MEDIENSPIEGEL 6.7.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Anti-Rep-Demo Biel
- Anti-Rep-Demo Zürich
- Squat Zug
- Rundschau Rauchverbot BE
- Neu: Betteldrama Season 2009 auch in Thun
- Sempach: Juso Schweiz schreibt Regierungsrat LU
- Neonazi-BBQ: keine Nazis in Schönenwerd
- NZZ-Leserbrief zu Homohass-Songs
- Big Brother: Videoüberwachung; Datenschutz
- Hooligangrippe: Schnellgerichte; Internetpranger; England-Reisli
- Ausstellung "Vom Polizeigriff zum Übergriff"
- Anti-Atom: CH-Uran - Entsorgung in Russland
- Gipfel-Soli-News 6.7.09
- G8 L'Aquila 6.7.09: Indy-Feature

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REITSCHULE
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Mi 08.07.09
19.00 Uhr - SousLePont - Schottland Spezialitäten

Do 09.07.09
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter Special - DJ Dunch, DJ FRATZ, Janine, Mike & DJ ELfERich
22.00 Uhr - Rössli - DJ TELESTAR - Anti-Folk

Fr 10.07.09
21.00 Uhr - Vorplatz - Batrider (NZ) - Some kind of Grunge

Sa 11.07.09
21.00 Uhr - Vorplatz - DJ Lazerlight Lepra (BE)

So 12.07.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ@Vorplatz
21.00 Uhr - Dachstock - Isis (USA/Ipecac/Hydrahead). Support: Destruc-to Swarmbots (USA)

Infos: www.reitschule.ch


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ANTI-REP-DEMO BIEL
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BZ 6.7.09

Demo der Linken

Am Samstagnachmittag trafen sich gegen hundert Personen zu einer Demonstration in Biel. Sie verlief ohne Zwischenfälle. Zur Demo gerufen hatte die Bieler Aktive linke Szene. Eine Interessengruppe, die sich Ende März zusammengetan hatte. Grund für die Demo war die DNA-Entnahme an den Hausbesetzern "Familie von Allmen" durch die Kantonspolizei. Den Tross begleiteten Gemeinderätin Barbara Schwickert, Sicherheitsdelegierte André Glauser und 70 Polizisten. Die Demonstration war angemeldet und bewilligt worden.

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bernerzeitung.ch 4.7.09

Proteste gegen Polizeigewalt

Rund hundert Menschen haben am Samstag in Biel gegen Polizeigewalt protestiert. Sie zogen mit dem Slogan "le contrôle c'est pas drôle" durch die Innenstadt.

Die Demonstranten aus der alternativen Szene setzten sich vor allem gegen DNA-Proben zur Wehr, welche die Polizei bei der Räumung eines Hauses bei Hausbesetzern durchgeführt hatte.

Mit dem Slogan "le contrôle c'est pas drôle" prangerten sie den neuen Trend zur Fichierung der Bevölkerung an. Die bewilligte Demonstration verlief friedlich. Der Protestzug verweilte einige Minuten vor einem Gebäude der Berner Kantonspolizei, das mit Metallgittern gesichert worden war. (zes/sda)

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ANTI-REP-DEMO ZÜRICH
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NZZ 6.7.09

Festnahmen nach schweren Ausschreitungen

Unbewilligte Kundgebung in der Nähe des Caliente-Festivals

 bai. Die Situation am Helvetiaplatz am Samstagabend ist ohnehin schon unübersichtlich gewesen. Tausende Besucher tummelten sich am Caliente-Festival. Zu einer Zeit, als das Festival seinen Besucher-Höhepunkt erreicht hatte, kam es in der Nähe des Latino-Festivals aufgrund einer unbewilligten Demonstration zu Ausschreitungen. Der Sachschaden beträgt mehrere hunderttausend Franken. Ein Polizist wurde durch herumfliegende Glassplitter leicht verletzt.

 Nach Polizeiangaben versammelten sich kurz nach 21 Uhr rund 70 vermummte Personen, die der linksautonomen Szene zuzuordnen sind, am Helvetiaplatz an der Ecke Langstrasse/Stauffacherstrasse. Die Chaoten waren einem Internet- und Flugblatt-Aufruf gefolgt, gegen den Polizeieinsatz vom vergangenen 30. Mai in Biel zu demonstrieren. Es hiess, ein 17-Jähriger sei damals auf der Flucht vor der Polizei von einem Zug erfasst worden und ums Leben gekommen. In Biel fand am Samstag eine ähnliche Demonstration statt, bei der es ebenfalls zu Ausschreitungen kam. Für die Stadtpolizei bedeutete dies laut einem Sprecher eine Herausforderung, da zur gleichen Zeit das Festival am Helvetiaplatz in vollem Gange war. Daher war man mit einem Grossaufgebot vor Ort. Die Kundgebung zog von der Stauffacherstrasse in die Feldstrasse und Ankerstrasse bis an die Weststrasse. Die Krawallanten beschädigten diverse Gebäude, indem sie Steine und Farbbeutel gegen Fassaden und Fenster warfen. Insbesondere der Securitas-Bau an der Kalkbreitestrasse wurde massiv beschädigt, aber auch das Amt für Justizvollzug an der Feldstrasse, die Polizeiwache in Wiedikon, eine UBS-Filiale, eine weitere Bank, das Geschäft eines Velohändlers sowie eine Schneiderei. Darüber hinaus wurden drei Fahrzeuge in Brand gesteckt, zwei brannten vollständig aus. Die Polizei löste die Demonstration mit einem kurzen Gummischroteinsatz auf. Gegen 22 Uhr beruhigte sich die Lage wieder. Während der Ausschreitungen wurden sieben Personen festgenommen, im Laufe der Nacht drei weitere.

 Die Inhaftierten, unter ihnen zwei Frauen und acht Männer, stammen aus der Schweiz, Österreich, Litauen und den USA. Sie sind zwischen 14 und 32 Jahre alt. Acht Personen wurden bis am Sonntagmorgen wieder auf freien Fuss gesetzt. Zwei Schweizer Männer im Alter von 18 und 19 Jahren werden der Zürcher Staatsanwaltschaft zugeführt.

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20min.ch 6.7.09

Französische Verhältnisse in Zürich

Autos angezündet: Racheakt an Polizei

Stimmung wie in den Banlieues von Paris dieses Wochenende in Zürich: 70 Vermummte zerstören wahllos Autos, einige gehen in Flammen auf. Das Motiv: Rache für einen verstorbenen Jungen, der angeblich auf der Flucht vor der Polizei unter einen Zug geraten ist und starb.

Am Samstagabend versammelten sich kurz nach 21 Uhr 70 vermummte Personen an der Verzweigung Stauffacherstrasse/Langstrasse. Sie zogen Richtung Weststrasse und hinterliessen auf ihrem Zug durch mehrere Strassen ihre Spuren. Schaufenster wurden eingeschlagen, Fahrzeuge angezündet, Fassaden beschmiert. Die Aggressionen richteten sich offenbar gegen die Polizei, wie Radio 24 am Sonntag berichtet.

Die Demonstranten hatten im Internet zu der unbewilligten Kundgebung unter dem Motto "Fuck The Police" aufgerufen. Auf einem Flyer begründen sie ihre Wut auf die Polizei mit dem Tod eines Jugendlichen in Biel Ende Mai dieses Jahres: "Am 30. Mai 2009 wagten es drei Jugendliche in Biel, den Mut zu haben, sich einer Polizeikontrolle zu verweigern und ergriffen die Flucht. In der Hektik wurde einer von ihnen von einem Zug erfasst und starb. [...] Wie viel braucht es, um unsere Wut zu wecken? [...] Wir haben genug davon [...] Wir wollen uns wehren und die Wut, die wir so lange angestaut haben, aus uns herauslassen."

Ihre Rage liessen die Vandalen in Zürich aus. Drei Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt, teilt die Stadtpolizei Zürich mit. Weiters kam es zu erheblichen Sachbeschädigungen. Die Demonstranten warfen Steine auf Fahrzeuge und Farbbeutel an Gebäude. Die Polizei reagierte mit Gummischrott. Gegen 22.00 Uhr beruhigte sich die Situation wieder. Die Polizei nahm sieben Personen zwischen 14 und 32 Jahren fest. Wie hoch der Sachschaden ist, kann nicht beziffert werden. Die Krawallmacher ordnet die Polizei der linksautonomen Szene zu.

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Flyer: http://www.20min.ch/images/content/2/9/2/29222898/21/1.jpg

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tagesanzeiger.ch 5.7.09

Chaoten wüten im Kreis Cheib

In Zürich ist es am Samstagabend während einer unbewilligten Kundgebung linksautonomer Aktivisten zu schweren Ausschreitungen gekommen. Bilanz: Hoher Sachschaden und zehn Festnahmen.

Rund 70 vermummte Personen hatten sich kurz nach 21 Uhr an der Verzweigung Stauffacherstrasse/Langstrasse versammelt und zogen von dort in Richtung Zürich-Wiedikon, wie die Stadtpolizei mitteilte.

Auf ihrem Weg warfen sie Steine und Farbbeutel gegen verschiedene Amtsgebäude, darunter das Amt für Justizvollzug sowie eine Polizeiwache. Ferner wurden zwei Bankfilialen, ein Securitasgebäude und ein Fahrradgeschäft in Mitleidenschaft gezogen, wie ein Polizeisprecher am Sonntag auf Anfrage sagte.

Zudem beschädigten die Chaoten offenbar wahllos Fahrzeuge, drei davon zündeten sie an. Zwei Autos brannten vollständig aus. Laut Polizeisprecher dürften die Sachschäden Hunderttausende von Franken ausmachen

Die Polizei löste die Kundgebung mit Gummischrot auf. Gegen 22 Uhr beruhigte sich die Lage, heisst es in der Mitteilung weiter. Ein Polizist wurde beim Einsatz durch Glassplitter leicht verletzt.

Die Festgenommenen, zwei Frauen und acht Männer, stammen aus der Schweiz, Österreich, Litauen und den USA. Sie sind zwischen 14 und 32 Jahre alt. Acht Personen wurden bis am Sonntagmorgen wieder auf freien Fuss gesetzt. Zwei junge Männer werden laut Polizei der Zürcher Staatsanwaltschaft zugeführt (mbr/sda)

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20min.ch 5.7.09

Ausschreitungen

Gewalt an Demo gegen Polizeigewalt

Brennende Autos, beschädigte Geschäfte und Gummischrot. In Zürich ist es am Samstagabend während einer unbewilligten Kundgebung linksautonomer Aktivisten zu schweren Ausschreitungen gekommen. Die Polizei nahm sieben Personen fest.

Rund 70 vermummte Personen versammelten sich kurz nach 21 Uhr zu der unbewilligten Demonstration an der Verzweigung Stauffacherstrasse/Langstrasse. Sie zogen dann durch mehrere Strassen bis an die Weststrasse und beschädigten dabei Gebäude und Fahrzeuge, wie die Stadtpolizei Zürich mitteilte.

Die Polizei löste die Kundgebung mit Gummischrot auf. Gegen 22 Uhr habe sich die Lage beruhigt, hiess es weiter. Die festgenommenen Personen seien zwischen 14 und 32 Jahre alt. Ein Polizist sei bei dem Einsatz durch Glassplitter leicht verletzt worden.

Die Kundgebung richtete sich gegen den Polizeieinsatz vom vergangenen 30. Mai in Biel, wie es auf einem Flugblatt heisst. Damals war ein 17-Jähriger auf der Flucht vor der Polizei von einem Zug erfasst und getötet worden.
(sda/ap)

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SQUAT ZUG
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20min.ch 6.7.09

Räumung

Zuger Polizei verhaftet Hausbesetzer

Die Zuger Polizei hat in Zug ein besetztes Haus geräumt und sechs Personen vorübergehend festgenommen. Der Eigentümer hatte Strafanzeige eingereicht.

Die Besetzer waren laut Polizeiangaben am Samstag gewaltsam in die leerstehende Liegenschaft an der Albisstrasse eingedrungen. Der Hauseigentümer gewährte diesen darauf ein Bleiberecht bis Sonntagabend.

Da die Besetzer das Haus jedoch nicht rechtzeitig verlassen hatten, stürmte die Polizei am Montag die Liegenschaft. Bei den Festgenommenen handelt es sich um 18- bis 39-jährige Schweizer aus dem Kanton Zug. Sie wurden verzeigt und werden allenfalls wegen Sachbeschädigungen belangt.

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Zentralschweiz am Sonntag 5.7.09

Hausbesetzer erneut aktiv

uc. Erneute Hausbesetzung im Kanton Zug: Am Freitagabend hat die Gruppe "Aktiv Wohnen" das leer stehende Haus an der Albisstrasse 5 in Zug besiedelt. Das Areal, auf dem der Bau steht, gehört gemäss einem Schreiben der Besetzer der Bentom AG. Die Firma ist auf dem Immobilienmarkt tätig (Sanierung, Verwaltung, Kauf und Verkauf von Immobilien). Die Bentom AG kümmert sich um den Verkauf des Geschäfts- und Wohnzentrums Grafenau Süd gleich neben dem Bahnhof. In unmittelbarer Nähe befindet sich das besetzte Haus.

Keine Auskunft der Polizei

Der Geschäftsführer der Bentom AG war gestern nicht zu erreichen, auch die Zuger Polizei gab noch keine Auskünfte zur Hausbesetzung. Die Gruppe "Aktives Wohnen" möchte das Haus gerne als Wohnraum sowie für kleine Kunst- und Kulturprojekte zwischennutzen. Die Gruppe hatte erst am 29. Mai ein Haus an der Bleichistrasse 12 in Zug besetzt.

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RAUCHVERBOT
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BZ 6.7.09

Rauchverbot in Bern

Statt Rauch duftet jetzt Parfüm

Auch in den Nachtclubs darf nicht mehr gequalmt werden. Das Partyvolk in Bern hält sich an die Vorschriften. Die Barbetreiber indes suchen nach Lösungen für ihre Fumoirs. Ein Ausgang im rauchfreien Berner Nachtleben.

Aarbergergasse, kurz vor Mitternacht. Lärm brandet von der Ausgehmeile Richtung Waisenhausplatz. Die Beizen sind gut besetzt, trotz des Platzregens, der ein paar Stunden zuvor niedergegangen ist. Die Restaurants selbst, sei es das "Nord Süd", der "Propeller" oder das "Divino", sind fast leer. Vor vielen Lokalen ist ein Stehtisch oder ein grosser Aschenbecher sichtbares Zeichen des Rauchverbots, das seit Anfang Juli in öffentlichen Räumen gilt.

Ein ewiges Hin und Her

"Wir dürfen das Rauchen aus gesetzlichen Gründen nicht mehr erlauben", verkündet ein Anschlag vor dem Club Bonsoir. Der Sicherheitsmann am Eingang sagt: "Die Leute halten sich ans Verbot, es ist aber ein ewiges Hin und Her, seit die Raucher hinausmüssen." Statt des üblichen Nachtclubmiefs riecht es im Club wie frisch geputzt.

Caro Steinegger, die Bardame und selber Raucherin, sagt: "Ich finde das Verbot nicht gut." Sorgen machen ihr vor allem die Düfte, die entstehen könnten, "wenn es hier abgeht und alle schwitzen". Und: "Dass wir auch nach Betriebsschluss nicht rauchen dürfen, finde ich ärgerlich." Immerhin bilanziert sie: "Ich selber rauche weniger." Die "Stinkzone", dort, wo die Raucher aus Hot-Shot Bar, "Divino", Bonsoir und Samurai aufeinandertreffen, macht ihrem Namen alle Ehre. Hier wird gequalmt, was das Zeug hält.

