MEDIENSPIEGEL 14.8.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- RaBe-Info 14.8.09
- Demo-Recht: Keine Verschärfung im Stadtrat
- Binz ZH: Kantons-Ultimatum
- Big Brother Video Basel
- BRD: Englische Nazi-Parolen legal

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REITSCHULE
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So 16.08.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ

Di 18.08.09
22.00 Uhr - Hofkino - BROTHER, WHERE ART THOU?, Joel Coen, USA 2000, 106min, DVD, OV/d

Infos: www.reitschule.ch

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RABE-INFO 14.8.09
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Rabe-Info 14. August 2009
http://www.rabe.ch/pod/get.php?web=RaBe-Info-2009-08-14-53793.mp3
- Steckweg 13 in der Lorraine ist wieder belebt
- Der Kanton Bern übernimmt Pionierrolle in der Schaffung von Lohngleichheit
- Der Europarat unterstützt das Luzerner Zentrum für Menschenrechtsbildung

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DEMO-RECHT
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Bund 14.8.09

Kein schärferes Demo-Recht

Stadt Bern Zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren hat der Berner Stadtrat eine Verschärfung des Kundgebungsreglements abgelehnt. Mit der Ablehnung der rechtsbürgerlichen Volksinitiative "keine gewalttätigen Demonstrationen" wird nun das Volk an der Urne über die Einführung des sogenannten Entfernungsartikels entscheiden. Mit diesem Passus könnte die Polizei Personen büssen, die sich trotz Aufforderung nicht von einer Kundgebung entfernen. Die Linke und eine Mehrheit der GFL/EVP-Fraktion zweifelten an der Umsetzbarkeit des Artikels. (bob)

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Demo-Recht kommt vors Volk

Zum dritten Mal innert fünf Jahren lehnt der Berner Stadtrat die Einführung eines Entfernungsartikels ab

Das Stadtberner Parlament lehnt die Initiative "Keine gewalttätigen Demonstrationen" ab. Damit entscheidet das Volk, ob sich in der Stadt Bern strafbar macht, wer sich trotz polizeilicher Aufforderung nicht von einer Kundgebung entfernt.

Bernhard Ott

Die Vorzeichen der gestrigen Debatte deuteten auf ein knappes Resultat hin: Der Stadtrat hat die Einführung des sogenannten Entfernungsartikels in den Jahren 2004 und 2008 bereits zweimal abgelehnt. Das Bundesgericht wiederum hat jüngst aber eine Beschwerde gegen die Einführung des Artikels im Ortspolizeireglement der Stadt Thun abgewiesen. Die Richter in Lausanne befanden, dass der Artikel die Grundrechte nicht verletze. Die Stadtberner Initiative wurde von rechtsbürgerlichen Kreisen unter dem Eindruck der Ausschreitungen an der Anti-SVP-Demonstration vom 6. Oktober 2007 lanciert und kam innert nützlicher Frist zustande. Mit dem Entfernungsartikel riskiert eine Busse bis zu 5000 Franken, wer sich sich trotz polizeilicher Aufforderung nicht von einer Demonstration entfernt.

SP und GB blieben hart

Eine Mehrheit der vorberatenden Kommission empfahl die Annahme der Initiative. Christine Michel (gb) gab seitens der Kommissionsminderheit jedoch zu bedenken, dass sich das Bundesgerichtsurteil bloss auf unbewilligte Demonstrationen beziehe. In der Stadt Bern machten sich mit der Einführung des Artikels aber auch die Teilnehmer bewilligter Kundgebungen strafbar. Als Sprecherin der Fraktion GB/JA sprach sich Michel für die Ablehnung der Initiative aus. "Es geht nicht darum, friedliche Teilnehmer zu büssen", konterte Tanja Sollberger (glp). Es gehe vielmehr um eine Handhabe gegen gewalttätige Rädelsführer. Rahel Ruch (junge alternative) bezeichnete eine Isolation von Gewalttätern aber als utopisch. Der Artikel sei nicht umsetzbar. Im Übrigen gebe es das Strafgesetz, um gegen Gewalttäter vorzugehen.

