MEDIENSPIEGEL 14.6.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Skatepark Vorplatz
- Bekult: Interessenbündelung
- Graffitti: Revovationsknatsch
- Kofmehl: Fumoir-Theater
- Bahnhof BE Season 2009
- Big Brother Schule: Teilentfernung Kameras
- Big Brother Video in Wichtrach
- Hooligan-Grippe: Vermummungsverbot und anderes
- RTS-Repression Biel: Tipps
- Neonazi-Treff Langenthal: AnwohnerInnen-Widerstand
- Drogenszene Winterthur: Opposition
- Homophobie: Angriffe auf Prides in Zagreb + Warschau
- Anti-Atom: BetreiberInnen-Streit um neue AKW-Standorte

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REITSCHULE
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So 14.06.09
18.00 Uhr - Rössli - Pianobar

Mi 17.06.09
19.00 Uhr - SousLePont - Vietnam Spezialitäten

Do 18.06.09
21.00 Uhr - Rössli - Monoblock B. - Electro-Punkwave

Fr 19.06.09
21.00 Uhr - Tojo - Frauenchor der Reitschule Konzert
22.00 Uhr - Dachstock - EAGLES OF DEATH METAL (usa), Support: The Come‘n Go (ch) - rrrrock!!!

Sa 20.06.09
21.00 Uhr - Tojo - Frauenchor der Reitschule Konzert. Anschliessend Disko mit DJane Anouk Amok
22.00 Uhr - Frauenraum - DROWNING DOG & DJ MALATESTA (Rap/Hip-Hop/Electronica, San Francisco, USA). Support: Anna (ZH), DJ p-tess
22.00 Uhr - SousLePont - One Love Jam mit Firefuckers (Bern, Balkan Beat), Preshow BBQ on Vorplatz, Afterparty mit DJ's Side by Cide u.v.a.

So 21.06.09
18.00 Uhr - Rössli - Pianobar

Infos: www.reitschule.ch

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SKATEPARK
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BZ 13.6.09

Skatepark vor der Reitschule

Auf der Schützenmatte in Bern soll ein Skatepark gebaut werden. Der Stadtrat sagt Ja zum Projekt und begrüsst die Aufwertung.

Ein Park für Skateboarder, Rollschuhfahrer, Inlineskater und BMX-Fahrer soll auf der Schützenmatte in Bern eingerichtet werden. Mit 57 zu 9 Stimmen sagte der Stadtrat am Donnerstag Ja zu einem entsprechenden Vorstoss, den der heutige Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) noch als Stadtrat gemeinsam mit Susanne Elsener (GFL) eingereicht hatte. Mit dem Ja zur Motion hat das Stadtparlament einen Planungskredit von 28000 Franken gesprochen.

Aufwertung für Vorplatz

Im Stadtrat gab es fast nur Lob für die Idee: "Ein Skatepark entschärft die Situation auf dem heute düsteren Vorplatz der Reitschule", sagte Béatrice Wertli (CVP). "Das Projekt wird den Vorplatz aufwerten", glaubt Motionärin Susanne Elsener. Ruedi Keller (SP) begrüsste das Projekt ebenfalls, "solange alle rechtlichen Bedingungen erfüllt sind". Allerdings dürfe die Gesamtplanung der Schützenmatte deswegen nicht ins Stocken geraten.

Freude über den Entscheid des Stadtrats hat man auch bei der Reitschule. "Endlich wurde im Parlament wieder einmal über eine nicht-repressive Massnahme zur Verbesserung der Situation auf dem Vorplatz debattiert", schreibt die Mediengruppe der Reitschule.

Der Skatepark soll durch den Verein "sk8.be" selbsttragend betrieben werden. Die Stadt setzt für die Planung den einmaligen Beitrag von 28000 Franken ein. Der Gemeinderat will sich dafür einsetzen, den Park "möglichst bald mit einem überzeugenden Konzept und einer gesicherten Finanzierung" eröffnen zu können.

Der Verein "sk8.be" sucht nach wie vor Leute, welche das Projekt unterstützen und verkauft Anteile der Skaterbahn quadratzentimeterweise.
mm

Infos: http://www.sk8.be

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Bund 13.6.09

Skater-Park vor Reitschule

Berner Stadtrat Der Vorplatz der Reitschule bekommt einen Skater-Park. Der Stadtrat hat am Donnerstag diese Aufwertungsmassnahme mit 57 zu 9 Stimmen gutgeheissen. Der Gemeinderat soll die Voraussetzungen für die Erteilung der Baubewilligung schaffen. GFL und CVP hatten das Anliegen eingebracht. Der Gemeinderat stellte einen Kredit von 28000 Franken in Aussicht unter der Bedingung, dass der Verein "sk8be" den Park mit der nötigen Sicherheit betreiben könne. (sda)

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BEKULT
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Bund 13.6.09

Lobby für die Kultur

Bekult bündelt Interessen von 50 Berner Veranstaltern

Grosse Kulturstätten machen mit, aber auch Off-Off-Stätten und Kleinverlage: Der Berner Dachverband Bekult will die Interessen der Kulturveranstalter bündeln und ihnen bei der Politik Gehör verschaffen. Am Montag wird der erste Bekult-Präsident gewählt: Kandidat ist Christian Pauli, Ko-Betriebsleiter der Dampfzentrale. Der 45-jährige Pauli ist sich bewusst, dass die verschiedenen Kulturanbieter zum Teil divergierende Interessen haben. Dennoch glaubt er, dass es Gemeinsamkeiten gibt, die Bekult mit mehr Nachdruck vertreten kann. Die Diskussion in Bern, ob Kultur überhaupt mit Geld unterstützt werden soll, findet der Gründer des Cafés Kairo in der Lorraine grotesk. Von der neuen Kultursekretärin erwartet Pauli etwas mehr ansteckende Energie. (mdü)

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"Eigentlich verrückt, was da geschieht"

Die Berner Kulturveranstalter formieren sich: Am Montag gründen sie den Dachverband Bekult - Präsident soll Christian Pauli werden

Über fünfzig Kulturveranstalter werden dem Dachverband Bekult angehören - alle wichtigen Institutionen sind beteiligt. Es sei wichtig, dass die Politik ein Gegenüber habe, sagt der designierte Bekult-Präsident Christian Pauli.

Interview: Simon Jäggi

Der Bund: Herr Pauli, handeln Sie sich gerne Ärger ein?

Christian Pauli: Warten wirs ab: Der Verein ist ja noch nicht gegründet. Wenn ich diesen Job - den Verband Berner Kulturveranstalter zu vertreten - aber tatsächlich übernehmen sollte, liegt es in der Natur der Sache, dass es auch einmal Ärger gibt. Mich interessiert aber nicht der Ärger, sondern die Diskussion.

Ist es überhaupt möglich, mit einer Stimme für die Berner Kulturszene zu sprechen? Bislang hat sich diese eher durch disharmonische Mehrstimmigkeit ausgezeichnet.

Man wird sehen. Auf dem Papier scheint es kaum möglich, vom Dancefloor-Schuppen bis zum Stadttheater, vom Symphonieorchester bis zum Kleinkunstkeller gemeinsame Worte zu finden. Als wir kürzlich im Vorstand die Mitgliederliste betrachteten, haben wir uns gesagt: Eigentlich verrückt, was hier geschieht - so viele unterschiedliche Institutionen schliessen sich zusammen. Es herrscht eine Art Euphorie und Aufbruchstimmung, und das macht extrem Freude.

Wozu braucht es diesen Verband überhaupt?

Seine Funktion ist eine ganz normale: Man gründet einen Verband verschiedener Institutionen, die gemeinsame Interessen haben - und auch divergierende. Aber die Bekult-Mitglieder haben eine Gemeinsamkeit: Sie möchten Bern als Kulturstadt interessanter und besser machen. Dies kann man tun, indem man eine Plattform für den Austausch bietet. Es gibt einige Diskussionen, die anstehen, bei denen es auch sinnvoll ist, wenn die Politik ein Gegenüber hat.

Zum Beispiel?

Die Stadttheater-Diskussion läuft, da können wir uns als frisch gegründeter Verband nicht einfach einklinken. Aber Fragen dieser Art sind ein Steilpass für unseren Verband. Bekult bietet die Möglichkeit, dass sich Betroffene treffen und sich in Ruhe besprechen können - abseits von Politik und Presse.

Gab es kulturpolitische Ereignisse, bei denen ein solcher Verband fehlte?

Ich nehme ein Beispiel, das mich selbst betraf: Bei den Verhandlungen der Leistungsverträge 2008 bis 2012 wurde in der Öffentlichkeit ein Konflikt zwischen Dampfzentrale und Kornhausforum hergestellt - obwohl die beiden einzelnen Entscheide direkt nichts miteinander zu tun hatten. Diese Diskussion wäre wohl anders verlaufen, hätte es Bekult als Verband schon gegeben.

Und wie verläuft sie künftig?

In der nächsten Subventionsperiode ab 2012 könnte es hart werden - es droht eine Sparrunde. Es ist im Interesse aller - auch der Institutionen, die keine öffentlichen Mittel erhalten -, dass das städtische Kulturbudget zumindest gehalten werden kann.

Die Verhandlungen der neuen Verträge beginnen in diesem Jahr - die erste Zerreissprobe für Bekult?

Selbstverständlich. Und wenn es diesen frisch gegründeten Verband zerreisst, dann muss man halt feststellen, dass es nicht möglich war. Aber es gibt ja auch in strittigen Fällen Wege, eine gemeinsame Antwort zu geben - etwa mit einem Hinweis, dass nicht alle mit der offiziellen Haltung einverstanden sind.

Hauptproblem der Berner Kulturförderung ist, dass die fünf grossen Institutionen achtzig Prozent der Mittel binden. Bekult vertritt auch die Grossen - und wird an diesem Missverhältnis nichts ändern.

Das ist eine Frage der Perspektive: Ich halte dies nicht zwingend für ein Missverhältnis. Es braucht die grossen Häuser - gerade in einer Stadt, die ein gewisses Gewicht haben will, und es braucht sie auch für die Kleinen. Die Off-Szene profitiert, wenn die grossen Häuser Anregungen liefern oder Anstoss erregen. Aber ich bin auch der Meinung, dass das Stadttheater Schwerpunkte setzen muss. Und natürlich brauchen auch kleine Veranstalter Unterstützung. Aus meiner Zeit im "Kairo" weiss ich, dass man als Kleinveranstalter mit zehntausend Franken extrem viel tun kann.

Wird im Verband auch der Progr zu reden geben? Dem "Bund" sagten Sie kürzlich, dass hier ein ätzendes Gerangel drohe.

Wir werden uns mit Sicherheit des Themas annehmen. Im Moment muss man den Progr-Leuten Zeit lassen, sich zu formieren.

Kultursekretärin Veronica Schaller sagte im "Bund": "Für Visionen bin ich nicht zuständig." Diese sollten Politik und Kultur entwickeln. Wird Bekult Visionen liefern?

Vision zu hoch gegriffen. Wir sind Veranstalter und laden Künstlerinnen und Künstler ein, die per se Visionen haben. Als Veranstalter müssen wir diese Visionen ermöglichen. Welche kulturpolitischen Pflöcke dann eingeschlagen werden sollen: Dazu können wir uns noch nicht äussern - wir sind ja noch nicht einmal gegründet.

Besteht nicht die Gefahr, dass Bekult zum Verhinderer wird - zum Besitzstandswahrer? Es ist doch absehbar, dass der Verband jegliche Kürzungen bekämpfen wird.

Es ist das Wesen jedes Verbandes, den Gesamtbesitzstand aller Mitglieder zu vertreten - das stimmt. Aber wir vertreten auch Veranstalter, die gar keine Gelder zu verteidigen haben, sondern mit anderen Problemen kämpfen. Es gibt gemeinsame Interessen, die nicht ausschliesslich mit Geld zusammenhängen - zum Beispiel die Plakatierung in der Stadt Bern. Da haben Gurtenfestival und Stadttheater ähnliche Probleme.

Als Präsident haben Sie einen relativ grossen Vorstand hinter sich - im Tagesgeschäft werden Sie nicht alle Mitglieder konsultieren können.

Das ist wohl das Kunststück dieses Präsidiums. Wir haben uns nun etliche Male getroffen, und ich habe den Eindruck, dass ein guter Zusammenhalt besteht. Und man bekommt immer wieder wichtige Informationen. Alle Veranstalter haben meiner Meinung nach den Austausch nötig, wir sollten immer wieder über unsere Gärtchen hinausschauen.

