MEDIENSPIEGEL 19.7.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)
Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Demo-Kosten Thun: Radrenn-OK sauer
- Pranger-Fieber Bern
- Binz ZH: Fertig im Okober
- Big Brother Internet
- Personalmangel beim Datenschutz
- Hooligangrippe: Minikameras im Tessin
- Rauchverbot: Discogerüche
- Neonazis BE: Rechtsrocker entsorgen, bitte!
- Rütli: Neonazis kommen am 2. August
- Heterosexismus: Werbepanzer gegen Schwule und "Memmen"
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REITSCHULE
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So 19.07.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ@Vorplatz
Mi 22.07.09
19.00 Uhr - SousLePont - Basler
Spezialitäten
Do 23.07.09
22.00 Uhr - Rössli - DJ
CHRISDUB, PRINCE POLO - Deep roots dubstep
Sa 25.07.09
21.00 Uhr - Vorplatz - Madame P (I)
- Live Elektronik
So 26.07.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ@Vorplatz
Infos: www.reitschule.ch
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DEMOS THUN
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Thuner Tagblatt 18.7.09
Streit in Thun
Demobewilligung ärgert Radrenn-Veranstalter
Der OK-Präsident des Thuner Stadtkriteriums ist sauer, weil am Tag
des Rennens eine Demonstration bewilligt wurde.
Am 30.Mai kollidierten das Thuner Stadtkriterium und eine Demonstration
der "Hausgeister" terminlich. Jetzt kritisiert OK-Präsident Walter
Leibundgut Gemeinderat und Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler.
Insbesondere stört sich der OK-Chef des Stadtkriteriums am
Umstand,
dass er und "sein" OK über 4000 Franken für Bewilligungen und
Leistungen an Stadt und Kanton abliefern müssen, wohingegen die
Demonstranten gratis marschieren konnten. Siegenthaler sagt, die zwei
Anlässe seien nicht vergleichbar - und betont, dass die Stadt
insgesamt
fürs Stadtkriterium mehr Geld ausgebe, als sie einnehme. maz
Seite 23
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Kritik an Bewilligungspraxis für Demonstrationen in Thun
Sport-Präsi kritisiert Siegenthaler
Am 30.Mai kollidierten das Thuner Stadtkriterium und eine Demonstration
der "Hausgeister" terminlich. Jetzt kritisiert der OK-Präsident
den
Gemeinderat Siegenthaler. Dieser sagt, die zwei Anlässe seien
nicht
vergleichbar.
"Die Behörden markieren die starke Staatsmacht dort, wo sie genau
wissen, dass Auflagen befolgt werden und nichts zu befürchten ist,
und
sie kuschen vor Gruppierungen jeder Art, welche lautstark irgend etwas
fordern." Das schrieb Walter Leibundgut kürzlich in einer Reaktion
auf
einen Leserbrief in dieser Zeitung. In einem Memo, das dieser Zeitung
ebenfalls vorliegt, schreibt der OK-Präsident des Stadtkriteriums
Thun
von einer "Diskrepanz zwischen einem nicht-kommerziellen Veranstalter
einer Sportveranstaltung und jungen Randalierern" und bilanziert: "Wer
demonstriert, kann dies zum Nulltarif machen, weil es zu den
Bürgerrechten gehört, wer ein Radrennen organisiert, an dem
auch
Hobbysportler teilnehmen, muss ziemlich tief in die Tasche greifen."
Leibundguts Hauptkritikpunkte:
- Der Radrennclub (RRC) als Organisator des Stadtkriteriums hat im
Februar 2009 bei Stadt und Kanton um die Bewilligung für den
Anlass
angefragt - und diese Mitte März verbunden mit mehr als 50
Auflagen
erhalten. Die Demonstranten ersuchten Mitte Mai um die Bewilligung und
erhielten diese postwendend verbunden mit 11 Auflagen.
- Der RRC hat für sämtliche Bewilligungen und Leistungen
über 4000
Franken an Stadt und Kanton berappen müssen. Die Demonstranten
konnten
gratis marschieren.
"Gutes Einvernehmen"
Thuns Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler (SP), welcher die
Demonstration bewilligt hat, betont: "Die Direktion Sicherheit, das
Gewerbeinspektorat und das Tiefbauamt der Stadt Thun haben ein sehr
gutes Einvernehmen mit dem Organisationskomitee des Stadtkriteriums."
Es sei einzig Walter Leibundgut, der sich lautstark und kritisch
über
die Terminkollision beklage. Und Siegenthaler stellt klar: "Das
Bewilligungsverfahren und die Auflagen für eine Demonstration und
für
eine Sportveranstaltung können nicht miteinander verglichen
werden."
Er verweist dabei auf das städtische Polizeireglement. "Bis anhin
war
es in Thun so, dass die Veranstalter von politische Demonstrationen
keine Kosten zu tragen hatten. Das geltende Ortspolizeireglement
lässt
diesen Spielraum zu", sagt der Sicherheitsvorsteher.
