MEDIENSPIEGEL 17.8.09
(Online-Archiv: http://www.reitschule.ch/reitschule/mediengruppe/index.html)

Heute im Medienspiegel:
- Reitschule-Programm
- Beratungsstelle Militärverweigerung schliesst
- Rentyhorn: Petitionseinreichung
- Intersexualität: Demo vor Inselspital
- AJZ Solothurn: Hausbesetzung
- Squat in Baden
- Hooligan-Datenbank "Gamma"

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REITSCHULE
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Di 18.08.09  
22.00 Uhr - Hofkino - BROTHER, WHERE ART THOU?, Joel Coen, USA 2000, 106min, DVD, OV/d

Sa 22.08.09
22.00 Uhr - Rössli - *25* (garaj-noise aus Marseille F)

So 23.08.09
19.00 Uhr - Vorplatz - BBQ

Di 25.08.09
22.00 Uhr - Hofkino - HOTEL VERY WELCOME, Heiss Sonja, Deutschland, 2008, 94min, DVD, OV/d
20.30 Uhr - Tojo - "Venusfalle" von Junge Bühne Bern. Regie: Karin Maurer.

Infos: http://www.reitschule.ch

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DIENSTVERWEIGERUNG
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Sonntag 16.8.09

Berner Anarchisten geben den Kampf auf

Die recht eigenwillige Beratungsstelle für Militärdienstverweigerung in Bern hat ihren Betrieb nach 28 Jahren eingestellt

Die Berner galten als die "Anarchisten" unter den Armeegegnern. Doch mit der Abschaffung der Gewissensprüfung für den Zivildienst kam das Ende der Beratungsstelle für Militärdienstverweigerung.

 Von Patrick Furrer

Die ideologischen Grabenkämpfe um Sinn und Unsinn einer allgemeinen Dienstpflicht sind seltener geworden. Früher wurden die jungen Verweigerer ins Gefängnis gesteckt oder zumindest militärstrafrechtlich verfolgt. In den 60ern kamen als Reaktion auf den Anstieg der Verurteilungen die Beratungsstellen auf. Die Vereine oder die Mitarbeiter sollen vom Staat überwacht worden sein. So auch die Berner Beratungsstelle für Militärdienstverweigerung.

Die Beratungsstelle hat ihren Ursprung laut dem ehemaligen Leiter Daniel Costantino (Bild) in der "Brasserie" in der Lorraine, am ehemaligen "Verweigerer-Stammtisch". "Damals hatte die Polizei nebenan Wohnungen gemietet, aber sie fanden nur heraus, dass wir nichts Illegales gemacht haben", sagt der 49-jährige Stadtberner. 18 Jahre war Costantino als Sekretär des zugehörigen Vereins aktiv.

Nach 28 Jahren ist nun für die Berner Beratungsstelle Schluss. Schon seit längerem zeichnete sich ein Besucherschwund ab, wie Costantino in der letzten Ausgabe des linken Magazins "friZ" schrieb. Tatsächlich war er in der Endphase der letzte und alleinige Berater in Bern, abgesehen von zwei Ferienaushilfen. In Spitzenzeiten sollen acht Mitarbeiter dabei gewesen sein; keine ausgebildeten Juristen, sondern selber Verweigerer. Seit damals ist die monatlich behandelte Anzahl Fälle auf weniger als die Hälfte geschrumpft.

Mit der Abschaffung der Gewissensprüfung im April und dem einfachen Zugang zum Zivildienst wurden die Arbeiten eingestellt. Die Beratungen wegen "Gewissensverweigerung" machten rund 60 Prozent aus. Er habe nur bei der Umsetzung von Entscheiden geholfen, sie aber nie für die Klienten getroffen, sagt Costantino. Nur einmal habe er eine Ausnahme gemacht und "einer verzweifelten Mutter gesagt, sie solle ins Auto hocken, losfahren und ihren Sohn sofort aus der RS holen. Er war psychisch zusammengebrochen und suizidal geworden, aber die Ärzte und Vorgesetzten wollten ihn nicht nach Hause schicken. Die Mutter hat es getan, sie hatten sich heimlich in der Nähe der Kaserne verabredet, der Sohn kam zu ihr geschlichen und sie brausten davon."

 Costantino schrieb (und schreibt) ausserdem für militärkritische Magazine. Und die Beratungsstelle für Militärdienstverweigerung stellte 2003, nach der Einführung des dreitägigen Rekrutierungsverfahrens, die Rekrutentests ins Internet. Und er kritisierte sogar den Zivildienst, dessen Einführung vor 20 Jahren ein zentrales Ziel vieler Verweigerer-Beratungsstellen gewesen war, aber durch die Gewissensprüfung "beschämend" gewesen sei. Von "Erbsenzählern, Betonköpfen, Gesinnungsschnüfflern" schrieb er.

Rund ein Dutzend Beratungsstellen dürfte es einmal in der Schweiz gegeben haben. Die grössten in Zürich, St. Gallen und Bern, kleinere in Zofingen und Solothurn. Von diesen fünf gibt es nur noch diejenige in Zürich. Stellenleiter Piet Dörflinger weiss, dass er mitverantwortlich ist für das Ende des Berner Büros. "Viele aus der Region Bern und Solothurn kamen nach Zürich. Wir sind halt auch von den Präsenzzeiten besser verfügbar", erklärt er.

