MEDIENSPIEGEL 17.7.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Top-Kulturtipp: "Fraktionszwang"
- Guerilla-Pranger gegen Promis
- Big Brother Internetverkehr: Überwachung hintenrum
- Big Brother Video: Legalisierungen
- Randstand Burgdorf: Runder Tisch
- Farbe gegen Migrationsämter LU + ZH
- Homophobie: Klagen gegen JSVP VS
- Sempach: Debatte über Feier-Zukunft
- Drogenszene: Platzspitz ZH temporär ohne Dealer
- Bier: Portrait Brauerei Locher
- Rauchverbot BE: vom Bauernkrieg in die Raucherbeiz
- Anti-Atom: Öko-Bilanz AKW Beznau; Endlager Bözberg
- Gipfel-Soli-News 16.7.09

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REITSCHULE
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Sa 18.07.09

14.00 Uhr - Alter Hirschenpark - Kubb-Grümpel-Turnier (Anmeldung kubbcup@gmx.ch

So 19.07.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ@Vorplatz

Infos: www.reitschule.ch


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KULTUR-TIPP
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Berner Rundschau 16.7.09

Coole Songs statt sture Polit-Kakofonie

Zehn Berner Stadträte von rechts bis links haben nächste Woche Premiere mit ihrer Band Fraktionszwang

Auch das gibts: Zehn Berner Stadträtinnen und -räte jedwelcher politischer Couleur machen Musik - gemeinsam. Am 23. Juli tritt die Band erstmals auf: "Fraktionszwang" eröffnet auf der Grossen Schanze "Orange Cinema".

Bruno Utz

Die Grimsch'en Bremer Stadtmusikanten mit Hahn, Katze, Hund und Esel sind out. In sind hingegen die Berner Stadtmusikanten: Das sind mittlerweile zehn Stadträtinnen und -räte, die seit März gemeinsam für ihre ersten Auftritte proben (vergleiche Kasten). "Fraktionszwang" nennt sich die vom neugewählten Stadtrat Martin Schneider lancierte Politiker-Band.

Die Idee dazu sei ihm im Anschluss an eine Ratssitzung gekommen, sagt Schneider. "Ich fragte Jimy Hofer, ob er mitmachen würde. "Mou, klar", habe dieser spontan geantwortet. Rasch sei ein Grüppchen von fünf, sechs Stadträten beisammen gewesen. "Und jetzt sind wir bereits zehn."

Heilpädagoge mit Klassen-Band

Die Musik liege ihm halt im Blut, sagt Schneider, der 15 Jahre lang als Konzert-Veranstalter tätig gewesen war und einen eigenen Klub führte. Jetzt arbeite er seit zehn Jahren als Heilpädagoge. "Und auch dort ist meine Klasse eine Band."

Parallelen zwischen Sonderschule und Stadtrat seien durchaus vorhanden. "Was in der Sonderschule funktioniert, klappt auch bei der Politikerband. Wer gemeinsam musiziert, der muss auf die anderen hören", erklärt der Band-Gründer. Dass sich Politikerinnen und Politiker aus den unterschiedlichsten Polit-Ecken an diesen Grundsatz halten, sei für ihn "sehr erstaunlich". Das heisse jedoch nicht, dass die Bandmitglieder bei politischen Diskussionen einhellig einer Meinung sind. "Aber der Ton, wie wir miteinander reden, ist anders", so Schneider.

Das bestätigt der wie Schneider seit Januar 2009 neu dem Stadtrat angehörende Jimy Hofer gerne: "Es ist doch schön und einmalig, dass wir uns via Musik über alle ideologischen Differenzen hinweg tipptopp verstehen." An den Proben fielen zwar regelmässig Sprüche, stets sei es aber lustig. Es sei sein Wunsch, dass die Band zu mehr Harmonie im Stadtrat führe.

So schön zweideutig

An einem "Biernachmittag" habe man sich überlegt, wie die Band denn heissen könnte. "Es gab verschiedene Vorschläge, <Fraktionszwang> passt aber klar am besten. Der Name ist so schön zweideutig", sagt Schneider und lacht. Dass noch viele weitere Stadträte "Fraktionszwang" beitreten könnten, sei kaum möglich. "Das würde schwierig. Aber aus dem gesamten 80-köpfigen Stadtrat einen Chor zu bilden, das wäre noch eine Herausforderung", schlägt er als Variante vor.

So unterschiedlich wie die politische Herkunft, so unterschiedlich sind die musikalischen Präferenzen der Bandmitglieder. Statt Eigenkompositionen stehen Coverversionen auf dem Programm. Mit Songs wie "Ring of Fire" (Johny Cash) "Country Roads" (John Denver), "Me and Bobby McGee" (Kris Kristofferson/Janis Joplin) oder "Rote Wy" (Polo Hofer) wollen die Politiker mit "Franktionszwang" ihr Publikum begeistern. Premiere haben sie am 23. Juli an der Eröffnung von "Orange Cinema" auf der Grossen Schanze (ab 19.30 Uhr). Und am Samstagnachmittag, 5. September, spielen sie auf der "Mattefest"-Bühne auf.

Nause: "Ich kann nichts"

Diese beiden Engagements hat Schneider organisiert. Was jetzt kommt, ist Sache des Band-Managers, Gemeinderat Reto Nause: "Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage nach diesen beiden Auftritten sprunghaft ansteigen wird." Seinerzeit für ein musikalisches Mitmachen angesprochen, habe er geantwortet: "Ich kann nichts. Ich war einmal Sänger einer Punkrock-Band, bin jedoch nicht über den Übungsraum hinaus gekommen." So sei er eben Band-Manager geworden, sagt Nause. Dass dieser Nebenjob bald schon mehr Arbeit geben könnte als die städtische Sicherheitsdirektion, fürchtet er nicht: "Momentan jedenfalls. Aber wer weiss, auch die Beatles begannen einmal klein."

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10 räte und 1 Nause

Der Band Fraktionszwang gehören derzeit folgende zehn Berner Stadträtinnen und- räte an: Gitarre: Martin Schneider (parteilos, BDP/CVP-Fraktion), Jimy Hofer (parteilos, SVP plus) und Patrizia Mordini (SP); Keyboard: Bernhard

Eicher (FDP); Klarinette: Thomas Göttin (SP), Schlagzeug: Mario Imhof (FDP); Bass: Peter Bühler (SVP), Gesang: Susanne Elsener (GFL), Aline Trede (GB) und Simon Glauser (SVP). Als General Manager betätigt sich Gemeinderat Reto Nause (CVP). (uz)

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BZ 16.7.09

Orange-Cinema

Politikerband als Appetizer für Film

Das Orange-Cinema auf der Grossen Schanze wird nun auch zur Musikbühne: Vor Filmbeginn gibt es Kurzkonzerte mehr oder weniger grosser Musikgrössen. Den Auftakt macht eine Band aus Berner Stadtpolitikern.

Die Gruppe "Fraktionszwang" besteht aus einem Gemeinderat und zehn Stadträten und Stadträtinnen. Diese laut Veranstaltern "weltweit einzigartige" Berner Politband ist am 23.Juli zum ersten Mal überhaupt auf der Grossen Schanze zu hören. Als Auftakt einer neuen Serie am Orange-Cinema in Bern: Mit akustischen Auftritten "bekannter Namen" sollen die Besucher "musikalisch auf unvergessliche Kinonächte eingestimmt" werden, heisst es in einer Medienmitteilung.

Die "Unplugged Showcases" finden immer von Donnerstag bis Samstag um 19.30 Uhr statt und sind im Eintrittspreis inbegriffen. Die 45-minütigen Sets werden von den Auftretenden jeweils speziell für diesen Abend zusammengestellt.

Links und rechts in Einklang

Wenn zum Auftakt "Fraktionszwang" aufspielen, werden damit politische Gräben regelrecht überspielt: Vertreten sind nämlich praktisch sämtliche Parteien der Berner Politlandschaft vom SVP-Rechtsausleger Peter Bühler am Bass über den Parteilosen Jimy Hofer an der Gitarre und den SPler Thomas Göttin an der Klarinette bis hin zur linksgrünen Aline Trede am Mikrofon.

Reto Nause als Manager

Der Gemeinderat wird laut "Bund" in der Politikerkapelle durch CVP-Mann Reto Nause vertreten. Er hat, seiner Position entsprechend, eine Schlüsselfunktion inne: das Management. Gespielt wird übrigens, was gefällt, also Coverversionen von bekannten Rock- und Popnummern.

Im Schatten des spektakulären "Fraktionszwang"-Debüts treten an den weiteren Abenden etwa Boris Pilleris Jammin', Pegasus, Kent Stettler, Myria Poffet, Aextra und Marvin auf.
pd/azu

www.orangecinema.ch

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PRANGER
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BZ 16.7.09

Plakat-Aktion

Dringend gesucht: Polizeidirektor

Guerillaplakate gegen Prangeraktionen: Unbekannte schreiben via Flyer Politiker zur "Fahndung" aus.

"Wer kennt diese Person?" - seit ein paar Tagen kleben Dutzende von Flyern mit dieser Frage an Kandelabern, Containern, Plakatwänden. Dazu abgebildet sind Prominente wie der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause, der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg Käser oder der Fussballer Hakan Yakin.

Nummer der Polizei

"Dringend gesucht" seien diese Personen, ist weiter zu lesen. Und zwar wegen "ungebührlichen Verhaltens" (Nause), "Überqueren des Fussgängerstreifens bei roter Ampel" (Käser) oder weil sie "überzufällig häufig an Fussballspielen mit hohem Gewaltpotenzial gesichtet" wurden (Yakin). Die angefügte Telefonnummer führt zur Kantonspolizei.

Nause findets nicht lustig

Dass dies ein für die Betroffenen schlechter Scherz ist, liegt auf der Hand. "Wann landen Sie am Pranger?" nimmt der Flyer denn auch Bezug auf die politische Debatte um Videoüberwachung, welche Nause und Käser beide befürworten. Nach den Ausschreitungen am Cupfinal hatte die Kantonspolizei Videobilder aus dem Hauptbahnhof zwecks Identifizierung von Randalierern ins Internet gestellt.

 Reto Nause findet die Aktion nicht lustig, sondern "feige", da sich die Initianten nicht zu erkennen gäben, sagte er gestern gegenüber bernerzeitung.ch. Nause bietet den Unbekannten nun an, ihn doch anzurufen, um mit ihm direkt über ihr Anliegen zu sprechen. Der Zeitpunkt für ein Gespräch sei ideal, da im Juli nicht viel los sei im Gemeinderat.

Keine Anzeige eingegangen

Von der Polizei gab es gestern keine Auskunft auf die Frage, wer hinter der Aktion stecke: "Dazu nehmen wir nicht Stellung", sagte Sprecher Stefan von Below. Man gehe auch nicht aktiv dagegen vor: "Der Kampf gegen Wildplakatierer ist Sache der Gewerbepolizei." Ausserdem sei die Verletzung des Persönlichkeitsschutzes ein Antragsdelikt. "Bislang ist bei uns keine Anzeige eingegangen", sagte Polizeisprecher von Below.

