MEDIENSPIEGEL 13.7.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Kubb-Grümpel-Turnier
- Trailer  zum 9. Antifaschistischen Abendspaziergang
- 20 Jahre Schnüffelstaat; Schnüffeln in SZ; Big Brother EU
- Rütli-Feier ohne Tickets

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REITSCHULE
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Mi 15.07.09
19.00 Uhr - SousLePont - Punk Spezialitäten

Sa 18.07.09
14.00 Uhr - Alter Hirschenpark - Kubb-Grümpel-Turnier (Anmeldung kubbcup@gmx.ch

So 19.07.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ@Vorplatz

Infos: www.reitschule.ch


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KUBB
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Rundmail 12.7.09

Liebe Kubbfreunde, liebe GenossInnen

Das Grümpel-Kubb-Cup findet bereits am nächsten Samstag statt. Noch  haben sich nicht genügend Teams angemeldet. Es wäre schade, wenn der  Cup abgesagt werden müsste. Also, fasst euch ein Herz und meldet euch  unter kubbcup@gmx.ch an!

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Liebe Freundinnen und Freunde der fliegenden Stöcke und fallenden Herrscher.

Gerne kündigen wir den ersten Kubb-Cup von Bern an:

Dieser soll bei gutem Wetter am Samstag dem 18. Juli nach bester  Grüpelturnier-Manier über die Bühne gehen (voraussichtlich im  Hirschenpark). Teams ab 2 bis ca. 6 Personen können sich unter
kubbcup@gmx.ch anmelden (es hat Startplätze solangs hat - meldet euch  rasch an). Das Ganze geht um 14.00 Uhr los und dauert bis ca. 20.00 Uhr.

Das Startgeld beträgt Fr 10.- pro Team. Vor Ort wird für Verpflegung  vom Grill und Getränke gesorgt sein. Ein allfälliger Gewinn fliesst in  ein Antifa-Projekt.

Mehr zum Kubb-Spiel erfahrt ihr z.B. unter: http://www.kubbaner.de  oder immer mal wieder auf dem Vorplatz der Reitschule (wo mensch auch  fleissig üben kann).

Cu on the Rasen
euer Kubb-Cup-Komit
ee

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ANTIFA
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Indymedia 12.7.09

Trailer zum 9. Antifa-Abendspaziergang in Bern ::

AutorIn : BAgR         

Nur noch 77 Tage bis zum 9.Antifaschistischen Abendspaziergang in Bern!     

Trailer:
http://www.youtube.com/watch?v=dTZc3WeVHWI

Cu on the streets!

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SCHNÜFFELSTAAT
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NZZ 13.7.09

Feuilleton (fe)

Die seltsame Hinterlassenschaft des helvetischen Staatsschutzes

Vor zwanzig Jahren erschütterte die Fichen-Affäre die Schweizer Öffentlichkeit - Streifzüge durch ein kurioses Archiv

 Von Roman Bucheli

 1989 deckte eine parlamentarische Untersuchungskommission auf, dass die Bundesanwaltschaft Hunderttausende politisch aktive Bürger überwacht hatte. Die damals entdeckten Akten lagern im Schweizerischen Bundesarchiv. Wer sie einsehen möchte, braucht Geduld.

 Lediglich einen kräftigen Steinwurf entfernt vom Schweizerischen Literaturarchiv in Bern liegt das trutzige, 1899 errichtete Gebäude des Schweizerischen Bundesarchivs. Während in dem auf Anregung von Friedrich Dürrenmatt entstandenen Literaturarchiv mittlerweile eine beachtliche Zahl an Vor- und Nachlässen von Schweizer Autorinnen und Autoren aufbewahrt wird, findet im Bundesarchiv eine letzte Ruhestätte, was in der Bundesverwaltung an Akten produziert und für historisch relevant angesehen wird. Seit vor zwanzig Jahren im Zuge der Fichen-Affäre auch die gesammelten Akten des Schweizer Staatsschutzes zur Aufbewahrung ins Bundesarchiv kamen, dämmert hier ein kulturpolitisches Gedächtnis ganz eigener Art vor sich hin. Kein Historiker hat es bisher in seiner Unerschöpflichkeit und Unzugänglichkeit auszuloten vermocht.