Ausserdem sei die Zeit der grossen Kämpfe vorbei, man gehe die Dinge heute offener an, nicht zuletzt, weil der ideologische Nachwuchs fehlt. "Grob vereinfacht", sagt Dörflinger, "war die Berner Stelle weniger pragmatisch als die unsere. Sie haben Missstände pointierter und aggressiver angesprochen." Das finde er zwar richtig, aber das sei in Verhandlungen mit Behörden und Politik nicht immer förderlich gewesen. Aber: "Wir fanden dieses ‹Mit-der-Friedensflagge-Wehen› irgendwie korrupt", sagt Costantino. Hätte man gross sein wollen und bestehen bleiben, wären Kompromisse nötig gewesen. Die eingehen wollten die Berner nie.

Vielleicht deshalb waren und sind Beratungsstellen auch bei Militärbehörden nicht sonderlich beliebt. "Spezielle Leute" seien das, Pazifisten und sogar Parasiten wurden sie während der Recherchen dieser Zeitung genannt.

Dementsprechend werden die Behörden nicht unfroh über die Schliessung der Stellen sein, deren es nun nur noch wenige in der Schweiz gibt. Und schliesslich hat auch die Zürcher Beratungsstelle Probleme. Über 4000 Beratungen hat sie im letzten Jahr gemacht, doch die Einnahmen sind wegen der Wirtschaftskrise, dem Spendenstopp und der schlechten Zahlungsmoral drastisch gesunken. Momentan ist die Stelle laut Leiter Piet Dörflinger noch bis etwa im September gesichert. "Die Lage", so Dörflinger, "bleibt prekär." Da hilft es wenig, dass jetzt noch ein paar Berner mehr nach Zürich gehen.

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RENTYHORN
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Rundmail 17.8.09

Rentyhorn/Agassizhorn: Einreichung der Petition

Sehr geehrte Damen und Herren

Im Sinne einer Voranzeige möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass am Freitag, 4. September 2009 die Petition "Rentyhorn" zur Umbenennung des nach dem rassistischen Schweizer Geologen Louis Agassiz benannten Agassizhorns (BE/VS, 3942 m.ü.M.) eingereicht wird (siehe http://www.rentyhorn.ch/?lang=de).

Der kongolesische Sklave Renty

Es dürften dannzumal über 2500 Unterschriften aus rund 75 Ländern sein, welche um 14.00 beim Bundeshaus und um 15.00 bei der Staatskanzlei Bern übergeben werden.

Dabei sein werden in Vertretung des Komitees "Démonter Louis Agassiz":

=> Carlo Sommaruga. Nationalrat und Interpellant (Genf)
=> Sasha Huber, schweizerisch-haitianische Künstlerin (Helsinki)
=> Roger Buangi Puati, reformierter Pfarrer mit kongolesischen Wurzeln und Historiker (Lausanne)
=> Kanyana Mutombo, Journalist mit kongolesischen Wurzeln und Direktor der "Afrikanischen Volksuniversität" (Genf)
=> Hansruedi Fricker, Künstler und Networker (Trogen AR)
=> Hans Barth, Kenner des Rassismus von Louis Agassiz (Fribourg)
=> Hans Fässler, Historiker, Buchautor und Gründer des Komitees (St.Gallen)

Wir würden uns freuen, wenn Sie über diese Einreichung berichten würden. Dürfen wir Sie bitten, uns eine Kontaktperson für weitere Informationen zu benennen oder dieses Mail an die geeignete Person weiterzuleiten. Für telefonische Auskünfte stehe ich gerne zur Verfügung: 071 288 39 52.

Mit herzlichem Dank und Grüssen
Hans Fässler

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INTERSEXUALITÄT
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Bund 17.8.09

"Zur Frau umgebastelt"

Gestern demonstrierte eine Gruppe Zwitter vor dem Inselspital Bern - unter ihnen: Daniela Truffer

Daniela Truffer wurde als Zwitter geboren und zum Mädchen umoperiert. Heute kämpft sie für das Recht zwischengeschlechtlicher Menschen auf Selbstbestimmung.

Christine D'Anna-Huber

Gestern hat Daniela Truffer mit einem Grüppchen Gleichgesinnter vor dem Berner Inselspital protestiert. Es ist der Ort, wo ihr Leben kaputt gemacht wurde, wie sie sagt. Dort habe man sie "zurechtgestutzt" und "zur Frau umgebastelt". Gegen solche Zwangsoperationen richtet sich die Aktion der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org. Sie will die Öffentlichkeit über die Langzeitfolgen solcher Eingriffe aufklären: dass solche Operationen lebenslängliche, die Gesundheit schädigende Hormonersatz-Therapien notwendig machen. Dass sie das sexuelle Empfinden der Betroffenen vermindern oder gänzlich zerstören. Und dass sie nach Meinung namhafter Experten ethische Grundsätze verletzen und auch strafrechtlich nicht haltbar sind.

