MEDIENSPIEGEL 3.7.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Bollwerk: Obrigkeitliche Kosmetik
- Telehess 2.7.09
- Homophobie: Entkriminalisierung in Indien; Knatsch im Wallis
- Antifaschistischer Aktionsmonat Thun
- Sempach: FDP-Fragen; Unheimlicher Patriotismus
- Verbot Nazisymbole in der Vernehmlassung
- Pranger: Stadtrat + Datenschützer
- Schnüffelstaat beaufsichtigen
- Suff-Polizei ZH: 1200.—pro Nach im Jugendsuffknast
- Hooligan-Grippe: YB schärfer mit 2 Mio pro Saison; FCL mit Kopfgeld
- Basel: Junkiepflegeheim
- Rauchverbot: Erste Erfahrungen
- Rap für ermordetene Antifaschisten
- Gipfel-Soli-News 3.7.09

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REITSCHULE
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Fr 3.7.09
12.00 Uhr - Sous Le Pont - Hofbeiz
20.00 Uhr - Rössli - Bar

Sa 4.7.09
16.00 Uhr - Vorplatz - Töggeli-Turnier feat. Still Blazing Reggae Jam
22.00 Uhr - Rössli - Culture Factory presents "Still Blazing Reggae Jam" - Benjahman(CH), RasRomano, Ras Makonen, One Aim Soundsystem, Selekta Banderas, Angle B, Hi Meditation

So 5.7.09
08.00 Uhr - Vorplatz/Grosse Halle - Flohmarkt
09.00 Uhr - Sous le Pont - Brunch
18.00 Uhr - Rössli - Bar
19.00 Uhr - Vorplatz - Grill & Kubb

Infos: www.reitschule.ch

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BOLLWERK
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Bund 3.7.09

"Schütz": Regierung gibt nach

Berner Gemeinderat sagt Ja zu einer Gesamtplanung des Raums Bollwerk

Der Gemeinderat will zwischen Bollwerk und Waisenhausplatz nicht nur Kosmetik betreiben. Er weicht dem Druck des Stadtrates, der eine Aufwertung fordert.

Bernhard Ott

Der Raum Bollwerk ist geprägt durch Verkehr und Drogenszene. "Gewalt in den verschiedensten Erscheinungsformen prägt das Ambiente", kam eine Studie jüngst zum Schluss ("Bund" vom 27. April). Der Gemeinderat als Auftraggeber der Studie zeigte sich bis anhin jedoch nicht bereit, "konzeptionelle Überlegungen" zu einer Neuplanung anzustellen. Dies solle frühestens im Jahr 2030 der Fall sein, wenn die Folgen des Bahnhofausbaus geklärt sein werden. Im Stadtrat stiess die zögerliche Haltung der Regierung auf Kritik. Fraktionen von links bis rechts forderten eine Neuplanung des Perimeters ("Bund" vom 8. Mai). Zwei Motionen in dieser Sache sind hängig. Gestern nun hat Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) vor der Planungskommission erklärt, der Gemeinderat sei bereit, die beiden Vorstösse entgegenzunehmen.

"Vielleicht 2020 statt 2030"

Die Vorstösse von SP und GB verlangen einen Projektierungskredit zur städtebaulichen Umgestaltung des Raumes Bollwerk. "Statt 2030 geschieht nun vielleicht 2020 etwas", sagt Motionärin Stéphanie Penher (gb). Sie hätte es vorgezogen, wenn der Gemeinderat die Gesamtplanung gleichzeitig mit den Sanierungsmassnahmen an die Hand genommen hätte. In dieser Hinsicht wollte sich die Stadtregierung aber nicht festlegen. "Der Zeitplan zur Umsetzung der Gesamtplanung ist Sache des Gemeinderates", sagt Penher. An den grundsätzlichen Vorbehalten der Stadtregierung betreffend des Bahnhofausbaus habe sich nichts geändert.

"Schützenmatte gehört der Stadt"

Fürs Erste hat nun der Gemeinderat einen Projektierungskredit von 100000 Franken für die Verschiebung von Parkplätzen, die Installation eines Unterstandes für Car-Reisende und die Sanierung von Werkleitungen genehmigt. Der Realisierungkredit soll bis Ende 2011 vorliegen, sodass "spätestens Mitte 2012" mit der Sanierung begonnen werden kann. Für Beat Zobrist, der seitens der SP eine Neugestaltung verlangt, sind dies bloss "weitere Schritte bei der Verwaltung" der Misere im Bollwerk. Für Zobrist ist klar: "Die Schützenmatte gehört der Stadt." Die Mehrheit des Stadtrates wolle eine Aufwertung des Raumes, bevor der Tiefbahnhof gebaut werde.

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BZ 3.7.09

Schöner und sicher

Die Achse Eigerstrasse- Aegertenstrasse soll saniert, das Bollwerk verschönert werden. Geld für die Planung ist bewilligt.

Das Bollwerk und die Achse Eigerstrasse-Monbijoubrücke- Aegertenstrasse sollen umgestaltet und saniert werden. Dafür hat der Gemeinderat Projektierungskredite von 100000 respektive 120000 Franken gesprochen. Die vor 48 Jahren gebaute Verbindung zwischen dem Eiger- und dem Thunplatz gehört zu den Hauptverkehrsachsen der Stadt. Weil der Strassenzug in all den Jahren nur punktuell saniert wurde, will der Gemeinderat nun Instandstellung, Lärmschutz und Gestaltung gesamthaft planen. Die Projektierung beginnt im Sommer, die Umsetzung ist von 2013 bis 2016 geplant. Allerdings muss erst die Bevölkerung über die Millionensanierung befinden.

Das Bollwerk genügt laut Gemeinderat nicht mehr den Ansprüchen, die an ein citynahes Gebiet gestellt werden. Deshalb soll es nun zur attraktiven Adresse aufgewertet und sicherer werden. Bis Ende Jahr soll ein entsprechendes Konzept vorliegen. Den Realisierungskredit will der Gemeinderat bis Ende 2011 vorlegen. Der Baubeginn ist auf Mitte 2012 geplant.
as

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bern.ch 1.7.09

Kurzmitteilungen des Gemeinderats

Ferner hat der Gemeinderat

(...)

*      einen Projektierungskredit von 100 000 Franken für das Vorprojekt zur Umgestaltung des Bollwerks bewilligt. Beim Raum Bollwerk handelt es sich um einen bedeutenden Ort im Stadtgefüge an der Nahtstelle zwischen Altstadt, Bahnhofareal und Länggassquartier. Die Qualität dieses wichtigen öffentlichen Raums entspricht weder in funktionaler - z.B. bezüglich Verkehrssicherheit - noch in gestalterischer Hinsicht - z.B. bezüglich subjektiver Sicherheit - den Ansprüchen, welche an ein citynahes Gebiet gestellt werden. Deshalb sollen die technischen Infrastrukturen umfassend erneuert und das Bollwerk zu einer attraktiven Adresse aufgewertet werden. Dabei können Synergien zu dringend erforderlichen Werkleitungssanierungen genutzt werden. Bis Ende 2009 werden unter Federführung der Verkehrsplanung ein Konzept und ein Vorprojekt für den Strassenraum erarbeitet, der von der Werkleitungssanierung direkt betroffen ist. Der zusätzlich erforderliche Realisierungskredit und die Bewilligungen sollten bis Ende 2011 vorliegen, so dass voraussichtlich bis spätestens Mitte 2012 mit dem Bau begonnen werden kann.
(...)

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TELEHESS
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telehess.ch 2.7.09

Heute Folge 12:
Erich Hess zur Stadtberner Volksinitiative "Autofreier Bahnhofplatz"
http://www.erichhess.ch/telehess/archiv.htm
Aufgezeichnet in Bern, 2. Juli 2009

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HOMOPHOBIE
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Bund 3.7.09

Homosexualität entkriminalisiert

Indien Schwule und Lesben in Indien haben einen historischen Sieg errungen. Nach fast 150 Jahren hat das Oberste Gericht von Delhi gleichgeschlechtliche Liebe erlaubt. Diese stand bisher als widernatürlich unter Strafe. Homosexuellen drohten bis zu zehn Jahren Haft. Diese Kriminalisierung hob das Gericht nun in einem Grundsatzurteil auf. Danach ist homosexueller Sex unter Erwachsenen im privaten Umfeld keine Straftat, wenn er einvernehmlich ist. Die Medien sprachen von einem "historischen Richterspruch". Das Urteil kann aber noch vor dem Höchsten Gericht angefochten werden.

Paragraf 377 des geltenden Gesetzes verstosse gegen grundlegende Menschenrechte, die in Indiens Verfassung garantiert seien, befanden die beiden zuständigen Richter. Die NAZ-Stiftung, die für die Rechte von Homosexuellen eintritt, hatte 2001 gegen das Gesetz geklagt. Wie andere Organisationen beklagt sie, dass es die Aids-Prävention behindere, weil nur schon HIV-Aufklärung oft als Werbung für Homosexualität verfolgt wird. Zwar wurden Homosexuelle in der Praxis selten belangt, aber sie werden auch heute noch sozial geächtet und oft sogar um Geld erpresst.

Britisches Kolonialgesetz

Das Urteil dürfte ein wichtiger Schritt hin zur Besserstellung von Indiens Homosexuellen sein. Damit wächst der Druck auf die Politik, die anachronistische Gesetzgebung zu reformieren. Das alte Gesetz war 1861 von den britischen Kolonialherren eingeführt worden. In Grossbritannien wurde homosexueller Sex bereits 1967 legalisiert; in Indien galt das Gesetz aber bis heute weiter. Homosexuellen-Vereinigungen begrüssten den Richterspruch: "Wir haben endlich das 21.Jahrhundert betreten", sagte Anjali Gopalan von der NAZ-Stiftung. Bei hinduistischen, muslimischen und christlichen Organisationen stiess das Urteil dagegen auf Kritik.

Das Gesetz stand in krassem Widerspruch zu Indiens Realität. In den Metropolen gibt es eine lebendige Lesben- und Schwulenszene. Mehrere Studien haben zudem ergeben, dass ein hoher Prozentsatz auch heterosexueller Männer schon einmal mit Männern Sex hatte. Manche Studien sprechen sogar von jedem dritten Inder. Dies dürfte oft schlicht mangelnden Alternativen geschuldet sein, weil ausserehelicher Sex zwischen Frauen und Männern in grossen Teilen Indiens weiter tabuisiert ist.

Christine Möllhoff, Delhi

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20min.ch 1.7.09

Schwulen-Hetze

"Der ist völlig neben den Schuhen"

von Adrian Müller

Der Co-Präsident der Walliser Jung-SVP hetzt gegen Schwule. Nun schiessen eigene Parteikollegen scharf gegen Grégory Logean: "Mit seinen Ansichten ist er in der falschen Partei."

"Homosexualität ist ein abnormales Verhalten, eine Gesellschaft, die keine Nachkommen produziert, wird durch ein anderes Volk ersetzt": Mit solch scharfen Voten beleidigte der Jung-SVPler Grégory Logean Homosexuelle (20 Minuten berichtete).

Über diese Aussagen kann der bekennende bisexuelle Berner SVP-Grossrat Thomas Fuchs, normalerweise selber ein Freund der markigen Worte, nur den Kopf schütteln: "Der ist völlig neben den Schuhen. Logean hat wohl ein Problem mit sich und will mit den Attacken davon ablenken." Er kenne in der Walliser SVP-Sektion mindestens fünf Personen, die selber schwul seien. "Aber offiziell gibt's im Wallis keine Homosexuellen, niemand outet sich", weiss Fuchs.

"Du gehst mit Fuchs ins Bett"

Einer, der selbst schon Attacken von fundamentalistisch-katholischen SVPlern über sich ergehen lassen musste, ist der Unterwalliser Thomas Schmidt. Er amtete von 2002-2005 als Präsident der Jungen SVP. "Du gehst mit Fuchs ins Bett", verhöhnten ihn Innerschweizer Parteikollegen. Er glaubt im Gegensatz zu Fuchs, dass Grégory Logean die Angriffe aus einer tiefen persönlichen Überzeugung reitet. "Mit seinen Ansichten ist er jedoch in der falschen Partei", ist für Schmidt klar. Erich Hess, Präsident der JSVP Schweiz, will sein Schäfchen Logean nicht tadeln: "Bei uns müssen alle Meinungen Platz haben. Die im Unterwallis sind halt sehr katholisch-konservativ."

Stimmenfang auf Kosten der Schwulen

Mit der Schwulenhetze wolle die SVP die religiös-konservative Grundeinstellung vieler Walliser ausnützen, glaubt Schmidt: Viele Walliser seien mit den liberalen Positionen der CVP punkto Homosexualiät unzufrieden. "Die JSVP hofft, dass diese nun in ihre Partei eintreten." Der SVP-Nationalrat Oskar Freysinger unterstützt Heisssporn Logean. "Schwule können sich nicht fortpflanzen, wir werden von den geburtenstarken islamistischen Ländern in die Enge getrieben." Er selbst kritisierte in einer Interpellation 2005 eine Broschüre der Aidshilfe Schweiz. "Durch suggestive Fotos wird für Homosexualität geworben", schreibt Freysinger.

Für den SVP-Hardliner Fuchs ist Schwulenhetze billiger Populismus. Das komme zwar bei gewissen Kreisen gut an, mittelfristig gewinne man damit aber keine Stimmen. "Den Wallisern werden auch mal die Augen aufgehen", hofft Fuchs.

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ANTIFA THUN
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a-g-o.ch.vu 29.6.09

Antifaschistischer Aktionsmonat
Nationalisten den Boden entziehen

Aktionen:
- 08.08.2009 Opanair Krattigen
- 15.08.2009 Gumiboot Demo
- 22.08.2009 Filmabend im Denkmal Bern
- 29.08.2009 Demo in Thun

Infos: http://www.a-g-o.ch.vu/

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SEMPACH
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20 Minuten 2.7.09

FDP-Vorstoss zu Schlachtfeier

Luzern. Die FDP will vom Regierungsrat wissen, wie es mit der Schlachtfeier in Sempach weitergehen soll. In einer dringlichen Anfrage stellt sie auch die Frage, wie in Zukunft ein politischer Missbrauch der Feier verhindert werden könne. Die Partei verlangt ausserdem Auskunft darüber, wer für die Kosten des Polizeiaufgebots aufkommt und wie der Regierungsrat das Vermummungsverbot durchzusetzen gedenkt. An der Schlachtfeier vom letzten Samstag nahmen rund 200 Rechtsextreme teil. Rund hundert linke Aktivisten demonstrierten gegen die Nazis.

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WoZ 2.7.09

Unheimlicher PATRIOTISMUS - Was auf den Strassen von Sempach zu hören war, als sich 200 Rechtsextreme zur alljährlichen Feier der Schlacht von 1386 einfanden.

"Die sind immer ganz anständig mitgegangen"

Von Dinu Gautier

Samstag frühmorgens in Sempach, dem idyllischen Städtchen am See: Ein Luzerner Kantonspolizist hat einer Gruppe Rechtsextremer aus dem Kanton Bern soeben einen Parkplatz zugewiesen. Sie sind frisch rasiert, ihre Hemden sind gebügelt. In militärischem Ton grüssen sie alles, was sich bewegt. Der Polizist lächelt und sagt: "Einfach friedlich bleiben, dann wird es ein schöner Tag."

Auf einem Tischchen am Strassenrand haben AnwohnerInnen den Beamten frischen Kaffee in Porzellantässchen serviert. In der Hauptgasse zwängen sich Männer in altertümliche Uniformen, Hellenbarden und Morgensterne stehen bereit. Frauen tragen keine Waffen, dafür haben sich ein paar Mädchen mit Sonnenblumen geschmückt. Auf dem Platz vor der Kirche schüttelt ein Staatsschutzbeamter die Hände von rechten Skinheads aus der Region.

Es ist "Schlachtjahrzeit" in Sempach, jener alljährliche Termin, an dem rund Tausend Personen einer längst vergangenen Schlacht gegen die Habsburger vor den Toren des Städtchens gedenken. Eine folkloristische Fasnacht für eingefleischte PatriotInnen.

Ein Teil davon

Nun würde man eigentlich, wie jedes Jahr, zum Winkelrieddenkmal in den Hügeln oberhalb der Stadt ziehen, dort Kränze niederlegen, Militärkäseschnitten essen und Weisswein trinken, gemeinsam der Toten von vor 623 Jahren und der Heldentat des "Märtyrers" Arnold von Winkelried gedenken. Der soll sich ja, man glaubt fest daran, mit seinem Körper in die Speere der Habsburger geworfen und so eine "Gasse der Freiheit" geschlagen haben.

Man würde eigentlich. Doch dieses Jahr ist alles anders: Gleich ausserhalb der Altstadt haben sich Mitglieder der Juso und autonome AntifaschistInnen versammelt. Die knapp Hundert Personen demonstrieren auf dem Schulhausplatz bewilligt gegen den alljährlichen behördlich tolerierten Aufmarsch von bis zu 250 Rechtsextremen. "Bunt statt braun", heisst es auf einem grossen Transparent. Einige Jusos tragen farbige Gesichtsmasken. Von gegen über filmt ein Patriot die Kundgebung. Als er das zweite Transparent entziffert, bestürmt er fuchtelnd den anwesenden Polizeikommandanten Beat Hensler: "Das Plakat kommt sofort herunter, oder ich gehe es selber herunterholen." Der Grund für den plötzlichen Verlust der Contenance? Auf dem Transparent steht eine Variante des Zitates von Arnold von Winkelried: "Welcher Sauhund hat mich gestossen?"

Den Eingang zur Altstadt, gleich gegenüber dem Schulhausplatz, versperren Gitterfahrzeuge der Polizei. Sempach wird zu einer Festung. Die Linken draussen, etwas verloren wirkend, fernab vom Geschehen. Drinnen die Rechten. Sie sind Teil des Anlasses.