Stadt bezahlt 5000 Franken
Weiter weist Siegenthaler darauf hin, dass die Stadt Thun das
Stadtkriterium mit einem jährlichen Barbeitrag von 5000 Franken
unterstützt und zusätzlich Leistungen im Wert von knapp 2000
Franken
erbringt. "Unter dem Strich weist die Stadt für diese
Veranstaltung
einen Ausgabenüberschuss aus." Der SP-Gemeinderat will dieses
Engagement jedoch "keineswegs" in Frage gestellt haben: "Es ist
wichtig, dass die Stadt derartige Anlässe unterstützt."
Schwierige Verhandlungen
Ebenso wichtig ist es für den SP-Mann aber auch, dass "politische
Kundgebungen auch kurzfristig stattfinden können - im Rahmen der
jeweiligen Vorgaben". So habe er etwa auch die Pro-Schwarzschwan-Demo
innerhalb einer Woche bewilligt.
Er könne den Unmut von Walter Leibundgut sehr wohl verstehen, sagt
Peter Siegenthaler. Zumal es nicht immer einfach sei, mit den
Aktivisten aus der linksautonomen Szene zu verhandeln. "Aber die
Demo-Veranstalter sind beispielsweise wie von uns angeordnet
früher
losmarschiert, als sie geplant hatten - um eben eine Kollision mit dem
Stadtkriterium zu verhindern."
Gleichzeitig verwahrt er sich gegen den Vorwurf, mit der Bewilligung
der Demonstration auch die anschliessende Hausbesetzung in Kauf
genommen zu haben. Leser hatten dies in einem Brief an diese Zeitung
suggeriert. "Das geschah nach Abschluss und Auflösung des
Demo-Zugs",
betont Siegenthaler.
Polizei-Grossaufgebot?
Er ist überzeugt, dass die Aktivisten auch marschiert wären,
wenn er
die Bewilligung für die Demonstration nicht erteilt hätte.
"Dann hätte
ich ein Aufgebot von mehreren hundert Polizisten anfordern
müssen",
sagt er. "Das hätte nicht nur ungleich mehr gekostet, als das
Begleiten
der 60-köpfigen Demonstrantengruppe. Es hätte auch das
Stadtkriterium
beeinträchtigt." Zudem, betont Siegenthaler, seien die bewilligte
Demonstration und das Stadtkriterium "ohne jede Friktion" nebeneinander
abgelaufen.
Marco Zysset
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PRANGER
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NZZ 18.7.09
Herausgegriffen
Bern im Pranger-Fieber
nn. Für einmal waren die Berner schneller als alle
anderen: In der
Nacht nach dem Fussball-Cup-Final verwandelten die Anhänger des FC
Sion
und der Young Boys die Bundesstadt in ein Schlachtfeld, und nur zwei
Tage später stellte die Kantonspolizei Fahndungsbilder einiger
Randalierer online. 22 Hooligans konnte die Polizei dank dem
Internet-Pranger überführen - ob des Fahndungserfolgs
erinnerte sich
niemand mehr daran, dass die Berner Polizisten (anders als die Beamten
anderer Kantone) proaktiv und nicht erst nach Ausschöpfung
konventioneller Fahndungsmethoden zum Pranger gegriffen hatten.
Seither ist in Bern ein eigentliches Pranger-Fieber ausgebrochen.
So
veröffentlichte der Betreiber der Marzilibahn hinter dem
Bundeshaus
unlängst eine "Fahndungsfoto" eines Schwarzfahrers, der von einer
Überwachungskamera gefilmt worden war. In einem Schreiben bat die
Stadtregierung die Bähnli-Betreiber, doch inskünftig mit den
regulären
Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Die Lust am
Internet-Pranger ergriff überraschend auch den sonst
unauffälligen
bernischen SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus. Der Magistrat will
säumige Gemeinden, die ihre Finanzpläne nicht fristgerecht
beim Kanton
einreichen, im Internet publizieren und den offenbar grassierenden
Schlendrian in Berner Gemeindeverwaltungen brandmarken.
Vor wenigen Tagen schliesslich haben anonyme Aktivisten der
Bundesstadt eine Art Guerilla-Aktion beschert. Auf wild angebrachten
Plakaten und Flyers fragen sie den Betrachter: "Wann stehen Sie am
Pranger?" Zudem sind der kantonale Polizeidirektor Hans-Jürg
Käser
(fdp.) oder der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp.)
mit
Bild zur "Fahndung" ausgeschrieben - wegen "Überquerens eines
Fussgängerstreifens bei roter Ampel" oder wegen
"ungebührlichen
Verhaltens". Dumm nur, dass im Kanton Bern die Einführung der
Videoüberwachung im öffentlichen Raum nicht per 1. Juli in
Kraft treten
konnte. Die für den Kampf gegen wildes Plakatieren zuständige
Gewerbepolizei hätte auch gleich die anonymen Täter aufgrund
der
Überwachungsbilder am Internet-Pranger outen können.