 Unter den mehreren hunderttausend Fichen fand sich eine grosse Zahl zu Persönlichkeiten aus dem kulturellen Leben der Schweiz: Schriftsteller, Intellektuelle, Künstler. Einige erschreckend spektakuläre Dossiers haben damals Betroffene selber öffentlich gemacht. Das meiste aber blieb bis heute verborgen. Unbeantwortet blieb darum auch die Frage: Was wusste der Staatsschutz von den Schriftstellerinnen und Schriftstellern dieses Landes? Was war auf den Fichen verzeichnet und in den Dossiers festgehalten, was in den im Literaturarchiv aufbewahrten Nachlässen vielleicht ganz andere Spuren hinterlassen hat?

 Ein Schattenarchiv?

 Zwanzig Jahre nach dem Bekanntwerden dieser flächendeckenden Observation durch den Schweizer Staatsschutz hat sich die anfängliche Empörung in Desinteresse verwandelt. Darum mag es sinnvoll sein, noch einmal in die finsteren Gründe dieser Ereignisse hineinzuleuchten und - sine ira et studio - die Kartografie dieses innenpolitischen Misstrauens in ihren schriftlichen Hinterlassenschaften zu untersuchen. Mit anderen Worten oder noch einmal anders gefragt: Könnte es sein, dass die beiden topografisch nah gelegenen, ideell aber radikal verschiedenen Archive, hier das Bundesarchiv, dort das Literaturarchiv, gleichsam komplementär das Leben der registrierten Personen dokumentieren? Stellt das Bundesarchiv ein abstruses Schattenarchiv dar, das die Bestände des Literaturarchivs um biografische Einzelheiten aus Telefonabhörungen oder Observationsprotokollen ergänzen könnte?

 Aus verschiedenen Quellen weiss man, dass der Staatsschutz unendlich viel und doch vielfach nur das Falsche von einzelnen Bürgern wusste. Eine anekdotische Reminiszenz erhellt vielleicht deutlicher als alles andere die dilettantische (wenngleich darum nicht harmlose) Praxis des helvetischen Überwachungsstaates. Kaum ein Autor wurde so strikt observiert wie Daniel de Roulet. Er hat davon in einem seiner Bücher anschaulich und mit vielfachen Belegen berichtet. Nichts scheint den Behörden in dieser politisch bewegten Vita entgangen zu sein. Dennoch vermochte der Politaktivist de Roulet 1975 das oberhalb von Gstaad gelegene Ferienhaus von Axel Springer in Brand zu stecken, ohne dass ein Verdacht auf ihn gefallen wäre.

 Das Beispiel bestätigt, was sich auch einem unvoreingenommenen Blick in ausgewählte Staatsschutzakten darbietet: ein gespenstisches Bild der Belanglosigkeit. Dass auch solche Banalität nicht ohne Heimtücke ist, davon erzählen freilich vereinzelte Beispiele von massiven Ein- und Übergriffen in die bürgerliche Existenz: Wiederholt kam es zu Entlassungen aus dem Bundesdienst wegen unliebsamer politischer Tätigkeiten, oder Anstellungen wurden vereitelt, ohne dass die Betroffenen die Hintergründe ahnten.

 Irrelevant war jedoch vieles, was im Namen des Staatsschutzes über Jahrzehnte mit Bienenfleiss auf Fichen und in Dossiers zusammengetragen worden ist; umso unergiebiger sind die Papiere als Quelle für unsere Fragestellung. Und nicht immer ist zu entscheiden, ob hinter einer naiven nachrichtendienstlichen Erkenntnis die schiere Boshaftigkeit steckt - oder die unerschrockene Dummheit. Was mochte sich beispielsweise jener Beamte gedacht haben, der auf der Karteikarte des Schriftstellers und Psychiaters Walter Vogt rechts oben ein grosses Kreuz hingemalt und das Todesdatum des Autors hinzugesetzt hatte: "R. I. P. 21. 9. 1988". Schwierig zu sagen, ob sich hinter einem solchen Eintrag Zynismus oder maliziöse Genugtuung versteckt. Die letzte Notiz auf Walter Vogts Fiche lautet im Übrigen: "26. 9. 88 Aktion Ma: Visumert. an LOHSE Jens 64. Teilnahme an der Beerdigung von V. 7 Tage."

 Ähnlich bizarr sind die Einträge auf Max Frischs Fiche. Unter dem 30. Dezember 1970 liest man die Kurzfassung einer Telefonabhörung: "aus TAB 8635: BRETSCHER Walter 38 verlangt F. und unterhält sich mit ihm über die autonome Zürcher Jugend, sowie über das Ultimatum des Stadtrates betr. Schliessung des Bunkers". Vier Jahre später ein weiterer Eintrag aus einer Telefonabhörung: "PINKUS Theodor 09 teilt den Eheleuten F. mit, dass sich MARCUSE Herbert 98 gerne mit ihnen treffen möchte. Er weilt bei PINKUS zu Besuch."