Support erhielt Linksgrün von der SP. Laut Fraktionssprecherin Corinne Mathieu habe sich an den grundsätzlichen Bedenken gegen die Einführung des Artikels nichts geändert: Es sei schwierig, an einer Demonstration zwischen Beteiligten und Unbeteiligten zu unterscheiden, sagte Mathieu. Die Auflösung einer Kundgebung sei eine Frage der Verhältnismässigkeit und müsse von der Polizei beurteilt werden. "Mit dem Entfernungsartikel ändert sich nichts", sagte Mathieu.

Gespaltene GFL gab Ausschlag

Ganz anders der Tenor bei den Bürgerlichen: Claudia Meier (bdp) lobte den Artikel als "effizientes Mittel". Damit werde der Druck auf die Organisatoren von Kundgebungen erhöht, für einen friedlichen Ablauf zu sorgen. Erich Hess (svp) betonte, dass die Polizei die Möglichkeit zum Eingreifen erhalten soll, bevor es zu Sachbeschädigungen komme. Dolores Dana (fdp) stiess ins gleiche Horn: Der Artikel biete der Polizei ein wirksames Instrument im Umgang mit gewalttätigen Kundgebungen. Die Linke lehne den Artikel aus "rein ideologischen Gründen" ab, wie dies auch bei der ablehnenden Haltung des Rats betreffend Videoüberwachung der Fall gewesen sei. Dana warf der GFL/EVP-Fraktion Wankelmütigkeit vor, da sie sich in der Presse für die Einführung des Artikels geäussert habe, im Rat aber zu kneifen drohe.

Gemeinderat Reto Nause (cvp) wunderte sich über die linke Opposition, wenn sich damit doch nichts ändere, wie Corinne Mathieu (sp) suggeriere. Der Artikel bringe eben doch etwas. Die Polizei könne heute unbewilligte Demonstrationen zwar auflösen, aber die Agitatoren nicht büssen. Das bisherige Reglement erlaube es der Polizei bloss, die Organisatoren zu büssen. Diese seien mit den Gewalttätern aber meist nicht identisch. Der Gemeinderat sei daher für den Artikel, sagte Nause.

Die GFL/EVP-Fraktion war tatsächlich gespalten. "Wir sind auch heute noch mehrheitlich kritisch eingestellt", sagte Nadia Omar. Bei der Umsetzung des Artikels werde der Willkür aber Tür und Tor geöffnet. Nach wie vor fehlten Beispiele für eine erfolgreiche Anwendung des Artikels. Mit 38 zu 33 Stimmen (bei einer Enthaltung) lehnte der Rat die Initiative ab. Die Mehrheit der GFL/EVP-Fraktion gab den Ausschlag. Nun hat das Volk das letzte Wort über den Entfernungsartikel.

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Demo-Recht vors Volk

Wenn eine Demonstration in der Stadt Bern in Gewalt auszuarten droht, soll die Polizei sie auflösen können. Eine im März eingereichte Volksinitiative will dafür einen Entfernungsartikel im Kundgebungsreglement einfügen. Der Stadtrat lehnte das Begehren gestern ab. Das Parlament wandte sich bereits zum dritten Mal gegen ein solches Instrument. Nun wird das Stimmvolk darüber befinden können.

Rot-Grün-Mitte argumentierte, Polizeiwillkür drohe, und die Versammlungsfreiheit werde eingeschränkt. Zudem sei die Umsetzung schwierig.

Sicherheitsdirektor Reto Nause hob den Nutzen hervor: Oft könnten gewalttätige Demonstranten nicht belangt werden. Neu würden jenen, die sich der Polizei widersetzten, Bussen bis 5000 Franken drohen. cab

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BZ 14.8.09

Stadtrat

 Demo-Initiative vors Stimmvolk

Der Stadtrat lehnt die Initiative "Keine gewalttätigen Demonstrationen" ab. Diese verlangt die Einführung eines Entfernungsartikels zur Auflösung ausartender Demos. Nun wird das Stimmvolk darüber befinden können.

