MEDIENSPIEGEL 5.6.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- BE: Big Brother Video erst ab 1.10.09
- Progr: SVP-Verzicht auf Beschwerde
- Rauchverbot: Kaum Fumoir-Gesuche
- Bern: UNO-Antirassismus-Projekt
- Polizei vs Jugend: Fatale Fluchten
- Hooligan-Grippe: Pranger; Hörschäden
- RaBe-Info 5.6.09
- SO: Biergarten vs Alkis
- LU: Gassenküche mit Anlaufstelle
- Sempach-Demo: Unia unterstützt Juso
- Rosa Winkel: KZ-Überlebender an Euro-Pride

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REITSCHULE
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Fr 05.06.09
20.30 Uhr - Tojo - Schanotta nach einem Stück von Georg Seidel. Gruppe Wolna.

Sa 06.06.09
20.30 Uhr - Tojo - Schanotta nach einem Stück von Georg Seidel. Gruppe Wolna.

So 07.06.09
09.00 Uhr - Grosse Halle - Flohmarkt und Brunch
15.00 Uhr - Tojo - Schanotta nach einem Stück von Georg Seidel. Gruppe Wolna.
19.00 Uhr - Tojo - Schanotta nach einem Stück von Georg Seidel. Gruppe Wolna.

Infos: www.reitschule.ch

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BIG BROTHER VIDEO
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be.ch 5.6.09

Medienmitteilung des Kantons Bern

Ausführungsbestimmungen zur Videoüberwachung: Umstrittene Artikel treten nicht auf 1. Juli 2009 in Kraft (05.06.2009)

Die beiden umstrittenen Artikel in der Verordnung über den Einsatz von Videoüberwachungsgeräten bei Massenveranstaltungen und an öffentlichen Orten werden nicht auf 1. Juli, sondern auf 1. Oktober 2009 in Kraft gesetzt. Dies hat der Regierungsrat des Kantons Bern entschieden. Aufgrund der eingereichten parlamentarischen Vorstösse zu diesem Thema will die Regierung die in der Septembersession geplante Grossratsdebatte zur Videoverordnung abwarten, bevor sie über das weitere Vorgehen bei Artikel 4 und 13 der Videoverordnung entscheidet.

Mit der Änderung des Polizeigesetzes hat der Grosse Rat des Kantons Bern Ende 2008 die gesetzliche Grundlage für Videoüberwachungen im öffentlichen Raum zur Vorbeugung von kriminellen Handlungen geschaffen. Am 29. April 2009 hat der Regierungsrat die entsprechenden Ausführungsbestimmungen verabschiedet und beschlossen, sie zeitgleich mit dem revidierten Polizeigesetz per 1. Juli 2009 in Kraft zu setzen.

In den letzten Wochen wurde die konkrete Art des Einsatzes von Bild- und Tonaufzeichnungen bei Massenveranstaltungen und um die vorgesehene Möglichkeit der Echtzeitüberwachung im Rahmen der Videoüberwachung an öffentlichen Orten kontrovers diskutiert. Parallel dazu haben Mitglieder des Grossen Rates mehrere Vorstösse zum Thema eingereicht.

Der Regierungsrat hat die Situation analysiert. Der überwiegende Teil der Verordnung ist unbestritten und für das Konkretisieren der per 1. Juli 2009 in Kraft tretenden Änderungen des Polizeigesetzes zwingend nötig. Umstritten sind Artikel 4, Absatz 2 und 3 sowie Artikel 13 (1). Die Regierung hat entschieden, die nicht umstrittenen Artikel der Verordnung wie geplant auf 1. Juli in Kraft zu setzen, bei Artikel 4 und 13 aber bis 1. Oktober 2009 zuzuwarten.

Der Grosse Rat wird in der Septembersession auf der Basis der parlamentarischen Vorstösse eine politische Diskussion zum Thema Videoüberwachung führen. Die Regierung wird nach der Debatte im Grossen Rat über das weitere Vorgehen bei den bestrittenen Artikeln der Videoverordnung entscheiden und allenfalls die Revision der beiden Artikel einleiten.

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(1) Artikel 4, Abs. 2: Die Bild- und Tonaufzeichnungen sind durch uniformierte Korpsangehörige vorzunehmen. Die Verwendung von an Kundgebungsorten sowie in und vor Stadien fest installierten Bildaufzeichnungsgeräten ist zulässig. Bild- und Tonaufzeichnungen dürfen zudem aus öffentlichen und privaten Gebäuden und von als polizeiliche Einsatzmittel erkennbaren Fahrzeugen und Fluggeräten aus gemacht werden.

Artikel 4, Abs. 3: Unzulässig ist
a. das Erstellen von Bild- und Tonaufzeichnungen aus unbemannten Flugkörpern, auf denen einzelnen Personen identifiziert werden können,

b. das Anbringen von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an Gegenständen, die von Teilnehmenden an der Massenveranstaltung mitgetragen werden,

c. das Verbreiten von Bild- und Tonaufzeichnungen ausserhalb der Einsatzleitung mit Massenkommunikationsmitteln.

Artikel 13
1. Die Auswertung der Bildaufzeichnung erfolgt durch die Kantonspolizei.

2. Die zur Anordnung der Videoüberwachung zuständige Behörde kann eine Echtzeitüberwachung der Bildübermittlung durchführen.

3. Erfolg eine Echtzeitüberwachung gemäss Artikel 51a PolG, sind die Gesichter von erfassten Personen mit technischen Mitteln unkenntlich zu machen. Wird eine kritische Situation erkennbar, darf die einschränkungslose Bildanzeige eingeschaltet werden.

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PROGR
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BZ 5.6.09

Progr

Verzicht auf Beschwerde

Die SVP verzichtet auf eine Abstimmungsbeschwerde beim Progr. Sie kündigt aber Vorstösse zum Wettbewerbswesen an.

Am 17.Mai sprach sich das Stimmvolk deutlich für das Künstlerprojekt Pro Progr aus. Den Wettbewerbssieger "Doppelpunkt" hingegen verwarf es. Das ist der ausschlaggebende Grund für SVP-Präsident Peter Bernasconi, dass er nun auf eine Abstimmungsbeschwerde verzichtet: "Bei einem Erfolg der Beschwerde hätte das Projekt noch einmal dem Stimmvolk vorgelegt werden müssen, ein Ja wäre bei dieser Vorgeschichte aber unwahrscheinlich." Seine Kritik am Vorgehen aber bleibt. Die SVP werde mit Vorstössen auf ein Reglement hinwirken. Wettbewerbe sollten künftig konsequent nach SIA-Normen durchgeführt werden. Noch offen ist, ob die unterlegene Investorin Allreal Schadenersatzklage gegen die Stadt erhebt.
cab

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RAUCHVERBOT
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BZ 5.6.09

Rauchverbot

Nur vier Prozent der Berner Wirte wollen ein Fumoir

Von den 5890 Gastgewerbebetrieben im Kanton Bern haben bisher nur 227 ein Gesuch für ein Fumoir eingereicht.