"Viktorianische Tendenz"

Dänu Mosimann (24) sitzt mit Freunden an einem Tisch in der Laube. "Ich finde es gewöhnungsbedürftig", sagt er. "Ein Bier und eine Zigi, das hat zusammengehört. Aber es geht auch ohne." Früher seien es die Rassisten gewesen, jetzt kämen die Raucher an die Kasse, "und irgendwann sind die Übergewichtigen dran". So umschreibt er die "viktorianische Tendenz" des Staates, den Menschen mehr und mehr Vorschriften zu machen.

Holz, Kerzen - und Parfüms

Von Revolte dagegen ist allerdings nichts zu spüren. Egal, welches Lokal man aufsucht. Drinnen-Qualmen ist vorbei, sei es im El Presidente, in der Cuba Bar oder in der Pery Bar. Der Rauch ist weg, dafür streichen einem die beizenspezifischen Düfte in die Nase. Hier in der "Pery" riecht es nach altem Holz und Kerzen, ab und an zieht eine Schöne eine Parfümspur hinter sich her. Für die Nase ist das eine spannende Sache.

"Das Rauchverbot ist nichts anderes als Gesundheitsfaschismus", ereifert sich Barmann Michael Mathys. Der Staat mische sich ein, wo er nichts verloren habe: "In die Gewerbefreiheit und das Recht jedes Einzelnen zu rauchen." Früher sei er um diese Zeit "im Seich" gewesen, jetzt ist die Bar praktisch leer.

 "Pery"-Besitzer Vincent von Wattenwyl nimmts gelassener als sein Barmann. "Ich finde, wir sollten nach vorne schauen", sagt er. Er werde eine Lösung für die Raucher finden.

Die hat auch Thomas Wingeier vom Club Samurai schon. "Ich lasse ein Fumoir einbauen", sagt er. Das koste ihn rund 20000 Franken. "Die bezahlt mir niemand." Bis dahin heisse es für die Gäste: hinausgehen zum Rauchen. "Sie halten sich lieb ans Verbot", sagt der Geschäftsführer der Bar. Er finde das Verbot aber blöd, "das Gläuf andauernd". Ausserdem erwarte er Umsatzeinbussen, "weil die Leute etwa eine Stunde später ins Lokal kommen". Die meisten würden draussen bleiben, so lange es geht. Stimmt. In der Aarbergergasse wimmelt es von Partyvolk. Der Lärmpegel um halb drei Uhr morgens ist entsprechend. Die Polizei markiert Dauerpräsenz. Einer der Beamten sagt: "Wir stellen keinen Unterschied fest zu anderen Nächten vor der Einführung des Rauchverbots."

Peter Camenzind

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Keine Anzeigen

Raucher rauchen nicht

Laut Auskunft des Mediendienstes der Kantonspolizei ist seit dem Rauchverbot am 1.Juli bis zum gestrigen Sonntag keine Anzeige wegen Übertretung des neues Gesetzes eingegangen. Auch bei der Gewerbepolizei ist (laut deren Leiter Marc Heeb) bisher keine Anzeige eingegangen. Die Gewerbepolizei schreitet dann ein, wenn ein Wirt das Rauchen in seinem Lokal duldet oder gar dazu animiert. Fehlbare können mit einer Busse von bis zu 20000 Franken bestraft werden. Wird ein Gast angezeigt, der verbotenermassen in einem geschlossenen Raum raucht, ist nicht die Gewerbe-, sondern die Kantonspolizei zuständig. Die Bussen für Raucherinnen und Raucher bewegen sich zwischen 40 und 2000 Franken.
sru

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Thuner Tagblatt 6.7.09

Rauchfreie Beizen und mehr Lärm

Das Rauchverbot wurde am ersten Wochenende nach der Einführung eingehalten. Dafür gab es in Thun mehr Lärm.

Eine Umfrage bei Thuner Gastronomen am Wochenende hat ergeben, dass sich die Gäste ans Rauchverbot im Grossen und Ganzen halten. Ab und zu komme es vor, dass sich ein Besucher aus Reflex und in alkoholisiertem Zustand eine Zigarette anzünde; dieser werde aber vor die Tür gebeten, sagte Andreas Schäublin, Geschäftsführer der Café Bar Mokka.

Viele Rauchergruppen, die sich am Wochenende vor den Thuner Beizen aufhielten, sorgten für Lärm. Nach Angaben der Kantonspolizei gingen mehr Anrufe wegen Lärmbelästigung ein. Dabei habe es sich hauptsächlich um simple Gespräche vor der Eingangstüre gehandelt, wie man bei der Einsatzzentrale Thun der Kantonspolizei mitteilte.

Das "El Camino" am Mühleplatz schloss am Freitag und Samstag frühzeitig, um wegen der Raucher keinen Ärger mit dem Regierungsstatthalteramt zu riskieren. Beim "The Rock" tauchte die Polizei am Freitag wegen Ruhestörung auf.
pku

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Rauchverbot: Umfrage in Thuner Gastronomiebetrieben

Kein Qualm, aber mehr Lärm

Am ersten Wochenende seit dem Rauchverbot hat sich gezeigt: Die Gäste halten sich ans Rauchverbot. Lärm- und Abfallbelastung haben aber zugenommen. Das ergab eine Umfrage in vier Thuner Gastronomiebetrieben.

"Ja, die Leute halten sich an die neue Regelung." Nein, mehr Zechpreller gebe es nicht, da man immer sofort einkassiere. Und ja, das Lärm- und Abfallproblem habe mit dem Rauchverbot zugenommen, sagt Wirt Cyrill Jenni vom Thuner Musikokal The Rock am Samstagabend auf Anfrage: "Am Freitag war die Polizei aufgrund einer Lärm-Beschwerde hier und ich warte nur darauf, dass sie heute wieder anrückt, weil die Raucher alle vor der Tür stehen." Und Jenni schiebt nach: "Ich habe heute morgen in einem Umkreis von 30 bis 40 Metern Zigarettenstummel, leere Flaschen und Zigarettenpackungen eingesammelt; zuvor hat sich das Littering auf den Bereich vor dem Eingang beschränkt." Zudem werde draussen mehr uriniert. Und die Schweissausdünstungen drinnen seien unangenehm. Was den Besucherandrang angehe, blieben die Leute weniger lange an der Bar und die Disco laufe schlechter.

"Höre nicht auf"

Ein Streifzug durch Thun am Samstagabend zeigt: Vor vielen Beizen stehen, wie vor dem "The Rock", Rauchergruppen. "Das Rauchverbot bewegt mich nicht zum Aufhören", sagt Besucher Philippe Jost aus Münsingen, der mit zirka 20 Raucherinnen und Rauchern am Samstagabend vor dem Eingang des Gestrobetriebs steht. Er findet die neue Regelung in Beizen und Pubs "einen Blödsinn". Seine Freundin, eine Ex-Raucherin, widerspricht ihm allerdings: "Meine Kleider stinken nach dem Ausgang nicht mehr so "grusig" und meine Lunge schmerzt nicht mehr."

Fumoir bewährt sich

Weniger Qualmer als vor dem "The Rock" stehen vor dem Funkhouse auf dem Rathausplatz, denn das Lokal hat im hinteren Bereich ein 53 Quadratmeter grosses Fumoir eingerichtet. "Vor einer Woche um dieselbe Zeit war viel mehr los" ärgert sich Wirtin Jeanette Hänni, "die Nichtraucher kommen nicht in Scharen." Das Fumoir sei am Freitag proppenvoll gewesen. Nach Mitternacht bitte sie die Gäste, lieber im Fumoir zu rauchen und nicht mehr vor der Tür zu stehen. Zudem gebe es mehr Durchgangsverkehr und sie wisse nicht mehr, wann sie abräumen könne, weil die Leute allenthalben zum Qualmen verschwänden.

Früher zu wegen Lärm

"Wir haben am Freitag präventiv bereits um halb eins geschlossen, weil wir wegen des Lärms keinen bösen Brief vom Regierungsstatthalter in Kauf nehmen wollten", sagt Martin Krieg, Geschäftsführer des El Camino am Mühleplatz, angesprochen auf die vielen Raucherinnen und Raucher auf dem Vorplatz. "Die Gäste halten sich ans Rauchverbot." Drinnen sitzt einsam eine Gruppe Jugendlicher. "Ich bin zwar Raucher, finde das Rauchverbot aber gut für die Gesundheit", sagt Stefan Gafner aus Schwendibach. Vor der Tür steht Raucherin Ann Janes, die findet, dass das Verbot die Wirte bevormunde.

Auch am Samstag schloss das El Camino wiederum früher, wie sich nach einem späteren Rundgang um 1 Uhr herausstellte.

Im Mokka, wo bereits seit der Sommerumstellung am 24. Juni das Rauchverbot gilt, halten sich die Gäste ebenfalls ans Gesetz: "Die Gäste sind sich dessen bewusst, weil viel darüber geredet und geschrieben wurde. Aber ab und zu steckt sich dennoch einer reflexhaft und unter Alkoholeinfluss eine an. Dann schicken wir ihn vor die Tür", sagt Geschäftsführer Andreas Schäublin. Auch beim Personal müsse nun ein Umdenken stattfinden. Wie sich das Verbot auf die Besucherzahlen auswirke, lasse sich erst im Winter feststellen.

Pascal Kupper

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Kantonspolizei

Keine Einsätze in den Beizen

Am ersten Wochenende seit dem Rauchverbot am 1. Juli sei es zu "erstaunlich wenig" Einsätzen gekommen , teilte ein Sprecher der Kantonspolizei gestern auf Anfrage mit. In den Gastrobetrieben habe es keine Einsätze gegeben. "Es sind aber erwartungsgemäss mehr Anrufe wegen Lärmbelästigung eingegangen", so der Sprecher. Es sei jedoch relativ, was als Lärm empfunden werde: So habe es sich vor allem um kleine Raucher-Gruppen gehandelt, die spätabends normal vor den Lokalen miteinander geredet hätten. Dies sei von Anwohnern als belästigend empfunden worden.
pku


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Berner Oberländer 6.7.09

Rauchverbot: erste Bilanz

Für die Gastwirte im Berner Oberland sind neue Zeiten angebrochen. Die Gäste rauchen jetzt draussen oder in Fumoirs.

Von "juhui" bis "pfui" waren sämtliche Reaktionen zu hören, fragte man am Wochenende Gastwirte und Gäste zum neuen Rauchverbot in Lokalen. Der BO hat sich in sechs typischen Ausgangslokalen im Oberland umgesehen und umgehört: In Gstaad stört es die Gäste kaum, in Interlaken fühlen sie sich bevormundet und in Grindelwald freut sich gar eine Wirtin über das neue Gesetz. Denn seit dem 1.Juli sind im Kanton Bern die Bestimmungen zum Schutz vor Passivrauchen in Kraft.flg

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Ärger über Bevormundung

Einige Raucher in Interlaken fühlen sich vom neuen Gesetz in ihrer Privatsphäre eingeschränkt und bevormundet.

"Unter dem Rauchverbot leide ich sehr. Ich finde das biireweich", erklärte Peter Wilk (48), Event-Techniker aus Interlaken, der bei der Arbeit nun nicht mehr rauchen darf. Auch Allrounder Markus Koch (42), Interlaken, lehnt das neue Gesetz ab. "Es geht doch hier um Existenzen, gerade bei den kleinen Beizen. Ich hoffe, dass die Leute dagegen mobil machen und auf die Barrikaden gehen", sagte Koch, der seinen Zigarettenkonsum vorgängig bereits reduziert hat. Seit Mittwoch müssen Wilk und Koch beim Besuch ihres Stammlokals Goldener Anker zum Rauchen vor die Türe - ein Fumoir gibt es noch nicht. Mit ihrer Einstellung stehen sie nicht alleine da. "Die Leute regen sich extrem auf, sie fühlen sich in ihren Rechten beschnitten. Das Rauchverbot ist Thema Nummer eins", sagte Serviceangestellte und Nichtraucherin Stefanie Baumer (41) aus Ringgenberg. Anker-Wirtin und Raucherin Jeannette Sutter-Ammann findet: "Unangenehm ist, dass der Gesetzgeber in die Privatsphäre der Bürger eingreift und ihre Freiheit einschränkt".

Monika Hartig

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"Froh, dass es rauchfrei ist"

Im C & M in Grindelwald hat die Wirtin Christine Jucker bisher keine negativen Auswirkungen des Rauchverbots gespürt.

"In Italien hat es auch geklappt, warum sollte das bei uns nicht funktionieren?", sagt Christine Jucker, die zusammen mit Mändel Inäbnit das Restaurant und die Bar C & M an der Dorfstrasse führt. "In Italien ist mir aber aufgefallen, dass extrem viele Leute auf der Strasse rauchen", sagt Jucker. Und an die herumliegenden Zigarettenstummel müsse man sich dann wohl gewöhnen. Bis jetzt hat das Rauchverbot ihrem Betrieb nicht geschadet. "Ich bin froh, dass mein Lokal nun rauchfrei ist", sagt Jucker. Die Leute könnten ja draussen auf der Terrasse rauchen. "Im Winter wird die Situation aber schwieriger."

Schon einmal hat sie die Einführung eines Rauchverbots miterlebt: "Ich war damals noch Stewardess und musste das Raucherabteil bedienen, das war schrecklich", sagt sie. Nach jedem Arbeitseinsatz habe man sich nur noch duschen wollen, so extrem sei der Rauchgeruch an einem hängengeblieben. Und über die Gesundheitsschädigung der eigenen Lunge wolle man bei einem Beruf mit Rauchemissionen erst gar nicht nachdenken.

Fritz Lehmann

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20min.ch 5.7.09

Das Berner Partyvolk hält sich ans neue Rauchverbot

Die Berner Partyszene hat sich schnell an das Rauchverbot in den Clubs gewöhnt.

Nach dem ersten Wochenende ziehen die Veranstalter eine positive Bilanz: "Trotz vollem Haus gab es nur wenig Gäste, die wir zurechtweisen mussten", sagt Rolf Bähler vom Bonsoir. Allerdings habe er zusätzliche Türsteher einsetzen müssen, weil die Raucher draussen den Eingang versperrt hätten.

Auch für Ralf Jansen vom Eclipse und The Beach hat sich der Verzicht auf ein Fumoir bewährt: "Der befürchtete Besucherrückgang blieb aus." Im Du Théâtre war Remo Neuhaus bestens aufs erste rauchfreie Hotelgassfest vorbereitet: "Damit sich statt dem Rauch keine Schweissgerüche breitmachen, haben wir in allen vier Räumen Beduftungsanlagen installiert." Einige wenige Gäste seien beim Versuch erwischt worden, auf der Toilette zu rauchen.
(mar/20 Minuten)

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BETTELEI THUN SEASON 2009
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BZ 6.7.09

Organisierte Bettelei

Jetzt betteln die Banden in Thun

Sie haben eine Gehbehinderung und können sich nur mit Krücken fortbewegen. Das hindert sie aber nicht daran, sich den Passanten in den Weg zu stellen und wortlos, mit nach oben gekehrter Handfläche oder einem Becher zwischen den Fingern, Geld zu verlangen. Andere knien in unterwürfiger Haltung auf dem Trottoir und machen die hohle Hand. Einige haben amputierte Gliedmassen. Sie sitzen da und betteln, bis sie abgeholt und an einen anderen Platz gebracht werden. lm Frühling waren solche Bettler in der Berner Innenstadt täglich und mehrfach zu sehen. In den letzten Tagen tauchen sie nun vermehrt in Thun auf. "Es sind ‹armi Cheibe›", sagt Thuns Gewerbeinspektor Reto Keller, der sich mit dem Phänomen der organisierten Bettelei immer öfter befassen muss. Das Problem sei, dass die Mitleidsmasche ziehe und viele Menschen diesen Bettlern tatsächlich Geld geben. "Doch damit hilft man ihnen nicht", hält Keller fest und zieht damit das gleiche Fazit wie der Berner Fremdenpolizei-Chef Alexander Ott (wir berichteten).Das gespendete Geld verbessert nämlich nicht die Lebenssituation der Bettelnden, sondern diejenige ihrer Hintermänner. Also jener skrupellosen Ausbeuter, die die Armen und Behinderten aus Osteuropa am Vormittag nach Thun bringen und am Abend wieder abholen.

