NATO STRASBOURG 2009
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Indymedia 16.5.09

3 jährige Haftstrafe gegen Strasburger... ::

AutorIn : reader         

...wegen Reichen eines Feuerzeuges.

Gefunden auf:  http://www.aufbau.org/index.php?option=com_content&task=view&id=607&Itemid=69

Das heutige Verfahren gegen einen 26jährigen Strasburger endete mit einer 3 Jährigen Haftstrafe von denen 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt urden. Anlaß war ein Vorfall während des Polizeieinsatzes gegen die ClownsArmee im Rahmen der Proteste gegen den Natogipfel.

Als die Polizeidamals die Clownsarmee am Rande des Camps zerstreute und wahllos Leute festnahm, befand sich auch der Strasburger auf seinem Motorrad in der Nähe. Ihm wurde vorgeworfen seinem auf dem Rücksitz sitzenden Beifahrer, der einen Feuerwerkskörper in Richtung Polizei warf, dadurch geholfen zu haben, das er ihm ein Feuerzeug reichte. Auf diesen Wurf folgend fing die Hose Feuer und der Polizist verletzte sich leicht am Fuß. Während der angebliche Werfer nicht von der Polizei gefaßt wurdem, mußte sich der Strasburger heute vor dem Grande Tribunal in Strasbourg wegen Komplizenschaft bei einer Agression verantworten. Der Staatsanwalt forderte eine recht hohe Strafe von 12 - 18 Monaten. In seinem Plädoyer wurde - für französische Gerichtsverfahren üblich - deutlich darauf Bezug genommen, das der Strasburger aus einem Banlieu kommt. Strafverschärfend wurde ins Spiel gebracht, das der Angeklagte schon 6 Strafen erhielt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Sterotyp wurde von der Staatsanwaltschaft die - für französische Gerichtsverfahren gegen junge Leute aus Banlieus übliche - Argumentation vertreten, das der Angeklagte gar keinen politischen Bezug zu den Gipfelprotesten habe und diese nur als Trittbrett nutzen würde, um Agressionnen gegen Polizisten zu verüben. Abgesehen von nur einer abfälligen Bemerkung des Staatsanwaltes über die AktivistInnen, indem er diese als "Krawallmacher" bezeichnete, gab es in diesem Verfahren tatsächlich keinerlei verbale Ausfälle in Richtung eines Black Block Konstruktes, der politisch bewußt für Gewalteskalsation verantwortlich seie.

Stattdessen wurden Gewalttätigkeiten in der Demonstration ausschließlich gewaltbereiten jungen Menschen aus den Banlieus in die Schuhe geschoben. Der Angeklagte bestritt vor Gericht vehemt, das er von dem Ansinnen seines Sozius Kenntnis gehabt hätte. Seine Verurteilung basierte tatsächlich aber nur auf nicht richtig zu würdigenden Indizien. So konnte das umfangreiche Videomaterial eines in der unmittelbaren Nähe filmenden Polizeitrupps heute aufgrund kaputter Abspielgeräte nicht angeschaut werden. Die Aussagen des Richters, der
sich das Polizeivideo angeschaut hatte, wurden somit als wahr unterstellt, nachdem hat der Angeklagte das Motorrad so gewendet, das sein Sozius besser hat werfen können. Erstaunlicherweise kamen während des Prozesses Polizeiaussagen auf den Tisch, die zu vorherigen im Widerspruch standen. So hatte zunächst die Uniform eines Polizisten unr im Bereich des Fusses Feuer gefangen, heute hieß es jedoch, die Hose hätte von dem Fuß bis zur Hüfte gebrannt.

Der verteidigende Anwalt, hob dem gegenüber hervor, das der Angeklagte zwar keine politische Nähe zu den Demonstrationen habe, seine Aktionen aber nicht aufgrund eines Wunsaches nach Aggression stattfanden, sondern allenfalls Dummheiten waren. Tatsächlich ist das harte Urteil von 3 Jahren Gefängnis für das Reichen eines Feuerzeuges schon der Tatsache geschuldet, das dieser Fall nicht von der harten Repression in den Banlieus losgelöst betrachtet werden kann.
Zusätzlich zu dem 1 Jahr abzusitzender Haftstrafe und den weiteren 2 Jahren Haft auf Bewährung muß der Strasbourger noch die Kosten des zu Schaden gekommenen Polizisten tragen. In die Haftstrafen sind frühere Bewährungsstrafen mit einbezogen worden.     

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GIPFEL-SOLI-NEWS 15.5.09
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gipfelsoli.org/Newsletter 15.5.09

15.5.2009 L'Aquila -- Strasbourg/ Baden-Baden -- London

- Von Palermo bis Turin: Der heiße Herbst ist nicht zu Ende...
- Appell der Doktoranden und Forscher
- "Black-block-Alarm" in Italien
- Video: Fight capitalism
- Temoignage.otan.strasbourg
- Nato-Gipfel: Zeug_innenaufruf
- We're not the only ones to stifle dissent
Mehr: http://www.gipfelsoli.org/Newsletter/7024.html

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ANTI-ATOM
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Sonntag 17.5.09

"Wir hoffen auf eine Einigung im Juni"

Axpo-Chef Heinz Karrer über die schwierigen Verhandlungen im Atompoker

Von Yves Demuth und Florence Vuichard

Herr Karrer, die neuen, detaillierten Stromrechnungen sind da. Verstehen Sie, was da draufsteht?

Heinz Karrer: Es ist zweifellos etwas kompliziert. Ich habe zwei Rechnungen erhalten - eine vom Elektrizitätswerk (EW) Lauterbrunnen für meine Ferienwohnung in Mürren und eine von den Infrawerken Münsingen, wo ich wohne. Die beiden sind sehr unterschiedlich und damit nicht vergleichbar. Hier wären Rechnungsanpassungen mit Kundenoptik hilfreich.

Wenn Sie als Axpo-Chef die Rechnungen als kompliziert bezeichnen, wie soll denn ein Durchschnittsbürger sie verstehen?

Es ist sicher anspruchsvoll. Wegen der neuen Transparenzregeln ist die Rechnung detaillierter. Vor lauter Details besteht die Gefahr, dass man den Gesamtüberblick verliert.

Die Rechnungen sind im Schnitt 8 Prozent höher ausgefallen. Wird das nun jedes Jahr so weitergehen?

Der Endpreis setzt sich aus drei Teilen zusammen: Bei den Netzkosten rechne ich nicht mit Preissteigerungen. Bei den Gebühren ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Politik diese erhöhen wird. Zu erwarten ist, dass der Energiepreis in den nächsten Jahren steigen wird.

Das heisst: Von nun an steigen die Energiekosten jedes Jahr um rund 10 Prozent?

Eine solch genaue Prognose wäre unseriös. Aber eine markante Preissteigerung ist auf lange Sicht sicher. Wir schätzen, dass in fünf Jahren die reinen Energiekosten in der Schweiz rund 20 bis 30 Prozent höher sind. Denn die Investitionen in ältere Kraftwerke und Netzanlagen steigen und die Bau- und Planungskosten neuer Kraftwerke haben zugenommen. In der Nordostschweiz erhöhen wir die Preise für 2010 aber nicht, nicht zuletzt aufgrund der konjunkturellen Situation.

Während der Strompreisdebatte im Herbst verwiesen Sie jeweils auf die hohen Preise an der Strombörse EEX in Leipzig. Doch nun sind diese um bis zu 60 Prozent gefallen. Also müsste der Strom doch billiger werden?

Die Preise haben sich wegen der Wirtschaftskrise und der geringeren Nachfrage tatsächlich halbiert. Ein Unternehmen würde deshalb heute für einen zweijährigen Stromliefervertrag deutlich weniger bezahlen als vor einem Jahr. Verträge über mehr als drei Jahre sind aber nicht viel günstiger geworden, da geplante Kraftwerkprojekte wegen der Krise verzögert werden und Strom in Europa mittelfristig eher knapp sein wird.

Die Rechnungen sind unverständlich, die Preise steigen kontinuierlich, die Grosskunden wechseln nicht und die Stromkonzerne gelten als Abzocker. War die Liberalisierung ein Flop?

Nach nur einem Jahr eine abschliessende Beurteilung vorzunehmen, wäre sicherlich nicht seriös. Auf jeden Fall sollte man die nächsten zwei bis drei Jahre Erfahrungen sammeln, um dann entsprechende Anpassungen in der Regulierung vorzunehmen.

Ab 2014 sollen auch die Haushalte ihren Stromlieferanten frei wählen können - sofern das Volk Ja sagt. Können Sie diese Abstimmung gewinnen, nachdem das Misstrauen gegenüber der Strombranche gestiegen ist?

Zu vermuten ist, dass das Misstrauen zugenommen hat. Wie die Situation in vier Jahren aussehen wird, kann ich nicht voraussagen. Klar ist, die Strombranche hat während der Debatte Fehler gemacht, aus denen wir lernen müssen.

Nationalrat Ineichen (FDP) und Ständerätin Sommaruga (SP) wollen, dass der Bund und die Strombranche gemeinsam einen Solar-Fonds mit 1 Milliarde Franken äufnen - zwei Drittel soll der Staat einwerfen, einen Drittel die Stromkonzerne. Eine gute Idee?

Sollte so ein Fonds eingerichtet werden, dann werden die Strompreise nochmals steigen - oder eben die Steuern. Aber so oder so müsste der Konsument die Rechnung dafür bezahlen. Zudem gibt es schon ein Gefäss zur Förderung erneuerbarer Energien: die kostendeckende Einspeisevergütung. Leider haben die Politiker die Solarthermie, also die Wassererwärmung, dort nicht integriert. Man könnte sie aber nachträglich einfügen.

Doch die kostendeckende Einspeisevergütung hat jetzt schon nicht genug Mittel.

Dies liegt nicht in der Verantwortung der Stromkonzerne. Wenn das Parlament diese aufstocken will, dann ist es ein politischer Entscheid.

Sie wollen ein neues AKW bauen, aber können sich mit Ihren Konkurrenten nicht auf einen Standort einigen.

Auf zwei Standorte! Die Gespräche laufen, sie sind sehr intensiv. Wir müssen uns schnellstmöglich einigen. Wir investieren aber auch Milliarden in Wasserkraft und erneuerbare Energien.