 Mit solchen Erkenntnissen wird auch der Staatsschutz kaum etwas anzufangen gewusst haben, um wie viel weniger können wir heute von solchen willkürlich zusammengetragenen Fragmenten in guten Treuen Erhellendes erwarten. Doch nicht nur die Dürftigkeit des Materials macht die (zugegeben: abstruse) Hoffnung zunichte, die nachgelassenen Papiere im Literaturarchiv mit Einsichten aus den Akten des Staatsschutzes ergänzen oder erweitern zu wollen.

 Fichen und Dossiers

 Auch die Unzugänglichkeit des Materials, die ihm ebenso inhärent ist wie seine Unzulänglichkeit, erschwert die Recherche, wenn sie sie nicht sogar gänzlich verunmöglicht. Es ist dies eine Folge der Systematik in der Aktenführung durch die politische Polizei. Die personenbezogenen Fichen enthielten in den meisten Fällen lediglich kurze Zusammenfassungen umfangreicherer Akten: Protokolle von Telefonabhörungen, Berichte von kantonalen oder städtischen Dienststellen, Aktennotizen von Aussendienst-Mitarbeitern. Solche Dokumente wurden in Dossiers abgelegt; auf sie verwies ein Aktenvermerk auf der Fiche. Die Fiche diente damit zweierlei: Sie gab einerseits einen kurzen Überblick über die aktenkundigen Vorfälle und war anderseits ein Findmittel für die den Einträgen zugrundeliegenden Papiere. Wer daher heute den gesamten, für eine Person relevanten Aktenbestand einsehen möchte, muss zu fast jedem Eintrag auf der Fiche das dazugehörige Dokument aus dem Archiv anfordern.

 Alle im Zuge der Fichenaffäre ins Bundesarchiv gelangten Akten unterliegen zudem einer 50-jährigen Schutzfrist. Wer Einsicht nehmen möchte, muss ein Gesuch an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) richten. Jedoch gibt es kein Gesamtverzeichnis der fichierten Personen. Darum muss also zunächst beim Bundesarchiv nachgefragt werden, ob zu Herrn N. oder Frau W. eine Fiche existiert. Ist der Bescheid positiv, kann ein Einsichtsgesuch gestellt werden. Die Behandlung eines Gesuchs beansprucht unterschiedlich lang. Die Wartezeit kann gut und gerne ein paar Wochen dauern. Hat man dann die Fiche in der Hand, sieht man gerade einmal das Skelett der Aktenspuren, die eine Observation hinterlassen hat. Nun gilt es, Einsichtsgesuche zu stellen für die der Fiche zugrundeliegenden Akten - und abermals zu warten.

 Solcherart sind zunächst einmal die Hürden, die sich vor dem Forschenden aufbauen. Nicht zu unterschätzen ist zugleich die Vergesslichkeit und bisweilen auch eine gewisse Unkenntnis der Archivare. Zwar pflegt man im Bundesarchiv in Bern eine geradezu rührende Hilfsbereitschaft. Aber selbst einfachste Fragen nach der Struktur der Aktenablage werden falsch oder ungenau beantwortet, so dass aus dem bürokratischen Hindernislauf schnell einmal ein vergebliches Stochern im aufgewirbelten Aktenstaub wird.

 Schliesslich hat man es auch mit der föderalen Willkür zu tun. Da der Staatsschutz durchaus dezentral geführt und im Übrigen schlecht vernetzt war und Akten also beim Bund, aber auch in den Kantonen und Städten angelegt und gesammelt wurden, müsste eine Recherche nicht nur das Bundesarchiv, sondern auch Kantons- und Stadtarchive berücksichtigen, um das Gesamtbild einer personenbezogenen Observation wiederherstellen zu können. Dem steht entgegen, dass nicht in allen Kantonen und Städten wie beim Bund die Akten vollständig archiviert worden sind. Ausserdem ist auch die Praxis der Einsichtnahme unterschiedlich geregelt.