Fälle von Nötigung

In Zusammenarbeit mit der Polizei will das Gewerbeinspektorat massiv eingreifen, wenn sich die Bettler sehr aufdringlich verhalten. Bloss: Welche Handhabe hat die Stadt? Ein Bettelverbot gibt es in Thun schliesslich nicht. "Ein Ansatzpunkt ist der Tatbestand der Belästigung. Es gibt aber auch Fälle von Nötigung, was ein schwereres Vergehen ist." Ein Beispiel: In der Thuner Innenstadt bezog eine Frau an einem öffentlich zugänglichen Automaten Geld. Plötzlich standen zwei Bettler hinter ihr und bedrängten sie so lange, bis sie ihnen etwas Geld gab.

Polizei zieht mit

"Es besteht also ein klarer Handlungsbedarf", konstatiert Keller. "Wir werden die Schraube in nächster Zeit anziehen. Dafür hat uns die Polizei Thun ihre Mithilfe zugesichert." Das bestätigt Hermann Jutzi, Chef Polizei Thun: "Wir werden vermehrt ein Auge auf die Bettler haben und öfter Kontrollen durchführen."

Marc Imboden/wrs

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Telebärn 4.7.09
http://www.bernerzeitung.ch/region/thun/Haerteres-Vorgehen-gegen-Bettler/story/17476446

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Thuner Tagblatt 4.7.09

Organisierte Bettelei in Thun

Die Stadt greift durch

Gegen die brutale Ausbeutung von Armen und Behinderten: Die Stadt Thun sagt der organisierten Bettelei den Kampf an.

Bettelnde Menschen aus Osteuropa mit amputierten Gliedmassen oder einer anderen Behinderung sind auch in Thun immer öfter anzutreffen. Doch vielleicht nicht mehr lange: "Zusammen mit der Polizei werden wir die Schraube anziehen", sagt Gewerbeinspektor Reto Keller. Denn die Spenden helfen nicht denen, die sie erbetteln. Das Geld fliesst in die Taschen jener Ausbeuter, die die Armen und Behinderten am Vormittag nach Thun bringen und am Abend wieder abholen. Da es in Thun kein Bettelverbot gibt, werden die Behörden hauptsächlich dann einschreiten, wenn Passanten belästigt oder gar genötigt werden. mi

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Organisierte Bettelbanden in Thun

"Wir ziehen die Schraube an"

Auch in Thun betteln vermehrt arme und behinderte Menschen aus Osteuropa - und füllen damit die Kassen ihrer kriminellen Hintermänner. Das Problem ist erkannt: "Wir ziehen die Schraube an", sagt der Gewerbeinspektor.

Sie haben eine Gehbehinderung und können sich nur mit Krücken fortbewegen. Das hindert sie aber nicht daran, sich den Passanten flink in den Weg zu stellen und wortlos, mit nach oben gekehrter Handfläche oder einem Becher zwischen den Fingern, Geld zu verlangen. Andere knien in unterwürfiger Haltung auf dem Trottoir und machen die hohle Hand. Einige haben sogar amputierte Gliedmassen. Sie sitzen einfach da und betteln, bis sie abgeholt und an einen anderen Platz gebracht werden.

Mitleid schadet

"Es sind ‹armi Cheibe›", sagt Thuns Gewerbeinspektor Reto Keller, der sich mit dem Phänomen der organisierten Bettelei immer öfter befassen muss. Das Problem sei, dass die Mitleidsmasche ziehe und viele Menschen diesen Bettlern tatsächlich Geld geben. "Doch damit hilft man ihnen nicht", hält Keller fest. Im Gegenteil: Die Spenden sorgen dafür, dass sie weiterhin arm bleiben. Denn das Geld verbessert nicht ihre Lebenssituation, sondern diejenige ihrer Hintermänner. Also jener skrupellosen Ausbeuter, die die Armen und Behinderten aus Osteuropa am Vormittag nach Thun bringen und am Abend wieder abholen.

Fälle von Nötigung

Das städtische Gewerbeinspektorat hat in letzter Zeit vermehrt Anrufe von Passanten oder Geschäftsleuten erhalten, die sich belästigt fühlen. "In Zusammenarbeit mit der Polizei Thun schreiten wir massiv ein, wenn sich die Bettler sehr aufdringlich verhalten", sagt Keller. Bloss: Welche Handhabe hat die Stadt? Ein Bettelverbot gibt es in Thun schliesslich nicht. "Ein Ansatzpunkt ist der Tatbestand der Belästigung. Es gibt aber auch Fälle von Nötigung, was ein schwereres Vergehen ist." Ein Beispiel: In der Thuner Innenstadt bezog eine Frau an einem öffentlich zugänglichen Automaten Geld. Plötzlich standen zwei Bettler hinter ihr und bedrängten sie so lange, bis sie ihnen etwas von dem Geld gab.

Polizei zieht mit

"Es besteht also ein klarer Handlungsbedarf", konstatiert Keller. "Wir werden die Schraube in nächster Zeit anziehen. Dafür hat uns die Polizei Thun ihre Mithilfe zugesichert." Das bestätigt Hermann Jutzi, Chef Polizei Thun: "Wir werden vermehrt ein Auge auf die Bettler haben und öfter Kontrollen durchführen." Was nicht heisst, dass die Polizei Thun bisher untätig geblieben ist: "Wir kontrollieren die Bettler immer wieder und überprüfen, ob sie polizeilich ausgeschrieben sind." Es komme auch vor, dass sich Geschäftsleute wegen Bettlern vor ihrem Laden beschweren. "In solchen Fällen weisen wir sie an, den Standort zu wechseln. Wir verfahren also wie bei den Strassenmusikern, die auch nur eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort spielen dürfen."

Grenzfall "Musiker"

Menschen aus Osteuropa betteln aber nicht nur, sie betätigen sich oft auch als Strassenmusikanten. Es gibt solche, die auf ihrem Instrument ein gewisses Können aufweisen. Bei anderen jedoch merkt auch der musikalisch Ungebildete, dass ihre Musik eher Kakophonie als Kunst ist. In Extremfällen setzen sich die Pseudostrassenmusikanten mit einer Art elektronischer Orgel auf den Boden und drücken den On-Schalter, worauf sich die Tasten automatisch bewegen. "Wenn offensichtlich ist, dass die Musik reines Mittel zum Zweck ist, weisen wir die Leute weg", sagt Keller. "Wenn sie aber jemanden von uns kommen sehen, räumen sie meistens freiwillig das Feld. Doch dann stellen sie sich wenig später an einer anderen Ecke wieder auf."

Reto Keller vermutet, dass die Strassenmusikanten ebenso wie die Bettler organisiert sind. Dasselbe gelte wohl auch für die Rosenverkäufer. "Sie müssen im Besitz eines bestimmten Ausweises sein, der Ausländern erlaubt, auf der Strasse Waren zu verkaufen." Wenn sie diesen Schein nicht haben, werden sie vom Gewerbeinspektorat weggeschickt.

Marc Imboden

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Rechtliche Situation

Wer nur bettelt, muss gehen

Seit die Schweiz mit der EU die Bilateralen Verträge II abgeschlossen hat, dürfen auch Bürger der osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten in die Schweiz kommen und arbeiten. "Betteln gilt aber nicht als Arbeit", hält Erwin Rohrbach, Leiter der Abteilung Sicherheit der Stadt Thun und damit Chef der Fremdenpolizei, fest. "Es ist aber auch keine Straftat oder ein schweres Vergehen. Damit haben wir keine Handhabe für eine Ausschaffung." Die Fremdenpolizei Thun kann bettelnden EU-Bürgern lediglich eine Ausreisekarte geben und sie anweisen, das Land zu verlassen. Die einen kommen dieser Aufforderung nach und geben die Karte beim Grenzübertritt am Zoll ab. Der Zoll schickt sie der Stadt zurück und setzt sie damit in Kenntnis, dass der betreffende Bettler nicht mehr im Land ist. Andere jedoch foutieren sich um die Ausreise-Aufforderung und betteln in einer anderen Stadt weiter. Die Fremdenpolizei von Thun verteilt pro Jahr bis zu 50 solcher Ausreisekarten. "Der Rücklauf der Ausreisekarten ist bescheiden. Er beträgt schätzungsweise etwa 20 Prozent", sagt Erwin Rohrbach. Allein auf Thun bezogen sei dieses Vorgehen trotzdem sehr wirksam. "Bisher sind alle, denen wir eine Ausreisekarte gegeben haben, aus Thun abgezogen.

Als Arbeit im Sinn der Bilateralen II gilt jedoch das Verkaufen von Rosen und das Musizieren auf der Strasse. Wer auf diese Weise in der Schweiz sein Geld verdienen will, muss sich zuerst beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) online eine Meldebestätigung holen. Mit dieser können sie beim Regierungsstatthalter des jeweiligen Amtsbezirks eine Bewilligung beantragen, gestützt auf das Bundesgesetz über das Gewerbe der Reisenden.
mi

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Projekt Agora

 Ausbeutern zu Leibe rücken

Die Hintermänner, die genauen Mechanismen und Abläufe der organisierten Bettelei sind noch weitgehend unbekannt. Das soll sich nun ändern. Alexander Ott, Chef der Fremdenpolizei der Stadt Bern, hat mit der Stadtverwaltung, den rumänischen Behörden und dem Bundesamt für Polizei das Projekt Agora lanciert. Dessen Ziel: die Strukturen dieses brutalen Geschäfts aufdecken und die Gegenmassnahmen unter den Partnern koordinieren.
mi

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SEMPACH
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20min.ch 5.7.09

Juso-Brief an Regierungsrat

Die Juso Schweiz haben dem Luzerner Regierungsrat einen offenen Brief geschrieben.
 
Darin äussern sie ihre Sicht zur Sempacher Schlachtfeier und bieten der Luzerner Regierung ihre Zusammenarbeit an, um die Schlachtjahrzeit künftig frei von Neonazis zu gestalten. Weiter schreiben die Juso, dass im Vorfeld der Kund gebung ein Mitglied des Organisationskomitees eine Morddrohung erhalten habe. "Das ist sehr beängstigend", sagt Juso-Präsident Cédric Wermuth. Um wen es sich bei der betroffenen Person handelt, will Wermuth nicht verraten. Zudem sei es unhaltbar, dass die Juso mit den Rechtsextremen auf eine Stufe gestellt werden. "Wir wurden konsequent als linksextrem bezeichnet - dies ist ein beleidigender Angriff", sagt Wermuth weiter. Die Juso fordern deshalb eine Entschuldigung vom Regierungsrat.

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juso.ch/luzern 5.7.09

Offener Brief an den Luzerner Regierungsrat bezüglich der Sempacher Schlachtjahrzeit

 Die JUSO Schweiz schickte dem Luzerner Regierungsrat einen offenen Brief zur Schlachtjahrzeit. Diesen kann man hier lesen.

Im Brief gehen wir auf folgende Punkte ein:

- Es kann nicht sein, dass die JUSO als linksextrem verunglimpft  wird. Wir sind eine demokratische Partei und stehen zur Bundesverfassung.

- Rechtsextreme sind für viele eine ernsthafte Gefahr. Jüngstes Beispiel ist eine Morddrohung an ein Mitglied unsere Organisationskomittes.

- Wir bieten der Luzerner Regierung die Zuasammenarbeit an, um die die Sempacher Schlachtjahrzeit frei von Neonazis zu gestalten.
 
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin, sehr geehrte Herren Regierungsräte

Nachdem sich die Aufregung um die Schlachtjahrzeit ein wenig gelegt hat, möchten wir Ihnen unsere Sicht zur diesjährigen Schlachtfeier darlegen und einen Ausblick wagen. Wir würden uns freuen, wenn wir das Problem der Neonazi-Präsenz konstruktiv angehen könnten und schlagen Ihnen deshalb die Zusammenarbeit vor.

Ereignisse im Vorfeld

Nachdem wir Ihnen unser Kundgebungsgesuch eingereicht hatten, nahmen wir die Kontakte mit den Behörden als sehr anständig und kooperativ wahr. Die schliesslich unkomplizierte Abwicklung und anschliessend kurzfristig erteilte Bewilligung für den Rückweg zum Bahnhof stimmten uns positiv und bestärkten uns in der Gewissheit, dass der Anlass friedlich über die Bühne gehen würde. Was uns sehr störte war zum einen die durchwegs verwendete Bezeichnung der JUSO als linksextrem (wovon sich einzig der Sempacher Stadtpräsident temporär distanzierte). Dies empfanden wir als beleidigenden Angriff. Wir erwarten diesbezüglich eine Entschuldigung vom Regierungsrat. Zum anderen enttäuschte uns Ihre Diskussionsverweigerung am 10. Juni, als Sie den Stadtrat von Sempach am Podium im Regen stehen liessen.

Auf dem rechten Auge blind?

Umso mehr schockierten uns die Geschehnisse an der Schlachtjahrzeit. Nachdem der Umzug der Behörden und BesucherInnen abgesagt wurde, formierte sich eine ILLEGALE Demonstration von Neonazis, die auf das Schlachtfeld marschierte.Zur selben Zeit bereitete sich die Kantonspolizei auf die absolut unverhältnismässige Einkesselung der BEWILLIGTEN Kundgebung vor. Dies unter Berufung auf das Vermummungsverbot, gegen welches einige Kundgebungsteilnehmer mutmasslich verstossen hatten. Wir möchten betonen, dass das Vermummungsverbot ein einfaches Vergehen darstellt, insbesondere da die Vermummung nicht benutzt wurde, um Straftaten zu begehen, sondern aus der Angst nachher auf Neonazi-Seiten zur Jagd ausgeschrieben zu werden. (Hinzugefügt werden muss, dass auf einschlägigen Websites nun tatsächlich TeilnehmerInnen der bewilligten Kundgebung an den Pranger gestellt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund einer Morddrohung, die im Vorfeld der Kundgebung bei einem der Organisatoren eingegangen ist, ist dies eine beängstigende Entwicklung.)

Die illegale Demonstration der Neonazis stellt hingegen einen deutlichen Gesetzesverstoss dar, welcher aus unerklärlichen Gründen jedoch nicht geahndet wurde... Dies obwohl genügend Polizisten präsent waren und bereits im Vorfeld des Marsches mehrere Verstösse gegen das Waffengesetz seitens der Neonazis festgestellt wurde.

Dies halten wir für eine sehr bedenkliche Entscheidung. Die Kooperation der Luzerner Kantonspolizei mit den Neonazis erschreckt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Tross z.T. von einschlägig vorbestraften Gewaltverbrechern angeführt wurde (Dominic Lüthard). Mehrere Journalisten berichteten zudem, dass sie von der Kantonspolizei bei Ihrer Arbeit behindert wurden, mit der Bemerkung, dass das Fotografieren die Neonazis provoziere. Einige Neonazis hingegen konnten die Kundgebung der JUSO ungestört direkt neben der Polizei filmen und fotografieren.