Wenn Sie wollen, dass der Bund die AKW-Pläne schneller prüft, dann müssen Sie laut dem Bundesrat eines der drei Gesuche bis im Juni zurückziehen. Schaffen Sie das?

Axpo und BKW haben Gesuche für den Ersatz von zwei AKW eingereicht. Alpiq hat ein sehr interessantes Angebot von uns erhalten, sich daran zu beteiligen. Wir hoffen auf eine Zusage im Juni, denn die Zeit drängt tatsächlich. Jeder Monat Verzögerung verschärft das Versorgungsproblem, das ab 2020 auf die Schweiz zukommt.

Ihr AKW Beznau ist das älteste. Sie könnten ja einfach nachgeben.

Alle müssen irgendwo etwas nachgeben. Wichtig ist, dass wir eine Abstimmung über ein Ersatz-Atomkraftwerk gewinnen können.

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Axpo darf für Atomenergie werben

Regierung bezieht sich auf Bundesgerichtsurteil und Strommarkt-Liberalisierung

Die Axpo darf ihre Interessen gegen aussen innerhalb des zulässigen Rahmens vertreten, hält der Regierungsrat in seiner Antwort auf ein Postulat des Uitikers Lars Gubler (Grüne) und zweier seiner Parteikollegen fest. Die Postulanten hatten den Regierungsrat aufgefordert, bei der Axpo, die zu 100 Prozent der öffentlichen Hand gehöre, Einfluss zu nehmen, dass das Unternehmen - wie auch die Zürcher Elektrizitätswerke (EKZ) - keine Atomkraft-Werbung betreibe. Weil die Rahmenbewilligungsgesuche für den Ersatz der Kernkraftwerke Beznau I und II sowie Mühleberg dem fakultativen Referendum unterlägen, sei Werbung für die Atomkraft politische Propaganda: "Viele Bürgerinnen und Bürger empfinden es als Affront, dass sie mit ihrer Stromrechnung Propaganda bezahlen müssen, die sich gegen ihre eigenen Interessen richtet."

Der Regierungsrat verweist in seiner Antwort auf einen Bundesgerichtsentscheid, der besagt, dass Unternehmen in öffentlichem Eigentum bei Abstimmungen Einfluss nehmen dürften, wenn ein "besonderes und direktes Interesse am Ausgang" einer Abstimmung bestehe. Aus diesem Grund sieht der Regierungsrat keinen Handlungsbedarf. Die Strommarktöffnung für Privatverbraucher ermögliche nach einer Übergangsfrist die freie Wahl der Anbieter. Aus diesen Gründen beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat, das Postulat nicht zu überweisen. (ske)

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Aargauer Zeitung 16.5.09

Bundesrat bleibt ungehört

Einigung über AKW-Projekte dauert

Der Bundesrat signalisiert klar: Mit dem Rückzug eines der drei Rahmenbewilligungsgesuche für ein neues Atomkraftwerk würde sich das Bewilligungsverfahren beschleunigen. Ob sich die Branche rechtzeitig auf zwei Standorte einigen kann, bleibt aber fraglich.

Urs Moser, Niklaus Mäder

Drei Rahmenbewilligungsgesuche für ein neues Atomkraftwerk wurden eingereicht: Die Axpo will in Beznau, die BKW zusammen mit der Axpo in Mühleberg und Alpiq in Gösgen bauen. Auch der Strombranche ist klar: Die Realisierung von drei Kernkraftwerken ist utopisch. Aber im Poker um die Einigung auf nur zwei Standorte hat man sich bis jetzt Zeit gelassen.

Nun drängt aber der Bundesrat. In der Antwort auf den Vorstosses des SVP-Nationalrats Hans Rutschmann hält er fest: Das Nuklearsicherheitsinspektorat braucht für die sicherheitstechnische Begutachtung eines Rahmenbewilligungsgesuchs neun Monate, für jedes weitere Gesuch je vier Monate. Nur wenn ein Gesuch bis Ende Juni zurückgezogen wird, lasse sich die Bearbeitungszeit um vier Monate verkürzen.

 Bei Alpiq, der aus der Fusion von Atel und der Westschweizer EOS hervorgegangenen Nummer 1 auf dem Schweizer Strommarkt, hat man es dennoch nicht sonderlich eilig. "Wir lassen uns nicht unter Druck setzen", sagt Alpiq-Sprecher Andreas Werz. Die Gespräche mit Axpo und BKW seien konstruktiv, aber durchaus auch hart. Es gebe noch viele offene Punkte, und ob es noch vor Ende Juni zu einer Einigung komme, lasse sich heute nicht abschätzen. Möglicherweise käme eine Verzögerung im Rahmenbewilligungsverfahren der Alpiq sogar gerade recht. Sie hat ihr Gesuch zwar als Erste eingereicht, aber auf der Partnersuche für das Projekt Gösgen II scheint man noch nicht weitergekommen zu sein.

Mühleberg mit schlechten Karten

Weitaus mehr an einer schnellen Einigung scheint die Axpo interessiert zu sein. "Unser Ziel ist es, uns im Lauf des nächsten Monats zu einigen", sagt Kommunikationschef Rainer Meier. Für Axpo und BKW dürfte die Klärung der AKW-Frage dringender sein als bei Alpiq, da ihre aktuellen Kernkraftwerke früher vom Netz gehen werden. Zudem besitzt Alpiq mit dem französischen Energieriesen EdF, der 25 Prozent an Alpiq hält, einen potenten Partner, was im Bedarfsfall die Beschaffung von Strom möglicherweise vereinfacht.

 Auch wenn der Poker zwischen Alpiq, Axpo und BKW noch läuft: Aus politischen Gründen ist bereits absehbar, dass am Ende wohl das Projekt Mühleberg im Kanton Bern über die Klinge springen muss.

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Blick 16.5.09

AKW: Streit der Strombarone kostet uns über 1 Million

Von  Daniel Meier

Weil kein Stromkonzern nachgeben will, werden drei Gesuche für neue AKW geprüft. Sinnlos!

Niemand glaubt daran, dass in der Schweiz drei neue AKW gebaut werden. Sondern allerhöchstens zwei. Wenn überhaupt. Auch die Strombarone wissen das.

Trotzdem haben sie drei Gesuche eingereicht. Axpo, BKW und Alpiq (früher Atel und EOS) wollen ihre AKW in Beznau AG, Mühleberg BE und Gösgen SO durch neue ersetzen. Nicht morgen, aber irgendwann nach 2020.

Bis jetzt gibt niemand nach. Keiner will verzichten - weder auf sein AKW noch auf das Geld, das sich damit machen lässt. Ein Streit, der teuer werden kann. Denn so eine AKW-Bewilligung ist enorm komplex. Die zuständige Behörde Ensi braucht fast eineinhalb Jahre, um die drei Gesuche zu prüfen. Und: "Für die Bearbeitung haben wir 3,5 bis 4 Millionen Franken budgetiert - pro Gesuch zwischen 1 und 1,5 Millionen", sagt Ensi-Präsident Peter Hufschmied zu BLICK.

Mit anderen Worten: Wenn sich die drei Konzerne endlich zusammenraufen könnten, würden die Kosten um über eine Million sinken. Geld, das die Stromfirmen bezahlen müssen - letztlich also wir Stromkonsumenten!

Die Einigung müsste laut Hufschmied bis Ende Juni zustande kommen: "Wird das Gesuch später zurückgezogen, bringt dies für Ensi keine Zeitersparnis mehr."

Wie also raufen sich Axpo, BKW und Alpiq in nur sechs Wochen zusammen? Am besten mit einem Kinderspiel wie Sig-Sag-Sug! Zusammen darüber reden hat bisher jedenfalls nichts gebracht. Das machen die Stromer nämlich schon seit Ende 2007.

Ohne Erfolg. Die Fronten bleiben verhärtet. Axpo und BKW haben sich früh zusammengetan. Sie wollen natürlich an ihren Standorten Beznau und Mühleberg bauen. Und sie haben Alpiq eingeladen, bei ihrem Projekt mitzumachen. Ein Scheinangebot, denn Gösgen wäre aus dem Rennen - und deshalb steigt Alpiq nicht darauf ein.

"Die Verhandlungen stehen nicht unter Zeitdruck", findet ein Alpiq-Sprecher. "Die zwei Projekte sollen spätestens bis zu einem allfälligen Volksentscheid feststehen."

Das wäre frühestens 2012 - lange nachdem ein überflüssiges Gesuch für 1 Million geprüft wurde.

Die Stromer diskutieren schon seit eineinhalb Jahren — ohne Ergebnis.

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STADTRAT 23.4.09
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DROGENPOLITIK

5 Dringliche interfraktionelle Motion FDP, BDP/CVP, EVP, GLP, SVPplus (Pascal Rub, FDP/Vania Kohli, BDP/Barbara Streit-Stettler, EVP/Jan Flückiger, GLP/Erich J. Hess, JSVP): Alternativen zu einer 2. Drogenanlaufstelle
Geschäftsnummer 09.000041 / 09/014 Reg. 35/-00

Die Überlebenshilfe ist ein wichtiger Pfeiler der Drogenpolitik. In Bezug auf die Anlaufstelle in Bern steht seit längerer Zeit die Frage im Raum, mit welchen Massnahmen man die beste-hende Belastung und Dynamik im Umfeld der Reithalle in den Griff bekommt. Es stellt sich die Frage, ob einzig die Eröffnung einer zweiten Anlaufstelle der beste Weg aus der schwierigen Berner Situation ist.
Aktuell verfügt die Stadt Bern über eine einzige zentrale Anlaufstelle für Drogensüchtige. In anderen Schweizer Städten gibt es zum Teil dezentrale Anlaufstellen. Dezentrale Anlaufstel-len sind jedoch nicht automatisch eine Antwort auf die aktuellen Probleme in Bern. Die Ansät-ze in anderen Städten unterscheiden sich nämlich auch hinsichtlich der eingesetzten Prozes-se (z.B. Casemanagement) und hinsichtlich der Toleranz gegenüber dem Drogenhandel.
Während man in Bern den Drogenhandel auf dem Vorplatz und der Umgebung toleriert, wird dieser in anderen Städten im Umkreis der Anlaufstellen konsequent unterbunden. Der Berner Gemeinderat hat in Aussicht gestellt, den Drogenhandel an der Murtenstrasse 26 nicht zuzu-lassen, die gängige Praxis an der Hodlerstrasse aber weiter zu führen. Ob zwei unterschiedli-che Regime bei der gleichen Klientel durchsetzbar und auch sinnvoll sind, ist höchst fraglich.