 Im Kanton Zürich konnte der Staatsarchivar lediglich eine Auswahl aus den Akten treffen, ehe alles andere vernichtet wurde. Was jedoch im Zürcher Staatsarchiv eingelagert wurde, unterliegt einer 80-jährigen Schutzfrist. Seit die Akten hier eingeliefert worden sind, hat sie kein Historiker zu Gesicht bekommen. Und selbst wenn einem allfälligen Einsichtsgesuch stattgegeben werden sollte, so wäre es, das versichert Hans Ulrich Pfister, der stellvertretende Staatsarchivar im Kanton Zürich, schwierig, die Akten sinnvoll zu nutzen. Denn nicht nur wurde das Material umfangmässig stark reduziert, sondern zusätzlich wurden die Findmittel (also die Registraturen) der Polizei seinerzeit unbrauchbar gemacht.

 Eine Vorgeschichte

 Als im November 1989 die vom späteren Bundesrat Moritz Leuenberger geführte Parlamentarische Untersuchungskommission die Praxis der massenweisen Überwachung publik machte, löste dies im Land einen Sturm der Entrüstung aus. Darob ging in Vergessenheit, dass die Tätigkeit des Staatsschutzes wiederholt auf Argwohn gestossen war. Als Präsident der Geschäftsprüfungskommission (GPK) war Moritz Leuenberger bereits im Frühjahr 1987 im EJPD auf die Akten der politischen Polizei aufmerksam geworden, wie Georg Kreis in seiner Untersuchung "Staatsschutz in der Schweiz" 1993 dargelegt hat. Die GPK bat darauf um Aufklärung und erhielt den Bescheid, dass etwa 900 000 Fichen existierten, von denen "ca. 800 000 als aktuell bezeichnet werden" können und rund ein Viertel Schweizer Bürger betreffen. Leuenberger war alarmiert, verlangte weitere Auskünfte und inspizierte sogar die Bundesanwaltschaft. Von Bundesanwalt Rudolf Gerber erhielt die GPK die gewünschten Informationen, darunter auch die Mitteilung, dass täglich rund 210 neue Fichen hinzukämen. In der Schlussberatung der GPK gab darauf Moritz Leuenberger im November 1988 erstaunlicherweise dennoch zu Protokoll, es bestünde "keine politische Opportunität" zu weiteren Nachforschungen! Derweil müssten, sofern die Zahlen von Bundesanwalt Gerber stimmten, allein im Zeitraum dieser Untersuchung durch die GPK fast 80 000 neue Fichen entstanden sein.

 Indessen war der Staatsschutz schon früher immer wieder ins Gerede gekommen. So behaupteten etwa die "Voix Ouvrière" und der "Vorwärts" im Februar 1954 im Zusammenhang mit einer Debatte um die sogenannte Verdächtigtenliste, dass selbst der 1947 verstorbene Georges de Rougemont, Vater des Publizisten Denis de Rougemont und Schwiegervater von Bundesrat Max Petitpierre, auf einer solchen Liste der im Krisenfall zu internierenden Personen figurierte. Bundesrat Markus Feldmann, Vorsteher des EJPD, bat darauf die Bundespolizei um Abklärung. Diese ging der Sache nach, erkundigte sich auch bei der Neuenburger Polizei und beschied Bundesrat Feldmann, dass die Zeitungsberichte unzutreffend seien und Rougemont weder bei den Dienststellen des Bundes noch des Kantons aktenkundig sei.

 Der Vorgang jedoch führte zu einem paradoxen Ergebnis: Mochte Georges de Rougemont der politischen Polizei bis dahin nicht bekannt gewesen sein, so geriet er nun - als Toter! - ins Visier der Staatsschützer. Die Nachfrage, ob eine Fiche über ihn bestehe, wurde zwar negativ beantwortet, hatte aber zur Folge, dass er nun fichiert wurde. Im gleichen Arbeitsgang wurde auch zu seinem Sohn Denis de Rougemont eine Fiche angelegt.

 Manchmal glaubt man darum, in ein Kuriositätenkabinett geraten zu sein. Man erfährt etwa aus den Akten, dass Hermann Burger im Frühjahr 1985 von Westberlin aus das Gebiet Stettin/Neuruppin besuchen wollte, dass sich Otto F. Walter am 1. Oktober 1986 in Solothurn im Hotel Krone mit dem nordkoreanischen Botschaftsrat getroffen hatte und dass dem Gespräch zwei weitere Asiaten beiwohnten, die sich jedoch nicht an der Diskussion beteiligten, oder dass Max Frisch am 20. Januar 1987 um 15 Uhr 15 in Bern einen Personenwagen mit dem Kennzeichen CD BE 2.73 verliess und sich nach dem Bahnhof begab.