Adrian Zurbriggen

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BIG BROTHER ÜPF
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Bund 17.7.09

Internet-Telefonie überwachen

Strafverfolgung Der Bund will in Zukunft den Internet-Datenverkehr von verdächtigten Personen in Echtzeit einfacher überwachen können. Im Fokus steht die Überwachung von Gesprächen über Telefondienste im Internet. Internet-Provider müssen deshalb ab August in der Lage sein, den Datenverkehr ihrer Kunden zur Verfügung zu stellen. Dies sieht der Entwurf einer technischen Richtlinie vor, die der Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr des Justizdepartementes bis Mitte 2010 umsetzen will. Die "Wochenzeitung" machte die vertrauliche Anhörung zur Richtlinie bei den Providern publik. "Es handelt sich um eine Anpassung an die neuen Realitäten", sagte Guido Balmer, Sprecher des Justiz- und Polizeidepartmentes (EJPD), auf Anfrage. Immer häufiger würden Telefongespräche über das Internet geführt. Der Bund müsse die technische Möglichkeit haben, diese Gespräche abzuhören, um das Gesetz erfüllen zu können. Beim Verdacht auf bestimmte Strafdelikte können Strafverfolgungsbehörden Telefon und E-Mail einer Person überwachen. Die Dienststelle im EJPD führt diese Überwachung durch. Die Genehmigung erteilt aber ein Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Daran ändere sich nichts, betonte Balmer. (sda)

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20min.ch 16.7.09


Big Brother

Staatliche Überwachung schwer durchführbar

Die Pläne des Bundes, den Internetverkehr von verdächtigen Personen zu überwachen, dürften schwierig zu realisieren sein. Für versierte Web-User ist es ein Kinderspiel, sich unsichtbar im Cyberspace zu bewegen.

Der Bund plant die vollumfängliche Überwachung des Internetverkehrs von verdächtigen Personen und verpflichtet die Provider ab kommendem August, den Überwachungsbehörden "Daten in Echtzeit und rückwirkend" zur Verfügung zu stellen, schreibt die "Wochenzeitung" in der heutigen Ausgabe und bezieht sich auf ein vertrauliches Dokument des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, welches ihr vorliegt. E-Mails, Attachments, Foreneinträge oder Suchanfragen können dann unbemerkt mitgelesen werden. Über die besuchten Websites wird der Staat so stets im Bilde sein und bei eingeschalteter Webcam muss damit gerechnet werden, dass Beamte einen Blick in die eigenen vier Wände werfen.

Auch die Überwachung von Gesprächen über Telefondienste im Internet wird angestrebt: "Es handelt sich um eine Anpassung an die neuen Realitäten", sagte Guido Balmer, Sprecher des Justiz- und Polizeidepartmentes (EJPD), auf Anfrage der SDA. Immer häufiger würden Telefongespräche über das Internet geführt. Der Bund müsse die technische Möglichkeit haben, diese Gespräche abzuhören, um das Gesetz erfüllen zu können. Bis anhin mussten die Provider den E-Mail-Verkehr in Echtzeit sowie Angaben zu aufgerufenen Seiten rückwirkend liefern können, nicht aber den ganzen Datenverkehr. Das würde sich mit der neuen Richtlinie ändern: Jeder Provider muss die technischen Möglichkeiten für die Übermittlung an den Bund gewährleisten, so die SDA.

Überwachung lässt sich leicht verhindern

Kriminellen und versierten Internet-Usern dürften die Überwachungspläne des Bundes allerdings nur ein müdes Lächeln ins Gesicht zaubern. Um bei Ausflügen in den Cyberspace unbeobachtet zu bleiben, bieten zahlreiche Unternehmen gegen eine kleine Gebühr ihre Verschlüsselungsdienste an. Damit sind die User vor Spionage-Attacken geschützt. Die Provider bzw. die Überwachungsbehörde, sehen lediglich, dass die überwachte Person verschlüsselten Traffic verursacht, der Inhalt ist unsichtbar. Und Mail-Dienste wie Gmail bieten in den Einstellungen die Möglichkeit an, die elektronische Korrespondenz mit HTTPS abhörsicher zu übertragen.

Die IFPI begrüsst die Pläne des Bundes

"Man muss sich bei der Debatte immer darüber bewusst sein, dass solche Überwachungen nur stattfinden sollen, wenn ein Strafverfahren eingeleitet worden ist, es also einen hinreichenden Tatverdacht gibt. Sicherlich wird man sich dabei auf schwere Fälle wie Verbreitung von Kinderpornographie und Rassismus konzentrieren", sagt Peter Vosseler von der IFPI Schweiz, dem Interessenverband der Musikindustrie. "Grundsätzlich begrüsst die IFPI Schweiz aber die Pläne der Regierung. Denn auch das Verbreiten von Musik ist illegal. Wir könnten schon heute 2000 bis 3000 Verfahren pro Monat einleiten, beschränken uns aber auf etwa 20. Denn die zuständigen Behörden haben nicht genug Personal, um die Fälle abzuarbeiten. Wir würden es darüber hinaus begrüssen, wenn im Gesetz endlich klar stünde, dass auch der Download von urheberrechtlich geschütztem Material illegal ist", so Vosseler.
(mbu/hst/sda)

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20min.ch 16.7.09

Big Brother

Surfen unter Staatsaufsicht

Vertraulichen Dokumenten zufolge plant der Bund die vollumfängliche Überwachung des Internetverkehrs von verdächtigen Personen. Die Pläne des Bundes hätten geheim bleiben sollen.

Die Wochenzeitung "WOZ" deckt in ihrer Ausgabe vom Donnerstag auf, dass ab dem 1. August alle Internetprovider technisch aufrüsten müssen, um künftig in der Lage zu sein, die Internetgewohnheiten ihrer Kunden unmittelbar an die Behörden zu übermitteln.

Echtzeitüberwachung

In den der WOZ vorliegenden Dokumenten ist von der "Echtzeit-Überwachung der kompletten Kommunikation des Breitband-Internetanschlusses" die Rede. Wenn gegen eine verdächtige Person ein entsprechendes Strafverfahren eröffnet worden ist, soll deren gesamtes Internet-Nutzungsverhalten abgefangen werden können: Chatprotokolle, Forenbeiträge, Webcam-Einsätze, Skype-Gespräche und ähnliches sollen in Zukunft dem wachsamen Auge der Bundesbehörden nicht mehr entgehen können.

Grundlage für die Überwachung des elektronischen Verkehrs soll das "Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs" (Büpf) darstellen. Eine explizite Überwachung der Internetnutzung ist aber im Büpf nirgends erwähnt.

Express-Vernehmlassung

Um die neue Überwachungsmethode zu implementieren, wurde in aller Eile vom EJPD eine "IP-Richtline" in die Vernehmlassung gegeben. Entgegen dem üblichen Vorgehen hatten die Provider nur drei Wochen und nicht drei Monate Zeit, um auf die "vertrauliche Vernehmlassung" zu reagieren. Schon am 1. August sollen die neuen Regelungen in Kraft treten. Im Gegensatz zu heute - wo z.B. zur Bekämpfung von Kinderpornographie überwacht werden kann - sollen gemäss der neuen IP-Richtlinie auch geringere Delikte wie Betrug, Drohung gegen Beamte oder Landfriedensbruch eine Überwachung rechtfertigen. Auch gegen mutmassliche Sozialhilfebetrüger oder vermutete Teilnehmer einer unbewilligten Demo könnten dann die Untersuchungsbehörden aktiv werden.
(pat)

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WoZ 16.7.09

Online-Überwachung

Wie im Iran

Sie chatten im Internet? Sie beteiligen sich an Diskussionen in Online-Foren? Schon bald können die Behörden Ihnen dabei zusehen - live und ohne dass Sie etwas davon merken. In einem vertraulichen Schreiben, das der WOZ vorliegt, hat der Dienst "Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr" (Üpf) die Internetzugangsanbieter im ganzen Land dar über informiert, dass sie Technologie zur inhaltlichen Überwachung ihrer Kund Innen beschaffen müssen. Der künftige Ablauf: In einem Strafverfahren wegen bestimmter Delikte (beispielsweise Betrug, Gewalt und Drohung gegen Beamte oder Urkundenfälschung) beantragt die Untersuchungsbehörde beim Gericht die Überwachung. Wird dem Antrag stattgegeben, weist der Üpf dann den Provider an, alle Daten, die den Computer der verdächtigen Person verlassen oder erreichen, in Echtzeit an den Üpf weiterzuleiten.

Von der WOZ angefragte Provider sind sauer. Die benötigte Technologie sei viel zu teuer und man werde damit "echten Internetgangstern" keine Probleme bereiten, da diese Verschlüsselungsprogramme verwenden. Der Betreiber eines kleinen Providers: "Wir müssen jetzt Überwachungstechnologie einkaufen, die Anbieter wie Nokia Siemens in Ländern wie dem Iran im grossen Stil getestet haben." dg

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Überwachung-Bald schauen die Behörden zu, wenn verdächtige Personen im Internet surfen. Die Massnahme hätte eigentlich geheim bleiben sollen.

Mit dem Staat ins Internet

Von Heiner Busch und Dinu Gautier

Vertrauliche Dokumente, die der WOZ vorliegen, zeigen: Der Bund plant die vollständige Überwachung des Internetverkehrs von verdächtigen Personen. Ab dem 1. August müssen die Internetprovider, also die Anbieter von Internetzugängen, technisch aufrüsten. Künftig sollen sie in der Lage sein, die Internetnutzung ihrer KundInnen unmittelbar an die Behörden zu übertragen.

Von der "Echtzeit-Überwachung der kompletten Kommunikation des Breitband-Internetanschlusses" ist in den Dokumenten die Rede. Konkret kann künftig das gesamte Surfverhalten einer Nutzerin oder eines Nutzers abgefangen werden, sofern gegen die Person ein entsprechendes Strafverfahren eröffnet worden ist. Der Staat liest Diskussionen in Chats oder Einträge in Foren mit, hört bei Gesprächen über Dienste wie Skype mit oder guckt zu, sobald die Person eine Webcam aktiviert.

Der Dienst "Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr" (Üpf) von Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf hält das Bundesgesetz "Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs" (Büpf) für eine ausreichende Rechtsgrundlage für die neue Massnahme. Darin heisst es: Die Provider "liefern (...) den Fernmeldeverkehr der überwachten Person soweit möglich in Echtzeit". Nur: Ist mit Fernmeldeverkehr tatsächlich auch Surfen oder Chatten im Internet gemeint? Fest steht: Eine Überwachung der Internetnutzung ist im Büpf nirgends explizit erwähnt.

In aller Eile

Für die neue Überwachungsmethode wurden jedenfalls weder das Gesetz noch die entsprechende Verordnung überarbeitet, sondern lediglich eine "IP-Richtlinie" und dazugehörige organisatorische und technische Regelungen erlassen. Deren erste Version stammt vom April 2009. Die zweite Fassung vom Mai ging den beim Bundesamt für Kommunikation registrierten Providern Anfang Juni zu einer "vertraulichen Vernehmlassung" zu. Die Frage der WOZ, wieso die Vernehmlassung vertraulich gewesen sei, hat Philippe Piatti, Pressesprecher des Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), nicht beantwortet.