Bevor der Gemeinderat beschliesst, eine zweite Anlaufstelle zu eröffnen, bitten wir folgende Massnahmen zu evaluieren
1. Prüfung des Umgangs in Zürich mit dem Kleinhandel im Umfeld der Anlaufstellen. In Zü-rich ist der Vorplatzhandel weder erlaubt, noch wird er toleriert.
2. Der Gemeinderat informiert sich über die Zusammenarbeitsformen der Zürcher Polizei mit der Leitung der Anlaufstellen betreffend Handel und illegalem Konsum in der Umgebung der Anlaufstellen.
3. Evaluation der Konsumfrequenz der Anlaufstellen Benützerinnen und Benützer, Erarbei-tung konkreter Möglichkeiten um diese Frequenz zu verkleinern.
4. Evaluation der Massnahmen, welche in Zürich dazu geführt haben, die Anlaufstellen a-bends um 20 Uhr zu schliessen, ohne dass es zu einer Konsumverdrängung in den öf-fentlichen Raum gekommen ist.
5. Der Gemeinderat informiert sich über die Casemanagement-Massnahmen von Basel und Zürich, insbesondere prüft er das Basler Modell eines verbindlichen Casemanagement mit Einbezug der Polizei mit allen involvierten Stellen.

Wir fordern den Gemeinderat auf, diese Fragen zu klären und dem Stadtrat in einem Bericht die Erkenntnisse aus der Evaluation aufzuzeigen. Ferner fordern wir den Gemeinderatrat auf, auf eine Eröffnung einer zweiten Drogenanlaufstelle zu verzichten, bis die Evaluation abge-schlossen ist und die Finanzierung einer allfälligen zweiten Anlaufstelle abschliessend geklärt ist.

Begründung der Dringlichkeit:
Gemäss den Verlautbarungen des Gemeinderates gegenüber den Medien, plant der Gemein-derat, die zweite Drogenanlaufstelle noch im Sommer 2009, auch ohne Kantonsbeiträge, zu eröffnen.
Bern, 12. Februar 2009

Dringliche interfraktionelle Motion FDP, BDP/CVP, EVP, GLP, SVPplus (Pascal Rub, FDP/Vania Kohli, BDP/Barbara Streit-Stettler, EVP/Jan Flückiger, GLP/Erich J. Hess, JSVP), Daniela Lutz-Beck, Daniel Klauser, Nadia Omar, Anna Magdalena Linder, Tanja Sollberger, Claude Grosjean, Claudia Meier, Bernhard Eicher, Jaqueline Gafner Wasem, Dolores Dana, Mario Imhof, Kurt Hirsbrunner, Béatrice Wertli, Hanspeter Aeberhard, Vinzenz Bartlome, Hen-ri-Charles Beuchat, Edith Leibundgut, Martin Schneider, Philippe Müller, Thomas Begert, Pe-ter Wasserfallen, Thomas Weil, Peter Bühler, Peter Bernasconi
Die Dringlichkeit wird vom Büro des Stadtrats bejaht.

Antwort des Gemeinderats

Die Dringliche interfraktionelle Motion liegt im Zuständigkeitsbereich des Gemeinderats. Der Motion kommt deshalb der Charakter einer Richtlinie zu.
Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung vom 11. März 2009 entschieden, vom Pilotprojekt ei-nes zweiten Standorts der Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige (K&A) an der Mur-tenstrasse 26 aus finanziellen Gründen abzusehen. Die Forderung der Motionärinnen und Motionäre, auf eine Eröffnung eines zweiten Standorts der K&A zu verzichten, bis die Evalua-tion der vorgeschlagenen Massnahmen abgeschlossen und die Finanzierung geklärt ist, ist damit obsolet.
Bezüglich der von den Motionärinnen und Motionären vorgeschlagenen Massnahmen nimmt der Gemeinderat wie folgt Stellung:

Zu Punkt 1:
Die Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige verfolgt zwei Hauptziele, nämlich den Schutz der Konsumierenden vor negativen Folgen ihres Konsums und den Schutz der Bevöl-kerung vor Belästigungen und Schädigungen durch dessen Begleiterscheinungen. Die Verfol-gung von Kleinhandel muss unter dem Blickwinkel dieser Zielsetzungen, unter Berücksichti-gung des Opportunitätsprinzips und im Rahmen der Verhältnismässigkeit geprüft werden.
Im Vorhof der K&A wird der sogenannte Ameisendeal, d.h. Kleinhandel unter Drogenabhängi-gen, toleriert, in den Räumlichkeiten der K&A wird er vom Anlaufstellenteam sanktioniert. Die Kantonspolizei beobachtet jedoch laufend die Situation im Vorhof und geht gegen umfangrei-cheren Drogenhandel entsprechend vor. In Zürich wird der sichtbare Drogenhandel in oder in der Umgebung der K&A nicht toleriert und entsprechend von Mitarbeitenden der K&A oder der Polizei sanktioniert. Drogenhandel findet in Zürich aber sehr wohl auch statt, jedoch eher in Privaträumen und dadurch eher "unsichtbar". Hinsichtlich der Menge der umgesetzten Betäu-bungsmittel besteht im Bereich der Anlaufstellen gemäss Auskunft der Kantonspolizei Bern zwischen den beiden Städten kein Unterschied.
Für die Kantonspolizei gibt es keinen Grund, das bisherige Vorgehen bezüglich Kleinhandel im Vorhof der Berner K&A anzupassen, insbesondere da die aktuelle Situation für die Kan-tonspolizei besser kontrollierbar und im Gegensatz zu Drogenhandel in Privaträumen von aussen einsichtbar ist. Hinzu kommt, dass mit einer Unterbindung des Kleinhandels im Vorhof der K&A eine Verdrängung in die Innenstadt mit den entsprechenden negativen Begleiter-scheinungen erfolgen und einen unverhältnismässigen Ressourceneinsatz auf Seiten der Kantonspolizei nach sich ziehen würde.

Zu Punkt 2:
Gemäss Auskunft des Leiters des Geschäftsbereichs Sucht und Drogen der Stadt Zürich wird die Polizei von den Mitarbeitenden der K&A informiert bzw. gerufen, wenn zu grosse Mengen an Drogenhandel festgestellt wird. Zudem observiert die Polizei die Umgebung der Anlauf-stelle hinsichtlich Drogenhandel und holt zur Verhaftung ausgeschriebene Personen aus der K&A raus. Dieses Vorgehen entspricht der Zusammenarbeit zwischen Kantonspolizei und K&A in Bern, abgesehen vom tolerierten Kleinhandel im Vorhof der K&A.

Zu Punkt 3:
Die K&A in der Stadt Bern wird im Auftrag der Gesundheits- und Fürsorgedirektion von der Stiftung Contact Netz betrieben. Die Stiftung Contact Netz erhebt im Rahmen des Reportings zuhanden der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern die durchschnittliche Anzahl Injektionen und Inhalationen pro Tag. Die Konsumfrequenz einzelner Benutzerinnen und Benutzer wird nicht erhoben.
Der Einlass in die Konsumräume ist grundsätzlich für die in der K&A zutrittsberechtigten Per-sonen nicht eingeschränkt, ausser aus gesundheitlichen Gründen. Beispielsweise werden stark alkoholisierte Personen nicht in die Konsumräume gelassen oder wird Personen nach einer Überdosierung der Zutritt in die Konsumräume am gleichen Tag verweigert. Häufen sich solche Konsumationseinschränkungen bei einer Person oder ist diese gegenüber den getrof-fenen Sanktionen uneinsichtig, muss sie sich ärztlich abklären lassen. Dieses Vorgehen ent-spricht dem Vorgehen in den Zürcher K&A.
Die Frage, ob weitere Massnahmen zur Reduktion der Konsumfrequenz nötig, sinnvoll und machbar sind, kann zurzeit nicht abschliessend beantwortet werden. Im Rahmen der in der neuen Suchtstrategie vorgesehenen Erarbeitung und Einführung von Case Management in der Drogenhilfe sollen dazu jedoch weitere Massnahmen geprüft werden.

Zu Punkt 4:
Der Leiter des Geschäftsbereichs Sucht und Drogen der Stadt Zürich nennt vier Gründe, dass trotz der Schliessung der K&A bereits um 20.00 Uhr eine Verdrängung der Drogenszene in den öffentlichen Raum für die Bevölkerung kaum feststellbar ist:
− Die K&A sind insgesamt deutlich länger geöffnet als in Bern, nämlich täglich von 08.30 - 20.00 Uhr. Im Vergleich dazu in Bern: DI bis SA 14.30 - 21.30Uhr, MO 14.30 - 17.30 für al-le (anschliessend Frauenanlaufstelle bis 22.00 Uhr, SO 16.00 - 20.00 Uhr). Im Rahmen der vom Kanton weiterfinanzierten Notmassnahmen werden ab ca. Mitte Mai 2009 die Öff-nungszeiten um eine dreiviertel Stunde abends verlängert werden. Zusätzlich soll die An-laufstelle am Montagabend bis 19.30 Uhr auch Männern zur Verfügung stehen.
− Im umfangreichen städtischen Wohnangebot ist vielerorts der Konsum toleriert (in Bern erst teilweise).
− Nach Schliessung der K&A können Drogenabhängige in der rege bevölkerten Langstrasse "untertauchen".
− Das repressive Vorgehen seitens SIP und Polizei ist entsprechend hoch.