 Was uns heute unerheblich scheinen mag, mochte damals jedoch für die Betroffenen nicht vollends harmlos gewesen sein. Und weil mit dem Material - das als historische Quelle von zweifelhaftem Ruf und Wert ist - noch heute Unfug getrieben werden kann, ist die Frage nicht ganz unberechtigt, welchem Forschungsinteresse denn diese Akten dienen sollen. Zwar ist es Interventionen von Historikern zu verdanken, dass National- und Ständerat 1992 beschlossen, die vom Bundesrat anfänglich geplante Vernichtung der Akten zu verhindern. Die Resonanz in der Forschung ist bisher allerdings bescheiden geblieben.

 Stoff für eine Satire

 Gelegentlich treiben die Akten späte Blüten. Der Zürcher "Tages-Anzeiger" hat vor einiger Zeit aufgrund einer in Dürrenmatts Personaldossier gefundenen Aktennotiz die reisserische Frage aufgeworfen, ob Dürrenmatt ein "begeisterter Fröntler" gewesen sei. Es wird sich denn immer wieder jemand finden, der aus einem Protokoll einer nachrangigen Dienststelle - wie trüb die Quelle auch immer sein mag - vermeintlich eine überraschende Erkenntnis zu gewinnen glaubt.

 Niemand jedoch hat bisher das grotesk literarische Potenzial erkannt und ausgeschöpft, das in den massenhaften Protokollen der Telefonabhörungen schlummert. Man stelle sich vor, Dürrenmatt wären die Mitschriften seiner Telefongespräche in die Hände gefallen:

F.: Sind Sie wieder zu Hause?

D.: Ja!

F.: Ich habe Ihnen noch nicht einmal gedankt für die schöne Schreibmaschine!

D.: Ist sie gut?

F.: Wunderbar!

D.: Ich darf nur noch elektrisch schreiben!

F.: Ja? D.: Ja, wegen dem Herz!

F.: Ei! Und sonst, was treiben Sie so?

D.: Eben, ich komme heim und habe eine furchtbare Unordnung - hat das geklappt mit der Bank?

F.: Ja - wegen dem Zins?

D.: Jawohl!

F.: Habe ich Ihnen noch nicht geschrieben?

D.: Nein!

F.: Hören Sie auf! Das ist ja allerhand!

 Es müssen Tausende von Seiten mit solchen Dialogen sein, die in den Archiven darauf warten, dass ein Satiriker kommt und daraus ein Theaterstück schreibt. Es vermöchte die Absurdität und den Irrwitz, die Tragödie und den stillen Schrecken, die Schatten und Abgründe unserer Geschichte gleichermassen auszuleuchten.

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Schwyzer Zeitung 13.7.09

Schwyzer Kantonspolizei

Schnüffeln gesetzlich geschützt

Die Observation, vertrauliche Quellen und verdecktes Ermitteln durch die Polizei: Dies sind rechtlich heikle Bereiche der Polizeiarbeit.

Von Bert Schnüriger

Der Fernsehzuschauer kennt es aus den Krimis: Polizisten sitzen im Auto vor einem Haus und beobachten, wer da ein- und ausgeht. In einem anderen Fall unterhält sich der Detektiv in einem Hinterhof mit einem Spitzel. Oder eine junge Polizistin in Zivil macht pro forma im Fanclub eines Sportvereins mit, um Randalierern auf die Spur zu kommen. Observieren, Anzapfen vertraulicher Quellen und verdecktes Ermitteln nennt sich all dies in der Fachsprache. Diese heiklen Bereiche polizeilicher Tätigkeit sollen in Zukunft im Kanton Schwyz klar geregelt werden. Sie stehen im Entwurf für eine erneuerte Polizeiverordnung, der kürzlich veröffentlicht wurde.

Schon vor der Straftat

Zu Überwachungen, zu verdecktem Ermitteln oder zum Anzapfen vertraulicher Quellen kann die Polizei von Untersuchungsrichtern aufgefordert werden. Nämlich dann, wenn ein Strafverfahren eröffnet wurde. Allerdings sollte die Polizei auch aus eigener Ermächtigung zu diesen Mitteln greifen dürfen. Und zwar schon, bevor eine Straftat begangen wurde. Darum will jetzt die Regierung in Anpassung ans neue Strafrecht des Bundes diese Bereiche auch für die Kantonspolizei geregelt haben (siehe Kasten unten).