Daniela Truffer ist ein Zwitter, ein Hermaphrodit, eine Intersexuelle. Zwitter ist der Ausdruck, den sie bevorzugt. Weil er direkt und ehrlich ist. Nach Jahrzehnten von Schmerz und Scham hat sie sich dazu durchgerungen, "die elende Last der Lüge" nicht länger auf sich zu nehmen, sondern die Dinge beim Namen zu nennen. So hat Truffer die Selbsthilfeorganisation Zwischengeschlecht.org mitbegründet.

"Kastriert hat man mich"

Und sie erzählt ihre Geschichte: Wie sie 1965 ohne "eindeutige Geschlechtsmerkmale" geboren wird - mit einem männlichen Chromosomensatz, einem Mikropenis und einem wenig ausgebildeten Hodensack, der Schamlippen ähnlich sieht. Wie andere Zwitterkinder wird sie so früh wie möglich einem bestimmten Geschlecht zugewiesen - für ihr Wohl, damit sie in Familie und Gesellschaft ihren Platz finden kann. Meist entscheiden sich die Ärzte in solchen Fällen für das weibliche Geschlecht, weil diese Operation einfacher ist. Daniela entfernt man mit nur zweieinhalb Monaten die gesunden Hoden. "Kastriert hat man mich", sagt sie. Als Daniela 7 ist, wird der Mikropenis zur Klitoris verkürzt, mit 18 bekommt sie eine künstliche Scheide. Es sind schmerzhafte Eingriffe, die nie mehr rückgängig zu machen sind.

Die Eltern wissen, dass mit dem Kind etwas nicht stimmt. Sie schämen sich und geben diese wortlose Scham an Daniela weiter. Diese sieht selbst, wie verschieden sie von ihrer Schwester ist und verinnerlicht, dass über all das, was immer es ist, nicht gesprochen werden darf. Zu Hause nicht und erst recht nicht vor Aussenstehenden.

Die Ärzte speisen die Familie mit Halbwahrheiten ab. Die erste Operation wird mit "verkümmerten Eierstöcken" erklärt, die entfernt werden mussten. Mit den fehlenden Eierstöcken wird später begründet, dass das Mädchen ab 12 Jahren Hormone schlucken muss. Als Daniela im Auftrag der Mutter es einmal wagt, den Hausarzt zu fragen, ob die Entfernung der Eierstöcke wirklich nötig gewesen sei, schleudert der ihr an den Kopf, es seien ihr ja die Hoden wegoperiert worden, und stürmt aus dem Raum. In der Krankenakte, die er liegen lässt, sieht Daniela erstmals schwarz auf weiss bestätigt, was sie längst vermutet hat: "Pseudohermaphroditismus masculinus" steht da. Abartig ist sie also. Abnormal. Wertlos.

Im Internet entdeckt Truffer, dass sie mit ihrem Leid nicht allein ist. Dass einer von rund 2000 Menschen intersexuell geboren wird - in der Schweiz sind es pro Jahr um die 40. Dass ein Drittel der Betroffenen Selbstmord begeht. Dass es Zwitter-Selbsthilfegruppen gibt. Sie fängt eine Psychoanalyse an und findet aus ihrer selbstzerstörerischen Scham heraus. Sie verliebt sich, lernt, "aussen hübsch und unauffällig, nur innen ruiniert", einen Mann kennen, der sie als Frau sieht, aber auch als Zwitter akzeptiert.

Vielleicht wäre sie Vater geworden

Nie wird sie wissen, wie es gewesen wäre, mit dem Körper zu leben, der ihr genommen wurde. Wie sie wäre, wäre sie nicht als Mädchen sozialisiert worden und hätte nicht jahrelang weibliche Hormone schlucken müssen. Grösser wahrscheinlich, muskulöser, kantiger, männlicher. Vielleicht wäre die Spermaproduktion genügend gross gewesen, damit das Zwitterwesen, das sie einst war, Vater geworden wäre. Es sind Möglichkeiten, die man ihr vorbehalten hat. Und die Wut darüber gibt ihr die Kraft, dafür zu kämpfen, dass in Zukunft kein Zwitter ohne seine Einwilligung operiert wird. Es ist kein vergeblicher und kein einsamer Kampf: In Deutschland hat eine Intersexuelle letzte Woche in dritter Instanz den Prozess gegen den Arzt gewonnen, der ihr die Fortpflanzungsorgane wegoperiert hatte. Andere Prozesse sind in Vorbereitung.

Viele Spitäler betonen, heute werde niemand mehr zwangsoperiert. Truffer bestreitet dies. Es werde immer noch unnötig eingegriffen. Natürlich gebe es Fälle, wo Operationen nötig sind, um das Leben eines Kindes zu erhalten, sagt Tuffer. Wenn beispielsweise die Harnröhre verkümmert und der Harnabfluss verhindert ist. Doch in den meisten andern Fällen könne mit einem "geschlechtszuordnenden Eingriff" zugewartet werden, bis die Betroffenen im Stande sind, sich selber zu entscheiden.: "Nur das", sagt Truffer, "wäre Liebe und Respekt vor dem Leben."