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BINZ
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NZZ 18.7.09
Kulturzentrum und Wohngemeinschaft auf Zeit
Ein Fabrikareal in der Binz ist seit drei Jahren besetzt - im Oktober
ist aber voraussichtlich Schluss
Seit dem Mai 2006 ist ein grosses Fabrikareal in der Binz in
Zürich
besetzt. Die Besetzung wurde bis anhin behördlich toleriert, doch
nun
plant der Kanton als Besitzer des Areals, die Fabrikhallen im Oktober
2009 abzureissen. Bis dann dürfen die Besetzer bleiben. Was
nachher
passiert, ist offen. Ein Besuch im "Kultur- und Wohnkollektiv" in der
Binz.
Wir reden in der "Juppieküche" über Stadtentwicklung
und "die Kultur
der Widerständigkeit", über "freie Lebensformen" und
"Nomadentum", über
Selbstverwaltung, Respekt und Solidarität. Einer sagt: "Die Stadt
gehört auch uns. Wir lassen uns nicht einfach so vertreiben." Ein
Spatz
pfeift durchs offene Dachfenster herein. Eine Bühnenmalerin hat
grossflächig einen blauen Himmel an die Wand gemalt, auf einem
Podest
ist eine Badewanne installiert. Der Blick schweift vom
Industriegelände
übers Bahngleis zurück ins riesige Hallenareal. Unten wird
gehämmert
und geschraubt, ein Auto hängt in der Luft, eine Holzinstallation
drängt sich quer durch den Raum, Traktoren und Wohnwagen stehen da
und
vieles mehr, was Menschen in den letzten drei Jahren geschaffen und
herangefahren haben. Es ist bunt, lebendig und kreativ. Andere
würden
es chaotisch nennen. Sicherlich aber eine heftige Ballung an visuellen
Impressionen.
Nulltoleranz bei harten Drogen
Die "Juppieküche" ist ein Hochsitz in der Oberen Halle des
Fabrikareals an der Üetlibergstrasse 111/111a. Im Mai 2006 sind
die
weitgehend ungenutzten Gebäude besetzt worden. Seither wohnen rund
40
Menschen hier, weitere 100 arbeiten regelmässig in den
Räumlichkeiten
an Projekten. Sie sind zwischen drei und sechzig Jahre alt, die meisten
sind handwerklich oder künstlerisch tätig. Werkstätten,
Künstlerkollektive, Theatergruppen, Filmprojekte - wer Ideen hat,
kann
sie ausprobieren oder mit den andern austauschen. Drei junge Maturanden
haben einst als Abschlussarbeit ein Floss gebaut, andere haben Schiffe
zwecks Atlantiküberquerung für die hohe See getrimmt, Autos
für die
Weltreise getunt oder eine kleine Gärtnerei angelegt.
Sie nennen sich "Familie Schoch", "ein Kultur- und
Wohnkollektiv", das
sich in der Tradition des Autonomen Jugendzentrums der achtziger Jahre
sieht, des Wohlgroth-Areals Anfang der neunziger Jahre oder des Areals
in der Kalkbreite, das im Winter 2003 besetzt wurde. "Wir wollen anders
leben, und wir würden es auch weiteren Menschen wünschen,
dass sie es
anders machen könnten." "Anders machen" bedeutet flache
Hierarchien,
lose Organisation und viel Freiraum, um Ideen zu verwirklichen. Als
grundlegende Organisationsstruktur der "Familie Schoch" dienen sieben
Küchen. Um jede Küche gruppiert sich eine Wohngemeinschaft.
Neu
aufgenommen wird, wer sich über einen internen Kontakt empfiehlt
und
von der wöchentlichen Vollversammlung akzeptiert wird. Es gilt
Nulltoleranz bei harten Drogen, Diebstahl oder gewaltsamen
Übergriffen.
Zwei mussten deshalb schon gehen. Die "Familie Schoch" würde gerne
in
der Binz wohnen bleiben. Doch die Tage scheinen gezählt.
Freestyle-Anlage scheiterte
Die Hallen wurden 1894 erbaut. 1983 erwarb sie der Kanton
Zürich aus
dem Nachlass der Color Metal AG. Erst wollte er sie als
Datenverarbeitungszentrum oder als Bezirksgefängnis nutzen. Diese
und
andere Projekte scheiterten an baurechtlichen Hindernissen. Zuletzt
bodigten Einsprachen aus der Nachbarschaft einen Freestyle-Park, den
die Stadt installieren wollte. Die Stadt hatte für dieses Vorhaben
schon einen Gebrauchsleihvertrag mit dem Kanton abgeschlossen, als im
Frühsommer 2007 das Projekt Freestyle-Park endgültig
aufgegeben wurde.
Die Besetzer durften bleiben, "nicht legal, auch nicht illegal,
geduldet", wie sie sagen.
Im Juni dieses Jahres lief der Gebrauchsleihvertrag aus. Der
Kanton
hatte schon am 9. April ein Submissionsverfahren zum Abbruch der
Gebäude im Amtsblatt publiziert. Im Juli sollte eigentlich damit
begonnen werden. Unterdessen aber haben die Bewohner eine
mündliche
Zusage ausgehandelt, dass sie bis Ende November 2009 bleiben
können,
wie Thomas Maag, Informationsbeauftragter beim Kanton, bestätigt.
Wenn
der künftige Baurechtsnehmer darauf besteht, das Gelände
geräumt und
von Altlasten saniert zu übernehmen, dürfte Anfang Oktober
mit dem
Abbruch begonnen werden. "Davon kann man ausgehen", sagt Maag.