Der Tages-Anzeiger vom Dienstag 30. Juni umschreibt das Vorgehen sehr treffend: "Die Rechtsextremen liess die Polizei gewähren. Ohne Bewilligung konnten sie zum Schlachtfeld marschieren. Die Polizei hat sich so zur Helferin der rechten Glatzen gemacht. Wenn die Luzerner Regierung nicht endgültig in den Verdacht geraten will, dass sie in der Präsenz der unheimlichen Patrioten kein Problem sieht, muss sie handeln."

Problem gemeinsam lösen

Wie in der Bewilligung festgehalten, besuchten unsere Kundgebung ca. 100 Personen. Falls das Problem der neonzistischen Präsenz weiter ungelöst bleibt, werden wir selbstverständlich auch nächstes Jahr wieder zu Protest aufrufen und sehr viel breiter mobilisieren. Viel lieber wäre uns allerdings, wenn Sie ein Konzept erarbeiten würden, welches die Neonazis und ihr menschenverachtendes Gedankengut von der Feier ausschliesst. Es ist uns klar, dass dies keine einfache Aufgabe ist. Wir wären an dieser Stelle auch bereit Verantwortung zu übernehmen und an der Problemlösung mitzuarbeiten.

Wir freuen uns auf eine angeregte und konstruktive Diskussion mit Ihnen und vertrauen auf Ihren starken Willen, gegen die Verbreitung von Rassismus vorzugehen.

Mit freundlichen Grüssen

Cédric Wermuth
David Roth

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NEONAZI-BBQ
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Aargauer Zeitung 6.7.09

Zwischenruf

Keine Neonazis in Schönenwerd

In antifaschistischen Kreisen kursierte das Gerücht, am Samstag würde es beim "Entennest" - einem Grillplatz an der Aare in Schönenwerd SO - zu einer Zusammenkunft von Rechtsextremen kommen. Die linksautonome Gruppe Aargrau forderte in einem offenen Brief die Gemeinde auf, das Treffen nicht zu tolerieren. Ges-tern kam die Entwarnung. Laut der Internetplattform http://www.aargrau.ch verirrten sich am Samstag nur vereinzelt Neonazis nach Schönenwerd. Es sei anzunehmen, dass kurzfristig der Anlass an einen anderen Ort verschoben worden sei, schreibt Aargrau weiter. Gemeindepräsident Peter Hodel hatte sich im Vorfeld kritisch zum Treffen geäussert. Er werde das nicht dulden, sagte er gegenüber Tele M1, er stehe im Kontakt mit der Kantonspolizei Solothurn. Diese hatte offenbar bereits am Samstagnachmittag Personenkontrollen beim "Entennest" durchgeführt. Dass dem möglichen Neonazitreff in Schönenwerd besondere Aufmerksamkeit galt, kommt nicht von ungefähr. Beim "Entennest" hatten vor vierzehn Jahren rund 200 Neonazis eine Party gefeiert. Damals gab es viele kritische Stimmen, weil die Polizei nicht eingeschritten war. (ju)

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Aargauer Zeitung 4.7.09

Nazi-Treff befürchtet

In Schönenwerd soll es zum "Fest" kommen

Anonyme Hinweise aus der antifaschistischen Szene warnen vor einer Zusammenkunft von Rechtsextrem in Schönenwerd: "Aus antifaschistischen Kreisen haben wir erfahren, dass es am morgigen Samstag in Schönenwerd SO zu einer grösseren Zusammenkunft von Rechtsextremen kommen soll", schreibt das "Aargrau-Kollektiv" in einem offenen Brief an die Gemeinde Schönenwerd. Angekündigt seien "mehrere hundert Neonazis aus dem gesamten In- sowie dem angrenzenden Ausland". Die "Wirrköpfe" würden ein Fest mit Konzerten abhalten, heisst es im Brief weiter.

Austragungsort des rechtsextremen Aufmarschs soll das "Entennest" sein, ein gemeindeeigener Grillplatz am Aare-Ufer. Die Gemeinde Schönenwerd habe weder Kenntnis von einem Konzert noch von einem Grillabend am Entennest, so Gemeindeschreiberin Petra Essig gegenüber zu "20 Minuten". Die Gemeinde hat die Polizei alarmiert. (Mz)

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20min.ch 3.7.09

Schönenwerd SO

Rechtsextremer Aufmarsch am Grill-Idyll?

von Amir Mustedanagic

Anonyme Hinweise aus der antifaschistischen Szene warnen vor einer Zusammenkunft von Rechtsextrem in Schönenwerd SO: Die "Neo-Nazis aus In- und angrenzendem Ausland" sollen sich am "Entennest" versammeln, einem idyllischen Grillplatz der Gemeinde am Aare-Ufer. Die Gemeinde ist besorgt und hat die Polizei alarmiert.

"Aus antifaschistischen Kreisen haben wir erfahren, dass es am morgigen Samstag in Schönenwerd SO zu einer grösseren Zusammenkunft von Rechtsextremen kommen soll", schreibt das "Aargrau-Kollektiv" in einem Offenen Brief an die Gemeinde Schönenwerd. Angekündigt seien "mehrere hunderte Neo-Nazis aus dem gesamten In- sowie dem angrenzen Ausland". Die "Wirrköpfe" würden ein Fest mit Konzerten abhalten, heisst es im Brief weiter.

Gemeinde nimmt Hinweise "sehr ernst" und ist besorgt

Austragungsort des rechtsextremen Aufmarschs soll das "Entennest" sein, ein gemeindeeigener Grillplatz am Aare-Ufer. Die Gemeinde Schönenwerd hat aber weder Kenntnis von einem Konzert, noch von einem Grillabend am Entennest, sagt Gemeindschreiberin Petra Essig. "Wir hatten bis jetzt nichts von einem derartigen Treffen gewusst." Trotz der anonymen Quelle nehmen die Verantwortlichen den Hinweis "sehr ernst und sind besorgt", so Essig. Es habe bereits vor ein paar Jahren einen solchen Aufmarsch gegeben.

Tatsächlich liefen im August 1995 über 200 Hammerskins zu einer "Sommerparty" in Schönenwerd auf und gaben sich mit "Heil Hitler"-Parolen und einschlägigen Zeitschriften als Neonazis zu erkennen, wie die "SonntagsZeitung" damals schrieb. Dennoch sahen die Kantonspolizeien Solothurn und Aargau nach eigenen Angaben damals keinen Grund zum Einschreiten und gerieten deshalb in die Kritik.

"Wir dulden keinesfalls einen solchen Aufmarsch"

Der Anlass damals sei "ohne Zwischenfälle" abgelaufen, bestätigt Urs Eggenschwiler den damaligen Aufmarsch von Rechts. Laut dem Polizeisprecher der Kantonspolizei Solothurn sei aber von einer erneuten Versammlung nichts bekannt. Die Polizei sei aber informiert und wolle "die Situation im Auge behalten". Versammlungen von Rechtsradikalen sind nach schweizerischer Gesetzgebung grundsätzlich nicht strafbar. Verstösse gegen das Antirassismusgesetz müssen aber von gesetzeswegen durch die zuständigen Kantonsbehörden verfolgt werden.

Die Gemeinde Schönenwerd hat aber noch einen anderen Trumpf im Ärmel: "Eine Bewilligung für einen solchen Anlass haben wir nicht erteilt", sagt Gemeindeschreiberin Essig. Genau dies sei aber Pflicht, wenn sich mehr als 20 Leute am Entennest versammeln. Sollte es dennoch zu einem Aufmarsch der Rechtsextremen kommen, will die Gemeinde deshalb die nötigen Schritte einleiten und die Polizei alarmieren. Essig: "Wir werden keinesfalls einen solchen Aufmarsch dulden."

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Infoportal Aargau
http://www.aargrau.ch/

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HOMOPHOBIE
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NZZ 4.7.09

Briefe an die NZZ (br)

Homophobe "Battyboy Tunes"

 Oliver Karnik plädiert in der NZZ vom 26. 06. 09 für Umsicht gegenüber homophoben Dancehall-Musikern und verharmlost dabei Aufrufe zur Gewalt an Minderheiten in den sogenannten Battyboy Tunes als "krasse Rhetorik". Denjenigen, die diese Hasstiraden kritisieren, wirft er eine oberflächliche Reggae-Rezeption vor. Ich werfe Oliver Karnik eine oberflächliche Rezeption der hiesigen Proteste gegen Dancehall-Interpreten vor.

 Die jamaicanische Gesellschaft ist homophob. Das wissen die vielen Homosexuellen, die dort geschlagen und erschlagen werden, am besten. Die Verhältnisse haben uns gezeigt, welches Ausmass an antischwuler Gewalt die Schwulenhatz ausgeflippter Interpreten annehmen kann. Von der Bühne herab werden Menschen aufgewiegelt, Schwule zu erschlagen. Regelmässig kommt es in Kingston und anderen Orten der Karibikinsel zu Verfolgungsjagden auf (vermeintlich) schwule Männer, oft mit tödlichem Ausgang. Manche der Interpreten sind persönlich an Gewalttaten beteiligt. Freunde aus Jamaica bitten uns, gegen die Hass-Musiker vorzugehen, weil es ihnen selbst nicht möglich ist. So viel Solidarität haben Schwule auf Jamaica angesichts der haarsträubenden Strafgesetze verdient.

 Klaus Jetz (Köln)   Geschäftsführer Lesben- und Schwulenverband in Deutschland

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BIG BROTHER
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NZZ 6.7.09

In der Schweiz boomt die Videoüberwachung

Nutzen wird häufig überschätzt

 sig. In Flughäfen, Bahnhöfen oder öffentlichen Verkehrsmitteln sind Überwachungskameras heute mehr die Regel als die Ausnahme. Datenschützerischen Bedenken stehen einige spektakuläre Erfolge gegenüber, wie zum Beispiel in Basel, wo eine Gruppe von Schlägern in einem Bus gefilmt und so überführt wurde. Der Forscher Francisco Klauser hat jedoch am Beispiel des Oltner Strassenstrichs nachgewiesen, dass der Nutzen der Kameras oft überschätzt wird. Sobald die Kameras von den Medien nicht mehr thematisiert worden seien, hätten sich der Lärm und die Übergriffe auf Prostituierte auf dem vorherigen Niveau eingependelt. Und in England ist die Kriminalitätsrate trotz vier Millionen Überwachungskameras nicht zurückgegangen.

 Schweiz Seite 7

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Mit Kameras auf der Suche nach Sicherheit

Die Videoüberwachung boomt - doch ihr Nutzen wird oft überschätzt

Im Zug, im Bahnhof, bei der Abfalldeponie: Mit Hilfe von Videokameras sollen Übergriffe im öffentlichen Raum verhindert und Delikte aufgeklärt werden. Gezielt eingesetzt, trägt die Überwachung zur Sicherheit bei, doch der präventive Effekt nimmt häufig ab.

 dgy.  Schmierereien, Vandalismus, Littering, Hooliganismus oder sexuelle Übergriffe - keine Form von Fehlverhalten bleibt ungenannt, wenn es um die Bekämpfung von Störungen im öffentlichen Raum mit Hilfe der Videoüberwachung geht. Die Meldungen über Pläne zur Anschaffung von Kameras durch Gemeindeverwaltungen und Verkehrsbetriebe häufen sich - wenn eine Branche von der Wirtschaftskrise verschont zu bleiben scheint, ist es jene für Überwachungssysteme. Die Erfolgsmeldungen lassen nicht auf sich warten: Dank Kameras konnten beispielsweise in Kreuzlingen und Basel Täter festgenommen werden, die brutal auf ihre Opfer eingeschlagen hatten. Verkehrsbetriebe melden einen Rückgang von Vandalenakten dank dem Einsatz von Kameras.

 Keine einheitliche Regelung

 Schon fordert die Politik mehr Zurückhaltung beim Datenschutz: "Der Einsatz von Videoüberwachung und die Verwendung von Bildmaterial zur Strafverfolgung werden immer wieder durch einen falsch verstandenen Datenschutz behindert", klagt der Berner Nationalrat Norbert Hochreutener (cvp.) in einem Vorstoss. Kein Datenschützer sei gegen einen angemessenen Einsatz von Videokameras zur Prävention und Aufklärung von Verbrechen, entgegnet der Basler Datenschützer Beat Rudin. Zwei Fragen stehen für ihn aber im Zentrum: Wie verhältnismässig ist der Einsatz von Videoüberwachung im konkreten Fall? - Und wie kann ein Missbrauch der Aufzeichnungen ausgeschlossen werden?

 In der Schweiz existiert zum Thema Videoüberwachung keine einheitliche Regelung, genaugenommen herrscht sogar ein ziemlich unübersichtliches Dickicht von Zuständigkeiten und Regelungen. Für die Überwachung zuständig sind grundsätzlich die Kantone, dagegen regelt der Bund die Überwachung durch Private oder den Einsatz durch konzessionierte Verkehrsbetriebe wie beispielsweise die SBB. In den Strafprozessordnungen finden sich die Angaben darüber, wie und unter welchen Voraussetzungen die Bilder zur Fahndung oder im Strafverfahren verwendet werden dürfen. Dabei zeigt sich, dass Datenschützer und Strafverfolger zwar unterschiedliche Akzente setzen, sich über ein Grundprinzip dennoch einig sind: Je schwerer der mit der Videoüberwachung verbundene Eingriff in die Persönlichkeit ist, desto gewichtiger muss das öffentliche Interesse am Einsatz sein.

 Gegen die blosse Überwachung von Bahnhöfen und Flughäfen hat Beat Rudin deshalb nichts - die Persönlichkeit werde nur unwesentlich tangiert, solange die Bilder nicht aufgezeichnet würden. Auch mit der Speicherung von Bildern aus Basler Trams ist Rudin einverstanden, denn die Daten werden auf sogenannten Ringspeichern aufbewahrt und fortlaufend überspielt. Nur bei Straftaten werden die Bilder intern konsultiert, was Rudin als verhältnismässig bezeichnet. Selbst die vor kurzem erfolgte Veröffentlichung von Aufnahmen von in einem Bus der Basler Verkehrsbetriebe gefilmten Schlägern im Internet, ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeit, war für Rudin in diesem Fall zulässig, weil es sich um ein schweres Delikt handelte und die Staatsanwaltschaft erst zu diesem Mittel griff, als andere Ermittlungsmethoden nicht weiterhalfen.

 Überwachung des Strassenstrichs

 Dass die Täter in der Folge sofort gefasst werden konnten, war für die Basler Staatsanwaltschaft Bestätigung, dass ihr Vorgehen in diesem Fall richtig war. Dennoch werden längst nicht alle Bilder ins Netz gestellt, die Straftäter in voller Aktion zeigen, wie Markus Melzl von der Basler Staatsanwaltschaft sagt. Nur bei schweren gegen Leib und Leben gerichteten Delikten greift die Behörde zu diesem Mittel. Bilder von Bancomat-Betrügern oder von Raubüberfällen bekommt die Öffentlichkeit deshalb nicht zu sehen. Eine Bilderflut mit immer neuen Gesichtern bewirke Abnützungserscheinungen und habe zur Folge, dass die Bevölkerung auf die Aufrufe gar nicht mehr reagiere. Solche Bilder werden für die interne Fahndung eingesetzt, wo sie die Arbeit enorm erleichtern können, wie Melzl sagt.