Aus sicherer Entfernung schauen sich von einer Anhöhe aus Schaulustige die linke Platzkundgebung an. Ein alter Mann zu seinen Kollegen: "Jetzt brauchte ich ein Maschinengewehr." Wäre er dreissig, vierzig Jahre jünger, er würde sich mit Gebrüll auf das "Pack" stürzen, bekräftigt er. Ein paar Jugendliche daneben: "Das sind eh alles Zürcher." Eine Frau mittleren Alters ist hier die Einzige, welcher der rechte Aufmarsch Sorgen bereitet: "Hoffentlich kommen die jetzt nicht jedes Jahr." Ihre Tochter interveniert: "Die sind doch jedes Jahr gekommen - und immer ganz anständig mitgegangen."

Auch ein paar Kids, fünfzehn-, sechzehnjährig, ihre Eltern sind aus dem Kosovo eingewandert, diskutieren die Lage: "Sind die Nazis die Linken?" - "Nein die Rechten!" Man einigt sich auf "die Unanständigen" und "die Anständi gen". Da weiss man, wovon man spricht. Überhaupt kenne er Nazis, sagt einer der jungen Männer. Wenn man nett zu denen sei, würden die einem nichts machen. Und oben im Wald, da sei er mit seinen Kollegen auch schon gleichzeitig mit den Nazis am Feiern gewesen.

Seit zehn Jahren rufen rechtsextreme Organisationen offiziell zur Teilnahme an der "Schlachtjahrzeit" auf. Die Behörden haben die Aufmärsche bisher herunterzuspielen versucht. Rückblickend nennen sie das eine "Strategie des Ignorierens". Auch die Luzerner Sicherheitsdirektorin Yvonne Schärli (SP) hat vor zwei Jahren, als sie die offizielle Ansprache hielt, die damals rund 160 Rechtsextremen mit keinem Wort erwähnt. Später bezeichnete sie vor laufender Kamera deren Präsenz als Zeichen "der Vielfalt der Schweiz". Die Appeasementstrategie, so wird vor Ort deutlich, sie ist gescheitert. Heuer wird sie wohl zum letzten Mal angewandt.

"Meteorologische Gründe"

Allein schon die Ankündigung von Widerstand seitens der Juso hat das behördliche Schweigen gebrochen. Vor der Kirche hält Franz Schwegler, der Stadtpräsident von Sempach, die Begrüssungsansprache: "Politische Gruppierungen sollen die Feier nicht instrumentalisieren oder gar missbrauchen. Diese Leute sind hier nicht willkommen." Eine deutliche Mehrheit der Anwesenden applaudiert. Von den JournalistInnen wünscht sich Schwegler keine Fokussierung auf die "extremen Pole", sondern auf das "Kernanliegen" der Feier. Unklar bleibt, was dieses sein soll.

Lust, mit den Neonazis unter Beob achtung der Medien zum Winkelrieddenkmal zu marschieren, scheint der CVP-Mann jedenfalls keine mehr zu verspüren. Die Feier wird in die Kirche verlegt, "wegen meteorologischen, nicht wegen politischen Gewitters". So recht glauben mag das kaum jemand.

So marschieren die rund 200 Rechtsextremen schliesslich allein und unbewilligt durch das Städtchen. Einige Bürger applaudieren. Eine junge Frau, eine der Töchter des Stadtpräsidenten, steht einsam am Strassenrand und buht die marschierenden Neonazis aus. Dann sind die "Anständigen" weg, marschieren den Hügel hinauf. Über ihnen kreist ein Polizeihelikopter. Wenig später sind auch die "Unanständigen" auf dem Heimweg, Sempach hat seine Idylle wieder. An einem Laternenpfos ten bleibt ein Aufkleber kleben: "Sempach: Seit 1386 Kommunisten frei!!!"

Nachtrag: Auf Urs Hangartner, Regierungssprecher des Kantons Luzern, scheint der Samstag Eindruck gemacht zu haben. Der WOZ sagte er: "Wir können nicht mehr darüber hinwegschauen, dass wir einen Anlass mitorganisieren, den rechstextreme Kreise zur Profilierung missbrauchen." Die Art der Feier werde überdacht, noch befinde man sich aber am Anfang dieses Prozesses.

David Roth von der Juso Luzern bilanziert: "Wir haben uns nicht nur Freunde gemacht - aber das war auch nicht das Ziel." Er ist "zufrieden", dass diskutiert wurde; von einem Erfolg wolle er aber erst sprechen, wenn die mittlerweile "grösste Neonazidemonstration der Schweiz" im nächsten Jahr tatsächlich nicht mehr stattfinde.

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Hinterhalt bei der Vogelwarte

Aus polizeilicher Sicht ist gegen Mittag die heikle Phase vorbei, die Schlachtfeier von Sempach ist ohne Zusammenstösse zwischen links und rechts über die Bühne gegangen (vgl. "Die sind immer ganz anständig mitgegangen"). Nun könn te der Polizei helikopter landen, und die Polizei kräfte aus verschiedenen Innerschweizer Kantonen könnten sich einen freien Nachmittag gönnen. Doch was tun sie da, versteckt hinter Büschen und hinter Fahrzeugen beim Haupteingang der eidgenössischen Vogelwarte? Hat sie etwa ein plötzliches Interesse für Ornithologie gepackt?

Weit gefehlt: Die (bewilligt) auf der Landstrasse Richtung Bahnhof ziehende Juso-Demo kommt gleich vorbei. Dann geht es schnell. Die PolizistInnen rennen aus ihren Verstecken hervor. Die etwa siebzig verdutzten DemonstrantInnen werden eingekesselt. Dann der Auftritt eines Mannes im samtenen Sakko, mit abgewetzter Baseballmütze auf dem Kopf und leicht irrem Lächeln im Gesicht: Es ist Beat Hensler, Luzerner Polizeikommandant, Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten und Ausbilder an der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch.

Die Präsenz des Hardliners verheisst nichts Gutes. 2007 - das letzte Mal, als er um einen Polizeikessel he rum schlich  - wurden 245 Personen eine Nacht lang unter rechtswidrigen B e din­gungen in einer Zivilschutzanlage festgehalten.

Noch bevor die Leute bei der Vogelwarte wissen, was die Polizei von ihnen will, versuchen mässig motiviert wirkende Beamte, einzelne Personen aus der Menge rauszureissen, was ihnen aber nicht gelingt, da sich die DemonstrantInnen sofort beieinander einhaken.

Dann wird bekannt, was Beat Hensler zu beanstanden hat: "Verstoss gegen das Vermummungsverbot durch einzelne Personen." Wenn drei fehlbare Personen der Polizei ausgeliefert würden, so Hensler, dann könnten die anderen unbehelligt zum Bahnhof weitergehen. Für diesen Vorschlag erntet der CVP-Mann lautes Gelächter aus dem Kessel. Einige Jusos versuchen zu verhandeln. Sie fragen, ob das Vorgehen verhältnismässig sei. Hensler: "Dar über können wir später diskutieren." Wieso denn die Nazis nicht eingekesselt würden, obwohl die ohne Bewilligung demonstrierten, wollen sie weiter wissen. Hensler: "Die marschieren in Zweierreihe zum Winkelrieddenkmal. Somit ist das kein bewilligungspflichtiger Anlass."

Nach etwa einer halben Stunde verkündet Beat Hensler per Megafon, seine Beamten hätten jetzt alle im Kessel gefilmt. "Gestützt auf diese Filme werden wir herausfinden, wer die Vermummten waren und diese zur Anzeige bringen - mit allen Mitteln, die wir haben", so der Polizeikommandant. Dann öffnet sich der Kessel.

Die WOZ fragt drei Tage darauf bei Urs Hangartner, dem Regierungssprecher des Kantons Luzern nach, ob zu den "Mitteln" auch eine Bildfahndung im Internet gehören könnte. "Nein, im Falle einer Übertretung geht das nicht", so Hangartner. Übrigens: Die Polizei hat auch die Rechtsextremen nicht völlig unbelästigt gelassen: Vier Personen wurden wegen illegalen Waffenbesitzes verzeigt, mindestens eine davon hatte eine Schusswaffe mitgeführt. dg

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NAZI-SYMBOLE
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Bund 2.7.09

Verbot von Nazisymbolen

Wer ein Hakenkreuz trägt, soll bis zu 10000 Franken Busse bezahlen

Der Bundesrat will das Zurschaustellen von Nazisymbolen nicht mehr dulden. Linksextreme Zeichen hingegen bleiben legal.

Erika Burri

Wer heute mit einer Hakenkreuz-Fahne aufs Rütli marschiert, kommt nicht mit dem Gesetz in Konflikt. Das soll sich nun ändern. Wenn es nach dem Bundesrat geht, werden Personen, die rassistische Symbole öffentlich verwenden oder verbreiten, künftig gebüsst. Eine entsprechende Gesetzesvorlage hat die Landesregierung gestern in die Vernehmlassung geschickt. Bis zu 10 000 Franken Busse droht jenen, die sich nicht ans Gesetz halten. Von dieser Ergänzung der Rassismusstrafnorm verspricht sich der Bundesrat eine präventive Wirkung und gar eine teilweise Abkehr der Rechtsradikalen von der Szene.

Auch Kühnengruss verboten

Als rassistisch gelten insbesondere Symbole des Nationalsozialismus: Fahnen mit Hakenkreuz, Abzeichen mit der SS-Doppelsigrune, "Heil Hitler"-Parolen und der Hitlergruss, wenn er öffentlich und in einem rassistischen Kontext benutzt wird. Aber auch Abwandlungen nationalsozialistischer Symbole, die in rechtsextremen Kreisen geläufig sind und als Ersatz verwendet werden, sind in der Vorlage miteingeschlossen. So zum Beispiel der Kühnengruss, bei dem im Gegensatz zum Hitlergruss nicht die ganze Hand sondern nur Daumen, Zeig- und Mittelfinger gestreckt werden.

Anarchie-Zeichen weiter legal

Auch das Herstellen von rassistischen Symbolen soll strafbar werden. Nicht gebüsst wird dagegen das Verwenden der Symbole zu schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken.

Der Bundesrat will nicht alle rechtsextremen Zeichen aus der Öffentlichkeit verbannen. Das Tragen von Symbolen, die nur für Gleichgesinnte eine Bedeutung haben, wird weiterhin möglich sein. So dürfen Rechtsextreme wie alle andern auch T-Shirts mit der Aufschrift der Londoner Sportbekleidungs-Marke "Lonsdale" anziehen. Sie lieben diese Marke, weil der Schriftzug die Zeichenfolge "nsda" enthält, was sie an die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) erinnert. Auch die Zahlenkombinationen "88" ("Heil Hitler", 8 steht für den achten Buchstaben des Alphabets) oder "18" für Adolf Hitler dürfen Rechtsradikale weiterhin verwenden.

Rechtsparteien fordern, dass auch das Zeichen für Anarchie (ein A in einem Kreis) oder Hammer und Sichel (das Symbol des Kommunismus) verboten wird. Beim Bund sieht man dies anders. "Diese Symbole sind zwar klar linksextremen Kreisen zuzuordnen", sagt Bernardo Stadelmann vom Bundesamt für Justiz. Die linksextreme Gesinnung sei aber im Gegensatz zur rechtsextremen nicht rassistisch.

Blocher hat Vorlage verzögert

Die gestern präsentierte Gesetzesvorlage geht zurück auf eine Motion der nationalrätlichen Rechtskommission aus dem Jahr 2004. Den Stein ins Rollen gebracht hatten medienwirksame Auftritte von Rechtsextremen mit Nazi-Symbolen Ende der 90er-Jahre. Unter Alt-Bundesrat Christoph Blocher, der sich mehrmals kritisch über das bestehende Antirassismus-Gesetz geäussert hat, verzögerte sich die Ausarbeitung einer konkreten Vorlage jedoch. Das Gesetz tritt frühestens 2012 in Kraft.

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Tagesanzeiger 2.7.09

Wer ein Hakenkreuz trägt, soll bis zu 10 000 Franken Busse zahlen

Das Zurschaustellen von Nazi-Symbolen will der Bundesrat nicht mehr dulden. Linksextreme Zeichen hingegen bleiben legal.

Von Erika Burri, Bern

Wer heute mit einer Hakenkreuz-Fahne aufs Rütli marschiert, kommt nicht mit dem Gesetz in Konflikt. Das soll sich nun ändern. Wenn es nach dem Bundesrat geht, werden Personen, die rassistische Symbole öffentlich verwenden oder verbreiten, künftig gebüsst. Eine entsprechende Gesetzesvorlage hat die Landesregierung gestern in die Vernehmlassung geschickt. Bis zu 10 000 Franken Busse droht jenen, die sich nicht ans Gesetz halten. Von dieser Ergänzung der Rassismusstrafnorm verspricht sich der Bundesrat eine präventive Wirkung - und gar eine teilweise Abkehr der Rechtsradikalen von der Szene.

Als rassistisch gelten insbesondere Symbole des Nationalsozialismus: Fahnen mit Hakenkreuz, Abzeichen mit der SS-Doppel-Sigrune, "Heil Hitler!"-Parolen und der Hitlergruss, wenn er öffentlich und in einem rassistischen Kontext benutzt wird. Aber auch Abwandlungen nationalsozialistischer Symbole, die in rechtsextremen Kreisen geläufig sind und als Ersatz verwendet werden, sind in der Vorlage miteingeschlossen. So zum Beispiel der Kühnengruss, bei dem im Gegensatz zum Hitlergruss nicht die ganze Hand, sondern nur Daumen, Zeig- und Mittelfinger gestreckt werden.

Auch das Herstellen von rassistischen Symbolen soll strafbar werden. Nicht gebüsst wird dagegen das Verwenden der Symbole zu schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken.

Der Bundesrat will nicht alle rechtsextremen Zeichen aus der Öffentlichkeit verbannen. Das Tragen von Symbolen, die nur für Gleichgesinnte eine Bedeutung haben, wird weiterhin möglich sein. So dürfen Rechtsextreme wie alle andern auch T-Shirts mit der Aufschrift der Londoner Sportbekleidungs-Marke Lonsdale anziehen. Sie lieben diese Marke, weil der Schriftzug die Zeichenfolge "nsda" enthält, was sie an die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) erinnert. Auch die Zahlenkombinationen "88" ("Heil Hitler!", 8 steht für den achten Buchstaben des Alphabets) oder "18" für Adolf Hitler dürfen Rechtsradikale weiterhin verwenden.

Rechtsparteien fordern, dass auch das Zeichen für Anarchie (ein A in einem Kreis) oder Hammer und Sichel (das Symbol des Kommunismus) verboten wird. Beim Bund sieht man dies anders. "Diese Symbole sind zwar klar linksextremen Kreisen zuzuordnen", sagt Bernardo Stadelmann vom Bundesamt für Justiz. Die linksextreme Gesinnung sei aber im Gegensatz zur rechtsextremen nicht rassistisch.

Blocher hat die Vorlage verzögert

Die gestern präsentierte Gesetzesvorlage geht zurück auf eine Motion der nationalrätlichen Rechtskommission aus dem Jahr 2004. Den Stein ins Rollen gebracht hatten medienwirksame Auftritte von Rechtsextremen mit Nazi-Symbolen Ende der Neunzigerjahre. Unter Alt-Bundesrat Christoph Blocher, der sich mehrmals kritisch über das bestehende Antirassismus-Gesetz geäussert hat, verzögerte sich die Ausarbeitung einer konkreten Vorlage. Das Gesetz tritt frühestens 2012 in Kraft.

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Zürichsee-Zeitung 2.7.09

Bundesrat Rassismusstrafnorm soll verschärft werden - Widerstand regt sich

Der Hitlergruss wird gebüsst

Wer die Hakenkreuz-Fahne schwingt oder den Hitlergruss macht, soll bestraft werden. So will es der Bundesrat. Der Vorschlag stösst bei Experten und der Polizei jedoch auf Kritik.

Christoph Reichmuth

Die Bilder lösen Beklemmung aus: Hunderte von Rechtsextremen missbrauchen das Rütli Jahr für Jahr, um ihre braune Gesinnung zu verbreiten. Sie johlen, sie schwingen unzweideutige Fahnen, manche heben die Hand zum Hitler- oder Kühnengruss. Das will der Bundesrat nicht mehr tolerieren. Wer rassistische Symbole wie Nazi-Abzeichen oder Nazi-Grüsse benutzt, soll künftig bestraft werden. Auch wer Symbole wie Hakenkreuze oder SS-Abzeichen herstellt und verbreitet, soll es mit den Gesetzeshütern zu tun kriegen. Ausnahmen gibt es: Wer im Familien- oder Freundeskreis derartige Symbole verwendet, macht sich nicht strafbar. Auch Kulturschaffende dürfen bei dokumentarischen Arbeiten weiterhin die Symbole gebrauchen.

"Nicht gleich mit Strafrecht lösen"

Der Vorschlag des Bundesrates stösst allerdings auf Widerstand. Der Luzerner Journalist und Grossstadtrat Hans Stutz ist langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene. Die geplante Verschärfung weckt in ihm Skepsis: "Man muss politisch und gesellschaftlich unerwünschte Auswüchse nicht immer gleich mit dem Strafrecht zu lösen versuchen. Sinnvoller wäre es, wenn der Staat das zivil-gesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus stärker unterstützen würde."

Stutz denkt an die Schaffung einer eigens dafür geschaffenen Institution, die dem Problem des Rechtsextremismus durch Publikationen oder Lancierung von Präventionsmassnahmen entgegenwirken könnte. Zudem, so Stutz weiter, "müssen wir die bestehende Rassismusstrafnorm konsequent und effizient anwenden." Ein Fragezeichen setzt Stutz auch bei der Anwendung des neuen Gesetzes: "Greift die Polizei tatsächlich ein, wenn in einer Gruppe von 100 Rechtsextremen fünf die Hand zum Hitlergruss erheben?"