Obwohl die Partnerschaft zwischen Stadt und "Familie Schoch" eine
angenehme war, wie beide Seiten betonen, dürfte sich die Stadt
kaum für
den Fortbestand des Projektes engagieren, wie der Stadtrat in seiner
Antwort auf eine schriftliche Anfrage aus dem Gemeinderat schreibt:
"Der Kanton ist Eigentümer des Areals, und der Stadtrat sieht
keinen
Grund, sich in dessen Verkaufskonditionen einzumischen." Im Weiteren
sieht er "keine Notwendigkeit, das Gespräch mit dem Kanton zu
suchen",
und "begrüsst grundsätzlich, wenn das Grundstück im
Baurecht für
Wohnungsbau" abgegeben würde. "Das Grundstück wird dem
meistbietenden
Baurechtsnehmer überlassen", heisst es beim Kanton.
"Wir wollen nicht, dass diese Gebäude abgerissen werden,
solange kein
bewilligtes Neubauprojekt realisiert wird", sagt ein Vertreter der
"Familie Schoch". Es gebe genügend Beispiele, dass vorzeitig
geräumt
worden sei und die Liegenschaften danach ungenutzt geblieben seien. Die
Maximalforderung der Besetzer lautet, "die Teilparzelle WD8081 ohne
zusätzliche Auflagen an die jetzigen Benützer/Innen für
40 Jahre zu
einem Baurechtszins von total Franken 1.-" zu übergeben, wie es im
Internet unter www.binzbleibtbinz.ch
in einer Petition an Kantonsrat
und Baudirektion heisst.
Die Nomaden ziehen wohl weiter
Sollte diese Forderung scheitern, wollen sie möglichst
früh den
künftigen Baurechtsnehmer kontaktieren, um ein Bewusstsein
dafür zu
schaffen, was in den letzten drei Jahren geschehen ist. "Hier wohnen
nicht einfach dumpfe Freaks in irgendwelchen Löchern. Es entsteht
etwas
Positives. Trotzdem erwarten wir nicht, dass uns die Hausbesitzer gerne
haben. Aber wir wollen ernsthafte Verhandlungen ohne das Vorschieben
von vermeintlichen Sachzwängen." Der Kanton indessen bleibt
bezüglich
Verhandlungsspielraum skeptisch: "Dies wird nicht möglich sein,
weil es
sich um eine Abbruchliegenschaft handelt und eine Altlastensanierung
notwendig sein wird", sagt Maag. Mitte August trifft sich das
zuständige kantonale Immobilienamt mit den Besetzern, um sie
über den
aktuellen Stand und das weitere Vorgehen zu informieren.
Vom Hochsitz der "Juppieküche" gelangen wir über
Terrassen, Leitern,
Hängebrücken, vorbei an privaten Räumen der Bewohner,
über Treppen und
durch schmale Luken auf die Dachterrasse. Hier oben gibt es eine
Glaskuppel aus alten Fensterscheiben, diverse Nischen zum Grillieren,
eine Holzinstallation, Avocadobäumchen - alles ist "so verschieden
wie
die Menschen, die es geschaffen haben". Wir reden über die soziale
Verantwortung der Stadtregierung und auch darüber, welche
Auswirkungen
dieses Projekt auf Kultur, Politik oder Sport über die Binz hinaus
wohl
haben wird. Für die Besetzer ist klar: Wenn sie gehen müssen,
ziehen
sie ein ungenutztes Gebäude weiter und versuchen dort von neuem,
ihr
eigenes Leben zu gestalten. Moderne Nomaden eben.
Walter Aeschimann
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BIG BROTHER INTERNET
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Bund 18.7.09
Bei Bedarf soll die Polizei Verdächtige auch im Internet
überwachen können
Weitere Pläne für Web-Kontrolle
Beim Surfen und Telefonieren im Web will der Bund dabei sein. Weitere
Eingriffe sind geplant, obwohl alte Vorgaben für weniger
aufwendige
Massnahmen nur mangelhaft umgesetzt wurden.
Christian Bütikofer
Das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) plant die vollständige
Überwachung der Internetnutzung von in Strafverfahren
verdächtigten
Leuten. Dies machte die "Wochenzeitung" am Donnerstag publik und
veröffentlichte vertrauliche Dokumente. Ab diesem August
müssen sich
gemäss der neuen Richtlinie alle Internetprovider technisch
aufrüsten
und vom Bund zertifiziert werden - Zeit bleibt ihnen dafür bis
Ende
Juli 2010.
Für die kommende Echtzeitüberwachung des Internetverkehrs
werden die
Kosten hauptsächlich den Providern aufgebürdet. "Dazu sind
kleine
Unternehmen finanziell gar nicht in der Lage", sagt Fredy Künzler,
Chef
des Internetproviders Init7. Er kritisiert die kurze
Anhörungsfrist von
bloss drei Wochen, die Geheimnistuerei, und meint zudem:
"Abhörversuche
sind durch Verschlüsselung der Daten sehr einfach zu umgehen."