Dient der Verband auch dazu, sich besser abzustimmen, damit nicht drei Theaterpremieren am selben Abend stattfinden?

Das wäre ein naheliegendes Ziel, das aber schwer zu realisieren ist. Es bedingt eine gemeinsame Datenbank. Zurzeit gibt es aber mindestens zwei relevante Veranstaltungsagenden. Es wäre denkbar, dass Bekult dereinst eine Agenda für alle betreibt. Aber dies übersteigt zur Zeit unsere Kräfte, denn wir starten als Milizverein.

Aber es ist absehbar, dass Bekult eine wichtige Rolle in der Kulturpolitik einnimmt. Wie schätzen Sie die Kulturkompetenz der Berner Politik ein? Etwa im Stadtrat: Wissen unsere Parlamentarier überhaupt, was in der Kulturszene läuft?

Aus meiner Erfahrung als Veranstalter muss ich sagen: Nein. Ich bin ja im Bereich der zeitgenössischen Kultur tätig. Dort kann ich feststellen, dass recht viel von zeitgenössischer Kultur gesprochen wird - gerade von linksgrünen Politikerinnen und Politikern. Aber ich frage mich manchmal, ob wir dasselbe darunter verstehen. Immer wieder hört man auch Parlamentarier etwa über den Progr reden - und die geben unverblümt zu, noch gar nie dort gewesen zu sein. Es ist wünschenswert, dass unsere Volksvertreter vermehrt die Gelegenheit bekommen, sich an Kulturorten umzuschauen - hier wird sich Bekult bestimmt engagieren.

Was kulturpolitisch auffällt: Der Stadtrat ist leicht beeinflussbar. Sobald eine Interessengruppe genügend lobbyiert, knickt er ein. Beispiele: Kornhausforum, La Cappella - und zuletzt Progr.

Richtig. Das Projekt Progr fand ich von Anfang an spannend. Trotzdem ist es bemerkenswert, wie einfach und rasch sich der Stadtrat beim Ausschreibungsverfahren umstimmen liess. Vielleicht wird die Lobbyarbeit geordneter und ausgeglichener funktionieren, wenn ein Gesamtvertreter auftritt.

Ein andere Beobachtung: Kulturdebatten im Stadtrat drehen sich oft im Kreis, nämlich um die Grundsatzfrage, ob Kultur überhaupt öffentliche Mittel braucht.

Diese Frage ist für mich natürlich ein Witz: Natürlich braucht es Kulturgeld. Das infrage zu stellen, ist - in einer Stadt in Mitteleuropa - grotesk. In anderen Ländern hat man besser begriffen, dass Kultur einen Standortfaktor darstellt. Ein Beispiel, das mir einfällt, ist Krems - ein kleiner Ort nahe Wien. Die brachten es fertig, mit einer sogenannten Kulturmeile alle Institutionen an einem Ort zu zentralisieren. Dadurch erhält die Stadt eine Ausstrahlung, die international wahrgenommen wird. Und Krems hantiert mit ganz anderen Beträgen als Bern.

Bern schmückt sich gerne mit dem Label Kulturstadt - zu Recht?

Für eine Hauptstadt ist Bern erbärmlich klein. Dennoch gibt es eigentlich alles hier, von zeitgenössisch-experimenteller Kultur bis zu Mainstream - das ist eindrücklich, auch weil die Grenzen durchlässig sind. Eine Qualität der Stadt Bern ist dieses Nebeneinander von so vielen verschiedenen Kulturen.

Und wie beurteilen Sie Stadtpräsident Alexander Tschäppät als "Kulturminister"?

 Es wird gesagt, dass die Kultur nicht sein Steckenpferd sei. Auf der anderen Seite habe ich erlebt, dass Tschäppät kommt, wenn es wichtig ist. Und man muss dem Stadtpräsidenten zugute halten, dass er das Kulturbudget erhöht hat - in einer Zeit, in der überall gespart wird. Es ist eher eine Stilfrage, ob man sich für die Kulturszene die grosse Gallionsfigur à la Elmar Ledergerber wünscht. Viel wichtiger ist das Interesse für Kultur und die Bereitschaft, alle ihre Schattierungen zuzulassen - und das hat er.

Kultursekretärin Veronica Schaller war bisher kaum wahrnehmbar. Wie beurteilt die Kulturszene ihr bisheriges Wirken?

Viele begrüssen, dass sie formale Probleme, die vorher nie richtig angegangen wurden, jetzt sauber und von Grund auf löst. Es gibt aber auch Leute, die sagen, sie möchten allmählich einmal etwas hören von der neuen Kultursekretärin. Dass sie keine Visionärin sein will, finde ich grundsätzlich korrekt. Aber eine Kultursekretärin muss eine Energie haben, die ansteckend wirkt.

Und diese Energie war bisher nicht spürbar?

Angesichts der Tatsache, dass die Verhandlungen der Leistungsverträge anstehen, denke ich schon, dass sie bald in zwei, drei Punkten aus der Deckung kommen sollte.

Und Sie? Was qualifiziert Sie zum Kopf der Berner Kulturveranstalter?

Es geht nicht um einen oder meinen Kopf. Wir wollen viele Köpfe sein. Mir war nie wohl, nur in einer Ecke tätig zu sein. Ich bin für ein Stadttheater, aber mein Herz schlägt auch ganz stark für die Off-Off-Off-Orte, die alles auf den Kopf stellen wollen. Und deshalb habe ich das Gefühl, dass ich hier am richtigen Ort bin.

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Der neue Dachverband Bekult

Es ist eine Idee, die länger schon durch Bern geistert - nun wird sie realisiert: Unter dem Namen Bekult entsteht ein Dachverband, der die im Raum Bern tätigen Kulturveranstalter gegenüber Politik, Behörden, Wirtschaft und Öffentlichkeit vertritt. Am Montagabend um 18 Uhr findet die Gründungsversammlung im Schlachthaus-Theater in Bern statt.

Cornu, Gawriloff, Gosteli

Inzwischen haben über 50 Veranstalter ihr Mitmachen bekundet - darunter fast alle grossen Institutionen, aber auch "kleine Fische". Das Stadttheater ist ebenso dabei wie der Nischenveranstalter "Jazzwerkstatt", das Creaviva im Zentrum Paul Klee oder das Haberhuus Köniz. Das Sekretariat befindet sich in der Hochschule der Künste in Bethlehem. 14 Personen sitzen im Vorstand, darunter Philippe Cornu (Gurtenfestival), Matthias Gawriloff (Berner Symphonieorchester), Ernst Gosteli (Theater an der Effingerstrasse) oder Baldy Minder (Chlyklass Records).

Bekult war ursprünglich ein Zusammenschluss von Dampfzentrale, Schlachthaus, Kornhausforum und Tanztagen. Der Verein übernahm das Marketing der Institutionen. Auch organisierte er Themenabende, an die rund hundert Kulturveranstalter geladen wurden. Als die Tanztage aber eingestellt wurden, erübrigte sich Bekult.

"Viele bedauerten das Verschwinden der Themenabende", sagt der designierte Präsident von Bekult, Christian Pauli. Aus der Idee, die Anlässe neu zu lancieren, habe sich eine Kerngruppe gebildet, welche die Gründung des Dachverbandes vorangetrieben hat - und einen breit abgestützten Vorstand formierte. Bekult wird weiterhin ein Austauschforum bieten, um kulturpolitisch wichtigen Fragen zu diskutieren. Geplant ist etwa ein Podium zum Stadttheater. Dazu sind regelmässige Treffen mit Entscheidungsträgern vorgesehen - etwa mit dem Stadtpräsidenten. (jäg)

Zur Person

Christian Pauli (45) ist Ko-Betriebsleiter der Dampfzentrale und dort für das Musikprogramm zuständig. Zuvor war Pauli über lange Zeit Redaktor bei der Zeitung "Der Bund". Er gründete das "Café Kairo" mit, das heute von seiner Ehefrau geführt wird. Pauli hat Ethnologie studiert, aber nicht abgeschlossen. Früher war er selbst Musiker bei der international bekannten Band "Alboth!". Pauli ist Vater von vier Kindern. (jäg)

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GRAFFITTI
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Bund 13.6.09

Die Fehlplanung von Stadtbauten Bern und der Losinger AG sei Schuld, dass ihr Jugendtreff nicht saniert werde, sagen die Betreiber

Graffitti fordert frischen Anstrich

Stadtbauten Bern weigern sich, das Graffitti zu renovieren.

Für die Betreiber des Treffs ist dies inakzeptabel. Sie drohen, die Miete von 40000 Franken zurückzubehalten. Eine wichtige Rolle im Konflikt spielt auch die Baufirma Losinger.

Philipp Schori

Die Böden weisen Risse auf; die Fassade könnte einen frischen Anstrich vertragen; und der Backofen in der Küche funktioniert schon länger nicht mehr. Das Jugendzentrum Graffitti im Berner Nordquartier ist in einem schlechten Zustand. "Sanierungsbedarf ist definitiv vorhanden", sagen die Betreiber, namentlich der städtische Trägerverein für die offene Jugendarbeit (TOJ). "Wir haben ein Recht auf Renovationsarbeiten", so TOJ-Präsidentin Béatrice Stucki, schliesslich zahle ihr Verein jährlich über 40000 Franken Miete.

Graffitti erwägt rechtliche Schritte

Der Mietzins fliesst an Stadtbauten Bern (Stabe), die es indessen nicht für sinnvoll halten, das Gebäude zu renovieren. Dieses Nein zu Sanierungsarbeiten bezeichnen die Graffitti-Betreiber als inakzeptabel. Seit Neustem halten sie sich gar rechtliche Schritte vor, die sie in einem Brief an die Stabe formuliert haben. Werde weiterhin auf "zwingende Renovationsarbeiten" verzichtet, sehe sich das Graffitti zu einer Hinterlegung der Miete auf ein Sperrkonto veranlasst, sagt Vereinspräsidentin Stucki, die für die SP im Grossen Rat sitzt.

Von Baumaschinen keine Spur

Bei Stadtbauten Bern hat man keine Kenntnis des Briefs; die zuständige Person weile in den Ferien, sagt Stabe-Sprecherin Brigitte Tschannen. Sie räumt aber ein: "Wir erledigen zurzeit bloss den notwendigen Unterhaltsbedarf." Der Grund: Die Zukunft des Gebäudes sei unklar. In der Tat hat die Baufirma Losinger, der das Haus gehört, ihre Pläne geändert. Auf dem Gelände des Jugendtreffs an der Scheibenstrasse sollte ursprünglich "so bald als möglich" der neue Hauptsitz der Firma entstehen: "Wenn alles klappt, fahren noch in diesem Jahr die Baumaschinen auf." Dieses Zitat stammt von Losingers Projektleiter und ist gut ein Jahr alt - von Baumaschinen keine Spur.

Losingers Hauptsitz neben dem Graffitti litt unter Platzmangel. Aus diesem Grund beanspruchte die Baufirma das Grundstück, wo heute der Jugendtreff situiert ist. "Könne das Unternehmen seine Pläne nicht verwirklichen, so drohe es, aus der Stadt wegzuziehen", schrieb der "Bund" am 9. April 2008. Die Stadt hat die Bedingungen erfüllt: Nach langwierigen Verhandlungen konnte sie sämtliche Einsprachen gegen das Bauprojekt aus dem Weg räumen. Diesen Aufwand betrieb die Stadt nicht zuletzt, um Steuereinnahmen zu retten.

Die Graffitti-Betreiber müssten bei Baustart den Treff räumen. Daher wurde ihnen als Ersatz ein Neubau in Aussicht gestellt - in unmittelbarer Nähe zum heutigen Treff. Der Bau des neuen Graffittis wird allerdings erst in Angriff genommen, wenn Losinger das alte Graffitti abreisst und durch ein neues Bürogebäude ersetzt.

Losinger bald im Wankdorf City?