Zu Punkt 5:
Im Rahmen der im Herbst 2007 verabschiedeten Suchtstrategie hat der Gemeinderat als neue Massnahme den Aufbau eines Case Managements bereits vorgesehen mit dem Ziel, drogen-abhängige Erwachsene, insbesondere Schwerstabhängige, mittels Case Management wirk-sam in die bestehenden Suchthilfeangebote einzubinden und dadurch ihre Lebenssituation zu stabilisieren und zu verbessern. Dabei sollen auch die Erkenntnisse aus den Städten Basel und Zürich einbezogen werden. Zu den Zielsetzungen bei der Erarbeitung gehört insbeson-dere die Klärung der Frage, ob und wie die Kantonspolizei in ein städtisches Case Manage-ment einbezogen werden könnte.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Gemeinderat nach der Prüfung des Vorge-hens in Zürich und unter Berücksichtigung der Verhältnisse in Bern am Vorgehen bezüglich Kleinhandel im Vorhof der Anlaufstelle festhalten will. Die Thematik der Konsumfrequenz und des Einbezugs der Polizei wird im Rahmen des Projekts Case Management weiterverfolgt werden. Dem Stadtrat wird, wie bereits in der Antwort auf das Postulat Sariaslan: Case Ma-nagement im Suchtbereich erwähnt, das Konzept nach Fertigstellung zur Kenntnis gebracht werden.

Gemeinderatsantrag
1. Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion abzulehnen. Er ist jedoch bereit, den Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen.
2. Die Antwort gilt in diesem Fall gleichzeitig als Prüfungsbericht.

Bern, 22. April 2009

Barbara Streit-Stettler (EVP), Motionärin: Wir Motionärinnen und Motionäre erachten den Gemeinderatsantrag als ziemlich seltsam. Dass der Gemeinderat die Richtlinienmotion in ein Postulat umwandeln will, können wir noch knapp verstehen. Wie kommt aber der Gemeinderat dazu, ein Dringliches Postulat zugleich abzuschreiben? Das heisst für uns: Er mauert. Er will sich mit unseren Anliegen, mit unseren Anfragen gar nicht befassen. Er sagt vorneweg: Wir haben alles im Griff. Wie wir wissen, ist dem nicht so. Die Drogenfrage ist nicht unser Spezi-althema, aber in der Zeitung ist stets wieder zu lesen, dass es um und in der Drogenanlaufstelle eben nicht gut läuft. Bisher hat sich der Gemeinderat einfach darauf beschränkt zu jammern, die Drogenanlaufstelle sei überlastet und man brauche eine zweite. Mittlerweile ist diese Forderung ja ohnehin auf längere Sicht vom Tisch.
Wir Motionärinnen und Motionäre verlangen nicht, dass der Gemeinderat uns innerhalb eini-ger Wochen fertige Rezepte präsentiert, wie er ohne zweite Drogenanlaufstelle auskommen und mit den komplexen Problematiken umgehen will. Wir fordern jedoch, dass er unsere An-liegen vertieft betrachtet, das Dafür und Dagegen abwägt und uns dann die Resultate und Massnahmen präsentiert. Die Antwort des Gemeinderats lässt durchblicken, dass er unsere Anfragen nicht alle beantworten kann. Deshalb drängt es sich auf, gewissen Fragen wirklich nachzugehen.
Weshalb halten wir an unserer Motion fest? Die Drogenszene hat sich in den letzten Jahren sehr stark gewandelt. Es ist höchste Zeit, über die Bücher zu gehen und Massnahmen zu ergreifen. Die Städte Zürich und Basel haben dies bereits getan.
Unsere Kritik zielt vor allem auf folgende Probleme: Was vor der Anlaufstelle geschieht, ist schon lange kein "Ameisenhandel" mehr. Die Situation ist durchaus mit einer offenen Drogen-szene vergleichbar. Deshalb gibt es auch diese gravierenden Auswirkungen auf die Reitschu-le, auf das Aareufer beim Blutturm usw. Der Vorplatz der Drogenanlaufstelle wird während den Öffnungszeiten zum Drogenumschlagplatz und deshalb wird auch in der näheren und weiteren Umgebung derart illegal konsumiert. Hier lohnt es sich, einen Blick nach Basel und Zürich zu werfen.
Auch der Kokainkonsum hat massiv zugenommen. Das Suchtverhalten hat sich geändert, mit anderen Begleiterscheinungen. Ein neues Konzept ist gefragt, wie mit diesen Süchtigen um-gegangen werden soll. Beispielsweise konsumieren Kokainsüchtige in sehr hoher Frequenz. Die Drogenanlaufstelle in der Stadt Bern ist also nicht unbedingt aufgrund der Anzahl der Süchtigen überlastet, sondern infolge der hohen Konsum-Frequenz. Es gibt auch zahlreiche Mehrfachkonsumierende. Viele erhalten beispielsweise in der Drogenanlaufstelle (man spricht von 60%) zwar Methadon, konsumieren aber noch zusätzlich in der Drogenanlaufstelle. Auch hier drängen sich neue Massnahmen auf.
Lange Zeit hat man davon gesprochen, dass sich vor allem ältere Drogensüchtige in der An-laufstelle aufhalten würden. Unterdessen hat sich aber gezeigt, dass immer mehr auch junge Menschen dort zugegen sind. Es kann nicht sein, dass man diese gleich behandelt wie die anderen, die bereits x Entzüge hinter sich haben und bei denen davon auszugehen ist, dass sich nicht mehr allzu viel verändert. Bei den jungen Menschen erwarten wir, dass die Berner Drogenverantwortlichen in die Offensive gehen und auch hier nach neuen Lösungen suchen.
Grosse Hoffnung setzen wir auf das Case Management. Der Gemeinderat schreibt in seiner Antwort, dass er dies nun auch anstrebt. Dort legen wir Wert auf die Zusammenarbeit mit der Polizei. Mit der Kantonspolizei haben wir eine neue Situation, mit ihr soll stärker zusammen-gearbeitet werden. Zusätzlich braucht es auch die Unterstützung seitens des Kantons im Be-reich Case Management. Derzeit ist eine Motion von Barbara Mühlheim hängig. Bis zu deren Umsetzung sollten wir abwarten.
Fazit: Wir halten an der Motion fest, weil gewisse Forderungen noch nicht erfüllt sind.

Fraktionserklärungen

Lea Bill (GB) für die GB/JA!-Fraktion: Die GB/JA!-Fraktion dankt dem Gemeinderat für seine ausführliche Antwort. Sie erklärt die vorliegende Motion als Postulat erheblich und akzeptiert die Antwort des Gemeinderats als Prüfungsbericht. Die GB/JA!-Fraktion lehnt jedoch die Mo-tion ab. Die Antwort des Gemeinderats ist sehr ausführlich und eine weitere Prüfung würde aus Sicht der GB/JA!-Fraktion keine neuen Fakten auf den Tisch bringen, sondern lediglich eine unnötige Beschäftigung der Verwaltung bedeuten.
Es geht nicht darum, wie Barbara Streit-Stettler vorgängig kundgetan hat, dass der Gemein-derat einfach sagt, es sei alles in Ordnung; er hat schlicht die nötigen Informationen zur Be-antwortung der Motion auf den Tisch gelegt. Im Folgenden möchte ich noch auf einige Punkte eingehen, die mir wichtig erscheinen und meines Erachtens zeigen, dass sich die Motionärin-nen und Motionäre im Voraus doch zu wenig mit der Thematik befasst haben.
Erstens: Wie der Gemeinderat in seiner Antwort bereits schreibt, ist das Ziel der Drogenan-laufstelle, den Drogenabhängigen zu ermöglichen, die negativen Folgen ihres Konsums zu-mindest zu verkleinern. Konkret: Dass sie unter hygienischen Bedingungen konsumieren und medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können. Es geht demnach bei der Anlaufstelle nicht darum, die Drogenabhängigen dazu zu bringen weniger zu konsumieren, wie dies ja indirekt von den Motionärinnen und Motionären gefordert wird. Deshalb ist die Frage 3 der Motion aus Sicht der GB/JA!-Fraktion im Zusammenhang mit der Anlaufstelle fehl am Platz. Zweitens: Die Antwort des Gemeinderats zeigt sehr schön, dass der Vorwurf der Motionärinnen und Motio-näre, es sei unhaltbar, den Drogenhandel auf dem Vorplatz der Anlaufstelle zu dulden, in die falsche Richtung zielt. Gerade das in der Motion aufgeführte Beispiel der Stadt Zürich zeigt, dass mit einem Verbot des Drogenhandels dieser nicht einfach unterbunden werden kann. Mit der negativen Folge, dass der Handel unter anderem in privaten Räumlichkeiten oder auf der Gasse stattfindet und somit die Grundsätze der Schadensminderung, die ja einer Anlaufstelle zugrunde liegen, nicht mehr vollständig erfüllt werden können. Ist der "Ameisendeal" jedoch erlaubt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass die Käuferinnen und Käufer die Drogen auch gleich in der Anlaufstelle unter hygienischen Bedingungen konsumieren. Erst dann kann von einem schadensmindernden Angebot gesprochen werden, was die Drogenanlaufstelle auch ist. Ein Verbot von jeglichem Handel macht deshalb aus Sicht der GB/JA!-Fraktion kei-nen Sinn.
Es ist anders als Barbara Streit-Stettler vorgängig gesagt hat. Es gibt nur dann eine offene Drogenszene, wenn die Wartezeiten der Anlaufstelle zu lang sind oder wenn sie geschlossen ist, jedoch nicht, wenn sie offen ist und ausreichend Platz für den Konsum vorhanden ist.