(siehe
Box)
Guido Balmer, Sprecher des EJPD, begründet die Vertraulichkeit des
Dokuments: "Der Inhalt war im Interesse der
Strafverfolgungsbehörden
nicht für die Öffentlichkeit bestimmt", denn es würden
im Dokument auch
prozessuale und technische Informationen erwähnt. Zudem habe die
neue
Richtlinie einen langen Vorlauf gehabt. Das sei nichts Spezielles. Die
Anhörung der Provider stelle sozusagen den Zieleinlauf dar.
Was heisst "Echtzeitüberwachung" konkret? Dem "Bund" ist ein Fall
beim
Provider Sunrise bekannt. Aufgrund eines richterlichen Beschlusses
musste die Firma einem Kunden statt einen normalen DNS-Server einen
zuweisen, der direkt von Bundesbeamten überwacht wurde. Fortan
konnten
die Beamten die Aktivitäten des Verdächtigen mitverfolgen.
Die
Informationsperson aus dem Umfeld von Sunrise bezweifelt, dass neue
Richtlinien solche Aktionen einfacher machten: "Für jeden
Einzelfall
ist das sehr aufwendig."
Laut Guido Balmer sind Echtzeitüberwachungen heute sehr aufwendig,
weil
man mit jedem Provider einzeln eine Lösung finden müsse.
Deshalb soll
nun die Richtlinie hier eine bessere Handhabe schaffen.
Überlastete Überwacher
Ob eine neue Richtlinie strukturelle Probleme löst, ist fraglich.
Denn
bis heute hat das EJPD Probleme, bereits seit Jahren bestehende
Vorgaben zur Überwachung von Internetaktivitäten in die Tat
umzusetzen.
So berichtet ein Insider der Provider-Szene: "Bis heute sind einige
Internetprovider noch nicht einmal in der Lage, die E-Mail-Header zu
speichern, weil das EJPD die dazu notwendigen Implementationen und
Tests noch gar nicht durchgeführt hat." E-Mail-Header sind
Angaben, wo
man etwa sieht, über welche PCs im Web die Mails verschickt
werden.
Seit 2003 müssten alle Provider solche Daten für eine gewisse
Zeit
sichern. Guido Balmer bestätigt, dass hier ein Problem bestehe.
Handys separat behandelt
In der bekannt gewordenen neuen Richtlinie fehlt UMTS - durch UMTS
kommunizieren wir heute übers Handy, laden Programme aufs iPhone
herunter. Immer mehr Leute benutzen Abonnemente bei Swisscom, Orange
und Sunrise, um damit mit ihren Laptops im Web zu surfen. Warum also
fehlt diese Technologie? Balmer bestätigt, dass UMTS in der
vorliegenden Richtlinie nicht erwähnt wird. Diese Richtlinie sei
aber
nicht die einzige und nicht die letzte. Näher wollte er darauf
nicht
eingehen. Die bekannt gewordenen vertraulichen Dokumente sind demnach
nicht die einzigen geheimen Massnahmen zur Internet-Überwachung in
der
Schweiz.
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DATENSCHUTZ
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Sonntag 19.7.09
Datenschützer schlagen Alarm
In kaum einem Kanton sei der gesetzliche Auftrag zu erfüllen:
wegen massivem Personalmangel
In den beiden Basel steht der Datenschutz noch gut da. Dennoch: Er ist
unterdotiert und kann kaum aktiv handeln. Bes serung ist vorerst keine
in Sicht.
Von Daniel Ballmer
Es war Anfang März, als Bruno Baeriswyl für Schlagzeilen
sorgte. Der
Zürcher Datenschützer hatte bekannt gemacht, dass
Krankenkassen und
Spitäler mit dem Einsatz so genannter "Fallmanager" das
Arztgeheimnis
systematisch unterlaufen. Diese Kassenvertreter hatten oft
umfangreichen Einblick in Patientendaten - grösstenteils ohne die
Einwilligung der Patienten. Damit verstiessen Zürcher
Spitäler und
Kassen gegen das Datenschutzgesetz.
"Aus dem Baselbiet sind uns keine solchen Fälle bekannt",
hatte Ursula
Stucki damals festgehalten. Gleichzeitig aber hatte die Baselbieter
Datenschutzbeauftragte eingeschränkt, dass die Situation nicht
abschliessend zu beurteilen sei. Das hat seinen Grund: "Uns fehlen die
Ressourcen, um professionelle Kontrollen durchzuführen."
Baselland ist damit kein Einzelfall - im Gegenteil. "Der Datenschutz
ist in den meisten Kantonen unterdotiert und kann im Grunde seine
gesetzlichen Aufgaben kaum wahrnehmen", sagt Stucki. Dem pflichtet ihr
Basler Kollege Beat Rudin bei: "Über weite Bereiche wird der
Datenschutz in der Schweiz noch immer sehr stiefmütterlich
behandelt."
Dies lässt sich mit Zahlen belegen: Zur Umsetzung von
Schengen/Dublin
wurden 2008 Daten aus allen Kantonen erhoben. "Dabei haben wir den
minimalen Personalbestand berechnet zur Erfüllung des gesetzlichen
Auftrags", sagt Rudin. Massgebend seien Kriterien wie die Grösse
des
Kantons, seine Urbanität oder die Zahl der Gemeinden.