Baubewilligungen haben ein Verfallsdatum. Jene für Losingers Bauprojekt läuft im August 2010 ab. Ob bis dahin die Baumaschinen auffahren, ist jedoch keineswegs gesichert. Der Baustart sei "absolut offen", sagt Orazio Galfo, bei Losinger für die Immobilienentwicklung zuständig. Völlig offen ist im Weiteren, ob die Baufirma ihren Hauptsitz überhaupt je wieder an die Scheibenstrasse zurückverlegt. Das Hauptsitz-Provisorium in Köniz entpuppt sich je länger, je mehr als Providurium. Dennoch sagt Galfo: "Wir kehren nach Bern zurück, jedoch mit kleiner Wahrscheinlichkeit an den Standort Scheibenstrasse." Laut gut unterrichteten Quellen wird Losinger ihren Hauptsitz im neu entstehenden Wankdorf City einrichten. Galfo mag diese Spekulation nicht bestätigen, sagt aber: "Das ist eine Möglichkeit."

Weil Losinger die geplanten Büros an der Scheibenstrasse nun nicht selbst zu nutzen gedenkt, sucht die Firma seit Längerem einen Mieter. Ohne Zusage eines Interessenten sei das Risiko zu gross, den Neubau in Angriff zu nehmen, sagt Galfo. Und die jetzige Wirtschaftslage spreche nicht dafür, dass in naher Zukunft ein geeigneter Mieter vor der Tür stehe. Womit der Teufelskreis eröffnet wäre: wenn kein Mieter, dann kein Umbau und keine eindeutigen Zukunftsaussichten. Und solange diese fehlen, ist Stabe nicht bereit, das Graffitti zu renovieren: "Stabe will und kann kurzfristig keine grössere Sanierungen durchführen", sagt Tschannen. Dies käme einer "Fehlinvestition" gleich. Rechnen Stabe doch weiterhin damit, dass der Treff bald abgerissen wird.

TOJ-Präsidentin Béatrice Stucki bleibt dabei: Mit der Mietzahlung von jährlich über 40000 Franken habe das Graffitti Anspruch auf Instandhaltung. Der Sanierungsbedarf könne nicht wegdiskutiert werden. Letztlich leide nun einfach der Jugendtreff unter der Fehlplanung von Losinger und Stabe.

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Ein Graffitti mit zwei "T"

Auf Fassaden gesprühte Darstellungen oder auch nur Sprühereien:

So weit die gewohnte Bedeutung von Graffiti, geschrieben mit einem "t". Das Jugendzentrum in Berns Norden trägt indes zwei "t" in seinem Namen - entgegen der üblichen Rechtschreibung. Warum? "Gute Frage", sagt Robert Urban, Jugendarbeiter im Graffitti. Genau könne er die Frage nicht beantworten - "Nur so viel: Es handelt sich nicht um einen Schreibfehler." Womöglich habe man sich sogar von der richtigen Schreibweise "abheben" wollen, so Urban. Die

Namensgebung sei in den Achtzigerjahren erfolgt, bald darauf habe das Team Graffitti-Briefpapier drucken lassen, womit eine Namensänderung wohl nicht mehr infrage gekommen sei. (phi)

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KOFMEHL
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Solothurner Tagblatt 13.6.09

Rauchen im Kofmehl

Kein Fumoir mehr

Seit Herbst galt im Kofmehl das Rauchverbot, dann durfte doch wieder geraucht werden, ab Juli ist die Kulturfabrik wieder rauchfrei. Wie es dazu kommt? Wegen des Rauchverbots wurden die Raucher im Kofmehl nach draussen verbannt. Die grossen Ansammlungen von Rauchern vor der Tür störten aber die Anwohner. Die Stadt verfügte, dass vor dem Kofmehl nicht mehr geraucht werden darf. So wurde die Raumbar als Fumoir benutzt. Dies verstösst aber gegen das Rauchergesetz. Ab Juli soll damit Schluss sein. Also: Drinnen verbietet der Kanton das Rauchen, draussen die Stadt. Eine sinnvolle Lösung zeichnet sich noch nicht ab. Möglich wäre theoretisch der Anbau eines Fumoirs.rah

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Rauchen im Kofmehl

Verboten - Erlaubt - Verboten

Vor dem Kofmehl darf nicht geraucht werden. So will es die Stadt. Und im Kofmehl ebenfalls nicht. So will es der Kanton. Auch in der Raumbar, in der vorübergehend geraucht werden durfte, gilt ab Juli wieder ein Rauchverbot.

Rauchfrei startete die Kulturfabrik Kofmehl im letzten Herbst in die Saison 2008/2009, dem Rauchverbot, welches seit Anfang Jahr im Kanton Solothurn in Kraft ist, quasi vorauseilend. Bereits früh zeigten sich aber gewisse Nebenwirkungen des neuen Gesetzes. Das Rauchverbot im Kofmehl führte zu einer immer grösser werdenden Ansammlung von Raucherinnen und Rauchern vor dem Kofmehl. Diese Ansammlungen blieben nicht ohne Folgen. Der Lärmpegel in der Nachbarschaft ist durch die Raucher deutlich gestiegen. Entsprechend sollen sich die Beschwerden von Anwohnern gehäuft haben. Grund genug für die Stadt Solothurn einzuschreiten. Per Verfügung verordnete die Baukommission, dass vor der Halle nicht mehr geraucht werden darf. So entschieden die Betreiber, dass in der Raumbar, dem kleineren Lokal in der Halle, wieder geraucht werden darf.

Raumbar ist kein Fumoir

Aber auch damit ist es ab Juli vorbei. Der Kanton Solothurn akzeptiert das Rauchen in der Raumbar nicht. Das entsprechende Gesuch, die Raumbar als Fumoir zu betreiben, wurde nun sistiert."In der Raumbar gibt es ein anderes Angebot als in der grossen Halle", sagt Beat Pfluger, Leiter des Rechtsdienstes des Gesundheitsamts. Auch weil unter der Woche manchmal nur die Raumbar geöffnet ist, hatte das Gesuch der Kulturfabrik keine Chance. Konkret: Drinnen verbietet der Kanton das Rauchen, draussen die Stadt. Da scheint guter Rat teuer. Wenn man weder drinnen noch draussen rauchen darf, wird das wohl dazu führen, dass auf der Strasse vor dem Kofmehl gepafft wird. Damit würde aber die Lärmbelästigung für die Anwohner noch grösser.

Lösung gesucht

Hat der Kanton eine Lösung für dieses Problem? "Ich weiss es nicht", sagt Beat Pfluger. "Es dürfte aber schwierig sein." Kofmehl-Betriebsleiter Pipo Kofmehl weiss zur Zeit auch keine Antwort. "Wir wissen noch nicht genau, wie wir dieses Problem lösen können", sagt er. "Wir müssen uns gemeinsam mit dem Kanton und der Stadt Solothurn an einen Tisch setzen um darüber zu diskutieren."

Kritik am Rauchverbot

Selbst Stadtpräsident Kurt Fluri ist ratlos: "Ich weiss nicht, wie man dieses Dilemma lösen kann." Das Ganze sei eine Folge des Rauchverbots, meint Fluri: "Das Gesetz gaukelt einfache Lösungen vor, die sich im Einzelfall als unmöglich erweisen." Es dürfe aber nicht sein, dass das Rauchverbot letztlich dazu führe, dass die Anwohner eines Lokals mehr Lärm ertragen müssten, sagt der Stadtpräsident.

Keine Kritik am Kanton

Kritik an der Handhabung des Rauchverbots durch das kantonale Gesundheitsamt übt Kurt Fluri hingegen nicht. Die Richtlinien seien schliesslich klar: "Der Kanton darf keine Ausnahme machen. Sonst würde er ein Präjudiz schaffen." Grundsätzlich hat auch Pipo Kofmehl Verständnis für den Entscheid des Kantons. "Dass in der Raumbar geraucht werden durfte, war sicherlich keine optimale Lösung", meint er. Ausserdem sei es das Ziel der Kulturfabrik, einen rauchfreien Betrieb zu führen , sagt Pipo Kofmehl. "Wir möchten eine Vorbildfunktion wahrnehmen."
Ralph Heiniger

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BAHNHOF SEASON 2009
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BZ 13.6.09

Hauptbahnhof

Siff beim Eingang

Beim Haupteingang des Bahnhofs Bern sorgen rauchende und trinkende Jugendliche für Ärger. Die SBB kennt das Problem.

In der Grauzone zwischen Bahnhofplatz und Bahnhofhaupteingang in Bern versammeln sich Jugendliche. Sie rauchen, trinken und lärmen. Das verärgert einige benachbarte Ladenmieter. SBB-Sprecher Reto Kormann kennt das Problem. Wer eindeutig gegen das Bahnhofreglement verstosse, werde weggewiesen. Um in diesem Grenzbereich das Rauchverbot durchzusetzen, fehlten aber die Ressourcen. Die Bahnpolizei beobachtet die Situation ebenfalls, bisher seien jedoch keine Beschwerden eingegangen.
okm/cab

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BIG BROTHER SCHULE
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Bund 13.6.09

BFF: Pulver entfernt Kamera

Stadt Bern Die Überwachungskamera im Toilettenvorraum an der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule Bern (BFF) muss weg. Dies hat Regierungsrat Bernhard Pulver (grüne) angeordnet. Der Versuchsbetrieb mit den fünf anderen Kameras in der BFF muss Ende Juni eingestellt werden. Ab 1. Juli müssen Videokameras in öffentlichen Gebäuden in jedem Fall vom Regierungsrat bewilligt werden. (bob)

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Kanton lässt Überwachungskameras in der BFF zum Teil entfernen

Kamera muss weg

Die Videokamera im Toilettenvorraum an der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule BFF wird entfernt. Die anderen fünf Kameras stellen ihren Betrieb Ende des Semesters ein. Die BFF-Schulleitung will einen Antrag auf Verlängerung des Kamerabetriebs stellen.

Bernhard Ott

Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (grüne) ist kein Freund von Überwachungskameras. Mit dem Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes am 1. Juli muss die Installation von Videokameras in Gebäuden der Erziehungsdirektion von ihm bewilligt werden. Er werde Kameras nur "sehr restriktiv" im Sinne einer Ultima Ratio bewilligen, sagt Pulver.

Kameras als "Vertrauensproblem"

Im Fall der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule BFF Bern wird Pulver aber schon heute aktiv. Nach Vandalenakten mit einer Schadenssumme von über 6000 Franken liess die Schulleitung Ende Mai sechs Videokameras in den Gängen zweier Schulgebäude und im Vorraum einer Damentoilette installieren. Die Kameras sollten nach einer einjährigen Versuchsphase wieder entfernt werden. Schulleiter Niklaus Ludi bezeichnete die Massnahme als "Bankrotterklärung". Die Schulleitung sei "am Ende ihres Lateins angekommen" und der "fruchtlosen Appelle" an die Schülerinnen und Schüler müde, sagte Ludi ("Bund" vom 3. Juni).

Der Rechtsdienst der Erziehungsdirektion hat die Installation der Kameras abgesegnet. Kurz darauf hat der kantonale Datenschützer die Massnahme aber als rechtswidrig bezeichnet. Gemäss einer Mitteilung des Kantons ist die Rechtsgrundlage bis Ende Juni "umstritten". Nach Absprache mit den Verantwortlichen habe Regierungsrat Pulver aber entschieden, die Videoüberwachung im Vorraum der Damentoilette sofort einzustellen. "Der Eingriff in die Privatsphäre ist in diesem Fall gravierender als das Bedürfnis nach Sicherheit", sagt Pulver. Der Versuchsbetrieb mit den anderen fünf Kameras in den Gängen der Schule muss am Ende des Semesters eingestellt werden. Die Auswertungen im Schadensfall dürfen nicht wie vorgesehen durch ein Mitglied der Schulleitung vorgenommen werden, sondern nur durch die Kantonspolizei. "Schulgebäude sollen den Schülern auch eine Art Zuhause bieten", sagt Pulver. Die Installation von Videokameras schaffe diesbezüglich ein "Vertrauensproblem". Pulver gibt zu bedenken, dass es kantonsweit wohl einige Videokameras in öffentlichen Gebäuden wie zum Beispiel Spitälern gebe. Sie alle müssten ab 1. Juli vom Regierungsrat genehmigt werden.

"Grundproblem blieb unerwähnt"

Will eine Schule Videokameras zu Überwachungszwecken einsetzen, wird sie innerhalb von drei Monaten ein Gesuch an die Erziehungsdirektion stellen müssen. BFF-Schulleiter Niklaus Ludi lässt keinen Zweifel daran, dass er zur Bewilligung der bestehenden Kameras ein solches Gesuch einreichen werde.

