MEDIENSPIEGEL 6.7.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Anti-Rep-Demo Biel
- Anti-Rep-Demo Zürich
- Squat Zug
- Rundschau Rauchverbot BE
- Neu: Betteldrama Season 2009 auch in Thun
- Sempach: Juso Schweiz schreibt Regierungsrat LU
- Neonazi-BBQ: keine Nazis in Schönenwerd
- NZZ-Leserbrief zu Homohass-Songs
- Big Brother: Videoüberwachung; Datenschutz
- Hooligangrippe: Schnellgerichte; Internetpranger; England-Reisli
- Ausstellung "Vom Polizeigriff zum Übergriff"
- Anti-Atom: CH-Uran - Entsorgung in Russland
- Gipfel-Soli-News 6.7.09
- G8 L'Aquila 6.7.09: Indy-Feature
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REITSCHULE
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Mi 08.07.09
19.00 Uhr - SousLePont - Schottland
Spezialitäten
Do 09.07.09
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter
Special - DJ Dunch, DJ FRATZ, Janine, Mike & DJ ELfERich
22.00 Uhr - Rössli - DJ TELESTAR
- Anti-Folk
Fr 10.07.09
21.00 Uhr - Vorplatz - Batrider (NZ)
- Some kind of Grunge
Sa 11.07.09
21.00 Uhr - Vorplatz - DJ Lazerlight
Lepra (BE)
So 12.07.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ@Vorplatz
21.00 Uhr - Dachstock - Isis (USA/Ipecac/Hydrahead).
Support: Destruc-to Swarmbots
(USA)
Infos: www.reitschule.ch
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ANTI-REP-DEMO BIEL
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BZ 6.7.09
Demo der Linken
Am Samstagnachmittag trafen sich gegen hundert Personen zu einer
Demonstration in Biel. Sie verlief ohne Zwischenfälle. Zur Demo
gerufen hatte die Bieler Aktive linke Szene. Eine Interessengruppe, die
sich Ende März zusammengetan hatte. Grund für die Demo war
die DNA-Entnahme an den Hausbesetzern "Familie von Allmen" durch die
Kantonspolizei. Den Tross begleiteten Gemeinderätin Barbara
Schwickert, Sicherheitsdelegierte André Glauser und 70
Polizisten. Die Demonstration war angemeldet und bewilligt worden.
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bernerzeitung.ch 4.7.09
Proteste gegen Polizeigewalt
Rund hundert Menschen haben am Samstag in Biel gegen Polizeigewalt
protestiert. Sie zogen mit dem Slogan "le contrôle c'est pas
drôle" durch die Innenstadt.
Die Demonstranten aus der alternativen Szene setzten sich vor allem
gegen DNA-Proben zur Wehr, welche die Polizei bei der Räumung
eines Hauses bei Hausbesetzern durchgeführt hatte.
Mit dem Slogan "le contrôle c'est pas drôle" prangerten sie
den neuen Trend zur Fichierung der Bevölkerung an. Die bewilligte
Demonstration verlief friedlich. Der Protestzug verweilte einige
Minuten vor einem Gebäude der Berner Kantonspolizei, das mit
Metallgittern gesichert worden war. (zes/sda)
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ANTI-REP-DEMO ZÜRICH
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NZZ 6.7.09
Festnahmen nach schweren Ausschreitungen
Unbewilligte Kundgebung in der Nähe des Caliente-Festivals
bai. Die Situation am Helvetiaplatz am Samstagabend ist ohnehin
schon unübersichtlich gewesen. Tausende Besucher tummelten sich am
Caliente-Festival. Zu einer Zeit, als das Festival seinen
Besucher-Höhepunkt erreicht hatte, kam es in der Nähe des
Latino-Festivals aufgrund einer unbewilligten Demonstration zu
Ausschreitungen. Der Sachschaden beträgt mehrere hunderttausend
Franken. Ein Polizist wurde durch herumfliegende Glassplitter leicht
verletzt.
Nach Polizeiangaben versammelten sich kurz nach 21 Uhr rund 70
vermummte Personen, die der linksautonomen Szene zuzuordnen sind, am
Helvetiaplatz an der Ecke Langstrasse/Stauffacherstrasse. Die Chaoten
waren einem Internet- und Flugblatt-Aufruf gefolgt, gegen den
Polizeieinsatz vom vergangenen 30. Mai in Biel zu demonstrieren. Es
hiess, ein 17-Jähriger sei damals auf der Flucht vor der Polizei
von einem Zug erfasst worden und ums Leben gekommen. In Biel fand am
Samstag eine ähnliche Demonstration statt, bei der es ebenfalls zu
Ausschreitungen kam. Für die Stadtpolizei bedeutete dies laut
einem Sprecher eine Herausforderung, da zur gleichen Zeit das Festival
am Helvetiaplatz in vollem Gange war. Daher war man mit einem
Grossaufgebot vor Ort. Die Kundgebung zog von der Stauffacherstrasse in
die Feldstrasse und Ankerstrasse bis an die Weststrasse. Die
Krawallanten beschädigten diverse Gebäude, indem sie Steine
und Farbbeutel gegen Fassaden und Fenster warfen. Insbesondere der
Securitas-Bau an der Kalkbreitestrasse wurde massiv beschädigt,
aber auch das Amt für Justizvollzug an der Feldstrasse, die
Polizeiwache in Wiedikon, eine UBS-Filiale, eine weitere Bank, das
Geschäft eines Velohändlers sowie eine Schneiderei.
Darüber hinaus wurden drei Fahrzeuge in Brand gesteckt, zwei
brannten vollständig aus. Die Polizei löste die Demonstration
mit einem kurzen Gummischroteinsatz auf. Gegen 22 Uhr beruhigte sich
die Lage wieder. Während der Ausschreitungen wurden sieben
Personen festgenommen, im Laufe der Nacht drei weitere.
Die Inhaftierten, unter ihnen zwei Frauen und acht Männer,
stammen aus der Schweiz, Österreich, Litauen und den USA. Sie sind
zwischen 14 und 32 Jahre alt. Acht Personen wurden bis am Sonntagmorgen
wieder auf freien Fuss gesetzt. Zwei Schweizer Männer im Alter von
18 und 19 Jahren werden der Zürcher Staatsanwaltschaft
zugeführt.
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20min.ch 6.7.09
Französische Verhältnisse in Zürich
Autos angezündet: Racheakt an Polizei
Stimmung wie in den Banlieues von Paris dieses Wochenende in
Zürich: 70 Vermummte zerstören wahllos Autos, einige gehen in
Flammen auf. Das Motiv: Rache für einen verstorbenen Jungen, der
angeblich auf der Flucht vor der Polizei unter einen Zug geraten ist
und starb.
Am Samstagabend versammelten sich kurz nach 21 Uhr 70 vermummte
Personen an der Verzweigung Stauffacherstrasse/Langstrasse. Sie zogen
Richtung Weststrasse und hinterliessen auf ihrem Zug durch mehrere
Strassen ihre Spuren. Schaufenster wurden eingeschlagen, Fahrzeuge
angezündet, Fassaden beschmiert. Die Aggressionen richteten sich
offenbar gegen die Polizei, wie Radio 24 am Sonntag berichtet.
Die Demonstranten hatten im Internet zu der unbewilligten Kundgebung
unter dem Motto "Fuck The Police" aufgerufen. Auf einem Flyer
begründen sie ihre Wut auf die Polizei mit dem Tod eines
Jugendlichen in Biel Ende Mai dieses Jahres: "Am 30. Mai 2009 wagten es
drei Jugendliche in Biel, den Mut zu haben, sich einer Polizeikontrolle
zu verweigern und ergriffen die Flucht. In der Hektik wurde einer von
ihnen von einem Zug erfasst und starb. [...] Wie viel braucht es, um
unsere Wut zu wecken? [...] Wir haben genug davon [...] Wir wollen uns
wehren und die Wut, die wir so lange angestaut haben, aus uns
herauslassen."
Ihre Rage liessen die Vandalen in Zürich aus. Drei Fahrzeuge
wurden in Brand gesteckt, teilt die Stadtpolizei Zürich mit.
Weiters kam es zu erheblichen Sachbeschädigungen. Die
Demonstranten warfen Steine auf Fahrzeuge und Farbbeutel an
Gebäude. Die Polizei reagierte mit Gummischrott. Gegen 22.00 Uhr
beruhigte sich die Situation wieder. Die Polizei nahm sieben Personen
zwischen 14 und 32 Jahren fest. Wie hoch der Sachschaden ist, kann
nicht beziffert werden. Die Krawallmacher ordnet die Polizei der
linksautonomen Szene zu.
--
Flyer: http://www.20min.ch/images/content/2/9/2/29222898/21/1.jpg
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tagesanzeiger.ch 5.7.09
Chaoten wüten im Kreis Cheib
In Zürich ist es am Samstagabend während einer unbewilligten
Kundgebung linksautonomer Aktivisten zu schweren Ausschreitungen
gekommen. Bilanz: Hoher Sachschaden und zehn Festnahmen.
Rund 70 vermummte Personen hatten sich kurz nach 21 Uhr an der
Verzweigung Stauffacherstrasse/Langstrasse versammelt und zogen von
dort in Richtung Zürich-Wiedikon, wie die Stadtpolizei mitteilte.
Auf ihrem Weg warfen sie Steine und Farbbeutel gegen verschiedene
Amtsgebäude, darunter das Amt für Justizvollzug sowie eine
Polizeiwache. Ferner wurden zwei Bankfilialen, ein
Securitasgebäude und ein Fahrradgeschäft in Mitleidenschaft
gezogen, wie ein Polizeisprecher am Sonntag auf Anfrage sagte.
Zudem beschädigten die Chaoten offenbar wahllos Fahrzeuge, drei
davon zündeten sie an. Zwei Autos brannten vollständig aus.
Laut Polizeisprecher dürften die Sachschäden Hunderttausende
von Franken ausmachen
Die Polizei löste die Kundgebung mit Gummischrot auf. Gegen 22 Uhr
beruhigte sich die Lage, heisst es in der Mitteilung weiter. Ein
Polizist wurde beim Einsatz durch Glassplitter leicht verletzt.
Die Festgenommenen, zwei Frauen und acht Männer, stammen aus der
Schweiz, Österreich, Litauen und den USA. Sie sind zwischen 14 und
32 Jahre alt. Acht Personen wurden bis am Sonntagmorgen wieder auf
freien Fuss gesetzt. Zwei junge Männer werden laut Polizei der
Zürcher Staatsanwaltschaft zugeführt (mbr/sda)
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20min.ch 5.7.09
Ausschreitungen
Gewalt an Demo gegen Polizeigewalt
Brennende Autos, beschädigte Geschäfte und Gummischrot. In
Zürich ist es am Samstagabend während einer unbewilligten
Kundgebung linksautonomer Aktivisten zu schweren Ausschreitungen
gekommen. Die Polizei nahm sieben Personen fest.
Rund 70 vermummte Personen versammelten sich kurz nach 21 Uhr zu der
unbewilligten Demonstration an der Verzweigung
Stauffacherstrasse/Langstrasse. Sie zogen dann durch mehrere Strassen
bis an die Weststrasse und beschädigten dabei Gebäude und
Fahrzeuge, wie die Stadtpolizei Zürich mitteilte.
Die Polizei löste die Kundgebung mit Gummischrot auf. Gegen 22 Uhr
habe sich die Lage beruhigt, hiess es weiter. Die festgenommenen
Personen seien zwischen 14 und 32 Jahre alt. Ein Polizist sei bei dem
Einsatz durch Glassplitter leicht verletzt worden.
Die Kundgebung richtete sich gegen den Polizeieinsatz vom vergangenen
30. Mai in Biel, wie es auf einem Flugblatt heisst. Damals war ein
17-Jähriger auf der Flucht vor der Polizei von einem Zug erfasst
und getötet worden.
(sda/ap)
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SQUAT ZUG
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20min.ch 6.7.09
Räumung
Zuger Polizei verhaftet Hausbesetzer
Die Zuger Polizei hat in Zug ein besetztes Haus geräumt und sechs
Personen vorübergehend festgenommen. Der Eigentümer hatte
Strafanzeige eingereicht.
Die Besetzer waren laut Polizeiangaben am Samstag gewaltsam in die
leerstehende Liegenschaft an der Albisstrasse eingedrungen. Der
Hauseigentümer gewährte diesen darauf ein Bleiberecht bis
Sonntagabend.
Da die Besetzer das Haus jedoch nicht rechtzeitig verlassen hatten,
stürmte die Polizei am Montag die Liegenschaft. Bei den
Festgenommenen handelt es sich um 18- bis 39-jährige Schweizer aus
dem Kanton Zug. Sie wurden verzeigt und werden allenfalls wegen
Sachbeschädigungen belangt.
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Zentralschweiz am Sonntag 5.7.09
Hausbesetzer erneut aktiv
uc. Erneute Hausbesetzung im Kanton Zug: Am Freitagabend hat die Gruppe
"Aktiv Wohnen" das leer stehende Haus an der Albisstrasse 5 in Zug
besiedelt. Das Areal, auf dem der Bau steht, gehört gemäss
einem Schreiben der Besetzer der Bentom AG. Die Firma ist auf dem
Immobilienmarkt tätig (Sanierung, Verwaltung, Kauf und Verkauf von
Immobilien). Die Bentom AG kümmert sich um den Verkauf des
Geschäfts- und Wohnzentrums Grafenau Süd gleich neben dem
Bahnhof. In unmittelbarer Nähe befindet sich das besetzte Haus.
Keine Auskunft der Polizei
Der Geschäftsführer der Bentom AG war gestern nicht zu
erreichen, auch die Zuger Polizei gab noch keine Auskünfte zur
Hausbesetzung. Die Gruppe "Aktives Wohnen" möchte das Haus gerne
als Wohnraum sowie für kleine Kunst- und Kulturprojekte
zwischennutzen. Die Gruppe hatte erst am 29. Mai ein Haus an der
Bleichistrasse 12 in Zug besetzt.
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RAUCHVERBOT
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BZ 6.7.09
Rauchverbot in Bern
Statt Rauch duftet jetzt Parfüm
Auch in den Nachtclubs darf nicht mehr gequalmt werden. Das Partyvolk
in Bern hält sich an die Vorschriften. Die Barbetreiber indes
suchen nach Lösungen für ihre Fumoirs. Ein Ausgang im
rauchfreien Berner Nachtleben.
Aarbergergasse, kurz vor Mitternacht. Lärm brandet von der
Ausgehmeile Richtung Waisenhausplatz. Die Beizen sind gut besetzt,
trotz des Platzregens, der ein paar Stunden zuvor niedergegangen ist.
Die Restaurants selbst, sei es das "Nord Süd", der "Propeller"
oder das "Divino", sind fast leer. Vor vielen Lokalen ist ein Stehtisch
oder ein grosser Aschenbecher sichtbares Zeichen des Rauchverbots, das
seit Anfang Juli in öffentlichen Räumen gilt.
Ein ewiges Hin und Her
"Wir dürfen das Rauchen aus gesetzlichen Gründen nicht mehr
erlauben", verkündet ein Anschlag vor dem Club Bonsoir. Der
Sicherheitsmann am Eingang sagt: "Die Leute halten sich ans Verbot, es
ist aber ein ewiges Hin und Her, seit die Raucher hinausmüssen."
Statt des üblichen Nachtclubmiefs riecht es im Club wie frisch
geputzt.
Caro Steinegger, die Bardame und selber Raucherin, sagt: "Ich finde das
Verbot nicht gut." Sorgen machen ihr vor allem die Düfte, die
entstehen könnten, "wenn es hier abgeht und alle schwitzen". Und:
"Dass wir auch nach Betriebsschluss nicht rauchen dürfen, finde
ich ärgerlich." Immerhin bilanziert sie: "Ich selber rauche
weniger." Die "Stinkzone", dort, wo die Raucher aus Hot-Shot Bar,
"Divino", Bonsoir und Samurai aufeinandertreffen, macht ihrem Namen
alle Ehre. Hier wird gequalmt, was das Zeug hält.