Jan Flückiger (GLP) für die GLP-Fraktion: Ich zitiere aus dem Papier "Suchtpolitik der Stadt Bern": "Die Bevölkerung der Stadt Bern geht mit Genuss- und Suchtmitteln kontrolliert und verantwortungsbewusst um." Dies ist derjenige Satz, der die Suchtpolitik der Stadt Bern do-minieren soll. Es ist meines Erachtens ein bevormundender, fast schon sozialistischer Ansatz, der davon ausgeht, man könne die Menschen dazu erziehen, mit Genuss- und Suchtmitteln verantwortungsbewusst umzugehen. Ich geben Ihnen als Gegenzitat ein Beispiel aus der Drogenstrategie der Stadt Zürich: "Hauptziel der Zürcher Sucht- und Drogenpolitik ist die Stadtverträglichkeit, nicht die Abstinenz: Alle Einwohnerinnen und Einwohner sollen sich si-cher fühlen und menschenwürdig leben können. Im Brennpunkt stehen deshalb Probleme, die aus dem Konsum von Genuss- und Suchtmitteln erwachsen, nicht der Konsum an sich." Dies zeichnet die realistische Drogenpolitik der Stadt Zürich aus, im Gegensatz zur idealistischen und unrealistischen der Stadt Bern.
Die Stadt Zürich bekämpft deshalb vehement Bedrohungen ihrer Einwohnerinnen und Ein-wohner und Störungen im öffentlichen Raum. Verfolgt werden störende Verhaltensweisen, von wem diese auch immer ausgehen. Im Vordergrund stehen der organisierte Handel und die damit verbundene Kriminalität. In der Stadt Bern ist genau das Gegenteil der Fall. Man toleriert den Drogenhandel, und zwar nicht nur auf dem Vorplatz der Drogenanlaufstelle, son-dern auch in der Umgebung der Reitschule.
Eine erfolgreiche Drogenpolitik braucht alle vier Säulen: Prävention, Therapie, Schadensmin-derung und Repression. Im oben erwähnten Papier findet man gerade mal sechs Sätze zum Thema Repression.
Ich bin vor ein paar Jahren von der Stadt Zürich in die Stadt Bern gezogen und war scho-ckiert. In Zürich, wo bekanntlich noch in den 80er-Jahren offene Drogenszenen herrschten, ist der öffentliche Drogenkonsum praktisch nicht mehr vorhanden. In der Stadt Bern sehe ich praktisch wöchentlich jemanden, der im öffentlichen Raum Drogen konsumiert, sich einen Schuss setzt, sei dies in der Nähe vom Bollwerk, aber auch Richtung Länggass-Quartier oder gar mitten in der Altstadt. Ich kenne auch Personen, die in der Altstadt wohnen und die re-gelmässig Junkies bei sich im Treppenhaus antreffen, die sich einen Schuss setzen.
Natürlich brauchen wir ein Angebot, das den Betroffenen Hilfe anbietet, wie beispielsweise die Drogenanlaufstellen. Viel wichtiger und erfolgsversprechender ist aus meiner Sicht jedoch die Drogenabgabestelle. Es braucht keine Dealerei, kein illegaler Erwerb von Drogen und dort werden die Süchtigen medizinisch und intensiv betreut und es gibt auch ein wirkungsvolles Case Management, so wie wir das auch fordern; das heisst, die Süchtigen auch längerfristig zum Ausstieg zu bewegen. Es geht dann nicht nur um Schadensminderung, sondern auch um Therapie.
In Zürich wird beispielsweise von den Süchtigen als Gegenleistung für das Hilfsangebot ver-langt, dass sie sich nachweislich um die Verbesserung ihrer Situation bemühen.
Die GLP stellt sich also nicht prinzipiell gegen eine zweite Anlaufstelle - im Gegenteil. Wir erachten, und das steht auch in unserem Parteiprogramm, mehrere dezentrale Anlaufstellen als sinnvoller als eine zentrale. Die Voraussetzung, damit wir dem zustimmen, ist eine ge-samtheitliche Strategie, und in einer solchen heisst es erstens, dass der Drogenhandel und zweitens, dass der öffentliche Konsum auf der Strasse nicht mehr akzeptiert wird.
Was ist denn das für eine Stadt, wo Kinder draussen nicht spielen können, weil sie jederzeit zu befürchten haben, sich in eine Spritze zu setzen. Ich konnte in Richtung Länggasse beo-bachten, dass Kinder in nächster Nähe zu einer Spritze im Gebüsch gespielt haben.
Wir bitten also den Gemeinderat, seine Suchtpolitik grundsätzlich zu überdenken und zusam-men mit der Sozial- und der Sicherheitspolitik eine echte Viersäulen-Politik zu betreiben.
Darüber soll er sich, wie in der Motion erwähnt, in den Städten Basel und Zürich noch besser informieren. Ansonsten können wir weder einer zweiten Anlaufstelle noch sonstigen "Pfläster-limassnahmen" zustimmen. Wir haben deshalb die Motion mitunterzeichnet und werden sie entsprechend erheblich erklären.

Ursula Marti (SP) für die SP/JUSO-Fraktion: Die SP/JUSO-Fraktion hält die Einrichtung einer zweiten Anlaufstelle nach wie vor für eine sinnvolle Massnahme. Mindestens sollte in einem Pilotprojekt geprüft werden, wie die Auswirkungen eines zweiten Standorts wären und ob die vermuteten Verbesserungen erreicht werden können. In andern Städten hat sich diese Mass-nahme jedenfalls positiv ausgewirkt. Wir versprechen uns auch für die Stadt Bern viel davon. Das Gebiet Bollwerk-Reitschule könnte entlastet und die Betreuung der Drogenkranken ver-bessert werden. Wir bedauern deshalb sehr, dass der vorgesehene Standort an der Mur-tenstrasse, der in vielerlei Hinsicht für ein Pilotprojekt geeignet gewesen wäre, nun nicht zu-stande gekommen ist.
Es gilt jetzt abzuwarten, wie sich die verlängerten Öffnungszeiten der Kontakt- und Anlaufstel-le auswirken. Je nachdem, wie sich die Situation entwickelt, muss eine zweite Anlaufstelle trotzdem wieder ins Auge gefasst werden, selbstverständlich - wie das die Motionärinnen und Motionäre verlangen - eingebettet und koordiniert mit anderen Massnahmen wie beispiels-weise das Case Management. Wir bitten den Gemeinderat, weiterhin mit dem Kanton im Ge-spräch zu bleiben und bei Bedarf nochmals die Finanzierung einer zweiten Anlaufstelle zu beantragen. Eine zweite, örtlich diversifizierte Anlaufstelle, oder überhaupt einen anderen Standort für die Anlaufstelle, ist - wie erwähnt - nicht nur ein drogenpolitisches Thema. Es geht auch darum, den wichtigen Stadtraum Bollwerk-Schützenmatt-Hodlerstrasse aufzuwerten und weiterzuentwickeln. Die SP/JUSO-Fraktion hat deshalb bereits anfangs Jahr mit einer Motion ein neues Gestaltungskonzept für diesen Raum verlangt.
Wir wären bereit, den vorliegenden Vorstoss, der ja in erster Linie Prüfungsaufträge enthält, als Postulat erheblich zu erklären. Die Abklärungen und Vergleiche mit den andern Städten sind sinnvoll. Wir danken dem Gemeinderat für die prompten Antworten. Als Motion lehnen wir den Vorstoss aber ab.

Erich Hess (JSVP) für die SVPplus-Fraktion: Unseres Erachtens geht die vorliegende Motion eigentlich noch viel zu wenig weit. Aber wir werden ihr zustimmen, weil wir klar der Meinung sind, dass endlich gegen den Handel von illegalen Substanzen im öffentlichen Raum vorge-gangen werden muss. Drogen sind verbotene Substanzen. Obwohl die Polizei weiss, dass an bestimmten Orten gedealt wird, bleibt sie untätig.
Der Gemeinderat lehnt sogar diese schwache Motion ab und zeigt damit, dass er gar nicht Willens ist zu handeln. Der Gemeinderat muss verpflichtet werden, der Polizei den Auftrag zu erteilen, jeglichen Klein- und Grosshandel von Drogen zu unterbinden. Es kann nicht sein, dass in der Stadt Bern Jugendliche mitten auf der Strasse angesprochen werden: "Du, wottsch Haschisch, du wottsch Kokain oder Heroin?" Die meisten dieser Händler sind wahr-scheinlich von der Sozialhilfe abhängig, also ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich bitte im Namen der SVPplus-Fraktion, dieser Motion zuzustimmen, damit zumindest Abklä-rungen getätigt werden, wie wir in dieser verzwickten Lage vorwärts kommen und von ande-ren Städten mit anderen Erfahrungen profitieren können.