Im Übrigen bedauert Ludi, dass im Zentrum der öffentlichen Diskussion die "Juristerei" gestanden sei. "Das eigentliche Grundproblem blieb unerwähnt." Durch blosse Appelle an die Vernunft und die Selbstverantwortung seien Vandalenakte heute offenbar nicht mehr zu verhindern. Ludi vergleicht die Vorfälle an der BFF mit der zunehmenden Gewalt rund um die Fussballstadien, die leider auch nur noch mittels verschärfter Eingangskontrollen und mehr Polizei bekämpft werden könne. Bei Gewalt und Vandalismus dürfe man aber nicht einfach weggucken. Die Leute müssten wieder lernen, Verantwortung wahrzunehmen, um potenzielle Täter von ihrem Tun abzuhalten. Wo die Zivilcourage aber fehle, müsse leider mit dem "elektronischen Auge" einer Videokamera hingeschaut werden. "Es geht nicht um Prävention oder Repression. Es braucht die ganze Bandbreite von Massnahmen", sagt Ludi.

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BZ 13.6.09

Videoüberwachung

Pulver pfeift BFF zurück

Die Überwachungskamera im Vorraum der Damentoilette der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule (BFF) in Bern muss sofort abmontiert werden. Dies hat Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) gestern beschlossen. "Kameras in einer für Schülerinnen intimen Zone sind unverhältnismässig", sagt Pulver im Interview. Die Schulleitung sei zu weit gegangen.

In den Gängen der beiden BFF-Gebäude darf bis Ende Semester weiter gefilmt werden. Nach den Sommerferien und dem Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes im Kanton Bern will Pulver diesen Entscheid aber überdenken. "Im Kanton Bern herrscht zurzeit ein Wildwuchs an Überwachungskameras", sagt er. tob

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Regierungsrat Bernhard Pulver

"Die WC-Kamera muss sofort weg"

Die BFF muss die Überwachungskamera in der Damentoilette entfernen. Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) hat dies gestern befohlen. "Es herrscht Wildwuchs bei der Videoüberwachung", sagt er im Interview.

Bernhard Pulver, Überwachungskameras sind im Trend. Seit vorletzter Woche lässt die BFF in Bern versuchsweise sogar die Damentoilette mit einer Kamera überwachen. Sie haben interveniert und den Schuldirektor zurückgepfiffen. Weshalb?

Bernhard Pulver: Da ging die Schulleitung zu weit. Überwachungskameras in einer intimen Zone für Schülerinnen sind unverhältnismässig. Auch wenn es sich dabei nur um einen Vorraum handelt. Die Tatsache, dass ein Vertreter der Schulleitung diese Bilder anschauen kann, weckt ungute Gefühle. Deshalb muss diese Kamera sofort abmontiert werden.

Sind Sie als Erziehungsdirektor des Kantons Bern überhaupt zu diesem Schritt befugt?

Grundsätzlich liegt der Entscheid bei der Schulleitung. Sie ist zuständig für die Hausordnung. Doch als oberster Chef der Erziehungsdirektion des Kantons Bern habe ich ein Durchgriffsrecht.

Sie hätten also auch die Kameras in den Gängen des Schulhauses verbieten können. Weshalb filmen diese vorerst weiter?

Ich akzeptiere die Autonomie der Schulleitung und greife in diesem Punkt bewusst nicht ein. Ich will dem Schulleiter ja nicht komplett in den Rücken fallen. Er hat sich für die Kameras entschieden und darf das auch. Die Verhältnismässigkeit in den Gängen ist eher zu bejahen als auf den WCs. Der kantonale Datenschützer sieht das übrigens genau so.

Das Thema sorgt für Emotionen. Weitere Schulen dürften dem Beispiel BFF folgen. Wie stehen Sie grundsätzlich zu Überwachungskameras an Schulen?

Ich bin skeptisch gegenüber der Videoüberwachung. Ein Schulhaus lässt sich nicht mit einer dunklen Unterführung oder einem abgelegenen Bahnhof vergleichen. Schülerinnen und Schüler sollen sich an der Schule ein bisschen wie zu Hause fühlen. Sie sollen Verantwortung übernehmen und eine Beziehung zum Schulhaus entwickeln. Kameras in den Gängen beeinträchtigen dies.

Haben Überwachungskameras auch Vorteile?

Ja - aber nur, wenn sie als Ultima Ratio eingesetzt werden. Als äusserste Notmassnahme muss dies möglich sein. In einem Schulhaus, in dem ständig alles verschmiert und kaputt gemacht wird, steht jede Schülerin und jeder Schüler unter Generalverdacht. Das sorgt für schlechte Stimmung. Kameras können diejenigen, die sich an die Regeln halten, entlasten.

Wie gehts weiter an der BFF?

Im Gegensatz zur Toilette bleiben die Kameras in den Gängen vorerst bis zum Semesterende in Betrieb. Allerdings dürfen die Bilder - im Schadenfall - nur noch von der Kantonspolizei ausgewertet werden und nicht wie bisher vom Abteilungsleiter Finanzen und Dienste der BFF.

Wird es auch im neuen Semester Kameras geben?

Das weiss ich noch nicht. Am 1.Juli tritt im Kanton Bern das neue Polizeigesetz in Kraft. Ab diesem Datum entscheidet nicht mehr die Schulleitung über Kameras, sondern die Erziehungsdirektion. Zudem muss jede öffentliche Überwachungskamera von der Polizei bewilligt werden. Ob die Gänge der BFF weiterhin mit Kameras überwacht werden, entscheide ich nach den Sommerferien.

Welcher Entscheid ist zu erwarten?

Nur so viel: Tendenziell wird es in kantonalen Gebäuden und Bauten weniger Überwachungskameras geben als heute. Im Kanton Bern herrscht derzeit ein Wildwuchs. Das ist wegen der unklaren Gesetzeslage so. Deshalb begrüsse ich das neue Polizeigesetz. In Zukunft ist klar, wer die Entscheide fällt.

Für die Schulhäuser, bei denen Sie entscheiden, heisst das?

 Ich bleibe skeptisch gegenüber der Videoüberwachung, vor allem in Schulhäusern. Doch auch ich bin mir der Problematik in gewissen Schulen bewusst. In der BFF sind Schülerinnen und Schüler zum Beispiel oft nur kurze Zeit in der schwierigen Phase der Lehrstellensuche. Das Frustpotenzial ist höher als an einem Gymnasium, wo die Schülerinnen und Schüler mehrere Jahre verbringen und sich mit dem Schulhaus identifizieren. Ich werde meine Entscheide auf den Einzelfall abstimmen.

Interview: Tobias Habegger

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Berner Rundschau 13.6.09

Toiletten wieder ohne Videos

Die Videoüberwachung im Toilettenvorraum an der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule Bern (BFF) soll abgestellt werden. Das hat der Erziehungsdirektor des Kantons Bern, Bernhard Pulver, in Absprache mit den Verantwortlichen angeordnet. Bei den übrigen Kameras an der BFF wird der Betrieb nach der Versuchszeit am Semesterende eingestellt. Die Aufzeichnungen dürfen nur noch durch die Kantonspolizei ausgewertet werden. Anschliessend soll im Rahmen der neuen gesetzlichen Grundlagen eine Neubeurteilung vorgenommen werden. In den letzten Wochen war es an der BFF vermehrt zu Sachbeschädigungen an den neu renovierten Gebäuden gekommen. Als Notmassnahme hatte die Schulleitung Ende Mai eine Videoüberwachung der neuralgischen Punkte beschlossen. (kbe)

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BIG BROTHER VIDEO
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BZ 13.6.09

Sagibachhalle Wichtrach

Das Kreuz mit den Randalierern

Der Gemeinderat von Wichtrach liebäugelt mit Videoüberwachung. Randalierende Heimkehrer aus der Sagibachhalle sollen damit erfasst werden. Derzeit verhandeln Vertreter der Gemeinde und der Genossenschaft Sagibach.

An diesem Wochenende finden in der Sagibachhalle Wichtrach "Deluxe"-Partys mit Live-Musik und DJs statt. Der letzte nicht-sportliche Anlass in diesem Jahr. Im Juli liegt bereits wieder Kunsteis in der Halle, und Eishockeyspieler werden trainieren. Die Anwohner können dann aufatmen. "Am letzten Wochenende wurden am frühen Morgen Steine auf unser Dach geworfen und Ziegel zerbrochen", sagt Walter Friedli von der Thalgutstrasse 6 in Wichtrach. Von einem weiteren Wurfgeschoss sei das Balkongeländer zerbeult worden. "Und nach jedem Anlass muss ich im Garten Flaschen einsammeln", so Friedli. Seinem Nachbarn sei sogar eine Fensterfront eingeschlagen worden. Lärm und Gegröle seien ja noch erträglich, aber: "Es sollte einfach jemand schauen, dass nichts beschädigt wird."

Solche Ruhestörungen und Sachbeschädigungen ereignen sich regelmässig, wenn betrunkene Fest- und Partybesucher von der Sagibachhalle zum Bahnhof gehen. Dort warten sie auf den Moonliner oder den ersten Zug (wir berichteten).

Partys für den Sport

Die Genossenschaft Sagibach finanziert den Eishockeybetrieb mit Partys. Oder wie es Gemeindepräsident Peter Lüthi (FDP) formuliert: "Der Sport wird mit Besäufnissen finanziert. Man muss sich etwas anderes überlegen, aber das braucht Zeit." Dem Gemeindepräsidenten ist klar, dass die Genossenschaft Sagibach Geld braucht, um sich einen kostendeckenden Betrieb zu sichern. "Aber es muss für Ruhe und Ordnung gesorgt werden. Sonst bewilligen wir ab nächstem Jahr deutlich weniger Partys", so Lüthi.

Video vs. Datenschutz

Den Verkehrsfluss rund um die Halle hat man mittlerweile im Griff. Bleibt das Problem mit den Jugendlichen, die auf Zug oder Moonliner warten. Um allfällige Randalierer zu erfassen, kann sich Peter Lüthi vorstellen, an "neuralgischen Punkten" Videokameras zu installieren, beispielsweise beim Bahnhof. Gespräche mit der Polizei hätten aber gezeigt, dass dies wegen des Datenschutzes nicht so einfach zu bewerkstelligen sei. "Da fragt man sich schon, wen der Datenschutz in so einem Fall eigentlich schützen will", ärgert sich der Gemeindepräsident. Ihm ist bewusst, dass es sich bei den Unruhestiftern um eine Minderheit handelt. "Das sind vielleicht 50 Personen - wenig im Vergleich zu den Hunderten, die in die Halle kommen." Deshalb zögere man auch, keine Bewilligungen mehr für Partys zu erteilen. "Damit wären die vielen Jugendlichen gestraft, die sich korrekt verhalten." Es gehe darum, die Exzesse zu erfassen. Und dafür sähe Lüthi in Videoaufzeichnungen unter anderem ein probates Mittel. Dagegen hat er keine Lust, selber auf nächtlichen Patrouillen Polizist zu spielen, wie es der Gemeinderat in Radelfingen tut (wir berichteten).

"Gute Gespräche geführt"

Lobende Worte hat der Gemeindepräsident für die vor wenigen Tagen geführten Verhandlungen. Gemeinderat, Vertreter der Genossenschaft Sagibach und der Polizei hätten "gute Gespräche" geführt, so Lüthi. Diese würden weitergeführt. Ihm sei aber klar, dass man beim Kanton ein Gesuch für gezielte Videoüberwachung einreichen wolle: Das Ziel: Informationen zu bekommen, wer wann und an welchen Orten randaliere. Das Allheilmittel sei das aber nicht. Lüthi sieht auch andere Möglichkeiten: "Man könnte vielleicht bei der Halle ein Zelt aufstellen und die Jungen mit Kaffee oder Suppe bewirten, bis es Zeit ist, heimzufahren."

Für mehr Sicherheit

"Wir müssen für noch mehr Sicherheit sorgen und uns noch besser organisieren", sagt Andreas Zeller, Präsident der Genossenschaft Sagibach. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, dass der Eishockeybetrieb mit Besäufnissen finanziert werde und betont: "Der Hockeybetrieb finanziert sich selber. Es braucht aber Massnahmen für das finanzielle Überleben der Genossenschaft." Ihm sei ein gutes Einvernehmen mit der Gemeindebehörde und den Anwohnern wichtig, so Zeller weiter. Die Gespräche seien viel versprechend verlaufen. "Wir gründen nun eine Arbeitsgruppe und erarbeiten gemeinsam ein Sicherheitskonzept", sagt Zeller weiter.