Der Üpf scheint es jedenfalls sehr eilig zu haben: Die Provider hatten nicht - wie sonst bei Vernehmlassungen üblich - drei Monate, sondern nur drei Wochen Zeit, sich zu äussern. Bis zum 30. Juni sollten die Stellungnahmen beim Überwachungsdienst eingereicht sein. Bereits am 1. August treten die neuen Regelungen in Kraft. Bis Ende Juni 2010 sollen dann alle Provider die technische Aufrüstung vollzogen haben und vom Üpf getestet und zertifiziert werden. Wie das angesichts von Hunderten meldepflichtiger Provider in der Schweiz gehen soll, bleibt unklar.

Trotz der Vertraulichkeit der Materie äussern sich Provider-Profis zu den Plänen des Bundes. Fredy Künzler vom mittelgrossen Zürcher Provider Init7 hält das Ganze für einen "Papiertiger, der einen unglaublichen Aufwand verursacht". Er rechnet mit ein bis drei "Mannjahren" Arbeit und mit Kosten von Hunderttausenden Franken. "Für grosse Provider mag das verschmerzbar sein. Kleine Anbieter können sich den Aufwand aber unmöglich leisten".

In der Tat muss der Provider gemäss Büpf die Technologie selber bereitstellen. Wenn er dann tatsächlich einmal die Daten einer Kundin oder eines Kunden abzapfen muss, zahlt ihm der Staat eine Entschädigungspauschale. Wie hoch diese ausfallen wird, ist noch unklar, sie dürfte sich laut Insidern in der Grössenordnung von tausend Franken bewegen. "Du musst also fast hoffen, dass möglichst viele deiner Kunden kriminell werden, wenn du die Inves titionen amortisieren willst", so ein kleiner Anbieter, der anonym bleiben will.

Ein schlechtes Zeichen

Zu dieser Frage äussert sich Philippe Piatti vom EJPD: "Kleine Provider werden sich die notwendigen technischen Voraussetzungen leisten müssen. Erbringer von Fernmeldedienstleistungen wissen um die gesetzlichen Vorgaben."

Pascal Gloor, der am Wochenende zum Vizepräsidenten der neugegründeten Piratenpartei gewählt wurde, arbeitet ebenfalls bei einem Provider. Er äussert hier ausdrücklich seine private Meinung, da das Parteiprogramm der Piraten noch nicht verabschiedet sei: "Wenn der Staat versteckte Massnahmen ergreift, dann wird es heikel, weil auch die Kontrolle darüber schwierig wird." Dass die Vernehmlassung vertraulich ablief, ist für Gloor deshalb ein schlechtes Zeichen. Aus technischer Sicht sei die Geheimhaltung nämlich völlig unnötig. Überhaupt gelte es aufzupassen, dass sich keine Automatismen einschleichen und dass das Werkzeug künftig nicht auch für andere Zwecke als die Strafverfolgung genutzt wird.

Fredy Künzler von Init7 hält die ganze Übung überhaupt für untauglich. "Jeder kleine Internetgangster kann seine Kommunikation vernünftig verschlüsseln. Die Behörden sind dann trotz Internetüberwachung so schlau wie zuvor."

Das staatliche Interesse an der Überwachung der Telekommunikation ist so alt wie diese Kommunikation selbst. Möglich sind heute zum einen "aktive" Überwachungen, bei denen der Inhalt des jeweiligen Telefongesprächs oder einer E-Mail in "Echtzeit" abgehört oder mitgelesen wird. Zum andern müssen die Anbieterfirmen die "Verkehrsdaten" all ihrer KundInnen für ein halbes Jahr auf Vorrat speichern, um sie auf Anordnung dem Dienst zu übermitteln. Die Untersuchungsbehörden erfahren dabei, wann und mit wem die überwachte Person kommunizierte, bei Handys auch den Standort. Das Parlament unterstützte bereits 2006 eine Motion von FDP-Ständerat Rolf Schweiger, der forderte, die Aufbewahrungsfrist für diese "Randdaten" sei auf ein Jahr zu verlängern. Schweiger begründete das mit der Bekämpfung von Kinderpornografie.

Sexualstraftaten und Terrorismus sind zwar derzeit die grössten Hits, wenn es um neue staatliche Horch- und Guck-Befugnisse geht. Der im Büpf enthaltene Deliktkatalog ermöglicht Überwachungen aber auch bei weit weniger schweren Straftaten: darunter zum Beispiel Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Beamte oder Betrug. Auch die nun in der IP-Richtlinie vorgesehene Überwachung des Internetverkehrs können Untersuchungsbehörden einsetzen - gegen mutmassliche TeilnehmerInnen einer unfriedlichen Demonstration beispielsweise oder gegen SozialhilfebezügerInnen, die des Missbrauchs verdächtigt werden.

Korrigendum: Landfriedensbruch (Art. 260 StGB) alleine reicht nicht für eine Überwachung nach Büpf. Bitte entschuldigen Sie den Fehler.

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Überwachungsstatistik

Insgesamt 6681 Überwachungsmass nahmen zählte der Überwachungsdienst des EJPD im Jahr 2008 - 4690 rückwirkende, bei denen die Provider die "Verkehrsdaten" der letzten sechs Monate übermitteln müssen, und 1991 aktive, bei denen der Inhalt von  Telefongesprächen oder E-Mails live mitgeschnitten wird. Wie lange eine solche Echt zeit­überwachung dauert, geht aus der Statistik nicht hervor. Eine Anordnung ist möglich für drei Monate, kann aber danach ­nochmals um drei Monate verlängert werden. Laut EJPD ist dies in rund zwanzig Prozent der Fall. Der Anteil der E-Mail-Überwachungen bewege sich "im niedrigen Prozentbereich".

Im laufenden Jahr rechnet der Dienst für etwa dieselbe Zahl von Massnahmen mit Kosten von 19,6 Millionen Franken. 9,1 Millionen sind für die Entschädigung der Provider budgetiert.

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Das Papier auf http://www.woz.ch

Die WOZ stellt die "vertrauliche Vernehmlassung" sowie die technischen und organisatorischen Anhänge als PDF-Dokumente auf www.woz.ch zum Download bereit. Grundrechtseingriffe sollen öffentlich diskutiert werden können.

In den Dokumenten finden sich Details über die Abläufe und Möglichkeiten der Kommunikations überwachung. So ist zu erfahren, dass die Überwachung der Internetnutzung via UMTS oder GSM bis auf weiteres nicht Teil der Massnahmen ist. Der Mobilfunkbetreiber wird vorerst also keine Daten über das Onlineverhalten von KundInnen, die mit einem iPhone im Internet surfen, an die Behörden weitergeben.

Die Dokumentation gibt auch Einblick in die vorgesehenen Prozeduren bei der Handyüberwachung. Finden Fahnder im Abfall einer verdächtigen Person einen gebrauchten Prepaidhandy-Guthaben-Zettel, muss der Mobilfunkanbieter die Rufnummer der verdächtigen Person ermitteln können.


Text:
 "Vernehmlassungseinladung IP-Richtlinie Üpf (deutsch)"
http://www.woz.ch/files/vernehmlassung_ip.pdf

Anhänge:
 "Technical Guideline (englisch)"
http://www.woz.ch/files/technical_guidelines_li.pdf
 "Organisational and administrative requirements (englisch)"
http://www.woz.ch/files/oar_li.pdf

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BIG BROTHER VIDEO
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Bund 17.7.09

"Big Brother" gibt es längst

Videoüberwachung Im letzten Herbst hat der Grosse Rat die gesetzliche Grundlage für die Video-überwachung im öffentlichen Raum geschaffen, seit dem 1. Juli ist die dazugehörige Videoverordnung in Kraft. Allerdings ohne die umstrittenen Punkte zur Echtzeitüberwachung und den Datenschutzbestimmungen. Der kantonale Datenschützer Markus Siegenthaler ist überzeugt, dass die Grossräte den Gesetzestext nicht verstanden haben. Denn laut ihm wird Echtzeitüberwachung seit langem legal praktiziert, und dies sei kein schwererer Eingriff als der Blick durch das Fernrohr. Siegenthaler erklärt im Interview, warum die Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule in Bern die Kameras im Vorraum der Toilette wieder demontieren musste. (ba)

Seite 25

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"Echtzeitüberwachung ist erlaubt"

Kantonaler Datenschützer Markus Siegenthaler ist überzeugt, dass Echtzeitüberwachung im Gesetz mitgemeint ist

Der Grosse Rat habe das Gesetz nicht verstanden: Bildübermittlung heisse Echtzeitüberwachung und werde längst praktiziert, sagt der kantonale Datenschutzbeauftragte. Er warnt vor den Möglichkeiten der Drohnen.

Interview: Anita Bachmann

"Bund":

Herr Siegenthaler, werden wir hier in Ihrem Büro gefilmt?

Markus Siegenthaler: Meines Wissens nicht.

Videoüberwachung im privaten Raum kennen wir schon lange, im öffentlichen Raum ist sie im Kanton Bern neu. Wie lassen sich diese Bereiche genau abgrenzen?

Die Kramgasse vor meinem Büro ist öffentlich: Jeder hat jederzeit Zugang. Das Verwaltungsgebäude, in dem wir uns befinden, ist ein Bereich, wo die Diskussion beginnt. Das Gebäude ist öffentlich, jeder Bürger darf hinein, zumindest in den Eingangsbereich. In meinem Büro wird es kritischer. Wenn wir nach der seit dem 1. Juli gültigen Videoverordnung Aufnahmen machen würden, wäre dies in meinem Büro nicht bewilligungspflichtig, unten beim Eingang aber schon.

Das Gesetz ermöglicht das Installieren von neuen Videokameras im öffentlichen Raum und soll bestehende legalisieren.

Richtig.

Zum Beispiel illegale Kameras auf dem Bundesplatz?

Das ist ein heikles Beispiel. Der klassische Legalisierungsbereich liegt auf öffentlichen Plätzen, die nicht an Bundesbauten angrenzen, und in Eingangsbereichen wie etwa beim ehemaligen Polizeikommando am Nordring 30. Es ist ein öffentliches Gebäude, das wie andere Verwaltungsgebäude überwacht wird.

Wo liegt das Problem beim Bundesplatz? Das ist doch offensichtlich ein öffentlicher Platz.

 Von der neuen Regelung im Polizeigesetz ausnehmen müsste man die ausfahrbare Kamera auf dem Bundeshaus, die bei Massenveranstaltungen eingesetzt wird. Sie fällt unter die alte Regelung zur Videoüberwachung bei Massenveranstaltungen. Kameras, die zur Bewachung des Bundeshauses dienen, sind auf Bundesrecht gestützt.

Warum war nicht klar, ob in der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule (BFF) in Bern Videokameras installiert werden dürfen?