[@]
http://www.zwischengeschlecht.org

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BZ 17.8.09

Inselspital

 Intersexuelle protestieren

Jedes 2000.Kind kommt intersexuell zur Welt: Es hat weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale. Gestern haben vor dem Inselspital Betroffene dagegen protestiert, dass solche Kinder per Operation zu Mädchen oder zu Jungen gemacht werden. Daniela Trauffer, die Organisatorin des Protests, wurde einst in der Insel zum Mädchen operiert - sie leidet noch heute an den Folgen. azu

Seite 19

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Intersexualität

Das verwaltete Geschlecht

Gestern demonstrierte die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org vor dem Inselspital gegen Zwangsoperationen an Intersexuellen. Auch die Organisatorin Daniela Truffer wurde einst in der Insel zum Mädchen gemacht.

Bub oder Mädchen? In seltenen Fällen haben weder Eltern noch Ärzte darauf eine Antwort, weil das Neugeborene weder eindeutig männlich noch weiblich ist. Was die Medizin "Disorders of Sex Development" nennt, heisst politisch korrekt Intersexualität. Umgangssprachlich spricht man von Zwittern oder Hermaphroditen.

Weil Eindeutigkeit her müsse, richte sich die Medizin auch heute noch nach den Grundsätzen des US-Sexualforschers John Money, sagt die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org. Money stellte in den 50er-Jahren den Grundsatz auf, Ärzte und Eltern sollten einem intersexuellen Kind ein Erziehungsgeschlecht zuweisen und operativ Tatsachen schaffen. Dies, möglichst ohne dem Kind davon zu erzählen. "Unter den psychischen und physischen Folgen leiden die Betroffenen lebenslang", sagt Daniela Truffer, Gründungsmitglied der Menschenrechtsgruppe.

Als Säugling kastriert

Gegen solche "Zwangsoperationen" protestierte die Menschenrechtsgruppe gestern nachmittag vor dem Inselspital. Und dafür, dass die Politik das dritte Geschlecht in amtlichen Dokumenten anerkennt. Auch Daniela Truffer ist betroffen. Sie kam 1965 zur Welt - mit einem schweren Herzfehler und uneindeutigem Geschlecht. Nach der Geburt wurde sie drei Monate lang im Inselspital untersucht. Erst Jahrzehnte später, nach langen Kämpfen um die Herausgabe ihrer Krankenakte, erfuhr Truffer, was damals mit ihr geschah. "In meinem Bauch fanden die Ärzte gesunde Hoden. Zudem stellten sie fest, dass ich über einen männlichen Chromosomensatz verfügte." Truffer hatte auch einen kleinen Penis. Oder, worauf sich die Ärzte einigten, eine vergrösserte Klitoris. Sie beschlossen, aus dem Kind ein Mädchen zu machen. "Trotz meines lebensbedrohenden Herzfehlers wurde ich im Alter von zweieinhalb Monaten kastriert", sagt Truffer.

Das Schweigen der Ärzte

Erst verschwiegen die Ärzte den Eltern die Operation. Aus Truffers Krankenakte: "Entgegen dem früheren Entschluss, den Eltern nichts über die genitale Situation zu sagen, kamen wir nach reiflicher Überlegung überein, den wahren Sachverhalt trotzdem mit den Eltern zu besprechen, (…)." Zudem wiesen sie die Eltern an, wie sie ihr Kind zu erziehen hätten. "Das Kind ist ein Mädchen (…), die ganze Erziehung hat sich danach zu richten. Mit niemandem ausser den Eltern und dem Arzt (…) soll über die Geschlechtsfrage weiter diskutiert werden." Die verantwortlichen Ärzte sind inzwischen verstorben.

Blick zwischen die Beine

Durch die Kastration produzierte Daniela Truffers Körper keine lebenswichtigen Hormone. Seit sie 12 Jahre alt ist, schluckt sie deshalb künstliche Hormone. Mit sieben Jahren operierten die Ärzte das Kind endgültig zum Mädchen. Glück im Unglück: Bei der Operation wurde Daniela Truffers Penisschaft, nicht aber die Eichel entfernt, sexuelle Gefühle sind möglich. Sie leidet jedoch an der inneren Zerrissenheit und an den gesundheitlichen Folgen der Hormonpräparate.

Daniela Truffers Jugend war vom Blick zwischen ihre Beine geprägt. Ständig wurde sie untersucht, "begrapscht" und nach den Operationen im Genitalbereich von Schmerzen geplagt. "Ich wusste, dass mit mir etwas nicht stimmt. Darüber gesprochen hat niemand." Die Folgen vergleicht Truffer mit jenen eines sexuellen Missbrauchs. "Sexualität, mein weibliches Geschlecht, das wurde für mich zu etwas Dunklem. Ich habe mich vor mir selber geekelt."

Heute lebt die 44-Jährige in einer Beziehung mit einem Mann, der ihre Öffentlichkeitsarbeit im Kampf um Wiedergutmachung und Anerkennung für Intersexuelle unterstützt.

