MEDIENSPIEGEL 9.7.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Kulturtipps (DS)
- Schnüffel-Hess: Sommerjob Denunziant
- SP + Grüne vs Big Brother Video BE
- Pnos Oberland: Führer Friso im Rundschau-Portrait
- Nazimord: Die Rache der arischen Ritter
- Nazirock: Indiziert auf Facebook
- Rassismus: FP BE gegen ARG; Neufeld-Gymer-Scherze
- Rauchverbot auch im Bahnhof Bern
- Hooligan-Grippe: Solidarische Haftung für Schäden
- Unia Bellinzona: Der Fall Gianni Frizzo
- Verbot Ungarische Garde
- Rechtsextremismus USA
- Anti-Atom: Zweifel an schwedischer "Sicherheitskultur"
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REITSCHULE
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Do 09.07.09
20.00 Uhr - Frauenraum - BarOmeter
Special - DJ Dunch, DJ FRATZ, Janine, Mike & DJ ELfERich
22.00 Uhr - Rössli - DJ TELESTAR
- Anti-Folk
Fr 10.07.09
21.00 Uhr - Vorplatz - Batrider (NZ)
- Some kind of Grunge
Sa 11.07.09
21.00 Uhr - Vorplatz - DJ Lazerlight
Lepra (BE)
So 12.07.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ@Vorplatz
21.00 Uhr - Dachstock - Isis (USA/Ipecac/Hydrahead).
Support: Destruc-to Swarmbots
(USA)
Infos: www.reitschule.ch
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Bund 9.7.09
Sounds: Isis
Schönheit und Pestilenz
Die amerikanische Gruppe Isis zieht ihre Energie aus dem Wechselspiel
zwischen schierer Schönheit und finsterster Urgewalt und zeigt,
dass
Schlauheit und Neugier auch in der Metal-Musik zu Hause sind.
Ane Hebeisen
Das Grundanliegen, das zur Erfindung der elektrischen Gitarre
führte, war der Wunsch nach grösserer Lautstärke.
Die Gitarre war im Ursprung ein ziemlich biederes Orchesterinstrument,
das von zunehmend unzufriedenen Musikern bedient wurde - ihr Instrument
war zu leise, um sich gegen die Bläser und Schlagzeuger
durchzusetzen,
an solistische Einzelvorstösse war nicht einmal zu denken.
Das Ende allen Kummers
Wie gross die Verzweiflung gewesen sein muss, dokumentiert die Anekdote
eines Gitarristen namens George Beauchamp, der vor lauter Kummer ein
riesiges Grammofon-Horn auf seine Hawaii-Gitarre baute. Der selbe Herr
Beauchamp bastelte sich später einen elektronischen Tonabnehmer,
dessen
Weiterentwicklung alle nach ihm geborenen Gitarristen von Kummer und
Komplexen befreien sollte. Dass kraft dieses Gerätchens einmal
eine
Musik von einer derartigen Wucht entstehen könnte, wie sie von den
amerikanischen Doom-Metal-Helden Isis in die Welt gestemmt wird, das
hätte sich der Hawaiigitarrenspieler vor 85 Jahren wohl nicht in
den
kühnsten Träumen ausgemalt.
Hypnotische Schönheit
Auch Isis waren in ihrer Gründungszeit im Jahre 1997 vornehmlich
darum
besorgt, möglichst hart und laut zu klingen. Ein Anspruch, der im
Zuge
erster Bandexperimente bald feinjustiert wurde.
Bereits auf ihrem epochalen Debütalbum "Celestial" (2000) taten
sich
die Amerikaner dadurch hervor, dass sie der rohen Gewalt zuweilen
Momente schierer Harmonie entgegenstellten, ihre Kompositionen
leisteten sich den Luxus der Langsamkeit, erstreckten sich problemlos
auch schon mal über sieben Minuten und schlenkerten auf
hypnotische Art
und Weise zwischen Schönheit und Pestilenz. Eine Entwicklung, die
auf
den Nachfolgealben "Oceania" und "Panopticon" weiter verfeinert wurde
und auf dem Paradewerk "In the Absence of Truth" (2006) ihren
bisherigen Zenit erreichte. Der bis dahin eher dem düsteren
Brüllgesang
verpflichtete Vokalist und Gitarrist Aaron Turner entdeckte seine
Singstimme und legte neben seine zornigen Ausbrüche auch schon mal
eine
melodiöse Gesangslinie.
Autarker Sound-Dialekt
Dieses Wechselspiel zwischen Spannung und Entspannung, zwischen Ekstase
und Beherrschung treibt das Quintett auch auf seinem kürzlich
erschienenen fünften Tonwerk "Wavering Radiant" (alle Alben sind
auf
Mike Pattons Label Ipecac/Irascible erschienen) auf die Spitze - wobei
auch hier die intensivsten Momente aus diesem Wechselspiel oder der
temporären Gleichzeitigkeit von finsterer Wucht und hypnotischer
Grazie
entstehen.
Galten Isis in den Anfängen als Epigonen stilbildender Bands wie
Neurosis oder The Melvins, haben sie in den Jahren zu einem autarken
leicht psychedelisch anmutenden Sound-Dialekt gefunden. Dass sie in
ihrer musikalischen Sozialisation auch mit Pink Floyd konfrontiert
wurden, scheint immer offensichtlicher zu werden - Sänger Turner
gibt
vor verwirrten Metal-Korrespondenten auch gerne mal preis, dass er eine
grosse Schwäche für äthiopische Weltmusik hat.
Subtilität und Dramaturgie
Direkt hört man solcherlei der Musik von Isis selbstredend nicht
an,
doch es wird schon nach wenigen Klängen gewahr, dass hier Menschen
am
Musizieren sind, die sich die Neugier am Medium bewahrt haben und den
Metal um Attribute wie Subtilität und Dramaturgie zu erweitern
trachten.
Isis steht für eine Musik, in der die elektrische Gitarre alle die
Macht, die sie früher nicht hatte, erobert hat. Und nicht nur laut
ist
sie, in einem achtminütigen Geniestreich wie dem Song "Over Root
and
Thorn" vermag diese Musik die ganze Topografie menschlicher
Gefühlsregungen nachzubilden. Eine Wucht.
Dachstock Reitschule
Sonntag, 12. Juli, 21 Uhr.
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SCHNÜFFEL-HESS
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telehess.ch 9.7.09
Heute Folge 13:
Erich Hess zum Sozialmissbrauchs-Telefon der SVP Stadt Bern
http://telehess.ch
Aufgezeichnet in Bern, 8. Juli 2009
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Bund 9.7.09
Heiteres Denunzieren
Sommerjob Telefonist
Die Stadtberner SVP will Missbrauch in der Sozialhilfe mit einer neuen
Idee bekämpfen: Sie hat ein "Bürgertelefon" zur Meldung von
Verdachtsfällen eingerichtet.
Stadtrat Erich J. Hess meldet sich gleich selbst am Apparat. 031 398 42
00 - dies ist schliesslich auch die Hauptnummer des Generalsekretariats
der Jungen SVP Schweiz, als deren Präsident er amtet. "Wir konnten
halt
so kurzfristig nicht mehr eine Extra-Nummer installieren lassen", sagt
er. Die Idee für ein Bürgertelefon gegen
Sozialhilfemissbrauch kam dem
SVP-Plus-Fraktionspräsidenten erst vergangenen Donnerstag, als der
Stadtrat einen SVP-Vorstoss abschmetterte, der eine parlamentarische
Untersuchungskommission (PUK) zur Sozialhilfepolitik der Regierung
forderte.
Die SVP habe sich deswegen entschlossen, selbst gegen die
"Verschleuderung von Steuergeldern" durch unrechtmässig bezogene
Sozialhilfe vorzugehen, sagt Hess. Ab sofort könne die
Bevölkerung
Missbräuche bei ihr melden. Stolz erzählt Hess von ersten
Erfolgen der
gestern gestarteten Aktion: Bis am Mittag seien bereits drei Anrufe mit
"sehr konkreten" Vorwürfen eingegangen, der erste schon um 7.30
Uhr.
Die SVP überprüfe die Angaben nun und übergebe sie dann
den
entsprechenden Amtsstellen. "Wir geben nur Verdachtsfälle weiter,
die
uns plausibel dünken", sagt Hess, man wolle ja nicht einfach
Schaumschlägerei betreiben. Wie denn die Überprüfung
vonstattengehe?
"Zuerst schauen wir nach, ob die betreffende Person überhaupt
existiert." Dann höre man sich in deren Wohnquartier um, ob sie
auch
von anderen verdächtigt werde. Hess: "Ich kenne in jedem Quartier
Leute, die mir das sagen können."
Bei solchem doch eher simplen Vorgehen sträuben sich Berns
Sozialdirektorin Edith Olibet (sp) die Haare. "Wo bleiben da
Persönlichkeitsrechte und der Datenschutz?", fragt sie. Ausserdem
sei
das Kontrollieren und Überprüfen klar eine staatliche Aufgabe
und müsse
den städtischen Sozialinspektoren überlassen bleiben. Hess'
Bürgertelefon bezeichnet sie schlicht als "Sommerlochaktion".
FDP-Fraktionschef Philippe Müller, sonst Olibets grösster
Widersacher
im Parlament, ist für einmal gleicher Meinung mit ihr. Eine reine
"PR-Aktion" sei der Vorstoss.
Mit einer Stimme reden die beiden auch, wenn sie über den Grund
von
Hess' Aktionismus spekulieren: Genug Musse habe der Jung-SVPler ja
zurzeit. Denn Hess ist in staatlich verordneten Ferien: Mitte Mai wurde
dem Lastwagenchauffeur der Fahrausweis für drei Monate entzogen,
weil
er in angetrunkenem Zustand den Wagen seines Parteikollegen, Grossrat
Thomas Fuchs, zu Schrott gefahren hatte. Bürgerinnen und
Bürger können
also noch bis im August bei Hess persönlich am Telefon
"rätschen".
Patricia Götti
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BZ 9.7.09
SVP-Aktion
Sogar FDP kritisiert Erich J.Hess
Mit einer Hotline will die Stadtberner SVP den Sozialhilfemissbrauch
bekämpfen. Die Partei erntet Kritik von rechts bis links.
SVP-Stadtrat Erich Hess persönlich meldet sich, wenn man bei der
SVP-Hotline gegen Sozialhilfemissbrauch anruft. Er sammelt
Informationen von Bürgerinnen und Bürger, die andere Personen
des
Sozialhilfemissbrauchs verdächtigen. Diese Informationen leitet
Erich
Hess gemäss eigenen Aussagen ans Sozialamt weiter. Er sei
grundsätzlich
gegen Denunziantentum, sagt Erich Hess. "Doch der Gemeinderat versagt
hier bei der Kontrolle."
Bei der Sozialdirektion löst das Bürgertelefon Kritik aus.
Verdächtige
Fälle könne man direkt bei der Sozialhilfe melden, sagt
Gemeinderätin
Edith Olibet (SP) "Das systematische Sammeln von persönlichen
Informationen über Personen, die möglicherweise Sozialhilfe
beziehen,
ist nicht die Aufgabe einer politischen Partei." Sogar FDP-Stadtrat
Philippe Müller, der hartnäckigste Kritiker der Berner
Sozialhilfe,
sagt: "Diese Hotline ist der falsche Weg."
tan/tob
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NLZ 9.7.09
Sozialmissbrauch
JSVP ruft zum Denunzieren auf
Die Stadt Bern bekämpfe den Missbrauch "nicht wirklich", sagt
Erich
Hess. Deshalb hat der Präsident der JSVP Schweiz eine
Denunzianten-Hotline eingerichtet.