Bleibt die "Deluxe-Party" vom nächsten Wochenende, bevor in der Sagibachhalle die Eiszeit anbricht. "Das letzte Wochenende war eine Katastrophe", seufzt eine Anwohnerin des Sägebachweges.

Laura Fehlmann

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BIG BROTHERS VS HOOLIGAN-GRIPPE
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Sonntag 14.6.09

Internet-Fahndung: Jetzt droht Fans ein Vermummungsverbot

Fussball-Chaoten maskieren sich, um die Fahndung im Netz zu sabotieren

Randalierer tricksen die Polizei aus: Sie machen sich unkenntlich, um die Internet-Fahndung zu hintertreiben. Jetzt fordern Polizei und Politiker ein Ver mummungsverbot bei Sportver anstaltungen. In Bern und St. Gallen ist es bereits in Kraft.

Von Nadja Pastega

Friedliche Fussballfans sorgen in den Stadien für eine farbenfrohe Kulisse: Sie hüllen sich in Schärpen und Fan-Schals, sie schminken sich die Gesichter in den Farben ihrer Mannschaft und ziehen fröhlich durch die Strassen. Doch das soll jetzt nicht mehr möglich sein.

Der Grund: Gewalttätige Krawallmacher maskieren sich, um eine Identifizierung zu verhindern und die Internet-Fahndung zu sabotieren. "Wir stellen fest, dass sich Hooligans vermehrt vermummen", sagt Willi Eicher, Chef Planung und Einsatz bei der Kantonspolizei Luzern.

2007 setzte die Luzerner Polizei zum ersten Mal die Internet-Fahndung ein. Mit Erfolg. Ende Mai stellten sie erneut Bilder von Hooligans online. Sieben von acht zur Fahndung ausgeschriebenen Krawallmachern, die beim Cup-Spiel vom 13. April gewütet hatten, konnten inzwischen identifiziert werden. Eine Person ist nach wie vor unbekannt - sie ist vermummt.

"Es wäre super, wenn man das an Demonstrationen geltende Vermummungsverbot auch auf Sportveranstaltungen ausdehnen könnte", sagt Eicher. Rechtlich sei die Null-Toleranz indes schwierig umzusetzen: "Wenn sie eine Schärpe vor dem Gesicht haben, sagen sie dann einfach: ‹Ich habe gefroren.›"

Ein Vermummungsverbot in den Stadien findet bei der Kantonspolizei Zürich Anklang. "Das wäre zu begrüssen", sagt Werner Benz, Kommunikations-Chef bei der Zürcher Kapo: "Die persönliche ‹Freiheit zur Vermummung› muss der abschreckenden Wirkung oder wenigstens der Möglichkeit zur Ahndung von Übergriffen klar nachgehen."

Im Kanton Bern ist ein Vermummungsverbot bereits in Kraft. Es gilt laut Hans-Jürg Käser, FDP-Polizeidirektor und Regierungspräsident des Kantons Bern, auch bei Sportveranstaltungen. "Bei Gewaltausbrüchen rund um Fussball- und Eishockeystadien handelt es sich in vielen Fällen um Landfriedensbruch - also um etwas sehr Beängstigendes. Darum bin ich klar für ein Vermummungsverbot."

Das Problem sei aber die Durchsetzung: "An den Fan-Umzügen laufen jeweils an der Spitze etwa 50 Vermummte. Wenn die Polizei eingreift, wirkt das unverhältnismässig und heizt die Situation an."

Laut Polizeidirektor Käser müsse man "härter gegen Randalierer vorgehen, die sich nicht an die Spielregeln halten." Mit einer neuen Videoverordnung, die Anfang Juli in Kraft tritt (siehe Box), will Käser den Einsatz von Überwachungskameras regeln. "Die Gemeinden sind nun befugt, Hotspots zu überwachen, an denen immer wieder schwere Delikte begangen werden." Sinnvoll sei es zum Beispiel, auf der Strecke zwischen dem Stade de Suisse und dem Bahnhof Wankdorf Kameras aufzustellen: "Dort geht die Randale ab."

Auch der Kanton St. Gallen greift jetzt mit einem Vermummungsverbot gegen Hooligans durch. Seit Anfang Jahr ist das revidierte Polizeigesetz in Kraft - neu ist es verboten, sich unkenntlich zu machen. Das Vermummungsverbot gilt nicht nur bei Demonstrationen, sondern auch bei Sportveranstaltungen. "Wer sich im Umfeld von Sport- und sonstigen Veranstaltungen unkenntlich macht, wird mit Busse bestraft", heisst es im neuen Polizeigesetz.

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Videoüberwachung: Erste zivile Behörde ermöglicht Einsatz von Drohnen

Als erster Kanton ermöglicht Bern den Einsatz von unbemannten Flugobjekten, so genannten Drohnen. Laut neuer Videoverordnung dürfen Bild- und Tonaufzeichnungen auch "aus unbemannten Flugkörpern" gemacht werden. Bisher kamen Drohnen bei der Armee und im Grenzschutz zum Einsatz. Das VBS setzte sie bei der Euro ein. Der Kanton Bern verfüge über keine eigenen Drohnen, sagt Polizeidirektor Hans-Jürg Käser. Falls Gemeinden Drohnen einsetzen wollten, müssten diese bei der Armee ausgeliehen werden.

Die neue Videoverordnung sorgt für Wirbel. Sie tritt auf Anfang Juli in Kraft - mit Ausnahme von zwei umstrittenen Artikeln. Dabei geht es zum einen um die Echtzeitüberwachung, bei der die Bildübermittlung von einer Person am Bildschirm live angeschaut wird. "Laut Datenschützer ist das nur erlaubt, wenn man die Personen nicht erkennt", sagt Käser: "Das ist doch unsinnig." Der zweite strittige Punkt betrifft Videoaufnahmen durch Polizisten in Zivil. Auch hier wurde Käser vom Datenschützer zurückgepfiffen. "Jetzt müssen wir den Polizisten freigeben, damit sie in Zivil filmen dürfen." Die beiden strittigen Artikel werden im September im Grossrat behandelt. Nadja Pastega

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Sonntag 14.6.09

Gass sucht Verbündete

Die drei "Fussballstädte" Basel, Bern und Zürich sollen laut den Vorstellungen des Basler Regierungsrats Hanspeter Gass gemeinsam gegen Gewalt im Sport vorgehen

Von Bojan Stula

Die intensiven Kontakte von Mitte dieser Woche - unter anderem auch mit der Zürcher Amtskollegin Esther Maurer - hatten ihren triftigen Grund: Der Basler Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass will, dass die drei Deutschschweizer Fussballhochburgen Basel, Bern und Zürich in Zukunft ihre Anstrengungen gegen Gewalt rund um Fussballstadien koordinieren. Dabei geht es nicht zuletzt um die Höhe der von den Vereinen zu übernehmenden Sicherheitskosten.

Nachdem Gass vor Monatsfrist vom FC Basel öffentlich eine höhere Beteiligung an den Polizeieinsatzkosten gefordert hatte, argumentierte die Gegenseite, dass Zürcher Fussballklubs gar nichts zu bezahlen hätten und die Berner Young Boys nur eine vergleichsweise geringe Pauschale. "Dabei hatte die Zürcher Polizei bisher gar keine rechtliche Grundlage, den Vereinen Kosten in Rechnung zu stellen", sagt Gass, "doch wird sich das mit dem neuen Zürcher Polizeigesetz bald schon ändern". Zwar sei ein einheitlicher Tarif für Polizeieinsätze in allen Kantonen aufgrund der föderalen Strukturen unrealistisch, doch bestehe die Möglichkeit der gegenseitigen Annäherung - idealerweise auch mit Unterstützung des schweizerischen Fussballverbands SFV.

Doch die Kostenfrage ist nur eine der beiden Ebenen, die Hanspeter Gass bei seinem Vorstoss mit den Kantonen Bern und Zürich koordinieren möchte. In erster Linie geht es natürlich um die Sicherheit selbst. "Es geht nicht an, dass in jeder Stadt und vor jedem Stadion auf eine andere Weise mit dem Problem umgegangen wird." Gass begrüsst die Initiatve der Konferenz der Schweizerischen Justiz- und Sicherheitsdirektoren (KKJPD), sich über ausländische Standards zu orientieren. Er wird anfangs August eine entsprechende Expertengruppe nach Deutschland begleiten.

Strategien wie beispielsweise die Deanonymisierung von Gewalttätern, die Aufhebung von Stehplätzen oder das Alkoholverbot bei Hoch-Risikospielen können nur als Massnahmenpaket und in Zusammenarbeit mit dem SFV erfolgreich sein. Dabei sollen die Fussballstädte Basel, Bern und Zürich eine Vorreiterrolle übernehmen und zusammenspannen. Doch Gass ist Realist genug: "Bis wir alle Probleme gelöst haben, ist es aufgrund der zahlreichen Akteure noch ein weiter Weg."

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"Von Rückschritt kann keine Rede sein"

Der Basler Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass will von einem Rückschritt in Sachen Stadionsicherheit nach der Euro 08 nichts wissen. Diesen Vorwurf hatte der ehemalige Euro-Direktor Christian Mutschler in der letzten Ausgabe der "Sonntag bz" erhoben. "Ich gebe Herrn Mutschler recht, dass nach den schlimmen Ausschreitungen in Zürich vom 17. Mai ein neuer Tiefpunkt erreicht worden ist, aber von einem Rückschritt insgesamt kann keine Rede sein." Noch immer bilde die 3-D-Strategie (Dialog - Deeskalation - Durchgreifen) die Grundlage jeden Polizeieinsatzes. "Das ist der Standard, und wird so von uns praktiziert." Auch sei die Zusammenarbeit zwischen der Polizei, dem FC Basel und dem St. Jakob-Park sehr gut. "Richtig aber ist, dass ein äusserer Sicherheitsperimeter, wie er an der Euro praktiziert wurde, für ein Meisterschaftsspiel schlicht zu aufwändig ist. Da müssen sonst ganze Quartiere abgesperrt werden." Gass weist auf die Fortschritte, aber auch auf unverhältnismässig hohe Kosten in Sachen Sicherheit seit dem 13. Mai 2006 hin: "Vergleichbare Ausschreitungen hat es seither in Basel nie wieder gegeben. Wir haben alle dazugelernt." (bos)

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REPRESSION BIEL
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Indymedia 12.6.09

Repression in Biel ::

AutorIn : ça va pas!         

Im Zusammenhang mit der Reclaim the Streets vom 17. Mai für den Erhalt des Tripouze in Biel haben eine noch unbekannte Anzahl Personen polizeiliche Vorladungen erhalten. Noch ist unklar welche juristischen Folgen diese unerwünschte Einladung für die Betroffenen hat. Eines allerdings muss klar sein: In jedem Fall kannst und solltest du auf dein Recht auf Aussageverweigerung bestehen! Das heisst konkret:     
    
Angeben musst du nur deine Personalien (Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse, Heimatort, Name der Eltern). Nicht angeben musst du: Woher du kommst, wohin du gehst, Arbeit (Arbeitgeber/in, Lehrmeister/in), Hobbies, Bekannte, etc. Du bist nicht verpflichtet diese Informationen zu geben. "Ich habe nichts zu sagen" oder "Ich verweigere die Aussage" sind die besten Antworten. Lass dich weder einschüchtern noch provozieren. Die meisten Drohungen sind Bluffs, die dich einschüchtern sollen. Zitiert aus "Deine Rechte"

Hier uns zwei bekannte Fälle:

A. wurde auf den Polizeiposten geladen. A. musste eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Danach wurde sie zur DNA und Fingerabdruckentnahme nach Bern gebracht. Zurück in Biel musste A. noch eine Urinprobe abgeben. Ebenfalls wurde sie unter Druck gesetzt zuzugeben das sie kiffe ansonsten müsse Sie bis zum nächsten Morgen auf dem Polizeiposten bleiben. Unter diesem Druck und reichlich Unlust eine Nacht auf dem Polizeiposten zu verbringen, hatte sie dies eingestanden und wurde danach ohne weitere juristische Folgen entlassen.