Nach neun Jahren Psychotherapie kann Daniela Truffer nun auch mit sich selber leben. Das Verhältnis zu den Eltern ist wieder inniger. Auf die Frage, ob sie sich als Frau oder als Mann fühlt, findet sie nur schwer eine Antwort. "In meiner Fantasie habe ich mich immer als Vater gesehen", sagt sie, die weder Kinder zeugen noch empfangen kann. Den Raum, sich zu fragen, wer sie ist, hatte sie nie. "Ich bin zwangsoperiert", sagt Daniela Truffer. "Meine Genitalien, etwas vom Intimsten überhaupt, wurden mir genommen und verwaltet."

Andrea Sommer

http://www.zwischengeschlecht.org

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"Betroffene sollen wählen"

Die Chefärztin der Bieler Kinderklinik Wildermeth wehrt sich gegen den Zwang zum eindeutigen Geschlecht.

In ihrer Aktion vor dem Inselspital von gestern prangerte die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org die Praxis der Zwangsoperationen an. Auch heute noch würden Kleinkinder unklaren Geschlechts mit dem Skalpell und ohne ihre Einwilligung zu Mädchen oder Buben gemacht.

Dass es auch anders geht, zeigt die Kinderklinik Wildermeth in Biel. Chefärztin Christine Aebi ist auf Kinderendokrinologie spezialisiert, also auf die Lehre der Hormone. Aebi wehrt sich gegen den Zwang zum eindeutigen Geschlecht. "Ob Mann oder Frau, das wird nicht allein durch das äussere Geschlecht bestimmt, sondern auch durch den Gender, also das innere Fühlen als Frau oder Mann."

Bei Säuglingen mit unklarem Geschlecht werde eine Chromosomenanalyse durchgeführt, die Aufschluss darüber gebe, ob das Kind eher ein Bub oder ein Mädchen ist, sagt Aebi. "Unabhängig vom Resultat raten wir den Eltern, zu warten, bis ihr Kind sein Geschlecht selber wählen kann." Die Eltern würden dies akzeptieren, sagt Aebi. "Natürlich brauchen sie dann Begleitung durch Fachleute." Laut Aebi ist eine Operation einzig aus gesundheitlichen Gründen angebracht. "Etwa dann, wenn es durch die Ausbildung der Geschlechtsorgane zu Infektionen der Nieren kommt oder der Stuhlgang behindert wird."

Aebi ist seit zehn Jahren Chefärztin der Kinderklinik Wildermeth. Davor praktizierte sie länger in Kanada. "Dort ist die Politik jene, dass man die Kinder sein lässt, wie sie geboren wurden, bis sie selber entscheiden können", so Aebi. In anderen Kulturen seien intersexuelle Menschen akzeptierter als in unseren Breitengraden. Etwa in Indien. Aebi: "Dort geht man davon aus, dass der Mensch gespalten wurde und das Weibliche und Männliche wieder in sich vereinen muss. Kommt ein zwischengeschlechtliches Kind zur Welt, dann ist dies ein Geschenk."
as

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Justiz

Deutscher Arzt verurteilt

Das Landgericht Köln verurteilte am Mittwoch einen Arzt zur Schmerzensgeldzahlung von 100000 Euro. Geklagt hatte eine als Kind operierte Intersexuelle. "Eine geschlechtszuweisende Operation ist ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht", sagt Andrea Büchler, Rechtsprofessorin der Uni Zürich. Ob die gesetzlichen Vertreter eines Kindes die Einwilligung erteilen können, hänge davon ab, ob der Eingriff für die Gesundheit des Kindes nötig und in seinem Interesse sei. "Wenn nicht, ist mit dem Eingriff zuzuwarten, bis das Kind urteilsfähig ist."
as

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Offener Brief

Kritik an Insel-Ärzten

Mit der gestrigen Aktion vor dem Inselspital protestierte die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org auch gegen Aussagen von zwei Insel-Ärzten in den Medien. Zacharias Zachariou, Direktor der Kinderchirurgie, erklärte vor Jahresfrist in der "NZZ am Sonntag", dass eine geschlechtsangleichende Operation für die Identität des Kindes wichtig sein könne. Primus Mullis, Abteilungsleiter für pädiatrische Endokrinologie, sagte letzten November im "Bund", dass in "kosmetischer Hinsicht" Operationen teilweise nötig seien.
azu

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AJZ SOLOTHURN
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Solothurner Tagblatt 17.8.09

Solothurn

Hausbesetzung als Druckmittel

Am Wochenende sind Aktivisten in ein Haus an der Dornacherstrasse in Solothurn eingestiegen und haben dieses besetzt.

Das Haus, in welchem früher die Drogenanlaufstelle untergebracht war, gehört der Stadt Solothurn und steht leer. In der Nacht auf Samstag wurde es von Aktivisten besetzt, die ein autonomes Jugendzentrum fordern. Mit der Besetzung wollen sie die Diskussion mit den Stadtbehörden erzwingen. Für den Stadtpräsidenten Kurt Fluri ist dies jedoch der falsche Weg. Er verhandle nicht mit Leuten, die sich illegal verhielten, sagt er. Ob und wann das Haus geräumt wird, soll in den nächsten Tagen entschieden werden. eva

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Dornacherstrasse

Besetzer wollen Druck ausüben

In der Nacht von Freitag auf Samstag sind Aktivisten in das Haus der ehemaligen Drogenanlaufstelle an der Dornacherstrasse eingestiegen und besetzten dieses. Sie fordern ein autonomes Jungendzentrum.