"Viktorianische Tendenz"
Dänu Mosimann (24) sitzt mit Freunden an einem Tisch in der Laube.
"Ich finde es gewöhnungsbedürftig", sagt er. "Ein Bier und
eine Zigi, das hat zusammengehört. Aber es geht auch ohne."
Früher seien es die Rassisten gewesen, jetzt kämen die
Raucher an die Kasse, "und irgendwann sind die Übergewichtigen
dran". So umschreibt er die "viktorianische Tendenz" des Staates, den
Menschen mehr und mehr Vorschriften zu machen.
Holz, Kerzen - und Parfüms
Von Revolte dagegen ist allerdings nichts zu spüren. Egal, welches
Lokal man aufsucht. Drinnen-Qualmen ist vorbei, sei es im El
Presidente, in der Cuba Bar oder in der Pery Bar. Der Rauch ist weg,
dafür streichen einem die beizenspezifischen Düfte in die
Nase. Hier in der "Pery" riecht es nach altem Holz und Kerzen, ab und
an zieht eine Schöne eine Parfümspur hinter sich her.
Für die Nase ist das eine spannende Sache.
"Das Rauchverbot ist nichts anderes als Gesundheitsfaschismus",
ereifert sich Barmann Michael Mathys. Der Staat mische sich ein, wo er
nichts verloren habe: "In die Gewerbefreiheit und das Recht jedes
Einzelnen zu rauchen." Früher sei er um diese Zeit "im Seich"
gewesen, jetzt ist die Bar praktisch leer.
"Pery"-Besitzer Vincent von Wattenwyl nimmts gelassener als sein
Barmann. "Ich finde, wir sollten nach vorne schauen", sagt er. Er werde
eine Lösung für die Raucher finden.
Die hat auch Thomas Wingeier vom Club Samurai schon. "Ich lasse ein
Fumoir einbauen", sagt er. Das koste ihn rund 20000 Franken. "Die
bezahlt mir niemand." Bis dahin heisse es für die Gäste:
hinausgehen zum Rauchen. "Sie halten sich lieb ans Verbot", sagt der
Geschäftsführer der Bar. Er finde das Verbot aber blöd,
"das Gläuf andauernd". Ausserdem erwarte er Umsatzeinbussen, "weil
die Leute etwa eine Stunde später ins Lokal kommen". Die meisten
würden draussen bleiben, so lange es geht. Stimmt. In der
Aarbergergasse wimmelt es von Partyvolk. Der Lärmpegel um halb
drei Uhr morgens ist entsprechend. Die Polizei markiert
Dauerpräsenz. Einer der Beamten sagt: "Wir stellen keinen
Unterschied fest zu anderen Nächten vor der Einführung des
Rauchverbots."
Peter Camenzind
--
Keine Anzeigen
Raucher rauchen nicht
Laut Auskunft des Mediendienstes der Kantonspolizei ist seit dem
Rauchverbot am 1.Juli bis zum gestrigen Sonntag keine Anzeige wegen
Übertretung des neues Gesetzes eingegangen. Auch bei der
Gewerbepolizei ist (laut deren Leiter Marc Heeb) bisher keine Anzeige
eingegangen. Die Gewerbepolizei schreitet dann ein, wenn ein Wirt das
Rauchen in seinem Lokal duldet oder gar dazu animiert. Fehlbare
können mit einer Busse von bis zu 20000 Franken bestraft werden.
Wird ein Gast angezeigt, der verbotenermassen in einem geschlossenen
Raum raucht, ist nicht die Gewerbe-, sondern die Kantonspolizei
zuständig. Die Bussen für Raucherinnen und Raucher bewegen
sich zwischen 40 und 2000 Franken.
sru
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Thuner Tagblatt 6.7.09
Rauchfreie Beizen und mehr Lärm
Das Rauchverbot wurde am ersten Wochenende nach der Einführung
eingehalten. Dafür gab es in Thun mehr Lärm.
Eine Umfrage bei Thuner Gastronomen am Wochenende hat ergeben, dass
sich die Gäste ans Rauchverbot im Grossen und Ganzen halten. Ab
und zu komme es vor, dass sich ein Besucher aus Reflex und in
alkoholisiertem Zustand eine Zigarette anzünde; dieser werde aber
vor die Tür gebeten, sagte Andreas Schäublin,
Geschäftsführer der Café Bar Mokka.
Viele Rauchergruppen, die sich am Wochenende vor den Thuner Beizen
aufhielten, sorgten für Lärm. Nach Angaben der Kantonspolizei
gingen mehr Anrufe wegen Lärmbelästigung ein. Dabei habe es
sich hauptsächlich um simple Gespräche vor der
Eingangstüre gehandelt, wie man bei der Einsatzzentrale Thun der
Kantonspolizei mitteilte.
Das "El Camino" am Mühleplatz schloss am Freitag und Samstag
frühzeitig, um wegen der Raucher keinen Ärger mit dem
Regierungsstatthalteramt zu riskieren. Beim "The Rock" tauchte die
Polizei am Freitag wegen Ruhestörung auf.
pku
Seite 21
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Rauchverbot: Umfrage in Thuner Gastronomiebetrieben
Kein Qualm, aber mehr Lärm
Am ersten Wochenende seit dem Rauchverbot hat sich gezeigt: Die
Gäste halten sich ans Rauchverbot. Lärm- und Abfallbelastung
haben aber zugenommen. Das ergab eine Umfrage in vier Thuner
Gastronomiebetrieben.
"Ja, die Leute halten sich an die neue Regelung." Nein, mehr
Zechpreller gebe es nicht, da man immer sofort einkassiere. Und ja, das
Lärm- und Abfallproblem habe mit dem Rauchverbot zugenommen, sagt
Wirt Cyrill Jenni vom Thuner Musikokal The Rock am Samstagabend auf
Anfrage: "Am Freitag war die Polizei aufgrund einer
Lärm-Beschwerde hier und ich warte nur darauf, dass sie heute
wieder anrückt, weil die Raucher alle vor der Tür stehen."
Und Jenni schiebt nach: "Ich habe heute morgen in einem Umkreis von 30
bis 40 Metern Zigarettenstummel, leere Flaschen und Zigarettenpackungen
eingesammelt; zuvor hat sich das Littering auf den Bereich vor dem
Eingang beschränkt." Zudem werde draussen mehr uriniert. Und die
Schweissausdünstungen drinnen seien unangenehm. Was den
Besucherandrang angehe, blieben die Leute weniger lange an der Bar und
die Disco laufe schlechter.
"Höre nicht auf"
Ein Streifzug durch Thun am Samstagabend zeigt: Vor vielen Beizen
stehen, wie vor dem "The Rock", Rauchergruppen. "Das Rauchverbot bewegt
mich nicht zum Aufhören", sagt Besucher Philippe Jost aus
Münsingen, der mit zirka 20 Raucherinnen und Rauchern am
Samstagabend vor dem Eingang des Gestrobetriebs steht. Er findet die
neue Regelung in Beizen und Pubs "einen Blödsinn". Seine Freundin,
eine Ex-Raucherin, widerspricht ihm allerdings: "Meine Kleider stinken
nach dem Ausgang nicht mehr so "grusig" und meine Lunge schmerzt nicht
mehr."
Fumoir bewährt sich
Weniger Qualmer als vor dem "The Rock" stehen vor dem Funkhouse auf dem
Rathausplatz, denn das Lokal hat im hinteren Bereich ein 53
Quadratmeter grosses Fumoir eingerichtet. "Vor einer Woche um dieselbe
Zeit war viel mehr los" ärgert sich Wirtin Jeanette Hänni,
"die Nichtraucher kommen nicht in Scharen." Das Fumoir sei am Freitag
proppenvoll gewesen. Nach Mitternacht bitte sie die Gäste, lieber
im Fumoir zu rauchen und nicht mehr vor der Tür zu stehen. Zudem
gebe es mehr Durchgangsverkehr und sie wisse nicht mehr, wann sie
abräumen könne, weil die Leute allenthalben zum Qualmen
verschwänden.
Früher zu wegen Lärm
"Wir haben am Freitag präventiv bereits um halb eins geschlossen,
weil wir wegen des Lärms keinen bösen Brief vom
Regierungsstatthalter in Kauf nehmen wollten", sagt Martin Krieg,
Geschäftsführer des El Camino am Mühleplatz,
angesprochen auf die vielen Raucherinnen und Raucher auf dem Vorplatz.
"Die Gäste halten sich ans Rauchverbot." Drinnen sitzt einsam eine
Gruppe Jugendlicher. "Ich bin zwar Raucher, finde das Rauchverbot aber
gut für die Gesundheit", sagt Stefan Gafner aus Schwendibach. Vor
der Tür steht Raucherin Ann Janes, die findet, dass das Verbot die
Wirte bevormunde.
Auch am Samstag schloss das El Camino wiederum früher, wie sich
nach einem späteren Rundgang um 1 Uhr herausstellte.
Im Mokka, wo bereits seit der Sommerumstellung am 24. Juni das
Rauchverbot gilt, halten sich die Gäste ebenfalls ans Gesetz: "Die
Gäste sind sich dessen bewusst, weil viel darüber geredet und
geschrieben wurde. Aber ab und zu steckt sich dennoch einer reflexhaft
und unter Alkoholeinfluss eine an. Dann schicken wir ihn vor die
Tür", sagt Geschäftsführer Andreas Schäublin. Auch
beim Personal müsse nun ein Umdenken stattfinden. Wie sich das
Verbot auf die Besucherzahlen auswirke, lasse sich erst im Winter
feststellen.
Pascal Kupper
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Kantonspolizei
Keine Einsätze in den Beizen
Am ersten Wochenende seit dem Rauchverbot am 1. Juli sei es zu
"erstaunlich wenig" Einsätzen gekommen , teilte ein Sprecher der
Kantonspolizei gestern auf Anfrage mit. In den Gastrobetrieben habe es
keine Einsätze gegeben. "Es sind aber erwartungsgemäss mehr
Anrufe wegen Lärmbelästigung eingegangen", so der Sprecher.
Es sei jedoch relativ, was als Lärm empfunden werde: So habe es
sich vor allem um kleine Raucher-Gruppen gehandelt, die spätabends
normal vor den Lokalen miteinander geredet hätten. Dies sei von
Anwohnern als belästigend empfunden worden.
pku
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Berner Oberländer 6.7.09
Rauchverbot: erste Bilanz
Für die Gastwirte im Berner Oberland sind neue Zeiten angebrochen.
Die Gäste rauchen jetzt draussen oder in Fumoirs.
Von "juhui" bis "pfui" waren sämtliche Reaktionen zu hören,
fragte man am Wochenende Gastwirte und Gäste zum neuen Rauchverbot
in Lokalen. Der BO hat sich in sechs typischen Ausgangslokalen im
Oberland umgesehen und umgehört: In Gstaad stört es die
Gäste kaum, in Interlaken fühlen sie sich bevormundet und in
Grindelwald freut sich gar eine Wirtin über das neue Gesetz. Denn
seit dem 1.Juli sind im Kanton Bern die Bestimmungen zum Schutz vor
Passivrauchen in Kraft.flg
Seite 22
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Ärger über Bevormundung
Einige Raucher in Interlaken fühlen sich vom neuen Gesetz in ihrer
Privatsphäre eingeschränkt und bevormundet.
"Unter dem Rauchverbot leide ich sehr. Ich finde das biireweich",
erklärte Peter Wilk (48), Event-Techniker aus Interlaken, der bei
der Arbeit nun nicht mehr rauchen darf. Auch Allrounder Markus Koch
(42), Interlaken, lehnt das neue Gesetz ab. "Es geht doch hier um
Existenzen, gerade bei den kleinen Beizen. Ich hoffe, dass die Leute
dagegen mobil machen und auf die Barrikaden gehen", sagte Koch, der
seinen Zigarettenkonsum vorgängig bereits reduziert hat. Seit
Mittwoch müssen Wilk und Koch beim Besuch ihres Stammlokals
Goldener Anker zum Rauchen vor die Türe - ein Fumoir gibt es noch
nicht. Mit ihrer Einstellung stehen sie nicht alleine da. "Die Leute
regen sich extrem auf, sie fühlen sich in ihren Rechten
beschnitten. Das Rauchverbot ist Thema Nummer eins", sagte
Serviceangestellte und Nichtraucherin Stefanie Baumer (41) aus
Ringgenberg. Anker-Wirtin und Raucherin Jeannette Sutter-Ammann findet:
"Unangenehm ist, dass der Gesetzgeber in die Privatsphäre der
Bürger eingreift und ihre Freiheit einschränkt".
Monika Hartig
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"Froh, dass es rauchfrei ist"
Im C & M in Grindelwald hat die Wirtin Christine Jucker bisher
keine negativen Auswirkungen des Rauchverbots gespürt.
"In Italien hat es auch geklappt, warum sollte das bei uns nicht
funktionieren?", sagt Christine Jucker, die zusammen mit Mändel
Inäbnit das Restaurant und die Bar C & M an der Dorfstrasse
führt. "In Italien ist mir aber aufgefallen, dass extrem viele
Leute auf der Strasse rauchen", sagt Jucker. Und an die herumliegenden
Zigarettenstummel müsse man sich dann wohl gewöhnen. Bis
jetzt hat das Rauchverbot ihrem Betrieb nicht geschadet. "Ich bin froh,
dass mein Lokal nun rauchfrei ist", sagt Jucker. Die Leute könnten
ja draussen auf der Terrasse rauchen. "Im Winter wird die Situation
aber schwieriger."
Schon einmal hat sie die Einführung eines Rauchverbots miterlebt:
"Ich war damals noch Stewardess und musste das Raucherabteil bedienen,
das war schrecklich", sagt sie. Nach jedem Arbeitseinsatz habe man sich
nur noch duschen wollen, so extrem sei der Rauchgeruch an einem
hängengeblieben. Und über die Gesundheitsschädigung der
eigenen Lunge wolle man bei einem Beruf mit Rauchemissionen erst gar
nicht nachdenken.
Fritz Lehmann
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20min.ch 5.7.09
Das Berner Partyvolk hält sich ans neue Rauchverbot
Die Berner Partyszene hat sich schnell an das Rauchverbot in den Clubs
gewöhnt.
Nach dem ersten Wochenende ziehen die Veranstalter eine positive
Bilanz: "Trotz vollem Haus gab es nur wenig Gäste, die wir
zurechtweisen mussten", sagt Rolf Bähler vom Bonsoir. Allerdings
habe er zusätzliche Türsteher einsetzen müssen, weil die
Raucher draussen den Eingang versperrt hätten.
Auch für Ralf Jansen vom Eclipse und The Beach hat sich der
Verzicht auf ein Fumoir bewährt: "Der befürchtete
Besucherrückgang blieb aus." Im Du Théâtre war Remo
Neuhaus bestens aufs erste rauchfreie Hotelgassfest vorbereitet: "Damit
sich statt dem Rauch keine Schweissgerüche breitmachen, haben wir
in allen vier Räumen Beduftungsanlagen installiert." Einige wenige
Gäste seien beim Versuch erwischt worden, auf der Toilette zu
rauchen.
(mar/20 Minuten)
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BETTELEI THUN SEASON 2009
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BZ 6.7.09
Organisierte Bettelei
Jetzt betteln die Banden in Thun
Sie haben eine Gehbehinderung und können sich nur mit Krücken
fortbewegen. Das hindert sie aber nicht daran, sich den Passanten in
den Weg zu stellen und wortlos, mit nach oben gekehrter Handfläche
oder einem Becher zwischen den Fingern, Geld zu verlangen. Andere knien
in unterwürfiger Haltung auf dem Trottoir und machen die hohle
Hand. Einige haben amputierte Gliedmassen. Sie sitzen da und betteln,
bis sie abgeholt und an einen anderen Platz gebracht werden. lm
Frühling waren solche Bettler in der Berner Innenstadt
täglich und mehrfach zu sehen. In den letzten Tagen tauchen sie
nun vermehrt in Thun auf. "Es sind ‹armi Cheibe›", sagt Thuns
Gewerbeinspektor Reto Keller, der sich mit dem Phänomen der
organisierten Bettelei immer öfter befassen muss. Das Problem sei,
dass die Mitleidsmasche ziehe und viele Menschen diesen Bettlern
tatsächlich Geld geben. "Doch damit hilft man ihnen nicht",
hält Keller fest und zieht damit das gleiche Fazit wie der Berner
Fremdenpolizei-Chef Alexander Ott (wir berichteten).Das gespendete Geld
verbessert nämlich nicht die Lebenssituation der Bettelnden,
sondern diejenige ihrer Hintermänner. Also jener skrupellosen
Ausbeuter, die die Armen und Behinderten aus Osteuropa am Vormittag
nach Thun bringen und am Abend wieder abholen.