Ein paar Beispiele: Die Datenschutzstelle des Kantons Zürich
sollte
demnach über 1400 Stellenprozente umfassen; tatsächlich sind
es
zusammen mit der Stadt Zürich unter 1100 Prozent. Im Kanton Bern
sollten es fast 900 Stellenprozente sein. Es ist neu zusammen mit den
Gemeinden rund die Hälfte. Und in den beiden Basel wären
jeweils 350
Stellenprozent angesagt. Rudin betont: "Das sind Minimalbestände.
Mit
weniger ist eine Aufsicht nicht wirksam."
Der Baselbieter Datenschutz umfasst heute 2,7 Stellen plus ein
Volontariat, mit denen die Kantonsverwaltung, Spitäler, Polizei,
Institutionen sowie die Spitex und 86 Gemeinden beaufsichtigt werden
sollen. Der Basler Datenschutzbeauftragte hat zurzeit 285
Stellenprozente zur Verfügung. Im Herbst kommt eine
Volontariatsstelle
hinzu. Mit vier oder fünf anderen Kantonen liegen die beiden Basel
also
knapp unter dem Minimalbestand. "Die Einäugigen unter den
Blinden",
kommentiert Rudin. In rund einem Drittel der Kantone dagegen sei die
Situation "ungenügend".
"Sollen wir regelmässig wirksame Kontrollen
durchführen, brauchen wir
auch in Basel-Stadt künftig mehr Ressourcen", betont Rudin, weist
aber
darauf hin, dass das Basler Parlament in dieser Hinsicht Offenheit
gezeigt hat. Bis heute war Zürich der einzige Kanton, in dem der
Datenschutz tatsächlich Kontrollen durchführt. "Aufgrund des
hohen
Aufwands kommt aber auch hier eine Amtsstelle durchschnittlich nur alle
15 Jahre an die Reihe", sagt Rudin. In gewissen Bereichen sei dies klar
zu wenig. Der Datenschutz habe einfach keine Lobby, bedauert Stucki.
"Oft gelten wir als Verhinderer, obwohl wir meist nur auf geltendes
Recht hinweisen."
Und doch. Es tut sich etwas. Weil sich etwas tun muss. "Wegen
Schengen
wird der Datenschutz für die Schweizer Politiker gezwungenermassen
allmählich zum Thema", sagt Rudin. "Von der EU musste man sich
eine
relativ lange Liste vorhalten lassen mit Massnahmen, die noch zu
ergreifen sind." Und auch die Bevölkerung sei zunehmend
sensibilisiert.
Schlagworte: biometrischer Pass, Fichenaffären oder im Ausland
bekannt
gewordene Fälle von Datenklau. Immerhin hätten heute alle
Kantone ein
Datenschutzgesetz, ergänzt Stucki.
Kehrseite der Medaille: Mit Schengen kämen auf den Datenschutz
zusätzliche Aufgaben zu, deren Aufwand teilweise noch schwer
abzuschätzen sei. "In gewissen Kantonen aber ist der Datenschutz
noch
immer kaum ein Thema", sagt Rudin. "Und der Druck auf sie ist noch
immer begrenzt." Die Situation dürfte sich vorerst also noch eher
verschärfen, bevor die Datenschützer auf Besserung hoffen
dürfen.
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HOOLIGAN-GRIPPE
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nzz.ch 18.7.09
Mit Minikameras gegen Hooligans
Schweizer Premiere bei Polizei im Tessin
Im Kampf gegen Hooligans sollen Polizisten im Tessin vom Herbst an bei
Sportereignissen probeweise Minikameras tragen.
(sda) Im Tessin sollen ab Herbst Polizisten bei sportlichen
Grossveranstaltungen versuchsweise mit Minikameras ausgerüstet
werden.
Es handelt sich um eine Schweizer Premiere.
Einen entsprechenden Vorschlag habe der Kommandant der Tessiner Polizei
der Regierung unterbreitet, bestätigte Polizeisprecher Marco Frei
einen
Bericht der Westschweizer Tageszeitung "Le Temps". Die Regierung
müsse
sich dazu noch äussern.
Während des Sommers müssten noch juristische Fragen, etwa zum
Datenschutz, geklärt werden. Im Herbst könnten dann die Tests
beginnen.
Wie es dann weitergehe, sei noch nicht festgelegt.
Bisher haben einige Kantone Gesetzesgrundlagen für den Einsatz von
Videokameras bei Sportgrossanlässen geschaffen. Minikameras, wie
sie im
Tessin vorgesehen sind, kamen noch nicht zum Einsatz. Sie sollen am
Ohrbügel des Kopfhörers befestigt werden.
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RAUCHVERBOT
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Sonntagszeitung 19.7.09
Das Nachtleben riecht jetzt nach Knoblauch und Schweiss
In Berner Klubs darf seit dem 1. Juli nicht mehr geraucht werden - die
Betreiber müssen umdenken
Für die Schweizer Partyszene war das Rauchverbot in Klubs bisher
mehr
eine Mär denn Realität; man pflegte über New Yorker oder
Londoner zu
kichern, die ohne Glimmstängel und jegliches Rock-n'-Roll-Feeling
durch
die Nächte feiern.