In der Tat: Wie das neue Gesetz angewendet werden soll, das bereitet auch der Polizei Kopfzerbrechen. Karin Keller-Sutter, St. Galler Regierungsrätin und Vizepräsidentin der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), gibt zu bedenken: "Die Erfahrungen mit dem Vermummungsverbot zeigen, dass ein Einsatz gegen eine Gruppe nur gegeben ist, wenn der Einsatz verhältnismässig wäre." Diese Verhältnismässigkeit wäre beim von Hans Stutz eingebrachten Beispiel kaum gegeben. Zudem sei zu befürchten, so Keller-Stutter weiter, dass sich die Rechtsextremen einer Ersatz-Symbolik bedienten. Die Justizdirektorin aus dem Kanton St. Gallen sagt ferner: "Ein Gesinnungsstrafrecht ist stets heikel. Man kann jemanden büssen, aber ein Rechtsextremer bleibt er deshalb trotzdem."

Mehr Aufklärung betreiben

Per se gegen die Rassismusstrafnorm stellt sich die SVP. Der Zuger SVP-Nationalrat Marcel Scherer sagt: "Das gibt nur Juristenfutter. Was fällt unter die Strafnorm, was nicht?" Tatsächlich hat der Bundesrat darauf verzichtet, eine Liste mit strafbaren Symbolen zu erstellen. "Die Rechtsextremen lassen sich von Bussen kaum abschrecken. Mit Aufklärung in der Schule würde man mehr erreichen." Das unterstützt auch der Luzerner SP-Nationalrat Hans Widmer: "Man muss die Prävention verstärken."

Der Bundesrat hat die Vorschläge gestern in die Vernehmlassung geschickt, die bis zum 3. Oktober dauert.

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Kommentar

Scheinsieg über Ignoranz

Marcello Odermatt

Es mutet seltsam an, wenn eine liberale Demokratie es für nötig erachtet, die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit derart einzugrenzen, dass sie den "Schutz der Menschenwürde und des öffentlichen Friedens" gewährleisten kann. Mit Letzterem begründet der Bundesrat das neue Verbot von rassistischen Symbolen wie Hakenkreuzen in der Öffentlichkeit. Dass dies bald 70 Jahre nach dem Sieg über die rassistischen und faschistischen Regime in einem Land mit einem derart hohen Lebensstandard nötig sein muss, ist ein Armutszeugnis; ein Sieg der politisch überkorrekten Verbotsgesellschaft über die Ignoranz neo-nationalsozialistischer Gruppen. Immerhin geht der Bund nicht so weit, das Verbot im Privaten durchsetzen zu wollen. Niemand ist vor schlechten Witzen gefeit. Filmemacher haben zudem gezeigt, dass selbst über die Vernichtungspolitik gelacht werden darf.

In erster Linie richtet sich das Verbot denn auch gegen Anlässe der Neonazi-Szene. In der Tat braucht die Schweiz keine Hakenkreuzfahnen schwingenden Ansammlungen angeblich benachteiligter Jugendlicher. Der Respekt gegenüber den mit solchen Symbolen verbundenen Verbrechen an Millionen Menschen gebietet das. Nur: Das Verbot umzusetzen, wird schwierig. Zudem: Solange Menschen nach Werten suchen, werden extreme, historisch verklärte Ideologien auf Anklang stossen; rechtsextreme oder linksextreme Kundgebungen sind nie auszumerzen. Und: Wann ist ein Symbol stark genug mit Rassismus verbunden, um es zu verbieten? Wie sieht es mit Fahnen jener häufig in den Medien genannten Staaten aus, die heute tendenziell rassistische Politik betreiben? Historisch mag die Regel Sinn machen. Sie wird aber vom liberalen Rechtsstaat in Zukunft stets neue Grenzen verlangen, die mehr oder weniger fragwürdig sein können.

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Basler Zeitung 2.7.09

Hakenkreuz-Verbot hat viele Haken

Bussen seien falscher Weg im Kampf gegen Rechtsextremismus, kritisieren Experten

Timm Eugster

Wer öffentlich den Hitlergruss zelebriert oder ein Nazi-Abzeichen trägt, soll in Zukunft bestraft werden. Dieser Vorschlag kommt nicht nur bei der SVP schlecht an - sondern auch bei Präventionsfachleuten und Szenebeobachtern.

Ein Rechtsextremer hängt eine Hakenkreuzfahne aus seinem Dachfenster, die Feuerwehr holt sie runter - aber bestraft wird der Mann von der Basler Justiz nicht. Begründung: Dazu fehle der nachweisbare Wille, in der Öffentlichkeit für eine rassendiskriminierende Ideologie zu werben. Geht es nach dem Willen des Bundesrats, wird in einem solchen Fall künftig eine Busse ausgesprochen. Das Verwenden und Verbreiten rassistischer Symbole in der Öffentlichkeit soll durch eine Ergänzung des Antirassismusgesetzes grundsätzlich verboten werden. Wer dieselben Symbole hingegen im Familien- oder Freundeskreis braucht, soll weiterhin nicht bestraft werden.

Schlecht kommt der Vorschlag des Bundesrats bei der SVP an: "Er sollte das verunglückte Antirassismusgesetz besser abschaffen als daran herumzubasteln", so Sprecher Alain Hauert. Als Justizminister hatte Christoph Blocher das Gesetz in der Türkei kritisiert und so für einen Eklat gesorgt. Der Bundesrat verhinderte aber Blochers Plan, die Strafnorm abzuschwächen oder zu streichen. Seine Nachfolgerin Eveline Widmer-Schlumpf will das Gesetz nun verschärfen - wie das Parlament schon vor der Ära Blocher gefordert hatte.

Kontraproduktiv

Kritik kommt nun auch von unerwarteter Seite: "Ein Verbot bringt wohl keine Vorteile - es könnte im Gegenteil womöglich kontraproduktiv wirken", so Samuel Althof, Sprecher der "Aktion Kinder des Holocaust". Die Organisation besteht aus Nachkommen von Überlebenden des Holocaust und betreibt Prävention und Jugendarbeit gegen Extremismus. "Wenn man etwas bewirken will, muss man sich mit den Protagonisten der Szene auseinandersetzen", so Althof: "Bestrafung ohne Argumente entlastet die Gesellschaft scheinbar von dieser Pflicht." Ein Verbot führe zu einer kontraproduktiven Dämonisierung von Jugendlichen und liefere ihnen bloss mehr Möglichkeiten zur Provokation. In Deutschland habe das Verbot, das der Bundesrat nun übernehmen will, jedenfalls nicht zu weniger Rechtsextremismus geführt.

Auch Hans Stutz, linker Journalist und langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene, äussert sich skeptisch gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag. "Für Prävention wird praktisch nichts getan - dafür soll jetzt das Strafrecht gesellschaftliche Probleme lösen", kritisiert er. Ausserdem komme es praktisch nicht vor, dass sich Rechtsextreme im öffentlichen Raum mit Nazi-Emblemen outeten. Anders sei die Situation an Konzerten - aber dort greife die Polizei heute praktisch nie ein, obwohl sie genügend Handhabe hätte: "Die Rassismusstrafnorm wird weder konsequent noch effizient angewandt." Zudem, befürchtet Stutz, führe der nun eingeläutete politische Kampf um den bundesrätlichen Vorschlag zu einer unfruchtbaren Debatte. So hatte eine Parlamentskommission während der langen Vorgeschichte des Gesetzesprojekts gefordert, auch extremistische und gewaltverherrlichende Symbole von links unter Strafe zu stellen.

Diesen Ball nimmt jetzt die Junge SVP auf: "Die kommunistischen Systeme haben mehr Menschenleben gefordert als das Dritte Reich", heisst es in einer Medienmitteilung. Die Jungpartei will indes weder Hakenkreuz noch Hammer und Sichel verbieten.

Präventiv. Der Bundesrat erhofft sich von einem Verbot eine präventive Wirkung. Eine Bestrafung mit Busse ermögliche es den Behörden, einzuschreiten, ohne dass die Betroffenen übermässig angeprangert würden.

Bestimmungen

Der Bundesrat verzichtet auf eine feste Liste der Symbole, deren Verwendung, Verbreitung, Herstellung sowie deren Ein- und Ausfuhr künftig mit einer Busse bestraft werden sollen. Als Beispiele eindeutig rassistischer Symbole nennt er aber das Hakenkreuz, den Hitlergruss oder die Doppelsigrune als Zeichen der SS, aber auch die Abwandlung solcher Symbole wie der Kühnengruss (mit drei Fingern). Nicht strafbar ist die Verwendung zu schutzwürdigen kulturellen und wissenschaftlichen Zwecken - etwa in einer Ausstellung oder in Kriegsfilmen. Erlaubt bleiben auch Pullis der Marke "Lonsdale", deren Schriftzug bei entsprechender Verdeckung durch eine geöffnete Jacke zu "nsda" wird.  te

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NZZ 2.7.09

Mit Verboten gegen "rassistische Symbole"

Vernehmlassung über einen neuen Straftatbestand

 Der Bundesrat schlägt vor, die öffentliche Verwendung rassistischer, insbesondere nationalsozialistischer Symbole unter Strafe zu stellen. Die Übertretung würde mit einer Busse geahndet.

 C. W.  Die Vorlage, die der Bundesrat in die Vernehmlassung schickt, hat laut Begleitbericht "eine lange, vielschichtige und nicht immer geradlinige Vorgeschichte". Nach einer Störaktion von Rechtsextremen auf dem Rütli am 1. August 2000 hatte die damalige EJPD-Chefin Ruth Metzler eine Arbeitsgruppe mit dem Studium des Problems beauftragt. Auf Empfehlung einer Folge-Arbeitsgruppe gab der Bundesrat 2003 zwei Gesetzesergänzungen in die Vernehmlassung. Ein Verbot der rassendiskriminierenden Vereinigung stiess auf Opposition und wurde später fallengelassen. Die strafrechtliche Erfassung rassistischer Kennzeichen wurde hingegen mehrheitlich begrüsst, wobei sich sowohl die SVP als auch die Grünen dagegenstellten und Kritiker von einem blossen "Deklarationsstrafrecht" sprachen.

 Schwieriger Auftrag des Parlaments

 Hinzu kam 2005 eine von beiden Räten überwiesene Motion. Sie richtete sich gegen "die öffentliche Verwendung von Symbolen, welche extremistische, zu Gewalt und Rassendiskriminierung aufrufende Bewegungen verherrlichen". Verzögert wurde das weitere Vorgehen durch die Überprüfung des seit 1995 geltenden Rassismus-Strafartikels im Auftrag von Bundesrat Christoph Blocher. Die Landesregierung sah dann aber keinen Bedarf nach Konkretisierung (Einschränkung) der Bestimmung.

 Eine "wortwörtliche" Umsetzung des parlamentarischen Auftrags hält der Bundesrat für schwierig, weil die in der Motion verwendeten Begriffe zu wenig bestimmt und bei einer Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit präzise Formulierungen besonders wichtig seien. Der bisherige Straftatbestand genüge hingegen insofern nicht, als rassistische Symbole nur darunter fielen, wenn sie der Propaganda und nicht einem blossen Bekenntnis dienten. Wer eine Hakenkreuzfahne für jedermann sichtbar aus seinem Dachfenster hänge, zeige noch keinen Willen, dafür zu werben, heisst es in dem Bericht. Dies provoziert die Zwischenfrage, ob auch der Fahnenbesitzer und die Leute auf der Strasse diese haarscharfe Trennung machen. Zudem wäre ein generelles Verbot rassistischer Symbole ebenso "mit grossen Vollzugsproblemen verbunden", wird festgehalten; aus Sicht der kantonalen Polizeikommandanten bestehe "kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf".

 Abgrenzungsfragen bleiben

 Der nun vorgeschlagene Text (Wortlaut im Kasten) soll verhältnismässig und genügend bestimmt sein. Die Erläuterungen lassen aber daran zweifeln und mühsame, wenn nicht absurde Auseinandersetzungen erwarten. So soll das Hakenkreuz auch seitenverkehrt verboten sein (Religionsgemeinschaften können sich aber auf die Ausnahmeklausel berufen), und strafbar wäre als Abwandlung des Hitlergrusses auch eine Geste, wie sie "vom Rütlischwur her bekannt ist". Massgebend sei allerdings der "rassistische Kontext", heisst es. Kleider der Marke "Londsale" (wegen vier Buchstaben der NSDAP ein Symbol für Gleichgesinnte) seien "für sich allein noch nicht rassistisch". Stets strafbar wäre aber etwa der gruppeninterne Hitlergruss, der zugleich öffentlich ist, und was "öffentlich" ist, hat das Bundesgericht im bekannten "Waldhütten-Urteil" weit umschrieben.

 Der neue Straftatbestand soll als Übertretung eingestuft und mit Busse bedroht werden, während bei Rassendiskriminierung sonst auch Gefängnis droht. Man mag darin den Ausdruck eines unguten Gefühls der Verantwortlichen sehen. Sie hatten einen (vom Bundesrat allerdings gutgeheissenen) Parlamentsauftrag zu erfüllen. Vielleicht sieht aber spätestens der Auftraggeber ein, dass das Resultat ein unnötiges Gesetz wäre, das den Staat eher lächerlich machen würde.

 Der vorgeschlagene Strafrechtsartikel

Art. 261  ter  Verwendung rassistischer Symbole
 1.  Wer rassistische Symbole, insbesondere Symbole des Nationalsozialismus, oder Abwandlungen davon, wie Fahnen, Abzeichen, Embleme, Parolen oder Grussformen, oder Gegenstände, die solche Symbole oder Abwandlungen davon darstellen oder enthalten, wie Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen oder Abbildungen, öffentlich verwendet oder verbreitet,
 wer derartige Symbole oder Abwandlungen davon oder derartige Gegenstände zur öffentlichen Verwendung oder Verbreitung herstellt, lagert, ein-, durch- oder ausführt,
 wird mit Busse bestraft.
 2.  Die Gegenstände werden eingezogen.
 3.  Die Ziffern 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die öffentliche Verwendung oder Verbreitung der Symbole oder Gegenstände schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken dient. (pd)

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20min.ch 1.7.09

Rassismus

Der Haken mit dem Kreuz

Der Bundesrat will rassistische Symbole wie Hakenkreuz und Hitlergruss verbieten lassen. Die Junge SVP hält nichts davon. Die Leser von 20 Minuten Online sind gespalten: In einer Umfrage votieren 46 Prozent dafür, 40 Prozent dagegen.

"Stalin war genauso ein Mörder und Schlächter wie Hitler. Warum darf man heute immer noch mit dem Roten Stern herumlaufen?", fragt ein Leser im Tackback von 20 Minuten Online. Die Symbolik des Kommunismus, der auch Millionen von Menschen das Leben gekostet hat, ist im bundesrätlichen Vorschlag zum Verbot rassistischer Symbolen nicht einbezogen.

Der Bundesratsbeschluss sorgt unter den Lesern von 20 Minuten Online für reichlich Gesprächsstoff. Die Meinungen sind gespalten: In einer Online-Umfrage sprechen sich nach zurzeit 46 Prozent (282 Stimmen) für das Verbot aus, 40 Prozent sind dagegen (249), 14 Prozent haben keine Meinung.

Im Talkback überwiegt die Kritik. Sie kommt nur in ganz wenigen Fällen aus der rechtsextremen Ecke, sondern zeigt vielmehr das Dilemma auf, wie man menschenverachtende Ideologien bekämpft, ohne an den Grundwerten einer freiheitlichen Gesellschaft zu kratzen - am Recht zu sagen und zu denken, was man will.

Leser wollen Bundesrat verhaften lassen

Auf wenig Verständnis stösst im Talkback unter anderem die weite Definition des Hitlergrusses: Der Bundesrat will auch den Kühnengruss, der bei heutigen Nazis üblich ist, verbieten. Dabei streckt man den rechten Arm in die Höhe und spreizt drei Finger wie zum Schwur - so wie es die Bundesräte bei der Vereidigung tun. "Verurteilen wir erst mal alle Bundesräte. Dann müssen sie alle zurücktreten, weil sie für die Schweiz als rechtsradikale Straftäter nicht mehr tragbar sind", meint ein Leser. "Wer seine Hände hebt und winkt, sollte aufpassen, dass es auch ein eindeutiges Winken ist. Es könnte demnächst fehlinterpretiert werden", fragt ein anderer.

Zivilcourage statt Verbote

Einige Leser merken an, dass das Hakenkreuz nicht immer den Nazis gehört habe; vielemehr sei es ein Symbol aus der hinduistischen Kultur. Wolle man das Kreuz verbieten, so ein Leser, könne man gleich mit einem Meissel nach Tibet reisen, dort sei in jeden Tempel ein Hakenkreuz eingeritzt.

Umstritten ist weiter, ob das Verbot von Symbolen tatsächlich die Neonazi-Bewegung eindämmen kann. "Dieses Gesetz bringt überhaupt nichts, wenn die Schweizer BürgerInnen nicht parallel dazu endlich Zivilcourage zeigen und neonazistischen Tendenzen auch auf der Strasse entgegentreten", schreibt ein Leser.

SVP will Bundesrat in Primarschule schicken

Auch die Junge SVP hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Sie findet das Hakenkreuzverbot daneben, es schränke die freie Meinungsäusserung weiter ein. Es sei befremdlich, dass nicht auch Hammer und Sichel verboten würden, hätten die kommunistischen Regimes doch mehr Menschen auf dem Gewissen als die faschistischen.