In diesem Fall war die Frage nicht, ob es sich um ein öffentliches Gebäude handelt oder nicht, es war ein übergangsrechtliches Problem. Ich meine, dass es eine Rechtsgrundlage braucht, um Videoüberwachung mit Aufzeichnung zu machen, wie es die BFF wollte. Diese fehlte bis am 1. Juli. Leute vom Kanton, die in diesem Zusammenhang angefragt wurden, waren der Auffassung, dass es Übergangsbestimmungen gibt, die bestehende Anlagen voraussetzen, also könne man auch vorher solche installieren. Dieser Schluss ist falsch.

Obwohl das Gesetz kurz davor war, in Kraft zu treten, haben Sie entschieden, die Kameras an der BFF müssen entfernt werden.

Das war nicht mein Entscheid, sondern derjenige der Schule in Rücksprache mit dem Erziehungsdirektor. Demontiert wurden zudem nur die Videokameras im Vorraum der Toilette, überall sonst liess man sie weiterlaufen. Die Auswertung darf bei Bedarf aber nicht mehr in der Schule vorgenommen werden, sondern ausschliesslich durch die Polizei.

Grossräte waren empört, weil Polizeidirektor Hans-Jürg Käser (fdp) die Echtzeitüberwachung in die Videoverordnung aufgenommen hat. Wie stehen Sie zu "Big Brother"?

Für mich war es überraschend, dass sich Grossräte missverstanden fühlten, denn vom Wortlaut her ist die Echtzeitüberwachung im Gesetz erlaubt. Ich habe dann die parlamentarische Debatte im Tagblatt des Grossen Rats nachgelesen und angefangen, die Bedenken zu verstehen. Aus dem Tagblatt geht hervor, dass die Grossräte glaubten, ein Gesetz zu beschliessen, das die Echtzeitüberwachung verbietet. Das ist erstaunlich, weil es die Echtzeitüberwachung seit Langem gibt. 1993 wurde diese Diskussion auf Bundesebene im Zusammenhang mit dem Zoll erstmals geführt. Das Bundesamt für Justiz hielt fest, dass an der Grenze mit einer Überwachung zu rechnen ist, wozu auch ein Feldstecher zu Hilfe genommen werden kann. Ersetzt man den Feldstecher durch eine Videokamera ohne Aufzeichnung, ist das kein schwererer Eingriff als mit dem Feldstecher. Diese Ansicht hat sich in den Köpfen der Datenschützer so festgesetzt. Und ich habe mehrmals so Auskunft gegeben: Solange nicht aufgezeichnet wird, die Bilder nicht reproduzierbar gemacht werden und damit besser sind als das menschliche Gedächtnis, ist das kein schwerer Eingriff. Wenn man die Echtzeitüberwachung nicht will, müsste man im Gesetz ein Verbot formulieren. Im Moment steht einfach das Gegenteil drin.

Wo genau steht im Polizeigesetz, dass die Echtzeitüberwachung mitgemeint ist?

Im Gesetz und im Vortrag des Regierungsrats steht immer Bildübermittlungs- und Bildaufzeichnungsgeräte. Unter Bildübermittlung verstehe ich nichts anderes als die Übertragung auf einen Bildschirm.

Echtzeitüberwachung war also schon immer möglich, und deshalb haben Sie auch im Fall der BFF gesagt, nur sie wäre erlaubt gewesen.

Wenn Grossräte sagen, Echtzeitüberwachung hätten sie nicht zulassen wollen, ist es nicht angebracht, zu sagen, dies sei erlaubt. Vorher hätte ich gesagt, dass man in Echtzeit überwachen dürfe.

Auf einem öffentlichen Platz können unbemerkt Leute mit Kameras herangezoomt werden. Das ist doch etwas anderes, als wenn einer mit dem Feldstecher beobachtet?

Das ist der Unterschied, den ich aus den Voten im Grossen Rat ablese und wo ich einen wichtigen Gedankenanstoss sehe. Weniger nachvollziehbar sind Bedenken bei der Überwachung im Rahmen des Hausrechts. Bei einem Parkhaus sehe ich keinen Unterschied, ob einer bei der Barriere stehen muss oder nebenan in einem Häuschen geschützt vor Abgasen auf einen Bildschirm schaut.

Warum war es nötig, dass Sie sich bei der Ausarbeitung der Videoverordnung einbrachten?

Es geht um zwei Punkte: die Videoüberwachung bei Massenveranstaltungen und die neu abgestützte Videoüberwachung im Rahmen des Hausrechts oder auf öffentlichen Plätzen. Mein Hauptanliegen ist, bei der Echtzeitüberwachung Gesichtsfilter einzubauen. Weiter geht es um die Automatisierung der Löschung, damit nicht aus menschlichem Unvermögen Aufzeichnungen zu lange aufbewahrt werden. Ich habe den Regelungsgegenstand des Polizeigesetzes nicht erweitert, sondern konkretisiert.

Die Konkretisierung bei der Videoüberwachung an Massenveranstaltungen wurde kritisiert. Dies sei Täterschutz statt Datenschutz.

Es ist die Aufgabe der Parlamentarier, ein Gesetz so zu betreuen, dass am Schluss alles so geregelt ist, wie sie sich das vorgestellt haben. Die alte Videoverordnung zu den Massenveranstaltungen ist 1990 in Kraft getreten. Die Datenschutzdiskussion war damals in einer frühen Phase und fand im Umfeld des Zaffaraya-Dorfes statt. Bei der Räumung wurde gefilmt. Da tauchte die Frage nach Rechtsgrundlagen auf, die das Filmen der Polizei bei Demonstrationen regeln sollten. Es handelt sich dabei um ein vorgezogenes Filmen, wenn noch kein Strafverfahren eröffnet ist. Formuliert wurde in der alten Videoverordnung ungefähr das, was später ins Polizeigesetz übernommen wurde: Bevor es zu strafbaren Handlungen komme, sei heimliche Überwachung fehl am Platz. Die heimliche Überwachung solle den Strafverfolgern vorbehalten sein.

Mit technischen Innovationen kann man immer bessere Bilder machen.

Das Wunderbeispiel ist die Gesichtserkennung. Jede Fotokamera hat heute diese Funktion. Zu den technischen Innovationen gehört auch die Möglichkeit des polizeieigenen Fernsehkanals mit der Liveübertragung von Fernsehbildern auf Handys der Polizeimitarbeitenden. Das braucht es zur Erfüllung der Polizeiaufgaben nicht. Es ist ein unverhältnismässiges Bekanntgeben von Daten.

Was bewirkt diese technische Innovation, ausser dass die Polizei den Täter schneller fasst?

Es würde eine Art polizeilicher Voyeurismus geschaffen. Es macht keinen Sinn, ein ganzes Korps live Aufnahmen mitverfolgen zu lassen. Bei Drohnen, die sehr breit Aufnahmen machen können, würde es dazu führen, dass Leute blossgestellt werden, wo es keinen Anlass gibt.

Der Einsatz von Drohnen bleibt also umstritten?

Bei der Euro08 ist man zum Schluss gekommen, dass das Gesetz den Drohneneinsatz nicht zulasse. Der Bundesrat war der Auffassung dass dies nur gehe, wenn man die Bilder so einstelle, dass nicht einzelne Personen erkennbar seien, sondern nur der Strom von Leuten. Das ist in der Verordnung nun so formuliert. Die Drohnen berühren einen Bereich, wo die Grundlagen des Polizeigesetzes nicht mehr reichen, weil sie zum Beispiel über die Möglichkeiten des Filmens von einem Gebäude hinausgehen. Die Drohnen haben etwas Heimliches - man sieht sie nicht.

"Wenn man die Echtzeitüberwachung nicht will, müsste man im Gesetz ein Verbot formulieren."

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Hintergangene Räte?

In der Septembersession 2008 verabschiedete der Grosse Rat das revidierte Polizeigesetz und schuf damit die Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Städte wie Bern und Biel befassten sich bereits Jahre zuvor mit diesen Massnahmen, mussten ihre Konzepte für die Videoüberwachung aber schubladisieren, weil ihnen die gesetzliche Grundlage fehlte. Im Grossen Rat war die Videoüberwachung wenig umstritten. Ende April legte der Regierungsrat die Videoverordnung zu den Artikeln im Polizeigesetz vor. Obwohl in der politischen Debatte nur die Rede von Bildaufzeichnung war, geht die Verordnung auch auf die Echtzeitüberwachung ein. Mehrere Grossräte fühlten sich deshalb hintergangen. Ebenfalls auf Widerstand stiessen Datenschutzbestimmungen, die in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" in die Verordnung eingebracht worden seien. Die Bestimmungen verlangen unter anderem, dass nur noch Polizisten in Uniform Ton- und Bildaufnahmen bei Massenveranstaltungen machen dürfen. Die Videoverordnung trat am 1. Juli ohne die umstrittenen Artikel in Kraft. Parlamentarische Vorstösse dazu sollen im September diskutiert werden. SP und Grüne des Kantons Bern haben beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. (ba)

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RANDSTAND BURGDORF
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Berner Rundschau 17.7.09

Alki-Szene Burgdorf

Rund 20 Randständige im Bahnhofquartier

Status quo in der Burgdorfer Alki-Szene. Auch diesen Sommer hängen etwa 20 Randständige im Bahnhofquartier herum. Vielen sind sie ein Ärgernis. "Die Situation ist für alle Betroffenen nicht ideal", so SP-Gemeinderätin Annette Wisler Albrecht. Am "runden Tisch" mit Betroffenen wurden Feindbilder abgebaut, jedoch kaum Lösungen gefunden. Findet man solche am nächsten Treff im August? (hml) Seite 21

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Viel geredet, wenig gelöst

Die Stadt Burgdorf, Randständige und Ladenbesitzer setzen sich an einen Tisch

Für die Randständigen in Burgdorf liegt weiterhin keine Lösung vor. Doch bis zum kommenden Winter soll dies Schnee von gestern sein.

Julian Perrenoud

Geändert hat sich in Burgdorf gegenüber letztes Jahr wenig: Noch immer hängen etwa 20 Randständige im Bahnhofquartier herum, und noch immer gibt es für sie keine Alternative zum abgeschmetterten Alkistübli-Projekt (siehe Update). "Die gegenwärtige Situation ist für alle Betroffenen nicht ideal", sagt Gemeinderätin Annette Wisler Albrecht (SP), Vorsteherin der Sozialdirektion. Es sei schwierig, eine optimale Lösung zu finden. Bis im Winter wünschen sich die Betroffenen einen geschützten Raum. Die Geschäfter ihrerseits möchten schnellstmöglich eine rechtliche Grundlage für Kontrollen von Aufenthalten im öffentlichen Raum oder Grossdemos. Dafür muss der Stadtrat zuerst ein Polizeireglement verabschieden. "So was geht aber nicht von heute auf morgen."

Um nicht primär repressive Massnahmen ergreifen zu müssen, bat die Sicherheitsdirektion die betroffenen Parteien kürzlich zum Gespräch am runden Tisch. Sie haben viel geredet, konkrete Lösungen aber gibt es (noch) keine. Immerhin: Die Delegation der Randständigen, Geschäfte, Fachstellen sowie der Polizei hätten das gegenseitige Feindbild abbauen können, sagt Wisler. "Der Prozess war spannend. Es wird immer gleich ein Resultat erwartet - dabei ist es wichtig, zuerst über die Bedürfnisse der Beteiligten zu diskutieren." Es erfordere viel Mut, über die eigene Angst, Sucht, Krankheit und den Frust zu sprechen.