Von Kari Kälin
Von den Strassen bleibt Erich Hess, Präsident der Jungen SVP
(JSVP)
Schweiz, noch bis Mitte August verbannt. Der Lastwagenchauffeur ist
sein Billett los, seit er im Mai mit 0,9 Promille und dem
Geländewagen
seines Parteikollegen Thomas Fuchs in einen Peugeot gekracht ist.
Drei Fälle gemeldet
Jetzt hat der Jungpolitiker, der letztes Jahr erfolglos für den
Bundesrat kandidierte, ein neues Tätigkeitsfeld entdeckt
"auf
unbestimmte Zeit", wie er sagt. Seit gestern betreibt er in Absprache
mit der Berner SVP-Stadtratsfraktion eine Telefon-Hotline (031 398 42
00), über die Bürger mutmassliche Sozialhilfebetrüger
verpfeifen
können. Der Hintergrund: Seit die Polizei im Sommer 2007 die
Wohnung
eines iranischen Sozialhilfebezügers stürmte, der nicht nur
grosse
Mengen Heroin und geladene Waffen lagerte, sondern auch noch mit zwei
BMW und einem Töff durch die Gegend kurvte, tobt in der Stadt Bern
eine
hart geführte Missbrauchsdebatte. Im Schussfeld steht die
Stadtberner
Sozialdirektorin Edith Olibet (SP). "Sie bekämpft den Missbrauch
nicht
wirklich", sagt Hess. "Wenn der Staat nichts tut, müssen die
Bürger
einschreiten."
Tatsächlich glühten gestern die Drähte der
Denunzianten-Hotline heiss.
Allerdings meldeten sich vor allem Journalisten und Leute, die Hess
entweder zusammenstauchten oder ihm für seine Idee applaudierten.
Bis
am späten Nachmittag notierte er jedenfalls bloss drei Fälle
von
potenziellen Sozialschmarotzern: Zwei Personen sollen die IV, eine die
Sozialhilfe hintergehen.
Damit beginnt für Hess die Arbeit erst richtig. Er
überprüft, ob diese
Personen überhaupt existieren, und klärt ab, ob die via
Bürgertelefon
geschilderten Geschichten realistisch sind. Dafür zapft er seine
Kontakte in den verschiedenen Quartieren an: "Ich kenne in der ganzen
Stadt Leute."
"Bürgertelefon ist überflüssig"
Wenig erfreut reagiert Sven Baumann, Generalsekretär der
Stadtberner
Sozialdirektion, auf Hess' Detektivambitionen. "Das Bürgertelefon
ist
überflüssig, gesellschaftspolitisch bedenklich und rechtlich
fragwürdig", sagt er. Sein Departement lässt prüfen, ob
das
Datensammeln à la Hess überhaupt zulässig ist. Das sei
keine Aufgabe
für Private oder Parteien. Laut Baumann können Bürger
den Behörden
bereits heute mutmassliche Missbrauchsfälle melden. "Wir gehen
jedem
Hinweis nach, auch wenn er anonym erfolgt. Die Recherchen fördern
in
der Regel aber kaum neue Erkenntnisse zu Tage." Im Klartext: Meistens
handelt es sich um Fehlalarm.
Meier: "Aufruf zur Schnüffelei"
Ruedi Meier (Grüne), Sozialdirektor der Stadt Luzern,
bestätigt
Baumanns Beobachtung: "Mir ist kein einziger Fall bekannt, bei dem ein
klarer Missbrauch nach einem Hinweis aus der Bevölkerung
aufgedeckt
worden ist." Hinter derartigen Anrufen verberge sich häufig ein
Beziehungs- oder Nachbarstreit. Meier verurteilt das Bürgertelefon
denn
auch als "Aufruf zur Schnüffelei". Die Sozialhilfe habe im Kampf
gegen
den Missbrauch Fortschritte erzielt.
Anian Liebrand, der Präsident der JSVP des Kantons Luzern,
hingegen
lobt die Fürsorgemissbrauch-Hotline als "gute Sache, die wir auch
für
Luzern und Agglomeration prüfen könnten". Zahlreich seien die
Bürger,
die sich über Sozialhilfemissbrauch beschwerten. Ein Handicap hat
die
Luzerner JSVP jedoch. Anders als in Bern, wo Erich Hess die Fäden
zieht, hat Liebrand keine Zeit, selber zum Telefonisten zu mutieren.
"Ich habe meinen Führerschein immer noch", schmunzelt Liebrand.
--
So äussert sich Erich Hess zu seiner Idee via seine Homepage: http://www.telehess.ch/
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20min.ch 8.7.09
Viel Arbeit für Schnüffel-Hotline
Seit Mittwoch betreibt die Stadtberner SVP ein
Sozialmissbrauchstelefon: Bürger können dort
Verdachtsfälle melden.
Stadtrat Erich Hess hatte gleich am ersten Tag viel zu tun.
"Drei Fällen werden wir vertieft nachgehen", sagte er. Schon
um halb
acht morgens sei der erste Anruf eingegangen. Ein Berner, der voll des
Lobes für die Idee war, habe sich sogar aus Kanada gemeldet.
"Andere
haben mir ihren Unmut mitgeteilt."
(20 Minuten)
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Regionaljournal DRS Bern 8.7.09
SVP der Stadt Bern lanciert Bürgertelefon gegen
Sozialhilfe-Missbrauch - darf sie das? (3:27)
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2009/rbe1708072009.rm?start=00:08:55.100&end=00:12:22.223
---
Schweiz Aktuell 8.7.09
Spitzeltelefon gegen Sozialmissbrauch
Misstände in der Berner Sozialhilfe - seit Monaten ein Thema, auch
Schweiz aktuell hat bereits mehrfach darüber berichtet. Die SVP,
die
sich als grosse Missbrauchsbekämpferin sieht und
diesbezüglich eine PUK
beantragt, prescht nun eigenmächtig vor und hat ein Spitzeltelefon
eingerichtet. Es berichten Urs Wiedmer und Kathrin Winzenried.
http://www.sf.tv/videoplayer/embed/49737cde-076d-4ad7-a75b-dbefdfa3f03b&live=false
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BIG BROTHER VIDEO
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BZ 9.7.09
Videokameras
Beschwerde von SP und Grünen
Die Videoverordnung wird ein Fall fürs Bundesgericht: Wegen der
Echtzeitüberwachung erheben SP und Grüne Beschwerde.
Grüne und SP Kanton Bern haben gestern gemeinsam beim
Bundesgericht
eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die kantonale Verordnung
über
den Einsatz von Videoüberwachungsgeräten eingereicht. Bei den
Beratungen und der Verabschiedung des Polizeigesetzes im Grossen Rat
sei die Echtzeitüberwachung nie vorgesehen gewesen, schreiben sie
in
einer Medienmitteilung. SP und Grüne sind deshalb der Meinung,
dass die
in der Verordnung geplante Liveüberwachung keine gesetzliche
Grundlage
hat und die entsprechenden Bestimmungen nie in Kraft treten dürfen.
Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg Käser (FDP) hatte
Anfang Juni
nach Protesten und mehreren Vorstössen im Grossen Rat die
Inkraftsetzung zweier umstrittener Artikel in der Videoverordnung auf
Oktober verschoben. Grüne und SP wollen mit der staatsrechtlichen
Beschwerde sicherstellen, dass die Echtzeitüberwachung nicht
eingeführt
wird. "Sie ist ein unnötiger Eingriff in die Grundrechte der
ganzen
Bevölkerung, welche in keinem Verhältnis zum umstrittenen
Nutzen
steht", schreiben sie und fordern: "Videoaufnahmen dürfen nur von
polizeilichem Fachpersonal und nur bei Verdacht ausgewertet werden."
pd/drh
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Berner Rundschau 9.7.09
Käsers Videoüberwachung kommt vor Bundesgericht
SP und Grüne wollen Echtzeitüberwachung im Kanton auf
juristischem Weg verhindern
Die Linke ist gegen die Echtzeitüberwachung. Sie hat beim
Bundesgericht Beschwerde eingereicht.
Mit einer Beschwerde beim Bundesgericht wollen SP und Grüne des
Kantons
Bern die Echtzeitüberwachung mit Videokameras verhindern. "Ein
unnötiger Eingriff in die Grundrechte der ganzen Bevölkerung"
sei diese
Art der Überwachung, schreiben die Parteien in einer Mitteilung.
Seit dem 1. Juli ist im Kanton eine neue Verordnung über den
Einsatz
von Videoüberwachungsgeräten in Kraft, die das revidierte
Polizeigesetz
ergänzt. Nicht umgesetzt sind aber die Bestimmungen zur
Echzeitüberwachung. Polizeidirektor Hans-Jürg Käser
(FDP) will erst die
Debatte des Grossen Rats abwarten. Mehrere Vorstösse zum
umstrittenen
Thema sind in der Septembersession traktandiert.
Für die linken Parteien ist klar, dass die
Echtzeitüberwachung von
Käser in die Verordnung aufgenommen wurde, obwohl sie nicht dem
Willen
des Grossen Rates entspreche. "Über die Echtzeitüberwachung
wurde gar
nicht diskutiert", sagt Grossrätin Irène Marti,
Präsidentin der SP
Kanton Bern zur Debatte im Grossen Rat vom September 2008, als das
Polizeigesetz verabschiedet wurde.
Und nachträglich soll sie auch nicht kommen. "Wir wollen mit
einer
staatsrechtlichen Beschwerde sicherstellen, dass die
Echtzeitüberwachung nicht eingeführt wird. Es gibt keine
gesetzliche
Grundlage dafür, die Regierung kann das so nicht einführen",
sagt
Marti. Das Urteil ist jedoch nicht vor der Session zu erwarten.
Nicht im öffentlichen Raum
"Nur bei Verdacht", fordern SP und Grüne , dürfen Videobilder
ausgewertet werden - und auch nur von polizeilichem Fachpersonal. Was
etwa in Sportstadien gang und gäbe ist, dürfe im
öffentlichen Raum
nicht gelten, sagt die SP-Präsidentin. "Ich warne davor, dass man
überall gefilmt werden darf und vor allem, dass die ganze
Bevölkerung
von irgendwelchen Leuten beobachtet werden kann. Ein Stadion muss
niemand betreten, im öffentlichen Raum aber muss man sich bewegen
können." (joh)
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20min.ch 8.7.09
Linker Widerstand gegen "Big Brother"
"Wir fühlen uns von Herrn Käser verschaukelt", so Grossrat
François
Contini von den Grünen Biel. Grund der Aufregung: Die unter
Sicherheitsdirektor Hans-Jürg Käser ausgearbeitete Verordnung
zur
Videoüberwachung ermöglicht neben der Aufzeichnung von
Bildern auch die
Live-Überwachung.
"In den Debatten waren Echtzeitbilder aber nie ein Thema", so Contini.
SP und Grüne haben gestern nun beim Bundesgericht Beschwerde
eingereicht.