Fälle von Nötigung
In Zusammenarbeit mit der Polizei will das Gewerbeinspektorat massiv
eingreifen, wenn sich die Bettler sehr aufdringlich verhalten. Bloss:
Welche Handhabe hat die Stadt? Ein Bettelverbot gibt es in Thun
schliesslich nicht. "Ein Ansatzpunkt ist der Tatbestand der
Belästigung. Es gibt aber auch Fälle von Nötigung, was
ein schwereres Vergehen ist." Ein Beispiel: In der Thuner Innenstadt
bezog eine Frau an einem öffentlich zugänglichen Automaten
Geld. Plötzlich standen zwei Bettler hinter ihr und
bedrängten sie so lange, bis sie ihnen etwas Geld gab.
Polizei zieht mit
"Es besteht also ein klarer Handlungsbedarf", konstatiert Keller. "Wir
werden die Schraube in nächster Zeit anziehen. Dafür hat uns
die Polizei Thun ihre Mithilfe zugesichert." Das bestätigt Hermann
Jutzi, Chef Polizei Thun: "Wir werden vermehrt ein Auge auf die Bettler
haben und öfter Kontrollen durchführen."
Marc Imboden/wrs
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Telebärn 4.7.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/thun/Haerteres-Vorgehen-gegen-Bettler/story/17476446
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Thuner Tagblatt 4.7.09
Organisierte Bettelei in Thun
Die Stadt greift durch
Gegen die brutale Ausbeutung von Armen und Behinderten: Die Stadt Thun
sagt der organisierten Bettelei den Kampf an.
Bettelnde Menschen aus Osteuropa mit amputierten Gliedmassen oder einer
anderen Behinderung sind auch in Thun immer öfter anzutreffen.
Doch vielleicht nicht mehr lange: "Zusammen mit der Polizei werden wir
die Schraube anziehen", sagt Gewerbeinspektor Reto Keller. Denn die
Spenden helfen nicht denen, die sie erbetteln. Das Geld fliesst in die
Taschen jener Ausbeuter, die die Armen und Behinderten am Vormittag
nach Thun bringen und am Abend wieder abholen. Da es in Thun kein
Bettelverbot gibt, werden die Behörden hauptsächlich dann
einschreiten, wenn Passanten belästigt oder gar genötigt
werden. mi
Seite 23
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Organisierte Bettelbanden in Thun
"Wir ziehen die Schraube an"
Auch in Thun betteln vermehrt arme und behinderte Menschen aus
Osteuropa - und füllen damit die Kassen ihrer kriminellen
Hintermänner. Das Problem ist erkannt: "Wir ziehen die Schraube
an", sagt der Gewerbeinspektor.
Sie haben eine Gehbehinderung und können sich nur mit Krücken
fortbewegen. Das hindert sie aber nicht daran, sich den Passanten flink
in den Weg zu stellen und wortlos, mit nach oben gekehrter
Handfläche oder einem Becher zwischen den Fingern, Geld zu
verlangen. Andere knien in unterwürfiger Haltung auf dem Trottoir
und machen die hohle Hand. Einige haben sogar amputierte Gliedmassen.
Sie sitzen einfach da und betteln, bis sie abgeholt und an einen
anderen Platz gebracht werden.
Mitleid schadet
"Es sind ‹armi Cheibe›", sagt Thuns Gewerbeinspektor Reto Keller, der
sich mit dem Phänomen der organisierten Bettelei immer öfter
befassen muss. Das Problem sei, dass die Mitleidsmasche ziehe und viele
Menschen diesen Bettlern tatsächlich Geld geben. "Doch damit hilft
man ihnen nicht", hält Keller fest. Im Gegenteil: Die Spenden
sorgen dafür, dass sie weiterhin arm bleiben. Denn das Geld
verbessert nicht ihre Lebenssituation, sondern diejenige ihrer
Hintermänner. Also jener skrupellosen Ausbeuter, die die Armen und
Behinderten aus Osteuropa am Vormittag nach Thun bringen und am Abend
wieder abholen.
Fälle von Nötigung
Das städtische Gewerbeinspektorat hat in letzter Zeit vermehrt
Anrufe von Passanten oder Geschäftsleuten erhalten, die sich
belästigt fühlen. "In Zusammenarbeit mit der Polizei Thun
schreiten wir massiv ein, wenn sich die Bettler sehr aufdringlich
verhalten", sagt Keller. Bloss: Welche Handhabe hat die Stadt? Ein
Bettelverbot gibt es in Thun schliesslich nicht. "Ein Ansatzpunkt ist
der Tatbestand der Belästigung. Es gibt aber auch Fälle von
Nötigung, was ein schwereres Vergehen ist." Ein Beispiel: In der
Thuner Innenstadt bezog eine Frau an einem öffentlich
zugänglichen Automaten Geld. Plötzlich standen zwei Bettler
hinter ihr und bedrängten sie so lange, bis sie ihnen etwas von
dem Geld gab.
Polizei zieht mit
"Es besteht also ein klarer Handlungsbedarf", konstatiert Keller. "Wir
werden die Schraube in nächster Zeit anziehen. Dafür hat uns
die Polizei Thun ihre Mithilfe zugesichert." Das bestätigt Hermann
Jutzi, Chef Polizei Thun: "Wir werden vermehrt ein Auge auf die Bettler
haben und öfter Kontrollen durchführen." Was nicht heisst,
dass die Polizei Thun bisher untätig geblieben ist: "Wir
kontrollieren die Bettler immer wieder und überprüfen, ob sie
polizeilich ausgeschrieben sind." Es komme auch vor, dass sich
Geschäftsleute wegen Bettlern vor ihrem Laden beschweren. "In
solchen Fällen weisen wir sie an, den Standort zu wechseln. Wir
verfahren also wie bei den Strassenmusikern, die auch nur eine
bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort spielen dürfen."
Grenzfall "Musiker"
Menschen aus Osteuropa betteln aber nicht nur, sie betätigen sich
oft auch als Strassenmusikanten. Es gibt solche, die auf ihrem
Instrument ein gewisses Können aufweisen. Bei anderen jedoch merkt
auch der musikalisch Ungebildete, dass ihre Musik eher Kakophonie als
Kunst ist. In Extremfällen setzen sich die
Pseudostrassenmusikanten mit einer Art elektronischer Orgel auf den
Boden und drücken den On-Schalter, worauf sich die Tasten
automatisch bewegen. "Wenn offensichtlich ist, dass die Musik reines
Mittel zum Zweck ist, weisen wir die Leute weg", sagt Keller. "Wenn sie
aber jemanden von uns kommen sehen, räumen sie meistens freiwillig
das Feld. Doch dann stellen sie sich wenig später an einer anderen
Ecke wieder auf."
Reto Keller vermutet, dass die Strassenmusikanten ebenso wie die
Bettler organisiert sind. Dasselbe gelte wohl auch für die
Rosenverkäufer. "Sie müssen im Besitz eines bestimmten
Ausweises sein, der Ausländern erlaubt, auf der Strasse Waren zu
verkaufen." Wenn sie diesen Schein nicht haben, werden sie vom
Gewerbeinspektorat weggeschickt.
Marc Imboden
--
Rechtliche Situation
Wer nur bettelt, muss gehen
Seit die Schweiz mit der EU die Bilateralen Verträge II
abgeschlossen hat, dürfen auch Bürger der
osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten in die Schweiz kommen und
arbeiten. "Betteln gilt aber nicht als Arbeit", hält Erwin
Rohrbach, Leiter der Abteilung Sicherheit der Stadt Thun und damit Chef
der Fremdenpolizei, fest. "Es ist aber auch keine Straftat oder ein
schweres Vergehen. Damit haben wir keine Handhabe für eine
Ausschaffung." Die Fremdenpolizei Thun kann bettelnden EU-Bürgern
lediglich eine Ausreisekarte geben und sie anweisen, das Land zu
verlassen. Die einen kommen dieser Aufforderung nach und geben die
Karte beim Grenzübertritt am Zoll ab. Der Zoll schickt sie der
Stadt zurück und setzt sie damit in Kenntnis, dass der betreffende
Bettler nicht mehr im Land ist. Andere jedoch foutieren sich um die
Ausreise-Aufforderung und betteln in einer anderen Stadt weiter. Die
Fremdenpolizei von Thun verteilt pro Jahr bis zu 50 solcher
Ausreisekarten. "Der Rücklauf der Ausreisekarten ist bescheiden.
Er beträgt schätzungsweise etwa 20 Prozent", sagt Erwin
Rohrbach. Allein auf Thun bezogen sei dieses Vorgehen trotzdem sehr
wirksam. "Bisher sind alle, denen wir eine Ausreisekarte gegeben haben,
aus Thun abgezogen.
Als Arbeit im Sinn der Bilateralen II gilt jedoch das Verkaufen von
Rosen und das Musizieren auf der Strasse. Wer auf diese Weise in der
Schweiz sein Geld verdienen will, muss sich zuerst beim
Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) online eine
Meldebestätigung holen. Mit dieser können sie beim
Regierungsstatthalter des jeweiligen Amtsbezirks eine Bewilligung
beantragen, gestützt auf das Bundesgesetz über das Gewerbe
der Reisenden.
mi
--
Projekt Agora
Ausbeutern zu Leibe rücken
Die Hintermänner, die genauen Mechanismen und Abläufe der
organisierten Bettelei sind noch weitgehend unbekannt. Das soll sich
nun ändern. Alexander Ott, Chef der Fremdenpolizei der Stadt Bern,
hat mit der Stadtverwaltung, den rumänischen Behörden und dem
Bundesamt für Polizei das Projekt Agora lanciert. Dessen Ziel: die
Strukturen dieses brutalen Geschäfts aufdecken und die
Gegenmassnahmen unter den Partnern koordinieren.
mi
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SEMPACH
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20min.ch 5.7.09
Juso-Brief an Regierungsrat
Die Juso Schweiz haben dem Luzerner Regierungsrat einen offenen Brief
geschrieben.
Darin äussern sie ihre Sicht zur Sempacher Schlachtfeier und
bieten der Luzerner Regierung ihre Zusammenarbeit an, um die
Schlachtjahrzeit künftig frei von Neonazis zu gestalten. Weiter
schreiben die Juso, dass im Vorfeld der Kund gebung ein Mitglied des
Organisationskomitees eine Morddrohung erhalten habe. "Das ist sehr
beängstigend", sagt Juso-Präsident Cédric Wermuth. Um
wen es sich bei der betroffenen Person handelt, will Wermuth nicht
verraten. Zudem sei es unhaltbar, dass die Juso mit den Rechtsextremen
auf eine Stufe gestellt werden. "Wir wurden konsequent als linksextrem
bezeichnet - dies ist ein beleidigender Angriff", sagt Wermuth weiter.
Die Juso fordern deshalb eine Entschuldigung vom Regierungsrat.
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juso.ch/luzern 5.7.09
Offener Brief an den Luzerner Regierungsrat bezüglich der
Sempacher Schlachtjahrzeit
Die JUSO Schweiz schickte dem Luzerner Regierungsrat einen
offenen Brief zur Schlachtjahrzeit. Diesen kann man hier lesen.
Im Brief gehen wir auf folgende Punkte ein:
- Es kann nicht sein, dass die JUSO als linksextrem verunglimpft
wird. Wir sind eine demokratische Partei und stehen zur
Bundesverfassung.
- Rechtsextreme sind für viele eine ernsthafte Gefahr.
Jüngstes Beispiel ist eine Morddrohung an ein Mitglied unsere
Organisationskomittes.
- Wir bieten der Luzerner Regierung die Zuasammenarbeit an, um die die
Sempacher Schlachtjahrzeit frei von Neonazis zu gestalten.
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin, sehr geehrte Herren
Regierungsräte
Nachdem sich die Aufregung um die Schlachtjahrzeit ein wenig gelegt
hat, möchten wir Ihnen unsere Sicht zur diesjährigen
Schlachtfeier darlegen und einen Ausblick wagen. Wir würden uns
freuen, wenn wir das Problem der Neonazi-Präsenz konstruktiv
angehen könnten und schlagen Ihnen deshalb die Zusammenarbeit vor.
Ereignisse im Vorfeld
Nachdem wir Ihnen unser Kundgebungsgesuch eingereicht hatten, nahmen
wir die Kontakte mit den Behörden als sehr anständig und
kooperativ wahr. Die schliesslich unkomplizierte Abwicklung und
anschliessend kurzfristig erteilte Bewilligung für den
Rückweg zum Bahnhof stimmten uns positiv und bestärkten uns
in der Gewissheit, dass der Anlass friedlich über die Bühne
gehen würde. Was uns sehr störte war zum einen die durchwegs
verwendete Bezeichnung der JUSO als linksextrem (wovon sich einzig der
Sempacher Stadtpräsident temporär distanzierte). Dies
empfanden wir als beleidigenden Angriff. Wir erwarten
diesbezüglich eine Entschuldigung vom Regierungsrat. Zum anderen
enttäuschte uns Ihre Diskussionsverweigerung am 10. Juni, als Sie
den Stadtrat von Sempach am Podium im Regen stehen liessen.
Auf dem rechten Auge blind?
Umso mehr schockierten uns die Geschehnisse an der Schlachtjahrzeit.
Nachdem der Umzug der Behörden und BesucherInnen abgesagt wurde,
formierte sich eine ILLEGALE Demonstration von Neonazis, die auf das
Schlachtfeld marschierte.Zur selben Zeit bereitete sich die
Kantonspolizei auf die absolut unverhältnismässige
Einkesselung der BEWILLIGTEN Kundgebung vor. Dies unter Berufung auf
das Vermummungsverbot, gegen welches einige Kundgebungsteilnehmer
mutmasslich verstossen hatten. Wir möchten betonen, dass das
Vermummungsverbot ein einfaches Vergehen darstellt, insbesondere da die
Vermummung nicht benutzt wurde, um Straftaten zu begehen, sondern aus
der Angst nachher auf Neonazi-Seiten zur Jagd ausgeschrieben zu werden.
(Hinzugefügt werden muss, dass auf einschlägigen Websites nun
tatsächlich TeilnehmerInnen der bewilligten Kundgebung an den
Pranger gestellt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund einer
Morddrohung, die im Vorfeld der Kundgebung bei einem der Organisatoren
eingegangen ist, ist dies eine beängstigende Entwicklung.)
Die illegale Demonstration der Neonazis stellt hingegen einen
deutlichen Gesetzesverstoss dar, welcher aus unerklärlichen
Gründen jedoch nicht geahndet wurde... Dies obwohl genügend
Polizisten präsent waren und bereits im Vorfeld des Marsches
mehrere Verstösse gegen das Waffengesetz seitens der Neonazis
festgestellt wurde.
Dies halten wir für eine sehr bedenkliche Entscheidung. Die
Kooperation der Luzerner Kantonspolizei mit den Neonazis erschreckt,
insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Tross z.T. von
einschlägig vorbestraften Gewaltverbrechern angeführt wurde
(Dominic Lüthard). Mehrere Journalisten berichteten zudem, dass
sie von der Kantonspolizei bei Ihrer Arbeit behindert wurden, mit der
Bemerkung, dass das Fotografieren die Neonazis provoziere. Einige
Neonazis hingegen konnten die Kundgebung der JUSO ungestört direkt
neben der Polizei filmen und fotografieren.