Direktorin BSS Edith Olibet für den Gemeinderat: Es wurde gesagt, die Antwort des Gemein-derats wirke so, wie wenn er alles im Griff habe. In der Drogenfrage hat weder die Stadt Zü-rich noch Basel noch Bern immer alles im Griff. Dies ist in der Antwort des Gemeinderats auch nicht so dargestellt. Wie haben monatliche Sitzungen, die SUE mit dem Direktor, mit seinen Mitarbeitenden, mit der Polizei, mit der Kantonspolizei, wo die Situation an den Brenn-punkten analysiert und Rückmeldungen gegeben werden. An die Adresse von Barbara Streit-Stettler, die gesagt hat, in der Zeitung stehe dies und das. Die Polizei, PINTO und diejenigen Personen, die sich auf der Strasse aufhalten und sich mit dieser Frage befassen, beurteilen die Situation derzeit als gut. Wir haben auch engen Kontakt mit der Polizei - eine der Forde-rungen der vorliegenden Dringlichen Richtlinienmotion. Wir haben sehr guten Kontakt auf der strategischen Ebene mit dem Regionalkommandant und dem Verantwortlichen im Drogenbe-reich, aber auch auf der operativen Ebene. Da funktioniert der Austausch, die Information, die Zusammenarbeit bestens.
Der Antrag des Gemeinderats, eine Dringliche Motion in ein Dringliches Postulat umzuwan-deln und die Antwort als Prüfungsbericht gelten zu lassen, warf Fragen auf. Eine Dringliche Motion kann durchaus in ein Postulat umgewandelt werden und der Gemeinderat kann bean-tragen, die Antwort gleichzeitig als Prüfungsbericht gelten zu lassen. Die Entscheidung liegt sodann selbstverständlich beim Stadtrat. Der Gemeinderat hat diese Fragen beantwortet und diejenigen Fragen betreffend Case Management kommen ohnehin in den Stadtrat. Deshalb hat der Gemeinderat beantragt, seine Antwort gleichzeitig als Prüfungsbericht gelten zu las-sen.
Es wurde auf die Städte Zürich und Basel verwiesen. Wir, respektive die Leiterin dieses Be-reichs in der Direktion, aber auch die Polizei sind in regelmässigem Kontakt mit den Städten Basel und Zürich. Diejenigen Personen, die in diesem Bereich arbeiten, haben regelmässig Kontakt. Wir haben nun wie gesagt auch aufgrund dieser Fragen oder diesen Massnahmen, die evaluiert werden sollen, nochmals nachgefragt: Wo liegt beispielsweise der Unterschied zwischen den Städten Bern und Zürich? Der Unterschied ist, dass es in Zürich im Vorhof kei-nen "Ameisendeal" gibt. Da verweise ich auf Seite 3 der Stellungnahme der Kantonspolizei, die sagt: "So können wir das Ganze besser überwachen. Wir haben Einsicht in den Hof und wenn es nötig ist, intervenieren wir." Der zweite Unterschied besteht darin, dass es verschie-dene Standorte gibt, also nicht nur eine Anlaufstelle.
Hinsichtlich der jungen Menschen, die Barbara Streit-Stettler erwähnt hat: Bereits wie bis an-hin, aber auch heute und in Zukunft ist ganz klar, die Stiftung Contact, die ja Betreiberin der Anlaufstelle ist, lässt den jungen Personen eine hohe Aufmerksamkeit zukommen - die höchste Aufmerksamkeit. Wie wir wissen, ist es wichtig dort gut hinzuschauen, wie Barbara Streit-Stettler betont hat.
Jan Flückiger hat aus dem Papier der Suchtpolitik der Stadt Bern zitiert und moniert, die Ziele seien idealistisch und unrealistisch. Die Abstinenz war im vorhergehenden Drogenpapier der Stadt Bern aufgeführt, das wir in Zusammenarbeit mit der SUE, damals mit Barbara Hayoz, erarbeitet haben. Weder der Gemeinderat noch die SUE noch die BSS sind so naiv zu glau-ben, dass eine totale Abstinenz realistisch ist. Unser Ziel besteht jedoch darin, dass Men-schen mit Suchtmitteln, sei es nun Alkohol oder andere Drogen, verantwortungsbewusst um-gehen, auch wenn deren Konsum nicht gänzlich verhindert werden kann. Aber ebenso ein Ziel ist es, dass der Konsum stadtverträglich ist. Die Stadt Bern hat keine belebte und lange Langstrasse, sondern sie hat eine Innenstadt, wo die Problematik schnell sichtbar wird. Dort sind aber die Personen dauernd dran, allenfalls basierend auf der repressiven Säule zu inter-venieren, sei es PINTO, die Polizei oder vorerwähnte Organisationen.
Dezentrale respektive mehrere Standorte waren das Ziel um zu beobachten, wie mit einem zweiten Standort eine gewisse Entlastung erreicht werden kann. Anstelle der Murtenstrasse wurde ein anderer Standort gefordert. Bei einer solchen Einrichtung sagt niemand in der Um-gebung: Wunderbar, das möchten wir jetzt. Es wird stets kundgetan, man wolle verschiedene Standorte, oder man sagt, diese sollen woanders hin. Bekanntlich ist die Einrichtung einer solchen Institution eine heikle Angelegenheit. Als die Hodlerstrasse als Anlaufstelle geschaf-fen wurde, war es bis zu deren Realisierung auch ein ziemlich langer Weg.
Die Anlaufstellen der Stadt Zürich haben längere Öffnungszeiten und nur die Stadtzürcher Bevölkerung hat Zugang. In Zürich ist dies eben keine Verbundaufgabe zwischen Kanton und Stadt. Wir haben jetzt aufgrund des Drucks der Stadt Bern für die Anlaufstelle einen Perime-ter eingeführt. Aber der Kanton bestimmt, wie viele Mittel er aufwirft. Wir machen nun eine Erweiterung im Rahmen der finanziellen Mittel, wo sich Notmassnahmen aufdrängen. Um eine Entlastung zu erreichen, finanziert die Stadt Bern nun selber zusätzliche Stunden, was die Verschiebung der Frauenanlaufstelle nach hinten betrifft.
Es liegt am Stadtrat zu entscheiden, ob er den Prüfungsbericht gemäss Antrag des Gemein-derats akzeptieren will oder ob er sagt: Nein, wir wollen dies später im Rahmen des Gesamt-pakets betrachten. Für mich sind beide Entscheidungen annehmbar.

Einzelvoten

Pascal Rub (FDP): Die Situation ist eben nicht gut, Edith Olibet. Von stadtverträglich sind wir meilenweit entfernt. Die Motion ist nötig, weil sich die Situation im Drogenbereich verändert hat und deshalb muss sich auch die Strategie verändern. Wir erwarten nun eine Richtungs-korrektur und nicht nur weitere bauliche Massnahmen. Ich bitte den Rat, die Motion erheblich zu erklären und wir freuen uns auf eine Antwort des Gemeinderats.

Beschluss
Der Stadtrat erklärt die Dringlichen Motion der Fraktionen FDP, BDP/CVP, EVP, GLP, SVPplus erheblich (37 Ja, 29 Nein).
- Traktandum 6 wird auf eine spätere Sitzung verschoben. -
- Die Traktanden 7-9 werden gemeinsam behandelt. -

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RASSISTISCHE CLUBS

11 Dringliche Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB/Rahel Ruch, JA!): Rassistische Diskriminierung in Bern!
Geschäftsnummer 09.000131 / 09/083 Reg. 04/-00

In den letzten Tagen war in der Berner Presse zu lesen, dass Ausländer/nnen in bestimmten Bars nicht erwünscht sind. Das jüngste Beispiel einer solchen Diskriminierung ist der Club Art Cafe: Auf Weisung der Geschäftsführung habe ein Bronco-Mitarbeiter von einem ausländi-schen Gast, der mit Freunden an einem Tisch sass, den Ausweis verlangt. Der betroffene Ausländer hatte einen B Ausweis, was der Grund gewesen sei, dass man ihn "freundlich" zum Verlassen des Lokals aufgefordert habe. Dies obwohl ihm absolut nichts vorgeworfen werden konnte. Der Geschäftsführer des Art Cafés, Ralf Jansen, erklärte gegenüber Telebärn, dass dieses Vorgehen in seinen Lokalen so gehandhabt werde.
2006 haben wir einen Vorstoss1 eingereicht, in dem wir Massnahmen gegen solch willkürli-ches Vorgehen in Berner Lokalen verlangten. Aufgrund dieses Vorstosses hat der Gemeinde-rat zusammen mit einschlägigen Fachstellen die Vorbereitung für Merkblätter getroffen, was wir natürlich zu schätzen wissen. Ebenfalls bemerkenswert ist das Engagement des Gemein-derates für den Eintritt von Bern in die internationale Koalition "Städte gegen Rassismus"2.
Trotz all dieser positiven Entwicklungen kommt es in Berner Lokalen aber offensichtlich immer wieder zu solchen diskriminierenden Handlungen. In diesem letzten Bespiel von Art Café, äussern sich der Geschäftsinhaber Ralf Jansen und Eveline Neeracher, Präsidentin von GastroStadtBern öffentlich, dass sie selber entscheiden, wen sie in ihre Lokale einlassen und wen nicht.

Wir bitten den Gemeinderat folgende Fragen zu beantworten:
1. Stehen diese Aussagen nicht im Widerspruch zum Engagement der Stadt Bern gegen Rassismus und ist diese Haltung der Lokalinhaberin nicht ein Verstoss gegen das Ge-setz?
2. Ist es nicht ein Offizialdelikt, das Amtes wegen verfolgt werden müsste? Wäre es nicht die Aufgabe der Stadt Berner Behörden deswegen beim Kanton (Police Bern) zu intervenie-ren?

Begründung der Dringlichkeit: Trotz den Anstrengungen des Gemeinderates hat das Mana-gement des Art Café seine Praxis nicht geändert. Was sich im Art Café abgespielt hat ist un-seres Erachtens ein Offizialdelikt und muss deshalb sofort geahndet werden.

Bern, 19. März 2009

Dringliche Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB/Rahel Ruch, JA!): Stéphanie Penher, Lea Bill, Christine Michel, Aline Trede, Urs Frieden, Rolf Zbinden, Emine Sariaslan, Luzius Theiler, Natalie Imboden
Die Dringlichkeit wird vom Stadtrat bejaht.

1 06.000216: Interpellation Fraktion GB/JA! (Hasim Sancar, GB): Rassistische Diskriminierungen in den Barbetrie-ben der Stadt Bern
2 06.000213: Postulat Fraktion GB/JA (Catherine Weber/Hasim Sancar, GB/Anne Wegmüller, JA!): Als UNESCO-Welterbe besonders verpflichtet: Die Stadt Bern soll dem UNESCO-Projekt "Städte gegen Rassismus" beitreten.

Antwort des Gemeinderats

Der Gemeinderat nimmt dieses Thema sehr ernst. Er ist sich der Problematik der Rassendis-kriminierung in bernischen Barbetrieben, Nachtclubs und Discos bewusst und verurteilt solche Vorfälle aufs Schärfste. Der Gemeinderat unterstützt deshalb eine intensive Kontrolltätigkeit und strenge Handhabung im Zusammenhang mit rassistischen Diskriminierungen.
Nachdem im Frühling 2008 eine Sitzung mit Vertretenden der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), Vertretenden des Projekts "Gemeinsam gegen Gewalt und Rassis-mus" (gggfon) sowie Vertretenden der Orts- und Gewerbepolizei zum Thema "Rassistische Diskriminierungen in Barbetrieben" stattgefunden hat, wird im Mai 2009 zum gleichen Thema eine Pressekonferenz einberufen. Dabei sollen das von der EKR, von gggfon und der Orts- und Gewerbepolizei kreierte Merkblatt betreffend "Rassistische Diskriminierung am Bar-, Club- und Discoeingang" und die dazugehörige Checkliste vorgestellt und in Umlauf gebracht werden. Geplant ist ebenfalls ein Runder Tisch mit ausgewählten Lokalbetreibenden, Fach-stellen und der Orts- und Gewerbepolizei.

Zu Frage 1:
Grundsätzlich ist es Lokalbetreibenden erlaubt, bestimmten Personen aus sachlichen Grün-den (z.B. gegenüber ausfällig gewordenen Personen) den Eintritt in ihr Lokal zu verweigern. Werden jedoch Personen aus rassendiskriminierenden Gründen ausgeschlossen, liegt eine strafbare Handlung vor. Im erwähnten Fall ist es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ab-zuklären, ob die Person aus rassendiskriminierenden Gründen zum Verlassen des Lokals aufgefordert wurde und somit ein Verstoss gegen das Gesetz vorliegt.