Anstelle von Käser, der in den Ferien weilt, wehrte sich gestern
Mitarbeiter Florian Hirte gegen die Vorwürfe: "Es war von Anfang
an die
Rede von Bildübermittlungs- und -aufzeichnungsgeräten. Damit
war für
uns klar, dass auch Echtzeitüberwachung gemeint ist." Für die
Linken
ein Horrorszenario. "Fünf Polizisten könnten so eine ganze
Stadt
überwachen", sagt Contini.
(nj/20 Minuten)
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PNOS BERNER OBERLAND
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Rundschau 8.7.09
Rechtsradikaler Aufmarsch
Die rechtsextreme Szene Schweiz wächst wieder - und verändert
sich: sie
wird immer salonfähiger, entwickelt sich weg vom Einflussbereich
der
Polizei. Besonders aktiv sind die Rechtsradikalen gegenwärtig im
Berner
Oberland. Zentrale Figur ist hier ein 26-jähriger Spiezer. Eine
Rundschau-Recherche.
http://www.sf.tv/videoplayer/embed/b008bb52-e47f-476a-a0f5-de1a6cb94304&live=false
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NAZIMORD
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Dok 7.7.09
Die Rache der arischen Ritter
Ein Film von Simon Christen
Am 27. Januar 2001 verschwindet der 19jährige Marcel spurlos im
Berner
Oberland. Rund einen Monat später findet die Polizei seine Leiche
im
Thunersee. Vier junge Männer gestehen, ihren Kollegen hingerichtet
zu
haben. Der Grund: Marcel habe gegen das Schweigegebot ihres "Ordens der
arischen Ritter" verstossen. Ein beklemmender Einblick in eine nur
scheinbar heile Welt, mit rechtsradikalem Gedankengut vor hehrer
Bergkulisse.
http://www.sf.tv/sendungen/dok/index.php?docid=20090707-2105-SF1
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NAZIROCK
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WoZ 9.7.09
Rechtsextreme
Indiziert bei Facebook
Die "Indiziert offizielle Fangruppe" bei Facebook haben sie gleich
selbst gegründet: Dominic Lüthard und Alex Rohrbach, beide
Musiker bei
der rechtsextremistischen Band Indiziert, Eigeneinschätzung:
"Eidgenössische Rechtsrockband". Und auch der Schlagzeuger Cedric
Rohrbach offenbart sich als Indiziert-Fan, mitsamt über 200
weiteren
Männern und Frauen. Darunter auch Pnos-Grössen wie der
zurückgetretene
Langenthaler Stadtparlamentarier Tobias Hirschi. Bereits im
Frühling
hatte Indiziert ein neues Album angekündigt, über Facebook
liess
Lüthard dann Ende Mai die Fangemeinde wissen, dass die Aufnahmen
im
Studio begonnen hätten: "voll geschmacklos wie immer und es riecht
gewaltig nach Ärger... ;-)". In der Zwischenzeit sind die
Aufnahmen
offenbar beendet, und die Indiziert-Leute laden zur Plattentaufe, auch
dies über die Internet-Community. Stattfinden soll dieses Ereignis
am
31. Juli; das Konzert werde, so Lüthard, auch das
"Nationalfeiertagskonzi" sein. Weitere Informationen - wie Treffpunkt
und Zeitpunkt - will Indiziert ebenfalls über Facebook
weitergeben. Es
sei denn, jemand ärgert die Rechtsextremisten und lässt die
"Indiziert
offizielle Fangruppe" bis dann ganz einfach sperren.
Hans Stutz
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RASSISMUS
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Berner Rundschau 9.7.09
Frommenwiler will Freispruch
Der Ende Juni von Gerichtspräsident Fritz Aebi in Aarwangen wegen
Rassendiskriminierung schuldig gesprochene Willi Frommenwiler
akzeptiert das Urteil nicht. Der Thunstetter, er ist Präsident der
Freiheitspartei Kanton Bern, zieht seinen Fall ans Obergericht weiter.
"Ich erwarte einen hundertprozentigen Freispruch", sagt Frommenwiler.
Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus begrüsst hingegen
den
Schuldspruch. (uz) Seite 18
--
"Reine Wortklauberei"
FPS-Kantonalpräsident Frommenwiler appelliert gegen Rassismusurteil
Willi Frommenwiler wirft Gerichtspräsident Fritz Aebi
"Wortklauberei"
vor. Dessen Schuldspruch wegen Rassendiskriminierung akzeptiert der
Kantonalpräsident der Freiheitspartei nicht; er appelliert.
Bruno Utz
"In der Schweiz leben 41 000 Primaten im Asylbereich", schrieb der
Thunstetter Willi Frommenwiler im Februar 2008 in einem Internet-Blog.
Damit habe er sämtliche Asylbewerber pauschal als Affen
bezeichnet,
resümierte Gerichtspräsident Fritz Aebi Ende Juni an der
Gerichtsverhandlung. Frommenwiler habe "eine gesamte Gruppe von
Menschen öffentlich herabgesetzt und den Tieren gleichgestellt",
fand
Aebi. Er verurteilte deshalb den Präsidenten der Freiheitspartei
zu
einer auf drei Jahre bedingten Geldstrafe. Für den Verstoss gegen
das
Antirassismusgesetz lautete Aebis Strafmass 15 Tagessätze zu 80
Franken
(wir berichteten).
Diesen Schuldspruch akzeptiert Frommenwiler nicht. Der
Gerichtspräsident habe bezüglich der Interpretation des
Ausdrucks
Primaten "Wortklauberei" betrieben, erklärt Frommenwiler auf
Anfrage.
Er ziehe deshalb das Urteil ans Obergericht weiter. Frommenwiler: "Dort
erwarte ich einen hundertprozentigen Freispruch."
Bieler verzichten auf Weiterzug
Den erhofften Persilschein erhielt der Präsident der
rechtsbürgerlichen
Kleinpartei bereits in einem weiteren Anklagepunkt ausgestellt. Aebi
hatte den Straftatbestand der Rassendiskriminierung bei einer
Illustration eines Artikels von Grossrat Jürg Scherrer (FPS/Biel)
mit
einer "Schoggiköpfe"-Karikatur als nicht erfüllt betrachtet.
Wegen
dieser Illustration hatte die "Association des Africains de Bienne"
Frommenwiler angezeigt. Gemäss Alain Fracheboud, Anwalt der Bieler
Vereinigung, verzichtet diese auf eine Appellation. "Vermutlich
würde
das Obergericht dasselbe Urteil fällen wie Gerichtspräsident
Aebi",
sagt Fracheboud. Insgesamt sei das Urteil befriedigend. Diesen Schluss
zieht auch Michael Chiller von der Stiftung gegen Rassismus und
Antisemitismus. "Zahlreiche Beispiele aus der Geschichte zeigen, dass
grosse Katastrophen mit scheinbar kleinen Worten beginnen." Willi
Frommenwiler suggeriere, dass Menschen mit Tieren gleichzusetzen seien.
"Das bedeutet, dass diese Personen auch wie Tiere behandelt werden
können." Solche Aussagen seien verletzend für die Betroffenen
und
blossstellend für Frommenwiler. "Es spricht in jeder Hinsicht
für unser
Land, dass solche Formulierungen geahndet werden."
---
20min.ch 9.7.09
"Primaten im Asylbereich"
Parteipräsident ficht Rassismus-Urteil an
Der Präsident der Freiheitspartei des Kantons Bern, Willi
Frommenwiler,
ficht seine Verurteilung wegen Rassendiskriminierung vor Obergericht
an. Er hatte von "Primaten im Asylbereich" geschrieben.
Das gab die Partei am Donnerstag bekannt. Ein Gerichtspräsident in
Aarwangen BE hatte Frommenwiler am 29. Juni zu einer bedingten
Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 80 Franken und einer Busse
von 400
Franken verurteilt. Verurteilt wurde Frommenwiler wegen eines
Blog-Eintrags im Internet. Darin stand, 2007 hätten in der Schweiz
41
000 "Primaten im Asylbereich" gelebt.
Die Freiheitspartei des Kantons Bern schreibt nun, einmal mehr werde
das Antirassismusgesetz "systematisch dazu verwendet (...), kritische
Meinungen zur Asylantenflut zu bestrafen."
(sda)
---
be.freiheits-partei.ch
9.7.09
Aktuelle Medieninformation
Ringgenberg, 09.07.2009
Kein salomonisches Urteil
Der Präsident der Freiheits-Partei/Auto-Partei des Kantons Bern
appelliert gegen das Urteil des Gerichtskreises IV Aarwangen-Wangen.
Willi Frommenwiler war am 29.06.09 vom Gerichtspräsident Aebi
wegen
Rassendiskriminierung schuldig gesprochen worden, weil er in einem
Blogbeitrag im Zusammenhang mit dem Asylwesen das Wort Primat verwendet
hatte.
Das Urteil zeigt einmal mehr, dass das Antirassismusgesetz systematisch
dazu verwendet wird, kritische Meinungen zur Asylantenflut zu
bestrafen. Die Exponenten der Freiheits-Partei/Auto-Partei sind seit
Einführung der Antirassismusstrafnorm Opfer solcher
hanebüchenen
Anklagen.
Die Freiheits-Partei/Auto-Partei unterstützt den Berner
Kantonalpräsidenten vorbehaltlos und hofft, dass das Berner
Obergericht
auf Wortklaubereien und Spitzfindigkeiten verzichtet und den
Schuldspruch kassiert.
Auskünfte erteilt:
Heinz Wegmann
Medienverantwortlicher FPS/AP Kt. Bern
Tel.: 079 356 43 12
E-Mail: h.wegmann@quicknet.ch
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Bund 9.7.09
Witze, die nicht mehr lustig sind
Von Simon Jäggi
Witze gegen Farbige und Juden, Beleidigungen von Lehrerinnen,
Blossstellung von Schülern: Eine Prima-Klasse ist in ihrer
Maturazeitung über die Grenzen der Satire hinausgeschossen -
Folgen hat
der Vorfall für die Schüler nicht.
Am letzten Tag vor den Sommerferien hat eine Maturazeitung im Gymnasium
Neufeld für Wirbel gesorgt. (Archiv: Franziska Scheidegger)
Am letzten Tag vor den Sommerferien hat eine Maturazeitung im Gymnasium
Neufeld für Wirbel gesorgt. (Archiv: Franziska Scheidegger)
Das Wort Matura leitet sich vom lateinischen Begriff maturitas ab - die
Reife. Wenig Reife haben einige diesjährige Maturanden des
Gymnasiums
Neufeld bewiesen. In der Maturazeitung hat sich eine Klasse der
Abteilung Mathematik- und Naturwissenschaften nämlich
Ausfälligkeiten
geleistet, die im Schulhaus im Länggasse-Quartier für einigen
Wirbel
gesorgt haben.
Laut einer Quelle, die nicht genannt werden möchte, enthält
die
Maturazeitung Witze über Farbige und Juden. Zudem sollen zwei
Lehrerinnen sexistisch beleidigt worden sein. Weiter soll ein leicht
autistisch wirkender Schüler einer unteren Klasse blossgestellt
worden
sein.
Keine Folgen für die Schüler
Rektor Rolf Maurer bestätigt den Vorfall: "In einer Maturazeitung
sind
Texte vorgekommen, die unter die Gürtellinie zielen und nicht
akzeptabel sind." Die Schulleitung habe die betreffende Klasse sofort
herbeizitiert und ihr mitgeteilt, dass die Artikel nicht tolerierbar
seien. Auch seien die Eltern schriftlich informiert worden. Es habe ein
Gespräch mit der betreffenden Klasse gegeben, in dem die
Ausfälligkeiten thematisiert worden seien, sagt der Neufeld-Rektor.