Überrannt wurden die Regierungsstatthalter im Kanton Bern bisher beileibe nicht: Nur knapp vier Prozent der Wirte, die über eine Gastgewerbebewilligung verfügen, haben bis Ende Mai ein Gesuch für den Betrieb eines Fumoirs eingereicht. Davon haben die Regierungsstatthalter bisher 71 bewilligt.

 Das Rauchverbot tritt am 1.Juli in Kraft. Markus Grossenbacher, Präsident der Regierungsstatthalter des Kantons Bern, geht davon aus, dass in den nächsten Monaten noch wesentlich mehr Gesuche eingehen werden. Auf den Herbst hin, wenn Gartenwirtschaften für Rauchende keine angenehme Alternative mehr darstellen werden, rechnet Grossenbacher mit einer spürbaren Zunahme.

Auch Casimir Platzer, Präsident von Gastrobern, ist überzeugt: "Im Kanton Bern wollen sicher mehr als 200 Wirte einen separaten Raucherraum anbieten." Der Verbandspräsident vermutet den Grund für den zögerlichen Gesuchseingang auch bei der Beschwerde, die Gastrobern beim Bundesgericht eingereicht hat. Wahrscheinlich würden einige Wirte den Entscheid abwarten wollen, meint er.

Wann mit dem Urteil zu rechnen ist, weiss Platzer nicht. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.sgs

Seite 35

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Rauchverbot

Noch gibts keinen Run auf Fumoirs


Ab dem 1.Juli darf in Berner Restaurants nicht mehr geraucht werden - es sei denn, die Wirte richten ein Fumoir ein. Doch bisher haben keine vier Prozent der Betriebe ein entsprechendes Gesuch eingereicht.


Vergeblich haben sich die Berner Wirte gegen ein Rauchverbot im Kanton Bern gewehrt. Der Grosse Rat hat dem Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen letzten Herbst zugestimmt. Immerhin erlaubt dieses den Wirten, Fumoirs einzurichten, in denen sich die Gäste weiterhin dem Genuss einer Zigarette hingeben können. Doch für die abgetrennten Raucherräume brauchen die Gastrobetriebe eine separate Betriebsbewilligung.

Erst 227 Gesuche

Wer nun meint, die Regierungsstatthalter des Kantons seien in den letzten Wochen mit Gesuchen überhäuft worden, irrt sich: Von insgesamt 5890 Gastgewerbebetrieben haben 227 ein Gesuch für den Betrieb eines Fumoirs eingereicht. Das sind weniger als 4 Prozent.

Bis 31.Mai - einen Monat bevor die Verordnung zum Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen in Kraft tritt - haben die Statthalter im ganzen Kanton nicht mehr als 71 Fumoirs bewilligt (siehe Tabelle). Das ergab eine Umfrage, die Markus Grossenbacher, Präsident der Regierungsstatthalter, bei seinen Kolleginnen und Kollegen im Kanton durchgeführt hat. Erstaunt hat ihn das Resultat nicht: "Ich habe keinen Riesenrun erwartet."

Mehr Anfragen im Herbst?

 Markus Grossenbacher geht allerdings davon aus, dass in den nächsten Monaten "noch wesentlich mehr" Anfragen eingehen werden. "Betriebe, die im Sommer eine Gartenwirtschaft betreiben, haben es nicht eilig. Sie werden auf den Herbst ihre Gesuche einreichen", vermutet er. Der Statthalterpräsident ist nicht unglücklich über den gestaffelten Eingang. Auf diese Weise sei der Zusatzaufwand "bewältigbar".

Auch Casimir Platzer, Präsident von Gastrobern, ist überzeugt, dass weitere Gesuche folgen werden. "Ganz bestimmt wollen mehr als 200 Wirte im Kanton Bern einen separaten Raucherraum anbieten", sagt er.

Die hängige Beschwerde

Platzer vermutet, dass einige Gastwirte mit dem Gesuch warten, bis klar ist, wie das Bundesgericht entscheiden wird. Gastrobern ist laut dem Präsidenten "mit einigen unsinnigen Einschränkungen" der Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über den Schutz vor Passivrauchen nicht einverstanden und hat diese mit einer Beschwerde beim Bundesgericht angefochten. "Wir wehren uns nicht dagegen, dass zwei Drittel der Betriebsfläche rauchfrei sein müssen", stellt Platzer klar. Aber dass der Kanton vorschreiben wolle, in Fumoirs stehende Buffets und Bars dürften zwar stehen bleiben, aber nicht betrieben werden, gehe den Wirten zu weit. Sie machen "Unverhältnismässigkeit und eine zu starke Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit" geltend.

Buffets (vorerst) stilllegen

Platzer weiss nicht, ob das Bundesgericht die Beschwerde noch vor Inkrafttreten des Rauchverbots behandeln wird. Gastrobern habe aufschiebende Wirkung verlangt, doch sei diese nicht gewährt worden. Tragisch ist das laut Platzer nicht. "Die Konsequenz besteht ja nur darin, dass die Wirte ein Buffet wieder brauchen könnten, wenn die Beschwerde gutgeheissen würde", sagt er.

Susanne Graf

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Andere Kantone

Uneinheitlich geregelt

Nicht nur die Berner Wirte sind zurückhaltend, wenn es darum geht, in ihren Restaurants Fumoirs einzurichten. Im Kanton Tessin, der am 1.April 2007 als erster ein Rauchverbot eingeführt hat, war der Andrang nicht grösser: Ein gutes Jahr nach der Einführung verfügten von insgesamt 2700 Betrieben bloss deren 62 über einen separaten Raucherraum. Das waren 2,3 Prozent.

Kürzlich hat die Schweizerische Lungenliga – und mit ihr eine Allianz von 40 Organisationen – eine eidgenössische Volksinitiative lanciert, die beim Schutz vor Passivrauchen weitergehen will, als der Kanton Bern letztes Jahr beschlossen hat: Sie will das Rauchen in Restaurants ganz verbieten, also auch keine Raucherlokale und bedienten Fumoirs mehr zulassen. Die Initiative strebt aber vor allem auch für die ganze Schweiz einheitliche Bedingungen an. Heute kennt oder diskutiert fast jeder Kanton eine Regelung zum Schutz vor Passivrauchen.

Für die Lösung mit den bedienten Fumoirs, wie sie am 1.Juli in Bern in Kraft tritt, haben sich auch die Kantone Appenzell-Ausserrhoden, Graubünden, Solothurn, Tessin, Uri und Zürich entschieden. In anderen Kantonen, etwa in beiden Basel, Freiburg, Neuenburg, Waadt und Wallis, darf in den Fumoirs nicht bedient werden.
sgs


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ANTI-RASSISMUS
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Bund 5.6.09

"Nicht nur reagieren, sondern aktiv werden"

Sensibilisieren, integrieren und ein Zeichen setzen - die Stadt Bern tritt dem Unesco-Projekt "Städtekoalition gegen Rassismus" bei

In den nächsten vier Jahren will die Stadt Bern einen Zehn-Punkte-Aktionsplan zur lokalen Rassismusbekämpfung umsetzen.