B. erhielt ebenfalls eine "Einladung in diverser Sache" unterschrieben vom Polizeikommandant der Kapo Bern Martin Ringli. B. erkundigt sich telefonisch bei Herrn Ringli nach dem Grund der Einladung. Dieser erwähnt die RTS vom 17. Mai. B. sagt, "Sie wüsste nicht was sie zu dieser Sache zu sagen hätte." Darauf wird B. von Herrn Ringli gefragt ob Sie eine Aussageverweigerung mache. Dies bejaht B. Weiter erkundigt B. sich ob diese Einladung obligatorisch Folge zu leisten sei. Dies verneinte Ringli. B. verkündet der Einladung also nicht nachzukommen, darauf erwidert Herr Ringli, dass B. in diesem Falle mit einer Busse rechnen müsse.

Mittlerweile sind uns weitere Fälle bekannt. Wir raten allen sich bei uns zu melden!

Weiter mit der Repression: Die Räumung an der Quellgasse 5 vom Montag, 8. Juni hatte einen längeren Aufenthalt der Betroffenen auf dem Polizeiposten zur Folge. Neben dem üblichen Verfahren wurde ihnen auch eine DNA-Probe entnommen. Wer sich weigerte wurde gewaltsam gezwungen.

Grundsätzlich liegt im Ermessen der jeweiligen Polizisten ob Sie eine DNA-Probe entnehmen wollen oder nicht. Seit der Einführung im Jahre 2005 herrscht völlige Willkür. Trotzdem hast Du auch hier "eigentlich" Rechte:

Will die Polizei eine DNA-Probe entnehmen, muss sie Sie über Ihre Rechte aufklären. Diese Rechte sind:

Recht auf Verfügung: Sie können sich gegen eine DNA-Probe wehren. Dann muss der Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter (Bezeichnung je nach Kanton) eine Verfügung erlassen, die Sie anfechten können.

Recht auf Einsicht: Jedermann kann bei der Zentralstelle des Bundes, die die DNA-Datenbank führt, darüber Auskunft verlangen, ob er eingetragen ist. Die DNA-Datenbank des Bundes wird von den Afis Services (Automated Fingerprint Identification System) beim Bundesamt für Polizei verwaltet. Gesuche an: Bundesamt für Polizei, Afis Services, Bundesrain 20, Postfach, 3003 Bern.

Recht auf Löschung: Einträge müssen in folgenden Fällen von Amts wegen gelöscht werden:
- Die betroffene Person kann als Täter ausgeschlossen werden.
- Es liegt ein rechtskräftiger Freispruch vor.
- Das Verfahren wurde vor einem Jahr eingestellt.
- Die Probezeit nach einem bedingten Strafvollzug ist schon fünf Jahre abgelaufen.
- Eine Geldstrafe wurde vor fünf Jahren bezahlt, oder die gemeinnützige Arbeit wurde vor fünf Jahren beendet.
- Man wurde vor 20 Jahren aus dem Gefängnis, aus der Verwahrung oder einer therapeutischen Massnahme entlassen.
- Auf jeden Fall muss der Eintrag nach 30 Jahren gelöscht werden.

Quelle: Beobacher 3/05

Wir können das Vorgehen der Polizei nur als Versuch der Einschüchterung verstehen um die aktive BesetzerInnenszene zu kriminalisieren. Inwieweit Barbara Schwickert, Sicherheitsdirektorin der Stadt Biel und Mitglied der Grünen Partei über das polizeiliche Vorgehen informiert ist, können wir nur mutmassen. Wir bleiben auf jeden Fall dran!

Nehmt mit uns Kontakt auf:  luchayfiesta@gmx.ch

Solidarisch gegen ihre Repression!

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NEONAZI-TREFF
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BZ 13.6.09

Nazitreff in Langenthal

"Stadt soll Klartext reden"

Ist der Nazitreff auf dem Areal der Porzellanfabrik zonenkonform, fragt sich Anwohner Hans-Jürg Schmied. Von der Stadt habe er bis heute keine richtige Antwort erhalten. "Sie ist nicht willens, endlich Klartext zu reden."

Gross ist der Ärger an der Blumenstrasse. Seit Monaten feiern die Rechtsextremen ihre Partys auf dem angrenzenden Areal der Porzellanfabrik. Laute Musik und Autolärm müssen die Anwohner erdulden. Eine Aussprache auf der Stadtverwaltung hat kürzlich stattgefunden, Massnahmen wurden angeordnet - damit soll alles besser werden. Hofft die Stadt. Anwohner Hans-Jürg Schmied kann da nur den Kopf schütteln. "Die Stadt ist nicht willens, endlich Klartext zu reden und die Probleme am Schopf zu packen", nervt er sich und legt, quasi als Beweis, einen dicken Ordner mit Dokumenten der Stadt auf den Tisch.

Nazitreff in falscher Zone?

Wissen möchte Hans-Jürg Schmied, ob ein Lokal wie der Nazitreff überhaupt zonenkonform sei. Im städtischen Zonenplan wird das Porzi-Areal als "Arbeitszone Aa" bezeichnet. Ein solches Gebiet ist, gemäss Baureglement, für Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen vorgesehen. Die Rechtsextremen seien daher am falschen Platz, findet Schmied und stichelt: "Ich wüsste von keinem Nachbarn, der die Dienstleistung Nachtruhestörung verlangt hätte."

Seit Jahren ein Thema

Das Porzi-Areal hat den Langenthaler schon im Frühling 2002 beschäftigt, als die Stadt Zonenplan und Baureglement revidierte. In seiner Eingabe zum Mitwirkungsverfahren hielt Hans-Jürg Schmied damals fest: Das Porzi-Areal mit seiner Vielzahl von Gebäuden biete zahlreichen Betrieben und Ateliers Platz. Auch Loftwohnungen seien möglich. Deshalb solle es in eine Zone für gemischte Nutzung umfunktioniert werden.

Davon wollte die Stadt allerdings nichts wissen. Für die Umnutzung eines Industrieareals sei eine intensive Planung notwendig, und die Initiative dazu müsse grundsätzlich vom Grundeigentümer kommen, hiess es in der abschlägigen Antwort. Immerhin liessen die Behörden den Kritiker wissen: Der Gemeinderat sei "nicht abgeneigt, über neue Nutzungen zu diskutieren, die jederzeit im Rahmen einer Überbauungsordnung festgelegt werden können".

Eine Überbauungsordnung ist bis heute aber nicht in Sicht - und das ärgert Hans-Jürg Schmied. Er wirft der Stadt vor, sie betreibe "eine Verzögerungstaktik" und sei nicht gewillt, die Bestimmungen des Baureglements auch wirklich durchzusetzen. Dem hält Stadtpräsident Thomas Rufener entgegen: In den Arbeitszonen von Langenthal gebe es verschiedenste Vereinslokale. "Müssten wir die alle verbieten, wäre das sehr problematisch."

Gemeinden bestimmen mit

Wer mit der heutigen Nutzung nicht einverstanden ist, kann von der Stadt eine anfechtbare Auskunft über die Zonenkonformität verlangen und sich in zweiter Instanz an den Kanton wenden. Allzu gross dürften die Erfolgschancen allerdings nicht sein: "Es ist durchaus üblich, dass Vereinslokale und auch Restaurants in Arbeitszonen zugelassen werden", sagt Arthur Stierli, Vorsteher der Abteilung Orts- und Regionalplanung beim Kanton Bern. Grundsätzlich sei es an den Gemeinden selbst, zu definieren, was in einer Arbeitszone alles möglich sei.

Dass in Langenthal solche Zonen gemäss Baureglement für Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen vorgesehen sind, betrachtet Arthur Stierli nicht grundsätzlich als Hindernis: "Ein Vereinslokal kann auch als Dienstleistung eingestuft werden - das ist Ermessenssache der Gemeinde."

Stefan Schneider

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Der Nazitreff

Pnos-Chef zieht die Fäden

Gemietet wurde das Lokal als Lagerraum - in Tat und Wahrheit ist es ein Treffpunkt der rechtsextremen Szene. Praktisch jedes Wochenende feiern die Neonazis auf dem Areal der Porzellanfabrik Langenthal ihre Partys. Als offizieller Mieter des Lokals tritt Benjamin Lingg auf, bekannt als Mitglied der rechtsextremen Rockgruppe Indiziert. Unterstützt wird er von seinem Bandkollegen Dominic Lüthard, Vorsitzender der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) in Langenthal. Wegen Lärmklagen aus der Nachbarschaft wurden die beiden kürzlich von der Stadt aufgefordert, Massnahmen zur Lärmdämmung zu ergreifen. Zudem dürfen die Rechtsextremen nicht mehr über die Blumenstrasse zum Nazitreff fahren. Die Zufahrt wird abgesperrt.
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DROGENSZENE WINTERTHUR
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Tagesanzeiger 13.6.09

Winterthurs Drogensüchtige als Spielball der Politik

Schmid Jürg; Schmid Jürg

Der Stadtrat will die Drogen- Anlaufstelle vom Arch-Areal weg haben. Doch am neuen Ort opponiert der Quartierverein.

Winterthur. - Täglich suchen rund 100 Drogenabhängige, Alkoholiker und Randständige zwischen 11 und 19 Uhr die Anlaufstelle beim Arch-Areal auf. Weil sie im Gebäude nicht rauchen dürfen, halten sie sich oft auf dem Trottoir auf, was manche Passanten stört. "Viele meiner Bekannten meiden den Ort", weiss der Architekt Markus Böni vom Quartierverein Wildbach-Langgasse und Umgebung.

Dieser Zustand ist auch dem Stadtrat bekannt, und er will ihn so rasch wie möglich beenden. Vor allem aus zwei Gründen: Der Druck auf die Anlaufstelle hat zugenommen, seit die Polizei den Drogen- und Alkoholikertreff im Musikpavillon beim Stadtpark aufgelöst hat. Die Platzverhältnisse in der Anlaufstelle sind heute prekär. Und für das Image der neuen Grossstadt fast noch wichtiger: Die Randständigen müssen am jetzigen Ort von der Bildfläche verschwinden, weil dereinst auf dem Arch-Platz ein Prestigebau mit Viersternehotel, Restaurant und Einkaufszentrum hochgezogen wird. Wer teuer schläft und einkauft, will keine Drögeler sehen.

Künftig sollen die Randständigen in einer städtischen Liegenschaft zwischen Technikum (Fachhochschule) und dem Kulturzentrum Alte Kaserne ihre Spritzen tauschen und sich betreuen lassen. Für den Umbau des Gebäudes mit Küche, Aufenthaltsraum und eingezäuntem Garten beantragt der Stadtrat dem Parlament einen Kredit von 890 000 Franken.

Doch dies stösst im Quartier auf Widerstand. Bewohner und Eltern mit Schulkindern opponieren. Markus Bönis Quartierverein will den Standort mit allen Mitteln bekämpfen. Ob der Verein das Referendum ergreift, wenn das Stadtparlament am Montag dem Projekt und dem Umzug zustimmt, ist noch offen. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Anlaufstelle", sagt Böni. "Aber das Gebäude ist exponiert, liegt in der Nähe von Fachhochschule, Berufsschule, Kantonsschule und am Weg vieler Primarschüler."

Dennoch wird das Parlament dem Antrag des Stadtrates wohl zustimmen. Von den grossen Fraktionen sind nur die SVP und CVP gegen den Kredit, der im Vorfeld um mehr als 100 000 Franken reduziert wurde. Die SVP möchte noch zuwarten, bis mit der Konzentration der Stadtverwaltung andere städtische Liegenschaften frei werden. Das jedoch dauert dem Stadtrat zu lang, wie Sozialvorsteherin Maja Ingold (EVP) festhält. Die CVP solidarisiert sich mit dem Quartierverein, weil der geplante Ort der falsche sei. Ein Referendum von Quartierverein oder SVP will die CVP indes nicht unterstützen. (smd)

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HOMOPHOBIE
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Sonntag 14.6.09

Ausschreitungen bei Schwulendemo

Zagreb Bei der achten Homosexuellen-Parade in der kroatischen Hauptstadt Zagreb ist es gestern zu Festnahmen gekommen. Die Polizei nahm vier Nationalisten fest, die die Kundgebung angreifen wollten. Starke Polizeikräfte trennten die Aktivisten von ihren Gegnern. Auch in der polnischen Hauptstadt Warschau demonstrierten Schwule und Lesben. Rechte Jugendliche haben die Demonstranten in der Nähe des Parlaments wüst beschimpft, es sei jedoch nicht zu Zusammenstössen gekommen. (DPA)

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ANTI-ATOM
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Sonntagszeitung 14.6.09

Streit um neue AKW

Alpiq beharrt auf Kernkraftwerk in Gösgen

Olten Streit unter den Stromkonzernen: Die Verhandlungen über die Standortwahl neuer AKW in der Schweiz sind gescheitert. Axpo, BKW und Alpiq haben drei Gesuche für neue Atomkraftwerke eingereicht, doch mindestens eines muss über die Klinge springen. Der Bundesrat hatte sich eine Einigung bis Ende Juni gewünscht - doch kein Energiekonzern will nachgeben.