Damit ist Schluss. Seit der Kanton Bern am 1. Juli das Rauchverbot
für
"sämtliche öffentlich zugänglichen Räume" erlassen
hat, ist Bern die
erste grössere Schweizer Partystadt, die ohne Glimmstängel
auskommt.
Bilanz der ersten Wochen: Das Partyvolk hat sich im Gegensatz zu ein
paar frechen Emmentaler Wirten, die sich das neue Gesetz nicht gefallen
lassen wollen - so berichtete diese Woche "10 vor 10" -, an das Verbot
gehalten. Selbst in der alternativen Reithalle, die wahre
Raucherhöhlen
besass, ging der Wechsel von der Zigi zum Kaugummi problemlos über
die
Bühne. Zumal es für die meisten Gäste nicht unangenehm
ist, im Sommer
draussen zu rauchen.
Trotzdem: Viele Berner Veranstalter werden in den nächsten Monaten
mit
den Nebenwirkungen des Nichtrauchens zu kämpfen haben. In der
engen
Aarbergergasse in der Altstadt etwa, wo sich der Klub Bonsoir und
mehrere Bars befinden, wird nachts mehr denn je auf der Strasse
geraucht, der Lärm ist beträchtlich. Mehr Türsteher
müssen für Ordnung
sorgen, weil die Raucher ständig zwischen dem Innen- und
Aussenraum
hin- und herwechseln.
Pipo Kofmehl, Geschäftsleiter der gleichnamigen Kulturfabrik in
Solothurn, kommt das bekannt vor. Das Rauchverbot gilt in seinem
Betrieb seit August 2008, damit ist er Deutschschweizer
Nichtraucher-Klub-Pionier. "Das Nichtrauchgesetz führt nicht dazu,
dass
der Partygänger zum Nichtraucher wird. Deshalb müssen wir
mehr Ideen
denn je generieren, um das Gesetz, die Raucher und das
Partyvergnügen
zu vereinen." In der Übergangsphase vor einem Jahr habe man
Kaugummizigaretten verteilt, das sei richtig lustig gewesen. Dann wurde
es ernst: Das seit dem Verbot eingerichtete Raucherzelt vor dem Klub
störte die Schlafenden im nahen Anwohnerquartier, also wurde ein
gesetzlich erlaubtes Fumoir eingerichtet. Jetzt wird wieder drinnen
geraucht, in einem einzigen Raum, was jetzt nach der neu entdeckten
frischen Luft wiederum auch nicht befriedigend sei.
Und dann ist da noch der Geruch: In rauchfreien Klubs reicht
französisch Duschen ab sofort nicht mehr. Die Klubbetreiber
bestätigen,
dass der Kenner diverse Schweissnoten durchaus erkennt, genauso zuvor
eingenommene Knoblauchspeisen oder schlechte Parfüms. Eine
Nebelflüssigkeit, die sogenannte Discomischung, die mit
Kaugummigeschmack aufgepeppt ist, überdeckt jetzt Gerüche im
Kofmehl.
Auch Lichttechniker sind in Zukunft gefordert: Ohne Zigarettenrauch
werden Scheinwerfer und Discokugeln nicht mehr so chic reflektiert -
der Underground-Charakter ist weg. Also müssen die Klubs mehr
Nebelmaschinen denn je einsetzen.
Dass die Leute weniger ins Gespräch kommen, weil man nicht mehr
"Hesch
e Zigi?" fragt, will Kofmehl nicht bestätigen. "Das ist doch eh
eine
billige Anmache."
Claudia Schmid
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Wo man rauchend feiern darf - und wo nicht
Das Rauchverbot zeigt sich so vielfältig wie das Partyangebot.
In den Kantonen GR, TI, BE, SG, NE, UR, SO, FR und AR ist die Regelung
"Schutz vor Passiv-rauchen" in Kraft, beim Rest der Schweiz herrscht
fröhliches Beschliessen und Planen. Wer in Zürich feiern
möchte, sollte
sich das Rauchen voraussichtlich Anfang 2010 abgewöhnen, in Basel
bis
1. April 2010. Dort besteht die Möglichkeit, einen Member-Club zu
gründen, ein System, das auch in Berlin existiert: Je nach Club
ist es
dort als "Vereinsmitglied" möglich zu rauchen.
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NEONAZIS BE
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BZ 18.7.09
Räumen? Ja, gern!