Der Tages-Anzeiger vom Dienstag 30. Juni umschreibt das Vorgehen sehr
treffend: "Die Rechtsextremen liess die Polizei gewähren. Ohne
Bewilligung konnten sie zum Schlachtfeld marschieren. Die Polizei hat
sich so zur Helferin der rechten Glatzen gemacht. Wenn die Luzerner
Regierung nicht endgültig in den Verdacht geraten will, dass sie
in der Präsenz der unheimlichen Patrioten kein Problem sieht, muss
sie handeln."
Problem gemeinsam lösen
Wie in der Bewilligung festgehalten, besuchten unsere Kundgebung ca.
100 Personen. Falls das Problem der neonzistischen Präsenz weiter
ungelöst bleibt, werden wir selbstverständlich auch
nächstes Jahr wieder zu Protest aufrufen und sehr viel breiter
mobilisieren. Viel lieber wäre uns allerdings, wenn Sie ein
Konzept erarbeiten würden, welches die Neonazis und ihr
menschenverachtendes Gedankengut von der Feier ausschliesst. Es ist uns
klar, dass dies keine einfache Aufgabe ist. Wir wären an dieser
Stelle auch bereit Verantwortung zu übernehmen und an der
Problemlösung mitzuarbeiten.
Wir freuen uns auf eine angeregte und konstruktive Diskussion mit Ihnen
und vertrauen auf Ihren starken Willen, gegen die Verbreitung von
Rassismus vorzugehen.
Mit freundlichen Grüssen
Cédric Wermuth
David Roth
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NEONAZI-BBQ
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Aargauer Zeitung 6.7.09
Zwischenruf
Keine Neonazis in Schönenwerd
In antifaschistischen Kreisen kursierte das Gerücht, am Samstag
würde es beim "Entennest" - einem Grillplatz an der Aare in
Schönenwerd SO - zu einer Zusammenkunft von Rechtsextremen kommen.
Die linksautonome Gruppe Aargrau forderte in einem offenen Brief die
Gemeinde auf, das Treffen nicht zu tolerieren. Ges-tern kam die
Entwarnung. Laut der Internetplattform http://www.aargrau.ch
verirrten
sich am Samstag nur vereinzelt Neonazis nach Schönenwerd. Es sei
anzunehmen, dass kurzfristig der Anlass an einen anderen Ort verschoben
worden sei, schreibt Aargrau weiter. Gemeindepräsident Peter Hodel
hatte sich im Vorfeld kritisch zum Treffen geäussert. Er werde das
nicht dulden, sagte er gegenüber Tele M1, er stehe im Kontakt mit
der Kantonspolizei Solothurn. Diese hatte offenbar bereits am
Samstagnachmittag Personenkontrollen beim "Entennest"
durchgeführt. Dass dem möglichen Neonazitreff in
Schönenwerd besondere Aufmerksamkeit galt, kommt nicht von
ungefähr. Beim "Entennest" hatten vor vierzehn Jahren rund 200
Neonazis eine Party gefeiert. Damals gab es viele kritische Stimmen,
weil die Polizei nicht eingeschritten war. (ju)
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Aargauer Zeitung 4.7.09
Nazi-Treff befürchtet
In Schönenwerd soll es zum "Fest" kommen
Anonyme Hinweise aus der antifaschistischen Szene warnen vor einer
Zusammenkunft von Rechtsextrem in Schönenwerd: "Aus
antifaschistischen Kreisen haben wir erfahren, dass es am morgigen
Samstag in Schönenwerd SO zu einer grösseren Zusammenkunft
von Rechtsextremen kommen soll", schreibt das "Aargrau-Kollektiv" in
einem offenen Brief an die Gemeinde Schönenwerd. Angekündigt
seien "mehrere hundert Neonazis aus dem gesamten In- sowie dem
angrenzenden Ausland". Die "Wirrköpfe" würden ein Fest mit
Konzerten abhalten, heisst es im Brief weiter.
Austragungsort des rechtsextremen Aufmarschs soll das "Entennest" sein,
ein gemeindeeigener Grillplatz am Aare-Ufer. Die Gemeinde
Schönenwerd habe weder Kenntnis von einem Konzert noch von einem
Grillabend am Entennest, so Gemeindeschreiberin Petra Essig
gegenüber zu "20 Minuten". Die Gemeinde hat die Polizei alarmiert.
(Mz)
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20min.ch 3.7.09
Schönenwerd SO
Rechtsextremer Aufmarsch am Grill-Idyll?
von Amir Mustedanagic
Anonyme Hinweise aus der antifaschistischen Szene warnen vor einer
Zusammenkunft von Rechtsextrem in Schönenwerd SO: Die "Neo-Nazis
aus In- und angrenzendem Ausland" sollen sich am "Entennest"
versammeln, einem idyllischen Grillplatz der Gemeinde am Aare-Ufer. Die
Gemeinde ist besorgt und hat die Polizei alarmiert.
"Aus antifaschistischen Kreisen haben wir erfahren, dass es am morgigen
Samstag in Schönenwerd SO zu einer grösseren Zusammenkunft
von Rechtsextremen kommen soll", schreibt das "Aargrau-Kollektiv" in
einem Offenen Brief an die Gemeinde Schönenwerd. Angekündigt
seien "mehrere hunderte Neo-Nazis aus dem gesamten In- sowie dem
angrenzen Ausland". Die "Wirrköpfe" würden ein Fest mit
Konzerten abhalten, heisst es im Brief weiter.
Gemeinde nimmt Hinweise "sehr ernst" und ist besorgt
Austragungsort des rechtsextremen Aufmarschs soll das "Entennest" sein,
ein gemeindeeigener Grillplatz am Aare-Ufer. Die Gemeinde
Schönenwerd hat aber weder Kenntnis von einem Konzert, noch von
einem Grillabend am Entennest, sagt Gemeindschreiberin Petra Essig.
"Wir hatten bis jetzt nichts von einem derartigen Treffen gewusst."
Trotz der anonymen Quelle nehmen die Verantwortlichen den Hinweis "sehr
ernst und sind besorgt", so Essig. Es habe bereits vor ein paar Jahren
einen solchen Aufmarsch gegeben.
Tatsächlich liefen im August 1995 über 200 Hammerskins zu
einer "Sommerparty" in Schönenwerd auf und gaben sich mit "Heil
Hitler"-Parolen und einschlägigen Zeitschriften als Neonazis zu
erkennen, wie die "SonntagsZeitung" damals schrieb. Dennoch sahen die
Kantonspolizeien Solothurn und Aargau nach eigenen Angaben damals
keinen Grund zum Einschreiten und gerieten deshalb in die Kritik.
"Wir dulden keinesfalls einen solchen Aufmarsch"
Der Anlass damals sei "ohne Zwischenfälle" abgelaufen,
bestätigt Urs Eggenschwiler den damaligen Aufmarsch von Rechts.
Laut dem Polizeisprecher der Kantonspolizei Solothurn sei aber von
einer erneuten Versammlung nichts bekannt. Die Polizei sei aber
informiert und wolle "die Situation im Auge behalten". Versammlungen
von Rechtsradikalen sind nach schweizerischer Gesetzgebung
grundsätzlich nicht strafbar. Verstösse gegen das
Antirassismusgesetz müssen aber von gesetzeswegen durch die
zuständigen Kantonsbehörden verfolgt werden.
Die Gemeinde Schönenwerd hat aber noch einen anderen Trumpf im
Ärmel: "Eine Bewilligung für einen solchen Anlass haben wir
nicht erteilt", sagt Gemeindeschreiberin Essig. Genau dies sei aber
Pflicht, wenn sich mehr als 20 Leute am Entennest versammeln. Sollte es
dennoch zu einem Aufmarsch der Rechtsextremen kommen, will die Gemeinde
deshalb die nötigen Schritte einleiten und die Polizei alarmieren.
Essig: "Wir werden keinesfalls einen solchen Aufmarsch dulden."
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Infoportal Aargau
http://www.aargrau.ch/
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HOMOPHOBIE
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NZZ 4.7.09
Briefe an die NZZ (br)
Homophobe "Battyboy Tunes"
Oliver Karnik plädiert in der NZZ vom 26. 06. 09 für
Umsicht gegenüber homophoben Dancehall-Musikern und verharmlost
dabei Aufrufe zur Gewalt an Minderheiten in den sogenannten Battyboy
Tunes als "krasse Rhetorik". Denjenigen, die diese Hasstiraden
kritisieren, wirft er eine oberflächliche Reggae-Rezeption vor.
Ich werfe Oliver Karnik eine oberflächliche Rezeption der hiesigen
Proteste gegen Dancehall-Interpreten vor.
Die jamaicanische Gesellschaft ist homophob. Das wissen die
vielen Homosexuellen, die dort geschlagen und erschlagen werden, am
besten. Die Verhältnisse haben uns gezeigt, welches Ausmass an
antischwuler Gewalt die Schwulenhatz ausgeflippter Interpreten annehmen
kann. Von der Bühne herab werden Menschen aufgewiegelt, Schwule zu
erschlagen. Regelmässig kommt es in Kingston und anderen Orten der
Karibikinsel zu Verfolgungsjagden auf (vermeintlich) schwule
Männer, oft mit tödlichem Ausgang. Manche der Interpreten
sind persönlich an Gewalttaten beteiligt. Freunde aus Jamaica
bitten uns, gegen die Hass-Musiker vorzugehen, weil es ihnen selbst
nicht möglich ist. So viel Solidarität haben Schwule auf
Jamaica angesichts der haarsträubenden Strafgesetze verdient.
Klaus Jetz (Köln) Geschäftsführer
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland
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BIG BROTHER
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NZZ 6.7.09
In der Schweiz boomt die Videoüberwachung
Nutzen wird häufig überschätzt
sig. In Flughäfen, Bahnhöfen oder öffentlichen
Verkehrsmitteln sind Überwachungskameras heute mehr die Regel als
die Ausnahme. Datenschützerischen Bedenken stehen einige
spektakuläre Erfolge gegenüber, wie zum Beispiel in Basel, wo
eine Gruppe von Schlägern in einem Bus gefilmt und so
überführt wurde. Der Forscher Francisco Klauser hat jedoch am
Beispiel des Oltner Strassenstrichs nachgewiesen, dass der Nutzen der
Kameras oft überschätzt wird. Sobald die Kameras von den
Medien nicht mehr thematisiert worden seien, hätten sich der
Lärm und die Übergriffe auf Prostituierte auf dem vorherigen
Niveau eingependelt. Und in England ist die Kriminalitätsrate
trotz vier Millionen Überwachungskameras nicht zurückgegangen.
Schweiz Seite 7
--
Mit Kameras auf der Suche nach Sicherheit
Die Videoüberwachung boomt - doch ihr Nutzen wird oft
überschätzt
Im Zug, im Bahnhof, bei der Abfalldeponie: Mit Hilfe von Videokameras
sollen Übergriffe im öffentlichen Raum verhindert und Delikte
aufgeklärt werden. Gezielt eingesetzt, trägt die
Überwachung zur Sicherheit bei, doch der präventive Effekt
nimmt häufig ab.
dgy. Schmierereien, Vandalismus, Littering, Hooliganismus
oder sexuelle Übergriffe - keine Form von Fehlverhalten bleibt
ungenannt, wenn es um die Bekämpfung von Störungen im
öffentlichen Raum mit Hilfe der Videoüberwachung geht. Die
Meldungen über Pläne zur Anschaffung von Kameras durch
Gemeindeverwaltungen und Verkehrsbetriebe häufen sich - wenn eine
Branche von der Wirtschaftskrise verschont zu bleiben scheint, ist es
jene für Überwachungssysteme. Die Erfolgsmeldungen lassen
nicht auf sich warten: Dank Kameras konnten beispielsweise in
Kreuzlingen und Basel Täter festgenommen werden, die brutal auf
ihre Opfer eingeschlagen hatten. Verkehrsbetriebe melden einen
Rückgang von Vandalenakten dank dem Einsatz von Kameras.
Keine einheitliche Regelung
Schon fordert die Politik mehr Zurückhaltung beim
Datenschutz: "Der Einsatz von Videoüberwachung und die Verwendung
von Bildmaterial zur Strafverfolgung werden immer wieder durch einen
falsch verstandenen Datenschutz behindert", klagt der Berner
Nationalrat Norbert Hochreutener (cvp.) in einem Vorstoss. Kein
Datenschützer sei gegen einen angemessenen Einsatz von
Videokameras zur Prävention und Aufklärung von Verbrechen,
entgegnet der Basler Datenschützer Beat Rudin. Zwei Fragen stehen
für ihn aber im Zentrum: Wie verhältnismässig ist der
Einsatz von Videoüberwachung im konkreten Fall? - Und wie kann ein
Missbrauch der Aufzeichnungen ausgeschlossen werden?
In der Schweiz existiert zum Thema Videoüberwachung keine
einheitliche Regelung, genaugenommen herrscht sogar ein ziemlich
unübersichtliches Dickicht von Zuständigkeiten und
Regelungen. Für die Überwachung zuständig sind
grundsätzlich die Kantone, dagegen regelt der Bund die
Überwachung durch Private oder den Einsatz durch konzessionierte
Verkehrsbetriebe wie beispielsweise die SBB. In den
Strafprozessordnungen finden sich die Angaben darüber, wie und
unter welchen Voraussetzungen die Bilder zur Fahndung oder im
Strafverfahren verwendet werden dürfen. Dabei zeigt sich, dass
Datenschützer und Strafverfolger zwar unterschiedliche Akzente
setzen, sich über ein Grundprinzip dennoch einig sind: Je schwerer
der mit der Videoüberwachung verbundene Eingriff in die
Persönlichkeit ist, desto gewichtiger muss das öffentliche
Interesse am Einsatz sein.
Gegen die blosse Überwachung von Bahnhöfen und
Flughäfen hat Beat Rudin deshalb nichts - die Persönlichkeit
werde nur unwesentlich tangiert, solange die Bilder nicht aufgezeichnet
würden. Auch mit der Speicherung von Bildern aus Basler Trams ist
Rudin einverstanden, denn die Daten werden auf sogenannten
Ringspeichern aufbewahrt und fortlaufend überspielt. Nur bei
Straftaten werden die Bilder intern konsultiert, was Rudin als
verhältnismässig bezeichnet. Selbst die vor kurzem erfolgte
Veröffentlichung von Aufnahmen von in einem Bus der Basler
Verkehrsbetriebe gefilmten Schlägern im Internet, ein schwerer
Eingriff in die Persönlichkeit, war für Rudin in diesem Fall
zulässig, weil es sich um ein schweres Delikt handelte und die
Staatsanwaltschaft erst zu diesem Mittel griff, als andere
Ermittlungsmethoden nicht weiterhalfen.
Überwachung des Strassenstrichs
Dass die Täter in der Folge sofort gefasst werden konnten,
war für die Basler Staatsanwaltschaft Bestätigung, dass ihr
Vorgehen in diesem Fall richtig war. Dennoch werden längst nicht
alle Bilder ins Netz gestellt, die Straftäter in voller Aktion
zeigen, wie Markus Melzl von der Basler Staatsanwaltschaft sagt. Nur
bei schweren gegen Leib und Leben gerichteten Delikten greift die
Behörde zu diesem Mittel. Bilder von Bancomat-Betrügern oder
von Raubüberfällen bekommt die Öffentlichkeit deshalb
nicht zu sehen. Eine Bilderflut mit immer neuen Gesichtern bewirke
Abnützungserscheinungen und habe zur Folge, dass die
Bevölkerung auf die Aufrufe gar nicht mehr reagiere. Solche Bilder
werden für die interne Fahndung eingesetzt, wo sie die Arbeit
enorm erleichtern können, wie Melzl sagt.