Polizei im "Chatroom"

Der Regierungsrat schildert an einem Beispiel, warum dies notwendig ist: "Die Polizeiverordnung kennt bislang keine entsprechende Ermächtigungsnorm, die beispielsweise eine verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation im Chat ermöglicht, um künftige Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern zu verhindern." Zudem sei der Umgang mit vertraulichen Quellen bisher weder im polizeirechtlichen noch strafrechtlichen Bereich speziell geregelt. "Dies gilt umso mehr, als IV-Stellen seit dem 1. Januar 2008 gesetzlich ermächtigt sind, zur Bekämpfung des Versicherungsbetruges Spezialisten (qualifizierte Ermittlungsfirmen) beizuziehen. Sie suchen nach Informationen und Verdachtsmomenten, damit die IV-Stelle eine strafrechtliche Ermittlung gegen verdächtigte Versicherte aufnehmen kann."

Notwendig werden die neuen Paragrafen in der kantonalen Polizeiverordnung auch, weil die heutige kantonale Strafprozessordnung 2011 durch eine eidgenössische abgelöst wird. Dort sind diese Bereiche anders geregelt. "Darum müssen wir diese Bereiche jetzt neu in unsere kantonale Polizeiverordnung schreiben", sagt Oberleutnant Hans Blum von der Schwyzer Kantonspolizei.

Nun hat allerdings die Schwyzer Polizei schon bisher observiert, vertrauliche Quellen angezapft oder verdeckt ermittelt. Auf welcher gesetzlichen Basis? "So ausdrücklich geregelt war dies bisher nirgends. Wir betrachteten dies als unseren generellen Auftrag", sagt Blum.

Verjuristerei

"Für uns ist es normal, dass beispielsweise unser Küssnachter Postenchef in zivil im Dorf die Ohren spitzte." Was bisher laut Blum auch kaum rechtliche Schwierigkeiten mit sich brachte. Aber heute, im Zeitalter des Datenschutzes und der zunehmenden Verjuristerei der Gesellschaft sei dies "schon regelungsbedürftig geworden". An der Arbeit der Polizei ändert die Neuregelung laut Blum nichts.

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Spiegel 13.7.09

EU-SICHERHEIT

"Big Brother" in Brüssel

Die EU-Kommission bereitet den Aufbau einer riesigen Zentralstelle zur Datensammlung vor. Damit bekämen Polizei- und andere Sicherheitsbehörden Zugriff auf Informationsbereiche, die ihnen bislang gesetzlich versperrt sind, warnen Datenschützer. Für über 100 Millionen Euro soll eine "Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Justiz" errichtet werden, umschreibt ein Kommissionspapier vom 24. Juni (2009/ 293 final) das Vorhaben im nebulösen EU-Jargon. Diese neue Behörde soll zunächst drei große Datensammelstellen zusammenführen, die heute unabhängig voneinander arbeiten: das "Schengener Informationssystem" (SIS), das vor allem Angaben über Personen sammelt, die zur Fahndung ausgeschrieben sind; das "Visa-Informationssystem", das biometrische Merkmale von Menschen aus Nicht-EU-Ländern speichert, die einen Visumantrag zur privaten oder geschäftlichen Europareise gestellt haben; und "Eurodac", ein elektronisches Register mit Fingerabdrücken von Asylbewerbern. Später sollen der Agentur weitere Informationssammelstellen angegliedert werden. Gegen den Plan regt sich nun Widerstand im Europäischen Parlament. "Eine solche gigantische Menge unterschiedlicher Daten zu zentralisieren" mache nur Sinn, fürchtet etwa der FDP-Datenschutzexperte im Europaparlament, Alexander Alvaro, "wenn man Profile von Menschen aufbauen will". Das brächte, so Alvaro, "amerikanische Verhältnisse nach Europa, die hier doch angeblich niemand will". Hinter dem EU-Vorhaben stehen dagegen die Innenminister etlicher Mitgliedsländer, insbesondere der deutsche, Wolfgang Schäuble.

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RÜTLI
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NLZ 13.7.09

Annemarie Huber-Hotz

"Wir haben Sicherheit im Griff"

Die Rütlifeier soll künftig wieder ohne Tickets stattfinden. Noch fehle aber der Tatbeweis, sagt Präsidentin Annemarie Huber-Hotz.

Interview von Jürg Auf der Maur

Annemarie Huber-Hotz*, vor einem Jahr haben Sie alle Rechtsextremen aufs Rütli geladen. Machen Sie das wieder?