 Es ist keineswegs auszuschliessen, dass die Basler Schläger insbesondere deshalb gefasst wurden, weil die Medien intensiv über die Publikation der Videoaufnahmen berichteten. Mit der Frage, wo und zu welchem Zweck der Einsatz von Videokameras überhaupt sinnvoll ist, setzt sich Francisco Klauser vom Institute of Hazard and Risk Research an der Durham University auseinander. Er hat beispielsweise die Auswirkungen der Videoüberwachung des Oltner Strassenstrichs untersucht. Anfänglich seien die Erfolge spektakulär gewesen - weniger Freier, weniger Prostituierte, weniger Autos, weniger Lärm, kaum noch Übergriffe. Doch nachdem die ersten Wellen verebbt und die Kameras aus den Schlagzeilen verschwunden waren, blieb auch die Wirkung der Kameras aus.

 Einige Monate später sei der Verkehr wieder angestiegen und ausser einigen Prominenten, die sich nicht mehr blicken liessen, sei die Situation wieder mit jener vor der Kamerainstallation vergleichbar gewesen, sagt Klauser. Ernüchternd sind auch Untersuchungsergebnisse aus England, wo die durch Kamerabilder ermöglichte Verhaftung zweier Teenager, die einen Buben töteten, schon Mitte der 1990er Jahre zu einer starken Verbreitung der Videoüberwachung beitrug. Heute sind in England über vier Millionen Kameras installiert. Von 13 landesweit unter die Lupe genommenen Videoüberwachungssystemen bewirkten indessen nur 2 einen signifikanten Kriminalitätsrückgang. Insgesamt aber hat sich weder an der Kriminalitätsrate noch am Sicherheitsempfinden der Bevölkerung viel geändert. Die Bevölkerung fühlt sich durch die Überwachung aber auch nicht gestört.

 Die Kameras seien in England allgegenwärtig, ohne dass man gross Notiz von ihnen nehme, sagt Klauser, der in England lebt. Fast alle Studien zeigten, dass der präventive Effekt abnehme und sich das subjektive Sicherheitsgefühl nicht nachhaltig verbessere - so fasst er den Stand der Forschung zusammen. Zusätzliche Polizeikräfte seien aus Sicht der Bevölkerung deshalb auch in England weiterhin wichtiger als zusätzliche Kameras. Am nützlichsten seien bediente Online-Systeme, bei denen die Sicherheitskräfte sofort eingreifen können - doch diese sind auch die teuersten. Auch Datenschützer Rudin zieht diese Systeme vor - und sagt sogar: Wenn zum Schutz von Personen Kameras installiert, die Bilder aus Spargründen aber nur aufgezeichnet würden und deshalb diese Personen gar nicht wirksam geschützt werden könnten, dann sei die Videoüberwachung nicht verhältnismässig.

 Hilfreich sind Kameras zur Vermeidung von spontanem Vandalismus, etwa in unbegleiteten Regionalzügen, wie verschiedene Untersuchungen zeigen. Mit den Kameras verändert sich allerdings auch das Verhalten der Täter, gibt Melzl zu bedenken: Diese trügen nun zum Schutz vor Wiedererkennung eine Baseballmütze und schöben sich ein Halstuch ins Gesicht, wenn sie einen Tankstellen-Shop überfallen. Und teilweise verlagere sich die Kriminalität einfach auf nicht überwachte Gebiete, erklärt Francisco Klauser. Der Datenschützer, der Kriminalkommissär und der Experte sind sich einig: Videoüberwachungssysteme können gezielt eingesetzt gewisse Vandalenakte und andere Übergriffe verhindern und die Aufklärung erleichtern, doch Wundermittel sind sie nicht.

 Abhören, speichern, verpixeln

 Einiges deutet darauf hin, dass sich die Debatte darüber, ob und zu welchem Preis der öffentliche Raum überwacht werden soll, noch intensivieren wird. Die Systeme werden weiterentwickelt, die Überwachung perfektioniert. Schon sind Geräte in Erprobung oder im Einsatz, die Gespräche abhören und auf verdächtige Wörter filtern, Gesichtsmerkmale speichern und erkennen oder Verhaltensweisen analysieren, Gesichter automatisch verpixeln und so bis zur Strafverfolgung unkenntlich machen. Moderne Technik, verlangt deshalb Rudin, dürfe nicht nur der Perfektionierung der Überwachung dienen, "sondern sie muss auch zum Schutz der Persönlichkeitsrechte zum Einsatz kommen".

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Sonntag 5.7.09

"Big Brother" streckt seine Fühler aus

Immer mehr Videokameras zur Überwachung werden installiert. Auch am Arbeitsplatz

Videoüberwachung am Arbeitsplatz verunsichert viele Men schen. Bei den kantonalen Behör den beider Basel versichert man, das Problem im Griff zu haben. Anders sieht es bei Firmen aus. Für systematische Kontrollen hat der eidgenössische Datenschutz beauftragte keine Zeit.

Von Rolf Zenklusen

Um Diebe und Vandalen abzuschrecken, werden immer häufiger Videokameras installiert. Und es gibt durchaus auch Situationen, in denen die Videoüberwachung zur Überführung von Straftätern führte. Über einen sehr prominenten Fall hat die bz ausführlich berichtet: Nachdem die Basler Staatsanwaltschaft Videobilder einer Schlägerei in einem BVB-Bus veröffentlicht hatte, konnten Mitte Juni zwei Täter verhaftet werden.

 Anders sieht es aus, wenn man als Arbeitnehmer per Video überwacht wird. Ob über der Ladenkasse oder in einer Lagerhalle - die prüfenden, strengen Augen von "Big Brother" können an verschiedenen Orten lauern. Ursula Stucki, Datenschutzbeauftragte des Kantons Baselland, kann nicht sagen, ob Anfragen wegen Videoüberwachung am Arbeitsplatz zugenommen haben. "Wir sind nur für den Datenschutz bei den Behörden des Kantons Baselland zuständig", sagt Stucki. Ihr basel-städtischer Kollege Beat Rudin weiss ebenfalls nichts von Reklamationen wegen Videoüberwachung. "Das ist auch nicht verwunderlich: In Basel-Stadt ist die Videoüberwachung durch öffentliche Organe gesetzlich geregelt. Wir achten darauf, dass es nicht zu einer Überwachung am Arbeitsplatz kommt."

Der Umgang mit Daten aus Videokameras beim Staat ist in beiden Halbkantonen im kantonalen Datenschutzgesetz geregelt. Beide Basel planen eine Revision dieser Gesetze. Der Entwurf dafür wurde im Baselbiet in Partnerschaft mit Basel-Stadt erarbeitet und soll die kantonalen Regelungen harmonisieren. Ziel ist, ein gemeinsames Informations- und Datenschutzgesetz (IDG) zu formulieren. Basel-Stadt sehe eine Änderung der Regelungen über Videoüberwachungen vor, sagt Rudin. "Dabei wird der Zweck der konkreten Videoüberwachung in den Mittelpunkt gestellt." Die Vernehmlassung für das IDG läuft.

 Ob und wie Videoüberwachung am Arbeitsplatz zunimmt, kann auch Eliane Schmid, Sprecherin des eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), nicht genau sagen. "Videoüberwachung ist bei uns konstant ein Thema. Wir führen aber keine genaue Statistik darüber, welche Branchen am meisten betroffen sind." Der EDÖB sei keine Datenschutzpolizei; Systematische Kontrollen seien gar nicht möglich. "In gewissen Fällen, oft nach Hinweisen aus der Bevölkerung oder von Betroffenen, stellen wir Nachforschungen an." Falls jemand gegen das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) verstösst, sucht der EDÖB zuerst das Gespräch. Nützt dies nichts, gibt er Empfehlungen ab. Bei deren Nichteinhaltung kann der EDÖB vor Gericht gehen. "Es gibt solche Fälle", sagt Schmid, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

 Oft fragt man sich, wer überhaupt berechtigt ist, die Bilder auf den Videobändern anzusehen. Gemäss Schmid muss der Zugang klar geregelt sein; die Bänder müssen in der Regel verschlossen sein oder chiffriert. Beim Zugang empfiehlt der EDÖB das Zwei-Schlüssel-Prinzip. So könnten zum Beispiel bei Unternehmen ein Mitglied der Geschäftsleitung und die Kantonspolizei befugt sein, die Daten einzusehen. Und wie lange dürfen die Videobänder aufbewahrt werden? "Wir gehen vom Grundsatz aus, dass Daten, die nicht mehr gebraucht werden, auch gelöscht werden. Dabei gilt die Zweck- und Verhältnismässigkeit", sagt die EDÖB-Sprecherin. Gestützt auf das Datenschutzgesetz verlangt der EDÖB, dass die Orte, an denen Kameras installiert werden, gut gekennzeichnet sind - am besten mit Schildern.

http://www.edoeb.admin.ch

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Bund 4.7.09

Hanspeter Thür

"Schutz der Privatsphäre ist nicht verhandelbar"

"Das Internet ist eine riesige Datenbank, bei der nichts vergessen geht", sagt der eidgenössische Datenschützer und warnt vor dessen Risiken. Hanspeter Thür wehrt sich gegen den Satz "Datenschutz ist Täterschutz". Er ist nicht gegen Videoüberwachung, findet aber, es sei eine "Illusion" zu meinen, dass überwachte Orte sicherer würden.

Interview: Rudolf Burger

"Bund":

Herr Thür, Datenschützer zu sein, ist ein schwieriger Job, Datenschützer müssen immer besorgt sein.

Hanspeter Thür: Nein, ich finde meinen Job sehr spannend. Ich muss verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigen, einerseits das Interesse an Privatheit, anderseits das Interesse der Öffentlichkeit.

Aber den zufriedenen oder sogar den fröhlichen Datenschützer - den gibt es nicht.

Man muss zwischen beruflicher und persönlicher Befindlichkeit unterscheiden. Ich bleibe ein fröhlicher Mensch.

Wenn Sie am Fernsehen auftreten, wirken Sie eher sauertöpfisch.

Das ist Ihr Urteil, entspricht aber nicht meinem Charakter.

Sie kämpfen an verschiedenen Fronten. In Ihrem neusten Jahresbericht haben Sie vor der Internetseite Facebook gewarnt. Dort machen aber alle freiwillig mit.

Das ist richtig. Wir verteufeln Facebook auch nicht, sondern vermitteln eine einfache Botschaft: Facebook ist ein neues Tool, eine Möglichkeit, die man nutzen kann, mit der aber auch Risiken verbunden sind: Das Internet ist eine riesige Datenbank, bei der nichts vergessen geht. Mit einem einfachen Klick kann man eine riesige Datenmenge erhalten.

Gehört Datenschutz heute als Unterrichtsfach in die Schule?

Nicht Datenschutz im engeren Sinn. Aber der Umgang mit den neuen Techniken im Internet. Heute ist es doch so, dass fast alle Jugendlichen Zugang zum Internet haben, aber die Eltern häufig überfordert sind.

Diese Woche hat der "Blick" den Fall einer Sozialarbeiterin gebracht, die sich im Internet in Sexposen darstellt. Illustriert dieses Beispiel für Sie die Gefahren des Internets?

Ja. Vielleicht sind diese Bilder in einem harmlosen Kontext entstanden und sind nun dramatisiert worden. Man muss sich bewusst werden, was passieren kann, wenn solche Bilder ins Netz gelangen.

Eine Ihrer neusten Aktionen war Ihr Streit mit Google Street View. Bevor ein Google-Fahrzeug durch die Strassen fahren darf, um im Internet ein virtuelles Bild einer Stadt zu erstellen, müssten nach Ihren Vorstellungen alle Hausbesitzer und Passanten informiert werden. Das ist doch unmöglich.

Diese Darstellung ist eine Fehlinterpretation. Wir wollen erstens - und da sind wir einig mit Google -, dass Gesichter anonymisiert sind, wenn sie im Internet aufgeschaltet werden, und wir wollen zweitens, dass vorgängig informiert wird, wo Aufnahmen stattfinden, indem Google zum Beispiel sagt, dass sie Aufnahmen in der Region Bern machen. Sieht man dann ein Google-Fahrzeug, kann man sich entsprechend verhalten, wenn man nicht ins Blickfeld geraten will.

Eine Ankündigung, dass Google View in dieser oder jener Region filmt, genügt?

Ja. Immerhin werden diese Aufnahmen im öffentlichen Bereich gemacht. Eine Person muss aber nicht akzeptieren, dass Ihr Bild in New York oder Sydney abgerufen werden kann. Wichtig ist für uns auch, dass die Rohdaten nach der Bearbeitung gelöscht und dass Häuser und Personen auf einfache Weise vom Netz entfernt werden können. Google nimmt unsere Anliegen ernst.

Problematisch ist doch nur, wenn jemand an einem Ort gefilmt wird, an dem er zu dieser Zeit nicht hätte sein sollen.

Nicht nur, problematisch ist bereits, wenn Bilder gegen meinen Willen aufs Internet geschaltet werden. Aber wenn dokumentiert würde, wie Sie einen Erotik-Shop verlassen, würde Ihnen das vielleicht auch nicht gefallen.

Gegen Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen haben Sie aber nichts einzuwenden?

Es ist plausibel, dass man in sensiblen Bereichen mit Videokameras ein Ereignis rekonstruieren kann. Man darf sich aber nicht der Illusion hingeben, dass diese Orte sicherer würden.

Nehmen Sie das Beispiel Bahnhof Kreuzlingen: Nachdem drei Schläger durch Videoaufnahmen überführt wurden, wird doch dort kaum noch einmal ein solcher Vorfall passieren.

Da bin ich mir nicht sicher. Aber ich sage auch: Videoüberwachung an bestimmten Orten macht Sinn, weil sie ermöglicht, ein Delikt aufzuklären und hohe Aufklärungsraten präventiv wirken. Beispiele aus dem Ausland zeigen aber auch, dass es zu einer Verlagerung kommt. Deshalb muss man sich überlegen, welche Ziele man mit einer Videoüberwachung verfolgt: Es ist nachvollziehbar, dass man sich auf einem Bahnhof, wo sehr viele Menschen verkehren, sicher fühlen muss. Man darf aber damit nicht die Hoffnung verknüpfen, mit einer flächendeckenden Ausbreitung von Videokameras das Verbrechen eliminieren zu können. So einfach ist es leider nicht.

Zwischen Ihnen und Mario Flück, dem Datenschützer der Stadt Bern, hat es wegen der Videoüberwachung des Bundesplatzes eine Kontroverse gegeben.

Es war keine Kontroverse zwischen zwei Datenschützern. Es ist total unbefriedigend, dass es auf kommunaler und kantonaler Ebene völlig unterschiedliche Rechtssituationen gibt. In der Stadt Bern gelten für die Videoüberwachung andere Regeln als im Kanton Bern oder beim Bund. Christoph Blocher wollte die Regeln gesamtschweizerisch vereinheitlichen, was wir unterstützten. Der Vorschlag scheiterte aber leider in der Vernehmlassung am Widerstand von Kantonen und Gemeinden.

In Bern hat sich das Parlament gegen Videoüberwachung auf dem Bundesplatz ausgesprochen. Dennoch wird der Bundesplatz überwacht.

Er wird nicht überwacht, überwacht wird der Eingangsbereich des Bundeshauses. Würde der Bundesplatz überwacht, wäre das ein Verstoss gegen die kommunalen Regeln. Es gibt ein berechtigtes Sicherheitsinteresse für den Bereich Bundeshaus, aber die kommunalen Gesetze müssen respektiert werden - da habe ich keine Differenz mit Mario Flück.

Einen Vorwurf werden Sie viel zu hören bekommen: Datenschutz sei Täterschutz.