Es ist keineswegs auszuschliessen, dass die Basler Schläger
insbesondere deshalb gefasst wurden, weil die Medien intensiv über
die Publikation der Videoaufnahmen berichteten. Mit der Frage, wo und
zu welchem Zweck der Einsatz von Videokameras überhaupt sinnvoll
ist, setzt sich Francisco Klauser vom Institute of Hazard and Risk
Research an der Durham University auseinander. Er hat beispielsweise
die Auswirkungen der Videoüberwachung des Oltner Strassenstrichs
untersucht. Anfänglich seien die Erfolge spektakulär gewesen
- weniger Freier, weniger Prostituierte, weniger Autos, weniger
Lärm, kaum noch Übergriffe. Doch nachdem die ersten Wellen
verebbt und die Kameras aus den Schlagzeilen verschwunden waren, blieb
auch die Wirkung der Kameras aus.
Einige Monate später sei der Verkehr wieder angestiegen und
ausser einigen Prominenten, die sich nicht mehr blicken liessen, sei
die Situation wieder mit jener vor der Kamerainstallation vergleichbar
gewesen, sagt Klauser. Ernüchternd sind auch
Untersuchungsergebnisse aus England, wo die durch Kamerabilder
ermöglichte Verhaftung zweier Teenager, die einen Buben
töteten, schon Mitte der 1990er Jahre zu einer starken Verbreitung
der Videoüberwachung beitrug. Heute sind in England über vier
Millionen Kameras installiert. Von 13 landesweit unter die Lupe
genommenen Videoüberwachungssystemen bewirkten indessen nur 2
einen signifikanten Kriminalitätsrückgang. Insgesamt aber hat
sich weder an der Kriminalitätsrate noch am Sicherheitsempfinden
der Bevölkerung viel geändert. Die Bevölkerung
fühlt sich durch die Überwachung aber auch nicht gestört.
Die Kameras seien in England allgegenwärtig, ohne dass man
gross Notiz von ihnen nehme, sagt Klauser, der in England lebt. Fast
alle Studien zeigten, dass der präventive Effekt abnehme und sich
das subjektive Sicherheitsgefühl nicht nachhaltig verbessere - so
fasst er den Stand der Forschung zusammen. Zusätzliche
Polizeikräfte seien aus Sicht der Bevölkerung deshalb auch in
England weiterhin wichtiger als zusätzliche Kameras. Am
nützlichsten seien bediente Online-Systeme, bei denen die
Sicherheitskräfte sofort eingreifen können - doch diese sind
auch die teuersten. Auch Datenschützer Rudin zieht diese Systeme
vor - und sagt sogar: Wenn zum Schutz von Personen Kameras installiert,
die Bilder aus Spargründen aber nur aufgezeichnet würden und
deshalb diese Personen gar nicht wirksam geschützt werden
könnten, dann sei die Videoüberwachung nicht
verhältnismässig.
Hilfreich sind Kameras zur Vermeidung von spontanem Vandalismus,
etwa in unbegleiteten Regionalzügen, wie verschiedene
Untersuchungen zeigen. Mit den Kameras verändert sich allerdings
auch das Verhalten der Täter, gibt Melzl zu bedenken: Diese
trügen nun zum Schutz vor Wiedererkennung eine Baseballmütze
und schöben sich ein Halstuch ins Gesicht, wenn sie einen
Tankstellen-Shop überfallen. Und teilweise verlagere sich die
Kriminalität einfach auf nicht überwachte Gebiete,
erklärt Francisco Klauser. Der Datenschützer, der
Kriminalkommissär und der Experte sind sich einig:
Videoüberwachungssysteme können gezielt eingesetzt gewisse
Vandalenakte und andere Übergriffe verhindern und die
Aufklärung erleichtern, doch Wundermittel sind sie nicht.
Abhören, speichern, verpixeln
Einiges deutet darauf hin, dass sich die Debatte darüber, ob
und zu welchem Preis der öffentliche Raum überwacht werden
soll, noch intensivieren wird. Die Systeme werden weiterentwickelt, die
Überwachung perfektioniert. Schon sind Geräte in Erprobung
oder im Einsatz, die Gespräche abhören und auf
verdächtige Wörter filtern, Gesichtsmerkmale speichern und
erkennen oder Verhaltensweisen analysieren, Gesichter automatisch
verpixeln und so bis zur Strafverfolgung unkenntlich machen. Moderne
Technik, verlangt deshalb Rudin, dürfe nicht nur der
Perfektionierung der Überwachung dienen, "sondern sie muss auch
zum Schutz der Persönlichkeitsrechte zum Einsatz kommen".
---
Sonntag 5.7.09
"Big Brother" streckt seine Fühler aus
Immer mehr Videokameras zur Überwachung werden installiert. Auch
am Arbeitsplatz
Videoüberwachung am Arbeitsplatz verunsichert viele Men schen. Bei
den kantonalen Behör den beider Basel versichert man, das Problem
im Griff zu haben. Anders sieht es bei Firmen aus. Für
systematische Kontrollen hat der eidgenössische Datenschutz
beauftragte keine Zeit.
Von Rolf Zenklusen
Um Diebe und Vandalen abzuschrecken, werden immer häufiger
Videokameras installiert. Und es gibt durchaus auch Situationen, in
denen die Videoüberwachung zur Überführung von
Straftätern führte. Über einen sehr prominenten Fall hat
die bz ausführlich berichtet: Nachdem die Basler
Staatsanwaltschaft Videobilder einer Schlägerei in einem BVB-Bus
veröffentlicht hatte, konnten Mitte Juni zwei Täter verhaftet
werden.
Anders sieht es aus, wenn man als Arbeitnehmer per Video
überwacht wird. Ob über der Ladenkasse oder in einer
Lagerhalle - die prüfenden, strengen Augen von "Big Brother"
können an verschiedenen Orten lauern. Ursula Stucki,
Datenschutzbeauftragte des Kantons Baselland, kann nicht sagen, ob
Anfragen wegen Videoüberwachung am Arbeitsplatz zugenommen haben.
"Wir sind nur für den Datenschutz bei den Behörden des
Kantons Baselland zuständig", sagt Stucki. Ihr
basel-städtischer Kollege Beat Rudin weiss ebenfalls nichts von
Reklamationen wegen Videoüberwachung. "Das ist auch nicht
verwunderlich: In Basel-Stadt ist die Videoüberwachung durch
öffentliche Organe gesetzlich geregelt. Wir achten darauf, dass es
nicht zu einer Überwachung am Arbeitsplatz kommt."
Der Umgang mit Daten aus Videokameras beim Staat ist in beiden
Halbkantonen im kantonalen Datenschutzgesetz geregelt. Beide Basel
planen eine Revision dieser Gesetze. Der Entwurf dafür wurde im
Baselbiet in Partnerschaft mit Basel-Stadt erarbeitet und soll die
kantonalen Regelungen harmonisieren. Ziel ist, ein gemeinsames
Informations- und Datenschutzgesetz (IDG) zu formulieren. Basel-Stadt
sehe eine Änderung der Regelungen über
Videoüberwachungen vor, sagt Rudin. "Dabei wird der Zweck der
konkreten Videoüberwachung in den Mittelpunkt gestellt." Die
Vernehmlassung für das IDG läuft.
Ob und wie Videoüberwachung am Arbeitsplatz zunimmt, kann
auch Eliane Schmid, Sprecherin des eidgenössischen Datenschutz-
und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), nicht genau sagen.
"Videoüberwachung ist bei uns konstant ein Thema. Wir führen
aber keine genaue Statistik darüber, welche Branchen am meisten
betroffen sind." Der EDÖB sei keine Datenschutzpolizei;
Systematische Kontrollen seien gar nicht möglich. "In gewissen
Fällen, oft nach Hinweisen aus der Bevölkerung oder von
Betroffenen, stellen wir Nachforschungen an." Falls jemand gegen das
Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) verstösst, sucht der
EDÖB zuerst das Gespräch. Nützt dies nichts, gibt er
Empfehlungen ab. Bei deren Nichteinhaltung kann der EDÖB vor
Gericht gehen. "Es gibt solche Fälle", sagt Schmid, ohne konkrete
Zahlen zu nennen.
Oft fragt man sich, wer überhaupt berechtigt ist, die Bilder
auf den Videobändern anzusehen. Gemäss Schmid muss der Zugang
klar geregelt sein; die Bänder müssen in der Regel
verschlossen sein oder chiffriert. Beim Zugang empfiehlt der EDÖB
das Zwei-Schlüssel-Prinzip. So könnten zum Beispiel bei
Unternehmen ein Mitglied der Geschäftsleitung und die
Kantonspolizei befugt sein, die Daten einzusehen. Und wie lange
dürfen die Videobänder aufbewahrt werden? "Wir gehen vom
Grundsatz aus, dass Daten, die nicht mehr gebraucht werden, auch
gelöscht werden. Dabei gilt die Zweck- und
Verhältnismässigkeit", sagt die EDÖB-Sprecherin.
Gestützt auf das Datenschutzgesetz verlangt der EDÖB, dass
die Orte, an denen Kameras installiert werden, gut gekennzeichnet sind
- am besten mit Schildern.
http://www.edoeb.admin.ch
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Bund 4.7.09
Hanspeter Thür
"Schutz der Privatsphäre ist nicht verhandelbar"
"Das Internet ist eine riesige Datenbank, bei der nichts vergessen
geht", sagt der eidgenössische Datenschützer und warnt vor
dessen Risiken. Hanspeter Thür wehrt sich gegen den Satz
"Datenschutz ist Täterschutz". Er ist nicht gegen
Videoüberwachung, findet aber, es sei eine "Illusion" zu meinen,
dass überwachte Orte sicherer würden.
Interview: Rudolf Burger
"Bund":
Herr Thür, Datenschützer zu sein, ist ein schwieriger Job,
Datenschützer müssen immer besorgt sein.
Hanspeter Thür: Nein, ich finde meinen Job sehr spannend. Ich muss
verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigen, einerseits das
Interesse an Privatheit, anderseits das Interesse der
Öffentlichkeit.
Aber den zufriedenen oder sogar den fröhlichen Datenschützer
- den gibt es nicht.
Man muss zwischen beruflicher und persönlicher Befindlichkeit
unterscheiden. Ich bleibe ein fröhlicher Mensch.
Wenn Sie am Fernsehen auftreten, wirken Sie eher sauertöpfisch.
Das ist Ihr Urteil, entspricht aber nicht meinem Charakter.
Sie kämpfen an verschiedenen Fronten. In Ihrem neusten
Jahresbericht haben Sie vor der Internetseite Facebook gewarnt. Dort
machen aber alle freiwillig mit.
Das ist richtig. Wir verteufeln Facebook auch nicht, sondern vermitteln
eine einfache Botschaft: Facebook ist ein neues Tool, eine
Möglichkeit, die man nutzen kann, mit der aber auch Risiken
verbunden sind: Das Internet ist eine riesige Datenbank, bei der nichts
vergessen geht. Mit einem einfachen Klick kann man eine riesige
Datenmenge erhalten.
Gehört Datenschutz heute als Unterrichtsfach in die Schule?
Nicht Datenschutz im engeren Sinn. Aber der Umgang mit den neuen
Techniken im Internet. Heute ist es doch so, dass fast alle
Jugendlichen Zugang zum Internet haben, aber die Eltern häufig
überfordert sind.
Diese Woche hat der "Blick" den Fall einer Sozialarbeiterin gebracht,
die sich im Internet in Sexposen darstellt. Illustriert dieses Beispiel
für Sie die Gefahren des Internets?
Ja. Vielleicht sind diese Bilder in einem harmlosen Kontext entstanden
und sind nun dramatisiert worden. Man muss sich bewusst werden, was
passieren kann, wenn solche Bilder ins Netz gelangen.
Eine Ihrer neusten Aktionen war Ihr Streit mit Google Street View.
Bevor ein Google-Fahrzeug durch die Strassen fahren darf, um im
Internet ein virtuelles Bild einer Stadt zu erstellen, müssten
nach Ihren Vorstellungen alle Hausbesitzer und Passanten informiert
werden. Das ist doch unmöglich.
Diese Darstellung ist eine Fehlinterpretation. Wir wollen erstens - und
da sind wir einig mit Google -, dass Gesichter anonymisiert sind, wenn
sie im Internet aufgeschaltet werden, und wir wollen zweitens, dass
vorgängig informiert wird, wo Aufnahmen stattfinden, indem Google
zum Beispiel sagt, dass sie Aufnahmen in der Region Bern machen. Sieht
man dann ein Google-Fahrzeug, kann man sich entsprechend verhalten,
wenn man nicht ins Blickfeld geraten will.
Eine Ankündigung, dass Google View in dieser oder jener Region
filmt, genügt?
Ja. Immerhin werden diese Aufnahmen im öffentlichen Bereich
gemacht. Eine Person muss aber nicht akzeptieren, dass Ihr Bild in New
York oder Sydney abgerufen werden kann. Wichtig ist für uns auch,
dass die Rohdaten nach der Bearbeitung gelöscht und dass
Häuser und Personen auf einfache Weise vom Netz entfernt werden
können. Google nimmt unsere Anliegen ernst.
Problematisch ist doch nur, wenn jemand an einem Ort gefilmt wird, an
dem er zu dieser Zeit nicht hätte sein sollen.
Nicht nur, problematisch ist bereits, wenn Bilder gegen meinen Willen
aufs Internet geschaltet werden. Aber wenn dokumentiert würde, wie
Sie einen Erotik-Shop verlassen, würde Ihnen das vielleicht auch
nicht gefallen.
Gegen Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen haben
Sie aber nichts einzuwenden?
Es ist plausibel, dass man in sensiblen Bereichen mit Videokameras ein
Ereignis rekonstruieren kann. Man darf sich aber nicht der Illusion
hingeben, dass diese Orte sicherer würden.
Nehmen Sie das Beispiel Bahnhof Kreuzlingen: Nachdem drei Schläger
durch Videoaufnahmen überführt wurden, wird doch dort kaum
noch einmal ein solcher Vorfall passieren.
Da bin ich mir nicht sicher. Aber ich sage auch: Videoüberwachung
an bestimmten Orten macht Sinn, weil sie ermöglicht, ein Delikt
aufzuklären und hohe Aufklärungsraten präventiv wirken.
Beispiele aus dem Ausland zeigen aber auch, dass es zu einer
Verlagerung kommt. Deshalb muss man sich überlegen, welche Ziele
man mit einer Videoüberwachung verfolgt: Es ist nachvollziehbar,
dass man sich auf einem Bahnhof, wo sehr viele Menschen verkehren,
sicher fühlen muss. Man darf aber damit nicht die Hoffnung
verknüpfen, mit einer flächendeckenden Ausbreitung von
Videokameras das Verbrechen eliminieren zu können. So einfach ist
es leider nicht.
Zwischen Ihnen und Mario Flück, dem Datenschützer der Stadt
Bern, hat es wegen der Videoüberwachung des Bundesplatzes eine
Kontroverse gegeben.
Es war keine Kontroverse zwischen zwei Datenschützern. Es ist
total unbefriedigend, dass es auf kommunaler und kantonaler Ebene
völlig unterschiedliche Rechtssituationen gibt. In der Stadt Bern
gelten für die Videoüberwachung andere Regeln als im Kanton
Bern oder beim Bund. Christoph Blocher wollte die Regeln
gesamtschweizerisch vereinheitlichen, was wir unterstützten. Der
Vorschlag scheiterte aber leider in der Vernehmlassung am Widerstand
von Kantonen und Gemeinden.
In Bern hat sich das Parlament gegen Videoüberwachung auf dem
Bundesplatz ausgesprochen. Dennoch wird der Bundesplatz überwacht.
Er wird nicht überwacht, überwacht wird der Eingangsbereich
des Bundeshauses. Würde der Bundesplatz überwacht, wäre
das ein Verstoss gegen die kommunalen Regeln. Es gibt ein berechtigtes
Sicherheitsinteresse für den Bereich Bundeshaus, aber die
kommunalen Gesetze müssen respektiert werden - da habe ich keine
Differenz mit Mario Flück.
Einen Vorwurf werden Sie viel zu hören bekommen: Datenschutz sei
Täterschutz.