Von den Schülern und Schülerinnen sei zudem eine
Entschuldigung
verlangt worden. In einem Gespräch mit einer der angegriffenen
Lehrerinnen habe sich die Klasse persönlich bei der Lehrkraft
entschuldigen müssen. Die Autoren der besagten Texte wurden aber
nicht
eruiert, Folgen hat der Vorfall für die Schüler nicht.
Zu spät, um einzugreifen
Die Maturazeitung lag wie üblich am letzten Schultag im Schulhaus
auf.
Als die Schulleitung die unappetitlichen Scherze bemerkte, war es zu
spät, um einzugreifen: "Wenn die Zeitung mal draussen ist, ist sie
draussen", so Maurer.
Im Vorfeld werden die Maturazeitungen nicht kontrolliert - wie auch an
anderen Gymnasien in Bern (siehe Kasten). "Es gibt keine Zensur bei uns
- und es wird auch künftig keine geben", sagt der Rektor. Das
Gymnasium
wolle auch weiterhin die freie Meinungsäusserung als einen
wichtigen
Wert hochhalten - "aber im Rahmen des Anstands". Bereits vor fünf
Jahren habe es einen ähnlichen Fall gegeben, erinnert sich Maurer.
Konsequenz daraus sei gewesen, dass die Schüler und
Schülerinnen im
Vorfeld daran erinnert worden seien, wo die Grenzen von satirischen
Beiträgen lägen. Mit solchen Vorgesprächen will der
Rektor auch künftig
verhindern, dass sich der aktuelle Fall wiederholt: "Wir werden im
Voraus mit den Klassen die Rahmenbedingungen und Regeln diskutieren."
Die Klassen entscheiden selber, ob sie eine Abschiedspublikation selber
oder zusammen mit anderen Klassen produzieren.
Ähnlicher Fall: Maturastreiche
Eine ähnliche Situation ergebe sich bei den traditionellen
Maturastreichen. "Auch hier ist es jährlich eine Gratwanderung
zwischen
Lustigsein und Überborden", so Rektor Maurer. Am Gymnasium Neufeld
hätten die Streiche in den letzten Jahren aber nie ein Problem
dargestellt.
--
Gymnasien wollen keine Zensur
Auch andere Gymnasien kontrollieren die Maturazeitungen im Vorfeld
nicht: "Wir geben den Schülern völlige Freiheit", sagt etwa
der Rektor
des Gymnasiums Kirchenfeld, Thomas Balsiger. Seit "langer Zeit" habe es
an seiner Schule keine Probleme mehr gegeben. "Wir weisen die
Schüler
darauf hin, dass sie in der Maturazeitung nicht abrechnen sollen." Wer
Probleme mit einer Lehrkraft habe, werde angewiesen, sich an eine
Lehrkraft oder die Abteilungsleitung zu wenden.
Auch David Lingg, Rektor am Freien Gymnasium Bern, ruft die
Schüler zu
Respekt auf. Die diesjährige Maturazeitung sei sogar sehr
wohlwollend
ausgefallen - dies wäre in seiner Generation wohl nicht so
gewesen,
glaubt der Fünfzigjährige: "Wir waren böse zu unseren
Lehrern."
Grundsätzlich sei das Risiko aber stets vorhanden, dass es zu
Blossstellungen oder Beleidigungen komme: "Für die Schüler
ist es
manchmal schwierig, herauszufinden, was lustig ist und was nicht mehr."
Des Lobes voll über die Beiträge der diesjährigen
Maturanden ist
Hanspeter Rohr, Rektor des Gymnasiums Köniz-Lerbermatt. "Kritik
darf
auch Platz haben", findet Rohr. Auch dürften die Schüler
Eigenheiten
von Lehrern karikieren. Im Gymnasium Köniz-Lerbermatt gilt unter
anderem die Regelung, dass die Artikel mit Namen oder Kürzel
signiert
werden müssen. Kleinere Kalamitäten hat es am Gymer
Köniz kürzlich mit
der Gymerfest-Zeitung gegeben, die Obszönitäten
gegenüber Lehrkräften
enthalten haben soll. Der Fall sei aber nicht gravierend gewesen. Zudem
sei die Zeitung nicht von Schülern aus der Prima, sondern aus
unteren
Stufen verfasst worden. (jäg)>
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RAUCHVERBOT
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BZ 9.7.09
Bahnhof Bern
Aus für Raucher
Keine Raucheroasen im Berner Bahnhof mehr: Das Rauchverbot gilt auch
für die Beizen in Bahnhofhalle und -passage.
In den nächsten Tagen erhalten die SBB Post vom Polizeiinspektorat
der
Stadt Bern. Der Betreff: das Rauchverbot. Dieses gilt seit dem 1.Juli
im ganzen Kanton Bern und somit eigentlich auch für die drei
Beizen in
Bahnhofhalle und -passage. Am Tag eins des Rauchverbotes erklärten
die
SBB jedoch, dass die Situation im Bahnhof noch unklar sei und von Stadt
und Kanton geprüft werden müsse (wir berichteten). Deshalb
dürfe dort
bis auf weiteres geraucht werden.
Dies ist falsch, wie Marc Heeb, Leiter der städtischen Orts- und
Gewerbepolizei erklärt. "Wir behandeln den Bahnhof einheitlich -
auch
wenn die Restaurants sowohl auf Stadt- als auch auf SBB-Boden stehen."
Ein weiterer Diskussionspunkt sei gewesen, dass in anderen Passagen der
Stadt trotz Verbot noch geraucht werden dürfe. "Das gilt für
die
Bahnhofpassage nicht", sagt Heeb. Dies habe die nochmalige
Überprüfung
der Rechtslage ergeben. Doch Wirte und Raucher im Bahnhof haben
Glück
im Unglück. Sie werden nicht gebüsst, bis das Verbot
offiziell
kommuniziert ist.
as
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HOOLIGAN-GRIPPE
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20min.ch 9.7.09
Espenmoos-Krawalle
Erster Fussball-Hooligan verurteilt
Das Kreisgericht St. Gallen hat entschieden: 5700 Franken muss der
erste verurteilte Hooligan berappen. Der 22-Jährige habe "kein
leichtes
Vergehen" begangen, sondern sei "besonders aggressiv" gewesen.
Eine bedingte Geldstrafe und eine Busse - mit seinem Urteil folgte das
Kreisgericht weitgehend den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Der
22-Jährige wurde wegen mehrfacher Sachbeschädigung,
Landfriedensbruch
und Gewalt gegen Behörden und Beamte schuldig gesprochen. Das
Strafmass
beläuft sich auf 330 Tagessätze zu 90 Franken bedingt. Die
Probezeit
beträgt zwei Jahre. In diesen gilt ein Besuchs- und ein
Annäherungsverbot für Fussballspiele in den beiden obersten
Ligen. Der
Mann muss zudem eine Busse von 2700 Franken bezahlen, Verfahrenskosten
übernehmen und sich solidarisch an Sachschäden von 3000
Franken
beteiligen.
Verurteilter war "besonders aggressiver Gewalttäter"
Das Gericht begründete, es habe sich um kein leichtes Verschulden
gehandelt und der Mann habe genügend Zeit gehabt, wegzugehen. Der
Angeklagte sagte vor Gericht, dass er sich in keiner Weise aktiv an den
Auseinandersetzungen mit der Polizei beteiligt habe. Er habe nur ein
paar Bierchen getrunken und dem Treiben zugeschaut, weil er vor dem
Restaurant Espenmoos inmitten des gewalttätigen Mobs eingekesselt
gewesen sei. Der Staatsanwalt erklärte hingegen, der Angeklagte
sei von
zwei zivilen Beamten vor Ort klar als Anheizer und besonders
aggressiver Gewalttäter erkannt worden.
Weiterer Angeklagter vor Gericht
Am Nachmittag steht ein weiterer Angeklagter vor Gericht. Der
22-jährige Zimmermann war bei den Einvernahmen teilweise
geständig. Er
soll bei den Randalierern im Stadion zuvorderst gewesen sein und unter
anderem mitgeholfen haben, eines der Fussballtore abzubrechen. Es
entstand ein Sachschaden von über 150 000 Franken. Zudem hat der
22-Jährige eine Holzlatte von einem Meter Länge gegen
Polizisten
geschleudert und Stadionmobiliar verbrannt. Die Straftaten des
Angeschuldigten seien auf Videofilmen klar erkennbar, heisst es in der
Anklage.
(sda/ap)
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NZZ 9.7.09
Im Schnellverfahren gegen Hooligans
St. Gallen schickt Untersuchungsrichter direkt ins Fussballstadion
Die St. Galler Staatsanwaltschaft will bereits zum
Meisterschaftsstart
am kommenden Sonntag Schnellverfahren gegen randalierende Fussballfans
erproben. Sicherheitsexperten begrüssen den Schritt.
-yr. Wenn am kommenden Sonntag der aufgestiegene FC St. Gallen
sein
erstes Super-League-Spiel in der AFG-Arena gegen den FC Basel
absolviert, wird auch ein Untersuchungsrichter in geschäftlicher
Mission anwesend sein. St. Gallens Erster Staatsanwalt Thomas Hansjakob
zeigt sich entschlossen, das einzelrichterliche Schnellverfahren
erstmals auch im Kampf gegen Hooligans anzuwenden. Hansjakob betont, es
handle sich dabei nicht, wie verschiedentlich gemeldet, um ein
Schnellgericht, sondern um ein Schnellverfahren. Dies werde schon seit
längerem angewendet, etwa im Betäubungsmittelbereich oder
auch beim
Open-Air-Festival St. Gallen. Dabei stellt ein Einzelrichter, falls
alle Voraussetzungen erfüllt sind, einen Strafbefehl aus. Der
Strafrahmen beträgt bis zu 180 Tagessätze bei einer
Geldstrafe
beziehungsweise 6 Monate bei einer Freiheitsstrafe. Gegen den
Strafbefehl kann Beschwerde erhoben werden.
Praktische Probleme in Sicht
In St. Gallen wird der Einzelrichter zwar während des Spiels
im
Stadion sein, um sich ein persönliches Bild von der Situation zu
machen. Die eigentliche Arbeit wird er aber im rund zwei Kilometer
entfernten Büro verrichten. Hiezu soll ihm die Polizei die
Beweismittel
liefern, sei dies mit Videobildern oder mit Zeugenaussagen. Pius
Valier, der Kommandant der Stadtpolizei St. Gallen und gleichzeitig
Präsident der nationalen Projektgruppe "Sicherheit im Sport", gibt
sich
diesbezüglich allerdings zurückhaltend. Es sei fraglich, ob
die
Aufnahmen der Überwachungskameras derart schnell ausgewertet
werden
könnten. Als weitere Schwierigkeit nennt der Praktiker das
Unterfangen,
Tatverdächtige aus der Masse heraus festzunehmen.
Grundsätzlich begrüsse er ein möglichst schnelles
Verfahren, sagt Pius
Valier im Gespräch. Doch dieses müsse nicht zwingend am
selben Tag
abgeschlossen sein. Aus polizeilicher Sicht genüge es, wenn das
Urteil
vor dem nächsten Heimspiel vorhanden sei. Staatsanwalt Hansjakob
sind
die praktischen Probleme bekannt, aber er wolle jetzt einfach ein paar
Mal die Abläufe durchspielen, um danach eine Bilanz zu ziehen.