Dieses Schlagwort zu wiederholen, macht es nicht richtiger. Bei der Aufklärung von Verbrechen kommt das Datenschutzgesetz nicht zur Anwendung. Aber strafprozessuale Verfahren müssen sich der Verhältnismässigkeit unterordnen. Die Internet-Fahndungen in den mir bekannten Fällen waren aus meiner Sicht zulässig, weil andere, weniger weit gehende Fahndungsmittel nicht mehr zur Verfügung standen.

Wenn die Polizei nach dem Cupfinal in Bern mithilfe des Internets nach straffällig gewordenen Hooligans sucht, wird das von 95 Prozent der Bevölkerung begrüsst.

Ich kenne keine solchen Zahlen. Im Übrigen wird das von uns auch nicht kritisiert. Es kann aber nicht sein, dass jeder, der eine Fackel in der Hand hält, zum Hooligan gestempelt und ins Internet gestellt wird. Ich verlange, dass sich eine Internet-Fahndung gegen Personen richtet, die durch das Bild erkennbar schwere Angriffe auf Personen beabsichtigt oder eingeleitet haben.

Es reicht nicht für ein Bild ins Internet, wenn jemand eine 1000 Grad heisse Fackel in der Hand hält?

Halt, dann müssen wir das anders diskutieren: Ich verstehe nicht, wieso Sportveranstalter nicht verhindern können, dass solche Fackeln ins Stadion gelangen.

Die Sportveranstalter sagen, wenn so genau untersucht werden müsste, müssten die Leute sechs Stunden früher anstehen.

Ja und? Nochmals: Ich verstehe nicht, dass Sportveranstalter nicht verhindern können, dass verbotene Gegenstände ins Stadion gelangen.

Datenschutz sei nicht Täterschutz, sagen Sie. In der Stadt Bern ist Sozialhilfemissbrauch erleichtert worden, weil Daten verschiedener Verwaltungen nicht ausgetauscht werden durften.

Wenn das wirklich so war, waren offenbar die kommunalen und kantonalen Gesetze nicht so konzipiert, dass der Informationsaustausch möglich war. Unser Ansatz ist der: Informationsfluss darf nur unter der Voraussetzung stattfinden, dass er gesetzmässig korrekt geregelt ist. Wenn der Gesetzgeber diese Voraussetzungen nicht schafft, soll man nicht den Datenschützer prügeln.

Ein kommendes Thema ist E-Health: Alle meine Gesundheitsdaten, alle meine Arztdaten werden elektronisch gespeichert. So können Gesundheitskosten gesenkt werden. Aber auch hier sollen Datenschützer die grössten Bedenken haben.

Stimmt nicht. Die Datenschützer sagen nur, dass einige Probleme genau angeschaut werden müssen. Zum Beispiel muss sichergestellt werden, dass nicht Leute ohne Berechtigung auf elektronische Patientendaten zugreifen können. Mit dem elektronischen Krankendossier braucht es hohe Sicherheitsanforderungen, und es muss auch klar sein, dass die Hoheit über die Daten beim Patienten bleiben. Er muss bestimmen können, welcher Arzt, welche Institution über welche von ihm zur Verfügung gestellten Gesundheitsdaten verfügen darf.

Der Datenschützer muss auch ein strenger Verfechter des Bankgeheimnisses sein. Sind Sie das?

Da sehen Sie, wie jene, die permanent vom "Datenschutz als Täterschutz" reden, in einen Widerspruch geraten: Interessanterweise vertreten diese Kreise die Haltung, dass Steuerhinterziehung durch das Bankgeheimnis geschützt werden soll. Für mich ist Steuerhinterziehung ein deliktisches Verhalten, das nicht durch das Bankgeheimnis geschützt werden kann.

Dringt da auch Ihre Vergangenheit als ehemaliger grüner Politiker durch?

Nein, es ist nur konsequent. Die Aufklärung eines deliktischen Verhaltens darf nicht durch eine Datenschutzargumentation verhindert werden.

Es gibt auch die Verfechter eines strengen Datenschutzes, die nichts dagegen hätten, wenn die Bankkonten von vermögenden Leuten öffentlich würden.

Was ausserhalb des Strafrechts an Privatsphäre resultiert, muss geschützt werden. Das gilt unterschiedslos für Bankinformationen, für Gesundheitsinformationen, berufliche Informationen und so weiter.

Internet, Datensammlungen von Staat und Wirtschaft - den "gläsernen Bürger", der als Schreckgespenst dargestellt wird, gibt es eigentlich schon.

Was heisst das? Natürlich gibt es heute sehr viele Möglichkeiten, Informationen über eine Person zusammenzustellen. Nichtsdestotrotz ist der Anspruch auf Schutz der Privatsphäre nicht verhandelbar.

Trotzdem bleibt der Eindruck: Der arme Datenschützer kämpft gegen Windmühlen.

Der Datenschützer reklamiert, wenn Konzepte zur Diskussion stehen, die tendenziell die Privatsphäre beeinträchtigen. Jetzt kann man behaupten, die Privatsphäre interessiere niemanden mehr. Dann würde der Datenschützer überflüssig. Aber ich gehe nicht davon aus, dass es dem Bürger wurscht ist, wie seine Privatsphäre im öffentlichen Kontext beurteilt, bewertet und genutzt wird.

Etwa beim Thema Videoüberwachung hört man oft Aussagen wie: "Das ist mir egal, ich habe nichts zu verbergen."

Es gibt Dinge, die ich nur meinem besten Freund anvertrauen möchte. Das in der Verfassung fest geschriebene informationelle Selbstbestimmungsrecht besagt, dass - insofern nicht ein privater Rechtfertigungsgrund oder eine staatliche gesetzliche Grundlage besteht - der einzelne Bürger Herr über seine Daten ist. Er kann seine Daten freiwillig zur Verfügung stellen. Es wird aber immer wieder Leute geben, die das nicht wollen.

Sind Sie aber nicht sehr weit gegangen, als Sie gegen den Einsatz von Drohnen zur Überwachung der Grenzgebiete datenschützerische Argumente vorgebracht haben?

Wir haben nicht den Einsatz infrage gestellt, sondern nur gesagt: Für den Einsatz von Drohnen gibt es keine ausreichende gesetzliche Grundlage. Die Drohnen überwachen nicht nur Grenzen, sondern einen Bereich von 30 Kilometern ab Grenze, sie etablieren eine qualitativ andere Form von Überwachung als die früheren Grenzkontrollen. Darauf haben wir hingewiesen. Es geht immer um das Gleiche: Der Staat muss sein Verhalten durch gesetzliche Grundlagen legitimieren.

Daten, die von Drohnen gesammelt werden, sind doch vergleichbar mit Daten, die durch Videokameras erhoben werden.

Nein, das ist eine andere Qualität. Die Drohnen fliegen über unsern Köpfen und sehen auch in unseren Garten. Deshalb braucht es eine gesetzliche Grundlage: Wer hat Zugriff auf die Bilder? Zu welchen Bedingungen? Wann werden sie gelöscht? Das alles ist nicht geregelt.

Sie haben einmal geschrieben: "Auf die Bürgerinnen und Bürger kämen grosse Gefahren zu, wenn der Schutz der Privatsphäre nicht gebührend berücksichtigt würde." Was wären solche Gefahren?

Es ist eine Binsenwahrheit: Je mehr Sie über einen Menschen wissen, über sein Konsumverhalten, über sein Denken, über sein Freizeitverhalten, umso mehr kann dieser Mensch gesteuert werden.

Das tönt nach Visionen à la "Schöne neue Welt" von Aldous Huxley.

So weit würde ich nicht gehen. Aber alle Marketing- und Werbekonzepte basieren darauf, dass sie Bereiche des Menschen ansprechen, die vielleicht diesem betreffenden Menschen nicht so klar bewusst sind. Als Datenschützer geht es mir darum, die Einfallstore in einen Bereich, in dem der Mensch manipulierbar wird, möglichst klein zu halten.

Werden Sie auf der Strasse häufig auf Ihre Tätigkeit als Datenschützer angesprochen?

Ja, die einen finden meine Arbeit gut, die andern weniger. Das ist das Spannende an der Arbeit eines Datenschützers, er muss sich durch verschiedene Interessen navigieren. Der Preisüberwacher hat es einfacher, er ist aus Sicht des Bürgers immer auf der richtigen Seite.

Eine Mehrheit der Bürger ist heute wahrscheinlich der Ansicht, der Datenschutz werde übertrieben.

Vielleicht. Aber nehmen Sie die Abstimmung über den Biometrie-Pass. Das war eine der ersten gesamtschweizerischen Auseinandersetzungen über den Datenschutz, ausgelöst durch eine Generation, die sich mit dem Internet sehr gut auskennt.

Waren Sie gegen den Biometrie-Pass?

Nein, aber gegen die zentrale Speicherung der Fingerabdrücke.

Sie würden fast gegen die eigene Moral verstossen, wenn Sie Besitzer einer Cumulus-Karte wären.

Das ist so. Ich habe keine Karte, aber man sollte auch nicht übertreiben. Wir haben die Cumulus-Karte und die Supercard angeschaut. Bei der Cumulus-Karte war klar, dass die Migros die Informationen über ihr Einkaufsverhalten zu Marketing-Zwecken ausnützt: Wenn Sie viele Windeln kaufen, wird man bei Ihnen für andere Baby-Produkte werben. Das ist kein Problem, wenn das, wie im Fall der Migros, klar kommuniziert wird. Coop tut das nicht. Zweitens: Ich will nicht, dass solche Informationen, die einen Marktwert haben, weiterverkauft werden. Oder wenn schon, dann braucht es die Einwilligung der Betroffenen.

Kaufen Sie per Kreditkarte im Internet ein?

Nach Möglichkeit nicht. Es gibt Situationen, in denen sich das nicht vermeiden lässt. Wenn ich bei Swiss einen Flug buche, ist das unproblematisch, es handelt sich um eine Firma, die ich kenne. Wenn ich aber einer mir unbekannten Firma auch die Rückseite der Karte angeben muss und diese Identifizierung in falsche Hände gerät, habe ich ein Problem.

Was ist, wenn Sie mit der Kreditkarte in einem Restaurant in Süditalien bezahlen?

Das würde ich nicht tun. In einem Restaurant, das ich nicht kenne, gebe ich die Kreditkarte nicht aus der Hand.

Man findet Ihre private Nummer nicht im Telefonbuch. Wieso nicht?

Schon als Politiker wollte ich nicht, dass ich in meiner Privatsphäre tangiert werde.

Ihre Familie kommt ohne Facebook aus.

Ja. Ich habe kürzlich von einem Bekannten die Anfrage erhalten, ob ich gerne sein Freund werden möchte. Da habe ich mir gedacht: Ich bin ja schon sein Freund.

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Hanspeter Thür

Hanspeter Thür, Jahrgang 1949, ist in Altstätten SG aufgewachsen. An der Universität Basel studierte er Jurisprudenz. 1978 absolvierte er das Fürsprecherexamen. Danach arbeitete er als Redaktor bei "Tat" und "Tages-Anzeiger" und ab 1983 als selbstständiger Anwalt. 1985 wurde Thür für die Grünen in den Grossen Rat des Kantons Aargau gewählt, 1987 in den Nationalrat. Von 1995 bis 1997 war er Präsident der Grünen Schweiz. 1999 trat er aus dem Nationalrat zurück. Seit September 2001 ist er in einem 60-Prozent-Pensum eidgenössischer Datenschutzbeauftragter und daneben Anwalt in Aarau. Hanspeter Thür ist verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter. Er wohnt in Aarau. (bur)

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HOOLIGAN-GRIPPE
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tagesanzeiger.ch 5.7.09

Maurer will mit Hooligans kurzen Prozess machen

SVP-Bundesrat Ueli Maurer möchte Hooligans direkt im Fussballstadion vor ein Schnellgericht stellen.
Trotz kurzem Prozess: "Wir werden drei bis vier Jahre brauchen, bis man eine spürbare Reduktion der Gewalt hat", sagte Maurer.

Diese Idee präsentierte der VBS-Chef in Interviews mit den Zeitungen "Sonntag" und "Le Matin Dimanche".

Auch wenn solche Schnellgerichte hohe Kosten verursachten und aufwändig seien, "hätten sie einen gewissen Effekt", sagte Mauer. Es werde nun geprüft, "ob der Bund den Kantonen solche Schnellverfahren vorschreibt - oder ob die Kantone diese selber einführen wollen".

Internet-Pranger

Weiter plädierte Maurer für eine schweizweite Einführung der Praxis einiger Kantone, Bilder von Hooligans im Internet zu veröffentlichen.

Die Publikation im Internet erleichtere es, die Täter zu fassen - auch wenn damit "eine gewisse Verletzung der Persönlichkeitsrechte" einhergehe, argumentierte der Chef des Eidg. Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Der Entscheid sei aber Sache der Kantone, schränkte Maurer ein.

Schnelle Resultate dürfe man im Kampf gegen Hooligans nicht erwarten. Die Situation sei komplex, das Vorgehen müsse mit vielen Partnern abgesprochen werden. Der Bund selber habe keine Handlungskompetenz. "Wir werden drei bis vier Jahre brauchen, bis man eine spürbare Reduktion der Gewalt hat", sagte Maurer. (mbr/sda)

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Sonntag 5.7.09

Reise ins Fussballland

Die kantonalen Polizeidirektoren wollen von England lernen

Wie haben andere Staaten die Gewalt im Fussball in den Griff bekommen? Die Kantone wollen es wissen: Deshalb reist Anfang August eine Delegation der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz (KKJPD) nach Deutschland, Holland und England. "Wir wollen uns darüber informieren, wie unsere ausländischen Kollegen die Probleme gelöst haben", sagt der Bas-ler Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass. Klar ist: Gass ist mit dem Tempo nicht zufrieden bei der Lösung des Krawall-Problems. Kantone, Gemeinden, Polizeikorps, Klubs und Verbände sitzen zwar am runden Tisch von Sportminister Ueli Maurer, konkrete Resultate können sie aber eine Woche vor dem Saisonstart der Fussballmeisterschaft kaum liefern. Ueli Maurer glaubt, dass die Schweiz noch "drei bis vier Jahre" brauche, "bis man eine spürbare Reduktion der Gewalt hat". (BEN/att)

 > Seiten 2 und 3

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Ueli Maurer: "Wir werden vier Jahre brauchen"

Mit der Fussballsaison beginnt auch wieder die Krawall-Saison. Die Polizeidirektoren sind in den Ferien, die Politiker auf Reisen. Derweil haben die Klubs bereits Sofortmassnahmen getroffen

Wer muss das Krawall-Problem im Fussball lösen? Trotz rundem Tisch schieben sich die Verantwortlichen gegenseitig den schwarzen Peter zu: die politischen Behörden dem Fussballverband - und umgekehrt.

von Benjamin Bögli und Othmar von Matt

Die Aktivitäten wurden plötzlich hektisch. Der Basler Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass schlug seinem Berner Kollegen Reto Nause und der Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer ein Treffen vor. Grund: Die Städte Zürich, Bern und Basel sind unzufrieden mit den Resultaten, die Sportminister Ueli Maurers runder Tisch ergeben hat.

Es sollte endlich vorwärtsgehen im Kampf gegen das Gewaltproblem im Fussball. Telefon- und Mail-Kontakte hatten bereits stattgefunden. Doch zu einem realen Treffen kam es trotzdem nicht - und wird es bis zum 11. Juli auch nicht kommen. Obwohl dann die neue Fussballsaison der Super League beginnt. Es waren die Sommerferien, die den drei Polizeivorstehern einen Strich durch die Rechnung machten: Sie fanden schlicht und einfach keinen Termin.