Annemarie Huber-Hotz: Nach wie vor gilt für uns, dass alle auf dem Rütli willkommen sind. Deshalb sagte ich damals, ich hätte nichts dagegen, wenn sie kommen. Allerdings nur, wenn sie sich, wie alle anderen auch, anständig aufführen. Der zweite Satz gehört eben auch dazu, ging aber unter. Wir hätten gerne alle Leute auf dem Rütli, aber die Sicherheit und die Redefreiheit müssen gewährleistet sein.

Der Zugang zur 1.-August-Feier soll schon bald wieder für alle offen sein?

Huber-Hotz: Das wäre unser Ziel. Bis jetzt fehlt aber der Tatbeweis, dass es möglich ist. Die Sicherheitslage wird von der zuständigen Polizei beurteilt, nd sie verlangt entsprechende Sicherheitsmassnahmen. Wir haben nun einen Stand erreicht, wo wir sagen dürfen, dass die Sicherheit immer wieder neu beurteilt wird und wir sie im Griff haben. Das Ticketsystem ist akzeptiert, die Schifffahrtsgesellschaft macht mit. Kurz: Wir haben ein gutes Einvernehmen mit allen Beteiligten, wir haben auf dem Rütli Gäste und können wieder würdige Feiern durchführen. Daran wollen wir festhalten und das Ganze noch perfektionieren.

Beim Konzept haben Sie aber Abstriche gemacht. Von einer Frauen- oder Familienfeier ist nicht mehr die Rede, und anstelle eines Bundesrates spricht mit Peter von Matt ein Literaturkritiker.

Huber-Hotz: Mit einer Konzeptänderung hat das nichts zu tun. 2007 war ein Ausnahmejahr, weil Bundesrätin Micheline Calmy-Rey zusammen mit der Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi auf uns zukam. Beim diesjährigen Konzept steht die Geschichte im Vordergrund: Vor 150 Jahren hat die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) beschlossen, das Rütli zu kaufen, und es 1860 der Eidgenossenschaft und damit dem Schweizer Volk geschenkt. Sie hat zusammen mit der Schweizer Jugend das nötige Geld dafür gesammelt. Diese patriotischen Taten gilt es zu würdigen. Im Übrigen raten die Sicherheitskräfte heute noch davon ab, Neues oder Experimente zu machen. Daran halten wir uns. Es gilt, in Fragen der Sicherheit das Courant normal zu perfektionieren.

Was wäre die perfekte Lösung?

Huber-Hotz: Dazu gehörte beispielsweise, dass alle unsere Gäste wie früher wieder von einer Schiffsstation ihrer Wahl aufs Rütli gelangen können oder dass das Ticketsystem nicht mehr nötig ist. Vorläufig ist das ein Wunsch, aber es ist ein langfristiges Ziel. Wir machen Jahr für Jahr Lagebeurteilungen. Im Herbst werden wir zum Beispiel über das Konzept für das nächste Jahr beraten und darüber entscheiden, wie die Feier gestaltet und der Zutritt organisiert werden soll.

Und das heisst, dass vorläufig keine Politiker mehr als Festredner auftreten?

Huber-Hotz: Die Frage unterstellt etwas Falsches. Das Problem auf dem Rütli waren nicht die Politiker, die zu unseren Wunschrednern gehörten, sondern die Rechtsextremen. Aber in diesem und im kommenden Jahr, wenn die SGG 200 Jahre alt wird, stehen historische Momente für das Rütli und unsere Gesellschaft im Vordergrund. Deshalb sind wir glücklich und stolz, mit Peter von Matt eine allseitig anerkannte Persönlichkeit als Redner gewonnen zu haben. Peter von Matt ist der profilierteste Schweizer Professor, der sich mit der Geschichte und der Vergangenheit unseres Landes intensiv beschäftigt hat. Mit der Westschweizer Journalistin und Historikerin Joëlle Kuntz haben wir eine junge Referentin gewinnen können. Sie liest und kommentiert  aus welscher Sicht  den Bundesbrief. Sie hat kürzlich eine erfrischende, andere Schweizer Geschichte in Buchform vorgelegt.

Sie sagen, auf dem Rütli habe man die Sicherheit nun im Griff. Sie profitieren auch davon, dass sich die rechte und in ihrem Schlepptau die linke Szene nach Sempach verschoben haben.

Huber-Hotz: Es wäre mir nicht recht, wenn wir auf Kosten von Sempach von einer Situation profitierten, deren Hintergrund ein allgemeines gesellschaftliches Problem ist. Aber es ist wohl schon so: Die Rechtsextremen suchen, wie alle anderen auch, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Die Frage ist einfach, mit welchen Mitteln.