"Wir fordern den Bundesrat deshalb auf, geschlossen nochmals die Primarschule zu besuchen", schreiben die Jungpolitiker in einer Stellungnahme. Und fordern die sofortige Abschaffung nicht nur des neuen Gesetzes, sonder gleich des ganzen Antirassismusgesetzes.
(job)

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Bildstrecke: Der Nazi-Dresscode
http://www.20min.ch/diashow/diashow.tmpl?showid=20739',%20'Diashow',%20'width=730,height=650'

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BIG BROTHER PRANGER
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BZ 3.7.09

Stadtrat

Brief gegen Pranger

Er hätte erwartet, dass der Stadtpräsident die Rechte der Bürger und Besucher von Bern besser schütze, erklärte gestern Stadtrat Luzius Theiler (GPB-DA) vor dem Parlament. Grund für Theilers Ärger ist die Antwort des Gemeinderats auf seine Interpellation. Darin wollte Theiler wissen, was der Gemeinderat unternehme, wenn Schwarzfahrer an den Pranger gestellt werden. Um einen Schwarzfahrer zu finden, hatten die Betreiber der Marzilibahn ein von einer Überwachungskamera aufgenommenes Bild publiziert (wir berichteten).

Der Gemeinderat schrieb in seiner Antwort, dass er die Veröffentlichung solcher Bilder nicht für angemessen halte. In einem Brief an die Bahnbetreiber habe er das Vorgehen verurteilt. Auch habe er die Betreiber ersucht, von der Veröffentlichung solcher Bilder abzusehen und direkt die Strafverfolgungsbehörden zu verständigen.
as

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20min.ch 2.7.09

Interview mit dem Datenschutzbeauftragten

"Ein Richter sollte Internet-Fahndung anordnen"

von Lukas Mäder

Wenn man den Tätern ein Gesicht geben kann, wirke das präventiv, glaubt der Eidgenössische Datenschützer Hanspeter Thür. Trotzdem darf die Polizei nicht wegen jeder Bagatelle Personen mit Internet-Fahndung suchen. Im Interview mit 20 Minuten Online verlangt Thür, dass solche Fahndungen ein Richter anordnen muss.

Die Fahndung mit Bildern oder Videos auf dem Internet ist populär geworden. Sind die Hemmungen gefallen?

Hanspeter Thür: Nein, man hat stets jede Technologie verwendet, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt als tauglich für die Strafverfolgung erwiesen hat. Der heikle Punkt bei der Internet-Fahndung ist, dass die Bilder nicht verschwinden. Deshalb darf man nicht für jede Bagatelle mit dem Internet fahnden. Es muss sich um gravierende Vorkommnisse handeln, deren Aufklärung in einem gewissen öffentlichen Interesse liegen. Wenn man den Tätern ein Gesicht geben kann, wirkt das auch präventiv.

Sie sagen, den Tätern ein Gesicht geben. Das geht in Richtung Internet-Pranger.

Wenn man nach jemandem fahndet, muss man ihm in der Öffentlichkeit zwangsläufig ein Gesicht geben. Bei der Fahndung geht es darum, den Täter zu fassen. Ist das passiert, muss das Bild wieder vom Internet entfernt werden, weil der Zweck erfüllt ist. Der Pranger verfolgt ein anderes Ziel: Er will einen bereits bekannten Straftäter bestrafen, indem man ihn öffentlich zur Schau stellt. Die Internet-Fahndung halte ich unter sehr einschränkenden Bedingungen für vertretbar.

Welches sind die Einschränkungen?

Die Massnahme muss verhältnismässig sein. Es muss berücksichtigt werden, dass das Internet nicht vergisst. Deshalb muss ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufklärung des Delikts vorhanden sein. Nicht jeder Diebstahl verdient die Aufmerksamkeit einer Internet-Fahndung. Der Hooliganismus bei Fussballspielen ist ein ernsthaftes Problem. Es kommt immer wieder zu schwerwiegenden Störungen der öffentlichen Ordnung. Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass es zu gravierenden Vorfällen, bei denen es Tote und Schwerverletzte gab, kommen kann.

Ist es für Sie als Datenschützer ein Problem, dass es keine klaren Richtlinien gibt, in welchen Fällen Internet-Fahndungen erlaubt sind?

Wir sagen, es müssen schwere Delikte sein. Damit hat man bereits einen gewissen Rahmen gesetzt.

Aber noch keinen juristischen Rahmen.

Doch. Es muss sich um Delikte gegen Leib und Leben und schwere Sachbeschädigungen handeln. Und nicht um Bagatellen, die nur mit Haft oder Busse bestraft werden.

Ist das bei Verurteilungen im Zusammenhang mit Hooliganismus der Fall? Dort ist der Tatbestand häufig nur Landfriedensbruch.

Das ist richtig. Deshalb darf nicht jede harmlose Aktion im Rahmen einer Fussballveranstaltung ins Netz gestellt werden. Eine Fahndung wegen Landfriedensbruch wäre unverhältnismässig. Wer aber Leuchtraketen ins Publikum wirft, nimmt schwere Körperverletzungen in Kauf. Solche Leute verdienen keine Schonung.

Sie machen damit aber eine Ausnahme von der Regel, dass es schwere Straftaten sein müssen. Allein die Möglichkeit, dass es in Zukunft zu Schwerverletzten oder gar Toten kommen könnte reicht zur Fahndung.

Was im Einzelfall als Delikt nachgewiesen werden kann, ist nur ein Aspekt. Für mich ist entscheidend, dass die Gewaltbereitschaft in Sportstadien latent geeignet ist, Leben zu gefährden. Auch wenn es im Einzelfall nicht bis zu diesem Punkt gekommen ist, muss berücksichtigt werden, dass eine Gewaltspirale in Gang gesetzt wird, die Leib und Leben einer grösseren Zahl von Personen potentiell gefährdet und auch schon gefährdet hat. Deshalb hat die Gesellschaft einen Anspruch, dass die Behörden mit Härte und Klarheit gegen Hooliganismus antreten.

Bei einer Internet-Fahndungen müssen die herkömmlichen Fahndungsmethoden ausgeschöpft sein. Die Berner Polizei hat im Mai bereits eine Woche nach dem Cup-Final Bilder von Krawallanten online gestellt. Sagt sich da die Polizei nicht einfach: Warum sollen wir einen grossen Aufwand betreiben, wenn es mit dem Internet viel einfacher geht?

Ich würde diesen Faktor nicht über eine Zeitdauer definieren. Die Häufigkeit dieser Vorfälle, die sich praktisch im Wochenrhythmus wiederholen, und die grosse Zahl von Beteiligten, die man in dieser kurzen Zeit nicht ermitteln kann, rechtfertigen unter Umständen die Internet-Fahndung. Noch einmal: Es dürfen aber nur Personen auf diesem Weg verfolgt werden, die erkennbar in Handlungen verwickelt sind, die diesen Gefährdungstatbestand erfüllen.

Das Video von einer Schlägerei in Kreuzlingen hat die Polizei ebenfalls bereits nach einer Woche veröffentlicht. Bei dieser Dauer kann man sich fragen, ob die Polizei überhaupt einen Zeugenaufruf ohne Bild gemacht hat.

Ich gehe davon aus, dass herkömmliche Zeugenaufrufe gemacht wurden, sich aber niemand gemeldet hat. Wenn sich niemand meldet, weil niemand dort war, dann ist die Chance praktisch gleich Null, die Personen auf herkömmliche Weise zu ermitteln. In Kreuzlingen ging es zudem um einen schweren Angriff auf die körperliche Integrität einer Person. Im Übrigen hat dort ein Untersuchungsrichter dieses Vorgehen bewilligt.

Braucht es eine gesetzliche Regelungen, wann Internet-Fahndungen erlaubt sind?

Für Internet-Fahndungen sollte eine richterliche Anordnung verlangt werden, wie dies auch bei der Anordnung einer Telefonüberwachung oder der Kontrolle des Briefverkehrs erforderlich ist. Es handelt sich um einen Eingriff in die Privatsphäre, den man nur unter bestimmten Voraussetzungen dulden muss.

Die Fotos dienen aber nicht nur zur Fahndung. Der "Tages-Anzeiger" beispielsweise hat nicht-anonymisierte Bilder der drei Schläger von Kreuzlingen gezeigt, lange nachdem sie gefasst wurden.

Das ist ein Problem. Der Fahndungszweck ist das eine. Leute an den Pranger zu stellen, die identifiziert sind, ist etwas völlig anderes. Da habe ich eine klare Haltung: Der Pranger ist kein Konzept, das in unserer Rechtsordnung Platz greifen sollte.

Wie könnte man gegen den Missbrauch vorgehen? Müsste die Polizei mit rechtlichen Schritten drohen, weil sie das Bild nur für Fahndungszwecke herausgegeben hat?

Die Betroffenen müssen sich wehren. Es gibt einen Persönlichkeitsschutz, der verfassungsmässig und gesetzlich klar definiert ist. Wenn Bilder ohne die Einwilligung der betroffenen Personen und ohne übergeordnetes Interesse publiziert werden, so ist das aus meiner Sicht gesetzeswidrig.

Die Betroffenen kämen mit einer Klage durch?

Ja. Die Publikation von Fahndungsbildern muss eine verhältnismässige und zweckmässige Massnahme sein. Aber wenn der Zweck schon erreicht ist, ist die Publikation in der Regel nicht mehr gerechtfertigt.

Einen eigentlichen Pranger für Raser verlangen Parlamentarier in Bern. Ist es datenschützerisch zulässig, wenn von verurteilten Rasern Name, Adresse und Nationalität veröffentlicht werden?

Für diese Forderung habe ich überhaupt kein Verständnis. Warum sollen ausgerechnet Raser an den Pranger gestellt werden? Selbstverständlich gibt es Beispiele, wo Raser mit ihrem sinnlosen Verhalten Leute umgebracht haben. Aber auch wer betrunken herumfährt, gefährdet Leben. Überhaupt müsste vor diesem Hintergrund das ganze Strafrecht neu geschrieben werden. Ich bezweifle auch die Zweckmässigkeit dieser Massnahme, weil ausgerechnet Raser selber im Internet mit ihren Untaten renommieren und deswegen sogar gefasst werden konnten. Der Eintrag im Raserregister würde gleichsam zur Trophäe.

Haben Sie auch grundsätzliche Bedenken gegenüber dem Pranger?

Der Pranger ist eine mittelalterliche Konzeption. Unser Strafrecht basiert auf der Überzeugung, dass ein verurteilter Straftäter wieder Teil der Gesellschaft werden soll, wenn er seine Strafe verbüsst hat und nicht rückfällig wird. Stellt man Leute an den Pranger, drängt man sie schon bei der ersten Straftat an den Rand der Gesellschaft. Und wer nichts mehr zu verlieren hat, strengt sich auch nicht mehr an, in die Gesellschaft zurückzufinden.

Befürworter des Raser-Prangers vergleichen ihn jeweils mit den Konkurs-Meldungen, wo ebenfalls Name und Adresse veröffentlicht wird.

Das ist nicht zu vergleichen. Wenn jemand Konkurs macht, ist er vielleicht ein schlechter Geschäftsmann, aber noch lange kein schlechter Mensch. Unser Wirtschaftssystem beruht darauf, dass jeder mit jedem Geschäfte abschliessen kann. Das setzt Vertrauen voraus. Ich möchte wissen, ob ich ein finanzielles Risiko eingehe, wenn ich mit einem mir Unbekannten einen Vertrag abschliesse.

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Info-Box

Hanspeter Thür

Seit Herbst 2001 ist Hanspeter Thür mit einem 60-Prozent-Pensum Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter. Zu den Aufgaben seiner Stelle mit rund zwei Dutzend Angestellten gehört die Aufsicht über Bundesstellen und Privatpersonen, die Beurteilung von Rechtsvorlagen des Bundes sowie die Information der Öffentlichkeit.

Der studierte Jurist Thür, geboren 1949, hat daneben in Aarau eine Anwaltskanzlei. 1987 bis 1999 war er Nationalrat der Grünen Partei, führte dabei drei Jahre die grüne Fraktion und war 1995 bis 1997 auch Präsident der Grünen Partei Schweiz.

Jahresbericht des Datenschützers

Am Montag hat der Datenschützer seinen Jahresbericht veröffentlicht. Darin stellt er fest, dass vor allem das Internet ein immer stärkeres Thema seiner Arbeit wird. Besonders Junge würden in Sozialen Netzwerken wie Facebook Informationen über sich preisgeben, die auch von Firmen und Geheimdiensten ausgewertet würden (20 Minuten Online berichtete). (mdr)

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SCHNÜFFELSTAAT
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20min.ch 1.7.09

Datenschutz-Beauftragter

"Geheimdienst soll besser beaufsichtigt werden"

von Lukas Mäder

Die Nachrichtendienste hätten die Tendenz, den gesetzlichen Spielraum voll auszureizen, sagt Datenschützer Hanspeter Thür. Deshalb sei die Aufsicht über die Geheimdienste zu professionalisieren, fordert er im Interview mit 20 Minuten Online. Besonders die Weitergabe von Informationen an ausländische Nachrichtendienste sei heikel.

Der Schweizer Inlandgeheimdienst hat Daten über türkischstämmige Schweizer an ausländische Geheimdienste weitergegeben. Ist das in Ordnung?

Hanspeter Thür: Das gehört zum Daily Business der Geheimdienste. Die Schweiz bekommt nur Informationen von ausländischen Geheimdiensten, wenn sie ihnen auch Informationen gibt. Der Vorfall zeigt jedoch die Gefährlichkeit der geheimdienstlichen Informationsbeschaffung, die ja immer ausserhalb eines strafrechtlichen Verfahrens passiert. Fichiert wird jemand nicht, weil er eine Straftat begangen hat, sondern aufgrund von Informationen, die mehr oder weniger vertrauenswürdig sind. Diese oft im Graubereich beschafften Informationen sind nicht immer zuverlässig. Deshalb nehmen Leute, die von einem solchen Datenaustausch betroffen sind, bei einer Reise ins Ausland erhebliche Risiken in Kauf.

Darf der Staat die Daten weitergeben?

Grundsätzlich schon, wenn sie rechtmässig beschafft wurden.

Was bedeutet der Fall für den Datenschutz?

Die Beispiele zeigen, dass besser kontrolliert werden muss, was ausgetauscht wird. Es braucht eine regelmässige Überprüfung. Zurückhaltung ist zudem am Platz, wenn Schweizer Bürger durch einen solchen Informationsaustausch mit dem Ausland in Gefahr gebracht werden können. Das könnte bei Regimes der Fall sein, die mit demokratischen Grundsätzen nicht allzuviel am Hut haben.

Haben die Betroffenen das Recht zu erfahren, welche Informationen an wen hinausgegangen sind?

Generell nicht. Artikel 18 des Bundesgesetzes über die Wahrung der inneren Sicherheit sagt, dass nur in Ausnahmefällen eine Information erfolgt. Diese Bestimmung haben wir in verschiedenen Fällen angewendet.

Aber die Fichierung an sich ist zulässig?

Ja, wenn sie im Rahmen des Gesetzes erfolgt. Dieses schreibt vor, dass jemand nicht wegen politischen Aktivitäten und in Ausübung der verfassungsmässigen Rechte fichiert werden darf. Und wenn die Fichierung selbst nicht rechtmässig war, dann ist es selbstverständlich auch die Weitergabe an ausländische Geheimdienste nicht.

Wer kontrolliert, ob eine Fichierung rechtmässig ist?

Einerseits die Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte und andererseits wir vom Datenschutz, wenn im konkreten Fall ein Gesuch eingereicht wird. Wir können die aufgestellten Behauptungen aber grundsätzlich nicht überprüfen. Wir müssen aufgrund der ganzen Umstände beurteilen, ob der Eintrag rechtmässig ist. Ein schwieriges Feld, bei dem man nicht schwarz und weiss malen kann. Aber es besteht doch eine gewisse Aufsicht.

Bestehen zu Recht Befürchtungen, dass erneute eine Fichendatenbank entsteht, wie sie Ende der 1980er-Jahre zum Fichenskandal geführt hat?

Das waren wesentlich andere Dimensionen. Damals gab es knapp eine Million Einträge. Davon sind wir weit entfernt. Aber die gesetzliche Regelung, dass jemand wegen seiner politischen Tätigkeit in Ausübung der verfassungsmässigen Rechte, nicht fichiert werden darf, ist auslegungsbedürftig. Es besteht natürlich die Tendenz des Staatsschutzes, diesen Rahmen voll auzureizen.

Reichen die vorhandenen Kontrollmechanismen?

Eine Professionalisierung der Aufsicht wäre aus meiner Sicht am Platz. Ich denke an ein ähnliches Konstrukt wie bei der Finanzkontrolle. Dieses Fachorgan steht dem Parlament zur Verfügung, um die Finanzen der Bundesverwaltung zu analysieren. Eine solche Staatsschutzkontrolle würde im Dienste der Geschäftsprüfungsdelegation gezielt Untersuchungen durchführen. Da sähe ich eine Handlungsmöglichkeit.

Immer mehr Informationen liegen in Datenbanken, die auch verbunden werden können. Wie berechtigt sind Befürchtungen, dass es zu einem gläsernen Bürger kommt?

Die technischen Entwicklungen in diesem Bereich sind spektakulär. Deshalb muss man dem Potenzial dieser Technologien sehr grosse Aufmerksamkeit schenken und Sensibilisierung betreiben. Der Bürger denkt, man müsse wahnsinnig viele Informationen haben, um Aussagen über eine Person machen zu können. Firmen im Marketingbereich können mit relativ wenigen Informationen sagen, in welche Kaufkraftklasse eine Person einzuordnen ist, mit welcher Grundeinstellung sie einkauft, ob sie beispielsweise eher ökologisch eingestellt oder konservativ ist. Auch politische Aussagen über eine Person sind mit relativ wenigen Informationen möglich. Und es wird gemacht.