Michelle Schwarzenbach

 Das Problem gibt es auch in Bern: In einigen Clubs haben Gäste ohne C-Ausweis oder Schweizer Pass keinen Zutritt. Rassistische Diskriminierungen am Discoeingang sind im hiesigen Nachtleben eine Tatsache und sorgen immer wieder für Aufruhr in der Bevölkerung und in den Medien ("Bund" vom 21.03.2009). Vor Kurzem haben deshalb die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR), die Stadt Bern und Gggfon (Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus) ein Merkblatt zum Thema Einlassverweigerung in Bars, Clubs und Discos erarbeitet.

Zehn-Punkte-Aktionsplan

Diese Aktion ist Bestandteil des umfassenden Massnahmenplans der "Europäischen Städtekoalition", der nun auch die Stadt Bern beigetreten ist. Die Mitglieder des Unesco-Projekts setzen sich gemeinsam gegen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit ein und setzen anhand eines Zehn-Punkte-Aktionsplans entsprechende Massnahmen um.

Aktiv gegen Rassismus vorgehen

Der Beitritt ist nicht der erste Schritt der Bundesstadt in diese Richtung, wurde doch beispielsweise bereits 2006 die "Berner Erklärung" initiiert, um die Öffentlichkeit für das Problem Gewalt und Diskriminierung zu sensibilisieren. An der gestrigen Medienkonferenz haben Edith Olibet, SP-Gemeinderätin und Direktorin für Bildung, Soziales und Sport, sowie Ursula Heitz, Leiterin Kompetenzzentrum Integration, die Wichtigkeit der Rassismusbekämpfung erneut betont: "Es reicht nicht, nur zu reagieren, wenn wieder einmal ein Einzelfall in der Öffentlichkeit Empörung auslöst. Vielmehr muss die Stadt aktiv gegen Rassismus vorgehen", sagte Olibet.

37 Massnahmen in vier Jahren

Verantwortlich für die Ausarbeitung und Umsetzung des Aktionsplans ist das Kompetenzzentrum Integration. 37 Massnahmen sollen in den nächsten vier Jahren umgesetzt werden. Diese sind nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu den bisherigen Massnahmen gedacht. Vorgesehen sind laut Ursula Heitz diverse Sensibilisierungskampagnen wie das Merkblatt betreffend Einlassverweigerung. Hinzu kommen Massnahmen, die zur Integrationsförderung beitragen sollen. So findet zum Beispiel das nächste Forum der "Migrantinnen und Migranten der Stadt Bern" zum Thema Diskriminierung statt.

Ein weiterer Bereich ist die Unterstützung von Rassismusopfern, wobei es unter anderem zu prüfen gilt, ob in der Stadtverwaltung eine Ansprechperson oder -stelle für rassistische Diskriminierung definiert wird. Schliesslich will die Stadt ein Zeichen setzen: Rassismus sei nicht als natürliche gesellschaftliche Erscheinung zu tolerieren.

Die hauptsächlichen Kosten des Massnahmenpakets sind im Globalbudget enthalten. Bei einzelnen Massnahmen sind die Kostenfolgen allerdings noch unklar.

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NETZWERK VON STÄDTEN

Die "Städtekoalition gegen Rassismus" ist eine Initiative der Unesco und wurde 2004 initiiert. Das Ziel: ein internationales Netzwerk von Städten einzurichten, die sich gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung einsetzen. Die Idee basiert auf der Erkenntnis, dass Diskriminierung und Ausgrenzung nur vor Ort entgegnet werden kann. Um die regional unterschiedlichen Eigenheiten zu berücksichtigen, wurden in verschiedenen Weltregionen jeweils regionale Koalitionen gebildet, die eigene Programme ausarbeiten. So wurde in Nürnberg die "Europäische Städte-Koalition gegen Rassismus" gegründet und ein Zehn-Punkte-Aktionsplan mit konkreten Handlungsbeispielen verabschiedet. Die Mitgliederstädte verpflichten sich, diesen umzusetzen; es steht ihnen aber frei, welche konkreten Massnahmen sie zu den einzelnen Punkten ergreifen wollen. Die Stadt Bern hat anhand des Zehn-Punkte-Aktionplans 37 Massnahmen entwickelt, die sie innerhalb der nächsten vier Jahre umsetzen will. (mis)

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BZ 5.6.09

37 Massnahmen in der Stadt Bern

Als fünfte Schweizer Stadt hat sich Bern der Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus angeschlossen.

"Wen fragen Sie nach dem Weg zum Theater?", steht auf einem der Plakate, welche die Stadt demnächst im Einwohnerdienst an der Predigergasse aufhängen wird. Zur Auswahl stehen zwei junge Männer, der eine ist hell-, der andere dunkelhäutig. Diese simple Frage soll zeigen, dass Rassismus nicht erst bei fremdenfeindlichen Sprüchen beginnt, sondern in alltäglichen Situationen vorkommen kann.

In Bern, wo Menschen aus über 150 Nationen zusammenleben, wollen die Behörden keine Art von Rassismus dulden. Auf Grund eines Vorstosses im Stadtrat ist Bern deshalb der Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus beigetreten - als fünfte Schweizer Stadt nach Zürich, Genf, Lausanne und Winterthur. Die Mitgliedschaft verpflichtet dazu, zehn Punkte eines Aktionsplans umzusetzen. Bern will das in den nächsten vier Jahren mit 37 Massnahmen tun. "Es sind kleine, unspektakuläre Vorhaben", sagte Gemeinderätin Edith Olibet (SP) an der gestrigen Medienkonferenz. Wichtig sei, dass der Gemeinderat mit dem Beitritt zur Städte-Koalition deutlich sage: "In unserer Stadt hat Rassismus keinen Platz." Deshalb sollen zum Beispiel Berner Immobilienfirmen mit Empfehlungen dazu gebracht werden, dass sie bei der Vermietung oder dem Verkauf von Wohnraum niemanden wegen dessen Nationalität benachteiligen. Für die städtischen Angestellten wird es ein Merkblatt betreffend Rassismus und Diskriminierung geben. Als weitere Massnahme unterstützt die Stadt ein Projekt des Christlichen Friedensdienstes: Fünf Fachfrauen aus der Stadtverwaltung stellen sich als Mentorinnen zur Verfügung und helfen gut ausgebildeten Ausländerinnen, eine Stelle zu finden. Eine weitere Massnahme hat die Stadt bereits getroffen: Mit einem Merkblatt warnt sie die Barbetreiber vor Rassismus bei der Gästeauswahl. In vier Jahren will der Gemeinderat prüfen, was die Aktionen bewirkt haben.

Esther Diener-Morscher

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Berner Rundschau 5.6.09

Bern wie Bologna, Berlin und Barcelona

Die Bundesstadt tut es vielen europäischen Städten gleich und verpflichtet sich, Rassismus zu bekämpfen

Als fünfte Schweizer Stadt tritt Bern der Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus bei. Gemeinderätin Edith Olibet ist hoffnungsfroh: Rassismus könne überwunden werden, sagt sie.

Johannes Reichen

Zwischen Berlin und Bologna hat sich Bern geschoben, und auch Barcelona ist nicht weit. Auf der Mitgliederliste der Europäischen Städte-Koalition gegen Rassismus ist nun auch die Bundesstadt aufgeführt - "eine grosse Freude" für Gemeinderätin Edith Olibet (SP). Die Direktorin für Bildung, Soziales und Sport verkündete gestern den Beitritt vor den Medien, denn, sagte sie: "In unserer Stadt hat Rassismus keinen Platz."