Die Hoffnungen lagen bisher auf der Gösgen-Betreiberin Alpiq. Das Werk im Kanton Solothurn muss noch länger nicht vom Netz. Deshalb sei es nur logisch, sagen die Chefs von Mühleberg und Beznau, dass Gösgen wegfalle. Doch Alpiq-CEO Giovanni Leonardi winkt ab. "Unser Projekt bleibt bestehen", sagt er im Interview mit der SonntagsZeitung. Zentral sei nicht das Alter eines Werks, sondern die politische Akzeptanz. "Ein zweites Kaiseraugst kann sich die Schweiz nicht leisten."

Axpo-Chef Heinz Karrer: Deutliche Warnung an Alpiq

Leonardi spielt damit auf Mühleberg und den politischen Widerstand gegen Atomenergie im Kanton Bern an. Doch auch die Mühleberg-Betreiberin BKW will ein neues Werk bauen: "Es ist für uns keine Option, das Gesuch für Mühleberg zurückzuziehen", sagt BKW-Chef Kurt Rohrbach. Es gebe eine klare Logik, dass man jene Werke ersetze, die zuerst ausser Betrieb genommen würden - und das seien Beznau und Mühleberg.

Axpo-Chef Heinz Karrer warnt: "Wenn Alpiq weiterhin auf Gösgen besteht, treiben wir die geplanten Partnerschaften ohne Alpiq weiter." Seite 5

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Pattsituation bei Planung neuer AKW

Kein Stromkonzern will Projekt aufgeben

Bern Die Stromkonzerne Axpo, BKW und Alpiq streiten sich. Keiner will nachgeben - alle drei Konzerne wollen an den jeweiligen Standorten Beznau, Mühleberg und Gösgen ein neues AKW bauen. Doch höchstens zwei haben politisch eine Chance.

"Diese Pattsituation ist ein Riesenproblem", sagt FDP-Ständerat Rolf Schweiger. Er ist Mitglied der ständerätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek). "Wir können die Konzerne nicht zu einem Entscheid zwingen", sagt er.

Die Urek will den Stromgiganten in den nächsten Wochen Lösungsvorschläge unterbreiten - ein Gesamtkonzept Gaskombikraftwerke-Atomkraftwerke ist in Arbeit. Die Parlamentarier hoffen, dass sie mit besseren Konditionen für den Bau von Gaskombikraftwerken Bewegung in die blockierten AKW-Verhandlungen bringen könnten. Wenn auch das misslinge, müsse im schlimmsten Fall das Parlament die Auswahl treffen, so Schweiger. "Das wird ein schwieriger Machtpoker. Deshalb hoffe ich, dass vorher die Vernunft bei den Stromkonzernen obsiegt", sagt er.

Danach sieht es zurzeit nicht aus. Nicht nur die Alpiq hält an ihrem Gesuch fest (siehe Interview). Auch die BKW bleibt hart: "Es ist für uns keine Option, das Gesuch für Mühleberg zurückzuziehen", sagt BKW-Chef Kurt Rohrbach. Es gebe eine klare Logik, dass man jene Werke ersetze, die zuerst ausser Betrieb genommen würden - das seien Beznau und Mühleberg. "Somit ist die Reihenfolge das zentrale Argument", so Rohrbach.

Die Kosten des Zwists fallen zulasten der Öffentlichkeit

Dem stimmt auch Axpo-Chef Heinz Karrer zu. Gösgen zu ersetzen, das noch lange nicht vom Netz müsse, sei schwer erklärbar. "Damit riskierten wir ein Nein in der Volksabstimmung." Alpiq laufe bei Nichteinigung Gefahr, am Schluss ohne Beteiligung dazustehen. "Wenn Alpiq weiterhin auf Gösgen besteht, werden wir die geplanten Partnerschaften ohne Alpiq vorantreiben", so Karrer.

Der Branchenzwist hat Folgen: Die Behörden müssen nun nicht zwei, sondern drei Rahmenbewilligungsgesuche prüfen - das verursacht Mehrkosten von rund einer Million Franken.

Catherine Boss

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"Die regionale Akzeptanz ist matchentscheidend"

Alpiq-CEO Giovanni Leonardi will an seinem Projekt für ein neues AKW in Gösgen festhalten

Von Catherine Boss und Andreas Windlinger (Text), rené Ruis (Foto)

Olten Giovanni Leonardi (49) ist CEO des Stromkonzerns Alpiq. Er hat für den Standort Gösgen ein Projekt für ein neues AKW eingereicht. Auch die Axpo und die BKW wollen je ein Atomkraftwerk bauen. Doch nur zwei sind realistisch.

Herr Leonardi, ziehen Sie Ihr Projekt jetzt zurück, wie das Ihr Konkurrent, Axpo-Chef Heinz Karrer, in den Medien fordert?

Nein, das Projekt im Solothurner Niederamt bleibt bestehen. Das übergeordnete Interesse dieses Landes besteht darin, dass wir uns weiterhin unabhängig mit Strom versorgen können. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir eine rasche und möglichst widerstandsfreie Realisierung neuer Atomkraftwerke, die auch der Bundesrat für nötig hält. Am Schluss wird das Volk entscheiden.

Ein Projekt muss aber ausscheiden. Gösgen muss im Gegensatz zu Beznau und Mühleberg noch lange nicht vom Netz. Warum geben Sie nicht nach?

Nur wenn ein Projekt in der Region gut abgestützt ist, können wir die Volksabstimmung gewinnen und danach Investoren finden. Mit unserem Projekt, das als Partnerwerk realisiert würde, ist das gegeben - das Niederamt und der Kanton Solothurn unterstützen es voll und ganz.

Sie spielen auf den Standort Mühleberg an. Dort ist die Akzeptanz für neue AKW wacklig - die Stadt Bern will aus der Atomenergie aussteigen.

Ich rede nicht über andere Projekte. Ich sage nur: Unser Projekt ist sehr gut und hat eine sehr hohe Akzeptanz.

Nochmals: Beznau und Mühleberg müssen bald vom Netz. Ist dies kein Argument?

Es geht für die Strombranche und das Land um die Realisierung der fehlenden Megawatt an den dafür am besten geeigneten Standorten. Dafür ist die regionale Akzeptanz matchentscheidend. Es macht aus unserer Sicht wenig Sinn, einen Standort zu wählen, der zwar die Gnade der frühen Geburt hat, aber in der Region und im Kanton nicht genügend Unterstützung findet.

Laut Axpo haben Sie ein gutes Angebot für eine Beteiligung an Beznau erhalten. Stimmt das?

Ich habe von der Axpo keine verbindliche Offerte auf dem Tisch.

Axpo-Chef Karrer sagt, Gösgen werde nie gebaut.

Zum Glück gibt es die Behörden. Ich habe grosses Vertrauen, dass im behördlichen Prüf- und Bewilligungsprozess die technisch besten und politisch am besten abgestützten Projekte Erfolg haben werden. Die Analyse der Behörden wird helfen, dass sich die Strombranche auf zwei Projekte einigen kann.

Der Bundesrat fordert eine Einigung auf zwei Projekte bis Ende Juni - also in den nächsten zwei Wochen.

Es ist keine Forderung des Bundesrates, er hat lediglich mitgeteilt, dadurch liesse sich das Bewilligungsverfahren um vier Monate verkürzen. Die jetzige Evaluation wird aber noch eine Weile dauern.

Die Verzögerung ist also kein Problem?

Vielleicht ist sie diese Zeit sogar mehr als wert. Die wenigen Monate, die verloren gehen, sind im Vergleich zu den 18 Jahren Planungs- und Bauphase vernachlässigbar.

Wenn die Behörden drei statt zwei Gesuche prüfen müssen, kostet das den Steuerzahler eine Million Franken.

Das ist gut investiertes Geld, denn damit können wir allenfalls eine Milliarde Franken sparen.

Von welcher Milliarde reden Sie?

Wenn wir für ein neues Kernkaft-werk die Volksabstimmung gewinnen und sich hinterher zeigt, dass die regionale Akzeptanz fehlt, wird die Anlage wie damals in Kaiseraugst nie gebaut. Ein zweites Kaiseraugst, das den Steuerzahler rund eine Milliarde Franken gekostet hat, kann sich die Schweiz nicht leisten.

Wenn wir schon von Milliarden reden: Ist die Suche nach Investoren für neue AKW schwierig?

Für Investoren ist die Situation im Moment ideal, denn die Zinsen sind sehr tief. Wenn das Volk 2013 entschieden hat, werden die Banken sicher bereit sein, Geld zur Verfügung zu stellen, wenn das Projekt gut ist. Zudem ist die Finanzkraft der Stromkonzerne in der Schweiz gross genug, um ein Werk zu finanzieren.

Axpo-Chef Karrer warnt vor Blackouts schon in wenigen Monaten. Drohen wegen der Verzögerungen tatsächlich Versorgungsengpässe?

Europaweit geht der Stromverbrauch wegen der Wirtschaftskrise zurzeit deutlich zurück. Deshalb wird es aus meiner Sicht im nächsten Winter keine Notabschaltungen aufgrund von Engpässen geben.

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Finanz und Wirtschaft 13.6.09

"Ersatz dienstältester Kraftwerke ist zentral"

Kurt Rohrbach Der Direktionspräsident der Bernischen Kraftwerke befürchtet bald Probleme in der Versorgung und plädiert für den KKW-Standort Mühleberg

Christoph Gisiger

Die Bernischen Kraftwerke BKW FMB Energie sind der führende Stromversorger der Schweiz. Obschon sich die Rezession auch im Elektrizitätssektor bemerkbar macht, rechnet Direktionspräsident Kurt Rohrbach für 2009 mit einem robusten Geschäftsgang. Risiken macht er hingegen in regulatorischen Eingriffen und dem sich abzeichnenden Versorgungsengpass aus. Vehement verteidigt er deshalb den BKW-Standort Mühleberg in der Frage nach dem Ersatz von Kernkraftwerken.

Herr Rohrbach, die Rezession schlägt in der Schweiz allmählich auf den Konsum durch. Wie wirkt sich das auf einen Versorger wie BKW aus?

Der Stromverbrauch ist kein guter Indikator für den Konjunkturverlauf. Wir spüren die schwierige Wirtschaftslage natürlich auch. Die Nachfrage der Haushalte entwickelt sich aber weiterhin gut. Auch hat der strenge Winter den Stromkonsum in den ersten Monaten des Jahres sogar stimuliert. Gemessen am Vorjahr ist der Absatzrückgang nicht dramatisch. Über alle Kundengruppen gesehen, erwarten wir 2009 eine ähnliche, vielleicht leicht tiefere Entwicklung verglichen zum Vorjahr.

In den Absatzmärkten Italien und Deutschland ist der Verbrauch aber eingebrochen. Das wird doch den Vertrieb im Ausland beeinträchtigen.

Weil die BKW im Vertrieb im Ausland eher klein sind, können sie die Absatzmenge dort kompensieren, allenfalls zu tieferen Preisen. Je nach Preisentwicklung verkaufen wir den Strom direkt an der Börse, über den Vertrieb oder an Stadtwerke. Für das gesamte Portfolio der BKW wird unsere Longposition, also die Energie, die wir nicht für unsere Endkunden oder Vertriebspartner benötigen, zeitlich gestaffelt abgebaut: Rund ein Drittel wird jeweils im aktuellen Jahr, ein weiteres Drittel für das folgende und der Rest für das übernächste Jahr veräussert. Das hat uns 2008 zu einem soliden Ergebnis verholfen und wirkt auch für 2009 stabilisierend. Andererseits werden wir erst mit einer gewissen Verzögerung profitieren, wenn die Preise wieder anziehen.