Unterstützung erhält er von Ulrich Pfister, dem
Sicherheitschef des
Fussballverbandes. Laut Pfister haben England und Deutschland gute
Erfahrungen mit Schnellrichtern gemacht. Er hoffe deshalb, weitere
Kantone griffen die Idee auf.
Rechtsstaat nicht aushebeln
Das Schnellverfahren müsse nicht neu erfunden werden, weil
es unter
anderem Titel schon seit einigen Jahren bekannt sei, sagt dazu Rainer
Angst, der Sprecher der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft. In
Zürich
stünden permanent Staatsanwälte zur Verfügung, die auch
als
Schnellrichter fungieren könnten. Voraussetzung ist laut Angst vor
allem eine liquide Beweislage, damit der Rechtsstaat nicht ausgehebelt
werde. Auch in Basel gibt es bei Bedarf ein Sonderpikett, das unter
anderem bei Hochrisikospielen des FC Basel zum Einsatz kommt. Daran
will man laut Markus Melzl von der Basler Staatsanwaltschaft
vorläufig
nichts ändern, zumal sich die Rechtslage mit der
eidgenössischen
Strafprozessordnung, die Anfang 2011 eingeführt werden soll,
sowieso
ändern werde.
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20min.ch 9.7.09
Hooligans
Erste Espenmoos-Chaoten müssen vor den Kadi
von Sascha Schmid
Zwei mutmassliche Espenmoos-Chaoten stehen vor dem Richter: Sie sollen
die Polizei angegriffen haben - einer soll zudem für Schäden
im Stadion
haften.
Über ein Jahr nach den Ausschreitungen nach dem letzten Spiel im
Espenmoos am 20. Mai 2008 kommen am Donnerstag die ersten mutmasslichen
Chaoten vor das Kreisgericht St. Gallen. Am Morgen muss sich ein
22-Jähriger verantworten. Laut einer Polizistin war er der
Rädelsführer
eines 30-köpfigen Mobs, der vor dem Stadion die Polizei angriff.
Er
habe nicht nur die Meute aufgehetzt, sondern selber Steine geworfen
sowie zwei Container angezündet und gegen Polizisten gerollt.
Der Angeschuldigte sagte hingegen aus, unfreiwillig im Mob gewesen zu
sein. Die Staatsanwaltschaft beantragt wegen Sachbeschädigung,
Landfriedensbruch sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und
Beamte
eine bedingte Strafe von 14 Monaten.
Dem zweiten Angeklagten (22) blüht dieselbe Strafe. Er soll auf
dem
Spielfeld die Polizei attackiert und das Tor abgebrochen haben. Weil im
Stadion ein Schaden von 150 000 Franken entstanden ist, muss er aber
vielleicht auch dafür haften. Denn nach dem Prinzip "mitgehangen,
mitgefangen" fordert die Staatsanwaltschaft eine Solidarhaftung. So
müsste der 22-Jährige zusammen mit sieben weiteren
Angeklagten für den
gesamten Schaden aufkommen.
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WoZ 9.7.09
Fussballfans
Vors Schnellgericht
Da reden sie wieder von Krawallen in den Stadien, bevor die
Fussballsaison begonnen hat: die Leute, welche noch nie in einer
Fankurve waren oder mit Fanvertretern gesprochen haben.
Schnellgerichte sind ihrer Weisheit neuster Schluss. Und St. Gallen
geht einmal mehr tatkräftig voran: Der Staatsanwalt Thomas
Hansjakob
will am Sonntag beim Spiel FC St. Gallen gegen den FC Basel fehlbare
Fussballfans im Eiltempo aburteilen.
Thomas Hansjakob ist in St. Gallens Gassen wegen seines rigiden
Vorgehens gegen Hanfshops als "Hanfjakob" bekannt. Auch der
WOZ-LeserInnenschaft ist der Staatsanwalt kein Unbekannter: Er hat das
Verfahren der HSG St. Gallen gegen die junge Karin K., welche an der
Abschiedsvorlesung von Franz Jäger ein Theater aufführte, vor
Kantonsgericht gebracht (siehe WOZ Nr. 39/08).
In der allgemeinen Gewalthysterie soll Härte gezeigt werden.
Hansjakob
sagt, dass die Massnahme nicht neu sei. Dealer, die in flagranti
erwischt werden, erhalten bereits jetzt sofort einen Strafbefehl. Was
er allerdings nicht sagt: Um die mutmasslichen TäterInnen zu
verurteilen, braucht es entweder ein Geständnis oder eine
eindeutige
Beweislage. Genau hier liegt aber das Problem - ausser man achtet nicht
auf rechtsstaatliche Grundsätze. ch
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UNIA
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WoZ 9.7.09
Gianni Frizzo - Der Streit um den abgewählten Streikführer
der Officine
dauert an. Dabei gehe es nicht nur um gewerkschaftsinterne Querelen,
sagt alt Nationalrat Franco Cavalli.
Die Stimmung kippt
Von Carlos Hanimann
Charismatisch, populär, erfolgreich - Gianni Frizzo gab dem
Protest der
SBB-ArbeiterInnen ein Gesicht, als sie vor einem Jahr die
Werkstätten
von SBB Cargo in Bellinzona besetzten und strei kten. Es war eine
Reaktion auf das "Restrukturierungsprogramm" der Schweizerischen
Bundesbahnen; über 400 Stellen wollten die SBB bei der
Güterbahn
streichen, 126 davon allein in den Officine in Bellinzona. Die Parole
der Tessiner SBB-Arbeiter, "Giù le mani dall'Officina", wurde
bekannt
als Synonym für erfolgreiches Streiken. Der ganze Kanton stand
hinter
dem sympathisch einfachen Streikführer Frizzo und den
ArbeiterInnen.
8000 Menschen unterstützten deren Anliegen bei einer Demonstration
vor
einem Jahr, ein Aufmarsch, wie ihn das Tessin lange nicht gesehen hatte.
Vor zwei Wochen wurde eben dieser Gianni Frizzo aus dem Vorstand der
Unia-Sektion abgewählt - oder: "nicht wiedergewählt", wie es
in den
Medienmitteilungen der Unia hiess. Der 53-jährige Frizzo erhielt
an der
Jahres versammlung der Unia-Sektion Bellinzona nur 43 Stimmen, 98
Stimmen wären für eine Wiederwahl notwendig gewesen.
Zähneknirschende Unia
Die Empörung im Tessin war gross. Weniger über die Abwahl von
Frizzo
und zwei seiner Kollegen, sondern über die Art und Weise, wie das
geschah. "Während der Versammlung hat niemand Fragen gestellt,
keine
Anklagen erhoben, nichts", sagte Frizzo in der Radiosendung "Echo der
Zeit". Stattdessen waren an der Versammlung als Faksimile
gekennzeichnete Wahlempfehlungen abgegeben worden, wie Renzo
Ambrosetti, Kopräsident der Unia, in der Gewerkschaftszeitung
"Work"
erklärte. Die Mehrheit der 175 Anwesenden folgte den Empfehlungen
und
wählte Frizzo ab.
Warum die Abwahl von Gianni Frizzo, der im vergangenen Herbst an der
Unia-Jahresversammlung noch mit Standing Ovations bejubelt worden war?
Die gewerkschaftlichen Bürokraten seien vom aufrührerischen
und
zugleich populären Frizzo in ihrem Alltag gestört worden,
sagt der
Tessiner alt Nationalrat Franco Cavalli. Frizzo war konsequent,
bisweilen stur und verfolgte die Interessen der Officine-ArbeiterInnen
mit viel Eifer. Das bescherte ihm Aufmerksamkeit, Frizzo stand im
Rampenlicht. "Das führte zu Zähneknirschen bei der Unia, die
vom Erfolg
und der Popularität des Streiks einigermassen überrascht
worden war."
Ein weiterer Grund für die Abwahl Frizzos könnten auch
persönliche
Streitigkeiten sein. Seit Monaten gibt es gegenseitige
Mobbingvorwürfe
zwischen dem Streikkomitee und der Tessiner Unia-Spitze.
Rechte vs. linke Sozialdemokratie
Ausserdem gebe es einen politischen Hintergrund, sagt Cavalli. Frizzo,
eigentlich ein SP-Mann, wird vor allem von der radikalen Bewegung
für
den Sozialismus (BfS) unterstützt. Anstelle von Frizzo wurden
SP-nahe
Vertreter in den Vorstand gewählt. Für den Sozialdemokraten
Franco
Cavalli ist der Konflikt, der um die Abwahl von Gianni Frizzo
entstanden ist, weit mehr als eine gewerkschaftsinterne Streitigkeit:
"Auch innerhalb der SP scheint die Stimmung zu kippen. Es gibt eine
Auseinandersetzung zwischen rechten und linken Sozialdemokraten." Am
Dienstag wandten sich verschiedene linke Tessiner PolitikerInnen in
einem offenen Brief an die Unia und forderten, dass die Wahl des
Unia-Vorstands wiederholt werde. Ausserdem wurde Paul Rechsteiner,
Präsident des Gewerkschaftsbundes, eingeladen, im Konflikt zu
vermitteln.
Es weht ein linker Südwind. Cavalli glaubt, dass der Fall Frizzo
Anlass
gebe, über die künftige Ausrichtung der Sozialdemokratie zu
diskutieren. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass es schweizweit
Bestrebungen gibt, eine neue linke Partei ("La gauche", siehe WOZ Nr.
20/09) zu gründen. "Die SP ist eingeschlafen, sie ist zum Teil
sehr
formalistisch und legalistisch. Der Fall Frizzo könnte zu einer
grundlegenden Diskussion über linke Positionen führen."
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Work 3.7.09
Unia-Co-Präsident Renzo Ambrosetti zum Krach im Tessin:
"Es geht nicht um den Streik"
In der Unia-Sektion Bellinzona wurde ein Machtkampf ausgetragen und
entschieden. Jetzt nimmt Unia-Co-Präsident Renzo Ambrosetti
Stellung.
Der harte und lange Streik der SBB-Mechaniker von Bellizona weckte 2008
landesweit Zustimmung und Solidarität. Am vorigen Freitag wurden
der
charismatische Streikführer Gianni Frizzo und andere Mitglieder
des
Streikkomitees aus dem Vorstand der Unia-Sektion Bellinzona
abgewählt.
Jetzt erheben Frizzo und manche Medien schwere Vorwürfe gegen die
Unia.
work konfrontierte die Unia-Leitung mit den Vorhaltungen.
Vorwurf: Die Unia habe zuerst den Streik in den Officine gefeiert,
jetzt aber den Officine-Streikführer Gianni Frizzo und andere
Mitglieder des Streikkomitees aus ihren Gremien entfernt.
Falsch. Die Nichtwahl Frizzos hat nichts mit dem Streik zu tun, sondern
ist im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Sektion Bellinzona zu
sehen. Am Anfang des Konflikts standen Personalführungsprobleme.