"Wir sind fest entschlossen aus diesem ungenutzten Gebäude, das der Stadt Solothurn gehört, ein Autonomes Jugendzentrum, kurz AJZ, zu machen", verkünden die Hausbesetzer auf Flugblättern und im Internet. Seit über zwei Jahren versuchten viele Jugendliche in Solothurn ein selbstverwaltetes Jugendzentrum zu realisieren, würden aber immer wieder abgeschoben und nicht ernst genommen, heisst es weiter. Deshalb ergreife man jetzt Eigeninitiative und versuche "die Behörden und Volksvertreter zum Dialog zu zwingen." Zum Teil vermummte Aktivisten standen gestern Nachmittag auf dem Balkon des besetzten Hauses während auf dem Dornacherplatz eine schwach besuchte Kundgebung stattfand.

Zwei Aktivistinnen, die nach eigenen Angaben nicht zu den Hausbesetzern gehören, gaben Auskunft. Ihre Namen wollten sie nicht nennen, ebenso wenig, wer die Hausbesetzer sind und wie viele davon sich im Gebäude aufhalten. Nur so viel: Bei der kurzen Besetzung des leerstehenden Gebäudes auf dem Gloria Areal Ende März seien teilweise die gleichen Leute beteiligt gewesen.

Obwohl die "Autonome Freiraumbewegung" noch Ende letzten Monats eine Mitteilung mit der Forderung nach einem AJZ an der Dornacherstrasse verschickt hat, schrieb die Bewegung gestern in einem Email ans Solothurner Tagblatt, dass sie sich klar von der Besetzung abgrenze, jedoch ihre Solidarität bekunde.

Fluri verhandelt nicht

"Wir sind frustriert, wollen jetzt aber endlich ernst genommen werden", sagen die zwei jungen Frauen. "Ein Gespräch mit dem Stadtpräsidenten wäre immerhin ein Anfang". Dessen Aussage gegenüber Radio 32 am Samstag, er halte von der Besetzung nichts, sei sehr enttäuschend gewesen. "Wir lassen es uns nicht mehr gefallen, dass wir nicht angehört werden. Schliesslich sind wir auch ein Teil dieser Stadt", meinen die Frauen.

Dass die Besetzung nicht der richtige Weg sei, machte Kurt Fluri aber auch gestern klar: "Ich verhandle nicht mit Leuten, die sich illegal verhalten", sagte er. Die Stadt habe bereits einmal die Forderung nach einem AJZ entgegen genommen doch mit einer Hausbesetzung könne man keinen Druck ausüben. Die Besetzer sollten das Haus jetzt möglichst geordnet verlassen und zeigen, dass man vernünftig mit ihnen reden könne, rät der Stadtpräsident. Goodwill zu schaffen sei jetzt das konstruktivste.

Dennoch: Im Haus der ehemaligen Drogenanlaufstelle wird es in nächster Zeit auch so kein AJZ geben, denn dort sind Asylbewerberwohnungen vorgesehen, wie Kurt Fluri erklärt. "Die Stadt hat zur Zeit keine freien Liegenschaften", sagt er. Weiter müsse klar gemacht werden, dass ein Haus nicht gratis zur Verfügung gestellt werden könne und es so etwas wie "rechtsfreien Raum" nicht gebe.

Bisher friedlich

 Die Meldung über die Besetzung war um 1.30 Uhr in der Nacht auf Samstag bei der Stadtpolizei eingegangen. Bis gestern Abend gab es laut Kommandant Peter Fedeli aber keinen Grund einzuschreiten. Die Polizei behält die Aktion zwar im Auge, die Besetzung und die gestrige Kundgebung seien aber soweit friedlich verlaufen. Zur Räumung braucht die Polizei den Auftrag der Stadt und dieser sei bisher nicht eingegangen. "Wir werden in den nächsten Tagen besprechen was zu tun ist", erklärt Peter Fedeli das weiterre Vorgehen.

Für die Aktivisten ist aber klar: Freiwillig werden sie das Haus nicht verlassen. "Die Aktion wird so lange dauern, wie sie dauern muss", zeigt sich eine der zwei Auskunftspersonen entschlossen.

Eva Berger

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Solothurner Zeitung 17.8.09

"AJZ statt Ramada"

Seit Freitagabend halten Jugendliche die ehemalige Drogenanlaufstelle in Solothurn besetzt. Sie fordern ein Autonomes Jugendzentrum. Auf einem Flyer mit dem Titel "AJZ statt Ramada" verkünden die Besetzer, dass sie die Behörden zum Dialog zwingen wollen. Man fühle sich nicht ernst genommen. Stadtpräsident Kurt Fluri entgegnet, es seien eben nicht alle Wünsche erfüllbar. Heute wollen die Polizei und die Stadt als Liegenschaftsbesitzerin über das weitere Vorgehen entscheiden. (szr) Seite 18
Urs Lindt

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Haus in Solothurn besetzt

Jugendliche wollen in ehemaliger Drogenanlaufstelle ein AJZ einrichten - Stadt sagt Nein

Seit Freitagabend halten Jugendliche die ehemalige Drogenanlaufstelle am Dornacherplatz in Solothurn besetzt. Sie fordern die Schaffung eines Autonomen Jugendzentrums (AJZ). Die Stadt als Liegenschaftsbesitzerin lässt sie vorerst gewähren.