Zum soliden Ergebnis trug auch der Handel wesentlich bei. Wie verläuft hier die Entwicklung?

Unser Handelsgeschäft ist intakt. Wir bauen keine grossen offenen Positionen auf, fahren aber bestimmt auch keine exorbitanten Gewinne ein. Der Handel mit Energiederivaten trägt rund 20 Mio. Fr zum Ergebnis bei. Auch im physischen Handel zur Kraftwerkoptimierung sind wir vernünftig unterwegs.

Müssen die BKW die Bedeutung des Handels öffentlich tief halten, um sich nicht politischem Druck auszusetzen?

Natürlich wird über dieses Thema kontrovers diskutiert. Es geht aber nicht um politische Aspekte, sondern um die Rolle der BKW als Versorger: Es wäre ungeschickt, wenn sie sich durch riskantes Verhalten ins Abseits manövrieren würden. Die BKW sind als Versorger in erster Linie ihrer Infrastrukturaufgabe verpflichtet. Priorität haben die Optimierung der Produktion und die Verfügbarkeit von Strom.

Im Ölsektor herrscht bereits so etwas wie Aufbruchstimmung. Wie beurteilen Sie die Aussichten für den Strommarkt?

Es ist tatsächlich etwas mehr Optimismus zu spüren. Der Schaden ist weltweit aber wohl derart gross, dass die Hoffnung auf eine rasche Konjunkturaufhellung illusorisch wäre. Die Strompreise im Grosshandel erholen sich ausserdem nur zaghaft, auch was die Terminkontrakte für die kommenden Jahre angeht. Neue Projekte werden deshalb eher vorsichtig angegangen, selbst im Bereich erneuerbarer Energien. Entwickelt sich der Stromverbrauch in der Schweiz jedoch weiterhin so robust wie im langjährigen Mittel, dann haben wir bald ein Problem mit der Stromversorgung. Der Ersatz der dienstältesten Kernkraftwerke ist deshalb zentral.

Nicht gesichert ist ja auch, ob das BKW-Kernkraftwerk Mühleberg über 2012 hinaus in Betrieb bleibt. Im Gegensatz zu den anderen drei Schweizer Kernanlagen hat es bisher keine unbefristete Betriebs-bewilligung erhalten. Das, obschon die Behörden Mühleberg die besten Noten punkto Sicherheit ausgestellt haben.

Darauf sind wir stolz. Diese Note unterstreicht auch, dass es in der Beurteilung der unbefristeten Bewilligung nicht um die Sicherheit, sondern um die Einschätzung geht, wie weit die politischen Überlegungen von vor 20 Jahren noch Gültigkeit haben. Verschiedene Gerichtsentscheide stützen unsere Position. Einer unbefristeten Betriebsbewilligung steht aus unserer Sicht eigentlich nichts mehr im Weg. Bemerkenswert ist zudem, dass alle bisher publizierten Prognosen des Bundes zur künftigen Stromversorgung damit rechnen, dass Mühleberg bis etwa 2020 am Netz bleibt.

Könnte die offene Frage um Mühleberg den BKW zum Nachteil gereichen, wenn es um die Standortdebatte für den Ersatz der bestehenden Kernreaktoren geht?

Daraus einen unmittelbaren Zusammenhang herzustellen, wäre an den Haaren herbeigezogen. In der Diskussion um Ersatzkraftwerke gibt es überzeugendere Argumente. Dazu gehört die natürliche Reihenfolge. Wir wollen im Einklang mit der Politik des Bundesrats Kernkraftwerke an den bestehenden Standorten ersetzen. Natürlicherweise sind das zuerst die Reaktoren in Beznau und Mühleberg, weil sie als Erste das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreichen.

Alpiq, die ihren Standort im Solothurner Niederamt favorisiert, argumentiert hingegen, dass es vernünftiger sei, dort zu bauen, wo sich ein neuer Reaktor am schnellsten realisieren lasse. Auch sei es kein Problem, einen stillgelegten Standort später zu reaktivieren.

Diese Einschätzung teile ich nicht. Das käme praktisch auf das Gleiche heraus, wie einen neuen Standort zu suchen. Wenn wir einen "jüngeren" Standort vorziehen und dort die Realisierung dann doch nicht möglich ist, ist es kaum denkbar, auf einen älteren zurückzukommen. In der Öffentlichkeit würde das nicht verstanden. Die Branche darf die bestehenden Standorte nicht aufgeben, denn das würde für die Versorgung der Schweiz bedeuten, rund 1600 Megawatt Produktionskapazität aufs Spiel zu setzen.

Wie steht es denn um die politische Akzeptanz für ein neues Kernkraftwerk im Kanton Bern?

Der Kanton Bern hat eine bürgerliche Mehrheit im Parlament, das sich in dieser Legislatur klar für die Kernkraft ausgesprochen hat. Eine Umfrage des Berner Handels- und Industrievereins sowie der KMU in den Kantonen Bern, Freiburg und Neuenburg zeigt zudem, dass die Akzeptanz für ein Ersatzkraftwerk vorhanden ist. Auch wurde eine Initiative zur Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg vor einigen Jahren wuchtig verworfen.

Ausser dem Ersatz von Mühleberg planen die BKW eine ganze Reihe weiterer Grossinvestitionen. Wie steht es da um die Finanzierung?

Viele Massnahmen zur Stützung der Konjunktur werden über die Notenpresse finanziert. Künftig ist daher wohl mit steigender Teuerung zu rechnen, was auch höhere Zinsen nach sich ziehen dürfte. Es ist also sinnvoll, die Fremdfinanzierung grosser Projekte zeitlich zu staffeln und früh anzugehen. Das heisst, wir müssen uns gut im Markt positionieren.

Was bedeutet das in Zukunft für die Dividendenpolitik?

Falls sich die Situation nicht grundlegend ändert, halten wir an unserer Dividendenpolitik fest und wollen weiterhin 40 bis 50% des Gewinns ausschütten. Gemessen am Schweizer Stromsektor ist unsere Pay-out Ratio damit eher hoch, im internationalen Kontext jedoch nicht überdurchschnittlich.

Viel zu reden gibt auch die Öffnung des Schweizer Strommarkts, mit der nun massive regulatorische Eingriffe einhergehen. Wie beeinflusst das die BKW?

Darin besteht für uns derzeit das grösste Risiko, vor allem was die Netznutzungspreise anbelangt. Auf Höchstspannungsebene ist der Effekt zwar auch spürbar, die grössere Unsicherheit besteht jedoch nach wie vor für die Preise im Verteilnetz, das für uns als grösster Schweizer Versorger enorm wichtig ist. Der Regulator hat in dieser Hinsicht den BKW zwar zugesichert, dass sie 2009 dieselben Preise wie im Vorjahr verrechnen dürfen. Für 2010 ist noch kein Entscheid gefallen. Im schlimmsten Fall könnte unser Ertrag dadurch um einen sehr hohen zweistelligen Millionenbetrag beeinträchtigt werden.

Ist das ein Grund, weshalb die Aktien BKW so viel an Boden verloren haben?

Die Unsicherheit in der Regulierung spielt sicher eine Rolle. Eventuelle Folgen legen wir Investoren daher möglichst transparent dar. Zudem wird unser Ergebnis sehr von der Performance der Reservefonds für die Stilllegung von Kernkraftwerken und Entsorgung nuklearer Abfälle beeinflusst. Wertschwankungen in diesen Fonds rechnen Investoren und Analysten wohl direkt auf den Kurs durch.

Auf wenig Verständnis stossen die hohen Preise für Systemdienstleistungen der nationalen Netzgesellschaft. Sie stammen vor allem aus den Kosten für Reserveenergie, die Swissgrid den Überlandwerken abkaufen muss. Mehr Transparenz wäre hier dienlich.

Dafür stehen wir schon lange ein. Die Bedingungen wurden jedoch so ausgelegt, dass nur wenige Anbieter an diesem Markt partizipieren können. Nun werden diese dafür kritisiert, dass sie teilnehmen, dass es nicht richtig funktioniert und die Preise zu hoch sind. Die Regeln müssen so angepasst werden, dass weitere Anbieter aus der Schweiz und auch aus dem Ausland teilnehmen können, denn mit mehr Marktteilnehmern sinken die Preise automatisch, wie sich im Ausland zeigt. Auch müssen die Auflagen zur Verfügbarkeit der Kraftwerke etwas gelockert werden. Das lässt sich durchaus bewerkstelligen, es ist nur eine Frage des Wollens.

Auch sonst verläuft die Liberalisierung sehr harzig. Wo liegt das Grundproblem?

Statt das gemeinsame Gespräch zu suchen, wurde viel Lärm gemacht. Nun stecken wir in einem Dschungel voller Verordnungen, Verfügungen und Beschwerden. Gerade was die Systemdienstleistungen anbetrifft, wäre es vernünftig, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Ich bin überzeugt, dass der Regulator, Vertreter aus dem Uvek und der Wettbewerbskommission zusammen mit der Branche zu einer Lösung kommen könnten.

Die BKW orten in der Marktöffnung auch Chancen für externes Wachstum. Bisher tut sich die Gruppe damit aber überaus schwer, wie die gescheiterten Annäherungsversuche in Thun, Burgdorf oder Biglen zeigen.

Ich glaube nicht, dass diese Entscheide auf ein Imageproblem der BKW zurückzuführen sind. Alle Gemeinden legen weiterhin Wert darauf, eng mit den BKW zusammenzuarbeiten. Es ist bereits ersichtlich, dass kleinere Anbieter mit den kostspieligen Auflagen der Marktöffnung viel Mühe bekunden. Der Leidensdruck vieler Verteiler ist wohl aber noch gering. Solange nehmen die Gemeinden lieber selbst Einfluss auf ihre Stromversorgung.

Durch die Fusion von Atel und EOS zu Alpiq ist eine neue Grossmacht im Schweizer Strommarkt entstanden. Was ändert sich dadurch für die BKW?

Wir nehmen die neue Situation vor allem in der Produktion wahr, wo Alpiq eine neue Position im Markt sucht. Durch die Fusion ist Alpiq aber sehr mit sich selbst beschäftigt, während wir uns gut als vertikal integrierter Versorger positionieren. Über die gesamte Wertschöpfungskette gesehen - also von der Produktion über den Transport bis zur Verteilung - verfügen die BKW bereits über eine respektable Grösse, auch wenn wir weniger Strom produzieren als Alpiq oder Axpo.

Interview: Christoph Gisiger

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Kraftpaket in heiklem Umfeld

Als vertikal integrierter Versorger sind die BKW von der Turbine bis zur Steckdose entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Elektrizitätswirtschaft aktiv. Anders als die Konkurrenten Axpo und Alpiq, die sich primär auf die Segmente Erzeugung und Transport konzentrieren, hat das mehrheitlich vom Kanton Bern kontrollierte Unternehmen damit auch die Feinverteilung in der eigenen Hand. Das sichert ihm einen robusten Cashflow und stattliche Margen. Insgesamt umfasst das Absatzgebiet mehr als eine Million Menschen, was im zersplitterten Strommarkt der Schweiz annähernd 14% Anteil entspricht.

Die Aktien BKW weisen mit knapp 22% den grössten Streubesitz im helvetischen Stromsektor aus. Damit bieten sie Fonds und anderen institutionellen Anlegern eine echte Chance, sich in Schweizer Energiewerten zu engagieren. Als Vergleich ziehen internationale Investoren daher weniger heimische Rivalen wie die Centralschweizerischen Kraftwerke CKW oder Romande Energie heran, sondern in erster Linie Verbund aus Österreich oder Fortum aus Finnland.

Obschon die BKW mit einem "bärenstarken" Ergebnis für 2008 angenehm überrascht haben und auch für das laufende Jahr ein solides Resultat erwarten, haben die Aktien bisher nicht von der breiten Aufhellung an der Börse profitiert. Vorbehalte basieren vor allem auf externen Faktoren. Dazu gehört etwa das regulatorische Umfeld, die Performance der Reservefonds für Kernkraftwerke, die sich direkt auf das Ergebnis durchschlägt, aber auch Unsicherheiten zur Zukunft des Standorts Mühleberg oder die empfindliche Verzögerung des grossen Speicherkraftprojekts am Grimselsee. Löst sich hier der eine oder andere Knoten, wird das den Papieren zu neuer Energie verhelfen.CG