Doch
dahinter stand die Frage, ob ein kleiner Kreis um den ehemaligen
GBI-Sektionssekretär Pino Sergi die Sektion dominiert und auch
für
parteipolitische Zwecke missbraucht. Eine klare Mehrheit der Mitglieder
hat dies jetzt mit dem Wahlzettel beantwortet und im gleichen Zug auch
noch Frizzo abgewählt, der eng mit Sergi zusammengearbeitet hat.
Ich
bedaure auch, dass die Entwicklung in der Sektion Bellinzona zur Abwahl
Frizzos geführt hat, respektiere aber den Entscheid der
Mitgliederversammlung.
Vorwurf: Ein Teil der Unia-Führung sei mit dem Officine-Streik
oder der
Art, wie der Streik geführt wurde, nicht einverstanden gewesen.
Die Unia hat den Streik unterstützt und mit ihren Vertretern vor
Ort
eng mit dem Streikkomitee zusammengearbeitet. Sicher gibt es im Verlauf
eines Streiks immer wieder unterschiedliche Einschätzungen. Doch
alle
Mitarbeitenden der Unia-Region haben sich enorm in diesem Streik
engagiert. Und die nationale Leitung der Unia hat ihn verlässlich
mitgetragen. Die Unia wird auch in Zukunft die Beschäftigten in
den
Officine unterstützen, indem sie weiterhin die nötigen
Ressourcen zur
Verfügung stellt.
Vorwurf: Die Abwahl sei organisiert gewesen und durch vorbereitete
Wahlzettel manipuliert worden.
Dieser Vorwurf ist unberechtigt. Es gab keine ausgefüllten
Wahlzettel,
sondern eine klar als Faksimile gekennzeichnete Wahlempfehlung, die
schliesslich eine Mehrheit fand.
Vorwurf: Nicht die Basis habe Frizzo abgewählt, sondern der
Gewerkschaftsapparat.
Wer das sagt, nimmt die 175 anwesenden Mitglieder nicht ernst. Es gab
32 Kandidaten für 21 Sitze. Die gewählten Mitglieder haben
zwischen 98
und 133 Stimmen gemacht. Gianni Frizzo erhielt 43 Stimmen, Pino Sergi
37 Stimmen. Ich bin sicher, dass Frizzo nicht wegen seines grossen
Engagements beim Streik abgewählt wurde, sondern wegen der
umstrittenen
Rolle, die er als Präsident in einer internen Konfliktsituation
gespielt hat.
Vorwurf: Die Abwahl sei eine Episode im Machtkampf SP gegen Bewegung
für den Sozialismus (BfS), also eine Säuberung.
Die Unia Tessin hat 60 Mitarbeitende. Davon gehören heute
wesentlich
mehr zur radikalen Linken als zur SP. Es was nie ein Problem, dass
Mitglieder des BfS, der Partei der Arbeit oder auch aus dem
anarchosyndikalistischen Umfeld bei der Unia mitarbeiten. Doch genau
wie das Streikkomitee der Officine ist die Unia Tessin eine Kraft, die
sich unabhängig von Parteien definiert.
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UNGARISCHE GARDE
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WoZ 9.7.09
Ungarn - Fünfzehn Prozent bei den Europawahlen im Juni, nun das
Verbot:
Die rechtsextremen Auftritte der Ungarischen Garde wurden nun auch den
Behörden zu viel.
Demokratisch gegen Demokratie
Von Keno Verseck
Belagerungszustand in Budapests Innenstadt: Tränengas,
Wasserwerfer und
polizeilicher Knüppeleinsatz; TouristInnen flüchten aus den
Cafés.
Einige Hundert Rechtsextreme hatten sich am vergangenen Samstag zu
einer verbotenen Demonstration am Elisabethenplatz versammelt. Als
PolizistInnen anfingen, den Platz zu räumen, skandierten die
Rechtsextremen "Verräter" und "Drecksjuden". Die anschliessend
gewaltsamen Auseinandersetzungen zogen sich bis in die Abendstunden
hin: Die Demonstrierenden marschierten durch die Innenstadt, die
Polizei verhaftete 216 Personen, auf beiden Seiten wurden Dutzende
verletzt.
Der Anlass der Demonstration: Am Donnerstag vergangener Woche war nach
anderthalbjährigem Gerichtsverfahren die Ungarische Garde verboten
worden, die paramilitärische Ordnungstruppe der rechtsextremen
Partei
"Jobbik" (Bewegung für ein besseres und rechteres Ungarn). Die
GardistInnen hatten in den letzten zwei Jahren in ganz Ungarn immer
wieder militärische Paraden abgehalten, vor allem dort, wo Roma
wohnen
(siehe WOZ Nr. 24/09).
Auslöser des Verbotsverfahrens war ein Garde-Aufmarsch im Dorf
Tatar
szentgyörgy südlich von Budapest. Mehrere Hundert Gardisten
waren dort
im Dezember 2007 im Nazistil durch die Ortschaften marschiert. Auf der
anschliessenden Kundgebung hetzten RednerInnen gegen "kriminelle
Zigeuner". Kurz darauf beantragte die Budapester Staatsanwaltschaft ein
Verbotsverfahren gegen die Garde.
Wacklige Gesetzesgrundlage
Der eilig anberaumte Prozess verlief skandalös. Die Mitglieder der
Garde gaben im Gerichtssaal vom ersten Prozesstag an den Ton an. Sie
bestimmten, wer in den Raum durfte. Vor dem Gerichtsgebäude wurden
Roma
angepöbelt und vom Betreten des Gerichtssaals abgehalten,
während sich
die Rechtsextremen drinnen über die Richterin Agnes
Öcsödi lustig
machten. Diese gab im August 2008 den Prozessvorsitz ab: Nachdem sie
immer wieder bedroht worden war, erklärte sie sich für
befangen.
Auch die juristische Grundlage für das Verfahren erwies sich als
wacklig, denn in Ungarn gibt es kein Gesetz, das rassistische,
chauvinistische oder ähnliche Propaganda und Aktivitäten
verbietet. Im
Oktober 2007 hatte das Parlament zwar ein Gesetz verabschiedet, das
Volksverhetzung strafbar macht, doch Staatspräsident Laszlo Solyom
hatte sich geweigert, das Gesetz zu unterzeichnen. Das Gesetz sei
schlecht formuliert und könnte eine Prozesswelle gegen den
ungarischen
Staat nach sich ziehen, begründete er seinen Entscheid.
Ausgerechnet
letzte Woche, kurz bevor die Richter das Urteil fällten,
scheiterten
die regierenden SozialistInnen im Parlament erneut mit dem Versuch, das
Strafrecht zu ändern - es fehlten Stimmen der
nationalkonservativen
Opposition.
Ein zentraler Anklagepunkt der Staatsanwaltschaft im Verbotsprozess
lautete deshalb, dass die Aufmärsche der Garde darauf abzielten,
Minderheiten einzuschüchtern. Nach einem ersten Urteil letztes
Jahr, in
dem das Gericht nur die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte
anderer
BürgerInnen eingeschränkt sah, folgte das Buda pester
Berufungsgericht
letzte Woche der Argumentation der Staatsanwaltschaft und ging sogar
noch einen Schritt weiter: Die Aktivitäten der Ungarischen Garde,
so
das abschliessende Urteil, könnten Konflikte auslösen und
Gewalt
fördern.
Das Urteil nannte in seiner Begründung zwar keine konkreten
Fälle, doch
diese sind hinreichend bekannt: Seit Gründung der Garde im August
2007
gab es in Ungarn Dutzende Attacken auf Roma, bei denen es mehrere Tote
gab. In einigen Fällen geht die Polizei davon aus, dass die
Täter aus
der rechtsextremen Szene stammen.
Rechtsextreme Allianz
VertreterInnen der sozialistischen Regierung, der Roma und liberale
PolitikerInnen begrüssten das Urteil. Einige nannten das Verbot
einen
mutigen Schritt. Denn viele sympathisieren in Ungarn mit der Garde, und
erst kürzlich hat die Jobbik-Partei bei den Europawahlen
fünfzehn
Prozent der Stimmen erhalten.
Die Unterstützung in weiten Teilen der Bevölkerung
könnte den
Rechtsextremen nun helfen, aus dem Garde-Verbot politisches Kapital zu
schlagen. Immer wieder schüren sie feindliche Stimmung, indem sie
sich
als Opfer einer "liberal-bolschewistischen", einer "verjudeten"
Demokratie bezeichnen. Man werde gegen das Urteil mit Sitzblockaden und
Demonstrationen protestieren, kündigte der Jobbik- und Garde-Chef
Gabor
Vona letzte Woche an. Und: Man werde beim Obersten Gerichtshof ein
Überprüfungsverfahren beantragen und sich zugleich an den
Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg wenden.
Dass Gabor Vona und seine Leute sich der Demokratie bedienen, um sie
abzuschaffen, daran lassen sie nicht den geringsten Zweifel. Vona
selbst verkündet offen, dass er ein autoritäres Regime wie
das des mit
Adolf Hitler verbündeten Reichsverwesers Miklos Horthy
einführen will.
Und er macht Ernst, wenn auch vorerst nur in kleinen Schritten: Nur
wenige Tage nach dem Ergebnis der Europawahlen Anfang Juni
verkündete
Vona ein Aktionsbündnis von Jobbik und Ungarischer Garde mit
ungarischen Skinhead- und Neonaziorganisationen. Einige der
Anführer
sind verurteilte Gewalttäter, gegen andere wird wegen
terroristischer
Aktivitäten ermittelt. Es gebe unter den Rechten
Meinungsverschiedenheiten bezüglich der inner- oder
ausserparlamentarischen Vorgehensweise, sagte Vona. Wichtig sei jetzt
jedoch der "Zusammenhalt für ein starkes Ungarn und eine starke,
grossungarische Nation".
---
NZZ 3.7.09
Verbot der Ungarischen Garde
Proteste der rechtsextremistischen Jobbik-Partei
In Budapest ist die Ungarische Garde, eine paramilitärische
Schlägertruppe, verboten worden. Die dieser Miliz nahestehende
rechtsextremistische Jobbik-Partei hat dagegen heftig protestiert.
cer. Wien, 2. Juli
In Budapest ist am Donnerstag die sogenannte Ungarische Garde
durch
das oberste Verwaltungsgericht verboten worden. Die im August 2007
gegründete paramilitärische Organisation, welche nach neusten
Schätzungen über 3000 Mitglieder verfügt, verbreitet vor
allem unter
den ungarischen Roma Angst und Schrecken. Die Gardisten marschieren
regelmässig in Springerstiefeln und schwarzen, den faschistischen
Pfeilkreuzlern nachempfundenen Uniformen, die rot-weiss-rote
"Arpad-Flagge" als nationalistisches Symbol in Händen, durch die
von
Roma bewohnten Siedlungen und Stadtviertel; auch wiegeln sie die
Bevölkerung unter Verweis auf die "Zigeunerkriminalität"
gegen die
Minderheit auf. Die Garde gilt als der militante Arm der rechtsextremen
Jobbik-Partei. Im März 2008 hatte die Staatsanwaltschaft ein
Verbotsverfahren gegen die Garde eingeleitet. In erster Instanz
verfügte das Budapester Amtsgericht im vergangenen Dezember ein
Verbot
gegen den Trägerverein der Garde, den "Traditions- und
Kulturverein
Ungarische Garde". Die Garde selbst konnte das Gericht aus formellen
Gründen nicht verbieten - sie ist nicht im Vereinsregister
eingetragen.