Auf dem Langenthaler Porzi-Areal gehen bekannterweise auch
rechtsextreme Gestalten ein und aus: In einem Raum neben der
Brockenstube haben sich Anhänger der Partei national orientierter
Schweizer Langenthal und ihre Gesinnungsgenossen eingenistet - so
frönen Rassisten und Rechtsrocker dort regelmässig der
lautstarken
Geselligkeit. Zum Leidwesen der Anwohner zwar, doch die Vermieterin und
Besitzerin der Brockenstube scheints nicht weiter zu stören. Und
nun
dies: "Hausräumungen, Entsorgungen, Abholdienst" bietet Mosimann's
Brockenstube per Inserat im jüngsten Amtsanzeiger an. Ja, warum
denn in
die Ferne schweifen, wenn das Übel liegt so nah? Wo es doch in
unmittelbarer Nachbarschaft so viel zu räumen gäbe…
khl
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RÜTLI
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Sonntagsblick 19.7.09
Neo-Nazis wollen am 2. August aufs Rütli
Die Rechtsradikalen marschieren auch in diesem Jahr aufs Rütli. Da
ihnen die Veranstalter den Zutritt zur offiziellen Bundesfeier
verwehren, weichen sie auf den 2. August aus. Die rechtsradikale Partei
National Orientierter Schweizer (PNOS) ruft auf ihrer Website zum
"eigenen Nationalfeiertag" der "Erneuerungsbewegung" auf.
Die Urner Polizei ist für den Aufmarsch der Neo-Nazis vorbereitet.
Sie
rechnet mit einigen Hundert Extremisten, die aufs Rütli pilgern
könnten. "Allfällige Gesetzesverstösse werden wir
ahnden", sagt der
Urner Sicherheitsdirektor Josef Dittli laut der "Neuen Luzerner
Zeitung".
Schon vor einem Jahr begingen die Neo-Nazis ihre eigene
Rütlifeier. Am
3. August 2008 marschierten rund 300 Rechtsradikale auf die
Nationalwiese.
Joël Widmer
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HETEROSEXISMUS
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Sonntagszeitung 19.7.09
Schockwerbung: Mit dem Panzer gegen Schwule
Schokoriegel-Hersteller wirbt mit gewaltverherrlichendem Spot - jetzt
reagiert der Konsumentenschutz
Zürich Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) hat eine
Beschwerde bei
der Schweizerischen Lauterkeitskommission einge-reicht, auch
Werbeprofis sind befremdet: In Spots für den Schokoriegel Snickers
werden ein offenkundig schwuler Jogger und ein wehleidiger Fussballer
als "lahme Ente" und "Memme" beschimpft, mit einem Panzer bedroht und
angegriffen.
"Du bist eine Schande für die Männerwelt", heisst es in einem
der
Filmchen, die sich an Kinder und Jugendliche richten. Die Botschaft von
"Mr. T" aus der TV-Serie "A-Team": Iss Snickers, werde "ein richtiger
Mann". Die Spots sind auf einer Website zu sehen, zu der Links von viel
besuchten Schweizer Nachrichtenportalen führen. Eines der Filmchen
war
auch als Fernsehspot zu sehen.
"Die Filme sind schockierend", sagt SKS-Geschäftsleiterin Sara
Stalder:
"Aggressive und gewalttätige Darstellungen haben in
Werbekampagnen, die
sich an eine junge Zielgruppe wenden, nichts zu suchen." Die
Schwulenfeindlichkeit sei "besonders abstossend".
Daher hat die SKS eine Beschwerde gegen den Hersteller von Snickers,
den Lebensmittelkonzern Mars, eingereicht. Die Lauterkeitskommission
soll prüfen, ob die Filmchen den Werbekodex der Internationalen
Handelskammer verletzen.
"Die Spots sind bedenklich, wenn man an die jüngsten Gewaltexzesse
von
Jugendlichen denkt", sagt Urs Schneider, Vorstandsmitglied des Verbands
Schweizer Werbung. Michael Waldvogel, Präsident der Allianz
Schweizer
Werbeagenturen, stört sich an der "Gewaltverherrlichung" in der
Kampagne: "Hoffentlich schmecken Snickers nicht wie Kanonenfutter!"
Schlicht "peinlich" sind die Filmchen für Pius Walker, "Werber des
Jahres 2008": "Mit einer Abmahnung könnte die
Lauterkeitskommission die
Verantwortlichen vor sich selbst schützen."
Verena Krummenacher von Mars Schweiz sagt, sie habe noch keine Kenntnis
von der Beschwerde und könne "keinen Kommentar dazu abgeben". Der
Mutterkonzern scheint sich um Kinderschutz mehr zu kümmern: Auf
der
internationalen Site der SnickersKampagne muss der Nutzer sein
Geburtsdatum eingeben - Kinder, die jünger sind als 12 Jahre,
sollen
keinen Zugang haben.
Sebastian Ramspeck
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Weitere Beschwerden wegen Kinder-Werbung
Auch gegen Migros, Lego und Kraft Foods hat die SKS Beschwerden bei der
Lauterkeitskommission eingereicht. Bei diesen Eingaben geht es
ebenfalls um Werbung für Kinder und Jugendliche. Lego zeige in
Internet-Filmchen Spielzeugfiguren, die sich von selbst bewegten. Mit
einer solchen Vermischung von Realität und Fiktion drohe die
Leichtgläubigkeit von Kindern ausgenutzt zu werden. Migros wird
für
eine Anzeige zur Sammelbilder-Aktion "Stickermania" kritisiert, Kraft
Foods für ein Inserat für das Schokopulver Suchard Express.
In beiden
Fällen würden Kinder dazu animiert, ihre Eltern zum Kauf
eines Produkts
zu überreden.