Die von rechtsbürgerlicher Seite lancierte Initiative "Keine gewalttätigen Demonstrationen" geht auf den Tumult vom 6.Oktober 2007 in der Berner Innenstadt zurück. Sie fordert die Einführung eines Entfernungsartikels ins Kundgebungsreglement (vergleiche Kasten). Schon früher wurde versucht, das Instrument zur Auflösung eskalierender Demonstrationen in Bern einzuführen. Der Stadtrat lehnte dies gegen den Willen des Gemeinderats jedoch bereits zweimal ab. Dasselbe Verdikt gab es gestern, obwohl sich diesmal die vorberatende Kommission für das Volksbegehren aussprach: Mit 33 gegen 38 Stimmen bei einer Enthaltung wandte sich das Parlament gegen das Anliegen. Entscheidend war die Haltung der GFL, die mehrheitlich Nein stimmte. Nun wird das Stimmvolk das letzte Wort haben.

Angst vor Willkür

Wenn FDP-Sprecherin Dolores Dana richtig vermutet, wird der Ausgang an der Urne ein anderer sein: "Ich bin fast überzeugt, dass das Volk die Initiative annehmen wird."

 Die linksgrünen Bedenken gegen das Begehren fasste Christine Michel vom Grünen Bündnis zusammen: "Der Willkür wird Tür und Tor geöffnet. Alle Kundgebungsteilnehmer, ja sogar zufällig anwesende Passanten geraten unter Generalverdacht. Die Versammlungsfreiheit wird beschnitten."

Von beiden Seiten ausgeschlachtet wurde der Bundesgerichtsentscheid vom letzten Frühjahr, in dem ein ähnliches Instrument im Thuner Ortspolizeireglement als verfassungsmässig eingestuft worden ist. Linksgrün wies daraufhin, dass nur die Teilnahme an einer in Gewalt ausartenden, unbewilligten Demo zu ahnden wäre. Die Bürgerlichen sahen grünes Licht für die bernische Variante, die auch auf bewilligte Demonstrationen anwendbar ist.

Präventive Wirkung

Claudia Meier (BDP/CVP) begrüsste den Entfernungsartikel, weil er präventiv gegen Randale wirke. Dolores Dana beschwichtigte, die Polizei werde den Artikel verhältnismässig anwenden. Wie der Artikel der Polizei nützen würde, zeigte Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) auf: "Zwar kann die Polizei eine Demo, welche die öffentliche Sicherheit bedroht, bereits heute auflösen, sie kann die Agitatoren jedoch nicht bestrafen."

Christoph Aebischer

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Entfernungsartikel

Handhabe für die Polizei

Schon heute kann die Polizei eine eskalierende Kundgebung auflösen. Die rechtliche Grundlage erfordert jedoch ein umständliches Vorgehen. Mit dem Entfernungsartikel im Kundgebungsreglement, den so bis auf Thun noch keine andere Schweizer Stadt kennt, reicht die Aufforderung der Polizei aus, und die Demoteilnehmenden müssen sich zerstreuen. Bei Widerhandlungen drohen Bussen bis 5000 Franken. Im Einzelfall bleibt die Anwendung tückisch, weil die Aufforderung verstanden werden muss und der Zeitpunkt der Auflösung schwer zu bestimmen ist. Personen dürfen nur zur Personalienaufnahme und für erste Befragungen festgehalten werden.
cab

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BINZ ZH
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Tagesanzeiger 14.8.09

Ultimatum des Kantons an die Binz-Besetzer

Ende Oktober müssen die Besetzer der Fabrikhallen in der Binz definitiv ausgezogen sein. Das teilte gestern die kantonale Baudirektion mit. Der Kanton will die Fabrikhallen im November abreissen beziehungsweise zurückbauen lassen. Nur so sei es möglich, das belastete Grundstück auf Altlasten hin zu untersuchen, sagte Thomas Maag, Informationsbeauftragter beim Kanton. Die 1894 erbauten Hallen erwarb der Kanton 1983 aus dem Nachlass der Color Metal AG. Hier wurde früher Metall gegossen. Deshalb vermutet der Kanton Schwermetalle im Boden. Das Immobilienamt beabsichtigt, das Grundstück per Ende August 2010 verkaufen zu können.