Ausserdem war das Urteil nicht rechtskräftig, weil der
Rechtsanwalt der
Garde Berufung einlegte.
Das jetzige Urteil verbietet formell wiederum nur den
Trägerverein.
Neu ist allerdings die Argumentation der Justiz: Trägerverein und
Garde
bildeten eine Einheit. Folglich sei durch dieses nunmehr
rechtskräftige
Urteil nicht nur der Verein, sondern auch die Garde selbst verboten
worden. Die Frage ist, ob die Polizei aufgrund dieses Urteils
künftig
gegen die Aufmärsche der Garde einschreiten wird. Bisher hat sie
dies
nicht getan. Der Jobbik-Vorsitzende Gabor Vona argumentiert, die Garde
könne gar nicht aufgelöst werden, da sie juristisch nicht
greifbar sei.
Das neueste Urteil, sagt Vona, sei aufgrund politischer Machenschaften
gefallen und könnte "schwerwiegende gesellschaftliche Folgen" nach
sich
ziehen.
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RECHTSEXTREMISMUS USA
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WoZ 9.7.09
Platz für den grossen Hass
USA - Die Wirtschaftskrise und die Hautfarbe des neuen Präsidenten
nutzt der Rechts extremismus zur Rekrutierung, warnte kürzlich das
US-Ministerium für Innere Sicherheit. Derweil porträtieren
konservative
US-Medien Barack Obama ungerührt als Hitler, Muslim, Sozialisten
oder
verkappten Kolonialisten.
Von Lotta Suter, Boston
Wie schon der Regierungsantritt des letzten demokratischen
US-Präsidenten Bill Clinton im Jahr 1993 hat auch die Wahl von
Barack
Obama die rechtskonservativen Kräfte der USA mobilisiert und
radikalisiert. "Den grossen Hass" nennt
Wirtschaftsnobelpreisträger
Paul Krugman das unheilvolle Zusammenwirken von radikalen Randgruppen,
Massenmedien und gewählten Politiker Innen der Rechten. Denn nicht
nur
in durchgeknallten Internetblogs, sondern auch in etablierten
konservativen Radio shows und bei Fox News wird regelmässig
darüber
spekuliert, ob Barack Obama nicht doch ein Muslim sei oder ein
Sozialist oder beides zugleich. Auf ihrer Suche nach immer neuen
Sensationen, nach noch heisseren Emotionen und nach einer noch
einfacheren rechtspopulistischen Botschaft verfeinern und legitimieren
diese Massenmedien auch noch die krudesten Hassbotschaften ihrer Basis
und bauen so eine wichtige Brücke zwischen dem rechtsextremis
tischen
Rand und einem salonfähigen rechtskonservativen Mittelfeld. Zur
Steigerung der Einschaltquoten sind sie auch bereit, in die Subkultur
der Verschwörungstheorien hinabzusteigen. Der Bestsellerautor und
neue
Fox-Star Glenn Beck etwa, der sich Abend für Abend in einem
apokalyptischen Ausnahmezustand befindet, verbreitete vor einem
Millionenpublikum das Bloggergerücht, der neue Präsident
stelle
Konzentrationslager für missliebige US-BürgerInnen auf; er
könne diese
Nachricht im Moment weder bestätigen noch dementieren, fügte
der
TV-Moderator schlau hinzu.
Durch dieselben medialen Kanäle wird der US-Bevölkerung auch
eingeredet, Präsident Obama wolle die Verfassung abschaffen und
den
rechtschaffenen AmerikanerInnen die Gewehre wegnehmen. In den letzten
Monaten haben Waffennarren im ganzen Land auf Vorrat so viele Flinten
und so viel Munition gehamstert und gehortet, dass es zu
Lieferungsengpässen kam, was ihre Paranoia noch steigerte … In
Kentucky
forderte ein Pfarrer seine Schäflein auf, ihre Waffen in die
Kirche zu
bringen, schliesslich seien "Gott und Gewehr" die Grundpfeiler Amerikas.
Tiller the Babykiller
Als das US-Ministerium für Innere Sicherheit Mitte April in einem
internen Bericht vor zunehmendem Rechtsextremismus warnte, waren die
Konservativen ausser sich. Die Regierungsstudie präzisierte:
Die
Einzelkämpfer der White Supremacists, die die Vorherrschaft der
weissen
Rasse mit allen, auch kriminellen Mitteln verteidigen wollen, stellten
gegenwärtig die grösste terroristische Gefahr aus dem Innern
dar. Doch
der Vorsitzende der Republikanischen Partei verurteilte reflexartig die
"Ausgrenzung von Andersdenkenden".
Seither sind bereits zwei prominente, durch rechtsextreme Ideen
motivierte Gewalttaten hinzugekommen (siehe WOZ Nr. 25/09): Am 11. Juni
tötete ein 89-jähriger vorbestrafter Rassist und Antisemit
einen
Angestellten des Holocaust Museum in Washington D. C. - James von Brunn
war ein Wiederholungstäter, der elektronisch mit der Neo naziszene
bestens vernetzt war. Kurz zuvor, am 31. Mai, war George Tiller, der in
seiner Klinik in Wichita, im Mittleren Westen,
Schwangerschaftsabbrüche
vornahm, von einem fanatischen - und ebenfalls elektronisch vernetzten
- Abtreibungsgegner beim Kirchgang erschossen worden. Ein
Einzeltäter,
hiess es auch hier. Doch auf Fox News hatte der Moderator Bill O'Reilly
sein Millionenpublikum unermüdlich gegen "Tiller the Babykiller"
aufgestachelt.
Dr. Tiller seinerseits war ein Wiederholungsopfer: Im Sommer 1993, kurz
nach Amtsantritt von Bill Clinton, war eine Hausfrau aus Oregon mit
Bibel und Pistole nach Kansas gereist, um den sündigen
"Kindermörder"
eigenhändig zu richten. Damals überlebte Tiller das Attentat
- im
Gegensatz zu etlichen seiner ArztkollegInnen, die in diesen Jahren
rechtsextremistischen Anschlägen zum Opfer fielen.
Auf dem Höhepunkt der Gewalt, 1995, bombardierte der frustrierte
Golfkriegsveteran Timothy McVeigh ein Regierungsgebäude in
Oklahoma
City; 168 Tote gab es bei diesem Terroranschlag made in America.
Globalisierung und Xenophobie
Woher stammte damals der grosse Hass der radikalen rechten
Gruppierungen und Einzelpersonen? Und woher kommt er heute?
Der US-amerikanische Staatsschutz weist in seinem Extremismusbericht
auf ein paar bedenkenswerte Parallelen zwischen den Clinton- und den
Obama-Jahren hin: Der wichtigste Radikalisierungsfaktor ist wohl -
damals wie heute - die wirtschaftliche Unsicherheit. In den neunziger
Jahren wurden massenweise Arbeitsplätze in Billiglohnländer
ausgelagert. Die Reaganomics der achtziger Jahre wurden auf die ganze
Welt ausgedehnt. Der "Siegeszug" der Globalisierung begann. Den
Verlierer Innen der Umstrukturierung bot aber auch die demokratische
Regierung keine neue Heimat an. Im Gegenteil: Unter Clinton wurde auch
noch das wenige, das es in den USA an Sozialstaat gab, abgeschafft. Die
Arbeitslosen und die Working Poor, das neue Lumpenproletariat, waren
Kollateralschäden dieser Entwicklung - so wie für den
Regierungsgegner
McVeigh die Opfer seines Bombenanschlages Kollateralschäden waren.
In der heutigen Krise beträgt die Zahl der Arbeitslosen in den USA
bereits zehn Prozent - wenn man die restriktive Definition des
Arbeitsministeriums verwendet. Bürgerrechtsbewegungen sagen, rund
doppelt so viele Lohnabhängige, nämlich 25 Millionen Frauen
und Männer,
hätten heute keine oder zu wenig Arbeit. Eine baldige Besserung
wird
nicht erwartet, und die Regierung Obama hat - im Gegensatz zu Franklin
Roosevelts Arbeitsbeschaffungsprogramm in den dreissiger Jahren -
bisher kaum neue Jobs geschaffen. Wieso eigentlich nicht? Der
Staatsschutz selber zitiert in seinem Extremismusbericht eine Studie
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, welche einen
starken
Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit von Eltern und
rechtsextremen Ansichten - vor allem Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit)
und antidemokratische Ideale - bei den Kindern annimmt.
Die Stellung der USA in der Welt ist wie vor zwanzig Jahren auch heute
wieder grossen Veränderungen ausgesetzt. Nach dem Zusammenbruch
der Sow
jetunion 1989 und dem Ende des gewohnten Blockdenkens fürchteten
die
superpatriotischen AmerikanerInnen, ihr Land werde demnächst von
einer
jüdisch dominierten Weltregierung geschluckt.
2009 haben sie Angst vor einer multipolaren Welt, in der die
Vorherrschaft der USA nicht mehr ohne Weiteres vor ausgesetzt werden
kann. Das Problem ist, dass das heutige Szenario keine
Verschwörungstheorie, sondern eine sehr realistische
Zukunftsperspektive ist. Eine Zukunft allerdings, auf die die
AmerikanerInnen sehr schlecht vorbereitet sind. In den
US-amerikanischen Schulen wird wenig Weltläufigkeit und viel
Patriotismus gelehrt. Die Uno ist ein unbeliebter Fremdkörper;
internationales Völkerrecht gilt bis weit in liberale Kreise
hinein als
suspekt. Alle US-Präsidenten, Demokraten ebenso wie Republikaner,
ködern ihre WählerInnen mit der Grösse der Nation, die
es entweder zu
erhalten oder wiederaufzubauen gilt. "Es ist wieder Morgen in Amerika",
behauptete Ronald Reagan mit einigem politischem Erfolg. Und Barack
Obama wich in seiner Kampagne nicht allzu weit von diesem Skript ab.
Auch er wagt es (noch) nicht, den "ewigen Krieg für den ewigen
Frieden"
(Gore Vidal) abzublasen. Der American Exceptionalism, der Glaube an die
Auserwähltheit und Güte der eigenen Nation, ist in der
Bevölkerung der
USA tief verwurzelt - bei den Linken als leuchtendes Ideal, bei den
Rechten als Anspruch und Geburtsrecht. Noch weiter rechts geht dieses
Überlegenheitsgefühl nahtlos in die White Supremacy, die
Vorherrschaft
der weissen Rasse über.
Vom Irak- zum Rassenkrieg
Wie schon in den neunziger Jahren, nach dem Golfkrieg 1991, rekrutieren
die rechtsextremen Gruppierungen auch heute wieder sehr aktiv
Mitglieder unter den Kriegsveteranen. Die Reintegrierung
zurückkehrender Soldaten ist für jede Zivilgesellschaft ein
Problem.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde den Armeeangehörigen der USA der
Übergang mit Bildungsgutscheinen, grosszügigem
Arbeitslosengeld, guten
Krankenversicherungen und günstigen Hypotheken erleichtert.
Seither
können oder wollen sich die USA diese Rückkehrhilfe nicht
mehr leisten.
Veteranen sind in den USA überdurchschnittlich oft obdachlos,
arbeitslos, psychisch krank - und besonders anfällig für
häusliche wie
politische Gewalt.