So ist es noch nicht in Bern, aber das ist das Ziel der neuen Zugehörigkeit. Haltung demonstriere damit die Stadt, und es ergäben sich neue Chancen für Bern, so Olibet.

Wer der Koalition mit Sitz in Nürnberg beitritt, verpflichtet sich, einen Aktionsplan umzusetzen. Zehn Punkte sind darin aufgeführt, die es in verstärktem Mass zu befolgen gilt: Wachsamkeit gegenüber Rassismus, Unterstützung für die Opfer, Bekämpfung von Diskriminierung durch Bildung und Erziehung oder Förderung der kulturellen Vielfalt zum Beispiel. Auch muss die Stadt Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt fördern und als Arbeitgeberin alle gleich behandeln.

Mit Vielfalt gegen Einfalt

Der Beitritt Berns geht auf ein Postulat im Stadtrat zurück. 2006 forderten Grünes Bündnis/Junge Alternative! die Zugehörigkeit zur Städte-Koalition. Da nun dabei, hat die Stadt insgesamt 37 Massnahmen in einem Aktionsplan aufgenommen. Die Federführung liegt beim städtischen Kompetenzzentrum für Integration. "Mit Vielfalt gegen Einfalt" wolle man vorgehen, sagte Ursula Heitz, Leiterin des städtischen Kompetenzzentrums Integration. Nun habe man dafür "ein griffiges Instrumentarium".

Damit will man einerseits eine Sensibilisierung in der Bevölkerung erreichen, denn "Rassismus findet oft unterschwellig statt", sagte Heitz. Den Anfang bildet eine Ausstellung einer Plakatserie, wo sich befreundete Junge unterschiedlicher Hautfarbe zeigen und eine Botschaft verkünden. Diese Bilder werden ab dem 23. Juni in der Predigergasse 5 gezeigt, dem meistbesuchten Verwaltungsgebäude Berns, wo Menschen aus 150 Nationen leben.

Gegen Rassismus - für Integration

Anderseits will man die Integration fördern. "Rassismus schafft Ausgrenzung und wirkt damit integrationshemmend", sagte Heitz. Beispielsweise wird nun das nächste Forum der "Migrantinnen und Migranten der Stadt Bern" vom 16. September dem Thema Diskriminierung gewidmet.

Und schliesslich soll mit dem Beitritt auch ein Zeichen gesetzt werden. Rassismus sei keine natürliche gesellschaftliche Erscheinung, so Heitz. Die politischen Autoritäten müssten entschieden dagegen Stellung nehmen.

Eine Vielzahl von Institutionen in der Stadt Bern nimmt sich bereits des Problems des Rassismus an. Der nun vorgestellte Aktionsplan sei nur eine Erweiterung dieser bestehenden Angebote, so Olibet. Pionierleistungen etwa durch die Beratungsstelle "gggfon" oder die Aktion "Gemeinsam gegen Rassismus" unterstütze die Stadt weiterhin und würden keineswegs hinfällig durch die neuen Pläne.

Noch stehen viele der vorgeschlagenen Massnahmen erst vor der Prüfung, etwa, ob städtische Angestellte ein Merkblatt zu Rassismus erhalten, oder ob eine Stelle für bei der Wohnungssuche Benachteiligte geschaffen wird. Die meisten verursachen keine Kosten oder werden durch das Globalbudget abgedeckt. Die allenfalls entstehenden Aufwände könnten derzeit noch nicht abgeschätzt werden, so Edith Olibet.

Die wenigsten Fälle gemeldet

Hat Bern ein grösseres Problem mit Rassismus? "Das ist schwierig zu sagen", meinte dazu Marianne Helfer, Fachspezialistin des Kompetenzzentrums. "Die wenigsten Fälle werden ja tatsächlich gemeldet." Einerseits seien die Beratungsstellen vielen unbekannt, anderseits trauten sich viele nicht, sich zu melden. "Sicher aber haben wir ein Problem mit Einlassverweigerungen in Clubs." Dies werde aber jetzt ja bekämpft - ein Merkblatt für Clubs, Bars und Restaurants wurde dazu erarbeitet.

In vier Jahren soll erstmals Bilanz gezogen werden. "Dann wird der Gemeinderat beschliessen, ob und welche neuen Massnahmen entwickelt werden", sagte Ursula Heitz. Schon in zwei Jahren aber muss nach Nürnberg Bericht erstattet werden über die Massnahmen.

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Weltweit und wirkungsvoll

Die Internationale Städte-Koalition gegen Rassismus wurde auf Initiative der Unesco 2004 in Nürnberg gegründet. Das Ziel der Koalition ist ein weltweites Netzwerk von Städten für den wirkungsvollen Kampf gegen Rassismus und Diskriminierungen. Um den Eigenheiten der Weltregionen gerecht zu werden, wurden in der Folge weitere Koalitionen gegründet: Afrika (seit 2006), Asien/Pazifik (2006), Lateinamerika/Karibik (2006), Nordamerika (2007) und seit neuestem im arabischen Raum (2008). In Europa gehören über 80 Städte aus 17 Ländern der Koalition an. In der Schweiz sind nun, abgesehen von Basel, die sechs grössten Städte Mitglied. Vor Bern waren schon Genf, Lausanne, Winterthur und Zürich beigetreten. "Vor allem mit Zürich wollen wir einen engen Austausch pflegen", sagt Marianne Helfer, Fachspezialistin im Kompetenzzentrum Integration der Stadt Bern. "Sie haben schon etwas länger Erfahrung, und so können wir von ihnen profitieren." Nichts bekannt ist Helfer aber über die Erfahrungen der gesamten Koalition. Sie sei erst vor fünf Jahren gegründet worden, und viele Städte seien nicht von Anfang an dabei. Zudem nehme Bern erstmals an der Jahreskonferenz der Koalition teil. "Nun aber", sagt Helfer, "werden wir den Kontakt suchen." (joh)

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POLIZEI VS JUGEND
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Bund 5.6.09

Jugendliche auf der Flucht

Die Flucht vor der Polizei kann fatale Folgen haben - für einen 17-Jährigen in Biel endete sie tödlich

Jugendliche fliehen oft vor Polizeikontrollen - in Biel endete dies tragisch. Das Unglück zeigt, wie schwierig es für die Polizei ist, verhältnismässig zu reagieren. Die Behörden erklären den Fall nach nur zwei Tagen für abgeschlossen.

Anita Bachmann

Am Samstag kommt ein 17-Jähriger in Biel ums Leben, als er vor der Polizei flüchtet. Zu dritt sind die Jugendlichen frühmorgens um drei Uhr mit einem Lagerwagen Holz unterwegs, als sie der Polizei in einem Streifenwagen auffallen. Die Jugendlichen ergreifen die Flucht, zwei Polizisten nehmen die Verfolgung auf. Die zwei jungen Männer und eine junge Frau verschwinden zwischen abgestellten Zügen, wo es zum Unglück kommt. Der 17-Jährige wird von einem Zug erfasst und tödlich verletzt.