Sportminister Ueli Maurer reagiert gelassen auf die Kritik aus Bern, Zürich und Basel. "Ich freue mich, wenn die Kantone finden, es gehe zu langsam", sagt er im Interview (Seite 11 und 12) - und hält fest: "Vor einem halben Jahr haben sie sich noch gesträubt, etwas zu tun. Wenn sie nun endlich erwachen, ist das gut." Der Bund selber habe "keine Handlungskompetenzen", betont Maurer. "Er kann nur helfen, alle an einen Tisch zu setzen und gemeinsame Ziele zu formulieren."

Maurer dämpft auch allzu optimistische Erwartungen. "Wir werden drei bis vier Jahre brauchen, bis man eine spürbare Reduktion der Gewalt hat", sagt er. "Wir können nicht verhindern, dass es auch dieses und nächstes Jahr Spiele mit Ausschreitungen gibt." Eines seiner möglichen Mittel gegen die Fussballgewalt sind Justizschnellverfahren in den Stadien. "Wir prüfen, ob der Bund den Kantonen solche Schnellverfahren vorschreibt", sagt Maurer.

Selbst wenn der Städtegipfel noch nicht zustande kam, bleibt auch FDP-Regierungsrat Gass nicht untätig: Anfang August reist er mit einer Delegation der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) nach Deutschland, Holland und England. "Wir wollen uns darüber informieren, wie unsere ausländischen Kollegen die Probleme gelöst haben." Für Gass ist der dreitägige Abstecher in den Norden nicht bloss eine Bildungsreise. "Die Ergebnisse unserer diversen Aktivitäten sind im Herbst zu erwarten. In drei Monaten will ich der Basler Regierung konkrete Resultate vorlegen", so Gass.

Das hilft im Moment aber weder den Klubs noch den Polizeikorps. Für sie drängt die Zeit. Doch eine Woche vor Saisonstart schieben sich die politi-schen Behörden und der Schweizeri-sche Fussballverband (SFV) gegenseitig den schwarzen Peter zu.

So fordert der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause, dass der Verband sein bestehendes Regelwerk "rigoros umsetzen" müsse. Ganz anders sieht das der SFV-Sicherheitsverantwortliche Ulrich Pfister: "Am Schluss müssen die einzelnen Klubs und die Behörden am Spielort die Sicherheit garantieren und verantworten."

Eine engere Zusammenarbeit zwischen den drei grossen Fussball-Städten, wie sie sich Hanspeter Gass vorstellt, gefiele dem Verband aber. Denn: "Mir fehlt eine einheitliche Einsatzdoktrin der Polizeikorps an den einzelnen Spielorten", sagt Pfister, "die sind zu unterschiedlich und erschweren eine gesamtheitliche Problemlösung." Überstürzen will Pfister nichts. Auch Gass glaubt nicht an kurzfristige Aktionen: "Ich habe nicht den Anspruch, eine Lösung innerhalb von zwölf Stunden zu finden." Neue polizeiliche Massnahmen habe er in Basel auf den Saisonstart hin keine vorgesehen.

Ulrich Pfister nimmt die Vereine in die Pflicht. "Wir fordern die Klubs auf, ihre Hausaufgaben zu machen - eine konsequente Durchsetzung des Stadionverbots." Im Zürcher Letzigrund etwa wurden bisher nur ganz wenige Stadionverbote nach Delikten ausgesprochen, in der Fanszene spricht man von einem oder zwei. Anders in Bern: 61 YB-Anhänger erhielten laut YB-Verwaltungsrat Stefan Niedermaier ein Stadionverbot.

Immerhin können die Klubs als bisher einzige mit konkreten Massnahmen aufwarten, die bereits am Saisonstart greifen (siehe Bildboxen oben). Bei YB setzt man mehr Sicherheitspersonal ein. Im Zürcher Letzigrund, wo der FC Zürich und GC ihre Heimspie- le austragen, will man die Videoüberwachung ausbauen. Und sowohl beim Sankt-Jakob-Park in Basel als auch im Stade de Suisse in Bern sind bauliche Massnahmen im Gang, um die Fan-Sektoren besser zu trennen.

Der unkonventionellste Vorschlag kommt aber von einem Fussballprofi und wäre - mit gutem Willen - noch vor dem Saisonstart realisierbar: "Fussballer könnten sich zusammentun und eine Kampagne gegen Gewalt in den Stadien starten", sagt Ex-Nationalspieler Bruno Berner, der heute in England bei Leicester City spielt. "Vielleicht sogar mit der Unterstützung der Regierung, von Journalisten und friedlichen Fans, wie in England."

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FC Luzern (Stadion Gersag, Emmenbrücke)

In der kommenden Saison trägt der FCL die Heimspiele in Emmenbrücke aus. Zur Erhöhung der Sicherheit hat der Klub Anfang Woche 42 neue Stadionverbote ausgesprochen. Zusätzlich setzt er eine Belohnung von 3000 Franken aus für Hinweise, welche den Täter anlässlich des Barrage-Rückspiels FC Luzern - FC Lugano vom 13. Juni 2009 überführen.

FC Basel (St.-Jakob-Park)

Der FC Basel hat gleich viel Sicherheitspersonal wie in der letzten Saison. Bauliche Massnahmen ums Stadion sind geplant. Konkret wollte der FCB-Sicherheitsverantwortliche Gerold Dünki jedoch nicht sagen, worum es geht. Noch darf er die entsprechenden Massnahmen nicht verraten. Zudem existiert beim FC Basel ein Fanprojekt.

Berner Young boys (Stade de Suisse)

Zwei Millionen Franken (90 000 Franken pro Spiel) investieren die Young Boys in die Sicherheit - sie soll jetzt optimiert werden. Das Sicherheitspersonal wird aufgestockt. Ein Korridor für Gästefans wird errichtet, damit die Fangruppen besser getrennt werden. Das Pensum für den Fan-Koordinator wird um 50 Prozent erhöht - auf eine 100-Prozent-Stelle.

FC St. Gallen (AFG-Arena)

Der Aufsteiger wird diese Saison mehr Risikospiele austragen müssen als letzte Saison. Deshalb braucht es situativ mehr Sicherheitspersonal. Auch bauliche Anpassungen werden vorgenommen: Im Stadion werden die Fansektoren besser getrennt. Zudem gibts zwei zusätzliche Drehkreuze beim Eingang.

FC Zürich (Letzigrund)

Im Stadion des FC Zürich wird das Sicherheitskonzept überarbeitet. Die Schulung des Sicherheitspersonals wird verbessert und die Videoüberwachung ausgebaut. Die Fansektoren werden intensiver kontrolliert und es wird mehr Personenkontrollen geben.

Grasshoppers club Zürich (Letzigrund)

Bei den Grasshoppers bleibt das Sicherheitsdispositiv grundsätzlich gleich wie letzte Saison. Da die Fangemeinde relativ klein ist, sind auch die Probleme überschaubarer als beim Stadtrivalen FCZ. Alex Sauber, Verantwortlicher des GC-Spielbetriebs: "Wir hatten in der letzten Saison keinen sicherheitsrelevanten Zwischenfall im Letzigrund."

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Das grosse Interview mit Bundesrat Ueli Maurer

"Bundesrat würde auch mit 7 Tessinern funktionieren"

VBS-Chef Ueli Maurer sagt, was die Schweiz gegen die Hooligans unternimmt, warum man bei der Armee nicht sparen darf - und weshalb die USA kein verlässlicher Verhandlungspartner sind.

Von Othmar von Matt, Florence Vuichard (Text) und André Albrecht (Bilder)

(...)

Nächsten Samstag beginnt die Fussballmeisterschaft, doch eine Lösung gegen die Krawalle gibt es noch nicht.

Wir haben zum ersten Mal alle Akteure an einen Tisch gebracht. Es besteht Einigkeit über das Ziel: Alle wollen die Gewalt reduzieren. Immerhin findet ein gewisser Erfahrungsaustausch statt, das war bis anhin nicht so. Die Klubs, Kantone und Polizeien können da von den Erfahrungen der anderen profitieren.

Ein konkretes Beispiel?

Nehmen wir die Fanbetreuung: Fans müssen rund um die Uhr von den Vereinen betreut werden - hier sollten die Klubs ihre Rezepte austauschen. Die meisten Fans wollen ja keine Gewalt, sondern einen guten Match. Diese positiven Fans sollten mehr Einfluss nehmen, ausgleichend einwirken. Sie müssen wissen, dass Gewalt und Krawall ihrem Klub schaden. Heute funktioniert das noch nicht. Die Klubs müssen ihre Fans ausbilden, ihnen Kurse geben.

Nach sechs runden Tischen wartet man noch immer auf Resultate.

Die Situation ist komplex. Erstens müssen der Fussballverband, die Vereine, die Fanbetreuer und die privaten Sicherheitsdienste in den Stadien koordiniert vorgehen. Deren Vorgehen muss auch mit anderen Partnern abgesprochen werden - mit der Polizei, den Kantonsregierungen, dem öffentlichen Verkehr. Alle müssen zusammenarbeiten.

Könnte der Bund nicht mehr tun?

Der Bund hat keine Handlungskompetenzen. Er kann nur helfen, alle an einen Tisch zu setzen und gemeinsame Ziele zu formulieren. Durchsetzen müssen sie die Partner. Ich stehe nicht mit dem Wasserwerfer im Stadion.

Der Weg über die runden Tische geht vor allem Bern zu langsam.

Ich freue mich, wenn die Kantone finden, es gehe zu langsam. Sie brauchten sehr lange, um sich überhaupt bewusst zu werden, dass Probleme bestehen. Vor einem halben Jahr haben sie sich noch gesträubt, etwas zu tun. Wenn sie nun endlich erwachen, ist das gut.

Wann werden wir bei Fussballspielen keine Gewalt mehr haben?

Das wird einige Zeit brauchen. Deutschland und England brauchten fast zehn Jahre. Wir beginnen erst in dieser Saison ernsthaft damit, das Problem in den Griff zu bekommen. Wir werden drei bis vier Jahre brauchen, bis man eine spürbare Reduktion der Gewalt hat. Wir können nicht verhindern, dass es auch dieses und nächstes Jahr Spiele mit Ausschreitungen gibt.

Gibt es sonst noch Möglichkeiten, die Gewalt einzudämmen?

Abschreckend wäre sicher, die Straftäter gleich im Stadion im Schnellverfahren zu verurteilen. Heute liegt der Entscheid dafür bei den Kantonen. Es ist natürlich aufwändig, ein solches System einzuführen: Es braucht spezielle Untersuchungsrichter, Gerichtsschreiber und Räume im Stadion für Einvernahme und Festhalten. Solche Räume gibt es aber nur in den wenigsten Stadien.

Das wird nun ernsthaft geprüft?

Wir haben das im Justizdepartement abklären lassen: Ein Kanton kann heute ein Schnellverfahren durchführen, wenn es in seiner Strafprozessordnung vorgesehen ist. Wir prüfen, ob der Bund den Kantonen solche Schnellverfahren vorschreibt - oder ob die Kantone diese selber einführen wollen. 2010 wird das aber kaum schon funktionieren.

(...)

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Sonntag 5.7.09

Überwachung scheint zu wirken

Das Sicherheitskonzept beim Uhrencup in Grenchen baut auf Kameras

Mit Kameras sollen Randalierer identifiziert und angezeigt werden, hatten die Organisatoren des Grenchner Uhrencups angekündigt. Der erste Abend mit Panathinaikos - Young Boys verlief jedenfalls friedlich.

Von Hans Peter Schläfli

Barfuss stand Sascha Ruefer zwei Stunden vor dem Anpfiff des ersten Matches des Uhrencups auf dem Rasen des Stadions Brühl und schaute sorgenvoll Richtung Westen. Dem Organisator des Uhrencups gefiel gar nicht, was er da sah: Schwarze Wolken zogen von Romont her Richtung Grenchen. "Das Gewitter könnte zu einem Sicherheitsproblem werden, wenn die Leute vor den Eingängen drängeln und ungeduldig werden", sagte Ruefer. Unangenehm auch, dass das Gewitter ausgerechnet dann mit aller Macht loslegte, als sich die Zuschauer daheim überlegten, ob sie an den Match gehen sollten. Das drückte sicher die Zuschauerzahl. Rechtzeitig vor dem Anpfiff hatte sich der Sturm wieder gelegt - Entwarnung von dieser Seite also.

"Viele Familien mit Kindern kommen ins Stadion, da ist es so schade, dass sich immer wieder ein paar wenige nicht anständig aufführen können", meinte YB-Goalie Marco Wölfli im Vorfeld des Uhrencups. Er habe gelesen, dass die Organisatoren diesmal die Randalierer hart anpacken wollen, weil es vor einem Jahr einige Probleme gegeben hatte. Doch Wölfli erkennt die Schwierigkeiten: "Es wird immer schwieriger, für die Sicherheit zu sorgen, weil es Leute gibt, die die Vorkehrungen austricksen wollen."

 Wölflis Informationen waren richtig. Über dem blau-weissen WC-Häuschen wurde im Grenchner Brühl ein Sicherheitsposten aufgebaut. Die Scharmützel im Anschluss an das letztjährige Finalspiel Basel - Dortmund hatten die Veranstalter gezwungen, ihr Sicherheitskonzept zu überarbeiten. Bei der 48. Austragung soll ein Zeichen gegen Randalierer und Chaoten gesetzt werden. Durch ein Video- und Fototeam im Stadion sollen Übeltäter eruiert und bei der Polizei angezeigt werden. Falls Täter nicht identifiziert werden können, sollen diese im Internet an den Pranger gestellt werden. "Wichtig war es, dass das harte Durchgreifen allen bekannt ist", glaubt der Lengnauer Fernsehmoderator an die präventive Wirkung dieser Massnahmen. Sympathisch die Idee, an die Zuschauer eine nummerierte Stadionordnung abzugeben. Und damit daraus nicht einfach ein weiteres Stück Papier im Müll wurde, verschenkte der Uhrencup an eine ausgeloste Nummer eine Uhr. Auch die Eingangskontrollen sind verstärkt worden. "Wir haben alles gemacht, was in unseren Möglichkeiten liegt", sagte Roger Rossier, der Sicherheitsverantwortliche des Uhrencups. "Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen. Von unseren 300 Helfern sind etwa 50 für die Sicherheit eingeteilt. Zum Einsatz der Polizei kann ich aber keine Auskunft geben." "Wir können aber das Stadion nicht neu bauen", relativierte Ruefer die Möglichkeiten der Turnier-Organisatoren. "Wir haben zum Beispiel auf der östlichen Stehrampe Geländer montiert, damit man dort nicht mehr herumrennen kann. Es waren letztes Jahr schätzungsweise 15 Randalierer, und wir hatten 40 Polizisten im Stadion. Was passiert, wenn wir 100 Polizisten hier haben, und plötzlich 500 Randalierer?" Das Problem sei ein gesellschaftliches, und von der Uhrencup-Organisation unternehme man alles, um die Situation im Griff zu behalten.

Ob es nun die Null-Toleranz- Strategie war, die wirkte? Da sich am ersten Abend alle Fussballfreunde in Grenchen friedlich verhielten, wurde zumindest nicht das Gegenteil bewiesen.

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Limmattaler Tagblatt 4.7.09

Meinung

Sitz! Platz! Eine Polemik

Ist Gewalt in Stadien mit Ausmerzung von Stehplätzen zu besiegen?