Franz Schaible

Von der Liegenschaft vis-à-vis des Dornacherplatzes tönt laute Musik, vermummte Besetzer stehen auf dem Balkon. Auf dem Dornacherplatz wird ein Flyer verteilt: "AJZ statt Ramada". Seit über zwei Jahren versuchten viele Jugendliche in Solothurn ein selbst verwaltetes Jugendzentrum zu realisieren, erklärt eine junge Frau, die ihre Solidarität mit den Besetzern zeigt. "Leider wurden wir nicht ernst genommen", sagt die Kontakt-Frau, die ihren Namen nicht nennen will. Erst noch im Juli habe die Autonome Freiraum Bewegung (AFB) Kontakt gehabt mit der Regionalplanungsgruppe (Repla) betreffend einer Neunutzung der ehemaligen Drogenanlaufstelle als AJZ. Der Kontakt sei inzwischen wieder abgebrochen.

"Kein Platz für rechtsfreie Zone"

"Jetzt haben Jugendliche Eigeninitiative ergriffen und versuchen, die Behörden und Volksvertreter zum Dialog zu zwingen", heisst es im Flyer weiter. Nach Angaben der jungen Auskunftsperson seien die Besetzer teilweise dieselben, welche vor kurzem das alte Gloria-Areal kurz in Beschlag nahmen. Man wolle nun so lange bleiben, bis die Stadt eine Lösung anbiete oder zumindest das Gespräch suche. Warum nur rund zehn Personen an der Aktion auf dem Dornacherplatz teilnahmen, begründete sie mit "der Kurzfristigkeit und der Spontaneität der Aktion".

 Stadtpräsident Kurt Fluri weist den Vorwurf, die Jugendlichen nicht ernst zu nehmen, zurück. "Die Stadt habe vom Anliegen sehr wohl Kenntnis. Aber nicht immer sind alle Wünsche erfüllbar", sagt Fluri. Fakt sei, dass es "in der Stadt für eine rechtsfreie Zone weder räumlich noch politisch Platz hat." Auch nicht in der ehemaligen Drogenanlaufstelle? Nein, betont Fluri und verweist auf die Pläne der Stadt, das Haus für Asylbewerberwohnungen umzubauen.

 Man lasse sich nicht unter Druck setzen und werde höchstens "über den Auszug der Besetzer verhandeln". Heute Montag, so Fluri weiter, werde die Stadt als Liegenschaftsbesitzerin mit der Polizei das weitere Vorgehen besprechen. Den Besetzern werde für die Räumung des Hauses wohl ein Ultimatum gesetzt.

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SQUAT BADEN
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Aargauer Zeitung 17.8.09

Neue Hausbesetzung in Baden

"Das Kollektiv hat entschieden, dass wir der Presse keine Auskunft geben", sagten die jungen Männer, die aus den Fenstern des Hauses an der Mellingerstrasse 33 schauten. Seit Freitag haben sie die leerstehende Kantonsliegenschaft besetzt. Auf einem Flyer, den sie aus einem Fenster der Journalistin zuwarfen, steht: "Es ist nicht nachvollziehbar, dass in Zeiten der Ressourcenknappheit und Wohnungsnot solche Wohn- und Nutzflächen einfach so brachliegen. Wir wollen Raum schaffen für freidenkende Menschen, die in Baden keinen Platz finden." Die Hausbesetzer wollten nicht sagen, wer sie sind. Offenbar gehören sie zu keiner politischen Partei. (som)

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HOOLIGAN-GRIPPE
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Aargauer Zeitung 17.8.09

Sport möglichst ohne Krawall

Stadtzürcher Volksabstimmung über die Hooligan-Datenbank "Gamma"

Bereits heute führen die Hooligan-Spezialisten der Zürcher Stadtpolizei eine Kartei über gewaltbereite Personen, die an Fussball- oder Eishockey-Spielen negativ in Erscheinung treten. Für die Erfassung in einer elektronischen Datenbank braucht es aber eine neue Rechtsgrundlage. Linkskreise laufen dagegen Sturm.

Alfred Borter

In etwas mehr als einem Monat, am 27. September, ist das Zürcher Stimmvolk aufgerufen, die neue Rechtsgrundlage zu schaffen, damit die Polizei die "Gamma" genannte Datenbank in Betrieb nehmen kann. In dieser Datenbank sollen Leute verzeichnet werden, von denen die Polizei weiss oder mindestens mit guten Gründen annimmt, dass es sich um gewaltbereite, organisierte Hooligans handelt. Aber auch Personen, welche Sportveranstaltungen spontan dazu benutzen, um Krawalle anzuzetteln oder daran teilzunehmen, wobei es zum Beispiel zu Gewalt zwischen Fangruppen oder auch gegenüber friedlichen Veranstaltungsbesuchern kommt.