Für die Besetzer endet mit dem Auszug ein dreijähriges Lebensexperiment. Dutzende Künstler, Schauspieler, Handwerker und Sportler nutzten das Areal. Um allfälligen Überraschungen vorzubeugen, hat der Kanton für den Auszug Spielregeln festgelegt. Auf die Offerte der Hausbesetzer, das Grundstück im Baurecht für 40 Jahre für einen Baurechtszins von 1 Franken zu übernehmen, geht das Immobilienamt nicht ein. Der Marktwert für das Grundstück belaufe sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag, und es könnten bis zu 100 Wohnungen realisiert werden, schreibt der Kanton. (mq)

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NZZ 14.8.09

Hausbesetzer in der Binz bis Ende Oktober geduldet

Fabrikhallen sollen abgerissen werden

 tri.  Seit Mai 2006 ist ein grosses Fabrikareal in der Binz in Zürich besetzt. Rund 40 Personen wohnen in der Liegenschaft an der Üetlibergstrasse 111, weitere 100 sind handwerklich und künstlerisch in den Räumlichkeiten tätig. Die Besetzung wurde bisher vom Kanton, dem Besitzer des Areals, toleriert - das hat nun ein Ende. Am Donnerstag haben Vertreter des kantonalen Immobilienamts die Hausbesetzer informiert, dass die Liegenschaft bis spätestens Ende Oktober geräumt sein muss. Überdies wurden die Spielregeln für den Auszug festgelegt, wie es in einer Mitteilung der Baudirektion heisst. Der Grund für die Räumung: Der Kanton möchte die baufällige Liegenschaft im November zurückbauen lassen, damit das im Kataster der belasteten Standorte eingetragene Grundstück auf Altlasten untersucht werden kann. Ziel des Kantons ist es, auf dem ehemaligen Grundstück der Color Metal AG neuen Wohn- und Gewerberaum zu schaffen. Bevor jedoch das Baurecht ausgeschrieben, verhandelt und dem Regierungsrat zur Genehmigung vorgelegt werden kann, müssen die Untersuchungsergebnisse vorliegen. Schliesslich wirken sich diese auf die Art der Überbauung der Parzelle aus. Das Baurecht soll gemäss Fahrplan des Immobilienamts per Ende August 2010 an den Erwerber übergeben werden. Wie Thomas Maag, Sprecher der Baudirektion, auf Anfrage sagte, haben die Besetzer den Entscheid zur Kenntnis genommen und "wohl auch akzeptiert". Auf die Offerte der Hausbesetzer, das Grundstück für 40 Jahre für einen Baurechtszins von einem Franken zu übernehmen, war das Immobilienamt nicht eingegangen. Der Marktwert dafür belaufe sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

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Zürichsee-Zeitung 14.8.09

Hausbesetzung

Kanton stellt ein Ultimatum

Die "Schochs" müssen das Binz-Areal Ende Oktober verlassen. Es droht die Räumung.

Nathan Lenzin

Nun ist es amtlich, die "Familie Schoch" muss bis Ende Oktober raus aus der besetzten Fabrik Binz in der Nähe des Sihlcity. Dies hat der Kanton gestern bekannt gemacht. Die Besetzer müssen ausziehen, weil das Gelände auf Altlasten untersucht werden muss. Thomas Maag, Mediensprecher der kantonalen Baudirektion, erklärte auf Anfrage, dass man ein "sachliches Gespräch in gutem Rahmen" mit einer Delegation der 40 Besetzer geführt habe. Der Kanton habe die Schochs aufgefordert, das Gelände per 31. Oktober in geräumten Zustand zu verlassen. "Wenn die Besetzer nicht gehen, müssen wir das Areal polizeilich räumen lassen", sagt Maag.

Besetzer wollen Expertenzuzug

In der Diskussion um den geplanten Abriss haben sich die beiden Seiten auf einen Kompromiss geeinigt. Es wird ein Treffen zwischen einem von den Besetzern vorgeschlagenen Experten und den kantonalen Geologen geben, wie ein Binz-Bewohner gestern Abend auf Anfrage bestätigte. Dieses Treffen soll klären, ob ein Abbruch tatsächlich notwendig sei, um eine Altlastenuntersuchung durchzuführen, wie der Kanton argumentiert. "Wir warten ab, bis wir diese zweite Expertenmeinung erhalten haben", sagte Nils, ein Bewohner, und fügt an: "Wir wollen hier noch bis nächstes Jahr bleiben."

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BIG BROTHER VIDEO
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Basler Zeitung 14.8.09

Basel wird auf Abruf überwacht

20 Überwachungskameras geplant

Philipp Loser

Um die Sicherheit in Basel-Stadt zu erhöhen, will die Polizei im öffentlichen Raum 20 Überwachungskameras installieren. Die Kameras sollen nur bei Bedarf eingeschaltet werden.