Lukas Tonetto

Die Allmend Brunau am Rand von Zürich ist so konturlos wie sonst nur ausgestecktes Bauland. Dennoch prägen zwei Merkmale diesen abseitigen Flecken Erde. Oft schon im Morgengrauen wird die Ruhe der Allmend von Gebell und einem hitzigen Staccato aus "Sitz!"-"Platz!"-Rufen zerrissen. Ganz in der Nähe dieses akustischen Quodlibets traben lockeren Fusses die Profis des FC Zürich. Die Gelassenheit des Schweizer Meisters konterkariert die hektischen Befehle, auch wenn diese nicht bis an die Ohren der Spieler dringen. Zumal ein Grossteil der Meistertruppe mit der Sprache Molières aufgewachsen ist. "Sitz!", "Platz!" klingt in ihren Ohren so sinnentleert wie umgekehrt "gradins". Vielleicht gerade, weil es das Gegenteil bedeutet. "Gradins" werden in Westschweizer Stadien die Stehplätze genannt. Ebenso heftig wie um Punkte wird im Schweizer Fussball immer wieder um die Stehplätze gerungen. Worte haben ihre Geschichte. Der Zeitgeist verändert vieles, auch Worte. "Stehplatz" ist so ein Wort und bezeichnete einst nichts weiter als einen Bezahlort, von dem aus man stehenden Fusses einem Spektakel beiwohnen konnte. Heute jedoch löst das Wort "Stehplatz" ähnlich mulmige Gefühle aus wie "Schweinegrippe". Die zufällige Gemeinsamkeit liegt darin, dass zwar kaum jemand davon betroffen ist, sich darob aber dennoch eine diffuse Furcht verbreitet. Keiner spricht dabei über Stehplätze mit so ernsten Mienen wie die etatistischen Meinungsmacher vom Leutschenbach. Denn die Fangewalt kennt offenbar nur einen Wirt: den Stehplatz! Von der angeblichen Ursache bis zur Dämonisierung ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Diese Verteufelung wird angeführt vom scheinbar inoffiziellen Mediensprecher des Fifakönigs Joseph S., von dessen Landsmann und Dialektknappen Rainer Maria S. Wer soll gegen solche Hors-Sol-Meinungspenetranz auftreten? Immerhin steht auf den mit Gebühren finanzierten Plakaten in Buchstaben so hell und rot wie Blut "idée suisse", als ob die Chefideologen die Rechte auf Swissness gepachtet hätten. Der Ausgang der volksfinanzierten Fussballsendungen bleibt absehbar wie das Amen in der Kirche: Nach jeder Pyroshow pilgert das gutmütige Schweizer Fernsehen SF zum grossen Jospeh S., um dessen stereotypisches Votum kontra Stehplätze einzuholen. Keiner käme auf die schlichte Idee, einmal nur einen gewöhnlichen Stehplatz-Zuschauer zu fragen, warum man einem Fussballspiel auch von der Rampe aus ganz angenehm beiwohnen kann. Die Meinung ist gemacht: Stehplätze sind wie Schweinegrippeviren und deshalb auszurotten. Eine Lüge wird auch durch stete Wiederholung nicht wahrer. Die nur durch Sitzplätze zu erreichende Gewaltlosigkeit gehört in diese Lügenkategorie. Das letzte Spiel der Kontrahenten FCZ und FCB beweist, wie wenig Sitzplätze und Sicherheit zusammenhängen. Aufmerksame Beobachter haben nur Chaoten gesehen, aber keine Stehplätze. Petardenwürfe, ja, aber von Sitzplatz zu Sitzplatz. Trotz Sitzplätzen kam es schon im Letzigrund zu Gewalttätigkeiten. Dennoch forderte der Allmächtige vom Sonnenberg am selbigen Abend einmal mehr lauter Sitzplatzarenen. Absurder ist nur der TV-Mann vom Schweizer Fernsehen, der diese verbale Absurdität nicht ansatzweise infrage stellte. Das Problem der Gewalt kann durch Sitzplätze nicht gelöst werden, und dort liegt der Hund begraben: Es geht nur vordergründig um die Verhinderung von Gewalt. Die Oberen des Fuss-balls wollen etwas anderes: Geld. Und Ruhe will eine Bevölkerung, die nichts so sehr fürchtet als das nackte Chaos, das vom SF in Fussballstadien gefunden und wohnzimmergerecht aufbereitet wird. Für solch eingeschüchterte Bürger sind dann nicht nur Chaoten, sondern alle Stehplatzbesucher ein dankbares Opfer. Damit spielt sich der schlaue Walliser Joseph S. mit seiner Forderung nach Sitzplätzen gekonnt als Volksfreund auf. Hinter solcher Gockelei verbirgt sich aber die längst nicht mehr heimliche Triebfeder nicht nur der Fifa, sondern aller Klubs: Geld. Zwar ist der Unterhalt einer modernen Sitzplatzarena insgesamt teurer, aber dank höheren Eintrittspreisen bleiben Sitzplätze allemal ein lukratives Geschäft. Insbesondere, weil diese Stadien in vielen Fällen auf öffentlichem Grund stehen und von der öffentlichen Hand wenigstens mitfinanziert werden. Nur ein Tor könnte solch ein präsidiales Plazet pro Sitzplätze verargen. Ein Ja an der Urne ist damit programmiert, denn nach über zehnjähriger Indoktrination durch Fifa und SF glaubt auch der letzte Stimmbürger den Unsinn, der über Stehplätze verbreitet wird. Zürich will seit Jahren ein zweites Stadion bauen. Das neueste Stadionprojekt ist zwar kleiner, aber auch nur mit Sitzplätzen und einem geheizten Fernsehstudio geplant, damit Matthias H.s Permafröhlichkeit in der nächtlichen Novemberkälte nicht einfriert. Statt des Hardturm-Areals käme als Standort zwar auch die Allmend Brunau infrage. Ob dann die ruhebedürftigen Hündeler aber immer noch so laut "Sitz!", "Platz!" schreien würden, muss ernsthaft bezweifelt werden.

Gastautoren äussern in ihren Beiträgen ihre persönliche Meinung. Heute:

Lukas Tonetto, 35. Der gebürtige Aarauer studierte Germanistik und Anglistik, ist Inhaber der Firma The Trigger und lebt in Zürich. Sein Buch über Fussballmetaphorik erscheint im kommenden Jahr.

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POLIZEI(ÜBER)GRIFF
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Freies Sender Kombinat (Hamburg) 5.7.09

Interview zur Ausstellung "Vom Polizeigriff zum Übergriff"

Wir sprechen mit einem der Macher der Ausstellung "Vom Polizeigriff zum Übergriff" über die Intension, diese Ausstellung zu machen und über deren Inhalte.
http://www.freie-radios.net/mp3/20090705-interviewzu-28868.mp3

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ANTI-ATOM
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Sonntagszeitung 5.7.09

Gefährliche Entsorgung von Uran in Russland

Schweizer Kernmaterial wird in maroden Atommeilern eingesetzt

von Catherine Boss

Bern Abgebranntes Kernmaterial aus Schweizer AKW wird in gefährlichen russischen Atomreaktoren entsorgt. Bis zu 80 Prozent des Schweizer Materials landen - ohne jede Kontrolle durch die Schweizer Behörden - in Atommeilern des Ostens.

Diese Entsorgung widerspricht der Idee des Kernenergiegesetzes. Es hält fest, dass die Schweizer AKW-Betreiber Buch führen müssen, wo das verbrauchte Material im Ausland lagert. Das Bundesamt für Energie legt jedes Jahr eine Liste der Lagerorte im Ausland vor. Nur: Auf dieser Liste figurieren beträchtliche Mengen des Materials nicht.

So funktioniert die bislang nicht bekannte Entsorgungspraxis: Die Betreiber der AKW Gösgen, Beznau, Mühleberg und Leibstadt lieferten in den letzten Jahren die abgebrannten Brennelemente in die Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague (F) und Sellafield (GB). Dort wird das Material in Abfälle, Plutonium und Wiederaufarbeitungsuran getrennt. Die Abfälle und das Plutonium gelangen zurück in die Schweiz. Das Plutonium wird als Mox-Brennstäbe wieder eingesetzt, der Abfall zwischengelagert. Das Uran hingegen verschwindet zu einem grossen Teil aus der Schweizer Stoffbuchhaltung. Grund: Die Schweizer AKW geben es weiter. Die französische Firma Areva bestätigt: "Es wird uns durch unsere Kunden zur Verfügung gestellt." Später gelangt es laut Kernkraftwerk Gösgen AG in den "Besitz der russischen Unterlieferanten".

Mit diesem Besitzerwechsel müssen sich die Schweizer AKW an keine Buchhaltungspflicht mehr halten - der heisse Stoff entschwindet in eine unkontrollierbare Grauzone. Marianne Zünd vom zuständigen Bundesamt für Energie sagt dazu: "Sobald das Material nicht mehr im Besitz der Schweizer Werke ist, können wir nicht kontrollieren, wo sich das Material befindet."

Die Betreiber des AKW Gösgen sehen darin kein Problem

Laut Schätzungen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA wird 25 Prozent dieses Materials in Russland durch Anreicherung mit Uran aus U-Boot-Reaktoren in hochwertigen Brennstoff umgewandelt. Die Areva liefert diesen Stoff ihren Kunden im Westen zurück - auch der Schweiz. Der grosse Rest, nämlich 75 Prozent, bleiben laut IAEA-Quellen in Russland, wo er als minderwertiger Brennstoff in alten Reaktoren eingesetzt wird. Das bestätigt die russische Atomenergiebehörde: Das gewonnene Material "wird in allen Reaktorblöcken des Typs RMBK-1000 benutzt".

Russland betreibt 11 RMBK-Atomkraftwerke. Sie gelten als gefährlich. Litauen ist nur mit der Verpflichtung in die EU aufgenommen worden, solche Werke abzuschalten. Das US-Energiedepartement kritisiert Sicherheitsmängel. Die Betreiber des AKW Gösgen sehen kein Problem: Der ganze Prozess unterstehe der Qualitätskontrolle von Areva und der Kernkraftwerk Gösgen AG.

Von der SonntagsZeitung über diese Praxis informiert, reagieren Politiker verärgert. "Es ist äusserst fragwürdig, wenn minderwertiges Material, das wir in unseren AKW nicht mehr einsetzen können, in Russland in Anlagen eingebaut wird, die unseren Sicherheitsstandards nicht genügen", sagt die grünliberale Ständerätin Verena Diener. Sie ist Mitglieder der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie.

Dies sei sicher nicht die Meinung des Gesetzgebers gewesen, sagt die FDP-Ständerätin Erika Forster. "Wir sind klar von einer lückenlosen Rückverfolgbarkeit ausgegangen." Sie war 2001 bei der Beratung des neuen Kernenergiegesetzes Präsidentin der zuständigen Kommission.

Ständerat Eugen David (CVP) ist überrascht, dass so viel Material, das ins Ausland geht, nicht mehr in die Schweiz zurückkommt. "Die Ausfuhr von abgebrannten Brennstäben aus Schweizer AKW nach La Hague und Sellafield ist ein grosses Risiko." Sie dürfe vom Departement Leuenberger nach geltendem Gesetz nur bewilligt werden, wenn der Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet sei. Diese Bedingung sei nicht erfüllt, wenn das aufbereitete Material in Länder verkauft werden könne, deren AKW nicht den Schweizer Sicherheitsstandards entsprächen. "Das Risiko ist zu gross, dass gefährliche AKW damit gefüttert werden oder das radioaktive Material für die Herstellung von Atomwaffen verwendet wird", so David.

SP-Nationalrätin Ursula Wyss will handeln: "Wir müssen diesen Besitzerwechsel unterbinden - oder die Wiederaufbereitung verbieten. Das Kernenergiegesetz muss angepasst werden."

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GIPFEL-SOLI-NEWS 6.7.09
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gipfelsoli.org/Newsletter 6.7.09

6.7.2009 L'Aquila

- Vademécum Antirepression G-8, July 2009
- Digos-Operation
- G8 - 21 Verhaftungen in den größten italienischen Städten
- Universität - G8-Verhaftungen in Turin, Rektorat der Sapienza besetzt
- Der G8 der Aquilaner: "Wir erwarten euch beim G8!"
- No Dal Molin von Polizei aufgehalten
- Videos/ Photos: Vicenza unter Besatzung
- G8 Demonstration in Berlin kriminalisiert
- Communiqué zur Verhaftung von Alessandro und Sergio
Mehr: http://info.gipfelsoli.org/Newsletter/7436.html

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G8 L'AQUILA 2009
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Indymedia 5.7.09


Der zynischste aller G8 Gipfel - in den Abruzzen

AutorIn : ((i))  |  übersetzt von : ((i))

Vom 8. bis 10 Junli findet in L'Aquila der G8 Gipfel 2009 statt.

Das x-te unnötige Schaufenster für die Spitzen der sogenannten "Welt Regierungen" welches den Titel "Wir sind Produzenten von Sicherheit" trägt, führt in seiner Tagesordnung Themen wie: die Reorganisation der Polizei und der Armee, das Klima, Rohstoffe, Ernährung/Versorgung und Migration.

Nach dem tragischen Erdbeben, welches die Abruzzen heimgesucht hat, wurde der Gipfel, welcher anfänglich in Maddalena (Sardinien) vorgesehen war, nach L'Aquila, dem Hauptort der Abruzzen, verlegt. Die italienische Regierung hat so entschieden den Notstand durch das Erdbeben und das Drama tausender Personen auszubeuten, um sie als menschliches Schild in den Konfrontationen des Dissens zu benützen. Es ist in der Tat offensichtlich, dass die Wahl L'Aquilas zum Ziel hat, jeden möglichen Protest zu beschwören, indem mit dem "Ausnahmezustand" gewedelt wird, um die Bevölkerung in den Zeltstädten zu halten und - trotz allem - jeden zu delegitimieren, welcher entschieden hat zu demonstrieren.

Die Proteste der AquilanerInnen [1 - 2] gegen diesen G8, sowie die 500 Millionen Euro (vom Geld für den Wiederaufbau entzogen), die in die Ausrüstung der Kaserne der Finanzwache, die den G8 beherbergt, investiert wurden, scheinen für die Organisatoren des Gipfels kein Problem darzustellen.

Trotz des Zynismus und der Manöver der Regierung, wird auch dieser italienische G8 von Protesten und Initiativen gezeichnet sein.

Es wurde ein mehrsprachiges Netzwerk auf Indymedia eingerichtet, wo alle Informationen im Bezug auf die Proteste zusammenlaufen: g8.italy.indymedia.org
Weitere Informationen sind auch auf Indymedia Abruzzo verfügbar

::Informationen zu Mobilisierungen::
[10. Juli] Landesweite Demonstration in L'Aquila
[4. Juli] 600 Personen in Berlin gegen den G8 und die Sicherheitspolitik
Termine auf Indy Abruzzo

::Andere Informationen::
Schengenabkommen für den G8 aufgehoben

Info AntiRep und für die, die an der Grenze aufgehalten werden

::Aus dem Newswire (ch.indymedia.org)- zum G8 in den Abruzzen::
[04.07|it] Bloccare tutto
[02.07|it] Il loro "sviluppo" genera crisi
[29.06|de] No G8!
[27.06|en] G8 2009. From Rome, looking at L'Aquila and the World
[25.06|de] Soli-Party für die Betroffenen des Erdbebens in l´Aquila


::Nützliche Links::
Thematisches Netzwerk über den G8 auf indymedia Italien | Indymedia Abruzzo | Gipfelsoli | Epicentro solidale | Thematisches G8 Archiv auf dem italienisch-sprachigen indymedia der Schweiz