Glimpflich verläuft eine Flucht von vier Jugendlichen in Thun am 9. Mai. Ebenfalls in aller Frühe fahren die Jugendlichen zu viert auf einem Roller. Um einer Polizeikontrolle zu entgehen, flüchtet der Lenker mit seinen drei Mitfahrern stadtauswärts. Die Flucht geht abrupt zu Ende. Die vier kollidieren mit einem Metallpfosten und stürzen zu Boden. Zwei müssen mit leichten Verletzungen ins Spital gebracht werden. Zehn Tage später werden in Spiez ein 20- und ein 17-Jähriger nach einer wilden Verfolgungsjagd durch die Polizei gestoppt. Mit einem gestohlenen Auto hatten die jungen Männer versucht, mit haarsträubender Geschwindigkeit und unter Selbst- und Drittgefährdung einer Polizeikontrolle zu entgehen.

Zwei Versionen sind richtig

Jagt die Polizei Jugendliche? "Heute verfolgen sie uns. Morgen werden sie auf uns schiessen", schreiben "Solidarische Jugendliche" auf einem Flugblatt, das nach dem Tod des 17-Jährigen in Biel verteilt wird. "Was ist mit gewissen Leuten los?", pariert der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (fdp) die Frage, was mit der Kantonspolizei los sei. Entweder werde die Polizei als zu schnell oder zu langsam, zu hart oder zu lasch kritisiert - aber in 99 Prozent der Fälle sei sie genau richtig, sagt Käser.

Hinter den "Solidarischen Jugendlichen" steckt angeblich eine linksautonome Hausbesetzerszene aus Biel, die den Vergleich mit der französischen Banlieue oder den Strassen Athens nicht scheut. Die beiden Jugendlichen, die mit dem 17-Jährigen vor der Polizei flüchteten, distanzieren sich laut "Bieler Tagblatt" von den Urhebern des Flugblatts. Die 17-jährige Freundin des Verstorbenen und ein 19-jähriger Kollege suchen die Redaktion des "Bieler Tagblatts" auf und geben verwirrliche Aussagen zu Protokoll. Die Polizei habe sie nicht gehetzt, sie seien auf dem ersten Gleis stehen geblieben, sagen sie. Kurz darauf geben sie eine andere Version preis: Sie seien gejagt worden, von nicht weniger als fünf Polizisten.

Die Kantonspolizei gibt sich zugeknöpft, bis sie sich zwei Mal erklären muss. Die Polizei spricht von zwei Polizisten, die Jugendlichen von fünf - beides stimme. Zwei verfolgten die Jugendlichen, weitere drei Polizisten seien aber im Streifenwagen sitzen geblieben und erst nach dem Unglück dazugekommen. Auf das Flugblatt reagiert die Polizei am Montag mit einem Communiqué: Es sei der Verdacht geäussert worden, die Polizei habe die Jugendlichen gehetzt und den Tod des Jugendlichen provoziert. "Die Polizisten haben korrekt gehandelt, es wird kein Verfahren gegen sie eröffnet", heisst es.

Fall schnell abgeschlossen

Erst mit Hilfe des zuständigen Staatsanwalts beantwortet die Untersuchungsrichterin die Frage, ob damit der Fall abgeschlossen sei: "Die diesbezüglichen Ermittlungen sind abgeschlossen." Die Aussagen des Zugführers, der Polizisten und der Jugendlichen seien übereinstimmend, ausser dem Institut für Rechtsmedizin seien keine weiteren Fachstellen involviert, welche Gutachten einreichen müssten.

"Das erscheint mir schnell", sagt Markus Müller, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Bern. Ein solcher Vorfall müsse genau analysiert werden: "Wenn jemand ums Leben kommt, ist ein Fehler passiert", sagt Müller. Die Frage sei dann, ob jemand für diesen Fehler verantwortlich sei. Wenn sich herausstelle, dass die Jugendlichen bloss Holz gestohlen hätten, sei der Polizeieinsatz im Rückblick "oberunverhältnismässig". "Andererseits muss ich die Polizei aber auch in Schutz nehmen. Um zu beurteilen, ob sie verhältnismässig gehandelt hat, müsste man die Verhältnisse genau kennen", sagt der Professor. Die Polizei sehe vielleicht nicht, dass einer 17-jährig sei, und schon gar nicht, was er gemacht habe. Für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, sei der Auftrag der Polizei, und wenn sie dies unterlasse, werde sie ebenfalls kritisiert.

Junge geraten in Panik

"Jugendliche reagieren manchmal wie Schwerverbrecher", erklärt Müller. Junge Menschen könnten bereits in Panik geraten, wenn sie von der Polizei auf dem Fahrrad ohne Licht angehalten würden. "Darauf muss sich die Polizei mehr vorbereiten", sagt er. Hooligans würden immer jünger, und an Demos komme es vor, dass bereits Kinder am Rand halb mitmachten. Die Polizei werde immer öfter vor die schwierige Frage gestellt, wann sie eingreifen muss.

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BIG BROTHERS VS HOOLIGAN-GRIPPE
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bernerzeitung.ch 5.6.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Viele-YBFans-waren-schon-namentlich-bekannt/story/28121793 (mit Telebärn-Bericht 4.6.09)

"Viele YB-Fans waren schon namentlich bekannt"

Die Kantonspolizei Bern hat neue Hooligan-Bilder vom Cupfinal YB-Sion ins Netz gestellt. Bereits konnten 69 Straftäter identifiziert werden, darunter seien mehr Berner Fans.

Bei den Schlägereien vor dem Cupfinal im Berner Bahnhof haben Fussballfans auch Knallpetarden gezündet. Vier Kantonspolizisten aus dem Seeland, die im Ordnungsdienst standen, erlitten wegen der lauten Knalle einen Hörschaden. Alle vier Ordnungshüter mussten sich nach dem Dienst ärztlich behandeln lassen. "Nach zwei Wochen langer medizinischer Betreuung sind drei auf dem Weg zur Besserung", gab gestern Kantonspolizei-Mediensprecher Jürg Mosimann bekannt. Nach seinen Angaben leide der vierte Polizist jedoch noch immer unter den Nachwirkungen. "Ob er einen bleibenden Schaden davontragen wird, kann noch nicht gesagt werden", meinte Mosimann.

69 Hooligans identifiziert

Im Rahmen ihrer Ermittlungen der Ausschreitungen rund um den Cupfinal hat die Kantonspolizei Bern bisher 69 Personen identifiziert; 4 davon nach der Veröffentlichung im Internet. Zu den identifizierten Personen gehören auch diejenigen, welche am 20.Mai 2009 angehalten wurden. 10 Personen wurden bereits zur Anzeige gebracht, weitere Anzeigen werden folgen.

Neue Bilder im Internet

Auf dem ausgewerteten Filmmaterial konnten mehrere Straftäter aus dem Umfeld der YB-Anhängerschaft erkannt werden. In diesen Fällen gibt es keinen Anlass, die betreffenden Personen zusätzlich noch im Internet zu veröffentlichen. Bei den Ermittlungen nach unbekannten Personen aus dem Wallis arbeitet die Kantonspolizei Bern mit den dortigen Strafverfolgungsbehörden zusammen. Gestern hat die Polizei weitere neun Bilder mit Tätern zur Identifizierung unter www.police.be.ch veröffentlicht.