Einen Tag bevor die SVP Basel-Stadt ihr Massnahmenpaket für mehr Sicherheit in der Stadt präsentiert, geht Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (FDP) in die Offensive: Per "dringender Medienmitteilung" liess er die Öffentlichkeit gestern wissen, dass die Polizei an 20 neuralgischen Punkten in der Stadt fest installierte Überwachungskameras möchte. Während der Euro 2008 waren an den gleichen Stellen temporäre Kameras eingerichtet. "Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht", so Gass.

Grossanlässe

Die neuen, fix installierten Kameras sollen das Geschehen in der Innenstadt nicht ständig aufzeichnen, sondern nur auf Abruf genutzt werden: bei Grossveranstaltungen wie der Fasnacht beispielsweise, an der Herbstmesse, bei Fussballspielen oder Ähnlichem. Ausserdem soll die Staatsanwaltschaft auf die Kameras zurückgreifen können. "Wir wollen keinen absoluten Überwachungsstaat", beteuert Hanspeter Gass und verweist auf die enge Zusammenarbeit mit dem kantonalen Datenschutzbeauftragten Beat Rudin.

Kontrolle

Der Datenschutzbeauftragte hat eine entscheidende Rolle bei der geplanten Überwachung: Er wird die definitiven Kriterien absegnen, wann eine Kamera eingesetzt werden darf und wann nicht, und er wird für die "Überwachung der Überwacher" zuständig sein. "Da werden wir ganz genau hinschauen", sagt Rudin. In der geplanten Form hält der Datenschutzbeauftragte die Überwachung für gesetzeskonform. Er sei froh, plane Basel nicht wie die Behörden in St. Gallen. Dort wird seit Kurzem die gesamte Innenstadt permanent überwacht. Rudin: "Es wäre der GAU, wenn die Basler Kameras ständig aufzeichnen würden."

Um das Projekt zu realisieren, beantragt das Sicherheitsdepartement einen Kredit in der Höhe von 680 000 Franken, über den Regierung und Grosser Rat entscheiden. Die Reaktionen aus dem Parlament sind verhalten positiv. Einzelne Exponenten von Rot-Grün zweifeln allerdings daran, ob sich die Überwachung wirklich lohne. > Seite 19

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Ein kleiner grosser Bruder für Basel

Parteien können gut mit der geplanten Videoüberwachung leben

Philipp Loser

Mit grossem Widerstand aus der Basler Politik ist nicht zu rechnen: Die wichtigen Parteien haben nichts gegen die Überwachung der Innenstadt einzuwenden.

Noch bevor ein Franken des 680 000-Franken-Kredits gesprochen ist, präsentieren Polizei und Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (FDP) ein detailliertes Konzept, wann und wie die geplanten 20 neuen, fix installierten Überwachungskameras in der Innenstadt eingesetzt werden dürfen:

 > Grossveranstaltungen. Die Kameras filmen nicht ständig, sie werden bei "kulturellen, gesellschaftlichen oder sportlichen Anlässen" eingesetzt.

 > Staatsanwaltschaft. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens dürfen die Behörden auf die Kameras zurückgreifen.

 > Identifizierung. Personen dürfen nicht alleine mit den Aufnahmen der Kamera identifiziert werden können.

 > Kontrolle. Sämtliche Aufzeichnungen werden protokolliert und unterliegen der Kontrolle des Datenschutzbeauftragten.

 > Hinweis. An den überwachten Stellen müssen Passanten auf die Überwachung hingewiesen werden.

 > Löschung. Die Aufzeichnungen werden innert 24 Stunden gelöscht. Ausgenommen sind Aufnahmen, die in einem strafrechtlichen Verfahren gebraucht werden.

Dabei handelt es sich erst um ein provisorisches Konzept. Falls Regierung und Grosser Rat den Kredit für die 20 Kameras gutheissen, soll der Datenschutzbeauftragte das definitive Überwachungskonzept absegnen.