Zu Frage 2:
Der Straftatbestand der Rassendiskriminierung wird in Artikel 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) geregelt. Dieser Straftatbestand stellt ein Offizialdelikt dar, welches von den Strafverfolgungsbehörden von Amtes wegen ver-folgt wird. Nach Angaben der Kantonspolizei Bern haben sich die Strafverfolgungsbehörden bereits der Sache angenommen.
Im Übrigen steht der betroffenen Person der zivilrechtliche Weg wegen Persönlichkeitsverlet-zung offen.

Folgen für das Personal und die Finanzen
Keine.

Bern, 22. April 2009
Der Gemeinderat

- Auf Antrag der Interpellantin Fraktion GB/JA! beschliesst der Rat Diskussion. -

Jimy Hofer (parteilos): Als Wirt und seit 30 Jahren im Nachtgeschäft Tätigen ist es mir ein Anliegen, mich hier zu diesem Vorstoss zu äussern. Wer diesen Vorstoss geschrieben hat, hat eigentlich keine Ahnung, was nachts in den Kneipen in der Stadt Bern alles läuft. Ich weiss auch von der Security her - die Mitarbeitenden habe ich noch direkt zu diesem Thema angesprochen -, was alles läuft. Wenn ein Wirt darauf angewiesen ist, in seinem Lokal klare Richtlinien betreffend Auswahl der Kundschaft herauszugeben, ist dies auch von Gesetzes wegen erlaubt. Es kommt nicht in Frage, dass sich der Staat oder sonst jemand einmischt und bestimmt, wen man in seinem Lokal bedienen soll. Denn wird eine bestimmte Kundschaft oder Schicht gewünscht, ist dies übrigens ganz normal; auch an anderen Orten wird reguliert, bei-spielsweise über Preise oder über Türsteher etc. An gewissen Orten ist eine Regulierung selbstverständlich. Den Lokalbetreibenden werden bereits dermassen Schikanen auferlegt, dies ist unglaublich. Später kommt dann noch das Rauchverbot, dann vielleicht noch ein Al-koholeinschränkungsgebot und dann noch ein kalorienorientiertes Kochen usw. Es folgen feuerpolizeiliche Auflagen. Heute ein Lokal zu betreiben ist nicht mehr so einfach. Damit die Sache Rendite abwirft, muss man klare Vorgaben haben. Und wenn die Betreibenden bestimmen, wen sie im Lokal zu haben wünschen, hat dies nichts mit Rassendiskriminierung zu tun und wird völlig falsch verstanden. Der Vorfall im besagten Lokal ist ein Einzelfall ange-sichts einer Million Personen, die an einem Wochenende in der Agglomeration Bern unter-wegs sind. Dieses Beispiel wird nun hochstilisiert zu einer Rassenfrage und zu einer solchen Eingabe im Parlament.
Es gibt klare Erfahrungswerte, wer bedient werden kann und wer nicht. Viele Angestellte im Security-Dienst sind unterschiedlicher Nationalität und weil sie die betreffende Sprache be-herrschen, wissen sie auch, was vor den Lokalen gesprochen wird. Ich könnte jede Woche einen Stapel von Eingaben machen über diese Belästigungen und Lästerattacken dieser Gäs-te, denen der Zutritt verwehrt wird. Dies gäbe wahrscheinlich auch manche Anzeige gestützt auf das Antirassismusgesetz, das jedoch nur für uns Schweizerinnen und Schweizer gilt.
Derjenige, der diesen Vorstoss abgefasst hat, ist wahrscheinlich in der Nacht nicht oft unter-wegs.

Dieter Beyeler (SD): Der Ratskollege Hasim Sancar stellt seine Betrachtungen aus dem Blickwinkel von Ausländern an. Ob auch Ausländerinnen von solchen Massnahmen betroffen sind, ist nicht näher erwähnt, aber wohl eher unwahrscheinlich.
Statt nun einfach einen generellen Rundumschlag mit der Rassismuskeule zu machen, sollte man den Ursachen dieses Problems, dass Geschäftsführende solche Massnahmen ergreifen, näher auf den Grund gehen. Dabei kommt man zur Erkenntnis, dass solche Entscheidungen nichts mit rassistischer Diskriminierung, wie es im Titel des Vorstosses heisst, zu tun haben. Eigentlich hätte man mit gutem Recht einen Gegenvorstoss mit dem Titel: "Kein Eintrittsrecht für gewaltbereite Schläger mit Migrationshintergrund in Berns Lokalen und Bars" machen können. Genau dieser Sachverhalt steht hinter solchen Massnahmen. Diese sollen nichts anderes bezwecken, als dass friedliche Besucherinnen und Besucher, und die meisten von ihnen haben nun mal den Schweizer Pass und sind eben auch schweizerischer Abstammung, sich zufrieden und fröhlich in einem Lokal vergnügen können, ohne in der ständigen Angst leben zu müssen, aus irgendeinem nichtigen Grund in eine Schlägerei verwickelt zu werden. Gewisse Zeitgenossen warten nur darauf oder liefern den Grund gleich selber, indem eine junge Frau angemacht wird und der Unruhestifter daraufhin auf ihren Begleiter losgeht. Wenn dieser reklamiert oder sich schützend vor die Frau stellt, ist die Reaktion: "Eh du Mann, wosch uf d'Schnure?" sattsam bekannt.
Ich habe mich eingehend im Bekanntenkreis umgehört und bin dabei zu folgender Erkenntnis gelangt: Gerade junge Menschen haben vielfach bereits einschlägige negative Erfahrungen gemacht und befürworten ausdrücklich solche Massnahmen, nicht jedermann Einlass in be-stimmte Lokale zu gewähren und eine Selektion stattfinden zu lassen. Andererseits meiden die jungen Personen Lokale, die dafür bekannt sind, dass sich bestimmte Bevölkerungsgrup-pen darin aufhalten. Aus dieser Sicht ist es verständlich, das sich einige Geschäftsinhabende entschieden haben - und das völlig zu Recht - gewisse Zeitgenossen den Zutritt zu ihren Lokalen nicht mehr zu gewähren. Damit machen sie das einzig Richtige, sie sorgen dafür, dass die grosse Mehrzahl ihrer Gäste einen friedlichen und fröhlichen Abend verbringen kann. Dazu sind sie ihren Gästen auch verpflichtet. Dies bedeutet aber auch, dass der Ordnungs-dienst eingreift - gerade die Broncos-Mitarbeiter haben dies bestens im Griff und konnten dadurch manche Eskalation verhindern. Viele Eltern sind dankbar, dass ihre Töchter und Söhne unbeschadet vom Ausgang wieder nach Hause kommen. Dieser Dank gilt eben auch umsichtigen Geschäftsinhabenden und dem Sicherheitsdienst. Die Problematik ist an einem andern Ort zu suchen, nämlich bei kulturfremden und integrationsunwilligen oder -unfähigen Bevölkerungsgruppen, die hier schlicht nichts zu suchen haben.

Hasim Sancar (GB), Interpellant: Vorerst lehne ich den Diskussionsstil der beiden Vorredner ab. Wir haben einen Vorstoss eingereicht und der Gemeinderat ist auch der Meinung, dass sich der darin erwähnte Betrieb rassistisch verhalten hat. Deshalb ist der Gemeinderat hier aktiv geworden. Wir sind mit der Antwort des Gemeinderats zufrieden. Betrachte ich meine beiden Vorredner, habe ich den Eindruck, dass sie für ein Apartheidsystem einstehen, bei dem man in den Geschäften und den Lokalen willkürlich auswählen kann, wer Einlass hat und wer nicht. Jeder Betrieb, der für die …ffentlichkeit zugänglich ist, muss alle eintreten lassen. Ist jemand gewalttätig, bin ich damit einverstanden, ihm ein Hausverbot aufzuerlegen. Mei-netwegen kann man auch an die Türe schreiben, dass gewalttätige Ausländerinnen und Aus-länder sowie gewalttätige Schweizerinnen und Schweizer nicht erwünscht sind. Oder seid ihr einverstanden, dass gewalttätige Schweizer und Schweizerinnen Einlass haben dürfen, aber Ausländerinnen und Ausländer nicht?
Ich bin froh, dass der Gemeinderat hier aktiv geworden ist. Wir haben einen Rechtsstaat und wenn Rassismus vorkommt, muss entsprechend vorgegangen werden.

Erich Hess (JSVP): Für mich ist es verständlich, dass Lokalbetreibende aufgrund deren Erfah-rungen nicht allen Personen den Zutritt zu ihrem Lokal gewähren. Den Kriminalstatistiken ist zu entnehmen, dass insbesondere Personen aus dem Ausland, aus der Türkei, Jugoslawien, aus Afrika, ein höheres Gewaltpotential aufweisen als Schweizerinnen und Schweizer. Auch die Verurteilungen laufen darauf hinaus, dass prozentual mehr Ausländer verurteilt werden aufgrund von Schlägereien, Angriffen, Gefahr an Leib und Leben. Es ist richtig, dass gewisse Gastronomiebetriebe solchen Personen mit erhöhtem Gewaltpotential keinen Zutritt in ihr Lo-kal gewähren. Denn die Schweizer Jugendlichen möchten ungestört ihre Feste feiern, ohne dauernd gestört zu werden durch Schlägereien, durch andere Personen, die sie provozieren. Sie müssen wissen, dass deren Mentalität ganz anders ist. Aber wir wollen nicht weiter darauf eingehen. Deshalb ist die Interpellation absolut überflüssig. Für mich ist klar, der Wirt hat zu bestimmen, wer das Lokal betreten darf. Wenn ein Wirt mir sagt, ich sei unerwünscht im Lo-kal, sage ich ihm "merci und adieu" und suche die nächste Kneipe auf.