Wie gross sehen Sie die Gefahr, dass staatliche Ämter Datenbanken zusammenschalten, beispielsweise um IV-Betrüger zu finden?

Diese Gefahr besteht natürlich. Aber für einen solchen Zusammenschluss muss eine gesetzliche Grundlage vorhanden sein. Ansonsten wäre es gesetzeswidrig. Und ich gehe davon aus, dass sich die Verwaltung an die gesetzlichen Vorgaben hält.

Bei Diskussionen um den Datenschutz fällt oft der Satz: "Ich habe ja nichts zu verbergen." Was sagen Sie dazu?

Wer diesen Satz sagt, hat unser Rechtssystem nicht begriffen. Der Schutz der Privatsphäre ist ein verfassungsmässiges Recht. Es bedeutet, dass der Einzelne primär Herr über seine Daten ist. Wenn ein Dritter etwas mit meinen Daten machen will, braucht er eine Berechtigung dazu. Denn diese Daten sind sogar Geld wert. Auch der Staat muss sich durch ein Gesetz rechtfertigen, wenn er Daten sammelt. Ich will grundsätzlich darüber bestimmen können, wer was über mich weiss oder wissen darf.

Können wir das noch selbst bestimmen?

Nicht immer. Wenn der Staat eine gesetzliche Berechtigung hat, über mich biometrische Daten zu sammeln, dann darf er das. Wenn ein Privater mit mir ein Geschäft abschliessen will, dann darf er beispielsweise gewisse Informationen wirtschaftlicher Art einziehen. Aber ausserhalb dieses Rahmens kann nicht irgend jemand grundlos über mich Informationen beschaffen, bearbeiten und weitergeben. Er muss dafür gute Gründe haben. Das sagt unsere Rechtsordnung und ich glaube, sie ist vernünftig.

Wie hat sich der Datenschutz entwickelt, seit Sie vor 8 Jahren Ihr Amt angetreten haben?

Der Datenschutz bleibt ein kontroverses Thema. Je nach Interessenlage stört der Datenschutz oder er ist nützlich. Deshalb gibt es immer wieder wechselnde politische Allianzen in diesem Bereich. Das ist normal und hat sich nicht verändert. Ich stelle eine gewisse Sensibilisierung fest gegenüber den Möglichkeiten des Internets oder der Biometrie. Die Abstimmung über die biometrischen Pässe kann dafür als Beleg dienen.

Oft wird der Datenschutz als Täterschutz bezeichnet. Wie schwer trifft Sie der Vorwurf?

Überhaupt nicht.

Und wie berechtigt ist er?

Ich habe im Zusammenhang mit der Internet-Fahndung klar gesagt, dass der Datenschutz nie berechtigte Massnahmen gegen Kriminelle verhindern darf. Ausgerechnet jene Kreise, die das immer wieder behaupten, wären aber durchaus bereit gewesen, das Delikt der Steuerhinterziehung mit dem Bankgeheimnis zu schützen. Ich habe ganz klar signalisiert, wer wegen Steuerhinterziehung verfolgt wird, kann sich nicht auf das Bankgeheimnis berufen. Das ist die konsequente Haltung.

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Info-Box

Hanspeter Thür

Seit Herbst 2001 ist Hanspeter Thür mit einem 60-Prozent-Pensum Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter. Zu den Aufgaben seiner Stelle mit rund zwei Dutzend Angestellten gehört die Aufsicht über Bundesstellen und Privatpersonen, die Beurteilung von Rechtsvorlagen des Bundes sowie die Information der Öffentlichkeit.

Der studierte Jurist Thür, geboren 1949, hat daneben in Aarau eine Anwaltskanzlei. 1987 bis 1999 war er Nationalrat der Grünen Partei, führte dabei drei Jahre die grüne Fraktion und war 1995 bis 1997 auch Präsident der Grünen Partei Schweiz.

Jahresbericht des Datenschützers

Am Montag hat der Datenschützer seinen Jahresbericht veröffentlicht. Darin stellt er fest, dass vor allem das Internet ein immer stärkeres Thema seiner Arbeit wird. Besonders Junge würden in Sozialen Netzwerken wie Facebook Informationen über sich preisgeben, die auch von Firmen und Geheimdiensten ausgewertet würden (20 Minuten Online berichtete). (mdr)

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SUFF-POLIZEI
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20 Minuten 2.7.09

1200 Fr pro Nacht im Jugend-Knast

Zürich. Jetzt gehts betrunkenen Teenagern an den Kragen: Jugendliche, die im Vollrausch sich selbst oder andere gefährden, werden ab Frühling 2010 konsequent in Polizeigewahrsam genommen. In einem Rückführungszentrum auf dem Zürcher Kasernen-areal kommen sie in die Ausnüchterungszelle. Die Eltern müssen sie dann von dort abholen. Zudem flattert ihnen eine saftige Rechnung von rund 1200 Franken ins Haus.

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Bund 2.7.09

Kaserne zur Ausnüchterung

Zürich Die Stadt Zürich will ab nächstem Frühjahr betrunkene Jugendliche und junge Erwachsene, die sich und andere gefährden, konsequent in Gewahrsam nehmen. Für die Ausnüchterung unter medizinischer Betreuung werden spezielle Räume in der alten Kaserne eingerichtet. Die Kosten für die Massnahmen werden den betroffenen Personen oder ihren Eltern in Rechnung gestellt. Wie teuer der Aufenthalt in der alten Kaserne wird, steht noch nicht fest. Es sei durchaus möglich, dass es 1200 Franken sein werden, sagte Polizeivorsteherin Esther Maurer am Mittwoch vor den Medien.

 Minderjährige, die in die Kaserne kommen, müssen von den Eltern abgeholt werden. Junge Erwachsene werden erst entlassen, wenn sie nüchtern sind. Das Projekt steht im Zusammenhang mit der vor einem Jahr vom Stadtrat eingesetzten Task-Force Jugendgewalt. Das Projekt dauert vorerst drei Jahre.

 Bisher kommen jährlich etwa 800 Personen in die Ausnüchterungszellen der Stadtpolizei-Regionalwachen. Dort ist aber laut Maurer die Betreuung und Überwachung problematisch. Die Unterkünfte in der alten Kaserne könnten auch die Spitäler entlasten, wo heute stark Betrunkene eingeliefert würden. (sda)

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Tagesanzeiger 2.7.09

Härtere Gangart gegen betrunkene Junge

Mit drei Massnahmen will der Stadtrat die Jugendgewalt "messbar" verringern: Gewaltprävention in Vereinen, gezielte SIP-Patrouillen und Ausnüchterungsräume.

Von Stefan Hohler

Vor einem Jahr hat der Stadtrat die Taskforce Jugendgewalt eingesetzt. Gestern nun wurden die drei Schwerpunkte vorgestellt, mit denen die Jugendgewalt "messbar und merklich" zurückgehen soll, wie Stadtrat und Schulvorsteher Gerold Lauber (CVP) vor den Medien erklärte.

Dienstleistungsangebot für Vereine: In der Stadt Zürich hat es rund 200 Sportvereine mit Jugendabteilungen. Die Arbeit dieser Clubs ist für die Sozialisation wichtig. Deshalb will die Stadt den Clubs und Vereinen "kostenlos und unbürokratisch" helfen. Gerold Lauber: "Die Idee ist, dass die Stadt mit ihren Fachpersonen Vereine und Jugendorganisationen mit konkreten Interventionen oder mit präventiven Angeboten unterstützt." Als Beispiel nennt Lauber zwei Fussballclubs, bei denen es bei Spielen immer wieder zu kleineren Schlägereien kommt und auch die Trainer nicht mehr weiterwissen. In solchen Fällen bieten die Präventionsfachleute vor Ort professionelle Hilfe an und versuchen, die Situation zu beruhigen. Damit die Vereine eine solche städtische Dienstleistung in Anspruch nehmen können, müssen sie eine Erklärung unterschreiben, in der sie sich mit den wesentlichen Grundsätzen zur gewaltfreien Konfliktlösung einverstanden erklären. Gemäss Lauber haben erste Gespräche bereits stattgefunden. Der Startschuss des Projekts erfolgt nach den Sommerferien. "Möglichst viele Vereine und Jugendorganisationen der Stadt Zürich sollen mitmachen", so Lauber.

Gezielte SIP-Patrouillen: Im Rahmen des Pilotprojekts Züri Courage intervenieren seit eineinhalb Jahren SIP-Patrouillen (Sicherheit, Intervention, Prävention) gezielt gegen Jugendgewalt und exzessiven Alkoholkonsum auf den Strassen. Mit Erfolg, wie Lauber für den krankheitshalber abwesenden Stadtrat Martin Waser (SP) sagte. Der Stadtrat beantragt dem Gemeinderat, die Mittel für die unbefristete Weiterführung von Züri Courage zu bewilligen. Lauber zeigte den Leistungsausweis der SIP-Patrouillen zwischen November 2007 und April 2009 anhand von konkreten Zahlen auf. Insgesamt wurden 21 000 Interventionen durchgeführt, davon 1700 wegen problematischen Trinkverhaltens, 1100 wegen Dreck und Abfall und 110 wegen Belästigungen und Gewalttätigkeiten. 64-mal wurde die Stadtpolizei gerufen, 15-mal die Sanität, und in 60 Fällen wurden die Eltern kontaktiert. Lauber geht davon aus, dass die Zahl der rund 500 Randständigen in etwa gleich bleibt. Eine Zunahme sieht er bei den jungen Partygängern, viele davon aus dem Kantonsgebiet. Daneben rechnen die Fachleute mit rund 500 "Hängern", welche sich vor allem in den Quartieren aufhalten; die Rede ist beispielsweise vom Lochergut oder von der Grünau.

Ausnüchterungsräume: Der Stadtrat will das in der alten Kaserne untergebrachte Vermittlungs- und Rückführungszentrum (VRZ), von wo ursprünglich Drogensüchtige aus dem Kantonsgebiet wieder in ihre Heimatgemeinden zurückgebracht wurden, künftig als "Ausnüchterungszelle" für rund 20 Personen gebrauchen. Gemäss Stadträtin und Polizeivorsteherin Esther Maurer (SP) sollen "Jugendliche und erwachsene Personen, die aufgrund ihres Zustandes sich selbst oder andere gefährden, konsequent in Gewahrsam genommen werden." Weil Betrunkene eine aus Sicherheitsgründen intensive Überwachung brauchen, sind die Kosten für eine Nacht entsprechend hoch: 1200 Franken. "So teuer wie eine Übernachtung im Grand Hotel Dolder, nur nicht so luxuriös", wie Esther Maurer sagte. Die Kosten werden den fehlbaren Personen, bei Minderjährigen ihren Eltern, in Rechnung gestellt. Die Eltern werden zudem benachrichtigt und aufgefordert, ihren Sohn oder ihre Tochter im Rückführungszentrum abzuholen. Maurer: "Wir planen den Betrieb im Frühjahr 2010 aufzunehmen."

"Wir sind auf Kurs"

Andres Oehler, Leiter Taskforce Jugendgewalt, zieht eine positive Zwischenbilanz. Das zehnköpfige Team aus fünf Departementen arbeite gut und produktiv, man sei auf Kurs. Auch die Zusammenarbeit mit Ausländerorganisationen sei auf gutem Weg. Verstärkt würde nun die Zusammenarbeit mit dem Kanton, vor allem mit der Jugendanwaltschaft.

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NZZ 2.7.09

Die Stadt Zürich setzt auf eine Art fürsorgliche Repression

Task-Force gegen Jugendgewalt will Alkoholexzesse bekämpfen und Vereine vermehrt einbinden

 Betrunkene Jugendliche, die in Zürich die öffentliche Ordnung stören, nimmt die Polizei künftig zur Ausnüchterung mit. Das kann für die Eltern teuer werden und ist eine der Massnahmen, welche die vom Stadtrat eingesetzte Task-Force gegen Jugendgewalt initiiert hat. Sie hat gestern zu ihrem ersten Jahr eine sehr positive Zwischenbilanz gezogen.

 urs.  Seit gut einem Jahr ist in der Stadt Zürich eine Task-Force gegen Gewalt unter Jugendlichen im Einsatz. Das Hauptziel besteht darin, Heranwachsende besser vor Übergriffen von Tätern aus ihrer Altersgruppe zu schützen. Diese Stossrichtung steht im Einklang mit dem stadträtlichen Legislaturziel, eine "statistisch merkliche" Senkung der Fälle von Jugendgewalt und -kriminalität zu erreichen. Wie in manch anderem Kanton wird dabei eine härtere Gangart angestrebt, ohne dass die Repression zum Königsweg erhoben wird. Das konsequentere Ahnden von Regelverstössen soll vielmehr begleitet sein von Betreuung und Prävention. Nicht zuletzt geht es darum, im öffentlichen Raum das Sicherheitsgefühl jener klaren Mehrheit von Jugendlichen zu verbessern, die nicht besonders gewaltbereit sind.

 Stärkerer Einbezug der Vereine

 In einer Zwischenbilanz haben die Verantwortlichen am Mittwoch die Stossrichtung bekräftigt. Stadtrat Gerold Lauber stellte klar, dass die Exekutive Gewalt nicht toleriere. Was die Entwicklung des Problems betreffe, führten wissenschaftliche Studien wie auch Statistiken zwar zu unterschiedlichen Schlüssen. Besorgniserregend sei aber sicher die Zunahme der registrierten schweren Fälle von Jugendgewalt in letzter Zeit.

 Die Exekutive will deshalb den Anfängen wehren. Bei den eingeleiteten oder geplanten Ansätzen, die als Ergänzung zu Massnahmen im Schulbereich (NZZ 23. 6. 09) erprobt werden, sind drei Schwerpunkte zu erkennen: Erstens weitet die ursprünglich für Randständige gedachte Einsatztruppe SIP ihr Aufgabenfeld probeweise aus, zweitens wird betrunkener Nachwuchs, der die öffentliche Ordnung stört, einer überwachten Ausnüchterung zugeführt (s. untenstehenden Artikel). Drittens stehen und fallen, wie Polizeivorsteherin Esther Maurer betonte, die Erfolge mit der guten Vernetzung und dem Austausch aller beteiligten Stellen. So wird unter anderem verstärkt auf die Vereine gesetzt. Die Stadt hat zusammen mit Klubs nicht nur den runden Tisch "Sport ohne Gewalt" initiiert, sondern startet nach diesen Sommerferien auch ein unentgeltliches Angebot, von dem unter anderem die rund 200 Sportvereine mit Nachwuchsabteilungen profitieren: Die Leiterinnen oder Trainer von Organisationen, die Jugendarbeit leisten, werden im Umgang mit Gewalt geschult und unterstützt.

 Väter als Zielgruppe

 Andres Oehler, Leiter der zehnköpfigen und departementsübergreifenden Task-Force, zog eine sehr positive Jahresbilanz. Man sei auf Kurs, sagte er. Allerdings sei es von entscheidender Bedeutung, dass auch übergeordnete Stellen wie Kanton und Bund sowie umliegende Gemeinden mitzögen. Deshalb sei es wichtig, dass zurzeit zum Beispiel die Zusammenarbeit mit kantonalen Stellen gut funktioniere, namentlich mit der Jugendanwaltschaft. Allerdings gebe es diesbezüglich noch Steigerungspotenzial. Verbesserungsbedarf sieht Oehler etwa im Umstand, dass Jugendliche oft erst Monate nach einer Gewalttat einem Urteil und somit dem Vollzug zugeführt würden. Auch sei ein verstärkter Einbezug der Elternseite nötig, namentlich der Väter als zentraler männlicher Vorbilder. Als positives Beispiel nannte er das Vorgehen in einer Wohnsiedlung in Schwamendingen, in der eine Gruppe Jugendlicher oft gepöbelt und gestört hatte. Auf private Initiative hin seien die Väter in jener Sache aktiviert worden - mit positivem Ergebnis.

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 Ausnüchterungszelle zum Preis eines "Dolder"-Hotelzimmers

 mbm. Wie Polizeivorsteherin Esther Maurer ausführte, soll möglichst viel Präventionsarbeit geleistet werden, damit bei der Repression der Handlungsbedarf sinkt. Deshalb will die Stadt zum Beispiel die Alkoholtestkäufe ausbauen. Aber auch bei der Repression wird die Schraube angezogen: Das Pilotprojekt VRZ Plus, das im kommenden Frühling für drei Jahre gestartet wird, richtet sich gegen Alkoholmissbrauch im öffentlichen Raum. Bis jetzt kümmert sich das in der Kaserne untergebrachte VRZ (Vermittlungs- und Rückführungszentrum) vor allem um Drogensüchtige. Neu soll das Augenmerk auch auf betrunkene Jugendliche und junge Erwachsene gelegt werden, welche die öffentliche Ordnung stören oder sich und andere gefährden. Unabhängig vom Alter werden laut Maurer stark Betrunkene von der Polizei in Gewahrsam genommen und in eine Ausnüchterungszelle gesteckt.

 Minderjährige müssen von den Eltern abgeholt werden oder werden nach Hause gebracht. Erwachsene haben in der Zelle zu bleiben, wo sie ärztlich betreut werden, bis sie ausgenüchtert sind. Die Kosten, die nebst der Ordnungsbusse anfallen, werden konsequent direkt den Betrunkenen oder deren Eltern in Rechnung gestellt. Laut Maurer ist eine Übernachtung im VRZ um einiges weniger luxuriös als im Hotel The Dolder Grand, aber etwa gleich teuer: Eine Nacht könne durchaus bis zu 1200 Franken kosten. Damit die Betrunkenen im VRZ aufgenommen werden können, werden rund 20 neue Plätze geschaffen.