Dass es so weit kommen dürfte, scheint ausser Frage. Mit Ausnahme von BastA!-Grossrat Urs Müller und Christoph Bürgenmeier, Präsident der Liberalen, sprechen sich sämtliche von der BaZ angefragten Politiker aller Parteien für das neue Überwachungskonzept aus. Eher verhalten die Linke mit SP-Parteipräsident Martin Lüchinger ("Bei Grossanlässen mag das eine gewisse Wirkung haben. Aber ich zweifle daran, dass die Kriminalitätsrate längerfristig mit Kameras gesenkt werden kann."), sehr freudig die Rechte mit SVP-Präsident Sebastian Frehner ("Von mir aus dürften die Kameras auch immer aufzeichnen."). Auch CVP und FDP mit ihren Parteipräsidenten Markus Lehmann ("ein Versuch wert") respektive Daniel Stolz ("Wenn die Kontrolle der Überwacher gewährleistet ist, können wir das unterstützen.") sind bereits auf der Seite von Hanspeter Gass und seinen Kameras. Immer vorausgesetzt, die Überwachung geschieht datenschutzkonform.

Kritische Stimmen

Gegen diese Übermacht erheben sich die Stimmen von BastA! und Liberalen. Für Urs Müller geht der Plan von Gass in die Richtung der "totalen Überwachung". Und auch Bürgenmeier von den Liberalen hält die Überwachung der Innenstadt nicht für das geeignete Mittel, um die Sicherheit von Basel zu erhöhen: "Die Situation in der Stadt ist nicht derart schlimm, dass wir auf ein solches Mittel zurückgreifen müssen." Unterstützung erhalten die beiden vom Verein "grundrechte.ch". Dessen Basler Vorstandsmitglied Christian Thommen vermisst die rechtliche Grundlage des Vorhabens. Ausserdem bewiesen Studien aus England, dem Mutterland der Videoüberwachung, dass die totale Kontrolle die Kriminalitätsrate nicht unbedingt senke.

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Basellandschaftliche Zeitung 14.8.09

Basler Polizei will "Big Brother" light

Rund 70 Kameras sollen 20 Plätze und Strassen überwachen

Der Datenschutz ist gewähr- leistet, heisst es. Die rund 60 bis 70 Kameras werden nur bei Grossanlässen oder Seriendelikten aktiviert.

David Weber

Bislang hat die Polizei in Basel-Stadt bloss Zugriff auf Verkehrsüberwachungskameras. Dies soll sich ändern, fordert Justiz- und Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass gestern. Für 680 000 Franken wollen er und die Kantonspolizei 20 "neuralgische" Plätze mit Videokameras ausrüsten, wie dies bereits während der Fussball-EM temporär erfolgreich praktiziert worden sei.

Eine 24-Stunden-Überwachung ist allerdings nicht vorgesehen. Das Überwachungssystem soll bei Grossanlässen wie Demonstrationen, Volksfesten oder Fussballspielen angeschaltet werden. Weiter soll die Staatsanwaltschaft im Zuge von Ermittlungen Kameras aktivieren können, etwa bei Seriendelikten.

 Die Live-Bilder laufen in der Einsatzzentrale der Polizei zusammen. Zudem sollen Bilder unter Datenschutz-Vorgaben aufgezeichnet werden können. Aufnahmen, die nicht für ein Verfahren verwendet werden, müssen nach 24 Stunden gelöscht werden. An den Standorten muss auf die Kameras hingewiesen werden.

 Der Basler Polizeidirektor erhofft sich von den Kameras eine "präventive Wirkung" sowie einen optimalen Einsatz der personellen Ressourcen. Die Überwachungsanlage soll so rasch wie möglich in Betrieb genommen werden, falls die Regierung, der Grosse Rat und der Datenschutzbeauftragte grünes Licht zu einem detaillierten Projekt geben, das erst noch ausgearbeitet werden muss. Kommentar rechts, Seite 15

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Bis zu 70 Kameras für Basels Plätze

Die Kameras an 20 verschiedenen Orten sollen bloss bei Spezial-Anlässen angestellt werden

Der Basler Justiz- und Sicherheitsdirektor will die Innenstadt mit Kameras überwachen. Dies kostet schätzungsweise 680 000 Franken.