Dieses Schlagwort zu wiederholen, macht es nicht richtiger. Bei der
Aufklärung von Verbrechen kommt das Datenschutzgesetz nicht zur
Anwendung. Aber strafprozessuale Verfahren müssen sich der
Verhältnismässigkeit unterordnen. Die Internet-Fahndungen in
den mir bekannten Fällen waren aus meiner Sicht zulässig,
weil andere, weniger weit gehende Fahndungsmittel nicht mehr zur
Verfügung standen.
Wenn die Polizei nach dem Cupfinal in Bern mithilfe des Internets nach
straffällig gewordenen Hooligans sucht, wird das von 95 Prozent
der Bevölkerung begrüsst.
Ich kenne keine solchen Zahlen. Im Übrigen wird das von uns auch
nicht kritisiert. Es kann aber nicht sein, dass jeder, der eine Fackel
in der Hand hält, zum Hooligan gestempelt und ins Internet
gestellt wird. Ich verlange, dass sich eine Internet-Fahndung gegen
Personen richtet, die durch das Bild erkennbar schwere Angriffe auf
Personen beabsichtigt oder eingeleitet haben.
Es reicht nicht für ein Bild ins Internet, wenn jemand eine 1000
Grad heisse Fackel in der Hand hält?
Halt, dann müssen wir das anders diskutieren: Ich verstehe nicht,
wieso Sportveranstalter nicht verhindern können, dass solche
Fackeln ins Stadion gelangen.
Die Sportveranstalter sagen, wenn so genau untersucht werden
müsste, müssten die Leute sechs Stunden früher anstehen.
Ja und? Nochmals: Ich verstehe nicht, dass Sportveranstalter nicht
verhindern können, dass verbotene Gegenstände ins Stadion
gelangen.
Datenschutz sei nicht Täterschutz, sagen Sie. In der Stadt Bern
ist Sozialhilfemissbrauch erleichtert worden, weil Daten verschiedener
Verwaltungen nicht ausgetauscht werden durften.
Wenn das wirklich so war, waren offenbar die kommunalen und kantonalen
Gesetze nicht so konzipiert, dass der Informationsaustausch
möglich war. Unser Ansatz ist der: Informationsfluss darf nur
unter der Voraussetzung stattfinden, dass er gesetzmässig korrekt
geregelt ist. Wenn der Gesetzgeber diese Voraussetzungen nicht schafft,
soll man nicht den Datenschützer prügeln.
Ein kommendes Thema ist E-Health: Alle meine Gesundheitsdaten, alle
meine Arztdaten werden elektronisch gespeichert. So können
Gesundheitskosten gesenkt werden. Aber auch hier sollen
Datenschützer die grössten Bedenken haben.
Stimmt nicht. Die Datenschützer sagen nur, dass einige Probleme
genau angeschaut werden müssen. Zum Beispiel muss sichergestellt
werden, dass nicht Leute ohne Berechtigung auf elektronische
Patientendaten zugreifen können. Mit dem elektronischen
Krankendossier braucht es hohe Sicherheitsanforderungen, und es muss
auch klar sein, dass die Hoheit über die Daten beim Patienten
bleiben. Er muss bestimmen können, welcher Arzt, welche
Institution über welche von ihm zur Verfügung gestellten
Gesundheitsdaten verfügen darf.
Der Datenschützer muss auch ein strenger Verfechter des
Bankgeheimnisses sein. Sind Sie das?
Da sehen Sie, wie jene, die permanent vom "Datenschutz als
Täterschutz" reden, in einen Widerspruch geraten:
Interessanterweise vertreten diese Kreise die Haltung, dass
Steuerhinterziehung durch das Bankgeheimnis geschützt werden soll.
Für mich ist Steuerhinterziehung ein deliktisches Verhalten, das
nicht durch das Bankgeheimnis geschützt werden kann.
Dringt da auch Ihre Vergangenheit als ehemaliger grüner Politiker
durch?
Nein, es ist nur konsequent. Die Aufklärung eines deliktischen
Verhaltens darf nicht durch eine Datenschutzargumentation verhindert
werden.
Es gibt auch die Verfechter eines strengen Datenschutzes, die nichts
dagegen hätten, wenn die Bankkonten von vermögenden Leuten
öffentlich würden.
Was ausserhalb des Strafrechts an Privatsphäre resultiert, muss
geschützt werden. Das gilt unterschiedslos für
Bankinformationen, für Gesundheitsinformationen, berufliche
Informationen und so weiter.
Internet, Datensammlungen von Staat und Wirtschaft - den
"gläsernen Bürger", der als Schreckgespenst dargestellt wird,
gibt es eigentlich schon.
Was heisst das? Natürlich gibt es heute sehr viele
Möglichkeiten, Informationen über eine Person
zusammenzustellen. Nichtsdestotrotz ist der Anspruch auf Schutz der
Privatsphäre nicht verhandelbar.
Trotzdem bleibt der Eindruck: Der arme Datenschützer kämpft
gegen Windmühlen.
Der Datenschützer reklamiert, wenn Konzepte zur Diskussion stehen,
die tendenziell die Privatsphäre beeinträchtigen. Jetzt kann
man behaupten, die Privatsphäre interessiere niemanden mehr. Dann
würde der Datenschützer überflüssig. Aber ich gehe
nicht davon aus, dass es dem Bürger wurscht ist, wie seine
Privatsphäre im öffentlichen Kontext beurteilt, bewertet und
genutzt wird.
Etwa beim Thema Videoüberwachung hört man oft Aussagen wie:
"Das ist mir egal, ich habe nichts zu verbergen."
Es gibt Dinge, die ich nur meinem besten Freund anvertrauen
möchte. Das in der Verfassung fest geschriebene informationelle
Selbstbestimmungsrecht besagt, dass - insofern nicht ein privater
Rechtfertigungsgrund oder eine staatliche gesetzliche Grundlage besteht
- der einzelne Bürger Herr über seine Daten ist. Er kann
seine Daten freiwillig zur Verfügung stellen. Es wird aber immer
wieder Leute geben, die das nicht wollen.
Sind Sie aber nicht sehr weit gegangen, als Sie gegen den Einsatz von
Drohnen zur Überwachung der Grenzgebiete datenschützerische
Argumente vorgebracht haben?
Wir haben nicht den Einsatz infrage gestellt, sondern nur gesagt:
Für den Einsatz von Drohnen gibt es keine ausreichende gesetzliche
Grundlage. Die Drohnen überwachen nicht nur Grenzen, sondern einen
Bereich von 30 Kilometern ab Grenze, sie etablieren eine qualitativ
andere Form von Überwachung als die früheren Grenzkontrollen.
Darauf haben wir hingewiesen. Es geht immer um das Gleiche: Der Staat
muss sein Verhalten durch gesetzliche Grundlagen legitimieren.
Daten, die von Drohnen gesammelt werden, sind doch vergleichbar mit
Daten, die durch Videokameras erhoben werden.
Nein, das ist eine andere Qualität. Die Drohnen fliegen über
unsern Köpfen und sehen auch in unseren Garten. Deshalb braucht es
eine gesetzliche Grundlage: Wer hat Zugriff auf die Bilder? Zu welchen
Bedingungen? Wann werden sie gelöscht? Das alles ist nicht
geregelt.
Sie haben einmal geschrieben: "Auf die Bürgerinnen und Bürger
kämen grosse Gefahren zu, wenn der Schutz der Privatsphäre
nicht gebührend berücksichtigt würde." Was wären
solche Gefahren?
Es ist eine Binsenwahrheit: Je mehr Sie über einen Menschen
wissen, über sein Konsumverhalten, über sein Denken,
über sein Freizeitverhalten, umso mehr kann dieser Mensch
gesteuert werden.
Das tönt nach Visionen à la "Schöne neue Welt" von
Aldous Huxley.
So weit würde ich nicht gehen. Aber alle Marketing- und
Werbekonzepte basieren darauf, dass sie Bereiche des Menschen
ansprechen, die vielleicht diesem betreffenden Menschen nicht so klar
bewusst sind. Als Datenschützer geht es mir darum, die
Einfallstore in einen Bereich, in dem der Mensch manipulierbar wird,
möglichst klein zu halten.
Werden Sie auf der Strasse häufig auf Ihre Tätigkeit als
Datenschützer angesprochen?
Ja, die einen finden meine Arbeit gut, die andern weniger. Das ist das
Spannende an der Arbeit eines Datenschützers, er muss sich durch
verschiedene Interessen navigieren. Der Preisüberwacher hat es
einfacher, er ist aus Sicht des Bürgers immer auf der richtigen
Seite.
Eine Mehrheit der Bürger ist heute wahrscheinlich der Ansicht, der
Datenschutz werde übertrieben.
Vielleicht. Aber nehmen Sie die Abstimmung über den
Biometrie-Pass. Das war eine der ersten gesamtschweizerischen
Auseinandersetzungen über den Datenschutz, ausgelöst durch
eine Generation, die sich mit dem Internet sehr gut auskennt.
Waren Sie gegen den Biometrie-Pass?
Nein, aber gegen die zentrale Speicherung der Fingerabdrücke.
Sie würden fast gegen die eigene Moral verstossen, wenn Sie
Besitzer einer Cumulus-Karte wären.
Das ist so. Ich habe keine Karte, aber man sollte auch nicht
übertreiben. Wir haben die Cumulus-Karte und die Supercard
angeschaut. Bei der Cumulus-Karte war klar, dass die Migros die
Informationen über ihr Einkaufsverhalten zu Marketing-Zwecken
ausnützt: Wenn Sie viele Windeln kaufen, wird man bei Ihnen
für andere Baby-Produkte werben. Das ist kein Problem, wenn das,
wie im Fall der Migros, klar kommuniziert wird. Coop tut das nicht.
Zweitens: Ich will nicht, dass solche Informationen, die einen
Marktwert haben, weiterverkauft werden. Oder wenn schon, dann braucht
es die Einwilligung der Betroffenen.
Kaufen Sie per Kreditkarte im Internet ein?
Nach Möglichkeit nicht. Es gibt Situationen, in denen sich das
nicht vermeiden lässt. Wenn ich bei Swiss einen Flug buche, ist
das unproblematisch, es handelt sich um eine Firma, die ich kenne. Wenn
ich aber einer mir unbekannten Firma auch die Rückseite der Karte
angeben muss und diese Identifizierung in falsche Hände
gerät, habe ich ein Problem.
Was ist, wenn Sie mit der Kreditkarte in einem Restaurant in
Süditalien bezahlen?
Das würde ich nicht tun. In einem Restaurant, das ich nicht kenne,
gebe ich die Kreditkarte nicht aus der Hand.
Man findet Ihre private Nummer nicht im Telefonbuch. Wieso nicht?
Schon als Politiker wollte ich nicht, dass ich in meiner
Privatsphäre tangiert werde.
Ihre Familie kommt ohne Facebook aus.
Ja. Ich habe kürzlich von einem Bekannten die Anfrage erhalten, ob
ich gerne sein Freund werden möchte. Da habe ich mir gedacht: Ich
bin ja schon sein Freund.
--
Hanspeter Thür
Hanspeter Thür, Jahrgang 1949, ist in Altstätten SG
aufgewachsen. An der Universität Basel studierte er Jurisprudenz.
1978 absolvierte er das Fürsprecherexamen. Danach arbeitete er als
Redaktor bei "Tat" und "Tages-Anzeiger" und ab 1983 als
selbstständiger Anwalt. 1985 wurde Thür für die
Grünen in den Grossen Rat des Kantons Aargau gewählt, 1987 in
den Nationalrat. Von 1995 bis 1997 war er Präsident der
Grünen Schweiz. 1999 trat er aus dem Nationalrat zurück. Seit
September 2001 ist er in einem 60-Prozent-Pensum eidgenössischer
Datenschutzbeauftragter und daneben Anwalt in Aarau. Hanspeter
Thür ist verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter. Er wohnt
in Aarau. (bur)
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HOOLIGAN-GRIPPE
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tagesanzeiger.ch 5.7.09
Maurer will mit Hooligans kurzen Prozess machen
SVP-Bundesrat Ueli Maurer möchte Hooligans direkt im
Fussballstadion vor ein Schnellgericht stellen.
Trotz kurzem Prozess: "Wir werden drei bis vier Jahre brauchen, bis man
eine spürbare Reduktion der Gewalt hat", sagte Maurer.
Diese Idee präsentierte der VBS-Chef in Interviews mit den
Zeitungen "Sonntag" und "Le Matin Dimanche".
Auch wenn solche Schnellgerichte hohe Kosten verursachten und
aufwändig seien, "hätten sie einen gewissen Effekt", sagte
Mauer. Es werde nun geprüft, "ob der Bund den Kantonen solche
Schnellverfahren vorschreibt - oder ob die Kantone diese selber
einführen wollen".
Internet-Pranger
Weiter plädierte Maurer für eine schweizweite Einführung
der Praxis einiger Kantone, Bilder von Hooligans im Internet zu
veröffentlichen.
Die Publikation im Internet erleichtere es, die Täter zu fassen -
auch wenn damit "eine gewisse Verletzung der
Persönlichkeitsrechte" einhergehe, argumentierte der Chef des
Eidg. Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und
Sport (VBS). Der Entscheid sei aber Sache der Kantone, schränkte
Maurer ein.
Schnelle Resultate dürfe man im Kampf gegen Hooligans nicht
erwarten. Die Situation sei komplex, das Vorgehen müsse mit vielen
Partnern abgesprochen werden. Der Bund selber habe keine
Handlungskompetenz. "Wir werden drei bis vier Jahre brauchen, bis man
eine spürbare Reduktion der Gewalt hat", sagte Maurer. (mbr/sda)
---
Sonntag 5.7.09
Reise ins Fussballland
Die kantonalen Polizeidirektoren wollen von England lernen
Wie haben andere Staaten die Gewalt im Fussball in den Griff bekommen?
Die Kantone wollen es wissen: Deshalb reist Anfang August eine
Delegation der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz
(KKJPD) nach Deutschland, Holland und England. "Wir wollen uns
darüber informieren, wie unsere ausländischen Kollegen die
Probleme gelöst haben", sagt der Bas-ler Sicherheitsdirektor
Hanspeter Gass. Klar ist: Gass ist mit dem Tempo nicht zufrieden bei
der Lösung des Krawall-Problems. Kantone, Gemeinden, Polizeikorps,
Klubs und Verbände sitzen zwar am runden Tisch von Sportminister
Ueli Maurer, konkrete Resultate können sie aber eine Woche vor dem
Saisonstart der Fussballmeisterschaft kaum liefern. Ueli Maurer glaubt,
dass die Schweiz noch "drei bis vier Jahre" brauche, "bis man eine
spürbare Reduktion der Gewalt hat". (BEN/att)
> Seiten 2 und 3
--
Ueli Maurer: "Wir werden vier Jahre brauchen"
Mit der Fussballsaison beginnt auch wieder die Krawall-Saison. Die
Polizeidirektoren sind in den Ferien, die Politiker auf Reisen. Derweil
haben die Klubs bereits Sofortmassnahmen getroffen
Wer muss das Krawall-Problem im Fussball lösen? Trotz rundem Tisch
schieben sich die Verantwortlichen gegenseitig den schwarzen Peter zu:
die politischen Behörden dem Fussballverband - und umgekehrt.
von Benjamin Bögli und Othmar von Matt
Die Aktivitäten wurden plötzlich hektisch. Der Basler
Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass schlug seinem Berner Kollegen Reto
Nause und der Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer ein Treffen
vor. Grund: Die Städte Zürich, Bern und Basel sind
unzufrieden mit den Resultaten, die Sportminister Ueli Maurers runder
Tisch ergeben hat.
Es sollte endlich vorwärtsgehen im Kampf gegen das Gewaltproblem
im Fussball. Telefon- und Mail-Kontakte hatten bereits stattgefunden.
Doch zu einem realen Treffen kam es trotzdem nicht - und wird es bis
zum 11. Juli auch nicht kommen. Obwohl dann die neue Fussballsaison der
Super League beginnt. Es waren die Sommerferien, die den drei
Polizeivorstehern einen Strich durch die Rechnung machten: Sie fanden
schlicht und einfach keinen Termin.