Mehr Berner Fans

Weil im Internet mehr Walliser Fans aufgeschaltet sind, entstand in Teilen der Bevölkerung subjektiv der Eindruck, die Walliser seine gewalttätiger gewesen. "Dieser Eindruck täuscht", sagt Jürg Mosimann. Denn: "Im Filmmaterial hat die Polizei viele YB-Fans erkannt, die ihr namentlich bekannt sind. Deshalb mussten sie zwecks Identifikation nicht ins Internet gestellt werden." Nach seinen Angaben gab es gesamthaft mehr zu identifizierende Fans aus den Reihen von YB als aus dem Wallis.

Informationen an die Polizei: 031 634'41'11 (Jürg Spori/rue/bz)

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BZ 5.6.09

KnallPetarden am Cupfinal

 Vier Polizisten erlitten Hörschaden

Weil Fans am Cupfinal im Bahnhof neben Polizisten Knallpetarden zündeten, erlitten vier Gesetzeshüter einen Hörschaden.

Bei den Schlägereien vor dem Cupfinal im Berner Bahnhof haben Fussballfans auch Knallpetarden gezündet. Vier Kantonspolizisten aus dem Seeland, die im Ordnungsdienst standen, erlitten wegen der lauten Knalle einen Hörschaden. Alle vier Ordnungshüter mussten sich nach dem Dienst ärztlich behandeln lassen.

"Nach zwei Wochen langer medizinischer Betreuung sind drei auf dem Weg zur Besserung", gab gestern Kantonspolizei-Mediensprecher Jürg Mosimann bekannt. Nach seinen Angaben leide der vierte Polizist jedoch noch immer unter den Nachwirkungen. "Ob er einen bleibenden Schaden davontragen wird, kann noch nicht gesagt werden", meinte Mosimann.

69 Hooligans identifiziert

 Im Rahmen ihrer Ermittlungen der Ausschreitungen rund um den Cupfinal hat die Kantonspolizei Bern bisher 69 Personen identifiziert; 4 davon nach der Veröffentlichung im Internet. Zu den identifizierten Personen gehören auch diejenigen, welche am 20.Mai 2009 angehalten wurden. 10 Personen wurden bereits zur Anzeige gebracht, weitere Anzeigen werden folgen.

Neue Bilder im Internet

Auf dem ausgewerteten Filmmaterial konnten mehrere Straftäter aus dem Umfeld der YB-Anhängerschaft erkannt werden. In diesen Fällen gibt es keinen Anlass, die betreffenden Personen zusätzlich noch im Internet zu veröffentlichen. Bei den Ermittlungen nach unbekannten Personen aus dem Wallis arbeitet die Kantonspolizei Bern mit den dortigen Strafverfolgungsbehörden zusammen. Gestern hat die Polizei weitere neun Bilder mit Tätern zur Identifizierung unter www.police.be.ch veröffentlicht.

Mehr Berner Fans

Weil im Internet mehr Walliser Fans aufgeschaltet sind, entstand in Teilen der Bevölkerung subjektiv der Eindruck, die Walliser seine gewalttätiger gewesen. "Dieser Eindruck täuscht", sagt Jürg Mosimann. Denn: "Im Filmmaterial hat die Polizei viele YB-Fans erkannt, die ihr namentlich bekannt sind. Deshalb mussten sie zwecks Identifikation nicht ins Internet gestellt werden." Nach seinen Angaben gab es gesamthaft mehr zu identifizierende Fans aus den Reihen von YB als aus dem Wallis.

Jürg Spori

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Bund 5.6.09

69 Personen identifiziert

Cupfinal Die Kantonspolizei bleibt in Sachen Strafverfolgung von gewaltbereiten Fussballfans hartnäckig. Gestern gab sie bekannt, dass im Zusammenhang mit den Vorkommnissen rund um den Cupfinal YB - Sion vom 20. Mai bisher 69 Personen identifiziert werden konnten; vier davon nach der Veröffentlichung im Internet. Weitere Bilder von Verdächtigen würden nach der Sichtung des Bildmaterials ins Internet gestellt, kündigt die Polizei an.

Auf dem bisher ausgewerteten Filmmaterial konnten mehrere mutmassliche Straftäter aus dem Umfeld der YB-Anhängerschaft erkannt werden. In diesen Fällen gibt es keinen Anlass, die betreffenden Personen zusätzlich noch im Internet bildlich zu veröffentlichen. Bei den Ermittlungen nach unbekannten Personen aus dem Wallis arbeitet die Kantonspolizei Bern mit den dortigen Strafverfolgungsbehörden zusammen. (pd/ruk)

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RABE-INFO 5.6.09
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Radio RaBe 5.6.09

RaBe-Info 05.Juni 2009
http://www.rabe.ch/pod/get.php?web=RaBe-Info-2009-06-05-52420.mp3
- Harsche Kritik an Solothurner Auschaffungspraxis
- Gute Nachrichten aus Türkisch-Kurdistan
- Die Ressourcen für dieses Jahr sind bereits aufgebraucht

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BIERGARTEN VS ALKIS
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Solothurner Zeitung 5.6.09

Grenchen

Biergarten vertreibt Alkiszene

Die Randständigenproblematik auf dem Marktplatz hat sich deutlich verschärft

Mit ihrem Biergarten haben sich die Wirtsleute vom Restaurant Hot Soup, Sonja und Hanspeter Grosswiler, nicht nur Freunde gemacht. Weil sie die Randständigen vom Pärklein vertrieben, stören diese nun wieder das Gewerbe rund um den Marktplatzbrunnen. Zudem ist die "Bier- und Wurst-Bude" offiziell noch nicht einmal bewilligt.

Brigit Leuenberger

"Es sind Reklamationen eingegangen, wir wissen es", sagt Hanspeter Grosswiler. Er und seine Frau, Sonja Grosswiler, sitzen auf der Terrasse ihres Betriebes und rauchen eine Zigarette. Sie haben noch einen Moment Zeit, bevor der mittägliche Ansturm auf ihre Suppen beginnt. Die zwei Quereinsteiger sind mit dem Geschäftsgang vom "Hot Soup" zufrieden. "Die Gäste loben unsere Küche. Dennoch müssen wir uns zur Decke strecken, genau wie jeder hiesige Gastrobetrieb." Über den neu geschaffenen Biergarten sagt der Wirt: "Alles ist rechtens abgelaufen. Den Platz haben wir bei der Stadtpolizei, Festbude und Bänke von der Stadt gemietet. Zudem haben wir ein eigenes Häuschen bestellt und sehen uns nach einer Bestuhlung um. Wir wollen das Material der Stadt nicht allzu lange beanspruchen."