Es werden immer mehr

Etwas aber haben die geführten Gespräche für Wisler ergeben: Die Alternative zum Alkistübli soll speziell für Burgdorfer sein. Ansonsten, so befürchten die Betroffenen, strömen nur noch mehr Randständige in die Emme-Stadt. Deren Zahl nehme sowieso zu. Ein Alkistübli hätte auch eine Sogwirkung, glaubt Wisler. Zudem gebe es ja bereits ein solches in Bern. "Die Betroffenen befürchten zudem, dass so mehr illegale Drogen nach Burgdorf gelangen."

"Das ist ein Appell an uns"

Die Randständigen sehen ein, dass sie eine schwierige Situation schaffen, wenn sie betrunken sind oder sich streiten. Ihnen gegenüber verhalten sich die Verantwortlichen von Coop relativ tolerant, solange die Betroffenen aus der Alkoholszene nicht unter dem Dach der Filiale oder an der Bushaltestelle stehen. Die Geschäfte im Bahnhofquartier bewerteten die jetzige Situation von "nicht so schlimm" bis "ganz schlimm". Dass gerade Burgdorf ein gern gewählter Standort der Randständigen ist, hat auch damit zu tun, dass hier das Biwak angesiedelt ist. Hier können sie ihr Methadon in kontrollierter Dosis beziehen. Einige arbeiten auch bei der Velostation.

Die grösste Angst der Randständigen und Geschäfte ist laut Wisler, dass seitens der Stadt nichts geschieht. "Das Resultat der Gespräche ist ein Appell an uns." Was das heisst? Am Mittwoch stellten die Sozial- und Sicherheitsdirektion aus der am runden Tisch zusammengetragenen Ideen eine Liste mit kurz- und langfristigen Lösungen zusammen. Darin sind Toleranz vor Ort, ein Verhaltenskodex oder eine Vertrauensperson (Gassenarbeiter) enthalten. Die Prioritäten sind gesetzt, in der zweiten Augusthälfte wollen sich die Parteien erneut am runden Tisch treffen. Erst danach wird der Gemeinderat über die Vorschläge befinden. Für eine kurzfristige Sommerlösung - sprich einen neuen Aufenthaltsort für Randständige - soll es auch noch reichen.

Update

Nach einer Interpellation und dem darauffolgenden Postulat im Burgdorfer Stadtrat arbeitete die Sozialdirektion mit der Stiftung Contactnetz ein Konzept für ein Alkistübli aus. Doch das Projekt mit jährlichen Kosten von rund 200 000 Franken wies der Gemeinderat zurück. Der Grund: Für bloss 20 Randständige, die sich vor dem Coop aufhalten würden, sei es zu überdimensioniert. (JPW)

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COLOURS
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Indymedia 17.7.09

Amt für Migration Luzern verschönert ::

AutorIn : IG Autonom Luzern         

Diesen Artikel haben wir soeben erhlaten, mit der Bitte ihn zu veröffentlichen.     

in der nacht vom 15. auf den 16. juli 2009 erhielt das amt für migration in luzern ebenfalls unerwarteten besuch. es wurde mit mehreren farbtupfern verschönert.

tagtäglich sterben viel zu viel menschen innerhalb und ausserhalb der festung europa! gleichzeitig brüstet sich die schweiz stolz, dass sie dank dem abkommen von dublin, auf mehrere hunder asylgesuche nicht eintreten musste sondern diese personen gleich wieder ausschaffen konnte.

wir scheissen auf eure asylpolitik und die mörderischen grenzen!

solidarität mit allen sans papiers und den millionen menschen welche in nordafrika auf ihre chance, nach europa zu kommen warten!

scheiben splittern und ihr schreit, menschen sterben und ihr schweigt!

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Indymedia 16.7.09

unerwarteter besuch beim migrationsamt in zh ::

AutorIn : informazione         

unerwarteter besuch beim migrationsamt in zürich     

in der nacht vom 15. auf den 16. juli 2009 erhielt das amt für migration an der berninastrasse 45 in 8057 zürich unerwarteten besuch. die präsente: einige zerschlagene scheiben sowie ein gespraytes "pour une monde sans papiers".

gegen die ausschaffungsmaschinerie!

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HOMOPHOBIE
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Bund 16.7.09

29 Klagen gegen Schmähschriften der SVP

Homosexuelle Schweizer Schwule und Lesben wehren sich gegen Anfeindungen. Mit einer Klage gegen eine von der Jungen SVP Wallis verfassten Schmähschrift wollen sie ein Zeichen setzen - wenn nötig bis zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof.

 Beim Unterwalliser Untersuchungsrichter wurden 29 Klagen deponiert, wie Jean-Paul Guisan, Westschweiz-Sekretär der Schwulenorganisation Pink Cross, gestern vor den Medien sagte. Damit will sich die homosexuelle Gemeinschaft gegen weitere Attacken schützen.

 Auslöser für die Klagen war eine Medienmitteilung der Jungen SVP Wallis vom 17. Mai, in der homosexuelle Menschen beschimpft worden waren. Homosexualität richte sich "gegen die Familie, den Ort des Fortbestandes des menschlichen Geschlechts und also auch des Überlebens einer Nation", war darin zu lesen. Die Mitteilung datiert vom 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen die Homophobie.

 An der Medienkonferenz von Pink Cross und LOS, der Lesbenorganisation Schweiz, wurde der Inhalt als "inakzeptabel und unerträglich" bezeichnet. Solche Aussagen hätten einen direkten Einfluss auf viele junge homosexuelle Menschen in der Schweiz, die dadurch stark verunsichert würden. Die Klagen richteten sich gegen die Verfasser der Medienmitteilung, nicht gegen die Partei. Die Kläger stützen sich auf das Antirassismusgesetz. Sie sind bereit, bis nach Strassburg an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zu gehen. (sda)

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Le Temps 16.7.09

Plainte pénale contre l'homophobie

Les associations d'homosexuels attaquent en justice les propos jugés injurieux du coprésident des Jeunes UDC du Valais romand

Marco Danesi

Trente personnes, soutenues par les associations suisses de lesbiennes et d'homosexuels (LOS et Pink Cross), ont déposé ce mercredi à Sion une plainte pénale contre les propos diffusés par le coprésident des Jeunes UDC du Valais romand à l'occasion de la Journée contre l'homophobie. Le 17 mai dernier, Grégory Logean avait fustigé sur le Web "la banalisation de l'homosexualité", un comportement "déviant" à mille lieues des valeurs incarnées par "la famille, lieu de perpétuation de la génération humaine et donc de la survie d'une nation". Une vive polémique avait suivi.

Maintenant, avec cette action en justice, Pink Cross et LOS espèrent tout d'abord aboutir à la condamnation de l'auteur du texte injurieux. Ensuite, gays et lesbiennes entendent, sinon corriger, du moins souligner les "lacunes juridiques" dont profitent les homophobes. L'article 261 bis du Code pénal, qui s'attaque à la discrimination ethnique, religieuse et raciale, ne mentionne pas la sexualité. Même si la Constitution fédérale de 1999 affirme, entre autres, que "nul ne doit subir de discrimination du fait de son mode de vie".

Interrogé, Grégory Logean réaffirme ni plus ni moins ses convictions. Si, d'un côté, il dit respecter les choix et comportements sexuels des individus, de l'autre, il est décidé à résister au "puissant lobby homosexuel". Qui, selon le jeune UDC, nanti de nombreux relais politiques, cherche à brider ses adversaires. Du coup, ceux qui osent dénoncer ces associations sont stigmatisés, "culpabilisés et discriminés", dénonce-t-il. La plainte serait selon lui "une atteinte à la liberté d'expression". En fin de compte, Grégory Logean se défend, par ses considérations sur le Net, d'appeler à la haine contre un groupe de personnes. Et il rappelle, à qui ne veut pas l'entendre, les insultes dont lui et l'UDC seraient à leur tour les cibles.

Jean-Paul Guisan, secrétaire romand de Pink Cross, voit les choses autrement. Ce sont les homosexuels qui souffrent de discriminations et autres jugements culpabilisants, insiste-t-il. Notamment les plus jeunes. Faire appel aux tribunaux, jusqu'à la Cour européenne des droits de l'homme, montre la volonté des militants gays et des militantes lesbiennes de poursuivre le combat au nom de leur dignité, assure-t-il.

La procédure lancée hier lève les obstacles qui avaient entravé d'autres actions judiciaires semblables, explique Me Philippe Currat, avocat des plaignants. Et il évoque le classement d'une action entreprise en 2007 contre une affiche de l'UDC genevoise qui s'en prenait aux gays pacsés, lors d'un vote sur leur statut fiscal. Cette fois, agissant à la fois contre l'injure et contre la discrimination, grâce à des interprétations qui en élargissent la portée, les juges pourraient donner raisons aux homosexuels, analyse l'homme de loi.

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Le Matin 16.7.09

Texte UDC: 29 plaintes

Homophobie Les associations gays partent en guerre contre un texte des jeunes UDC jugé injurieux.

Les associations suisses d'homosexuels et de lesbiennes partent en guerre contre l'homophobie. Une plainte pénale a été déposée en Valais contre un texte de jeunes UDC valaisans dont les propos sont ressentis comme injurieux. "Un total de 29 plaintes individuelles ont été déposées auprès du juge instructeur du Bas-Valais", a déclaré hier Jean-Paul Guisan, secrétaire romand de l'organisation Pink Cross. Les plaignants sont membres des comités des associations romandes et nationales de lesbiennes, gais, bisexuels et transsexuels.

Diffusé lors de la journée internationale contre l'homophobie, le texte incriminé condamnait un "comportement déviant". Des propos injurieux et inacceptables pour les plaignants, qui sont prêts à faire entendre leur voix jusqu'à la Cour européenne des droits de l'homme.

Servir d'exemple

Ce genre de propos risque de "multiplier les réactions de haine et de rejet à l'encontre des personnes homosexuelles", estime Yannick Schneeberger, membre du comité de l'association neuchâteloise Happy Gays. "Il est important de combattre le sentiment d'impunité qui autorise de tels agissements. "

La plainte doit aussi servir d'exemple. Les violences physiques ou verbales contre la population homosexuelle font rarement l'objet de plaintes. Celles déposées ce jour visent à montrer que de tels cas doivent être systématiquement combattus, précise M.  Schneeberger.

La démarche vise exclusivement les auteurs du texte, pas un parti ni une organisation, indiquent les plaignants.

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SEMPACH
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NLZ 17.7.09

Sempach

"Nicht wieder Heli-Überwachung"

Vier Politiker diskutierten, wie das Schlachtjahrzeit entpolitisiert werden kann. Ihre Ideen sind verschieden.