 Bereits seit November 2007 läuft das niederschwellige Pilotprojekt Züri Courage, das vorderhand bis Ende 2009 befristet ist. Die SIP Züri (Sicherheit, Intervention und Prävention) ist dabei beauftragt, im öffentlichen Raum aggressives und gewalttätiges Verhalten sowie exzessiven Alkoholkonsum durch soziale Kontrolle, Intervenieren und Öffentlichkeitsarbeit zu verhindern oder zu vermindern. Weil die SIP neue Orte zu überwachen und zur gleichen Zeit an verschiedenen Brennpunkten sein muss, wurden zehn zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Der Stadtrat will dieses Pilotprojekt, mit dem er laut Maurer sehr zufrieden ist, in eine unbefristete Lösung überführen und wird dem Gemeinderat eine entsprechende Vorlage unterbreiten.

 Das SIP-Team hat Randständige, aber auch immer mehr Jugendliche, darunter an Wochenenden viele Partygänger, im Auge. Das Einsatzgebiet umfasst Zürich-West, den Raum HB, den Limmatquai und das Seebecken. Gerade im Sommer steigt die Zahl der Einsätze. Stadtrat Lauber erwartet, dass auch die Umsetzung des Rauchverbots in Restaurants und Klubs der SIP Mehrarbeit bescheren wird, weil sich die Menschen mehr im Freien aufhalten werden.

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Eltern in der Pflicht

 Im Paket der Stadtzürcher Task-Force fallen zwei Tendenzen auf, die durchaus positiv zu werten sind. Erstens wird im Massnahmenkatalog gegen Jugendgewalt dem Thema Alkohol auffallend viel Platz eingeräumt. Wer sich darüber wundert, sei wieder einmal an den engen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und Alkoholkonsum erinnert. Kaum ein anderes Sucht- oder Rauschmittel senkt die Aggressionsschwelle so schnell derart stark. Wer sich in angetrunkenem Zustand im öffentlichen Raum bewegt, kann somit nicht nur zum pöbelnden Ärgernis, sondern zur Gefahr für sich selber und für andere werden. Also ist es aus Sicht der Gewaltprävention von zentraler Bedeutung, dass die zu beobachtende Ausbreitung von Alkoholexzessen nicht achselzuckend hingenommen wird. Das kann auch für den nächsten Botellón gelten.

 Zweitens fällt in den präsentierten Massnahmen eine Rückbesinnung auf die Rolle der ursprünglichen Erziehungsverantwortlichen auf: der Eltern. Dass diese vermehrt in die Pflicht genommen werden, etwa bei der Übernahme der Kosten für die Ausnüchterung des Nachwuchses, mögen manche Betroffene als Affront empfinden. Das damit verbreitete Signal jedoch ist richtig gesetzt. Auch das Vorhaben der Task-Force, ihre Arbeit vermehrt auch auf die Väter auszurichten, zielt in diese Richtung. Gewalt, ob man sie nun als zunehmendes Problem empfindet oder nicht, ist weder ein isoliertes noch ein altersspezifisches Phänomen. Das Verhalten der Jugend ist grossteils von Vorbildern geprägt; und zu viele zentrale Identifikationsfiguren im Familienleben, aber auch im öffentlichen Bereich nehmen diese Aufgabe heute ungenügend wahr.
 urs.


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Zürichsee-Zeitung 2.7.09

Jugendgewalt Stadtzürcher Taskforce über bestehende und neue Projekte

Kater im Kopf - und auf dem Konto

Seit einem Jahr gibt es in Zürich die Taskforce Jugendgewalt. Die Patrouillen im Partyumfeld sollen weitergehen, geplant ist ein Ausnüchterungszentrum.

Thomas Marth

Warum nicht einmal im Dolder übernachten? Ein Jugendlicher, der nach Zürich in den Ausgang geht, wird sich diese Frage kaum je stellen. Ist er im neuen Ausnüchterungszentrum gelandet, das ab nächstem Frühling in Zürich bereitstehen soll, könnte er sich aber ernsthaft fragen, ob er nicht besser weniger getrunken oder sonstige Drogen konsumiert hätte - und das nicht nur wegen dem Kopfweh. Für seine Auswärts-Übernachtung wird ihm beziehungsweise seinen Eltern, die ihn persönlich abholen müssen, nämlich eine Rechnung präsentiert, die etwa dem Preis für eine Nacht im Dolder entspricht. Auszugehen sei von rund 1200 Franken, wie die Stadtzürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer gestern vor den Medien ausführte. Sie informierte zusammen mit Schulvorsteher Gerold Lauber über das erste Jahr der Stadtzürcher Taskforce Jugendgewalt. Das Ausnüchterungszentrum ist eines der Projekte, das in diesem Rahmen initiiert wurde. Es läuft unter dem Titel Vermittlungs- und Rückführungszentrum (VRZ) Plus. Untergebracht werden soll es in der Kaserne, die Umsetzung in enger Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei erfolgen. Rund zwanzig Personen sollen aufs Mal aufgenommen werden können.

Randale auf der Notfallstation

Wäre es im Dolder sicher komfortabler, so wird dafür im VRZ Plus die medizinische Betreuung besser sein. Diese sicherzustellen, sei bei stark Betrunkenen wichtig, wie Maurer betonte. Sonst seien Todesfälle nicht auszuschliessen. Heute landen die jungen Alkoholleichen teils in den Notfallstationen der Spitäler, die dann die Polizei aufbieten müssen, wenn der "Patient" zu randalieren beginnt. Teils erfolgt die Ausnüchterung in Zellen der Regionalwachen, die wiederum ärztlichen Beistand anfordern müssen, wenn medizinische Komplikationen nicht auszuschliessen sind. Im neuen VRZ Plus sollen Polizist und Arzt Hand in Hand arbeiten. Insofern geht es um eine Rationalisierung bestehender Abläufe. Indem die Kapazitäten erhöht werden, sollen aber künftig berauschte Jugendliche und junge Erwachsene auch konsequenter und in grösserer Zahl aus dem Verkehr gezogen werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie die öffentliche Ordnung stören oder sich und andere gefährden. Zugrunde liegt der Gedanke, dass Alkohol ein wichtiger Auslöser von Gewalttaten ist. Wohin das führen kann, veranschaulichte Stadtrat Lauber mit dem Verweis auf einen Vorfall am letzten Samstag um 2.50 Uhr im Niederdorf: Zwei Jugendgruppen, insgesamt rund 30 Personen, gehen mit Bierflaschen aufeinander los. Hier konnte eine SIP-Patrouille Schlimmeres verhindern. SIP steht für Sicherheit, Intervention, Prävention. Die Patrouilleure sind keine Polizisten, sondern verstehen in der einen oder anderen Form etwas von Sozialpädagogik. SIP-Leute suchen seit zehn Jahren soziale Brennpunkte in der Stadt auf, zum Beispiel im Drogenmilieu. Seit Ende 2007 intervenieren sie auch gezielt gegen Jugendgewalt und Alkoholexzesse; der Auftrag wurde als Pilotprojekt unter dem Titel "ZüriCourage" bis Ende 2009 erteilt. Der Stadtrat beantragt dem Gemeinderat nun die unbefristete Weiterführung, wie gestern mitgeteilt wurde.

Unterstützung für Vereine

Noch am Anfang steht man mit einem Angebot, das unter dem Titel "Dienstleistungsangebot für Vereine" aufgegleist ist. Die Leiterin in der Pfadi oder der Trainer im Fussballklub soll fachlich unterstützt werden - sei es mit konkreten Interventionen gegen Gewalttätigkeiten oder mit präventiven Angeboten. Im Gegenzug ist eine Erklärung zu unterzeichnen, welche Grundsätze zur gewaltlosen Konfliktlösung auflistet. Bei den Migrantenvereinen seien die ersten Reaktionen darauf skeptisch ausgefallen, sagte Lauber.

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HOOLIGAN-GRIPPE
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Bund 3.7.09

YB verschärft Kontrollen

Der Berner Club setzt auf die neue Saison hin mehr Sicherheitspersonal ein

Schärfere Eingangskontrollen, ein Zaun zwischen dem Stadion und der S-Bahn-Station Wankdorf, bauliche Vorkehrungen und neues Personal für die Fanbetreuung: YB schlägt im Bereich der Sicherheit neue Pflöcke ein.

Ruedi Kunz

Das Thema Sicherheit in Fussballstadien sorgt in regelmässigen Abständen für fette Schlagzeilen. Zuletzt wurde nach dem Cupfinal zwischen YB und Sion heftig über brennende Fackeln (Pyro) im Stadion, Ausschreitungen, Alkoholexzesse und ständig steigende Kosten für Polizeieinsätze debattiert. Die Verantwortlichen des BSC Young Boys betonten gestern vor den Medien, wie wichtig ihnen die Sicherheit im Stade de Suisse Wankdorf ist. "Wir werden einen Zacken zulegen bei der Repression, aber auch bei der Prävention und im Dialog", betonte Stadion-Chef Stefan Niedermaier. Zu den repressiven Elementen gehören schärfere Eingangskontrollen. Die Verantwortlichen wollen auf die neue Saison hin das Sicherheitspersonal um rund 20 Prozent aufstocken, Weiter soll im Stadion die Präsenz von Sicherheitspersonal erhöht werden, auch im YB-Fansektor.

Bauliche Massnahmen von rund 100000 Franken sollen eine bessere Trennung der Fans und nach Matchende das Zurückbehalten der Besucher im Gästesektor ermöglichen. Als weitere Massnahme zur Verhinderung von Schlägereien ist der mobile Zaun gedacht, der beim zweiten Heimspiel (YB-GC) erstmals aufgestellt wird. Die Polizei, die ausserhalb des Stadiongeländes für die Sicherheit zuständig ist, hatte auf diese Installationen gedrängt.

Nur noch Leichtbier für Gästefans

Auch beim Alkohol wird im Stade de Suisse etwas die Schraube angezogen. Im Gästesektor soll künftig nur noch Leichtbier ausgeschenkt werden, in den anderen Sektoren werde je nach Situation entschieden. In der vergangenen Saison kam es in Bern verschiedentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Mit Stadionverboten versuche man, Gewalttätige zur Vernunft zu bringen, erklärte Niedermaier. Schweizweit seien rund 500 Stadionverbote in Kraft, 61 davon beträfen YB-Fans. Am häufigsten wurden Verbote wegen Abbrennens von Pyro ausgesprochen.

Im Bereich Prävention will YB mit der Anstellung eines Fanverantwortlichen ein Zeichen setzen. Weiter ist geplant, zusammen mit der Fanarbeit ein Leitbild namens "YB-Fan" zu entwickeln.

Sicherheit kostet zwei Millionen

Niedermaier bezifferte gestern die Fixkosten für die Sicherheit auf "rund zwei Millionen Franken pro Jahr". Bei einem Spiel mit 18000 Besuchern stünden jeweils an die 260 Sicherheitsleute im Stadion im Einsatz. Die eine Hälfte davon seien eigene Leute, die andere sei Personal einer Sicherheitsfirma. Pro Spiel entstünden rund 90000 Franken an Sicherheitskosten, führte Niedermaier aus.

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BZ 3.7.09

Stade de Suisse

YB zahlt zwei Millionen für Sicherheit

90000 Franken pro Spiel, zwei Millionen pro Saison: So viel Geld wendet YB für die Sicherheit im Stade de Suisse auf.

Ungewöhnliches ereignete sich gestern Mittag im Medienzentrum des Stade de Suisse. YB-General Stefan Niedermaier, wenns um Geld geht normalerweise verschwiegen wie ein Friedhof, präsentierte vor rund 50 Journalisten Zahlen und Rechnungen en Masse. Punkt für Punkt, Liste für Liste präsentierte er die Beträge, welche die Young Boys jede Saison in die Sicherheit des Stade de Suisse stecken. Zwei Millionen Franken. "Es soll mir nie wieder einer sagen, wir machen nichts gegen Gewalt", verkündete der Stade-de-Suisse-CEO.

Dies war die öffentliche Antwort auf den offenen Brief von Regierungsrat Hans-Jürg Käser (FDP) und Berns Gemeinderat Reto Nause (CVP). Sie hatten die Sportklubs via Fussballverband aufgefordert, im Kampf gegen Hooligans "zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen", namentlich: die Eingangskontrollen verbessern und Stadionverbote konsequent durchsetzen.

"Wir verurteilen Pyro"

Apropos Stadionverbote - auch dazu hatte Stefan Niedermaier Zahlen parat: Schweizweit sind 497 Personen mit einem Stadionverbot belegt, 61 davon sind YB-Anhänger. In der vergangenen Saison wurden im Stade de Suisse 32 Verbote ausgesprochen - 40 Prozent davon wegen Abbrennens von Pyro-Fackeln. "Wir verurteilen Pyro", sagte Niedermaier, "wir dulden es nicht, und es wird in Zukunft noch mehr krachen, wenn es im Stadion trotzdem passiert."

Lightbier für Gästefans

Im Kampf gegen Pyromanen optimiert YB die Videoüberwachung. Die Software, welche die 50 Kameras im Stadion steuert, wird erneuert, was die Qualität des Bildmaterials verbessern soll. Das Personal für die Eingangskontrollen wird um 20 Prozent aufgestockt, die Präsenz der Sicherheitsleute in den Fankurven ebenfalls erhöht. Im Gästesektor wird ab der neuen Saison nur noch Bier mit geringem Alkoholgehalt (Lightbier) ausgeschenkt. Diese Massnahme wird bei Bedarf auf andere Sektoren ausgeweitet. Noch vor dem ersten Heimspiel am 18.Juli gegen St.Gallen werden für 900000 Franken die Zäune im Gästeblock verstärkt und vor dem Stadion Rückhalteräume geschaffen. Ab dem Spiel gegen GC am 2.August wird der Weg vom Gästesektor des Stadions zur S-Bahn-Station-Wankdorf teilweise durch einen im Boden verankerten Zaun abgesperrt.

"Diese repressiven Massnahmen sind Ausdruck einer üblen Machtlosigkeit", sagt Stefan Niedermaier. "Doch wir schulden es allen, die in friedlicher Absicht ins Stadion kommen." Parallel dazu unterstützen die Young Boys auch weiterhin die Fanarbeit Bern mit einem jährlichen Betrag von 50000 Franken. "Prävention und Dialog sind uns sehr wichtig", sagt Niedermaier.

Tobias Habegger

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NEUFELD-CAMPUS

Offen ab Herbst

Das YB-Nachwuchs-Trainingszentrum im Neufeld doll Ende September eröffnet werden. Die Kantonsregierung unterstützt das drei Millionen Franken teure Projekt mit 750 000 Franken aus dem Sportfonds.

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Berner Rundschau 3.7.09

YB will strenger kontrollieren

Die Young Boys wollen schärfer gegen gewalttätige Fans vorgehen. Gestern präsentierte der Club verschiedene Massnahmen für mehr Sicherheit im Stadion. So sollen verschärfte Eingangskontrollen, bauliche Massnahmen und ein festangestellter Fanbeauftragter für die Belange der Fans zuständig sein. Pro Jahr wendet der Club rund 2 Millionen Franken für die Sicherheit auf. Dennoch kam es immer wieder zu Vorfällen im Stadion. (joh) Seite 20

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YB will künftig härter durchgreifen

Die Young Boys wollen in der neuen Saison für mehr Sicherheit im Stade de Suisse sorgen

Pro Jahr geben die Young Boys 2 Millionen Franken für die Sicherheit aus. Mit verstärkten Eingangskontrollen, baulichen Massnahmen und einem Fanbeauftragten will der Club noch schärfer vorgehen.

Johannes Reichen

Es hat ihnen gefallen am Konzert von Bruce Springsteen. Sowohl der Trainer der Young Boys, Vladimir Petkovic, wie auch Stefan Niedermaier, CEO von YB und des Stade de Suisse, waren angetan vom US-Rocker, der am Dienstag seinen Auftritt im Stade de Suisse hatte.

Nun ist der Spass vorbei und die Sommerpause bald auch. Darum blickte der Berner Fussballclub gestern nicht nur voraus in die neue Saison, sondern stellte auch neue Massnahmen zur Sicherheit vor. Zu oft war YB zuletzt in den Schlagzeilen wegen der Gewalt im und ums Stadion. Nun werde "deutlicher durchgegriffen", so Niedermaier.

Kontrolle und Fanarbeit

Mit mehreren repressiven und präventiven Massnahmen will YB die Sicherheit bei den Fussballspielen erhöhen:

- Dank verstärkten Eingangskontrollen will der Club künftig besser verhindern, dass Feuerwerkskörper und Wurfgegenstände ins Stadion gelangen. Um 20 Prozent wird der Bestand aufgestockt. "Aber natürlich ist es uns nicht möglich, in jede Tasche zu schauen", sagte Niedermaier. Auch die Präsenz im YB--Fansektor soll erhöht werden.

- Künftig will YB einen festangestellten Fanbeauftragten beschäftigen.

- Mit baulichen Massnahmen im Gästesektor für mehr als 100 000 Franken sollen die Fangruppen besser voneinander getrennt werden. Zudem wird künftig vom Stadion bis zum Bahnhof Wankdorf ein mobiler Zaun aufgestellt.

- Wie bisher wird das Stade de Suisse jeweils mit 50 Videokameras überwacht. Eine neue Software erlaube es nun, so Niedermaier, die Bilder besser auszuwerten.

- Ausserdem gibt es im Gästesektor ab jetzt nur noch Leicht-Bier, je nach Situation auch in anderen Teilen des Stadions.

260 Personen pro Spiel

Diese neuen Massnahmen seien nicht die letzte Weisheit, sagte Niedermaier. "Denn Repression bedeutet auch Machtlosigkeit." Sicherheit sei aber allen geschuldet, die ein friedliches Fussballspiel sehen wollten. "Und das sind 98 oder 99 Prozent."