Etwas anders sieht dies Stadtbaumeister Claude Barbey. "Das Baugesuch ist erst eingegangen, als die Bude schon stand", sagt er. Der Biergarten sei offiziell noch gar nicht bewilligt. "Strassencafés müssen öffentlich publiziert werden." Die Baudirektion habe das Ehepaar Grosswiler dennoch nicht behindern wollen. "Es ist im Interesse aller, dass der Marktplatz stärker belebt wird. Darüber gibt es sogar einen Gemeinderatsentscheid." Der Stadtbaumeister findet, dass es dem Konzept noch an "Design und Finish" fehle. "Es muss architektonisch ins Bild passen. Aber daran wird ja gearbeitet."

In der Existenz bedroht

Der Biergarten steht aber nicht in erster Linie wegen der fehlenden Baubewilligung bei so manchem Gewerbler in der Kritik. Unverhofft hat dieser die Diskussion um die Randständigenproblematik auf dem Marktplatz neu angeheizt. Die Alkiszene, die sich eine Zeit lang unter den Bäumen getroffen hat, ist in die Mitte des Platzes zurückgekehrt. "Ich sagte ihnen, dass ich für den Platz Miete bezahle und sie nicht hier haben will. Das haben sie verstanden", sagt Hanspeter Grosswiler.

Nun treffen sich die Randständigen bei schönem Wetter wieder beim Brunnen vor der Drogerie Arnold. "Ich hatte eine Weile Ruhe und habe diese wirklich genossen", betont Geschäftsführer Markus Arnold. Nun würden diese "Happenings" wieder direkt vor seiner Ladentüre stattfinden. "Wenn der Alkoholpegel gegen Nachmittag hin steigt, wird es laut. Zudem stören die vielen Hunde." Das Problem der Alkiszene sei nach wie vor ungelöst, stellt der Drogist klar. "Ich sage, was ich immer sage: Diese Szenenbildung ist eine schlechte Visitenkarte für die Stadt. Zudem wirkt sie für mich geschäftsschädigend."

Kioskbesitzer Peter Manta bläst ins gleiche Horn: "Wir müssen arbeiten, damit wir überleben können. Und diese perspektivlosen Leute bedrohen unsere Existenz."

Mehr Leben - weniger Szene?

Der Stadtbaumeister kann zwar Baubewilligungen erteilen, nicht aber Randständige umsiedeln. Doch auch er findet, dass diese Problematik angegangen werden muss. "Meiner Meinung nach braucht es noch mehr Strassencafés. Der Biergarten zeigt es deutlich: Belebt sich der Marktplatz, verschwindet die Szene." Nur wenige Möglichkeiten, gegen die Alkiszene vorzugehen, hat Stadtpolizeikommandant Robert Gerber: "Wenn sie zu laut sind oder sich prügeln, können wir sie verwarnen und für eine Weile wegweisen. Das tun wir auch laufend, hat aber keine nachhaltige Wirkung."

Dass ihre Idee die Randständigen wieder in die Mitte des Platzes getrieben hat, tut Hanspeter Grosswiler Leid. Aber: "Vorher waren sie bei mir und haben mich gestört. Ich kann doch nicht den ganzen Platz retten." Allerdings, so betont er, wäre es auch ihm lieber, wenn die Szene gänzlich verschwinden würde. "Ich wünschte mir, dass sich unser Stadtpräsident mal einen Nachmittag lang bei uns auf die Terrasse setzt und die Szene beobachtet. Dann könnte man gleich gemeinsam nach Lösungen suchen."

Grosswilers drücken ihre Zigaretten aus und erheben sich. Die ersten Gäste haben sich an einen Tisch gesetzt und studieren die Speisekarte.

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Nachgefragt

"Das sind nicht unsere Leute"

Kurt Boner, warum kann das Sozialamt die Randständigen auf dem Marktplatz nicht beschäftigen?

Kurt Boner: Fakt ist, dass diese Leute grossmehrheitlich nicht von uns betreut werden, also gar keine Sozialhilfe beziehen.

Was heisst grossmehrheitlich?

Boner: Natürlich ist hin und wieder einer dabei aus unseren Reihen, der bei einem Programm sein sollte und nicht dort ist. Wir versuchen jedoch, das Gegenleistungsprinzip zu 100 Prozent durchzusetzen. Konkret heisst das, wenn einer bei den Programmen, beispielsweise Waldwege instand stellen, nicht mitmacht, wird ihm die Sozialhilfe gekürzt oder ganz gestrichen.

Und das gelingt in jedem Fall?

Boner: Das System ist natürlich nicht perfekt. Sanktionen lassen sich nicht immer sogleich umsetzen. Manchmal gibt man jemandem auch eine zweite Chance. Zudem sind auch wir manchmal ratlos und wissen bei einer Person, bei der man alles versucht hat, nicht weiter. Aber nochmal: Diese Leute sind in aller Regel keine Sozialhilfebezüger.

Wovon leben sie denn dann?

Boner: Es gibt Leute in dieser Szene, die gehen einer geregelten Arbeit nach und haben eine Wohnung. Einige kommen auch von auswärts, sind also keine Grenchner. Zudem gibt es andere Möglichkeiten, an Geld heranzukommen: Manche erhalten IV, weil sie ein körperliches oder seelisches Gebrechen haben. Andere werden von ihren Eltern unterstützt, prostituieren sich oder stehlen.

 interview: bel

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GASSENKÜCHE LU
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NLZ 5.6.09

K+A in Gassenküche

Stadt appelliert an die Landschaft

rs. Die Stadt Luzern erhofft sich bei der Finanzierung der Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige (Fixerraum) in der Gassenküche die Solidarität der Gemeinden auf der Landschaft. Das kam gestern im Stadtparlament zum Ausdruck, als der Bericht über den bisherigen Probebetrieb und die geplante Aufstockung der Gassenküche um eine Etage behandelt wurde.

Kreditentscheid Ende Juni

Der ZISG der Zweckverband aller Luzerner Gemeinden für institutionelle Sozialhilfe und Gesundheitsförderung wird Ende Juni über die Finanzierung der K+A befinden müssen. Würde der Kredit nicht bewilligt, so müsste die K+A geschlossen werden, oder die Stadt könnte entscheiden, nur Stadtluzerner einzulassen. Stadtrat Ruedi Meier zeigte sich allerdings optimistisch, dass sich neben der Agglomeration auch die Landschaft solidarisch zeigen werde.

Ausser der SVP sagten gestern alle Fraktionssprecher, der K+A-Betrieb in der Gassenküche sei erfolgreich und die geplante räumliche Erweiterung sei nötig und sinnvoll. Besonderen Wert legt das Stadtparlament auf Ordnung und Sicherheit in der Umgebung der Gassenküche.

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20min.ch 4.6.09

Fixerraum soll bei Gassechuchi bleiben

Das Luzerner Stadtparlament befürwortet den Ausbau der Gassechuchi in Luzern. Die Weiterführung der Kontakt- und Anlauf stelle (K+A) am Geissen­steinring wurde von den meisten Mitgliedern begrüsst.