Sportminister Ueli Maurer reagiert gelassen auf die Kritik aus Bern,
Zürich und Basel. "Ich freue mich, wenn die Kantone finden, es
gehe zu langsam", sagt er im Interview (Seite 11 und 12) - und
hält fest: "Vor einem halben Jahr haben sie sich noch
gesträubt, etwas zu tun. Wenn sie nun endlich erwachen, ist das
gut." Der Bund selber habe "keine Handlungskompetenzen", betont Maurer.
"Er kann nur helfen, alle an einen Tisch zu setzen und gemeinsame Ziele
zu formulieren."
Maurer dämpft auch allzu optimistische Erwartungen. "Wir werden
drei bis vier Jahre brauchen, bis man eine spürbare Reduktion der
Gewalt hat", sagt er. "Wir können nicht verhindern, dass es auch
dieses und nächstes Jahr Spiele mit Ausschreitungen gibt." Eines
seiner möglichen Mittel gegen die Fussballgewalt sind
Justizschnellverfahren in den Stadien. "Wir prüfen, ob der Bund
den Kantonen solche Schnellverfahren vorschreibt", sagt Maurer.
Selbst wenn der Städtegipfel noch nicht zustande kam, bleibt auch
FDP-Regierungsrat Gass nicht untätig: Anfang August reist er mit
einer Delegation der Konferenz der kantonalen Justiz- und
Polizeidirektoren (KKJPD) nach Deutschland, Holland und England. "Wir
wollen uns darüber informieren, wie unsere ausländischen
Kollegen die Probleme gelöst haben." Für Gass ist der
dreitägige Abstecher in den Norden nicht bloss eine Bildungsreise.
"Die Ergebnisse unserer diversen Aktivitäten sind im Herbst zu
erwarten. In drei Monaten will ich der Basler Regierung konkrete
Resultate vorlegen", so Gass.
Das hilft im Moment aber weder den Klubs noch den Polizeikorps.
Für sie drängt die Zeit. Doch eine Woche vor Saisonstart
schieben sich die politi-schen Behörden und der Schweizeri-sche
Fussballverband (SFV) gegenseitig den schwarzen Peter zu.
So fordert der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause, dass der
Verband sein bestehendes Regelwerk "rigoros umsetzen" müsse. Ganz
anders sieht das der SFV-Sicherheitsverantwortliche Ulrich Pfister: "Am
Schluss müssen die einzelnen Klubs und die Behörden am
Spielort die Sicherheit garantieren und verantworten."
Eine engere Zusammenarbeit zwischen den drei grossen
Fussball-Städten, wie sie sich Hanspeter Gass vorstellt, gefiele
dem Verband aber. Denn: "Mir fehlt eine einheitliche Einsatzdoktrin der
Polizeikorps an den einzelnen Spielorten", sagt Pfister, "die sind zu
unterschiedlich und erschweren eine gesamtheitliche
Problemlösung." Überstürzen will Pfister nichts. Auch
Gass glaubt nicht an kurzfristige Aktionen: "Ich habe nicht den
Anspruch, eine Lösung innerhalb von zwölf Stunden zu finden."
Neue polizeiliche Massnahmen habe er in Basel auf den Saisonstart hin
keine vorgesehen.
Ulrich Pfister nimmt die Vereine in die Pflicht. "Wir fordern die Klubs
auf, ihre Hausaufgaben zu machen - eine konsequente Durchsetzung des
Stadionverbots." Im Zürcher Letzigrund etwa wurden bisher nur ganz
wenige Stadionverbote nach Delikten ausgesprochen, in der Fanszene
spricht man von einem oder zwei. Anders in Bern: 61 YB-Anhänger
erhielten laut YB-Verwaltungsrat Stefan Niedermaier ein Stadionverbot.
Immerhin können die Klubs als bisher einzige mit konkreten
Massnahmen aufwarten, die bereits am Saisonstart greifen (siehe
Bildboxen oben). Bei YB setzt man mehr Sicherheitspersonal ein. Im
Zürcher Letzigrund, wo der FC Zürich und GC ihre Heimspie- le
austragen, will man die Videoüberwachung ausbauen. Und sowohl beim
Sankt-Jakob-Park in Basel als auch im Stade de Suisse in Bern sind
bauliche Massnahmen im Gang, um die Fan-Sektoren besser zu trennen.
Der unkonventionellste Vorschlag kommt aber von einem Fussballprofi und
wäre - mit gutem Willen - noch vor dem Saisonstart realisierbar:
"Fussballer könnten sich zusammentun und eine Kampagne gegen
Gewalt in den Stadien starten", sagt Ex-Nationalspieler Bruno Berner,
der heute in England bei Leicester City spielt. "Vielleicht sogar mit
der Unterstützung der Regierung, von Journalisten und friedlichen
Fans, wie in England."
--
FC Luzern (Stadion Gersag, Emmenbrücke)
In der kommenden Saison trägt der FCL die Heimspiele in
Emmenbrücke aus. Zur Erhöhung der Sicherheit hat der Klub
Anfang Woche 42 neue Stadionverbote ausgesprochen. Zusätzlich
setzt er eine Belohnung von 3000 Franken aus für Hinweise, welche
den Täter anlässlich des Barrage-Rückspiels FC Luzern -
FC Lugano vom 13. Juni 2009 überführen.
FC Basel (St.-Jakob-Park)
Der FC Basel hat gleich viel Sicherheitspersonal wie in der letzten
Saison. Bauliche Massnahmen ums Stadion sind geplant. Konkret wollte
der FCB-Sicherheitsverantwortliche Gerold Dünki jedoch nicht
sagen, worum es geht. Noch darf er die entsprechenden Massnahmen nicht
verraten. Zudem existiert beim FC Basel ein Fanprojekt.
Berner Young boys (Stade de Suisse)
Zwei Millionen Franken (90 000 Franken pro Spiel) investieren die Young
Boys in die Sicherheit - sie soll jetzt optimiert werden. Das
Sicherheitspersonal wird aufgestockt. Ein Korridor für
Gästefans wird errichtet, damit die Fangruppen besser getrennt
werden. Das Pensum für den Fan-Koordinator wird um 50 Prozent
erhöht - auf eine 100-Prozent-Stelle.
FC St. Gallen (AFG-Arena)
Der Aufsteiger wird diese Saison mehr Risikospiele austragen
müssen als letzte Saison. Deshalb braucht es situativ mehr
Sicherheitspersonal. Auch bauliche Anpassungen werden vorgenommen: Im
Stadion werden die Fansektoren besser getrennt. Zudem gibts zwei
zusätzliche Drehkreuze beim Eingang.
FC Zürich (Letzigrund)
Im Stadion des FC Zürich wird das Sicherheitskonzept
überarbeitet. Die Schulung des Sicherheitspersonals wird
verbessert und die Videoüberwachung ausgebaut. Die Fansektoren
werden intensiver kontrolliert und es wird mehr Personenkontrollen
geben.
Grasshoppers club Zürich (Letzigrund)
Bei den Grasshoppers bleibt das Sicherheitsdispositiv
grundsätzlich gleich wie letzte Saison. Da die Fangemeinde relativ
klein ist, sind auch die Probleme überschaubarer als beim
Stadtrivalen FCZ. Alex Sauber, Verantwortlicher des GC-Spielbetriebs:
"Wir hatten in der letzten Saison keinen sicherheitsrelevanten
Zwischenfall im Letzigrund."
--
Das grosse Interview mit Bundesrat Ueli Maurer
"Bundesrat würde auch mit 7 Tessinern funktionieren"
VBS-Chef Ueli Maurer sagt, was die Schweiz gegen die Hooligans
unternimmt, warum man bei der Armee nicht sparen darf - und weshalb die
USA kein verlässlicher Verhandlungspartner sind.
Von Othmar von Matt, Florence Vuichard (Text) und André Albrecht
(Bilder)
(...)
Nächsten Samstag beginnt die Fussballmeisterschaft, doch eine
Lösung gegen die Krawalle gibt es noch nicht.
Wir haben zum ersten Mal alle Akteure an einen Tisch gebracht. Es
besteht Einigkeit über das Ziel: Alle wollen die Gewalt
reduzieren. Immerhin findet ein gewisser Erfahrungsaustausch statt, das
war bis anhin nicht so. Die Klubs, Kantone und Polizeien können da
von den Erfahrungen der anderen profitieren.
Ein konkretes Beispiel?
Nehmen wir die Fanbetreuung: Fans müssen rund um die Uhr von den
Vereinen betreut werden - hier sollten die Klubs ihre Rezepte
austauschen. Die meisten Fans wollen ja keine Gewalt, sondern einen
guten Match. Diese positiven Fans sollten mehr Einfluss nehmen,
ausgleichend einwirken. Sie müssen wissen, dass Gewalt und Krawall
ihrem Klub schaden. Heute funktioniert das noch nicht. Die Klubs
müssen ihre Fans ausbilden, ihnen Kurse geben.
Nach sechs runden Tischen wartet man noch immer auf Resultate.
Die Situation ist komplex. Erstens müssen der Fussballverband, die
Vereine, die Fanbetreuer und die privaten Sicherheitsdienste in den
Stadien koordiniert vorgehen. Deren Vorgehen muss auch mit anderen
Partnern abgesprochen werden - mit der Polizei, den Kantonsregierungen,
dem öffentlichen Verkehr. Alle müssen zusammenarbeiten.
Könnte der Bund nicht mehr tun?
Der Bund hat keine Handlungskompetenzen. Er kann nur helfen, alle an
einen Tisch zu setzen und gemeinsame Ziele zu formulieren. Durchsetzen
müssen sie die Partner. Ich stehe nicht mit dem Wasserwerfer im
Stadion.
Der Weg über die runden Tische geht vor allem Bern zu langsam.
Ich freue mich, wenn die Kantone finden, es gehe zu langsam. Sie
brauchten sehr lange, um sich überhaupt bewusst zu werden, dass
Probleme bestehen. Vor einem halben Jahr haben sie sich noch
gesträubt, etwas zu tun. Wenn sie nun endlich erwachen, ist das
gut.
Wann werden wir bei Fussballspielen keine Gewalt mehr haben?
Das wird einige Zeit brauchen. Deutschland und England brauchten fast
zehn Jahre. Wir beginnen erst in dieser Saison ernsthaft damit, das
Problem in den Griff zu bekommen. Wir werden drei bis vier Jahre
brauchen, bis man eine spürbare Reduktion der Gewalt hat. Wir
können nicht verhindern, dass es auch dieses und nächstes
Jahr Spiele mit Ausschreitungen gibt.
Gibt es sonst noch Möglichkeiten, die Gewalt einzudämmen?
Abschreckend wäre sicher, die Straftäter gleich im Stadion im
Schnellverfahren zu verurteilen. Heute liegt der Entscheid dafür
bei den Kantonen. Es ist natürlich aufwändig, ein solches
System einzuführen: Es braucht spezielle Untersuchungsrichter,
Gerichtsschreiber und Räume im Stadion für Einvernahme und
Festhalten. Solche Räume gibt es aber nur in den wenigsten Stadien.
Das wird nun ernsthaft geprüft?
Wir haben das im Justizdepartement abklären lassen: Ein Kanton
kann heute ein Schnellverfahren durchführen, wenn es in seiner
Strafprozessordnung vorgesehen ist. Wir prüfen, ob der Bund den
Kantonen solche Schnellverfahren vorschreibt - oder ob die Kantone
diese selber einführen wollen. 2010 wird das aber kaum schon
funktionieren.
(...)
---
Sonntag 5.7.09
Überwachung scheint zu wirken
Das Sicherheitskonzept beim Uhrencup in Grenchen baut auf Kameras
Mit Kameras sollen Randalierer identifiziert und angezeigt werden,
hatten die Organisatoren des Grenchner Uhrencups angekündigt. Der
erste Abend mit Panathinaikos - Young Boys verlief jedenfalls friedlich.
Von Hans Peter Schläfli
Barfuss stand Sascha Ruefer zwei Stunden vor dem Anpfiff des ersten
Matches des Uhrencups auf dem Rasen des Stadions Brühl und schaute
sorgenvoll Richtung Westen. Dem Organisator des Uhrencups gefiel gar
nicht, was er da sah: Schwarze Wolken zogen von Romont her Richtung
Grenchen. "Das Gewitter könnte zu einem Sicherheitsproblem werden,
wenn die Leute vor den Eingängen drängeln und ungeduldig
werden", sagte Ruefer. Unangenehm auch, dass das Gewitter ausgerechnet
dann mit aller Macht loslegte, als sich die Zuschauer daheim
überlegten, ob sie an den Match gehen sollten. Das drückte
sicher die Zuschauerzahl. Rechtzeitig vor dem Anpfiff hatte sich der
Sturm wieder gelegt - Entwarnung von dieser Seite also.
"Viele Familien mit Kindern kommen ins Stadion, da ist es so schade,
dass sich immer wieder ein paar wenige nicht anständig
aufführen können", meinte YB-Goalie Marco Wölfli im
Vorfeld des Uhrencups. Er habe gelesen, dass die Organisatoren diesmal
die Randalierer hart anpacken wollen, weil es vor einem Jahr einige
Probleme gegeben hatte. Doch Wölfli erkennt die Schwierigkeiten:
"Es wird immer schwieriger, für die Sicherheit zu sorgen, weil es
Leute gibt, die die Vorkehrungen austricksen wollen."
Wölflis Informationen waren richtig. Über dem
blau-weissen WC-Häuschen wurde im Grenchner Brühl ein
Sicherheitsposten aufgebaut. Die Scharmützel im Anschluss an das
letztjährige Finalspiel Basel - Dortmund hatten die Veranstalter
gezwungen, ihr Sicherheitskonzept zu überarbeiten. Bei der 48.
Austragung soll ein Zeichen gegen Randalierer und Chaoten gesetzt
werden. Durch ein Video- und Fototeam im Stadion sollen
Übeltäter eruiert und bei der Polizei angezeigt werden. Falls
Täter nicht identifiziert werden können, sollen diese im
Internet an den Pranger gestellt werden. "Wichtig war es, dass das
harte Durchgreifen allen bekannt ist", glaubt der Lengnauer
Fernsehmoderator an die präventive Wirkung dieser Massnahmen.
Sympathisch die Idee, an die Zuschauer eine nummerierte Stadionordnung
abzugeben. Und damit daraus nicht einfach ein weiteres Stück
Papier im Müll wurde, verschenkte der Uhrencup an eine ausgeloste
Nummer eine Uhr. Auch die Eingangskontrollen sind verstärkt
worden. "Wir haben alles gemacht, was in unseren Möglichkeiten
liegt", sagte Roger Rossier, der Sicherheitsverantwortliche des
Uhrencups. "Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen. Von unseren 300
Helfern sind etwa 50 für die Sicherheit eingeteilt. Zum Einsatz
der Polizei kann ich aber keine Auskunft geben." "Wir können aber
das Stadion nicht neu bauen", relativierte Ruefer die
Möglichkeiten der Turnier-Organisatoren. "Wir haben zum Beispiel
auf der östlichen Stehrampe Geländer montiert, damit man dort
nicht mehr herumrennen kann. Es waren letztes Jahr schätzungsweise
15 Randalierer, und wir hatten 40 Polizisten im Stadion. Was passiert,
wenn wir 100 Polizisten hier haben, und plötzlich 500
Randalierer?" Das Problem sei ein gesellschaftliches, und von der
Uhrencup-Organisation unternehme man alles, um die Situation im Griff
zu behalten.
Ob es nun die Null-Toleranz- Strategie war, die wirkte? Da sich am
ersten Abend alle Fussballfreunde in Grenchen friedlich verhielten,
wurde zumindest nicht das Gegenteil bewiesen.
---
Limmattaler Tagblatt 4.7.09
Meinung
Sitz! Platz! Eine Polemik
Ist Gewalt in Stadien mit Ausmerzung von Stehplätzen zu besiegen?