David Weber

60 bis 70 Überwachungskameras an 20 Plätzen? George Orwells "1984" lässt grüssen, Basel mutiert zum Überwachungsstaat. Könnte man meinen. Justiz- und Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass versucht umgehend zu relativieren. "Es ist nicht das Ziel, die Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr zu überwachen." Die 60 bis 70 Kameras vom Bahnhof SBB bis zum Messeplatz sollen nur bei Grossanlässen angeschaltet werden dürfen, schränkt Gass ein. Oder wenn es an einem Ort Seriendelikte gibt, zum Beispiel Schlägereien oder Einbruchsserien. "Die totale Überwachung, das wollen wir nicht", stellt Hanspeter Gass klar. Die laufende Aufzeichnung der Bilder ist auch aus Datenschutzgründen nicht möglich.

Für diese Videoüberwachung sollen auf Antrag des Justiz- und Sicherheitsdepartements 680 000 Franken ins Investitionsprogramm des Kantons integriert werden, wie gestern bekannt wurde. Hintergrund der Massnahme sind die positiven Erfahrungen während der Fussball-EM im letzten Sommer. Die damals temporär installierte Videoüberwachung sei erfolgreich gewesen und veranlasste Gass dazu, ein Projekt zur permanenten Videoüberwachung ausarbeiten zu lassen. "In en- ger Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten", sagt Gass und versichert: Die Anlage werde unter strikter Beachtung des Datenschutzes betrieben.

"Kein Allheilmittel"

SP-Grossrätin Tanja Soland ist nicht grundsätzlich gegen Videoüberwachung. Die Juristin warnt aber: "Kameras sind kein Allheilmittel." Man müsse die Erwartungen an den Nutzen massiv herunterschrauben. Soland verweist auf Erfahrungen aus Olten, wo die Überwachung eines Drogenstrich lediglich zur Verlagerung des Problems geführt habe. Auch in London, das eine flächendeckende Videoüberwachung einführte, wurde keine Reduzierung von Verbrechen verzeichnet. "Die Kameras verlieren mit der Zeit ihre präventive Wirkung", sagt Soland. Man müsse genau wissen, wozu man die Kameras einsetze. Sonst sei es "aus dem Fenster geworfenes Geld".

Polizeidirektor Gass ist überzeugt, dass die Kameras sicherheitspolitisch einen Mehrwert bringen. Er glaubt auch an die präventive Wirkung der Kameras, auch wenn sie nicht 24 Stunden laufen. Wichtig seien die Kameras auch für Grossveranstaltungen, seien das Volksfeste wie die Fasnacht oder Em Bebbi sy Jazz, Fussballspiele oder unbewilligte Demonstrationen. Die Einsatzkräfte könnten sich so jederzeit ein Bild der Lage und der Zuschauerströme machen. "So kann die Polizei ihre Ressourcen optimal einsetzen", glaubt Gass. Soland hingegen warnt, dass der Personalaufwand unterschätzt wird. "Wir brauchen Polizisten auf der Strasse und nicht hinter den Bildschirmen."

Gass: keine Verbindung zur SVP

Auffallend ist der Zeitpunkt der Forderung. Hanspeter Gass fordert die Videoüberwachung des öffentlichen Raums just einen Tag bevor die SVP ihre Massnahmen für mehr Sicherheit in Basel präsentieren will. Sein Antrag habe aber "gar nichts" mit dem Ultimatum der SVP zu tun. Das Projekt sei bereits nach der Euro 08 angedacht worden.

SVP-Präsident Sebastian Frehner findet die Videoüberwachung "eigentlich gut". An neuralgischen Punkten sollten die Kameras aber rund um die Uhr laufen, findet Frehner, zum Beispiel beim Barfüsserplatz oder der Steinentorstrasse.

Hier sollen Kameras hin

Insgesamt 20 Standorte

Plätze: Centralbahnplatz, Heuwaage, Umgebung Waaghof, Aeschenplatz, Bankverein, Theaterplatz, Barfüsserplatz, Lyss, Münsterplatz, Marktplatz, Schifflände, Claraplatz, Messeplatz, ums Stadion St. Jakob-Park.