Niedermaier wollte gestern auch mal klarstellen, was alles für die Sicherheit unternommen wird. "Wir machen viel, wenn auch nicht immer das Richtige." Auf jeden Fall werde viel Arbeit in die Sicherheit gesteckt.

Pro Spiel stehen 260 Personen im Einsatz, die sich um die Sicherheit kümmern. Diese Zahl bezieht sich auf eine Zuschauerzahl von 18 000, wie sie in der letzten Spielzeit im Schnitt erreicht wurde. Ist der Aufmarsch höher, steigt auch das Sicherheitsaufgebot. Es wird je zur Hälfte vom Club sowie von privaten Diensten gestellt. 250 Stellenprozente im Club stehen für Sicherheit zur Verfügung.

2 Millionen Franken pro Jahr

Das kostet: Rund 2 Millionen Franken pro Jahr respektive 90 000 Franken pro Spiel gibt YB für die Sicherheit aus. Davon sind über eine Million Franken Fixkosten, auch der Beitrag von 50 000 Franken an die Fanarbeit.

Besonders schmerzen Niedermaier die Bussen, die YB an den Schweizerischen Fussballverband und die Swiss Football League zu zahlen hat. 150 000 Franken waren es in der letzten Saison.

YB und Stade de Suisse engagieren sich zudem in den Sicherheitskommissionen der Swiss Football League und Swiss Olympic. "Wir führen dauernd Gespräche", so Niedermaier. Die Zusammenarbeit mit Polizei, Feuerwehr, Sanität, öffentlichem Verkehr, aber auch Verband und Liga sei "hervorragend".

Trotz den Anstrengungen, die "Machtlosigkeit" wird weiter bestehen bleiben. Die Probleme mit den Fans seien ein gesellschaftliches Problem, sagte Stefan Niedermaier. "Und auf die Kinderzimmer haben wir keinen Einfluss."

32 Verbote im Stadion

Derzeit sind 61 Anhänger der Young Boys mit einem Stadionverbot belegt, davon kamen 13 in der vergangenen Saison dazu. In der letzten Saison wurden wegen Vergehen im Stade de Suisse 32 Stadionverbote ausgesprochen, darunter 8 wegen Gewalt ums Stadion, 5 wegen Werfens von Gegenständen, je 2 wegen Gewalt sowie Vandalismus im Stadion und 1 wegen Betretens des Spielfelds. Für die meisten Stadionverbote sorgt jedoch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern (13). "Wir wollen keine Pyrotechnik im Stadion", sagte Stefan Niedermaier, CEO von YB und Stade de Suisse. Aus Sicht der Fanarbeit, die von YB mit jährlich 50 000 Franken unterstützt wird, klingt es ein bisschen anders. "Wir sehen uns als Anwälte der Fans", sagte Clemens Friedli, Co-Präsident der Fanarbeit Bern, auf Anfrage. Für bestimmte Fangruppen sei Feuerwerk ein Teil der Fankultur. "Pyro ist nicht gleich Gewalt", sagte Friedli, und vor wenigen Jahren habe sich keiner daran gestört. So wäre es für ihn etwa denkbar, dass es für das Abbrennen kein Verbot gibt, womit sich die Fans nicht vermummen würden. "So könnte man es viel besser unter Kontrolle halten." Ebenfalls unter Kontrolle sei derzeit die Willkür in Sachen Stadionverbot. "Dank der Fanarbeit haben die Fans ein Anhörungsrecht", sagt Friedli. Das Projekt "2. Chance" der Fanarbeit erlaubt es zudem Fans mit Stadionverboten, unter Begleitung wieder Spiele zu besuchen. (joh)

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20min.ch 2.7.09

Stade de Suisse

Light-Bier für die auswärtigen Fans

Die Betreiber des Stade de Suisse und YB kämpfen gegen Gewalt im und ums Stadion. Light-Bier, Zäune und Securitas sollen die Fans künftig im Zaum halten.

"Wir sind von einigen Fans enttäuscht", sagt Stefan Niedermaier, CEO Stade de Suis se. Obwohl 2 Millionen Franken pro Jahr nur für Sicherheitskosten draufgehen, kommt es immer öfter zu Ausschreitungen. Von 539 Fans, die zurzeit schweizweit Stadionverbot haben, sind 61 Berner - 13 mehr als 2008.

Zahlreiche Massnahmen sollen in Bern die Chaoten jetzt stoppen: Vor dem Match filzt das Personal die Fans intensiver auf Wurfgegenstände und Pyroartikel. Während den Spielen sorgen 20 Prozent mehr Sicherheitsleute als bisher für Ordnung. Und damit auswärtige Fans nicht im Rausch randalieren, gibts im Gästesektor nur noch Light-Bier - in den anderen Sektoren wird je nach Situation entschieden. Nach dem Abpfiff werden die Gästefans neu zwischen mobilen Zäunen zum Bahnhof Wankdorf geleitet.

Wer trotzdem Randale macht, muss blechen: YB will Bussen künftig auf die Verursacher abwälzen. Letztes Jahr musste der Klub 151 000 Franken bezahlen, weil sich Fans danebenbenahmen.

Den Start in die neue Saison feiert YB heute ab 17 Uhr zusammen mit allen fried lichen Anhängern im Stade de Suisse. Es gibt ein Show-Training, ein Plausch-Turnier und eine Autogrammstunde.
(nj/pbt/20 Minuten)

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NLZ 2.7.09

FC Luzern

Jetzt sollen Fussball-Chaoten zahlen

Der FC Luzern greift mit Stadionverboten und Schadenersatzforderungen gegen Hooligans durch  und setzt eine Belohnung für den Petardenwerfer aus.

Von Silvia Weigel

27 000 Franken Schadenersatz will der FC Luzern 42 Chaoten vom Cup-Halbfinal gegen den FC Sion in Rechnung stellen. Ausserdem hat der Verein gegen die Männer Stadionverbote zwischen zwei und drei Jahren ausgesprochen. Über die Hälfte der 42 Betroffenen werden zusätzlich mit einem Rayonverbot belegt, wie der FCL gestern mitteilte. Und: Für Hinweise, die den Petardenwerfer vom Barrage-Rückspiel gegen den FC Lugano überführen, hat der Verein eine Belohnung von 3000 Franken ausgesetzt. "Wir sind zwar schon einen Schritt weiter, haben den Übeltäter aber noch nicht definitiv überführt", sagt FCL-Sicherheitschef Mike Hauser. Der Verein hoffe, den Petardenwerfer so endgültig dingfest machen zu können.

Die meisten kommen aus Luzern

Die Mehrheit der Stadionverbote ist laut Hauser gegen Luzerner ausgesprochen worden, "aber es sind auch Walliser dabei". Der Grossteil der Männer sei zwischen 20 und 25 Jahren alt. 27 der Chaoten wurden mit drei Jahren Stadionverbot belegt, weil sie auch gewalttätig geworden sind. "Wer das Spielfeld betreten hat, ohne Gewalt anzuwenden, wurde mit zwei Jahren belegt", sagt Hauser. Das Stadionverbot gilt für alle Stadien in der ganzen Schweiz.

Erste Schadenersatzforderung

Als Verschärfung des Vorgehens gegen Hooligans will Hauser die Massnahmen nicht verstanden wissen: "Wir haben von Anfang an klargemacht, dass wir so ein Verhalten nicht dulden." Trotzdem: Schadenersatzforderungen gegen Chaoten hat es beim FCL bisher nicht gegeben. "Wir sind der Meinung, dass wir die Leute auch finanziell zur Rechenschaft ziehen können, wenn sie strafrechtlich belangt werden können."

Von den 40 000 Franken Busse, mit denen der FCL belegt wurde, fordert der Verein 27 000 Franken von den Verursachern. "Wir haben den Betrag pro Betroffenen definiert, bevor wir wussten, wie viele Chaoten identifiziert werden können", sagt Hauser. Die Summe werde gleichmässig auf die 27 Gewalttätigen aufgeteilt  macht gegen 1000 Franken pro Person. Von denen, die "nur" das Spielfeld betreten haben, müssten nochmals einige kleinere Summen zahlen. "Diejenigen, die sich freiwillig gemeldet haben und keine Gewalt angewendet haben, werden nicht mit Schadenersatzforderungen belegt", sagt Hauser.

Die rechtliche Grundlage sei gegeben, weil das Betreten des Spielfelds amtlich verboten gewesen sei. "Das Betreten des Spielfelds ist etwas vom Schlimmsten, weil das auch die Sicherheit der Spieler gefährdet", sagt Hauser.

Die Namen der Chaoten hat die Polizei ermittelt und an den FCL weitergegeben, nachdem der Verein zuvor Anzeige erstattet hatte. "Bei den Delikten handelt es sich teilweise um Offizialdelikte (Beispiel: Raufhandel) oder auch Antragsdelikte. Dabei müssen wir dem "Strafkläger" die Namen der "Täter" weitergeben", sagt Simon Kopp, Sprecher der Luzerner Strafuntersuchungsbehörden. Dies sei das offizielle Vorgehen, damit die Fussballclubs auch ihrerseits Strafen aussprechen können.

"Wir begrüssen diesen Schritt ausdrücklich", sagt Ulrich Pfister, Sicherheitsverantwortlicher des Schweizerischen Fussballverbands. Von konsequenten Stadionverboten verspricht er sich mehr Sicherheit: "Das ist ein klares Signal, das potenzielle Nachahmer abschreckt." Schadenersatzforderungen gegen Fussball-Chaoten seien bisher relativ selten. "Es gibt aber Fälle, wo das schon erfolgreich praktiziert wurde", sagt Pfister.

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PFLEGEHEIM
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20min.ch 2.7.09

"Sternenhof"

Basel richtet ein Junkie-Pflegeheim ein

Basel-Stadt richtet eine Wohngruppe für pflegebedürftige Junkies und andere Suchtmittelabhängige ein. Das Pilotprojekt in einem bestehenden Heim beginnt mit sechs Plätzen und kann auf zwölf ausgebaut werden.

Das Pilotprojekt einer Pflegewohngruppe für Suchtmittelabhängige im "Sternenhof" im Gundeldingerquartier soll in den nächsten zweieinhalb Jahren Aufschluss geben über spezifische Bedürfnisse und Möglichkeiten. Das Personal dafür werde speziell geschult, teilte das Gesundheitsdepartement (GD) am Donnerstag mit.

Das neue Angebot des "Sternenhofs" ist in Zusammenarbeit mit der Abteilung Sucht und der Abteilung Behindertenhilfe erarbeitet worden. Es ist mit einem befristeten Leistungsauftrag geregelt. Offen steht es Bezügern von IV- und von AHV-Renten; diese könnten von legalen wie illegalen Suchtmitteln abhängig sein.

Kantonales Angebot

Allerdings müssen sie in Basel-Stadt daheim sein; für Einwohner anderer Kantone bräuchte es eine Ausnahmebewilligung, sagte auf Anfrage Martin Birrer, Leiter der Abteilung Langzeitpflege im GD Basel-Stadt. 2011 soll das Pilotprojekt evaluiert werden; dann wird auch über die Fortführung und allfällige Anpassungen entschieden.

Birrer rechnet zwar mit zunehmender Nachfrage für solche Plätze, doch das Medieninteresse sei grösser als das Problem. Nur wenige Junkies, die ein prekäres aber selbständiges Leben am Rande gewohnt sind, seien bereit für ein Heim. Einzelne Süchtige leben bereits im "Sternenhof", der mit einer Apotheke zusammenarbeite.

Mit dem "Sternenhof" ist übrigens ein Tagesansatz von 329.10 Fr. für Süchtige vereinbart worden. Das ist laut Birrer günstiger als Spital-Tagestaxen. Krankenkassen bezahlen nur die eigentlichen Pflegekosten; der Aufenthalt geht zulasten der Kundschaft - also zulasten des Kantons, wenn jemand nicht bezahlen kann.

Vorbild Zürich

Suchtmittelabhängige wie etwa Fixer leben heute dank Heroin- und Methadonprogrammen, Spritzenabgabe und besserer Betreuung länger als früher. Viele kämpfen jedoch mit physischen und psychischen Problemen sowie Folgen von HIV/Aids und Hepatitis C-Infektionen. Einige werden früher pflegebedürftig als Nicht-Süchtige.

In Zürich ging für solche Kundschaft 2006 das "Bewo City" mit 19 Plätzen für Drogensüchtige und Randständige auf. In Langenbruck BL steht das Langzeitheim "Harmonie" langjährigen Süchtigen und Ex- Süchtigen offen; Konsum im Haus ist indes tabu. In Bern ist ein Süchtigen-Altersheim in Planung.
(sda)

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RAUCHVERBOT
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Bund 2.7.09

Rauchverbot erfolgreich

Stadt Bern Seit gestern darf in Bars und Restaurants nicht mehr geraucht werden. Das prächtige Sommerwetter hat die Einführung des Rauchverbots erheblich vereinfacht. Erhitzte Gemüter blieben aus, konnten Raucher doch fast überall auf Terrassen der Tabaklust frönen und mussten nicht auf den Glimmstängel verzichten. Zum heutigen Zeitpunkt ist in den wenigsten Beizen ein Fumoir vorhanden oder geplant. Deshalb hoffen die Wirte auch weiterhin auf sonnige Tage, um ihre rauchende Kundschaft bei Laune zu halten. (srg)

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"Alles halb so dramatisch"

Seit gestern gilt in Berner Beizen und Restaurants ein Rauchverbot - geraucht wird trotzdem

Das prächtige Sommerwetter hat die Einführung des Rauchverbots in Gastbetrieben erheblich erleichtert. Fast überall frönten Raucher gestern auf Terrassen der Tabaklust. Ein Streifzug durch Berner Beizen.

Michelle Schwarzenbach

Die Terrasse des Restaurant Des Pyrénées am Kornhausplatz ist dicht belegt. Kellner eilen von Tisch zu Tisch. Die Sonne scheint senkrecht. Es wird geplaudert, getrunken, gegessen und geraucht. Ein ganz normaler Mittwochmittag. Trotzdem ist nicht alles wie sonst. Denn: Seit gestern gilt in Berner Bars und Restaurants ein Rauchverbot. Nur in Fumoirs und draussen ist rauchen noch erlaubt.

Trotzdem ist es wohl hauptsächlich dem schönen Wetter zuzuschreiben, dass sich drinnen, in der Gaststube des "Pyris", nur drei Gäste aufhalten. Obwohl sie alle Raucher sind, trinken sie ihre Stangen wie gewohnt an der Bar. Zum Rauchen verziehen sie sich jeweils nach draussen. "Alles halb so dramatisch", findet Hannes, der nur mit Vornamen genannt sein möchte, und nimmt noch einen Schluck Bier. Er sei oft auf Reisen gewesen und habe im Ausland bereits Erfahrungen mit Rauchverboten gemacht. Man gewöhne sich daran - sagt er und ist gleichzeitig im Begriff, sich eine Zigarette anzuzünden. "Achtung!", ruft sein Kollege. Hannes fasst sich an den Kopf, schmunzelt und versorgt die Zigarette wieder im Päckchen.

Strandkörbe gegen die Kälte

Auch Martin Hofer, stellvertretender Geschäftsführer des Restaurants Diagonal an der Amthausgasse, hat gestern Ähnliches erlebt. So habe sich beispielsweise ein Gast aus Gewohnheit zum Kaffee eine Zigarette angezündet und ein anderer habe nach einem Aschenbecher gefragt. Aber abgesehen davon, sei es zu keinen Zwischenfällen gekommen. "Viele unserer Gäste arbeiten bei Bundesämtern und haben sich wegen des Rauchverbots in Verwaltungsgebäuden ans Nichtrauchen gewöhnt."

Hofer schätzt sich aber glücklich, kann er seinen Gästen eine Terrasse bieten, denn ein Fumoir käme im "Diagonal" raumtechnisch nicht infrage. Wie es allerdings weitergeht, wenn die Sonne nicht mehr nach draussen lockt, das sei noch unklar. Er kann sich aber vorstellen, nordische Strandkörbe anzuschaffen, wo sich Raucher, in Wolldecken eingewickelt, darin verkriechen und der Kälte trotzen können.

Kein Geschmier an den Fenstern

Nachmittag vor der Bar Lirum Larum an der Kramgasse: Im Schatten der Lauben wird Kaffee getrunken und Zeitung gelesen. Ab und zu zündet sich jemand eine Zigarette an. Es ist ruhig. Das wird sich aber ändern. Dann nämlich, wenn die Leute von der Arbeit kommen und sich hier zum Apéro treffen. Beim Feierabendbier wird bekanntlich besonders gerne zum Glimmstängel gegriffen. Noch macht sich die stellvertretende Geschäftsführerin, Corinne Henchoz, keine Sorgen wegen der Durchsetzung des Rauchverbots. Draussen stehen zahlreiche Schemel für die Gäste bereit. "Solange es warm bleibt, sehe ich keine Probleme", sagt sie.

Für sich als Angestellte sieht Henchoz mehrere Vorteile, die das Rauchverbot mit sich bringt. Zum Beispiel kein Geschmier von Rauchablagerungen an den Fenstern mehr und "dass die Luft reiner ist, dass merke ich schon heute, am ersten Tag", sagt sie.