Lukas Tonetto
Die Allmend Brunau am Rand von Zürich ist so konturlos wie sonst
nur ausgestecktes Bauland. Dennoch prägen zwei Merkmale diesen
abseitigen Flecken Erde. Oft schon im Morgengrauen wird die Ruhe der
Allmend von Gebell und einem hitzigen Staccato aus
"Sitz!"-"Platz!"-Rufen zerrissen. Ganz in der Nähe dieses
akustischen Quodlibets traben lockeren Fusses die Profis des FC
Zürich. Die Gelassenheit des Schweizer Meisters konterkariert die
hektischen Befehle, auch wenn diese nicht bis an die Ohren der Spieler
dringen. Zumal ein Grossteil der Meistertruppe mit der Sprache
Molières aufgewachsen ist. "Sitz!", "Platz!" klingt in ihren
Ohren so sinnentleert wie umgekehrt "gradins". Vielleicht gerade, weil
es das Gegenteil bedeutet. "Gradins" werden in Westschweizer Stadien
die Stehplätze genannt. Ebenso heftig wie um Punkte wird im
Schweizer Fussball immer wieder um die Stehplätze gerungen. Worte
haben ihre Geschichte. Der Zeitgeist verändert vieles, auch Worte.
"Stehplatz" ist so ein Wort und bezeichnete einst nichts weiter als
einen Bezahlort, von dem aus man stehenden Fusses einem Spektakel
beiwohnen konnte. Heute jedoch löst das Wort "Stehplatz"
ähnlich mulmige Gefühle aus wie "Schweinegrippe". Die
zufällige Gemeinsamkeit liegt darin, dass zwar kaum jemand davon
betroffen ist, sich darob aber dennoch eine diffuse Furcht verbreitet.
Keiner spricht dabei über Stehplätze mit so ernsten Mienen
wie die etatistischen Meinungsmacher vom Leutschenbach. Denn die
Fangewalt kennt offenbar nur einen Wirt: den Stehplatz! Von der
angeblichen Ursache bis zur Dämonisierung ist es dann nur noch ein
kleiner Schritt. Diese Verteufelung wird angeführt vom scheinbar
inoffiziellen Mediensprecher des Fifakönigs Joseph S., von dessen
Landsmann und Dialektknappen Rainer Maria S. Wer soll gegen solche
Hors-Sol-Meinungspenetranz auftreten? Immerhin steht auf den mit
Gebühren finanzierten Plakaten in Buchstaben so hell und rot wie
Blut "idée suisse", als ob die Chefideologen die Rechte auf
Swissness gepachtet hätten. Der Ausgang der volksfinanzierten
Fussballsendungen bleibt absehbar wie das Amen in der Kirche: Nach
jeder Pyroshow pilgert das gutmütige Schweizer Fernsehen SF zum
grossen Jospeh S., um dessen stereotypisches Votum kontra
Stehplätze einzuholen. Keiner käme auf die schlichte Idee,
einmal nur einen gewöhnlichen Stehplatz-Zuschauer zu fragen, warum
man einem Fussballspiel auch von der Rampe aus ganz angenehm beiwohnen
kann. Die Meinung ist gemacht: Stehplätze sind wie
Schweinegrippeviren und deshalb auszurotten. Eine Lüge wird auch
durch stete Wiederholung nicht wahrer. Die nur durch Sitzplätze zu
erreichende Gewaltlosigkeit gehört in diese Lügenkategorie.
Das letzte Spiel der Kontrahenten FCZ und FCB beweist, wie wenig
Sitzplätze und Sicherheit zusammenhängen. Aufmerksame
Beobachter haben nur Chaoten gesehen, aber keine Stehplätze.
Petardenwürfe, ja, aber von Sitzplatz zu Sitzplatz. Trotz
Sitzplätzen kam es schon im Letzigrund zu Gewalttätigkeiten.
Dennoch forderte der Allmächtige vom Sonnenberg am selbigen Abend
einmal mehr lauter Sitzplatzarenen. Absurder ist nur der TV-Mann vom
Schweizer Fernsehen, der diese verbale Absurdität nicht
ansatzweise infrage stellte. Das Problem der Gewalt kann durch
Sitzplätze nicht gelöst werden, und dort liegt der Hund
begraben: Es geht nur vordergründig um die Verhinderung von
Gewalt. Die Oberen des Fuss-balls wollen etwas anderes: Geld. Und Ruhe
will eine Bevölkerung, die nichts so sehr fürchtet als das
nackte Chaos, das vom SF in Fussballstadien gefunden und
wohnzimmergerecht aufbereitet wird. Für solch
eingeschüchterte Bürger sind dann nicht nur Chaoten, sondern
alle Stehplatzbesucher ein dankbares Opfer. Damit spielt sich der
schlaue Walliser Joseph S. mit seiner Forderung nach Sitzplätzen
gekonnt als Volksfreund auf. Hinter solcher Gockelei verbirgt sich aber
die längst nicht mehr heimliche Triebfeder nicht nur der Fifa,
sondern aller Klubs: Geld. Zwar ist der Unterhalt einer modernen
Sitzplatzarena insgesamt teurer, aber dank höheren
Eintrittspreisen bleiben Sitzplätze allemal ein lukratives
Geschäft. Insbesondere, weil diese Stadien in vielen Fällen
auf öffentlichem Grund stehen und von der öffentlichen Hand
wenigstens mitfinanziert werden. Nur ein Tor könnte solch ein
präsidiales Plazet pro Sitzplätze verargen. Ein Ja an der
Urne ist damit programmiert, denn nach über zehnjähriger
Indoktrination durch Fifa und SF glaubt auch der letzte
Stimmbürger den Unsinn, der über Stehplätze verbreitet
wird. Zürich will seit Jahren ein zweites Stadion bauen. Das
neueste Stadionprojekt ist zwar kleiner, aber auch nur mit
Sitzplätzen und einem geheizten Fernsehstudio geplant, damit
Matthias H.s Permafröhlichkeit in der nächtlichen
Novemberkälte nicht einfriert. Statt des Hardturm-Areals käme
als Standort zwar auch die Allmend Brunau infrage. Ob dann die
ruhebedürftigen Hündeler aber immer noch so laut "Sitz!",
"Platz!" schreien würden, muss ernsthaft bezweifelt werden.
Gastautoren äussern in ihren Beiträgen ihre persönliche
Meinung. Heute:
Lukas Tonetto, 35. Der gebürtige Aarauer studierte Germanistik und
Anglistik, ist Inhaber der Firma The Trigger und lebt in Zürich.
Sein Buch über Fussballmetaphorik erscheint im kommenden Jahr.
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POLIZEI(ÜBER)GRIFF
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Freies Sender Kombinat (Hamburg) 5.7.09
Interview zur Ausstellung "Vom Polizeigriff zum Übergriff"
Wir sprechen mit einem der Macher der Ausstellung "Vom Polizeigriff zum
Übergriff" über die Intension, diese Ausstellung zu machen
und über deren Inhalte.
http://www.freie-radios.net/mp3/20090705-interviewzu-28868.mp3
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ANTI-ATOM
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Sonntagszeitung 5.7.09
Gefährliche Entsorgung von Uran in Russland
Schweizer Kernmaterial wird in maroden Atommeilern eingesetzt
von Catherine Boss
Bern Abgebranntes Kernmaterial aus Schweizer AKW wird in
gefährlichen russischen Atomreaktoren entsorgt. Bis zu 80 Prozent
des Schweizer Materials landen - ohne jede Kontrolle durch die
Schweizer Behörden - in Atommeilern des Ostens.
Diese Entsorgung widerspricht der Idee des Kernenergiegesetzes. Es
hält fest, dass die Schweizer AKW-Betreiber Buch führen
müssen, wo das verbrauchte Material im Ausland lagert. Das
Bundesamt für Energie legt jedes Jahr eine Liste der Lagerorte im
Ausland vor. Nur: Auf dieser Liste figurieren beträchtliche Mengen
des Materials nicht.
So funktioniert die bislang nicht bekannte Entsorgungspraxis: Die
Betreiber der AKW Gösgen, Beznau, Mühleberg und Leibstadt
lieferten in den letzten Jahren die abgebrannten Brennelemente in die
Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague (F) und Sellafield (GB). Dort
wird das Material in Abfälle, Plutonium und
Wiederaufarbeitungsuran getrennt. Die Abfälle und das Plutonium
gelangen zurück in die Schweiz. Das Plutonium wird als
Mox-Brennstäbe wieder eingesetzt, der Abfall zwischengelagert. Das
Uran hingegen verschwindet zu einem grossen Teil aus der Schweizer
Stoffbuchhaltung. Grund: Die Schweizer AKW geben es weiter. Die
französische Firma Areva bestätigt: "Es wird uns durch unsere
Kunden zur Verfügung gestellt." Später gelangt es laut
Kernkraftwerk Gösgen AG in den "Besitz der russischen
Unterlieferanten".
Mit diesem Besitzerwechsel müssen sich die Schweizer AKW an keine
Buchhaltungspflicht mehr halten - der heisse Stoff entschwindet in eine
unkontrollierbare Grauzone. Marianne Zünd vom zuständigen
Bundesamt für Energie sagt dazu: "Sobald das Material nicht mehr
im Besitz der Schweizer Werke ist, können wir nicht kontrollieren,
wo sich das Material befindet."
Die Betreiber des AKW Gösgen sehen darin kein Problem
Laut Schätzungen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA
wird 25 Prozent dieses Materials in Russland durch Anreicherung mit
Uran aus U-Boot-Reaktoren in hochwertigen Brennstoff umgewandelt. Die
Areva liefert diesen Stoff ihren Kunden im Westen zurück - auch
der Schweiz. Der grosse Rest, nämlich 75 Prozent, bleiben laut
IAEA-Quellen in Russland, wo er als minderwertiger Brennstoff in alten
Reaktoren eingesetzt wird. Das bestätigt die russische
Atomenergiebehörde: Das gewonnene Material "wird in allen
Reaktorblöcken des Typs RMBK-1000 benutzt".
Russland betreibt 11 RMBK-Atomkraftwerke. Sie gelten als
gefährlich. Litauen ist nur mit der Verpflichtung in die EU
aufgenommen worden, solche Werke abzuschalten. Das
US-Energiedepartement kritisiert Sicherheitsmängel. Die Betreiber
des AKW Gösgen sehen kein Problem: Der ganze Prozess unterstehe
der Qualitätskontrolle von Areva und der Kernkraftwerk Gösgen
AG.
Von der SonntagsZeitung über diese Praxis informiert, reagieren
Politiker verärgert. "Es ist äusserst fragwürdig, wenn
minderwertiges Material, das wir in unseren AKW nicht mehr einsetzen
können, in Russland in Anlagen eingebaut wird, die unseren
Sicherheitsstandards nicht genügen", sagt die grünliberale
Ständerätin Verena Diener. Sie ist Mitglieder der Kommission
für Umwelt, Raumplanung und Energie.
Dies sei sicher nicht die Meinung des Gesetzgebers gewesen, sagt die
FDP-Ständerätin Erika Forster. "Wir sind klar von einer
lückenlosen Rückverfolgbarkeit ausgegangen." Sie war 2001 bei
der Beratung des neuen Kernenergiegesetzes Präsidentin der
zuständigen Kommission.
Ständerat Eugen David (CVP) ist überrascht, dass so viel
Material, das ins Ausland geht, nicht mehr in die Schweiz
zurückkommt. "Die Ausfuhr von abgebrannten Brennstäben aus
Schweizer AKW nach La Hague und Sellafield ist ein grosses Risiko." Sie
dürfe vom Departement Leuenberger nach geltendem Gesetz nur
bewilligt werden, wenn der Schutz von Mensch und Umwelt
gewährleistet sei. Diese Bedingung sei nicht erfüllt, wenn
das aufbereitete Material in Länder verkauft werden könne,
deren AKW nicht den Schweizer Sicherheitsstandards entsprächen.
"Das Risiko ist zu gross, dass gefährliche AKW damit
gefüttert werden oder das radioaktive Material für die
Herstellung von Atomwaffen verwendet wird", so David.
SP-Nationalrätin Ursula Wyss will handeln: "Wir müssen diesen
Besitzerwechsel unterbinden - oder die Wiederaufbereitung verbieten.
Das Kernenergiegesetz muss angepasst werden."
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GIPFEL-SOLI-NEWS 6.7.09
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gipfelsoli.org/Newsletter
6.7.09
6.7.2009 L'Aquila
- Vademécum Antirepression G-8, July 2009
- Digos-Operation
- G8 - 21 Verhaftungen in den größten italienischen
Städten
- Universität - G8-Verhaftungen in Turin, Rektorat der Sapienza
besetzt
- Der G8 der Aquilaner: "Wir erwarten euch beim G8!"
- No Dal Molin von Polizei aufgehalten
- Videos/ Photos: Vicenza unter Besatzung
- G8 Demonstration in Berlin kriminalisiert
- Communiqué zur Verhaftung von Alessandro und Sergio
Mehr: http://info.gipfelsoli.org/Newsletter/7436.html
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G8 L'AQUILA 2009
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Indymedia 5.7.09
Der zynischste aller G8 Gipfel - in den Abruzzen
AutorIn
: ((i)) | übersetzt von : ((i))
Vom 8. bis 10 Junli findet in L'Aquila der G8 Gipfel 2009 statt.
Das
x-te unnötige Schaufenster für die Spitzen der sogenannten
"Welt
Regierungen" welches den Titel "Wir sind Produzenten von Sicherheit"
trägt, führt in seiner Tagesordnung Themen wie: die
Reorganisation der
Polizei und der Armee, das Klima, Rohstoffe, Ernährung/Versorgung
und
Migration.
Nach dem tragischen Erdbeben,
welches die Abruzzen heimgesucht hat, wurde der Gipfel, welcher anfänglich
in Maddalena (Sardinien) vorgesehen war,
nach L'Aquila, dem Hauptort der Abruzzen, verlegt. Die italienische
Regierung hat so entschieden den Notstand durch das Erdbeben und das Drama tausender
Personen
auszubeuten, um sie als menschliches Schild in den Konfrontationen des
Dissens zu benützen. Es ist in der Tat offensichtlich, dass die
Wahl
L'Aquilas zum Ziel hat, jeden möglichen Protest zu
beschwören, indem
mit dem "Ausnahmezustand" gewedelt wird, um die Bevölkerung in den
Zeltstädten zu halten und - trotz allem - jeden zu delegitimieren,
welcher entschieden hat zu demonstrieren.
Die Proteste der AquilanerInnen [1 - 2] gegen diesen
G8, sowie die 500
Millionen Euro
(vom Geld für den Wiederaufbau entzogen), die in die
Ausrüstung der
Kaserne der Finanzwache, die den G8 beherbergt, investiert wurden,
scheinen für die Organisatoren des Gipfels kein Problem
darzustellen.
Trotz des Zynismus und der Manöver der
Regierung, wird auch dieser italienische G8 von Protesten
und Initiativen gezeichnet sein.
Es
wurde ein mehrsprachiges Netzwerk auf Indymedia eingerichtet, wo alle
Informationen im Bezug auf die Proteste zusammenlaufen: g8.italy.indymedia.org
Weitere Informationen sind auch auf Indymedia Abruzzo
verfügbar
::Informationen zu Mobilisierungen::
[10. Juli] Landesweite
Demonstration in L'Aquila
[4. Juli] 600 Personen in Berlin
gegen den G8 und die Sicherheitspolitik
Termine
auf Indy Abruzzo
::Andere Informationen::
Schengenabkommen
für den G8 aufgehoben
Info AntiRep und
für die, die an der
Grenze aufgehalten werden
::Aus dem Newswire (ch.indymedia.org)-
zum G8 in
den Abruzzen::
[04.07|it] Bloccare tutto
[02.07|it] Il loro
"sviluppo" genera crisi
[29.06|de] No G8!
[27.06|en] G8 2009. From
Rome, looking at L'Aquila and the World
[25.06|de] Soli-Party
für die Betroffenen des Erdbebens in l´Aquila
::Nützliche Links::
Thematisches
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Thematisches G8 Archiv
auf dem italienisch-sprachigen indymedia der Schweiz