Kritik am Projekt übte die SVP.
In der K+A stehen den Drogenkonsumenten ein Injektions- sowie ein Raucherraum zu Verfügung. Eine Pilotphase hat gezeigt, dass die Räumlichkeiten täglich von über 100 Personen genutzt werden. Die K+A war in die Gassechuchi verlegt worden, nachdem der Fixerraum im ehemaligen Restaurant Geissmättli auf wenig Interesse gestossen war. Nun soll das Gassechuchi-Gebäude aufgestockt und zusätzliches Personal eingestellt werden. Die definitive Entscheidung liegt aber beim Zweckverband Sozialhilfe und Gesundheitsförderung, der die Gemeinden des Kantons vertritt. Dieser wird Mitte Monat tagen.

gus

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SEMPACH-DEMO
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20min.ch 4.6.09

Sempach: Unia steht hinter Juso

In der Diskussion um Rechtsextreme an der Schlachtjahrzeit in Sempach unterstützt die Unia-Jugend Zentralschweiz nun die Juso. Dies, nachdem sich der Sempacher Stadtrat bei einer Aussprache mit der Juso nicht klar gegen die Rechtsradikalen gestellt hat.

"Der Stadtrat macht sich es einfach und drängt die Juso ebenfalls in die Extremistenecke", sagt Urban Hodel von der Unia. Die Juso mit Cédric Wermuth als SP-Vizepräsident seien alles andere als eine radikale Gruppierung. Der Stadtrat hatte der Juso gesagt, Rechts- wie Linksextreme seien nicht erwünscht.

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ROSA WINKEL
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NZZ 5.6.09

In Zürich getroffen

Rudolf Brazda - mit dem rosa Winkel im KZ

Der 96-jährige Überlebende ist Ehrengast an der Euro-Pride

 brh. Einen derart angenehmen, frühsommerlich-milden Nachmittag wie am gestrigen Donnerstag verbringen die Zürcher Stadtbewohner, die es nobel und lauschig zugleich mögen, gerne im seenahen Garten des "Baur au Lac". Es ist auch ein Ort, an den man sich mit auswärtigen Gästen zurückzieht, um in Ruhe reden zu können. Und so setzt sich also ein zierlicher älterer Herr im hellen Gewand mit seinen Begleitern an einen Tisch, bestellt gutgelaunt Kaffee und Erdbeertörtchen - und kommt anschliessend kaum zum Essen.

 Ehrengast am Galadiner

 Er beginnt nämlich sogleich zu erzählen, in klaren, konzentrierten Sätzen, er nennt Daten, Personen und Orte des Schreckens, ohne lange überlegen zu müssen, und es ist ihm völlig egal, ob der Kaffee nun kalt wird oder nicht. Rudolf Brazda, ehemaliger Staatsbürger der ehemaligen Tschechoslowakei, geboren in Deutschland und heute Franzose, 96-jährig und homosexueller KZ-Überlebender, berichtet aus seinem Leben. Es sind ein paar wenige Stationen nur, die er erwähnen kann; die Zeit drängt, noch am gleichen Abend ist er Ehrengast am Galadiner der Euro-Pride in Zürich. Deswegen hat er die Strapazen einer Reise von Mülhausen in die Limmatstadt auf sich genommen, und falls es seine Kräfte zulassen und es nicht gerade aus allen Kübeln giesst, wird er am Samstag an der grossen Parade durch die Innenstadt teilnehmen. Rudolf Brazda ist für die Gay-Bewegung ein wichtiger Zeitzeuge - vermutlich einer der letzten, die noch leben und von den Misshandlungen unter der Hitler-Diktatur berichten können. Der 96-Jährige hat drei Jahre im KZ Buchenwald überlebt, und das war nur der Höhepunkt einer langen, systematischen Verfolgung durch die Nazi-Schergen. Brazda gehörte als bekennender Homosexueller nicht ins rassistische, menschenverachtende Gesellschaftskonzept des Führers: "Für Hitler waren wir Behinderte, für die es im Dritten Reich keinen Platz gab", sagt Brazda.

 Kurze, unbeschwerte Jahre

 1937 kam es zu einer ersten Verhaftung und Gefängnisstrafe, dann wurde der junge Dachdecker des Landes verwiesen, flüchtete in die Tschechoslowakei, wo er nicht lange unbeschwert leben konnte. Hitler annektierte das Land, Brazda wurde ein zweites Mal als Homosexueller denunziert und verhaftet. Nach einem erneuten Gefängnisaufenthalt deportierten ihn die Häscher ins nahe gelegene Konzentrationslager von Buchenwald. Rudolf Brazda war 29 Jahre alt, als er am 8. August 1942 erstmals das Lager betrat. An seiner gestreiften Häftlingskleidung wurde ein rosa Winkel befestigt - das Zeichen für die Schwulen. Brazda teilte seine Baracke mit rund fünfzig Leidensgenossen, deren Uniformen mit Winkeln verschiedenster Farben gekennzeichnet waren: "Rot für die Politischen", erinnert er sich, "Grün für die Schwerverbrecher oder Schwarz für die Asozialen."

 Warum er überlebt habe? "Ich hatte Glück! Einfach nur Glück. Immer wieder Glück, und das gilt bis heute", sagt Rudolf Brazda und gönnt sich endlich einen Biss. Er sei wohl nur deshalb mit dem Leben davongekommen, weil sich verschiedene Lagervorgesetzte, sogenannte Kapos, in ihn verliebt hätten. Sie sorgten dafür, dass der gutaussehende, feminine Häftling von der strengen Arbeit im Steinbruch befreit wurde, sie liessen von den sonst üblichen tödlichen Schikanen ab oder sorgten dafür, dass er von den SS-Aufsehern nicht ermordet wurde. Als im April 1945 ruchbar wurde, dass amerikanische Truppen die Befreiung des Lager planten, versteckte er sich mit Hilfe eines ihm wohlgesinnten Vorgesetzten im Schweinestall, bis die Befreier kamen: um zu verhindern, dass er auf einen der Todesmärsche geschickt wurde, die nun begannen.

 "Ach, ich könnte Ihnen noch so viel Schreckliches, Grauenvolles erzählen", sagt der alte Mann. So viele hat er sterben sehen. So viele sind im Lager abgeführt worden und kamen nie mehr zurück. "Aber, wissen Sie, es ist mir auch sehr viel Schönes passiert, vorher und nachher." Rudolf Brazda zog nach der Befreiung mit einem Freund nach Mülhausen, wo er 1950 seinen Lebenspartner Edi kennenlernte. Das Paar zimmerte sich gemeinsam ein Haus, und als der wesentlich jüngere Edi einen schweren Arbeitsunfall erlitt und den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen musste, hatte er einen Partner an seiner Seite, der stets zu ihm hielt und ihn bis zu seinem Tode pflegte. Auch von diesem Teil seines Lebens erzählt Brazda mit Dankbarkeit. Er habe es gut gehabt, sie hätten viele schöne Reisen gemacht, Edi und er. Und überhaupt: das Verliebtsein in jungen Jahren, bevor Hitler kam, die vielen Küsse und Umarmungen, die Tanzveranstaltungen mit manchen überraschenden Begegnungen.

 Der 96-Jährige geht bis heute offen, herzlich und neugierig auf die Menschen zu, freut sich über neue Gesichter und das Interesse an seiner Geschichte. Wenn er jungen Homosexuellen eine Botschaft hinterlassen will, dann ist es vor allem die: Dass sie den demokratischen Werten stets Sorge tragen und sich gegen jeglichen Extremismus wehren sollen.