Hans Peter Aeberhard (FDP): Es ist sicher von Vorteil, sich bei dieser Diskussion erneut den Wortlaut des so genannten Leistungsverweigerungstatbestands in der Rassismusnorm Artikel 261bis vor Augen zu führen. Es geht dort um Absatz 5, der ungefähr wie folgt lautet: Wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Gruppe oder einer Einzelperson aufgrund ihrer Rasse, ihrer Ethnie oder ihrer Religion verweigert, der macht sich des Rassismus - eben dieser Leistungsverweigerung - strafbar. Wenn nun Hasim Sancar sagt, dies ginge in Richtung Apartheid, was da geschehen sei, nur weil eine Person mit dem Ausweis B augrund ihrer Ausländer-Eigenschaft - diese ist nicht bekannt - im Lokal nicht bedient wurde, dann ist dies eine Verharmlosung der Apartheid, so wie sie in Südafrika allzu lange bestanden hat, und des Rassismus, wie er in den USA allzu lange bestanden hat.
Der Hintergrund dieser Strafnorm ist, dass man nicht südafrikanische oder amerikanische Zustände wie vor der Rassenbefreiung bzw. der Gleichberechtigung in den Staaten haben soll, und nicht eine solche Banalität, ob ein Wirt alle bedienen darf oder muss. Es ist nämlich erlaubt, nicht alle zu bedienen. Die Vorstossenden stellen die Sache nun so dar, wie wenn das Ganze rassistisch wäre und alle Ausländerinnen und Ausländer grundsätzlich ausschlies-sen würde. Mit Ausnahme von Professor Niggli sind viele Gerichte der Ansicht, dass man Ausländerinnen und Ausländer als solche ausschliessen kann, indem man anschreibt: Nur Schweizerinnen und Schweizer eingelassen. Man kann auch Wohnungen in Inseraten ledig-lich Schweizerinnen und Schweizern anbieten. Es ist auch möglich, Personen verschiedener Staatsangehörigkeit, beispielsweise den Deutschen, den Amerikanerinnen oder den Japa-nern, den Zutritt nicht zu erlauben, weil man beispielsweise nicht japanisch sprechen will, oder nur Franzosen erwünscht sind.
So weit wie dieser Vorstoss zu verstehen gibt, geht diese Strafnorm nicht. Einer unerwünsch-ten Person den Zutritt nicht zu gewähren - auch mit der Begründung, sie sei Ausländer - hat nichts mit Rasse oder Ethnie zu tun, sondern man will einfach keine Ausländerinnen und Ausländer im Lokal haben, dies ist legal. Hier ein Einzelfall als Anlass zu nehmen, einen politi-schen Vorstoss einzureichen, und den Geschäftsführer Ralf Jansen vom Art Café noch an den Pranger zu stellen, er sei Rassist, geht zu weit und ist nicht im Sinn der Rassismusnorm.

Erich Mozsa (GFL) für die GFL/EVP-Fraktion: Für die GFL/EVP-Fraktion ist es unverständlich, geradezu skandalös, wenn einzelne Personen aus einem Club ausgesperrt werden bzw. kei-nen Zugang erhalten, und dies nur aufgrund ihres Ausweises oder ihrer Hautfarbe. Wir sind deshalb froh, dass sich die Strafbehörde diesen Fällen auch annimmt. Sollte sich herausstel-len, dass rassistische Kriterien beim Einlass angewendet werden, sind die Verantwortlichen selbstverständlich zu bestrafen. Jimy Hofer und andere: Zweifelsohne anerkennen wir, dass Personen, die Probleme verursachen, gewaltbereit sind, pöbeln oder Frauen auf primitive Art anmachen, keinen Zutritt gewährt wird. In diesen Fällen kann aufgrund von bestimmten Krite-rien der Zugang verwehrt werden. Dies ist eine ganz andere Situation, als wenn Personen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrem Pass ausgeschlossen werden. Für uns ist auch unver-ständlich, dass diese Differenzierung von bestimmten Vorrednern nicht vorgenommen wurde.
Wir begrüssen den gewählten Weg des Gemeinderats, nämlich diese Themen an einem Run-den Tisch mit Clubbetreibenden und anderen zu besprechen.

Cristina Anliker-Mansour (GB): Dies ist mein erstes Einzelvotum in diesen drei Jahren. Ich möchte mir hier erlauben, eine Korrektur beim Votum von Herrn Beyeler anzubringen. Mein junger Sohn und seine Kollegen vermeiden solche Lokale. Und wissen Sie weshalb? Weil es dort rassistische Diskriminierung gibt. Diese jungen Personen haben eine Liste von Lokalen, die sie vermeiden, weil dort eigentlich Rassismus stattfindet.

Guglielmo Grossi (SP): Ich möchte verschiedene Votanten noch daran erinnern, dass es hier nicht um die Frage geht, ob ein Einzelfall so behandelt werden soll, als eine Verallgemeine-rung der Situation, oder ob der Vorwurf von Rassismus gerechtfertigt sei. Die Interpellanten haben in ihrem Vorstoss geschrieben - und das stand auch in der Presse -, dass sich dieser Wirt auf den Standpunkt stellt, Personen mit einer Bewilligung B in seinem Lokal nicht zu be-dienen. Wenn dies keine Diskriminierung ist! Ich möchte daran erinnern, Schweizerinnen und Schweizer sowie Personen aus dem EU-Raum haben keine Bewilligung B. Es ist auch ziem-lich klar, gegen wen sich diese Art von Verbot richtet. Wenn es zur Sache, zum Verhalten der Person nichts zu bemängeln gibt, ist es unverständlich, wie man lediglich aufgrund eines Sta-tus ein Verbot erteilen kann. Hier kann man nicht einfach sagen, ein Wirt lässt in sein Lokal eintreten, wen er will. Klar, er kann das tun; aber die Kriterien darf er nicht auswählen, sonst ist es eine Diskriminierung, falls diese Kriterien nämlich einen Status einer Person betreffen und nicht sein Verhalten. Bei der im Vorstoss erwähnten Person ging es nicht um ihr Verhal-ten. Sie ist dort gesessen wie die andern auch. Nur weil sie im Besitz eines B-Ausweises war, wurde sie gebeten, das Lokal zu verlassen, wie im Vorstoss zu lesen ist.
Die SP/JUSO-Fraktion unterstützt die Stellungnahme des Gemeinderats und die Interpellation vollumfänglich. Es ist für uns unverständlich, wenn verschiedene Begründungen gesucht wer-den, um das Vorgefallene abzuschwächen und zu sagen, es sei ein Bagatellfall. Wenn fun-damentale Prinzipien angegriffen werden, darf auch ein einzelner Fall nicht einfach als Baga-telle abgetan werden.

Jimy Hofer (parteilos): Indirekt wird in diesem Fall den Wirten und auch der Security Rassis-mus unterstellt. Ich kann hier bezeugen, dass dies nicht der Fall ist. Es gibt unter unseren Mitarbeitenden keine Rassisten. Wahrscheinlich wissen Sie gar nicht, was Rassismus bedeu-tet. Ich habe dies in den Gebieten der Palästinenser, in Kuwait, in Libanon und in Saudiara-bien erlebt. Dort wird Rassismus tagtäglich noch vorgeführt. Seitdem habe ich kein Verständnis mehr, wenn jemand sagt, in der Schweiz gebe es Rassismus. Der echte Rassismus gibt es hier nicht! Deshalb ist dies grundsätzlich der falsche Begriff in diesem Zusammenhang. Zweitens, zum Ausschluss von Personen mit B-Ausweis - es war übrigens ein Israeli, der vom Lokal verwiesen wurde. Wenn er seinen Pass gezeigt hätte, hätte man gesagt, ah das ist ein Tourist, kein Problem.
Es geht um Erfahrungswerte. Diese Interpellation ist eine Schreibtischarbeit, die jeglicher Realität entbehrt. Die Realität unserer Arbeit ist Security. Und die Realität der Wirte, die jede Nacht ein Lokal betreiben müssen, und zwar sicher, spricht eine andere Sprache. Das hat nichts damit zu tun, dass alle so nett sind und bedient werden müssen. Dies ist nicht der Fall, dies ist Dschungel in der Nacht. Und wer das nicht wahrhaben will, soll einmal einige Nächte unterwegs sein und sich neben die Türsteher stellen. Ich möchte gerne ein Beispiel erzählen: Ich habe einmal an einem Gurtenfestival einem Verantwortlichen, der sich über die Strenge der Security beklagt hat, gesagt: "Ziehe einmal ein Security-Leibchen an!" Er trug es eine halbe Stunde und sagte dann: "Jetzt weiss ich, was du gemeint hast."

Dieter Beyeler (SD): Ich bin vorhin noch angesprochen worden. Trotz meinem Alter habe ich auch noch eine junge Tochter mit Schweizer Pass; sie ist unter 20 Jahre alt. Auch sie weiss ganz genau, wo sie in der Stadt Bern unbehelligt hingehen darf und wo nicht. Wenn schon die Integration nicht funktioniert, funktioniert zumindest die Segregation. Natürlich ist es in die-sem Fall auch besser so.

Rithy Chheng (SP): Anhand einiger Beispiele möchte ich aufzeigen, wie willkürlich die Ein-trittspolitik in der Stadt Bern ist. An einem Abend war ich mit vielen Kollegen im Ausgang. Es waren vorwiegend dunkelhäutige Personen. Wir standen in die Reihe vor dem Art Café für den Eintritt. Mir wurde erstaunlicherweise als einzige Person der Zugang gewährt. Die ande-ren Kollegen waren auch im Besitz des Schweizer Passes beziehungsweise der Identitätskar-te (ID). Ich fragte nach, weshalb die anderen keinen Zutritt erhielten. Sie konnten es mir nicht plausibel begründen.
Ein anderer Punkt: Stellen wir uns vor, ich ginge in die Ferien nach New York. Ich werde um den Ausweis gebeten. Ich zeige beispielsweise den Schweizer Pass und sie sagen: Nein, Sie sind Schweizer, Sie werden nicht eingelassen. Dann ist es um den Ausgang geschehen.
Im Jahr 1999 wurde ich eingebürgert, da hatte ich nebst der ID noch den C-Ausweis. Ich er-laubte mir den Spass, in den Ausgang zu gehen, verschiedene Lokalitäten aufzusuchen. Zu-erst wies ich den C-Ausweis vor. Sie sagten mir, ich hätte damit keinen Einlass. Ich entschul-digte mich und sagte, ich hätte den falschen Ausweis erwischt. Daraufhin zeigte ich den Schweizer Pass und es klappte plötzlich mit dem Eintritt.

Beschluss
Die Interpellantin Fraktion GB/JA! ist zufrieden mit der Antwort.