Haben Sie einen Tipp für die Sempacher?

Huber-Hotz: Es gibt nichts anderes, als die Lage immer wieder zu beurteilen und das Gespräch mit allen Beteiligten zu suchen.

Ist die Rütlidelegation jetzt im Dialog mit den Rechten?

Huber-Hotz: Nein, für uns ist das auch kein Thema. Wir haben das Ticketsystem und klare Regeln. Wer aufs Rütli kommen will, kann bei uns ein Ticket bestellen. Für eine grössere Veranstaltung muss der Veranstalter bei uns ein Gesuch stellen.

Sie haben keine Angst, dass dieses Jahr etwas passiert?

Huber-Hotz: Ich hoffe es nicht.

Huber-Hotz wirbt für grösseren Bundesrat

Wir stehen vor einer Bundesratswahl. Das Vertrauen in die Regierung ist im Tief. Braucht es Reformen?

Annemarie Huber-Hotz: Reformen sind immer wieder ein Thema. Seit es die moderne Schweiz gibt, kommt es alle rund 20 Jahre zu solchen Diskussionen. Es liegen also viele Reformvorschläge auf dem Tisch, und viele dieser Vorschläge haben etwas ausgelöst, in der Regel aber nur Minireformen. So wurde jeweils aus einer Regierungs- eine Verwaltungsreform, indem etwa einzelne Ämter zwischen den Departementen neu aufgeteilt wurden.

Jetzt ist aber mehr nötig?

Huber-Hotz: Als vor rund acht Jahren wieder eine Regierungsreform anstand, habe ich einen Vorschlag ausgearbeitet, der von Bundesrat Pascal Couchepin kürzlich in einem Interview erwähnt wurde, als die Rede auf die neu in Gang gekommene Staatsleitungsreform kam. Meines Erachtens sollte die Zahl der Bundesräte auf neun erhöht und das Bundespräsidium künftig für vier Jahre gewählt werden. Der Bundesrat soll aus acht Fachministern und -ministerinnen und einem Bundespräsidenten oder einer Bundespräsidentin bestehen.

Da könnte man einwenden, dass Sie als FDP-Mitglied alles tun, damit Ihre Partei zwei Sitze behält.

Huber-Hotz: Die Erhöhung der Mitgliederzahl des Bundesrates hätte in der Tat den positiven Nebeneffekt, dass die Sitze besser auf die Parteien verteilt werden könnten. Man darf nicht vergessen, dass sich die Parteienstärken in den letzten 50 Jahren stark verändert haben und dass auch in der Schweiz ­ wie im Ausland  viele neue Parteien dazukamen. Das ist das Resultat der Globalisierung. Nicht nur die Zahl und die Komplexität der Probleme sind viel grösser als früher, sondern auch die Interessenvertretung ist vielfältiger. Mit neun Bundesräten hätten wir mehr Möglichkeiten.

Wo sehen Sie den Hauptvorteil einer Erhöhung?

Huber-Hotz: Departemente wie das Innere oder das Umwelt-, Verkehrs- und Energie- und Kommunikationsdepartement sind viel zu gross. Im Ausland sind dafür jeweils vier bis fünf Fachministerien zuständig. Das zeigt, dass das ein Bundesrat allein gar nicht mehr sinnvoll bewältigen kann, wenn man noch die Beanspruchung durch das Parlament dazunimmt. Mit einer Aufstockung auf neun Bundesräte könnte die Arbeit sinnvoller aufgeteilt werden.

Mit neun Bundesräten wäre die Kommunikation noch viel schwieriger.

Huber-Hotz: Das ist der entscheidende Punkt. Die Kommunikation muss meines Erachtens besser geplant und umgesetzt werden, sie muss kollegialer daherkommen. Genau das soll die Aufgabe des Bundespräsidenten sein. Er müsste für eine einheitliche Kommunikation sorgen und sollte auch mit einem Weisungsrecht im Kollegium in Sachen Kommunikation und Planung ausgestattet werden. Die Planung und die Entwicklung von Strategien gehörten zu seinem Dossiers. Für die rechtzeitige Vorbereitung auf mögliche Krisen sowie die Führung durch Konflikte und Krisen müsste der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin die nötigen Schritte in die Wege leiten und zusammen mit dem zuständigen Fachministern und -ministerinnen angehen.
adm

* Annemarie Huber-Hotz (61) ist Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, die das Rütli verwaltet. Von 2000 bis 2007 war die gebürtige Baarerin Bundeskanzlerin.