Der Ort war nicht zufällig gewählt: Im Restaurant Schlacht in Sempach organisierten die Jungfreisinnigen zusammen mit der Jungen CVP gestern Abend eine Podiumsdiskussion zum Thema "Politischer Extremismus und politisch motivierte Gewalt". Der Hintergrund: Vor nicht einmal drei Wochen fand dort das 623. Schlachtjahrzeit statt mit 350 Teilnehmern, darunter 200 Rechtsextreme. Im Städtchen Sempach demonstrierten gleichzeitig 100 Linke und Linksextreme gegen die Präsenz der Rechtsextremen am Gedächtnis für die bei der Schlacht zu Sempach gefallenen Luzerner Soldaten.

"Ticketsystem kanns nicht sein"

SVP-Nationalrätin Yvette Estermann sagte zu Beginn der Diskussion: Das Schlachtjahrzeit sei immer problemlos verlaufen. "Bis die Linken aufgetaucht sind. Die besetzen eine Veranstaltung, machen Klamauk." Und was passiert dann? "Der Anlass", so Estermann, "wird entweder verboten oder so gestaltet, dass sich die normalen Besucher nicht mehr darauf freuen können."

Diese These stiess bei SP-Kantonsrat Lathan Suntharalingam auf wenig Gegenliebe: Yvette Estermann nehme damit die Rechtsextremen in Schutz, argumentierte er. Sein Ziel sei: "Die Sempacher Feier soll weiterhin stattfinden können." Diesem Ziel hatte sich auch Stefan Schöpfer, Präsident der Jungfreisinnigen des Kantons Luzern, verschrieben. Zentral ist laut ihm die Frage, wie man die Leute von der Feier fernhalten kann. "Ein Ticketsystem kanns nicht sein", den traditionsreichen Anlass dürfe man nicht kaputt machen. Er sieht die Möglichkeit, die Veranstaltung zu vergrössern. "Damit gehen die Extremisten in der Masse unter."

"Abführen, wer Regeln verletzt"

Nur zuzuschauen könne tatsächlich keine Option sein, befand auch die Krienser SVP-Nationalrätin Estermann. Man müsse sich die Frage stellen, wer die Ordnung störe. Die Antwort hatte sie sofort parat: "Die Leute, die sich vermummen. Sie schämen sich offenbar und stehen nicht dazu, was sie tun." Teilnehmen dürften alle, "aber sie müssen sich an Regeln halten und die Transparente zu Hause lassen". Wer sich sich nicht an die Regeln des Staates halte, gehöre von der Polizei abgeführt.

Beratung ausbauen

René Gmür, Präsident der Jungen CVP, versuchte die Szenen zu analysieren: "Die Gruppen zu zerschlagen bringt nichts, das zeigen Erfahrungen aus Deutschland." Dann tauchten sie nämlich in den Untergrund ab. Vielmehr müssten Mitläufer aus den extremistischen Gruppen herausgeholt werden. Der Freisinnige Stefan Schöpfer stimmte zu, wies jedoch darauf hin: "Der Ausstieg ist sehr schwierig." Auf Beratungsangebote müsse verstärkt aufmerksam gemacht werden. "Die Eltern sollen Symbole erkennen und merken, wenn ihre Kinder in eine Szene abdriften." Dem pflichtete Suntharalingam bei: "Je mehr Leute wir aus den Szenen rausholen, desto weniger hat die Polizei zu tun. Das spart Kosten." Schulklassen, Pfadi und andere Jugendorganisationen müssten im kommenden Jahr eingebunden werden, "damit Extremisten als kleine Flecken im Zug verschwinden", so der SP-Kantonsrat.

Dass sich die Situation ändere, wäre auch im Sinne des Sempacher Stadtrats. "Wir wollen im nächsten Jahr nicht wieder 300 Polizisten und eine Helikopterüberwachung", so Stadtrat Werner Husmann.

Emanuel Thaler

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Zahlen und Fakten

Regelmässig kleinere Übergriffe

Als einziges gewalttätiges Ereignis mit extremistischem Hintergrund im Kanton listet das Bundesamt für Polizei (Fedpol) in seinem Bericht zur inneren Sicherheit 2008 einen Tränengas-Angriff zweier Rechtsextremen auf eine linksalternative Wohngemeinschaft in Emmenbrücke auf. Der Überfall vom 27. September ist laut Kantonspolizei-Kommandant Beat Hensler vom Ausmass her eine Ausnahme. Aber: "Kleinere Übergriffe gibt es regelmässig." Zu Hause sind die Rechtsextremen vorwiegend im Raum Willisau, die linksextreme Szene bewegt sich in der Stadt Luzern und in der Agglo. Schweizweit gabs 2008 laut Fedpol 122 Gewalttaten mit linksextremem, 24 mit rechtsextremem Kontext.
TH

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DROGENSZENE ZH
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Tagesanzeiger 16.7.09

Platzspitz: Dealer sind weg - Polizei bleibt

Die Zürcher Stadtpolizei hat den Haschischhandel auf dem Platzspitz im Keim erstickt. Innert zweier Monate verhaftete sie 43 Drogendealer.

Von Roger Müller

Zürich. - Die Idylle ist zurückgekehrt in den Platzspitzpark. Besucher können im Schatten des Landesmuseums zwischen Sihl und Limmat wieder ungestört verweilen. Das war in den letzten beiden Monaten nicht immer so. An gewissen Tagen hielten sich am Nachmittag bis zu 20 Dealer auf dem Platzspitz auf. Passanten wurden belästigt und verständigten die Polizei. Die Stadtpolizei Zürich reagierte.

"Wir mussten einschreiten"

Uniformierte Beamte patrouillierten länger und häufiger. Kriminalpolizisten in Zivil halfen aus. 43 Drogendealer wurden im Mai und Juni verhaftet. "Diese Zahl belegt, dass wir einschreiten mussten", sagt Beat Oppliger, Leiter der Abteilung Brennpunkt bei der Stadtpolizei. Berichte über den Handel mit harten Drogen haben sich nicht bestätigt. Die Polizisten stellten ausschliesslich weiche Drogen sicher, Marihuana und Haschisch. "Die Situation ist nie aus dem Ruder gelaufen. Man konnte sich immer ohne Probleme auf dem Platzspitz aufhalten.", urteilt Beat Oppliger. Die Dealer hätten Passanten Drogen angeboten. Sie seien aber weniger aggressiv aufgetreten als die "Kügeli-Dealer" im Kreis 4 oder 5. Sogenannte Begleitkriminalität wie Diebstähle oder Körperverletzungen gab es auf dem Platzspitz nicht.

Trotzdem: Der Platzspitz hat für Zürich Symbolcharakter. Wegen dessen unrühmlicher Geschichte als "Needlepark" reagiert die Bevölkerung besonders sensibel. Für die Polizei war das eine Hilfe. Oppliger: "Wir bekamen sehr viele Meldungen von Passanten. Wenn sich diese Informationen mit unseren Beobachtungen decken, können wir schnell reagieren." Zu Beginn der Aktion verlagerte sich der Handel über die Limmat flussabwärts in Richtung Lettenbad. Die Beamten weiteten ihre Aktivitäten aus und verhafteten auch dort Drogenhändler.

Die festgenommenen Dealer stammen nach Einschätzung der Polizei nicht von der Szene an der Langstrasse, wo die Polizei seit Längerem die Zügel angezogen hat. Rolf Vieli vom Projekt "Langstrasse Plus" sagt dazu: "Bei jeder Aktion beobachten wir, ob es eine Verschiebung in andere Gebiete gibt. Im Langstrassenquartier hatten wir es mit dem Handel mit harten Drogen zu tun, insbesondere Kokain. Auf dem Platzspitz waren es dagegen weiche Drogen."

Ein weiterer Unterschied ist die Herkunft der Dealer. Den Kokainhandel an der Langstrasse kontrollieren Westafrikaner. Zwar wurden auf dem Platzspitz vorwiegend dunkelhäutige Dealer gefasst. Sie kamen aber vor allem aus Eritrea (Ostafrika), Jamaica oder waren eingebürgerte Schweizer. Bis auf sechs hatten alle Verhafteten einen festen Wohnsitz und eine Aufenhaltsbewilligung in der Schweiz.

Eines haben die Marihuana-Händler vom Platzspitz und die Kokain-Dealer von der Langstrasse aber gemeinsam. Sie werden jetzt härter angepackt. Die Polizei geht bei den Verhafteten gleich vor wie bei den "Kügeli-Dealern" von der Langstrasse seit letztem Herbst. Die Dealer kamen nicht mehr mit einer einfachen Busse davon, sondern sie wurden von der Polizei an die Staatsanwaltschaft überstellt. Gemäss Andreas Eckert, leitender Staatsanwalt, wurden in zahlreichen Fällen bereits Strafbefehle erlassen: "Die Mehrheit der Verhafteten waren geständig oder wir konnten ihnen nachweisen, dass sie mit Drogen gehandelt haben. In einigen Fällen läuft noch das Beweisverfahren, das zu einer Anklage führen kann."

Die Szene soll nicht zurückkehren

Die Polizei beobachtet die Situation im Platzspitzpark weiterhin genau. Auch wegen seiner Lage gleich neben dem Hauptbahnhof: "Wenn wir nicht eingreifen würden, kämen viele Jugendliche, die mit dem Zug anreisen, an den Platzspitz, um sich Drogen zu besorgen", sagt Rolf Vieli. Beat Oppliger beruhigt: "Das war nicht der Anfang einer neuen Phase mit Drogenhandel auf dem Platzspitz." Die Polizei baut ihre Präsenz trotzdem nur langsam ab. "Die Dealer sind flexibel und beobachten genau. Wenn wir von einem Tag auf den anderen verschwinden, kehrt die Szene sofort zurück."

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BIER
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WoZ 16.7.09

Wirtschaft

Vollmondbier-Marketing oder Mystik? Die Appenzeller Brauerei Locher braut Vollmondbier und füllt damit eine Marktlücke. Aber was ist das Besondere an dem Bier? Ein Rundgang am vergangenen Vollmondtag.

Warum nicht auch beim Bier?

Von Carlos Hanimann

Bei Schönenbühl im Appenzellerland gibt es eine alte Burgruine. Wenn man aufmerksam ist, hört man in stillen Vollmondnächten ein Klopfen von der Ruine her. Es ist das Klopfen eines untoten Burgvogts, der seit Jahrhunderten eingesperrt im Burgkeller an die Decke schlägt und ruft: "Uuftue, uuftue!"

Tatsache.

Als Michael Jackson vergangenen Dienstag beerdigt wurde, war Voll mond - und wer wollte, hörte vom Ende der Welt das lustige Lachen eines jungen Paares. Es war das Lachen der Wasserjungfrau von Weissbad und eines Jünglings, den sie vor Urzeiten in den Weissbach gezogen hatte.

Tatsache.

In Appenzell (und wahrscheinlich nicht nur dort) gibt es Menschen, die gehen nur dann zum Coiffeur, wenn der Mond "nitzi" geht, also abnehmend ist. Denn der "obsigehende" Mond zieht. Das heisst, die Haare wachsen schneller nach.

Tatsache.