Gespräche unterbrechen

Nur minimale Sitzgelegenheiten kann hingegen die Cinebar beim Bollwerk ihren Gästen draussen bieten. Platz für ein Fumoir besteht nicht. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass um halb sechs bereits alle Tische besetzt sind. Drinnen sitzen nur drei Gäste. Eine davon ist Priscilla Dietschi. Sie findet es ungemütlich, dass sie hier ab jetzt auf das Rauchen verzichten muss. "Rauchen ist für mich ein Ritual", sagt sie. Wenn sie mit anderen gemeinsam etwas trinke gehe, gehöre das Rauchen einfach dazu. Ein Gespräch zu unterbrechen, weil sie ihre Zigarette draussen rauchen müsse, gehe nicht an. Letzte Station: die "3 Eidgenossen" an der Rathausgasse. Eine Bar, in der die Aschenbecher normalerweise überquellen. Doch auch hier hat es sich ausgequalmt - wenn auch nicht ganz. Im oberen Stock befindet sich nämlich ein Fumoir. Die anwesenden Angestellten wagen allerdings zu bezweifeln, dass sich die Gäste nun fortan dorthin begeben werden. Schliesslich sind die Tische vor der Bar und mit Sicht auf den Eingang bei den Stammgästen am beliebtesten. Am ersten rauchfreien Beizentag ist das Nichtrauchen aber auch hier kein Thema. Alle sitzen draussen und qualmen munter weiter. Und sollte am späteren Abend drinnen trotzdem jemand versehentlich zur Zigarette greifen, steht auf der Bar ein Notfall-Aschenbecher bereit.

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BZ 2.7.09

Oberaargau

Rauchverbot

Die meisten Wirte warten zu

Seit gestern ist das Rauchverbot in Kraft. Erst wenige Beizen in der Region haben eine Bewilligung für ein Fumoir beantragt.

Ein Tag Rauchverbot - und die Welt dreht sich noch immer. Noch schlägt das kantonale Rauchverbot, von strengen Nichtrauchern sehnlichst erwartet und von passionierten Rauchern gefürchtet, keine grossen Wellen in der Region. Zu schön ist das Wetter, zu einladend sind die Gartenterrassen. Kaum einem scheint gross aufzufallen, dass drinnen die Aschenbecher von den Tischen und Bartheken verschwunden sind.

Entsprechend wenig Wirte haben sich denn auch schon heute um ein Fumoir gekümmert, in dem sie ihre rauchende Klientel auch bei schlechtem Wetter bewirten können - wenn die Grösse ihres Betriebs dies denn überhaupt zulässt. Martin Lerch, Statthalter des Amtes Aarwangen, hat erst 11 Bewilligungen erteilt. "Bei über 300 Betrieben keine überwältigende Zahl", sagt er. Und auch Martin Sommer, Statthalter des Amtes Wangen, hat erst 15 Gesuche bewilligt - ebenso viele, wie überhaupt eingereicht worden sind.

Das müsse aber nicht so bleiben, betont Martin Sommer. "Spätestens im Herbst, wenn die Gartenwirtschaften schliessen, rechnen wir mit einer Welle an Gesuchen."

Erst im Herbst reagieren will denn auch Jörg Koch, Wirt im Langenthaler "Gässli" und als passionierter Raucher wenig erfreut über das Rauchverbot. Zwar wäre sein Fumoir bereits bewilligt. Jetzt im Sommer sei es aber gar nicht nötig, sagt er.
khl

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Fumoirs

Hier darf weiter gepafft werden

Diese Lokale haben bereits eine Bewilligung für ein Fumoir: Aarwangen: Bären, Wilder Mann; Herzogenbuchsee: Bad, National; Huttwil: Troxy; Langenthal: Bebeto, Bäregg, Gässli, Hirschenbad, Pinocchio; Madiswil: Bahnhof, Rössli Saloon; Niederbipp: Donat's Mamma Mia, Eintracht; Niederönz: Linde; Oberbipp: Eintracht, Rössli; Obersteckholz: Andreanis; Riedtwil: Engel; Röthenbach: Chrump; Roggwil: Roggen; Wangen: Rendez-vous; Wanzwil: Insider Pub; Wiedlisbach: Andrea's Kafi Bar, Bad, Kronenkeller; Wolfisberg: Alpenblick. Bei weiteren Betrieben steht die Bewilligung noch aus.
khl

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Thuner Tagblatt 2.7.09

Rauchverbot

Wetter gab Starthilfe

Seit gestern darf in Restaurants und Bars nicht mehr geraucht werden. Die Umfrage dieser Zeitung zeigt: Der erste Tag verlief fast wie jeder andere. Bei den befragten Beizen in Thun gab es keine Reklamationen; die Kunden kamen und hielten sich ans Verbot. Der Hauptgrund dafür war das schöne Wetter. Die Umfrage zeigte auch, dass viele Wirte optimistisch sind.chk

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Thun: Erster Tag mit Rauchverbot, was sagen die Wirte?

Gutes Wetter gab Wirten Starthilfe

Jetzt gilt im ganzen Kanton Rauchverbot. Wegen des guten Wetters sind die Beizen aber auch so voll. Wie unsere Umfrage zeigt, sind viele Thuner Wirte optimistisch: Sie zählen auf Nichtraucher und die Gewohnheit des Menschen.

Die Umfrage begann mit einer Überraschung: "Ich hatte heute sogar mehr Gäste als üblich!", sagte Lea Maccarone vom Restaurant Trattoria Rimini strahlend. "Doch das war wohl eher Zufall." Sie erwarte nicht, dass wegen des Rauchverbots weniger Gäste kommen. "Ich könnte mir aber vorstellen, dass abends nur noch eine Runde Kaffee Grappa bestellt wird statt drei oder vier." Ein Fumoir sei aber kein Thema: "Zu teuer!"

Die Umfrage dieser Zeitung bei rund zehn Thuner Restaurants und Bars hat gezeigt: Der erste Tag mit Rauchverbot verlief ruhig. Bei den befragten Beizen gab es keine Reklamationen; die Kunden kamen und hielten sich ans Verbot. Der Hauptgrund dafür war das schöne und warme Wetter, das die Gäste geradezu zwang, draussen zu essen. Und dort darf bekanntlich noch geraucht werden.

Auch Martin Krieg vom "El Camino" sprach von einem normalen Tag. Jedoch musste er einen Raucher rausschicken: "Der Gast hatte das Verbot nicht auf der Rechnung und zückte eine Zigarette. Wir baten ihn, nach draussen zu gehen." Bis Herbst habe das Rauchverbot keinen grossen Einfluss aufs Geschäft. "Danach werden wir schauen, ob ein Fumoir nötig ist oder nicht. Ob wir eines bauen, hängt natürlich auch von den Kosten ab."

Auch im Restaurant Emmental ist der erste rauchfreie Tag spurlos vorübergegangen. "Der Zeitpunkt für Ihre Umfrage ist nicht gerade günstig", sagte die Angestellte Stefanie Preusse mit einem Zwinkern. "Alle Gäste sitzen draussen." Preusse rechnet damit, dass auf Herbst weniger Leute kommen als in vergangenen Jahren. Der Bau eines Fumoir sei aus baulichen Gründen nicht möglich.

Aufhören mit Rauchen

Gleich als Anlass, um selbst mit dem Rauchen aufzuhören, betrachtet Michel Perrin vom "Anthra" den 1.Juli. "Ich habe heute nicht geraucht und vorgenommen, weniger zu rauchen oder ganz aufzuhören." Dasselbe hätten auch Bekannte von ihm vor. Trotzdem schliesst Perrin nicht aus, auf Herbst ein Fumoir einzurichten. "Wer weiss, vielleicht haben sich die Gäste bis dann schon ans Verbot gewöhnt." Er glaube aber nicht, dass nun vermehrt Nichtraucher sein Lokal aufsuchen würden, wie einige angekündigt hätten.

Auch im Restaurant Beau-Rivage waren die Aussenplätze gestern Mittag gut belegt. Geschäftsführer Domenico Zaccaria sagte mit einem Lächeln: "Ich habe nix gespürt von Rauchverbot. Ist ja klar, bei diesem Wetter." Er sei optimistisch, was die kältere Jahreszeit betrifft, und hat deshalb auch kein Fumoir eingerichtet. Ob dieses noch kommt? "Mal schauen."

Hoffnung auf Nichtraucher

"Der Tag ist einschneidend für die Gastronomie. Aber gespürt haben wir ihn nicht", sagte Rudolf Rath, Vizedirektor des Hotel Restaurant Freienhof. Es habe keine Reklamationen gegeben. "Die Gäste akzeptieren das Verbot, es ist gut informiert worden." Das einzige kleine Problem sei gewesen, den ausländischen Kongressbesuchern klarzumachen, dass plötzlich nicht mehr geraucht werden darf. Trotz der Grösse des Restaurants ist im "Freienhof" kein Raucherstübli auf die kältere Saison geplant. Im Gegensatz zu Michel Perrin rechnet Rath damit, dass Nichtraucher, die bislang sein Lokal nicht besucht haben, von nun an kommen werden.

Die Stadt ist wachsam

Stadt und Polizei kontrollieren nun, ob sich Wirte und Gäste ans Rauchverbot halten. "Erst gibts eine Verwarnung, dann gibts Bussen", sagte Thuns Gewerbeinspektor Reto Keller. Gestern musste er noch keines von beiden verteilen. Raucher können mit 40 bis 2000 Franken gebüsst werden, Wirte mit 200 bis 20000 Franken. "Man merkt schnell, ob ein Wirt vorhat, sich ans Rauchverbot zu halten oder nicht."

Christoph Kummer

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Berner Oberländer 2.7.09

Rauchverbot

"Schwer zu verdauen"

Das Rauchverbot in den Gaststätten stösst im Oberland bei den Wirten auf wenig Verständnis, wird aber eingehalten.

Das Rauchverbot in den Lokalen stösst im Oberland bei den Wirten auf wenig Verständnis, wird aber eingehalten. "Es ist schwer zu verdauen, dass unsere Gäste nur noch im Freien rauchen dürfen", sagt Christine Meier vom "Rendez-Vous" in Grindelwald. Eines der wenigen Fumoirs im Oberland blieb gestern leer.
sum

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Seit gestern ist das Rauchverbot in Kraft - schon blieben die ersten gäste aus

Das Wetter spielt für die Wirte

Die allererste Umfrage bei Wirtsleuten im Oberland zeigt: Das Rauchverbot wird eingehalten. Das ist auch dem schönen Wetter zu verdanken. Doch die neue Weisung bereitet den Gastronomen von der ersten Stunde an Sorge.

Nun ist fertig mit Rauchschwaden in den Gaststuben. Seit gestern darf im Kanton Bern nur noch in speziell belüfteten Räumen, den Fumoirs, geraucht werden. Weil viele Restaurants im Berner Oberland dazu zu wenig Platz und finanzielle Mittel haben, herrscht in den meisten Restaurants ab sofort Rauchverbot. Die allerersten Erfahrungen zeigen, dass das Verbot zwar befolgt wird, aber auf wenig Liebe stösst.

Interlaken: Gäste fehlen

Bereits vor dem Mittag stellt Peter Steiner, Wirt vom "Bahnhof" Interlaken, fest: "Die ersten Stammgäste, die rauchen, sind nicht gekommen." Er hoffe zwar, dass es ein Zufall sei. Doch die Gäste hätten bereits im Voraus angekündigt, dann ihren Kaffee lieber daheim zu geniessen. Zudem habe er noch nie so viele Gäste bereits am Morgen auf der Terrasse gehabt wie am ersten Tag des Rauchverbotes. Mit einer Ausnahme sei es allen klar gewesen, dass die Gaststube nun qualmfrei sein müsse. Steiner vermutet, dass die Kontrolle wohl von extremen Nichtrauchern durchgeführt werde, die die Polizei alarmierten. "Denn die hat wohl kaum Zeit, sich auch noch um das zu kümmern und solche Patrouillen zu schieben."

Spiez: Wirds schwieriger?

In einem anderen Bahnhof, dem Bahnhofbuffet in Spiez, hat man gestern nichts davon gemerkt, dass Gäste wegen des Rauchverbotes ausgeblieben wären. "Sie waren darüber informiert, dass wir kein Fumoir haben, daher war das kein Problem", sagt Wirtin Esther Hari. Sie befürchtet jedoch, dass es schwieriger werden dürfte: "Wir haben die Wirtschaftskrise und nun auch noch das Rauchverbot." Am Tag eins des Verbotes war es auch im Bistro Fukeneh am Kronenplatz ruhig. "Wir hatten keinen Gast, der versuchte, im Lokal eine Zigarette anzuzünden", sagt Betreiber Marco John. Wie im Bahnhofbuffet nahmen die Rauchenden auf der Terrasse Platz. Gespannt ist John, wie sich die Situation in seinem zweiten Betrieb, dem Fukeneh Pub am Lötschbergplatz, präsentieren wird. "Ich glaube, dass die Leute das neue Gesetz einhalten. Sie müssen es, da ich als Betreiber ansonsten Probleme haben werde."

G'wald: Schwer verdaulich

Christine Meier ist die Wirtin vom Restaurant Rendez-vous im Dorfzentrum von Grindelwald. "Wir haben keine Reaktionen gehabt, aber an unserem Stammtisch sitzt am Morgen kaum jemand mit einer Zigarette." Gestern rauchten die Gäste denn auch unaufgefordert im Freien. "Aber es ist auch schönes Wetter und warm. Das Verbot wird wohl erst dann ein Problem, wenn es kalt und wüst wird", glaubt Meier. Sie selber sei Nichtraucherin, erkenne den Sinn des neuen Gesetzes aber nicht. "Wir hatten eine rauchfreie Zone im Restaurant. Das hat immer sehr gut geklappt, es gab nie Reklamationen." Dass dieses Verbot ausgerechnet in einer Zeit eingeführt werde, die für die Gastronomie ohnehin eine spezielle Herausforderung sei, "ist schwer zu verdauen", sagt die Wirtin.

Kandergrund: Fumoir leer

Als einer der wenigen Oberländer Betriebe bietet der Gasthof Altels in Kandergrund den Gästen seit gestern ein Fumoir an. Im Wäschhüsi gibt es rund 20 Plätze mit der Lizenz zum Rauchen. "Ich habe die Leute auf das Fumoir hingewiesen, doch wegen des schönen Wetters machte noch niemand von diesem Gebrauch", sagt Georges Ryter. Er führt die an der Hauptstrasse gelegene "Altels" mit seinem Sohn Roland. Dank des Fumoirs sieht er den Betrieb für jene Zeit gewappnet, wenn das Wetter wieder trister und die Temperatur tiefer ist.

Meiringen: Riesenthema

In Meiringen hat "Baer"-Wirt Christoph Schneider die ersten Erfahrungen mit dem Verbot gemacht: "Es ist ein Riesenthema." Interessant werde es, wenn am Abend der Stammtisch zusammen komme "und wenn das Wetter schlecht wird". Bisher habe er die Gäste auf die neue Regel nicht aufmerksam machen müssen. "Doch es wird interessant, wenn ein Gast nach 22 Uhr hier sitzt und sich weigert, die Zigarette auszumachen oder das Lokal zu verlassen. Ich bin gespannt, wie lange es dann dauert, bis die Polizei da ist und uns hilft", sagt Schneider.

Susanna Michel  Jürg Spielmann

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ANTIFA BRD
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Indymedia 1.7.09

Einen Rap für Thomas Schulz, "Schmuddel" ::

AutorIn : Azzoncao. ein Polit-Cafè: http://www.nadir.org/azzoncao     

Der im März 2005 ermordete antifaschistische Thomas Schulz. "iceclimber&Niemand", zwei Antifas aus der Antifaschistischen Jugend Bochum (AJB), haben einen Rap für den 2005 ermordeten Punk Thomas Schulz ins Internet gestellt.
Auf  http://www.myspace.com/iceclimberniemand ist ein MP3-Version des Liedes und ein selbstgedrehtes Video zu finden.     

Der Song ist in den Zusammenhang mit der Aktion "Nazis aus den Takt bringen" ( http://www.nazisausdemtaktbringen.de) auf myspace gestellt worden.
Diese Aktion verschiedener bürgerlicher Organisationen, von der SPD über den DGB, bis hin zur AWO und dem Zentralrat der Juden Deutschlands, sammelt MusikerInnen gegen Rechts auf ihrer site:  http://www.myspace.com/nazisausdemtaktbringen.
Am Ende der Aktion soll eine CD-Produktion mit verschiedenen Bands gegen Rechts und ein Konzert stehen.
Um die Hintergründe des faschistischen Mordes an Thomas Schulz und die Situation in Dortmund bekannter zu machen, haben sich "iceclimber&Niemand", die AJB und Azzoncao zur Teilnahme an der Aktion entschlossen.

Wenn Ihr zum Bekanntheitsgrad des Liedes, des Videos und somit der politischen Inhalte beitragen wollt, so macht die site  http://www.myspace.com/iceclimberniemand bekannt.
Bitte klickt zwischen dem 3. und 10. Juli die site an. Denn dann wird innerhalb dieses Wettbewerbs gevotet. Eine hohe Frequenz an Klicks verspricht auch innerhalb dieses Wettbewerbs und der dortigen politischen Strukturen mehr wahrgenommen zu werden.
Danke.

Antifaschistische Jugend Bochum, AJB
Azzoncao, ein Polit-Cafè

Bochum, 1.Juli 2009

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GIPFEL-SOLI-NEWS 3.7.09
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gipfelsoli.org/Newsletter 3.7.09

3.7.2009 L'Aquila -- Genua -- Strasbourg/ Baden-Baden

- G8 2009, aus Rom, mit Blick nach L' Aquila und die Welt
- Zu den Mobilisierungstagen gegen den G8
- Anarchisten planten Anschlag auf Bahnlinie
- G8-Gipfel mit Drohnen und Datenbanken gesichert
- "Keine Demonstration auf dem Viale Ferrarin"
- LEGAL ASSISTANCE FOR THE G8
- Border assistance
- Terrorismus: Ermittlungsverfahren zu den neuen Roten Brigaden - Untersuchungsgericht in Rom bestätigt die Verhaftung von dreien
- Späte Nachwehen des G-8-Gipfels von Genua
- Bundespolizei half bei Willkür gegen Nato-Gegner
- Stockholm Programm: Überwachung und Kontrolle
Mehr: http://www.gipfelsoli.org/Newsletter/7394.html