Die Rechtsradikalen schätzten im Übrigen das
militärische Wissen und
die Kampferfahrung von regulären Soldaten als so wertvoll ein,
dass sie
in ihrer Vernetzung noch einen Schritt weiter gingen: Seit ein paar
Jahren schleusen die Aryan Brotherhood, die Skinheads und andere
Neonazigruppen eine beträchtliche Zahl ihrer Mitglieder in die
offizielle US-Armee ein, um sie da für den anstehenden finalen
Rassenkrieg ausbilden zu lassen. Von der Bekämpfung der "Sand
Nigger",
wie die Iraker von den US-Besatzungstruppen oft genannt wurden, zu den
Negern im eigenen Land - die auch Latinos oder Juden oder Homosexuelle
sein können - ist es dann bloss noch ein kleiner Schritt. Die Wahl
des
ersten Afroamerikaners zum Präsidenten bietet rassistischen
Fantasien
jeder Art (vgl. "Der afroamerikanische Despot") natürlich eine
ideale
Projektionsfläche.
Die Rechtskonservativen und ihre Medien sind in erster Linie
verantwortlich dafür, wie viel Raum dem grossen Hass zugestanden
und
eingeräumt wird. Die Liberalen und Linken müssen sich aber
ihrerseits
fragen, ob und wo und wie diesem zersetzenden Hass ein ebenso starkes
und leidenschaftliches Gefühl der Empathie entgegengesetzt werden
kann.
Liberté, Égalité, Solidarité - etwas in die
Richtung.
--
"Der afroamerikanische Despot"
Nicht seine Hautfarbe sei das Problem, sagt L. E. Ikenga über
Barack
Obama, sondern seine kulturelle Identität. Der neue Präsident
der USA
sei mehr Afrikaner als Amerikaner; und dazu noch die falsche Art
Afrikaner, nämlich ein afrikanischer Neokolonialist, ein Despot in
spe.
Die Thesen der bis anhin gänzlich unbekannten Madam Ikenga, die
sich
selber als Amerikanerin der ersten Generation und "Igbo-Frau aus einem
Gebiet, das man heute Nigeria nennt" vorstellt, fanden nicht bloss auf
dem Internet grosse Beachtung. Am 26. Juni stellte der
rechtskonservative Rush Limbaugh den Aufsatz seinem
20-Millionen-Radiopublikum vor. Obama wolle aus den USA ein
Drittweltland machen, lamentierte der inoffizielle Sprecher der
Republikanischen Partei. Mit dem Stimulusprogramm, dem
Cap-and-Trade-Gesetz und der Gesundheitsreform attackiere der
Präsident
den Privatsektor. Obama wolle alles selber kontrollieren, so wie Mugabe
das in Simbabwe tue, das doch früher Rhodesien hiess …
Ikenga selber argumentiert etwas subtiler, aber auch sie besteht
darauf, dass Blut dicker sei als Wasser (oder Sozialisation). Sie
liefert sozusagen den Rassismus für gehobene Ansprüche.
Obamas
Hauptsünde, schreibt sie, sei seine Identifikation mit dem
kenianischen
Vater und dessen postkolonial verdrehtem Bewusstsein. Wie viele
afrikanische Intellektuelle sei Obama senior über die
Kolonialisierung
der Briten wütend gewesen. Aber er habe sich als Reaktion darauf
nicht
auf die "wahren Wurzeln" seiner Stammesgesellschaft
zurückbesonnen,
sondern eine fremde Ideologie, den Marxismus, angenommen. Solche
Männer, die die eigene Tradition verleugnen und die hegemonialen
Paradigmen des Westens übernehmen, nenne sie ganz einfach
afrikanische
Kolonialisten, schreibt die Pamphletistin.
Afrikanische Kolonialisten seien ebenso undemokratisch und machtgierig
wie ihre weissen Vorläufer. Und Barack Obama sei ein loyaler Sohn
seines knallhart afrikanisch-kolonialistischen Vaters. Deshalb werde
sich der Kolonialisierungsprozess wiederholen: Was die Briten 1914 den
Igbo angetan hätten, das werde Präsident Obama nun den
AmerikanerInnen
antun. Eindringlich warnt Madam Ikenga: "Gibt man einem afrikanischen
Kolonialherren zu viel Macht, kann er nur eines werden: ein Despot."
Die Frage ist nur: Welche Stammesgesellschaft ist hier bedroht? Wall
Street? Die Pharmaindustrie? Exxon-Mobil? Waffenträger? Oder gar
die
ganze Fox-Nation?
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ANTI-ATOM
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Bund 9.7.09
Haue fürs "Krümmel-Monster"
In den AKWs des schwedischen Energieriesen Vattenfall ist es 2009
bereits zu 60 Zwischenfällen gekommen
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall, der auch den deutschen
Pannenreaktor in Krümmel betreibt, sieht sich scharfer Kritik
ausgesetzt: Dem Konzern fehlt laut Schwedens Atomaufsicht jede
Sicherheitskultur.
Hannes Gamillscheg, Stockholm
Das Vertrauen für Vattenfall sei "auf dem Nullpunkt", titelte die
führende schwedische Zeitung "Dagens Nyheter" gestern. Der Artikel
beschäftigte sich vor allem mit dem Image des Energiekonzerns in
Deutschland nach der neuen Panne im AKW Krümmel. Doch der Tenor
stimmt
auch für das Heimatland des staatlichen Stromerzeugers, denn auch
in
Schweden hat der Standard der von Vattenfall betriebenen Atomkraftwerke
scharfe Kritik ausgelöst.
Wegen schwerer Mängel in der "Sicherheitskultur" kündigte die
Strahlenschutzbehörde (SSM) gestern an, das AKW in Ringhals unter
Sonderaufsicht zu stellen. Seit Jahresbeginn sei es dort zu rund 60
Zwischenfällen gekommen. Zwei davon werden als "sehr ernsthaft"
bezeichnet. Einmal versagte das automatische Sicherheitssystem, einmal
die Kontrollstäbe für die Steuerung der
Reaktoraktivität. Beide
Einrichtungen seien für einen Schnellstopp des Reaktors
essenziell,
sagte Mattias Skold, der Sprecher der Atomaufsicht: "Wertvolle Zeit
hätte verloren gehen können." Stichprobenkontrollen
hätten umfangreiche
Unregelmässigkeiten enthüllt, sagte SSM-Chef Leif Karlsson:
"Wenn man
den Routinen und Regeln nicht folgt, ist das ein Zeichen, dass man
nicht die erforderliche Sicherheitskultur hat." Ringhals ist mit vier
Reaktoren, die 20 Prozent des Strombedarfs decken, Schwedens
grösste
Atomkraftanlage und wird gemeinsam von Vattenfall und Eon betrieben.
Fast-Katastrophe in Forsmark
Schon vor drei Jahren hatte eine Fast-Katastrophe im Vattenfall-AKW
Forsmark eine heftige Debatte über die Zuverlässigkeit der
schwedischen
Atomkraft ausgelöst. Damals steuerte ein Reaktor nach einem
Kurzschluss
in einem Generator 23 Minuten auf die Kernschmelze zu, ehe die
Notaggregate doch noch griffen. Anschliessend prangerten Kontrolleure
einen "Verfall der Sicherheitsstruktur" an, der irgendwann zur
Katastrophe führen werde: mit Mitarbeitern, die die Regeln nicht
strikt
einhielten, und einer Konzernleitung, in der das Profitdenken
dominiere. Damals kündigte Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson
radikales
Umdenken an. Die jüngste Pannenserie in Deutschland wie in
Schweden
lässt die Frage zu, wie ernst es ihm damit war.
Vorwurf der Doppelmoral
Josefsson steht nicht allein als "Krümmel-Monster" in der Kritik.
Auch
die massive Nutzung fossiler Energieträger erregt Anstoss. Nicht
nur
Umweltschützer nennen es Doppelmoral, wenn der Vattenfall-Chef
international den Vorreiter für saubere Energie spielt, sein
Konzern
aber - vor allem wegen seiner deutschen und polnischen Kohlekraftwerke
- 50 Prozent mehr CO2 ausstösst als ganz Schweden. Dass nach
Angela
Merkel nun auch Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon Josefsson zu
seinem
Klimaberater machte, empfand selbst die schwedische Wirtschaftspresse
als reichlich ironisch. Denn Vattenfalls Energiemix besteht zwar auf
dem skandinavischen Heimatmarkt vor allem aus Atom- und Wasserkraft,
und dort investiert der Konzern nun auch massiv in Windenergie. In
Deutschland und Polen aber produziert Vattenfall Strom zu mehr als 90
Prozent aus Kohle, und die Übernahme des niederländischen
Konkurrenten
Nuon verstärkte die Abhängigkeit von fossilen
Energieträgern weiter.
Rückschlag für CO2-Idee
Josefssons Vision heisst, dass Vattenfall seine CO2-Emissionen bis 2050
auf null gesenkt haben soll. Doch der Anteil der Investitionen in
erneuerbare Energie ist rückläufig, und auf Kohle meint der
Schwede
auch künftig nicht verzichten zu können. Seine Hoffnung
gründet sich
auf die umstrittene CCS-Technik, mit der das Kohlendioxid aufgefangen
und unterirdisch gelagert werden soll. Dass die deutsche Regierung ein
Gesetz, das den Energiekonzernen die CO2-Lagerung erlauben sollte, bis
nach den Bundestagswahlen aufgeschoben hat, war ein dicker Strich durch
Josefssons Rechnung.
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NZZ 9.7.09
Verstärkte Aufsicht für schwedisches Kernkraftwerk
Behörde übt nach Störfällen Kritik
I. M. Stockholm, 8. Juli
Nach einer Reihe von Störfällen hat die schwedische
Strahlenschutz-Behörde (SSM) das Kernkraftwerk Ringhals am
Mittwoch
unter verschärfte Aufsicht gestellt. Die Anlage mit vier Reaktoren
muss
von nun an häufiger an die SSM berichten. Die Behörde will
ihrerseits
die Rapporte eingehender analysieren und hat zudem vermehrte Besuche im
südlich von Göteborg gelegenen Werk angekündigt. Laut
der SSM bestehen
Mängel bei der Betriebsführung, bei der Steuerung der
Sicherheitsmassnahmen sowie bei der Einhaltung von Vorschriften. Wie
der stellvertretende Chef der Abteilung Kernkraft-Sicherheit der SSM in
einer Pressemitteilung schreibt, sind seit 2005 wiederholt von der
Behörde bemängelte Sicherheitsprobleme nicht behoben worden.
Das
Kraftwerk verfüge auf dem Papier zwar über gute
Sicherheitsmassnahmen,
diesen werde in der Praxis aber nicht nachgelebt.
Die Leitung von Ringhals muss nun einerseits darlegen, weshalb
man den
internen Regeln nicht nachgekommen sei und weshalb die ergriffenen
Sicherheitsmassnahmen die Situation nicht verbessert hätten.
Anderseits
muss bis zum 1. November ein neues Sicherheitskonzept erarbeitet
werden, um die Mängel zu beseitigen. Zur Reihe der
Störfälle in
Ringhals seit 2007 gehört ein Brand in einem Transformator auf dem
Gelände des Kraftwerks, der zur Abschaltung eines Reaktors
führte. Kurz
darauf musste einer der Meiler wegen eines Lecks heruntergefahren
werden. Einmal versagte das automatische Sicherheitssystem der Anlage,
und ein weiteres Mal funktionierte die Steuerung eines Reaktors nicht.