Strassenzüge: Steinen-Vorstadt, Freie Strasse, Spiegelgasse, Mittlere Brücke

Innenräume: Bahnhof-Passerelle, Schalterhalle Bahnhof SBB. (daw)

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NEONAZIS BRD
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NZZ 14.8.09

Deutsche Neonazis im Visier der Justiz

Fremdsprachige Parolen sind im Allgemeinen nicht strafbar

 Deutsche Gerichte haben mehrere wegweisende Urteile gegen Neonazis gefällt. So sind rechtsextreme Parolen in der Regel nicht strafbar, wenn sie ins Englische übersetzt wurden. Ein Gedenkmarsch für den einstigen Hitler-Stellvertreter Hess in Franken wurde verboten.

 U. Sd. Berlin, 13. August

 Der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat am Donnerstag in einem Grundsatzurteil verfügt, dass Nazi-Parolen in der Regel nicht mehr strafbar sind, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt wurden. Konkret ging es um die in Deutschland verbotene rechtsextreme Gruppe "Blood and Honour". Ihr Name geht zwar auf die Hitlerjugend-Parole "Blut und Ehre" zurück, deren Verwendung als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation strafbar ist. Doch da rechtsextreme Parolen nach Ansicht des Gerichts ihre charakteristische Prägung nicht allein dem Sinngehalt, sondern auch der deutschen Sprache verdanken, stellt die Übersetzung eine "grundlegende Verfremdung" dar, und diese wird von der Strafvorschrift nicht erfasst. Mit ihrem Schiedsspruch hoben die Richter das Urteil eines Landgerichtes auf.

 Schwerin fordert Offenbarungseid

 Das Urteil ist bezeichnend für das Dilemma, in dem sich deutsche Gerichte und Behörden im Umgang mit Neonazis sehen. Einerseits ist man aus geschichtlicher Erfahrung und aus Respekt vor den Opfern des Nationalsozialismus bemüht, rechtsextremen Umtrieben schon früh einen Riegel zu schieben; anderseits sehen viele Richter wenig Sinn darin, das mit Abstand widerwärtigste Segment der deutschen Politik durch übereilige Verbote attraktiver zu machen. Die Debatte um das Verbot der NPD spiegelt diesen Zwiespalt genau wider. Etwas leichter als bei diesen Grundproblemen hat es die Gerichtsbarkeit, wenn es um konkrete Anlässe wie den geplanten Neonazi-Aufmarsch im fränkischen Wunsiedel zum Gedenken an den einstigen Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess geht. Wie schon in den vergangenen Jahren wies das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag einen Eilantrag gegen das Verbot der für den 22. August geplanten Kundgebung ab.

 Besonders schwer betroffen von Neonazi-Aktivitäten sind die neuen Bundesländer, und so kommt es nicht überraschend, dass man dort zur Strenge neigt. Mecklenburg-Vorpommern will nun als erstes Bundesland den Kandidaten der NPD den Einzug in die demokratischen Institutionen systematisch erschweren. Wie der christlichdemokratische Innenminister Lorenz Caffier am Donnerstag mitteilte, sollen Wahlausschüsse künftig Auskünfte vom Verfassungsschutz anfordern können, wenn sie begründete Zweifel an der Verfassungstreue einzelner Bewerber haben. Mit der neuen Regelung will die Landesregierung laut eigenen Angaben ein Signal im Kampf gegen den Rechtsextremismus setzen. "Demokratisch legitimierte Ämter" sollen laut Caffier nicht in die Hände von Feinden der Demokratie, des Grundgesetzes und der Landesverfassung fallen.

 Rassistische Exzesse vor der Wahl

 Man mag über die Wahl der Mittel im Kampf gegen Rechtsextreme streiten - über deren Niedertracht gibt es keine Diskussion. Die NPD beweist dies immer wieder aufs Neue, dieser Tage besonders eindrücklich mit ihren rassistischen Angriffen gegen den schwarzen christlichdemokratischen Wahlhelfer Zeca Schall in Thüringen. Nachdem NPD-Wahlkampfleiter angekündigt hatten, dass Schall "zur Heimreise animiert" werden solle, erstattete die CDU Anzeige, und nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Volksverhetzung, Beleidigung und versuchte Nötigung. Schall steht unter Polizeischutz. Ob sich die Rechtsextremen durch solche Aktionen schwächen, ist schwer abzuschätzen. Für viele Rechtsradikale, denen die in den Parlamenten aktiven NPD-Politiker zu angepasst sind, dürfte die Partei dadurch eher an Statur gewinnen.