Max Bürki schreitet durch die Locher-Produktionshalle an der Brauerei strasse in Appenzell, wo das Appenzeller Bier gebraut wird, und sagt: "Über den Einfluss des Vollmonds auf das Bier müssen wir gar nicht erst reden. Jeder weiss darum, jeder spürt das. Das ist eine Tatsache." Und wers nicht glaubt, sagt er dann, der ist selber schuld.

Appenzeller Bier in Zürich

Der Vollmond geht um 11 Uhr 21 Minuten und 18 Sekunden auf. Es ist Dienstag, der einzige Tag in diesem Monat Juli, an dem in Appenzell das Vollmondbier gebraut wird. Dunkle Wolken und ein leichter Nieselregen versperren die Sicht auf den Himmel. Der Vollmond ist nicht zu sehen. "Der Mond wirkt auf das Meer, auf die Pflanzen, auf die Tiere", sagt Raphael Locher, "wieso soll er nicht auch auf das Bier wirken?"

Lichtgraue Schwaden steigen aus den Tälern auf und klettern den Alpstein empor, als würde der Wald am Fuss des Gebirges in Flammen stehen. Eine seltsame Stimmung breitet sich über das Appenzellerland. Kein Wunder, entstanden hier so viele Sagen über Untote, die nachts Holzpfähle einschlagen, Wanderstudenten mit Zauberkräften und Jungfrauen, die mit Goldsäcken in Bächen auf ihre Opfer warten.

Max Bürki kümmern die Sagen wenig. Er weiss um die Wirkung des Monds. Der kräftige Mann mit dickem Schnauzbart ist hier der Braumeister und verantwortlich dafür, dass die sechzehn Sorten des Appenzeller Biers so schmecken, wie sie sollen.

Raphael Locher ist Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für die Finanzen, das Marketing und den Verkauf des Appenzeller Biers. Er führt mit seinem Cousin Karl Locher das Familienunternehmen in fünfter Generation. Seit fast zwanzig Jahren braut ihre Brauerei das Vollmondbier in Appenzell, ausschliesslich aus biologischen Rohstoffen und immer nur bei Vollmond.

Entstanden ist die Idee aber in Zürich, in der Bar El Internacional an der Zentralstrasse. Heute heisst sie "Vollmond-Taverne". Ende der achtziger Jahre hatten Viktor Bänziger und Peter Brogli die Bar geführt und die Idee, ein Hausbier für die Bar brauen zu lassen. "Sie fragten uns", sagt Raphael Locher, "ob wir ein Bier für sie produzieren würden. Wir sagten zu. Das Bier hiess Vollmond. Denn ihre Bedingung war, dass es ausschliesslich bei Vollmond gebraut wird. Das war der Grundstein für unseren Erfolg mit Spezialitätenbier." Später kaufte Locher den beiden die Lizenz ab, beliefert sie aber noch heute.

Mittlerweile ist das Vollmondbier eine bekannte Marke geworden. Ausgerechnet in Zürich, wo die Ostschweizer Grossbrauerei Schützengarten seit Jahren versucht, Fuss zu fassen, sind Appenzeller Biere (Quöllfrisch, Naturperle, Vollmond) äusserst beliebt. Vor allem das Vollmondbier hat zu diesem Durchbruch verholfen. "Es ist kein Umsatztreiber, aber es war ein Türöffner zum Zürcher Markt", sagt Locher. Natürlich sei er ein bisschen esoterisch angehaucht, er glaube an die Kraft des Mondes. Er weiss aber auch, dass das Vollmondbier als Marketingidee gut ankommt.

Scharfer Blick, sichere Nase

Bier ist eines der ältesten Getränke der Welt. Bereits die alten Ägypter sollen den Gerstensaft getrunken haben. Vielleicht darum die Mystik um die Braukunst, vielleicht darum die Rede von seiner heilenden Wirkung: bei Osteo porose, wegen des Calciums. Oder bei Schwangerschaften, wegen der Folsäure. Einmal rief Locher eine Frau an, die sagte, ihr Mann habe vom Biertrinken ständig an Magenschmerzen gelitten. Seit er nur noch Vollmondbier trinke, seien die Schmerzen verschwunden.

Tatsache.

Braumeister Bürki steht neben sechs mit Hopfen gefüllten Fässern. Von der Decke hängt ein riesiger orangefarbener Tank, der aussieht wie eine verkehrt aufgehäng te Flasche. Bürki erklärt, wie das Vollmondbier gebraut wird - und worauf es bei gutem Bier ankommt. Zum Brauen braucht es nicht viel: Malz, Hopfen, Hefe und Wasser. Und natürlich braucht es einen Braumeister mit scharfem Blick, sicherer Nase und gutem Geschmackssinn. "Man sollte nicht zu scharf essen und sich schon gar nicht erkälten. Das schadet den Sinnen."

Um 15.26 Uhr klickt Max Bürki auf die Maus und starrt auf einen von drei Bildschirmen. Er hat soeben die Produktion des ersten Suds für das Vollmondbier ausgelöst. Auf dem Bildschirm leert sich das Silo 4, das Malz läuft über ein Förderband durch die Putzmaschine, der Staub wird abgesaugt, und dann kommt das Malz in den Malzrumpf, einen orangefarbenen Trichter an der Decke, vor dem Bürki eben noch stand.

2350 Kilogramm Biomalz werden jetzt zu 140 Hektoliter Vollmondbier gebraut.

Das Malz gelangt über eine Schrotmühle in die Maischepfanne, wo das Malz mit Quellwasser aus dem Alpstein vermischt wird. Die Qualität des Wassers ist entscheidend, ebenso der Härte grad und die Anzahl enthaltener Mineralstoffe. Im heissen Wasser löst sich die Stärke auf und wird dank malzeigener Enzyme in Malzzucker verwandelt. Der Braumeister nennt diesen Vorgang Maischen.

Der Sud fliesst daraufhin durch ein Gedärm von Röhren und Schläuchen, die sich durch die ganze Brauerei schlängeln, in einen Läuterbottich, wo Malzreste nach unten sickern und so einen natürlichen Filter bilden. Wenn der Sud später abgelassen wird, bleiben feste Reste hängen, der Sud wird gefiltert. Diese Reste werden als Mastfutter für Tiere gebraucht. Dann kommt der flüssige Sud in einen riesigen silbernen Topf, Bürki nennt ihn fachgerecht: Würzeniederdruckwhirlpoolpfanne.

Hier wird der Hopfen beigegeben - vollautomatisch wie fast alles in der Brauerei. Er gibt dem Bier das Aroma, er ist das Parfüm des Biers oder, wie Bürki sagt: "Das Malz ist bloss das Fleisch, der Grundstoff. Aber erst mit dem Hopfen, dem Gewürz, erhält es eine bestimmte Note - blumig, bitter oder herb." Je nach Verhältnis von Aroma- und Bitterhopfen. Mehr Aromahopfen bedeutet mehr Geschmack. Danach wird der Sud bei 99 Grad gekocht und gelangt anschliessend in Gärbottiche oder sogenannte ZKG, zylinderkonische Gärtanks.

Das Maischen, das Läutern, das Kochen - oder einfach: das Brauen - dauert etwa sieben Stunden, und gebraut wird nur bei Vollmond. Je nachdem macht Braumeister Bürki zwei oder drei Sude. Wenn der Sud im Gärbottich ist, wird ihm Hefe beigefügt, der Malz zucker im Jungbier beginnt bei etwa zehn Grad zu Alkohol und Kohlensäure zu vergären, sieben bis neun Tage lang. Dann, wenn der Malzzucker vollständig vergärt ist, wird das Bier in Lagerfässer abgefüllt, die wie kleine Raumschiffkapseln aussehen, bereit, diesen Planeten jederzeit zu verlassen. Jede ist beschriftet: Vollmondbier, Quöllfrisch, Naturperle, Hanfbier ...

Einmal wöchentlich steigt Braumeis ter Bürki in den auf null Grad gekühlten Lagerkeller, zapft ein Bier, hält es ins Licht (ist die Farbe in Ordnung?), schwingt das Glas (bleibt der Schaum hängen?), steckt die Nase ins Glas (riecht das Bier gut?), trinkt einen grossen Schluck und sagt dann: "Perfekt. So muss ein Bier schmecken."

Bier ist krisenresistent

Das Vollmondbier war so etwas wie ein Startschuss für Appenzeller Bier. Gerade in szenigen Bars, aber auch in alternativen Kulturzentren ist das Bier sehr beliebt. "Unser Marktleader, also das verkaufsstärkste Bier, ist aber klar das Quöllfrisch. Damit haben wir uns die Sympathien der Stammtischbiertrinker geholt. Durch das Gehabe der grossen Bierkonzerne sind viele Emotio nen rund ums Bier verloren gegangen. Wir sind ein Familienbetrieb geblieben, das schätzen die Kunden."

Dass Locher das sagt, hat einen Grund. In den letzten Jahren wurden viele Traditionsbrauereien zusammengelegt oder aufgekauft. Die Bierbranche wird heute von zwei Grossunternehmen dominiert (vgl. "Der Schweizer Biermarkt"). Das eröffnete aber auch Chancen für Kleinbrauereien. Derzeit laufen die Maschinen im Sudhaus rund um die Uhr. Im Sommer arbeiten die Angestellten in der Brauerei in drei Schichten, 24 Stunden am Tag. Die Leute trinken mehr Bier, wenn es heiss ist. Während rund sechs Wochen wird in der Brauerei in Doppelschichten gearbeitet. Diese Woche haben die Angestellten damit begonnen. Spüren die Brauereien nichts von der Krise? "Ja", sagt Locher, "wir spüren die Finanzkrise. Aber im positiven Sinn. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, psychische Probleme, Unsicherheit - in solchen Zeiten wird mehr Alkohol getrunken. Kein Champagner, kein Wein, sondern Bier. Bier ist krisenresistent."

In der Brauerei stehen Propangas flaschen, ein Schweisser hantiert an einem Bottich, der Boden ist nass. Umbauarbeiten. Der Betrieb wächst. In den letzten sechzehn Jahren haben die Lochers die Zahl der Beschäftigten von sechzehn auf achtzig erhöht. Produzierte sie damals noch 14 000 Hektoliter Bier, so sind es heute 105 000 Hektoliter, fast zehnmal so viel wie 1983.

Das Erfolgsgeheimnis der Brauerei sind Spezialitätenbiere, die Nischen, die die industriell Herstellenden nicht füllen können - und die Sympathie für einen Kleinbetrieb. Appenzeller Bier beliefert keine Discounter, weder Denner noch Aldi oder Lidl. "Wir haben qualitativ hochstehende Biere, die etwas kos ten. In Discountern haben unsere Biere nichts verloren."

Braumeister Bürki steht wieder im Büro vor den drei Computerbildschirmen und sagt: "Jetzt gehts ans Verkos ten. Aber es geht dabei nicht dar um, ein ganzes Glas zu leeren." Dann schenkt er sich ein frisches Vollmondbier ins Glas, hält es ins Licht, schwingt es, steckt seine Nase hinein und trinkt einen Schluck. Er seufzt, reicht das Glas weiter und sagt dann in urchigem Appenzellerdialekt: "Dass Bier gsond ischt, do dröbe mömme nüd rede."