Nicht nur Schläger

Verzeichnet sind in dieser Datenbank also nicht allein Personen, denen man Gewalttaten nachweisen konnte, sondern auch solche, die sich schon in gewaltbereiten Pulks aufgehalten haben, ohne dass die Polizei sie als Schläger oder als Verursacher von Sachbeschädigungen hat namhaft machen können. Laut Aussagen des Stadtrats geht man mittlerweile von etwa 700 bis 800 meist jugendlichen Personen oder jungen Erwachsenen auf dem Platz Zürich aus, die zu dieser Risikogruppe gezählt werden. Ausserdem soll es etwa 80 bis 100 aktive Hooligans geben.

Wer in der Datenbank "Gamma" registriert wird, erhält von der Polizei eine entsprechende Mitteilung. Die Behörden sind der Meinung, dass Personen, die registriert sind und wissen, dass man sie als mögliche Randalierer einstuft, sich eher von Krawallen fernhalten. Man spricht dabei von Deanonymisierung und meint damit, dass registrierte Personen eher von Gewalttaten absehen, da sie das Risiko, erkannt und verhaftet zu werden, als zu gross einstufen werden. Möglich ist es auch, aufgrund von Bundesvorschriften gewissen Personen zu verbieten, sich während der Spiele in der Nähe des Stadions aufzuhalten.

"Die Gewalt rund um Sportveranstaltungen wird abnehmen", schreibt der Stadtrat in seiner Weisung an die Stimmbürger, und bittet um ein Ja zur Verordnung.

Kritik schon im Gemeinderat

Auch der Gemeinderat stimmte der Datenbank zu, und zwar mit 74 zu 46 Stimmen. Die Grünen, die Alternativen und ein Teil der Sozialdemokraten sprachen sich allerdings gegen "Gamma" aus, in der Meinung, der Begriff der "gewaltsuchenden" Personen sei viel zu schwammig gefasst. Es könne ja so gut wie jedem Besucher einer Sportveranstaltung einmal passieren, dass er oder sie unfreiwillig neben einer Person stehe, die verbotenerweise Feuerzeug abbrenne oder eine Fackel werfe. Zusammen mit einigen SVP-Gemeinderäten, die ohnehin finden, es brauche nicht mehr Gesetze und Verordnungen, sondern die heutigen Vorschriften genügten durchaus, haben sie erfolgreich das Behördereferendum ergriffen, weshalb jetzt das Volk das letzte Wort hat.

Schranken gegen Missbrauch

Der Stadtrat ist allerdings, wie die Gemeinderatsmehrheit, der Meinung, die Fichierung sei nicht nur ein wirksames Mittel gegen die Gewalt an Sportveranstaltungen, sondern sie sei auch verhältnismässig und rechtsstaatlich abgesichert. Die Stadtregierung hat auf Verlangen des Gemeinderats denn auch eine ganze Reihe von Mitteln eingebaut, die verhindern sollen, dass die Datenbank missbraucht werden könnte. So hat nur ein halbes Dutzend Hooligan-Spezialisten der Stadtpolizei auf "Gamma" Zugriff. Wer nicht weiter negativ auffällt, dessen Daten werden nach zwei Jahren automatisch wieder gelöscht. Ausserdem ist die ganze Angelegenheit vorerst bis Ende 2010 befristet. Polizeivorsteherin Esther Maurer liess verlauten, "Gamma" sei sicher kein Allheilmittel, aber doch ein sehr nützliches Instrument im Kampf gegen Gewalt an Sportveranstaltungen.

Die SP hat bereits ihre Abstimmungsempfehlung abgegeben: Befürworter und Gegner hielten sich an der Delegiertenversammlung ungefähr die Waage, sodass man Stimmfreigabe beschloss. Die FDP ist klar für ein Ja, die andern Parteien legen die Parole erst später fest.

Auf einer andern Ebene ist die Hooligan-Datenbank Hoogan angesiedelt, nämlich beim Bund. Dort werden aber nur Personen erfasst, gegen die ein Stadionverbot oder ein Rayonverbot ausgesprochen worden sind.

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Die weiteren Vorlagen

Die Stadtzürcher Stimmbürgerschaft hat überdies zu folgenden Vorlagen Stellung zu nehmen:

· Objektkredit von 139,4 Millionen Franken für den Umbau von Gebäuden der Firma Siemens-Albis, die neu als Hauptstandort der Organisation und Informatik der Stadt Zürich (OIZ) dienen sollen. Dieser wird höchste Standards an Datensicherheit und Energieeffizienz erfüllen und genügend Raumreserven für den wachsenden Bedarf an Flächen sicherstellen.

· Rahmenkredit von 180 Millionen Franken für den Bau von Anlagen des Geschäftsfeldes "Energiedienstleistungen" des Elektrizitätswerkes der Stadt Zürich.

· Objektkredit von 50 Millionen Franken für den Bau einer städtischen Quartierverbindung zwischen Alt- und Neu-Oerlikon. (abr.)