Tatsache.

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Der Schweizer Biermarkt

Die SchweizerInnen trinken jährlich rund 4,4 Millionen Hektoliter Bier. Davon produzieren die Grossbrauereien Carlsberg (Feldschlösschen, Cardinal und andere) und Heineken (Calanda, Haldengut, Eichhof und andere) zwischen 65 und 68 Prozent. Weitere 20 Prozent sind Importbiere wie Corona, Franziskaner oder Erdinger. Die restlichen 12 bis 15 Prozent teilen sich die anderen Brauereien: Schützengarten mit 4 Prozent, Locher mit 2,5 Prozent und zahlreiche Klein- und Mittelbrauereien sowie Gasthaus- und Mikrobrauereien.

Locher ist eine der ältesten Brauereien der Schweiz. Es gibt his torische Hinweise, dass sie älter ist als Schützengarten (Gründungsjahr 1779). Urkundliche Beweise fehlen allerdings bislang. Bis diese vorliegen, gilt Schützengarten als älteste Schweizer Bierbrauerei.

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RAUCHVERBOT BE
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Solothurner Tagblatt 16.7.09

Wie das neue Antirauchergesetz bei den Wirten die Erinnerung an alte Zeiten aufleben lässt

Vom Bauernkrieg direkt in die Raucherbeiz

Das Emmental übt sich einmal mehr in Rebellion. Doch anders als 1653 erhebt sich die bäuerliche Bevölkerung diesmal nicht aus purer finanzieller Not heraus gegen die Mächtigen in Bern. Nein, schuld ist ein Gesetz, das das Rauchen in den Wirtschaften verbietet und Ausnahmen nur in separaten sogenannten Fumoirs zulässt, die nicht bedient sind. Gerade mal zwei Wochen lang ist die neue Vorschrift in Kraft, und für Urs Mäder ist klar: Der Emmentaler lässt sich nicht gerne vogten. Ähnlich wie im Bauernkrieg des 17.Jahrhunderts sei es auch heute noch richtig, gegen die Obrigkeit Widerstand zu leisten, erklärte der Präsident des Wirteverbands Gastro Emmental vorgestern Abend in der Fernsehsendung "10vor10".

Im "Bären" Trubschachen, wo Mäder wirtet, dürfen die Gäste dennoch nur noch draussen rauchen. In der Burgdorfer Dezibel-Bar dagegen, einem typischen Nachtlokal im Untergrund, sind Raucher nach wie vor auch drinnen willkommen. Wirtin Therese Bay outete sich vor laufender Fernsehkamera: Sie könne nicht auf ihre Stammkundschaft verzichten, sagte sie ins Mikrofon, liess gleichzeitig aber offen, ob es angesichts der angedrohten Bussen dabei bleiben wird. Immerhin sind im Wiederholungsfall bis zu 20000 Franken fällig - wo ihr Dilemma liegt, schildert sie auf Nachfrage so: "Wenn die Gäste in der Bar rauchen, gerate ich mit dem Gesetz in Konflikt, wenn ich sie ins Freie schicke, beklagen sich die Nachbarn über Lärm." Und lakonisch: "Eines Tages kann ich so oder so zumachen."

Auf der Stadtverwaltung Burgdorf ist derweil für Romy Kieliger, die stellvertretende Leiterin der Sicherheitsdirektion, die Sache eindeutig und klar: "Das Gesetz gibt uns einen klaren Auftrag, und diesen haben wir durchzusetzen." In den ersten Tagen unter dem neuen Regime verzichte die Stadtpolizei noch auf gezielte Kontrollen, in Zukunft werde dies aber anders sein. Immerhin sei ein Verstoss gegen die neuen Vorschriften gleich von Amtes wegen zu verfolgen, fügt die Verantwortliche bei.

Was das konkret im Fall der Dezibel-Bar heisst? Kieliger bleibt unverbindlich, erklärt, dass sie zurzeit nicht sagen könne, "welche direkten oder indirekten Folgen" das öffentliche Bekenntnis von Therese Bay haben werde. Sicher sei nur, dass allein auf Grund einer Fernsehsendung keine Busse ausgesprochen werden könne. Dafür sei schon eine offizielle Anzeige erforderlich - ob die Polizei nun gleich zuerst in Bays Nachtlokal vorbeischauen wird, behält Kieliger wiederum für sich.

Bei "10vor10" kam auch der Wirt einer abgelegenen Wirtschaft auf dem Land zu Wort, der aus Angst vor einer Busse unerkannt bleiben will, sich indes, wie er selber eingesteht, um das Antirauchergesetz schlicht futiert. Wie es dort, wo die Aufgaben der Ortspolizei am Gemeinderat hängen bleiben, um den Vollzug steht? Er sei für Augenmass, sagt der Gemeindepräsident. Dem Gesetz sei doch Genüge getan, wenn ein Restaurant zwar grundsätzlich rauchfrei sei, wenn unter Gleichgesinnten und im kleinen Rahmen aber ab und zu geraucht werden dürfe. Er für seinen Teil - "Ich bin Nichtraucher" - werde auf alle Fälle nicht bei jedem kleinsten Verstoss ausrücken.

Eine kleine historische Reminiszenz kann auch er sich nicht verkneifen: Man dürfe doch nicht in jene Zeiten zurückfallen, "in denen die Chorrichter Leute fürs Rauchen bestraften und sich nach getaner Arbeit selber eine Pfeife ansteckten…", fügt er bei.

Stephan Künzi

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ANTI-ATOM
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NZZ 16.7.09

Rasch beantwortete Kritik an Öko-Bilanz des AKW Beznau

Herkunft des Brennstoffs angezweifelt

 dsc. Im Herbst 2008 sorgte die Nordostschweizerische Kraftwerke AG mit einem Umweltbericht für Aufsehen, laut dem eine im Atomkraftwerk Beznau produzierte Kilowattstunde Strom einschliesslich externer Faktoren wie der Brennstoffgewinnung nur eine Kohlendioxidemission von 3,04 Gramm verursacht. Die Umweltorganisation Greenpeace hat diesen Bericht am Mittwoch erneut kritisiert, und zwar mit einem umfangreichen Text. Aufgrund von Indizien aus anderen Quellen wird darin etwa bezweifelt, dass ein Teil des genutzten Urans, wie von der NOK erklärt, aus der russischen Atomwaffen-Abrüstung stammt, vielmehr könne als Herkunft der aus Sicht von Greenpeace umweltbelastende Rückbau russischer U-Boote angenommen werden. - Die NOK verweist nun allerdings sowohl auf vertragliche Zusicherungen der Lieferfirma wie auch auf die eigentliche Zusammensetzung der betreffenden Brennelemente, die für die Herkunft aus der Abrüstung sprächen. Das Unternehmen geht indes davon aus, dass es ab 2011 schwieriger sein wird, einen Teil der Brennelemente noch aus der Atombomben-Abrüstung zu beziehen. Bei anderen Bezugsquellen, etwa aus dem Uranabbau, fallen zwar in Kohlendioxid-Bilanzen höhere Werte an, diese sind aber immer noch sehr klein verglichen mit den Kohlendioxidemissionen von fossil-thermischen Kraftwerken.

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Basler Zeitung 16.7.09

Regierungsrat enttäuscht Endlager-Gegner

 Aarau/Bözberg. Antwort zum Tiefenlager für Atomabfälle stellt Interpellanten nicht zufrieden

Franziska Laur

Vor allem die Antwort auf die Frage, wie sich ein Tiefenlager im Bözberg mit dem Projekt Jurapark vereinbaren lasse, stellt die Interpellanten nicht zufrieden.

In keiner seiner Antworten auf Fragen zum Tiefenlager äusserte sich der Aargauer Regierungsrat klar für oder gegen die Lagerung von radioaktiven Abfällen im Bözberg. Im Gegenteil, der Regierungsrat beweise einmal mehr, dass er gar keine Haltung habe, sagt die hörbar enttäuschte Initiantin der Interpellation, SP-Grossrätin Elisabeth Burgener, Gipf-Oberfrick. Sie hat von der neuen Regierungsformation mit SP- und Grünen-Vertretung mehr erwartet.

Die Interpellanten, die aus dem Fricktal stammen und SP-, Grüne-, CVP- wie SVP-Grossräte sind, fürchten vor allem um den Jurapark, der den Bözberg miteinschliesst. Lapidar antwortete der Regierungsrat auf die Frage, wie sich der geplante Jurapark Aargau mit einem Tiefenlager vereinbaren lasse, er wolle den laufenden Abklärungen nicht vorgreifen.

"Wir haben im Aargau einen schwierigen Stand", sagt Burgener. Während das Fricktal aufgrund der Erfahrungen beim Widerstand gegen das AKW Kaiseraugst und des "Geistes aus Basel" sensibel auf AKW-Themen reagiere, sei man in der Region Brugg eher AKW-freundlich eingestellt.

So interessierte die Interpellanten auch, was der Regierungsrat zur Tatsache meine, dass sich Kantone wie Baselland, die von ihrer Verfassung her die Endlager verbieten, zur Wehr setzen werden, falls der Bözberg ausgewählt wird.

Auf diese Frage reagierte der Regierungsrat ziemlich harsch. Die in der Frage postulierte "Tatsache" stelle für ihn lediglich ein Szenario dar. Er äussere sich daher nicht materiell zu dieser Frage. Er weise lediglich darauf hin, dass in diesem Verfahren Bundesrecht zur Anwendung gelange.

abgeltungen. In den vergangenen Monaten stand im Fricktal zur Diskussion, dass man Abgeltungen und Steuererleichterungen erwarte, falls die Region als Standort für ein Endlager ausgewählt würde. Wie sich der Regierungsrat dazu stelle, auch dazu, dass so schlussendlich der Meinungsbildung nachgeholfen werde, fragten die Interpellanten. Sie erhielten die Standardantwort, die Baudirektor Peter C. Beyeler stets auch an öffentlichen Auftritten zu diesem Thema vertritt: "Bei der eigentlichen Standortevaluation muss das Primat der Sicherheit das Mass aller Dinge sein." Der Regierungsrat akzeptiere kein "Abschieben" des Tiefenlagers aufgrund "weicher" Kriterien.

Dies allerdings mögen die Interpellanten aufgrund der Haltung des Regierungsrates nicht mehr glauben. "Hier im Aargau werden Leute mit einer anderen Haltung als diejenige des Regierungsrates gar nicht wahrgenommen", ist Elisabeth Burgener überzeugt.

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GIPFEL-SOLI-NEWS 16.7.09
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gipfelsoli.org/Newsletter 16.7.09

16.7.2009 L'Aquila -- Huntsville

- [Vallette-Gefängnis] Brief der compagni aus Turin
- Die Welle ist nicht allein. Liber* tutt*!
- "Organisiert, wie paramilitärische Gruppen"
- Solidaritäts Sit In vor der italienischen Botschaft in Stockholm
- Integrated Security Unit Planning for a Safe and Secure G8 Summit in 2010
Mehr: http://gipfelsoli.org/Newsletter/7563.html